Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 04. Sept. 2014 - 4 K 417/14.NW
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung der Baugenehmigung vom 11. Juni 2013 und des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids vom 28. März 2014 verpflichtet, der Klägerin eine uneingeschränkte Baugenehmigung zur Errichtung einer Wohnanlage mit 8 Wohneinheiten, 8 Tiefgaragenstellplätzen, 4 Stellplätzen, einem Aufzug sowie einer Wärmepumpe im Speicher des Anwesens auf dem Grundstück Flurstück-Nr. .... zu erteilen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die nachträgliche Erteilung einer uneingeschränkten Baugenehmigung für ein bereits errichtetes Wohngebäude mit einer in das Dach des Gebäudes eingebauten Wärmepumpe.
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Die Klägerin ist Bauherrin eines Wohnbauvorhabens auf dem Grundstück Flurstück-Nr. .... in Hagenbach. Dieses Grundstück liegt im Bereich des Bebauungsplans „...“ der Beigeladenen aus dem Jahre 1995. Die Ursprungsfassung des Bebauungsplans stammt aus dem Jahre 1978 und sah in Ziffer 4.3 seiner textlichen Festsetzungen vor, dass Dachaufbauten nicht gestattet sind. Der am 8. Dezember 1994 vom damaligen Gemeinderat der Beigeladenen beschlossene, am 20. Januar 1995 vom Landkreis Germersheim genehmigte, am 1. Februar 1995 vom damaligen Ortsbürgermeister der Beigeladenen ausgefertigte und am 3. Februar 1995 im Amtsblatt der Verbandsgemeinde Hagenbach öffentlich bekannt gemachte Bebauungsplan „...“ enthält u.a. neue Gestaltungsfestsetzungen. Dazu trifft Ziffer 2.2. der textlichen Festsetzungen die folgende Regelung:
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„ 2.0 Bauordnungsrechtliche Festsetzungen
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2.1 …..
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2.2 Dachaufbauten, Dacheinschnitte und Nebengiebel
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Dachaufbauten und Dacheinschnitte dürfen in ihrer Gesamtlänge höchstens 1/3 der Dachlänge betragen. Dachaufbauten in Form von Sattel-, Dreieck- oder Schleppdachgauben sind nur bei eingeschossigen Gebäuden zulässig. Einzelgauben sind nur bis zu einer Breite von max. 2,60 m zulässig, die Basisbreite von Dreiecksgauben darf 3,0 m nicht überschreiten. Die Gauben müssen von der Giebelwand einen Abstand von mind. 1,50 m einhalten. Traufseits muss die Dachfläche zwischen Gaube und Dachrinne in einer Mindestbreite von zwei Ziegelreihen durchlaufen. Das gleiche gilt für die Dachfläche zwischen oberem Gaubenabschluss und dem Dachfirst. Bei Dreiecksgauben sind Dachneigungen bis max. 50° erlaubt. Je Dachseite sind entweder nur Dachaufbauten oder nur Dacheinschnitte möglich. Diese Vorschrift bezieht sich auch auf im Zusammenhang gebaute Gebäude, wenn sie gestalterisch eine Dachfläche bilden (z.B. Reihen- oder Doppelhäuser).
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Nebengiebel dürfen nur mit einer Breite von max. 1/3 der Gebäudelänge errichtet werden. Sie müssen von der Giebelwand mind. 2,50 m Abstand einhalten und mit ihrer Firsthöhe mindestens 0,50 m unterhalb der Firsthöhe des Hauptgebäudes liegen.“
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In der Begründung zum Bebauungsplan heißt es hierzu:
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…. „Als Teilziele sind zu nennen:
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Durch Gestaltfestsetzungen, insbesondere über die Gestaltung der Dächer in Bezug auf Dachneigung und Dachaufbauten ein ansprechendes Siedlungsbild zu erreichen. ….
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Bisher war im Bebauungsplan die Errichtung von Dachgauben nicht zulässig. Zur besseren Ausnutzung und Belichtungsmöglichkeit der Dachgeschosse, sollen Dachaufbauten als Sattel-, Dreieck- oder Schleppdachgauben bei eingeschossigen Gebäuden zulässig sein.“
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Im August 2011 reichte die Klägerin im Freistellungsverfahren Bauunterlagen für die Errichtung einer Wohnanlage mit 8 Wohneinheiten, 8 Tiefgaragenstellplätzen, 4 Stellplätzen und einem Aufzug auf dem Grundstück Flurstück-Nr. .... ein. Mit Schreiben vom 26. September 2011 erklärte die Beigeladene zunächst, dass auf Durchführung eines Genehmigungsverfahrens verzichtet werde.
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Nach Beginn der Bauarbeiten erließ der Beklagte wegen bebauungsplanabweichenden Bauens und Nichteinhaltens der erforderlichen Abstandsflächen zum Nachbargrundstück am 13. November 2012 eine für sofort vollziehbar erklärte Baueinstellungsverfügung. Die Klägerin nahm daraufhin bauliche Änderungen an dem Bauvorhaben vor und erwarb zusätzlichen Baugrund von einem angrenzenden Grundstück. Die Baueinstellungsverfügung wurde deshalb am 8. März 2013 aufgehoben.
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Bereits vor Einstellung der Bauarbeiten hatte die Klägerin in den Speicher des Mehrfamilienwohnhauses eine der Warmwasserversorgung des Anwesens dienende Wärmepumpe mit den Maßen 1,90 x 0,90 x 2,20 m eingebaut, deren Außenaggregat bis zu 1,20 m aus der Dachfläche hinausragte. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Aufnahme des Gebäudes der Klägerin dienen:
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Aufgrund des Einbaus der Wärmepumpe verlangte die Beigeladene mit Schreiben vom 4. März 2013 nunmehr die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens für das gesamte Bauvorhaben.
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Der Beklagte hörte die Beigeladene wegen der auf dem Speicher des Wohngebäudes auf dem Grundstück Flurstück-Nr. .... errichteten Wärmepumpe in Bezug auf die mögliche Erteilung einer bauordnungsrechtlichen Abweichung mit Schreiben vom 18. März 2013 an. Der Stadtrat der Beigeladenen verweigerte seine Zustimmung zu der Abweichungsentscheidung des Beklagten und forderte am 22. April 2013 den Rückbau der Wärmepumpe.
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Der Beklagte erteilte der Klägerin daraufhin am 11. Juni 2013 die beantragte Baugenehmigung betreffend die Errichtung des bereits verwirklichten Wohngebäudes mit 8 Wohneinheiten, 8 Tiefgaragenstellplätzen, 4 Stellplätzen und einem Aufzug auf dem Grundstück Flurstück-Nr. .... im vereinfachten Genehmigungsverfahren. In der Ziffer B 200 der Bedingungen und Auflagen sowie Hinweisen zur Baugenehmigung führte der Beklagte folgendes aus:
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„Die Eintragungen in den Bauunterlagen sind als Auflage zu beachten. Die Ausführung der Wärmepumpe als Dachaufbau widerspricht dem Bebauungsplan und wird nicht genehmigt.“
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In den mit einem Genehmigungsstempel versehenen Bauunterlagen „Schnitt A-A“, „Ansicht Norden“, „Ansicht Osten“, „Ansicht Westen“ und „Speicher“ strich der Beklagte die eingezeichnete Wärmepumpe per Grüneintrag durch und fügte den Text „nicht Bestandteil der Genehmigung“ hinzu.
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Gegen die Ziffer B 200 legte die Klägerin am 8. Juli 2013 Widerspruch mit der Begründung ein, die Wärmepumpe sei begrifflich kein Dachaufbau. Diese sei im Übrigen nicht auf der Dachfläche montiert, sondern liege vielmehr im Bereich eines Dacheinschnittes des vorhandenen Satteldaches.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2014, der Klägerin zugestellt am 1. April 2014, wies der Kreisrechtausschuss des Beklagten den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung ohne die angegriffene Ziffer B 200. Dem Vorhaben stehe die Ziffer 2.2 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans "..." entgegen, wonach Dachaufbauten nur in Form von Sattel-, Dreieck-oder Schleppdachgauben und nur bei eingeschossigen Gebäuden zulässig seien. Die Wärmepumpe sei als Dachaufbau im Sinne der Ziffer 2.2 einzustufen. Sie könne nicht mit einem auf einer Dachterrasse aufgestellten Kühlschrank oder Gartenschrank verglichen werden. Vielmehr sei sie als Teil der haustechnischen Anlage fest mit dem Gebäude verbunden und rage 1,20 m über die Dachfläche hinaus. Sie fülle daher den Dacheinschnitt fast vollständig aus.
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Die Klägerin hat am 1. Mai 2014 Klage erhoben. Sie führt aus, die Ziffer B 200 in der Baugenehmigung sei rechtswidrig. Der Beklagte verkenne, dass das Außenaggregat der Wärmepumpe schon von vornherein nicht als Dachaufbau anzusehen sei. Im Übrigen sei die Außeneinheit der Wärmepumpe selbst dann genehmigungsfähig, wenn es sich bei dieser um einen Dachaufbau handeln würde. Es bestünden zunächst Bedenken an der Rechtmäßigkeit der Ziffer 2.2. der Festsetzung im Bebauungsplan. Es sei nicht zu erkennen, dass diese Festsetzung eine ausreichende Grundlage für ihre Aufnahme in den Bebauungsplan habe und vom Stadtrat der Beigeladenen ordnungsgemäß abgewogen worden sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Festsetzung vom Satzungsgeber einfach als Vorgabe vom Planer unreflektiert und ohne Abwägung „mit beschlossen“ worden sei.
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Dessen ungeachtet betreffe diese Festsetzung letztendlich nur echte Dachaufbauten. Dacheinschnitte seien im Geltungsbereich des Bebauungsplanes nicht untersagt. Das Außenaggregat der Wärmepumpe befinde sich zwar im Dachbereich, sei aber letztendlich in einem Dacheinschnitt, d.h. auf einer Dachterrasse im Dach aufgestellt. Eine solche Konstruktion sei nicht als Dachaufbau anzusehen. Ein Dachaufbau sei schon rein grammatikalisch als eine Konstruktion zu sehen, die auf einer Dachfläche aufgebaut sei. Das Außenaggregat der Wärmepumpe sei jedoch nicht auf der Dachfläche aufgestellt, sondern auf einer (zulässigen) Dachterrasse in diesem Dach. Die konkrete Situation vor Ort stelle sich nicht anders dar, als wenn ein Bewohner eines Hauses auf seiner Dachterrasse z.B. einen großen Kühl- oder Gefrierschrank oder aber einen Gartenschrank für die Unterbringung seiner Auflagen für die Terrassenmöbel aufstelle. Schon die Tatsache, dass die Außeneinheit der Wärmepumpe hier nur „aufgestellt“ sei, widerspreche der Annahme eines Dachaufbaus. Aus der Rechtsprechung folge auch, dass technische Einrichtungen wie z.B. eine aufgeständerte Solaranlage vom Begriff der Dachaufbauten ausgenommen würden. Die Außeneinheit der Wärmepumpe sei auch kein wesentlicher Teil des Daches, welcher das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild auch nur entfernt prägen könne. Darüber hinaus sei die Montage der Außeneinheit der Wärmepumpe nicht auf der Dachfläche im Wege einer dort vorgenommenen Verbindung erfolgt, sondern lediglich im Wege einer Aufstellung auf der Dachterrasse.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Abänderung der Baugenehmigung vom 11. Juni 2013 und des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids vom 28. März 2014 zu verpflichten, ihr eine uneingeschränkte Baugenehmigung zur Errichtung einer Wohnanlage mit 8 Wohneinheiten, 8 Tiefgaragenstellplätzen, 4 Stellplätzen, einem Aufzug sowie einer Wärmepumpe im Speicher des Anwesens auf dem Grundstück Flurstück-Nr. .... zu erteilen,
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hilfsweise,
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den Beklagten unter Aufhebung der Ziffer B 200 der „Bedingungen und Auflagen sowie Hinweise“ zur Baugenehmigung vom 11. Juni 2013 und des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheids vom 28. März 2014 zu verpflichten, ihr eine Abweichung für die Errichtung einer Wärmepumpe im Speicher des Anwesens auf dem Grundstück Flurstück-Nr. .... zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsaus-schusses vom 28. März 2014.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten, der Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Bebauungsplanunterlagen der Beigeladenen verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag zulässig (1.) und auch in der Sache begründet (2.). Über den Hilfsantrag war deshalb nicht mehr zu entscheiden (3.).
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1. Die Klage ist gemäß § 42 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – als Verpflichtungsklage statthaft. Der Beklagte hat die Genehmigung der Wärmepumpe zwar in Ziffer B 200 der „Bedingungen und Auflagen (Nebenbestimmungen) sowie Hinweise“ zur Baugenehmigung vom 11. Juni 2013 verweigert. Bei dieser Entscheidung handelt es sich aber nicht um eine – isoliert anfechtbare (s. dazu BVerwG, Urteil vom 22. November 2000 – 11 C 2/00 –, NVwZ 2001, 429; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Dezember 2013 – 11 S 2077/13 –, VBlBW 2014, 309) – Nebenbestimmung. Nebenbestimmungen sind Regelungen, die einem Hauptverwaltungsakt beigefügt werden und zusätzliche Regelungen zu einem inhaltlich bestimmten Verwaltungsakt treffen. Sie stehen in einem Akzessorietätsverhältnis zum „Haupt“verwaltungsakt und teilen als „Neben“bestimmung sein rechtliches Schicksal. Ihre Zulässigkeit ist, sofern nicht spezielle Vorschriften eingreifen, in § 36 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – geregelt. Abs. 2 unterscheidet Befristung (Nr. 1), Bedingung (Nr. 2), Widerrufsvorbehalt (Nr. 3), Auflage (Nr. 4) und Auflagenvorbehalt (Nr. 5). Die Ziffer B 200 beinhaltet jedoch keine dieser Nebenbestimmungen, sondern versagt lediglich die Genehmigung auch der Wärmepumpe; die Entscheidung des Beklagten bleibt damit nur hinter dem Antrag der Klägerin zurück.
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Der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage steht nicht entgegen, dass die Baugenehmigung vom 11. Juni 2013 im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 66 Landesbauordnung – LBauO – ergangen ist mit der Folge, dass bauordnungsrechtliche Vorschriften nicht zu prüfen sind, hier aber die Frage der Einhaltung von bauordnungsrechtlichen Gestaltungsvorschriften ausschließlicher Streitpunkt zwischen den Beteiligten ist.
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Zwar hängt der Erfolg einer Verpflichtungsklage auf Erlass eines gebundenen Verwaltungsakts wie der Baugenehmigung nach §§ 70 Abs.1, 66 LBauO allein davon ab, ob der Kläger einen Anspruch auf Erlass des von ihm erstrebten Verwaltungsakts hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 – 9 C 156/83 –, DÖV 1985, 407). Es ist daher grundsätzlich unbeachtlich, dass der Beklagte in dem Bauschein vom 11. Juni 2013 die Genehmigung der Wärmepumpe unter Bezugnahme auf die bauordnungsrechtlichen Gestaltungsvorschriften des Bebauungsplans versagt hat. Nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 LBauO wird bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3 einschließlich ihrer Nebengebäude und Nebenanlagen lediglich ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren durchgeführt, so dass sich die Prüfung gemäß Abs. 3 Satz 1 der genannten Norm auf die Zulässigkeit des Vorhabens nach den Bestimmungen des Baugesetzbuchs und der sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften beschränkt.
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Vorliegend ist die bauordnungsrechtliche Gestaltungsvorschrift des § 86 LBauO in der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans maßgeblichen Fassung vom 28. November 1986 (GVBl Seite 307), geändert durch Gesetz vom 8. April 1991 (GVBl Seite 118) – LBauO a.F. – jedoch deshalb Gegenstand der Verpflichtungsklage, weil der Beklagte, nachdem er die Beigeladene mit Schreiben vom 18. März 2013 nach § 88 Abs. 7 Satz 2 LBauO entsprechend angehört hatte, in materieller Hinsicht eine Abweichungsentscheidung nach § 88 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 69 LBauO getroffen hat. Auch in einem vereinfachten Genehmigungsverfahren wird über Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen nach der LBauO mit entschieden (Schmidt in: Jeromin/Lang/Schmidt, Landesbauordnung RhPf, 3. Auflage 2012, § 69 Rn. 11; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Februar 2009 – 8 A 11283/08.OVG –).
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2. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Rechtsanspruch nach §§ 70 Abs. 1, 66 LBauO auf Erteilung einer Baugenehmigung betreffend die Errichtung einer Wohnanlage mit 8 Wohneinheiten, 8 Tiefgaragenstellplätzen, 4 Stellplätzen, einem Aufzug auf dem Grundstück Flurstück-Nr. .... unter Einschluss der im Speicher des Anwesens errichteten und aus der Dachfläche herausragenden Wärmepumpe. Die Baugenehmigung vom 11. Juni 2013 und der hierzu ergangene Widerspruchsbescheids vom 28. März 2014 sind, soweit sie die Genehmigung der Wärmepumpe versagt haben, daher rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Trotz der grundsätzlichen Genehmigungsfreiheit von Wärmepumpen nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 c LBauO benötigt die Klägerin für deren Einbau in das Wohngebäude auf dem Grundstück Flurstück-Nr. .... vorliegend eine Baugenehmigung. Denn dieser Einbau erfolgt(e) im Rahmen des Gesamtbauvorhabens. Ein Gesamtbauvorhaben ist jedoch insgesamt genehmigungspflichtig, wenn an ihm genehmigungspflichtige und genehmigungsfreie Bauarbeiten durchgeführt werden (s. z.B. Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, a.a.O., § 62 Rn. 13; VG Neustadt, Beschluss vom 28. Februar 2013 – 4 L 44/13.NW –, juris). Die Genehmigungsfreiheit nach § 62 LBauO greift nur dann ein, wenn die dort aufgeführten Bauvorhaben als selbständige Einzelvorhaben ausgeführt werden, was vorliegend indessen nicht der Fall ist.
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Das Vorhaben der Klägerin ist nach §§ 70 Abs. 1, 66 LBauO zulässig, da dem Bauvorhaben der Klägerin keine bauplanungsrechtlichen Vorschriften oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen (2.1.). Ferner bedarf die Klägerin keiner bauordnungsrechtlichen Abweichung nach § 88 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 69 LBauO (2.2.).
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2.1. Der Einbau der Wärmepumpe in den Speicher des Anwesens auf dem Grundstück Flurstück-Nr. .... ist bauplanungsrechtlich zulässig weil mit den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen des Bebauungsplans „...“ der Beigeladenen vereinbar. Da die Wärmepumpe keine Nebenanlage im Sinne des § 14 Baunutzungsverordnung – BauNVO –, sondern Bestandteil der Hauptanlage „Wohngebäude“ ist (vgl. Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand April 2014, § 14 Rn. 33), liegt kein Verstoß gegen die Ziffer 1.2. der bauplanungsrechtlichen Festsetzungen vor, die bestimmt, dass Nebenanlagen nach § 14 BauNVO nicht zulässig sind. Ein Verstoß gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften ist nicht ersichtlich.
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2.2. Der Beklagte und die Beigeladene können dem Begehren der Klägerin auf Genehmigung der Wärmepumpe auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass diese gegen die bauordnungsrechtliche Festsetzung der Ziffer 2.2. verstößt und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Abweichung nach § 88 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 69 LBauO nicht gegeben sind. Zwar unterfällt die streitgegenständliche Wärmepumpe der Klägerin dem Anwendungsbereich der Ziffer 2.2. (2.2.1.). Die durch die III. Änderung in den Bebauungsplan „Nord“ der Beigeladenen aufgenommene textliche Festsetzung der Ziffer 2.2. ist aber unwirksam (2.2.2.). Ungeachtet dessen verstößt der bereits erfolgte Einbau der Wärmepumpe in den Speicher des Wohngebäudes auf dem Grundstück Flurstück-Nr. .... nicht gegen die Ziffer 2.2. der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans, so dass eine Abweichung von vornherein nicht erforderlich ist (2.2.3.)
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2.2.1. Die Ziffer 2.2. der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ist nach Auffassung der Kammer auf die Wärmepumpe der Klägerin anwendbar.
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Die genannte Ziffer betrifft ausdrücklich „Dachaufbauten, Dacheinschnitte und Nebengiebel“. In der Folge wird ausschließlich von Dacheinschnitten und Dachaufbauten in Form von Gauben gesprochen. Die rheinland-pfälzische Landesbauordnung enthält keine Legaldefinition des Begriffs „Dachaufbauten“. Die Landesbauordnung verwendet den Begriff „Dachaufbauten“ – im Unterschied etwa zur nordrhein-westfälischen Landesbauordnung, die in § 6 Abs. 4 Satz 6 Nr. 2 von „Dächern mit Dachgaubenoder Dachaufbauten“ spricht – aber als Oberbegriff und die Dachgaube als einen Unterfall hiervon. So bestimmt § 8 Abs. 4 Satz 5 Nr. 2 b LBauO, dass bei der Bemessung der Abstandsflächen zur Wandhöhe zu einem Drittel die Höhe von Dächern mitDachgauben oder anderen Dachaufbauten hinzugerechnet werden, wenn diese zusammen mehr als halb so breit wie die Wand sind. § 8 Abs. 12 LBauO regelt ferner, dass unter bestimmten VoraussetzungenDachgauben und ähnliche Dachaufbauten, Fenster und sonstige Öffnungen in Dächern oder Wänden … so anzuordnen sind, dass von ihnen keine Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die für die Nachbarinnen und Nachbarn unzumutbar sind. Gemäß § 32 Abs. 7 Satz 1 LBauO sind Dachvorsprünge, Dachgesimse,Dachaufbauten, lichtdurchlässige Bedachungen und Lichtkuppeln so anzuordnen und herzustellen, dass ein Brand nicht auf andere Gebäude oder Gebäudeteile übertragen werden kann. Von Brandwänden oder von Wänden, die an Stelle von Brandwänden zulässig sind, müssen nach § 32 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 LBauO unter bestimmten VoraussetzungenDachgauben und ähnliche Dachaufbauten aus brennbaren Baustoffen 1,25 m entfernt sein. Diesen Vorschriften kann also entnommen werden, dass mit Dachaufbauten etwas Ähnliches wie Dachgauben gemeint sind. Dachgauben ordnen sich in die Gestaltung des Daches ein, beginnen oberhalb eines Teils der Dachschräge und dienen der Belichtung und Belüftung der Dachräume sowie der Erweiterung des nutzbaren Raums im Dachbereich (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 13. März 2002 – 8 A 10225/02.OVG –, ESOVG; Stich/Gabelmann/Porger, LBauO RhPf, Stand August 2014, § 8 Rn. 69; Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, a.a.O., § 8 Rn. 74a; http://www.baulexikon.de/Bautechnik/Begriffe_Bautechnik/d/baulexikon_ dachgaube.htm; s. auch http://de.wikipedia.org/wiki/Dachgaube: Dachgaube ist ein Dachaufbau innerhalb der von der Traufe bis zum First reichenden Fläche eines schrägen Daches). Da die Dachgaube nach der rheinland-pfälzischen Landesbauordnung begrifflich aber dem Oberbegriff „Dachaufbau“ untergeordnet ist, umfasst der genannte Oberbegriff denknotwendigerweise auch andere aus der Dachfläche herausragenden Bauteile wie z.B. Dacherker (häufig auch als Zwerchhaus oder Lukarne bezeichnet) oder Dachreiter (vgl. etwa VG Bremen, Urteil vom 7. Februar 2014 – 1 K 679/11 –, juris). Nach der Kommentierung von Stich/Gabelmann/Porger zur rheinland-pfälzischen Landesbauordnung (a.a.O., § 8 Rn. 70) beinhaltet der Begriff der Dachaufbauten auch Aufzugsaufbauten, breite Schornsteinanlagen, Be- und Entlüftungsanlagen, Wärmetauscher zur Wärmerückgewinnung und ähnliche oberhalb und innerhalb der Hauptdachflächen befindliche Anlagen. Der Bay. Verwaltungsgerichtshof (Beschluss vom 31. März 2010 – 9 ZB 08.52 –, juris) definiert Dachaufbauten als wesentliche Teile von Dächern, die entscheidend das Gesamtbild der Gemeinden und damit das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild prägen, wie z.B. Dachgauben, Gaubenbänder, Aufzugsaufbauten oder aufklappbare Dachbalkone. Es spreche Einiges dafür, dass aufgeständerte Solar- und Photovoltaikanlagen nicht unter diesen Begriff fielen. Simon/Busse (Kommentar zur Bayerischen Bauordnung 2008, Stand Dezember 2013, Art. 6 Rn. 213) verstehen unter Dachaufbauten Gebäudeteile, Bauteile und sonstige bauliche Anlagen, die innerhalb der Dachfläche liegen, über die Dachfläche hinausragen und nicht Bestandteil des Dachs sind. Dazu zählen sie neben Dachgauben auch Gaubenbänder, Dachlaternen, Glaskuppeln, Aufzugsaufbauten und Technikräume sowie massive Schornsteine und Abluftanlagen etc. Daneben sollen auch sonstige (bauliche) Anlagen wie aufgeständerte Dachterrassen und deren Geländer, oben geschlossene Pergolen über Dachterrassen, größere Reklameanlagen, aufgeständerte Solaranlagen, größere Parabolantennen u.ä. in Betracht kommen (vgl. auch VG München, Urteil vom 27. Oktober 2008 – M 8 K 08.908 –, juris zu Dachterrassenüberdachungen).
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Hiervon ausgehend handelt es sich bei der streitgegenständlichen Wärmepumpe um einen „Dachaufbau“, denn sie ist ein Bauteil, das innerhalb der Dachfläche liegt, über diese maximal 1,20 m hinausragt und nicht Bestandteil des Dachs ist.
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2.2.2. Die streitgegenständliche Ziffer 2.2. der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans „...“, die aufgrund des § 86 Abs. 1, 6 LBauO a.F. erlassen worden war, ist aber unwirksam.
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2.2.2.1. Nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 LBauO a.F. konnte die Gemeinde durch Satzung Vorschriften erlassen über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen sowie von Werbeanlagen und Warenautomaten zur Durchführung gestalterischer Absichten in bestimmten bebauten oder unbebauten Teilen des Gemeindegebiets. Gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 LBauO a.F. konnte die Gemeinde durch Satzung Vorschriften erlassen über besondere Anforderungen gestalterischer Art an bauliche Anlagen, Werbeanlagen und Warenautomaten zum Schutz bestimmter Bauten, Straßen, Plätze oder Ortsteile von kultureller, historischer oder städtebaulicher Bedeutung oder zum Schutz von Kultur- und Naturdenkmälern. Vom Tatbestand unterscheidet sich die Ermächtigung nach Nr. 2 von dem der Nr. 1 dadurch, dass hier auf bereits vorhandene baukünstlerische Werte besondere Rücksicht genommen werden soll, während nach Nr. 1 Anforderungen gestellt werden, die noch durchzuführende gestalterische Absichten betreffen. Da die Abgrenzung zwischen beiden Ermächtigungsgrundlagen im Einzelfall schwierig sein kann, ist es zulässig, eine Satzung sowohl auf die Ermächtigungsnorm Nr. 1 als auch nach Nr. 2 zu stützen (Jeromin in: Jeromin/Lang/Schmidt, a.a.O., § 88 Rn. 15).
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2.2.2.2. Zwar führt der Umstand, dass die Beigeladene in ihrer Gestaltungssatzung als Ermächtigungsgrundlage „nur“ die Vorschrift des § 86 Abs. 6 LBauO a.F. angegeben hatte, ohne die Nummern 1 bis 6 von Abs. 1 näher zu bezeichnen, nicht zur Unwirksamkeit der Satzung (s. ausführlich dazu OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 1. Oktober 2008 – 1 A 10362/08.OVG –, LKRZ 2008, 476 und Urteil vom 20. Januar 2010 – 8 C 10725/09.OVG –).
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2.2.2.3. Auch hatte der Bürgermeister der Beigeladenen die vom Gemeinderat am 8. Dezember 1994 erlassene Gestaltungssatzung vor deren öffentlichen Bekanntmachung am 3. Februar 1995 im Amtsblatt der Verbandsgemeinde Hagenbach am 1. Februar 1995 ordnungsgemäß ausgefertigt (s. zur Ordnungsgemäßheit der Ausfertigung einer Satzung OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Juli 2013 – 8 B 10611/13.OVG – m.w.N.).
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2.2.2.4. Allerdings hält sich die streitgegenständliche Festsetzung in materieller Hinsicht nicht im Rahmen der für sie vorgesehenen gesetzlichen Ermächtigung des § 86 Abs. 1 LBauO a.F. Diese Vorschrift gab der Gemeinde ebenso wie die heutige Bestimmung des § 88 Abs. 1 LBauO nicht uneingeschränkt ein Gestaltungsrecht. Nach der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (s. z.B. Urteil vom 29. November 2012 – 1 A 10543/12.OVG –, NVwZ-RR 2013, 525), der die Kammer folgt, sind die Gemeinden nicht ermächtigt, Baugestaltungsvorschriften zur Verwirklichung irgendeiner planerischen Absicht zu erlassen. Vielmehr muss damit zugleich das Ziel verfolgt werden, negative Erscheinungen zu verhindern, mag eine solche Störung auch noch nicht zu einem Einschreiten nach § 5 LBauO berechtigen. Die Befugnis zum Erlass baugestalterischer Vorschriften findet ihre Einschränkung in der durch Art. 14 Grundgesetz – GG – garantierten Baufreiheit. Daraus folgt, dass ein gewichtiges öffentliches Interesse für den Erlass derartiger Bestimmungen bestehen muss; sie sind somit nicht allgemein zulässig, sondern nur bei bestimmten für die Gestaltung des Ortsbildes notwendigen Anlässen. Eine Gestaltungsregelung ist nur dann rechtlich zulässig, wenn für ein räumlich begrenztes Gemeindegebiet eine gestalterische Absicht verfolgt wird, die ihrerseits gebietsspezifisch sein muss, d.h. die durch die Besonderheiten des von der Satzung erfassten Gebiets geprägt ist. Dabei kann die besondere Prägung des Gebiets historisch vorgegeben als auch – etwa in unbebauten Gebieten – erst aufgrund von planerischen Festsetzungen beabsichtigt sein. Stets muss es sich aber um Besonderheiten handeln, die gerade für dieses Gebiet charakteristisch sind. Demgegenüber reicht es nicht aus, dass die Gemeinde mit den Festsetzungen gestalterische Absichten verfolgt, die für das restliche Gemeindegebiet in gleicher Weise zum Anlass für eine ähnliche Regelung genommen werden könnten. Die Gestaltungsabsicht muss auf sachgerechten Erwägungen beruhen und sich hinreichend erkennen lassen bzw. aus den Satzungsunterlagen deutlich ergeben (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 1. Oktober 2008 – 1 A 10362/08 –, LKRZ 2008, 476 m.w.N.). Gestaltungssatzungen müssen auch eine angemessene Abwägung der privaten Interessen der Grundstückseigentümer und der Belange der Allgemeinheit erkennen lassen, da auch die Ordnung der Baugestaltung Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7. März 2013 – 1 A 11109/12.OVG –, BauR 2013, 1265). Diese für Regelungen nach § 86 Abs. 1 Nr. 1 LBauO a.F. geltenden räumlichen Einschränkungen müssen bei Festsetzungen nach Nr. 2 dieser Vorschrift noch enger gefasst werden, was sich vor allem aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. Dezember 2003 – 1 C 11999/02.OVG –, ESOVG).
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Ferner bedürfen die Regelungen einer Gestaltungssatzung der Rechtfertigung, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Notwendigkeit einer Rechtfertigung einzelner Festsetzungen umso größer ist, je weniger selbstverständlich zwingende gestalterische Vorschriften sind und je schwerwiegender sie in die Baufreiheit eingreifen. Umgekehrt sind an die Rechtfertigung von Gestaltungsfestsetzungen geringe Anforderungen dann zu stellen, wenn der Eingriff in die Baufreiheit nicht schwer wiegt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil des Senats vom 24. Oktober 1996 – 1 A 13500/95.OVG –).
- 51
Des Weiteren muss ein gewichtiges öffentliches Interesse für den Erlass derartiger Bestimmungen bestehen, d.h. nicht nur für den Erlass einer Gestaltungssatzung als solcher, sondern auch für die einzelnen in ihr getroffenen Regelungen. Die Gestaltungsregelungen können sich zulässigerweise lediglich auf solche Bauteile und deren Gestaltung erstrecken, die geeignet sind, das Orts- oder Straßenbild zu prägen, und müssen ein in sich schlüssiges Konzept verfolgen, dessen Umsetzung die beabsichtigte Prägung auch tatsächlich erwarten lässt. Anders ausgedrückt ermächtigt die Landesbauordnung die Gemeinde nicht zur Regelung der Gestaltung solcher Bauteile, deren ortsbildprägende Wirkung eher marginal oder zu verneinen ist, sondern zur Umsetzung eines gestalterischen Konzepts mit dem notwendigen Augenmaß, das der grundrechtlich geschützten Baufreiheit den angemessenen Raum gibt, sich zu entfalten (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30. August 2001 – 1 A 10265/01.OVG –). Dies setzt voraus, dass der solche Regelungen erlassende Stadt- oder Gemeinderat vor dem Satzungsbeschluss ein in sich schlüssiges Gestaltungskonzept entwickelt, dessen Umsetzung in einzelne Satzungsregelungen oder gestalterische Festsetzungen eines Bauleitplanes auch tatsächlich geeignet sind, das gewollte Ziel zu erreichen, und dass zugleich die berechtigten Interessen der Bauherren daran, die durch Art. 14 GG garantierte Baufreiheit verwirklichen zu können, nur gewichtigen öffentlichen Interessen untergeordnet werden.
- 52
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die auf die streitgegenständliche Wärmepumpe anwendbare Ziffer 2.2. nach Auffassung der Kammer unwirksam.
- 53
Die erforderliche Gestaltungsabsicht der Beigeladenen in Bezug auf Dachaufbauten ist weder aus dem Gesamtinhalt der Satzung samt Begründung noch aus den Verfahrensvorgängen hinreichend erkennbar. Laut der Begründung zum Bebauungsplan ist es (Teil-)Ziel der baugestalterischen Festsetzungen, über die Gestaltung der Dächer in Bezug auf Dachneigung und Dachaufbauten ein ansprechendes Siedlungsbild zu erreichen. Wörtlich heißt es dazu in der Begründung: „Bisher war im Bebauungsplan die Errichtung von Dachgauben nicht zulässig. Zur besseren Ausnutzung und Belichtungsmöglichkeit der Dachgeschosse, sollen Dachaufbauten als Sattel-, Dreieck- oder Schleppdachgauben bei eingeschossigen Gebäuden zulässig sein.“ Diese Begründung legt den Schluss nahe, dass der Satzungsgeber mit der Regelung der Ziffer 2.2. ausschließlich Dachgauben im Blick hatte. Gestalterische Motive in Bezug auf sonstige Dachaufbauten finden sich auch nicht ansatzweise in den Verfahrensvorgängen der Beigeladenen.
- 54
Ungeachtet dessen ist auch das Gestaltungskonzept der Beigeladenen nicht hinreichend gebietsspezifisch ausgestaltet. Die Festsetzung betrifft das gesamte Baugebiet. Es wird nicht begründet, welche charakteristischen Besonderheiten in dem (gesamten) Baugebiet vorliegen, die es gerade hier und nicht auch im sonstigen Gemeindegebiet rechtfertigen, die in Ziffer 2.2. geforderten Einschränkungen in gleicher Weise zu beachten.
- 55
2.2.2.5. Die Unwirksamkeit der Festsetzung Ziffer 2.2. hat jedoch nicht die Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans zur Folge.
- 56
Örtliche Bauvorschriften, die aufgrund der Landesbauordnung (hier § 86 LBauO a.F.) durch Gemeindesatzungen erlassen werden können, können kraft ausdrücklicher Ermächtigung in § 86 Abs. 6 LBauO a.F./§ 88 Abs. 6 LBauO auch als Festsetzungen in den Bebauungsplan aufgenommen werden. Damit hat die Gemeinde die Wahl, ob sie örtliche Bauvorschriften in der Rechtsform der selbständigen Gemeindesatzung oder als Bestandteil eines Bebauungsplans erlässt. Im Hinblick auf die wahlweise Festsetzungsmöglichkeit der Satzungen kann weder davon ausgegangen werden, dass materielle Mängel planungsrechtlicher Festsetzungen, die auf der Grundlage des § 9 BauGB erfolgt sind, ohne Weiteres auch örtliche Bauvorschriften berühren noch dass materielle Mängel baugestalterischer Festsetzungen, die aufgrund der Ermächtigung des § 86 Abs. 6 LBauO a.F./§ 88 Abs. 6 LBauO ergangen sind, auch planungsrechtliche Bestimmungen berühren. Das ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn zwischen den baugestalterischen und den planungsrechtlichen Festsetzungen ein untrennbarer Regelungszusammenhang besteht, z.B. wenn die Festsetzungen nach dem Willen der planenden Gemeinde in gegenseitiger Wechselbeziehung stehen (Bay. VGH, Urteil vom 30. Januar 2014 – 15 B 11.750 –, juris). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
- 57
Unabhängig davon führen Mängel einzelner Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht zu dessen Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und wenn die Gemeinde nach ihren im Planungsverfahren zum Ausdruck kommenden Willen im Zweifel auch einen Bebauungsplan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (s. z.B. BVerwG, Urteil vom 19. September 2002 – 4 CN 1.02 –, DVBl 2003, 204 und Beschluss vom 17. September 2013 – 4 BN 40.13 –, juris). Ob eine einzelne fehlerhafte Festsetzung zur Gesamt- oder Teilunwirksamkeit des Bebauungsplans führt, ist letztlich eine Frage des Einzelfalles.
- 58
Vorliegend steht außer Frage, dass die Beigeladene die übrigen bauplanerischen und baugestalterischen Festsetzungen auch dann getroffen hätte, wenn sie von der Unzulässigkeit der Festsetzung in Bezug auf Dachaufbauten und Dacheinschnitte ausgegangen wäre.
- 59
Infolge der Unwirksamkeit der Ziffer 2.2. der textlichen Festsetzungen bedarf die Klägerin daher keiner Abweichung nach § 88 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 69 LBauO.
- 60
2.2.3. Die Klägerin hat im Übrigen auch dann einen Anspruch gemäß §§ 66, 70 Abs. 1 LBauO auf Erteilung einer uneingeschränkten Baugenehmigung, wenn man von der Wirksamkeit der Ziffer 2.2. der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ausgeht. Eine Abweichung nach § 88 Abs. 7 Satz 1 i.V.m. § 69 LBauO ist auch dann nicht erforderlich.
- 61
Für den Fall, dass man entgegen der von der Kammer vertretenen Ansicht die streitgegenständliche Wärmepumpe nicht als „Dachaufbau“ ansieht, greift die Ziffer 2.2. von vornherein nicht ein. Qualifiziert man dagegen die Wärmepumpe als „Dachaufbau“, so liegt gleichwohl kein Verstoß gegen die Ziffer 2.2. vor. Gemäß Satz 1 der Ziffer 2.2. dürfen Dachaufbauten in ihrer Gesamtlänge höchstens 1/3 der Dachlänge betragen. Diese Anforderung hält die Wärmepumpe der Klägerin ein. Der Einbau der Wärmepumpe steht auch in Einklang mit Satz 2 der Ziffer 2.2. Danach sind Dachaufbauten in Form von Sattel-, Dreieck- oder Schleppdachgauben nur bei eingeschossigen Gebäuden zulässig. Da die in Satz 2 der Ziffer 2.2. ausdrücklich genannten Dachgauben begrifflich aber dem Oberbegriff „Dachaufbau“ nur untergeordnet sind, gilt diese Einschränkung – keine Dachgauben bei zwei- oder mehrgeschossigen Gebäuden – gerade nicht für sonstige Dachaufbauten.
- 62
3. Über den Hilfsantrag musste die Kammer nicht entscheiden, weil dem Hauptantrag stattgegeben wurde.
- 63
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 154 Abs. 3 VwGO.
- 64
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.
- 65
Beschluss
- 66
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 04. Sept. 2014 - 4 K 417/14.NW
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Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 04. Sept. 2014 - 4 K 417/14.NW zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.
(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. September 2013 - 2 K 1475/13 - mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis und gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. April 2013 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig die Aufnahme der (theoretischen und fachpraktischen) Ausbildung zur Altenpflegehelferin an der Berufsfachschule für Altenpflege, Eigenbetrieb "
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 4 der Bescheide der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2013 wird wiederhergestellt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 4/5 und die Antragsgegnerin 1/5.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 12.500 € festgesetzt.
Gründe
- 1
Das Begehren der Antragsteller hat mit ihrem zuletzt sinngemäß gestellten Antrag, festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist (I.), keinen Erfolg. Dagegen ist der sinngemäß gestellte Hilfsantrag, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die für sofort vollziehbar erklärten Verfügungen der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2013 wiederherzustellen (II.), zum Teil begründet.
I.
- 2
Die Antragsteller haben im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 12. Februar 2013 ausdrücklich den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin hat dieser Erledigungserklärung mit Schreiben vom 19. Februar 2013 jedoch mit der Begründung widersprochen, der Rechtsstreit habe sich nicht erledigt. Damit hat sich der Streitgegenstand geändert. Der Rechtsstreit ist nunmehr auf die Feststellung beschränkt, ob die Hauptsache erledigt ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2011, 932 m.w.N.). Fällt diese Prüfung positiv aus, so ist dem Feststellungsantrag stattzugeben, anderenfalls ist das Rechtsschutzbegehren abzulehnen (vgl. BVerwG, NVwZ 1998, 1064).
- 3
Der Erledigungsfeststellungsantrag der Antragsteller ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
- 4
1. Die Abkehr der Antragsteller von ihrem ursprünglichen Sachantrag, nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die für sofort vollziehbar erklärten Verfügungen der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2013 wiederherzustellen, zum (sinngemäßen) Erledigungsfeststellungsantrag ist zulässig. Die Umstellung stellt eine zulässige Antragsänderung dar, denn der Übergang vom Sachantrag zur Erledigungserklärung oder zum Erledigungsfeststellungsantrag ist nicht den Einschränkungen des § 91 VwGO unterworfen (vgl. BVerwG, NVwZ 1999, 404). Während ein Fortsetzungsfeststellungsantrag in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bei Erledigung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich unzulässig ist, bestehen gegen die Zulässigkeit eines Erledigungsfeststellungsstreits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren keine Bedenken (VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2011, 932 m.w.N.). Die Antragsänderung bewirkt, dass sich das gerichtliche Verfahren auf die Erledigungsfrage beschränkt.
- 5
2. Der Erledigungsfeststellungsantrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
- 6
Als erledigendes Ereignis kommt jede nach Antragstellung eingetretene außerprozessuale Änderung der Sach- und Rechtslage in Betracht, die bereits für sich betrachtet die Ablehnung des Antrags als unzulässig oder unbegründet rechtfertigen würde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 161 Rn. 21).
- 7
Das von den Antragstellern beim beschließenden Gericht am 16. Januar 2013 anhängig gemachte einstweilige Rechtschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche vom 11. Januar 2013 bzw. 15. Januar 2013 gegen die für sofort vollziehbar erklärten Verfügungen der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2013 hat sich nach Auffassung der Kammer während des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht erledigt.
- 8
Mit den an die Antragsteller gerichteten inhaltsgleichen Bescheiden vom 9. Januar 2013 stellte die Antragsgegnerin den Bau und die Herrichtung der Grundstücksentwässerungsanlage und aller Baulichkeiten, die dieser Wasser zuführen könnten, auf dem Grundstück in Neustadt an der Weinstraße, ... mit der Flurstücksnummer ... mit sofortiger Wirkung ein (Ziffer 1). Ferner verfügte die Antragsgegnerin, dass auf dem Grundstück ab sofort, bis zur Überprüfung und Abnahme der Grundstücksentwässerungseinrichtung, kein Schmutzwasser anfallen darf (Ziffer 2). Gemäß der Ziffer 3 sind von der Einstellung auch bauliche Maßnahmen erfasst, die zu einer späteren Behinderung bei der ordnungsgemäßen Herstellung der Grundstücksentwässerungsanlage führen könnten. Zuletzt hob die Antragsgegnerin die bisher für das oben genannte Grundstück ergangenen Entwässerungsgenehmigungen mit sofortiger Wirkung auf (Ziffer 4).
- 9
Entgegen der Ansicht der Antragsteller hat sich das von ihnen gegen die beiden Verfügungen vom 9. Januar 2013 angestrengte Eilverfahren durch die nachträglich ergangene Baueinstellungsverfügung vom 6. Februar 2013 nicht erledigt. In dieser nur an die Antragstellerin zu 1) gerichteten Verfügung hat die Antragsgegnerin „die Einstellung der genehmigungspflichtigen Bauarbeiten zum Umbau und zur Nutzungsänderung in den Obergeschossen des o.g. Gebäudes zu sechs Wohnungen aufgrund der fehlenden Genehmigung gemäß § 80 Abs. 1 LBauO“ angeordnet. In den Gründen des Bescheids führt die Antragsgegnerin aus, in Anwendung von § 62 Abs.1 Nr.10 a - Landesbauordnung - LBauO - sei bei Gebäuden der Gebäudeklasse 3, die ein Kulturdenkmal im Sinne des Denkmalschutzgesetzes - DSchG - seien, die Änderung von tragenden und aussteifenden Bauteilen genehmigungspflichtig. Die durchgeführten Arbeiten seien zumindest teilweise auch gemäß § 13 DSchG genehmigungspflichtig. Die diesbezügliche Genehmigung werde im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens erteilt. Wörtlich heißt es weiter:
- 10
Des Weiteren verstoßen die durchgeführten Arbeiten der Satzung (Anmerkung der Kammer: richtig: … gegen die Satzung …) der Stadt Neustadt an der Weinstraße über die Entwässerung und den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen (AllgE) vom 17. April 2001 in den nachfolgenden Punkten:
- 11
1.) Pro Nutzungseinheit darf nur eine Fallleitung durch das EG vom OG zum KG führen.
2) Die Durchführung muss geradlinig erfolgen.
3.) Übereinanderliegende Einheiten dürfen eine gemeinsame Fallleitung benutzen.
4) Die Lüftungsleitung ist in der Verlängerung der Fallleitung geradlinig über das Dach zu ziehen.
5) Im Keller muss die Fallleitung in allgemein zugänglichen Räumen liegen. Ebenso die sich anschließende Sammelleitung.
Die Zugänglichkeit der Leitungen und eine Reinigungsmöglichkeit sind für die Nutzer im OG nicht möglich.
6) Reinigungsöffnungen sind in Bereichen, in denen Lebensmittel gelagert, hergestellt oder verarbeitet werden nicht zulässig!“
- 12
Die Kammer hegt Zweifel an der Bestimmtheit der genannten Baueinstellungsverfügung im Hinblick darauf, was vorliegend unter dem Begriff der „genehmigungspflichtigen Bauarbeiten“ zu verstehen sein soll. Offenbar ist die Bauaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin der Auffassung, dass bei dem Bauvorhaben ... in Neustadt an der Weinstraße lediglich die Änderung von tragenden und aussteifenden Bauteilen genehmigungspflichtig sein soll. Dies ist aber ebenso unzutreffend wie die von den Antragstellern geäußerte Rechtsansicht, die Bauarbeiten an den Abwasserbeseitigungsanlagen des Gebäudes seien gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 3 c LBauO baugenehmigungsfrei. Bei dem Umbau des bisherigen Sparkassengebäudes in einen Lebensmittelmarkt im Erdgeschoss sowie sechs Wohneinheiten im Obergeschoss des Gebäudes handelt es sich um eine nicht nach § 62 Abs. 2 Nr. 5 a LBauO genehmigungsfreie, sondern um eine nach § 61 LBauO genehmigungspflichtige Nutzungsänderung. Eine Nutzungsänderungsgenehmigung ist eine Baugenehmigung im Sinne des § 70 LBauO, die vor Aufnahme der Bauarbeiten und nicht erst vor Aufnahme der Nutzung vorliegen muss. Alles andere widerspräche dem Sinn des Baugenehmigungsverfahrens bei genehmigungspflichtigen Vorhaben, das sicherstellen soll, dass ein Bauvorhaben nicht ohne die vorherige Einholung der erforderlichen Gestattung verwirklicht wird.
- 13
Infolgedessen durfte vor Erteilung der erforderlichen Nutzungsänderungsgenehmigung(en) - sowie vor Ergehen der neben der Baugenehmigung ebenso notwendigen denkmalschutzrechtlichen Genehmigung nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 DSchG (s. OVG Rheinland-Pfalz, BauR 2007, 1857) - mit den Bauarbeiten an dem gesamten Bauwerk nicht begonnen werden und zwar unabhängig davon, ob einzelne Baumaßnahmen grundsätzlich genehmigungsfrei sind. Denn ein Gesamtbauvorhaben ist insgesamt genehmigungspflichtig, wenn an ihm genehmigungspflichtige und genehmigungsfreie Bauarbeiten durchgeführt werden (s. z.B. Lang in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, 3. Auflage 2012, § 80 Rn. 5; vgl. auch VG Neustadt, Urteil vom 16. März 2005 - 1 K 2490/04.NW -). Die Genehmigungsfreiheit nach § 62 LBauO greift nur dann ein, wenn die dort aufgeführten Bauvorhaben - wie Bauarbeiten an den Abwasserbeseitigungsanlagen des Gebäudes gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 3 c LBauO - als selbständige Einzelvorhaben ausgeführt werden, was vorliegend indessen nicht der Fall ist. Damit sind hier auch die Entwässerungseinrichtungen in dem Gebäude und auf dem Grundstück baugenehmigungspflichtig (zum Umfang der Prüfungslast der Bauaufsichtsbehörde s. VG Neustadt, Urteil vom 16. März 2005 - 1 K 2490/04.NW -; Jeromin in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, a.a.O., § 41 Rn. 3).
- 14
Ob die Baueinstellungsverfügung im Hinblick auf ihre möglicherweise fehlende Bestimmtheit rechtswidrig ist, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls ersetzt die ergangene Baueinstellungsverfügung inhaltlich nicht die streitgegenständlichen Bescheide vom 9. Januar 2013. In Bezug auf den Antragsteller zu 2) folgt dies bereits aus dem Umstand, dass dieser nicht Adressat der Baueinstellungsverfügung ist und daher hiervon nicht betroffen ist. Darüber hinaus beschränkt sie in ihrem Tenor die Baueinstellung ausdrücklich „nur“ auf Baumaßnahmen in den Obergeschossen des Gebäudes. Zwar führt die Antragsgegnerin in den Gründen der Verfügung mehrere Verstöße gegen ihre Satzung über die Entwässerung und den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen vom 17. April 2001 auf, trifft diesbezüglich im Tenor aber keinen verbindlichen Ausspruch. Demgegenüber regeln die Bescheide vom 9. Januar 2013 die Einstellung des Baus und der Herrichtung der Grundstücksentwässerungsanlage und aller Baulichkeiten, die dieser Wasser zuführen könnten, auf dem Grundstück ... in Neustadt an der Weinstraße. Ferner verlangt der genannte Bescheid, dass auf dem Grundstück ab sofort, bis zur Überprüfung und Abnahme der Grundstücksentwässerungseinrichtung, kein Schmutzwasser anfallen darf, dass von der Einstellung auch bauliche Maßnahmen erfasst sein sollen, die zu einer späteren Behinderung bei der ordnungsgemäßen Herstellung der Grundstücksentwässerungsanlage führen könnten sowie die Aufhebung der bisher für das genannte Grundstück ergangenen Entwässerungsgenehmigungen mit sofortiger Wirkung. Hat damit die Baueinstellungsverfügung vom 6. Februar 2013 den an die Antragstellerin zu 1) gerichteten Bescheid vom 9. Januar 2013 inhaltlich nicht, auch nicht teilweise, ersetzt, liegt kein erledigendes Ereignis im Laufe des Eilverfahrens vor. Das ursprüngliche Rechtsschutzziel der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid vom 9. Januar 2013 durch das Gericht wiederherzustellen, ist nach wie vor erreichbar (vgl. BVerwG, NVwZ 1998, 1064).
II.
- 15
Der sinngemäß gestellte Hilfsantrag, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2013 wiederherzustellen, ist zulässig (1.), hat in der Sache aber nur zum Teil Erfolg (2.).
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1. Der Zulässigkeit des nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. VwGO statthaften Antrages steht nicht entgegen, dass er nur hilfsweise gestellt worden ist.
- 17
Die Antragsteller haben in dem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26. Februar 2013 ausgeführt, sie hätten „die im Schriftsatz des Kollegen mitgeteilte Verfügung des Oberbürgermeisters so verstanden, dass nunmehr abschließend eine Regelung durch die Bauaufsichtsbehörde getroffen worden sei. Wenn dem nicht so sei, dürften sie abschließend vortragen. ….“. Die Kammer versteht die Formulierung “Wenn dem nicht so sei“ als hilfsweise Aufrechterhaltung des ursprünglichen Antrags. Das Stellen eines solchen Hilfsantrages ist zulässig für den Fall, dass das Gericht - wie hier - die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache verneint (s. z.B. BVerwG, NVwZ-RR 1988, 56; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Juli 2011 - 8 B 558/11 -, juris; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage 2010, § 161 Rn. 51 und 127 f.).
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2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die für sofort vollziehbar erklärten Verfügungen der Antragsgegnerin vom 9. Januar 2013 ist teilweise begründet.
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2.1. In formeller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 - 3 der Bescheide vom 9. Januar 2013 im Ergebnis nicht zu beanstanden (2.1.1.). Dagegen ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 4 der genannten Bescheide formell fehlerhaft (2.1.2.).
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2.1.1. Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dies soll den Betroffenen in die Lage versetzen, in Kenntnis dieser Gründe seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abzuschätzen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz AS 19, 237, 238). Der Behörde wird zugleich der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung verdeutlicht und eine besonders sorgfältige Prüfung des Vollzugsinteresses auferlegt. Dementsprechend muss die Begründung nachvollziehbar machen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts Vorrang vor dem Aufschubinteresse des Betroffenen einräumt mit der Folge, dass dessen Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat. Pauschale und nichts sagende formelhafte Wendungen genügen nicht.
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Eines Eingehens auf den Einzelfall bedarf es dann nicht, wenn sich das besondere öffentliche Interesse unabhängig vom Einzelfall ausnahmsweise bereits aus der Art der getroffenen Verwaltungsmaßnahme ergibt. Dies gilt dann, wenn die Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung praktisch mit denen des seiner Natur nach eilbedürftigen Verwaltungsakts identisch sind (z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. März 2009 - 13 B 1910/08 -, juris). In offenkundigen Eilfällen, in denen erhebliche Gefahren von der Allgemeinheit abgewehrt werden sollen, liefe eine auf den Einzelfall bezogene Begründung der sofortigen Vollziehung auf eine zwecklose Wiederholung von bereits Gesagtem hinaus. Dem Begründungserfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in solchen Fällen daher Genüge getan, wenn die Begründung der Vollziehungsanordnung auf die Gründe des zu vollziehenden Verwaltungsakt Bezug nimmt, aus der die besondere Dringlichkeit der Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hinreichend deutlich hervorgeht und im Übrigen die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar erkennbar wird (vgl. VGH Baden-Württemberg, NJW 2012, 3321). In solch einem Fall genügt statt einer Bezugnahme auf die Darlegungen in der Sache selbst eine lediglich formelhafte Sofortvollzugsbegründung.
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Nach diesen Grundsätzen hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ausreichend begründet. Die Kammer lässt in diesem Zusammenhang offen, on die Begründung in den Bescheiden vom 9. Januar 2013, in denen sich die Antragsgegnerin auf den Satz beschränkt hat, zur Gefahrenabwehr werde deshalb auch die sofortige Vollziehung dieser Verfügung angeordnet, noch als ausreichend angesehen werden kann. Jedenfalls hat die Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderungsschrift vom 29. Januar 2013 ausführlich zum besonderen Vollzugsinteresse Stellung genommen und damit den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Darin heißt es u.a., die Antragsteller wären nicht gehindert, die regelwidrige und nicht genehmigungsfähige Installation der Abwasserbeseitigungseinrichtungen in dem Gebäude aufrecht zu erhalten, käme ihren Widersprüchen aufschiebende Wirkung zu. Sei das Gebäude erst einmal in beiden Etagen bezugsfertig hergestellt und werde es genutzt, werde niemand mehr an der regelwidrigen Installation rühren wollen. Komme es später einmal zu einer Verstopfung oder zu einem anderen Schaden an dieser Installation, könnten einzelne Eigentümer/Nutzer geschädigt werden. Ferner könnte die diesbezügliche Abwasserentsorgung gefährdet sein. Derzeit sei noch die Möglichkeit gegeben, die Fehler zu beheben. Es müsse also vermieden werden, dass die Antragsteller Tatsachen schaffen, die später jedenfalls faktisch nicht oder kaum mehr rückgängig gemacht werden könnten. Damit liegt eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor.
- 23
Die Kammer durfte die Ausführungen der Antragsgegnerin im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 29. Januar 2013 zum besonderen Vollzugsinteresse berücksichtigen. Zwar verneint eine Ansicht in Rechtsprechung und Literatur (s. z.B. VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2012, 54; Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., § 80 Rn. 87) die Heilbarkeit eines Begründungsmangels nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unter Hinweis darauf, andernfalls bestehe die Gefahr, dass die Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO leer liefe und ihre Funktion nicht mehr erfüllen könne, nicht nur den Betroffenen über die für die Behörde maßgeblichen Gesichtspunkte für die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu unterrichten, sondern auch die Verwaltung selbst zu einer besonders sorgfältigen Prüfung anzuhalten. Nach der Gegenmeinung (s. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, BauR 2012, 1362; OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2008, 727; Finkelnburg/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 6. Auflage 2011, Rn. 750) kann eine fehlende bzw. unzureichende Begründung der Anordnung des Sofortvollzuges im Laufe des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nachgeholt werden. Dieser Ansicht folgt die Kammer in ständiger Rechtsprechung (s. z.B. Beschluss vom 11. März 2005 - 4 L 389/05.NW -, juris). Da nach § 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz - LVwVfG - i.V.m. § 45 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG - Verfahrensfehler bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens geheilt werden können, sind keine Gründe ersichtlich, die gegen eine Anwendung des Rechtsgedankens des § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG im Falle des Begründungsmangels nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sprechen. Eine solche Heilungsmöglichkeit ist auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten zu befürworten. Berücksichtigt man ferner, dass das Verwaltungsgericht nicht an die – ordnungsgemäße – Begründung der Verwaltungsbehörde gebunden ist, sondern eine eigene Ermessensentscheidung über die Frage trifft, ob der Sofortvollzug materiell gerechtfertigt ist, gibt es keine tragenden Gründe dafür, die Heilungsmöglichkeit nicht bereits während des noch laufenden Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zuzulassen. Ein Antragsteller wird durch diese Verfahrensweise auch nicht unzumutbar in seinen Rechten verletzt, denn er kann hierauf prozessual mit einer Erledigungserklärung reagieren, die regelmäßig zur Folge haben dürfte, dass die Behörde die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
- 24
2.1.2. Dagegen genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 4 der Bescheide vom 9. Januar 2013 nicht den oben dargestellten Anforderungen an die Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Weder hat die Antragsgegnerin in den Gründen der Bescheide Ausführungen zum besonderen Vollzugsinteresse der Ziffer 4 des Tenors gemacht noch findet sich im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 29. Januar 2013 (s. dort die Seiten 19 – 21) eine entsprechende Begründung dazu.
- 25
2.1.3. Die Kammer braucht nicht näher darauf einzugehen, wie zu tenorieren ist, wenn der Antrag nur deshalb Erfolg hat, weil die Behörde ihrer Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht (ausreichend) nachgekommen ist (s. dazu einerseits z.B. BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 – 1 DB 26.01 –, juris; VGH Baden-Württemberg, NVwZ-RR 2012, 54, die lediglich die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufheben; andererseits OVG Sachsen-Anhalt, DÖV 1994, 352; Puttler in: Sodan/Ziekow, VwGO, a.a.O., § 80 Rn. 154, die die vorbehaltslose Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs befürworten). Nach der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 24. August 1994 – 7 B 12.083/94.OVG –, juris), der die Kammer folgt, darf sich das Verwaltungsgericht jedenfalls dann nicht auf die Prüfung des formellen Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO beschränken, wenn das Begehren des Antragstellers - wie hier - auf die uneingeschränkte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtet ist. Das Rechtsschutzbedürfnis für dieses weitergehende Begehren ist grundsätzlich auch in dem Fall zu bejahen, in dem die Voraussetzungen für die Aufhebung der Vollziehungsanordnung vorliegen. Denn der von einem Verwaltungsakt Betroffene hat in der Regel ein schutzwürdiges Interesse daran, möglichst rasch zu erfahren, ob dieser Verwaltungsakt für die gesamte Dauer des Hauptsacheverfahrens vollziehbar sei oder nicht. Im Übrigen sprechen Gründe der Prozessökonomie dafür, die Frage der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts möglichst umfassend zu klären. Die Kammer war daher nicht gehalten, wegen des Verstoßes gegen die Begründungspflicht gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nur die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben, da die Antragsteller in Bezug auf die Ziffer 4 der Bescheide vom 9. Januar 2013, wie noch auszuführen sein wird, die uneingeschränkte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung verlangen können.
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2.2. In materieller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verfügungen vom 9. Januar 2013 hinsichtlich der Ziffern 1 – 3 rechtlich nicht zu beanstanden. Dagegen ist dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Ziffer 4 der Bescheide stattzugeben.
- 27
2.2.1. Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 581). Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 240; OVG Schleswig-Holstein, NordÖR 2007, 452; s. auch Finkelnburg/Külpmann, a.a.O., Rn. 975). Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (BVerfG, NVwZ 2007, 1176, 1177). Das Gericht nimmt – da § 80 Abs. 5 VwGO keinerlei inhaltliche Einschränkungen enthält – die Abwägung in eigener Verantwortung vor. Es prüft eigenständig, ob unter Berücksichtigung und Gewichtung aller für und wider den Sofortvollzug sprechenden Umstände – auch solcher, die der Behörde nicht bekannt waren – die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes in der Hauptsache oder aus anderen Gründen wiederherzustellen ist (vgl. Finkelnburg/Külpmann, a.a.O., Rn. 963); maßgebend für die Interessenabwägung sind mangels Vorliegens eines Widerspruchsbescheids dabei die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05. August 2009 - 18 B 331/09 -, juris; OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2008, 483).
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Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 – 3 der Verfügungen vom 9. Januar 2013 das private Interesse der Antragsteller, diesen bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens einstweilen nicht nachkommen zu müssen. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich daraus, dass die angefochtenen Ziffern 1 – 3 der Bescheide offensichtlich rechtmäßig sind und mit ihrer Durchsetzung nicht bis zur Bestandskraft, deren Eintritt noch nicht abzusehen ist, abgewartet werden kann.
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2.2.2. Verfahrensrechtliche Bedenken gegen die Verfügungen vom 9. Januar 2013 bestehen nicht.
- 30
Eine schriftliche Anhörung gemäß § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG hat die Antragsgegnerin nach Aktenlage zwar nicht vorgenommen. Allerdings hat es am 8. Januar 2013 einen Ortstermin gegeben, so dass davon auszugehen ist, dass die Antragsteller bei diesem Termin mündlich angehört worden sind. Sollte dem nicht so sein, ist dies unschädlich. Von der gemäß § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 1 VwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts grundsätzlich erforderlichen Anhörung konnte hier nach § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG abgesehen werden, weil eine sofortige Entscheidung im öffentlichen Interesse lag (vgl. zur Baueinstellungsverfügung OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. Januar 1995 - 8 B 13301/94.OVG -).
- 31
2.2.3. In materieller Hinsicht finden die Ziffern 1 – 3 der Bescheide vom 9. Januar 2013 ihre rechtliche Grundlage in § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Landeswassergesetz - LWG - in Verbindung mit der Allgemeinen Entwässerungssatzung der Antragsgegnerin sowie § 26 Abs. 1 Gemeindeordnung - GemO -.
- 32
2.2.3.1. Gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 LWG, der auf der Grundlage des § 56 Wasserhaushaltsgesetz - WHG - n.F. weitergilt (s. Beile, LWG Kommentar, Stand Februar 2011, § 52 Anm. 1), haben die kreisfreien Städte, die verbandsfreien Gemeinden und die Verbandsgemeinden als Pflichtaufgabe der Selbstverwaltung sicherzustellen, dass das in ihrem Gebiet anfallende Abwasser ordnungsgemäß beseitigt wird; sie haben die dafür erforderlichen Einrichtungen und Anlagen nach den jeweils in Betracht kommenden Regeln der Technik zu errichten und zu betreiben. Die nach Absatz 1 Verpflichteten regeln gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 LWG durch Satzung die Voraussetzungen der Vorhaltung und der Benutzung ihrer Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung. Nach § 25 Abs. 4 der Satzung der Antragsgegnerin über die Entwässerung und den Anschluss an die öffentlichen Abwasseranlagen - AllgE - vom 17. April 2001 kann der Eigenbetrieb Stadtentsorgung Neustadt an der Weinstraße (ESN) bei Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen, Genehmigungen oder Vorgaben dieser Satzung die Baustellen bzw. Bautätigkeiten durch Verfügung einstellen. Nach § 26 Abs. 1 GemO können die Gemeinden bei öffentlichem Bedürfnis durch Satzung für Grundstücke ihres Gebiets den Anschluss u.a. an die Abwasserbeseitigung vorschreiben (Anschlusszwang). Sie können durch Satzung bei öffentlichem Bedürfnis auch die Benutzung dieser und anderer dem Gemeinwohl dienender Einrichtungen vorschreiben (Benutzungszwang).
- 33
2.2.3.2. Entgegen der Auffassung der Antragsteller stellen diese Vorschriften eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Ziffern 1- 3 der ergangenen Bescheide dar (vgl. VG Neustadt, Urteil vom 16. März 2005 - 1 K 2490/04.NW - und OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Oktober 2005 sowie VG Neustadt, Beschluss vom 29. November 2000 - 1 L 2692/00.NW -).
- 34
2.2.3.2.1. Für den Erlass eines Verwaltungsakts, mit dem eine verbindliche Regelung getroffen wird, bedarf die Behörde nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes einer gesetzlichen Grundlage, die sich ausdrücklich (auch) auf die Handlungsform Verwaltungsakt beziehen muss (sog. Verwaltungsakt-Befugnis). Aus der Rechtsgrundlage muss ersichtlich sein, dass die Verwaltung befugt ist, gegenüber dem Normunterworfenen gerade in der Form des Verwaltungsakts zu handeln. Für die Frage, aus welchen Bestimmungen sich die „Verwaltungsakt-Befugnis“ ergibt, ist das materielle Recht maßgebend. Es reicht aus, wenn sich die Verwaltungsakt-Befugnis dem Gesetz im Wege der Auslegung entnehmen lässt (BVerwG, NVwZ 2012, 1123). Dies ist hier der Fall.
- 35
Die Aufgaben der Abwasserbeseitigung gehören gemäß § 52 Abs. 1 LWG zum eigenen Wirkungskreis der Gemeinden. § 52 Abs. 3 Satz 1 LWG ermächtigt die abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft zum Erlass von Satzungen zur Regelung der Voraussetzungen der Vorhaltung und der Benutzung ihrer Einrichtungen zur Abwasserbeseitigung. Daneben befugt § 26 Abs. 1 GemO die Gemeinden, bei öffentlichem Bedürfnis durch Satzung für Grundstücke ihres Gebiets einen Anschluss- und Benutzungszwang u.a. für die Abwasserbeseitigung vorzuschreiben. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin in § 6 Abs. 1 AllgE die nach § 3 AllgE zum Anschluss berechtigen Grundstückseigentümer verpflichtet, Grundstücke, auf denen Abwasser anfällt oder anfallen kann, an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung anzuschließen (Anschlusszwang), wenn für diese Grundstücke eine betriebsfertige öffentliche Abwasseranlage hergestellt wurde und vorgehalten wird. Gemäß § 6 Abs. 12 a AllgE ist das gesamte auf einem angeschlossenen Grundstück anfallende Abwasser ist in die öffentlichen Abwasseranlagen einzuleiten (Benutzungszwang). Mit der Ermächtigung zum Erlass einer Satzung über den Anschluss und Benutzungszwang wird den Gemeinden zugleich auch die Befugnis eingeräumt sei, Verfügungen gegenüber einzelnen Personen zur Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwangs zu erlassen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 4. Juni 1993 - 7 B 11203/93.OVG -).
- 36
Daneben enthält § 25 Abs. 4 AllgE eine wirksame Ermächtigungsgrundlage für die angefochtenen Verfügungen. Im Bereich der gemeindlichen Einrichtungen stellt die Befugnis zum Erlass von Satzungen eine ausreichende Grundlage für die Regelung von Eingriffen dar, die mit dem Einrichtungszweck notwendigerweise verbunden sind (OVG Rheinland-Pfalz, LKRZ 2010, 146; vgl. auch OVG Rheinland-Pfalz, DVBl 2009, 261 und OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2012, 286).
- 37
2.2.3.2.2. Die Antragsgegnerin war auch befugt, durch ihr unselbständiges Organ „Eigenbetrieb Stadtentsorgung Neustadt an der Weinstraße (ESN) die Verwaltungsakte vom 9. Januar 2013 gegenüber den Antragstellern zu erlassen.
- 38
Maßgebend für die Beurteilung der Rechtsqualität von Erklärungen ist ihr objektiver Sinngehalt, d.h. wie ein verständiger Empfänger sie insbesondere unter Berücksichtigung der äußeren Form, Abfassung, Begründung und etwaig vorhandener Rechtsmittelbelehrung verstehen musste (vgl. BVerwGE 99, 101; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Auflage 2012, § 35 Rn. 16). Zwar wird im Briefkopf der Bescheide der Eigenbetrieb der Antragsgegnerin ohne ausdrücklichen Hinweis darauf genannt, dass er in seiner Eigenschaft als Eigenbetrieb der Antragsgegnerin tätig wurde. Auch in der Unterschriftszeile fehlt es an einem entsprechenden Hinweis. Die Bescheide enthalten aber auf Seite 1 den Zusatz, dass der Eigenbetrieb „als für die Abwasserbeseitigung der Stadt Neustadt an der Weinstraße zuständigen Stelle (§ 1 der Betriebssatzung der Stadt Neustadt an der Weinstraße)“ die Verfügungen erlasse. Hieraus wird deutlich, dass der Eigenbetrieb auf der Grundlage einer kommunalen Satzung und damit für die Antragsgegnerin als Satzungsgeberin tätig geworden ist. Hiermit steht es im Einklang, dass auch der Stadtrechtsausschuss der Antragsgegnerin in den den Bescheiden beigefügten Rechtsmittelbelehrungen als Adressat eines etwaigen Widerspruches benannt wurde. Im Übrigen bestehen keine Zweifel, dass die Betriebsleitung des ESN als deren Organ für die Antragsgegnerin tätig wird.
- 39
Diese führt gemäß § 1 Abs. 1 der Betriebssatzung für den Eigenbetrieb Stadtentsorgung ihre Einrichtungen der Abwasserbeseitigung und Abfallentsorgung als Eigenbetrieb nach der Eigenbetriebs- und Anstaltsverordnung - EigAnVO - und den Bestimmungen dieser Satzung unter dem Namen „ESN“. Zweck des ESN ist es u.a., nach § 1 Abs. 2 a der Betriebssatzung, Abwasser von den im Stadtgebiet gelegenen Grundstücken abzuleiten und unschädlich zu beseitigen.Als Eigenbetrieb der Antragsgegnerin ist der durch seine Werksleitung handelnde ESN befugt, Verwaltungsakte zu erlassen. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EigAnVO vertritt die Werksleitung den Eigenbetrieb der Gemeinde im Rechtsverkehr. Im Rahmen dieses Zuständigkeitsbereichs handelt die Werksleitung des ESN als Organ für die Antragsgegnerin, welche als juristische Person hinter dem ESN steht, der selbst keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt (vgl. Oster in: Gabler/Höhlein u.a., Kommunalverfassungsrecht RhPf, § 86 GemO Anm. 1.2). In § 25 Abs. 4 AllgE hat die Antragsgegnerin den ESN ausdrücklich ermächtigt, bei Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen, Genehmigungen oder Vorgaben dieser Satzung, die Baustellen bzw. Bautätigkeiten durch Verfügung einstellen.
- 40
2.2.3.2.3. Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang ferner gerügt haben, die Satzung der Antragsgegnerin sei rechtswidrig, weil sie in § 17 Abs. 4 AllgE auf die DIN 1986 und DIN EN 752 verweise, ohne dass diese Normen den betroffenen Normadressaten ohne weiteres zugänglich seien, können sie damit im vorliegenden Verfahren nicht durchdringen. In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, in dem nur eine kursorische Überprüfung der Sach- und Rechtslage stattfinden kann, bedarf es grundsätzlich keiner Entscheidung darüber, ob eine verfahrensgegenständliche Satzung wirksam ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein zur Unwirksamkeit der Satzung führender Fehler offensichtlich ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 31. Januar 2013 - 1 B 11201/12.OVG -, juris zu einem Bebauungsplan; Bay. VGH, Beschluss vom 17. Mai 2006 - 23 CS 06.928 -, juris zu einer Abgabensatzung; OVG Sachsen Beschluss vom 23. Oktober 2012 - 5 B 287/12 -, juris zu einer Vergnügungssteuersatzung).
- 41
Derartige formelle oder materiell-rechtliche Mängel, die für eine Nichtigkeit der AllgE der Antragsgegnerin sprächen, sind hier aber nicht offensichtlich. Zwar genügt in den Fällen, in denen erst eine in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans in Bezug genommene DIN-Vorschrift bestimmt, unter welchen Voraussetzungen bauliche Anlagen im Plangebiet zulässig sind, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ 2010, 1567; s. auch OVG Rheinland-Pfalz, LKRZ 2011, 381 und OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Mai 2012 - 10 D 145/09.NE -, juris) nur dann rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen, wenn die Gemeinde sicherstellt, dass die Betroffenen von der DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können. Auf diese Rechtsprechung können sich die Antragsteller im vorliegenden Fall jedoch nicht berufen. Die Antragsgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass § 17 Abs. 4 AllgE nicht erst durch einen schlichten Verweis auf die DIN 1986 und DIN EN 752 bestimmt, nach welchen Maßgaben Grundstücksentwässerungsanlagen herzustellen und zu betreiben sind. Vielmehr regelt die genannte Vorschrift, dass Grundstücksentwässerungsanlagen nach den Bestimmungen dieser Satzung und den hierfür jeweils in Betracht kommenden Verfahren nach dem Stand der Technik, insbesondere DIN 1986 und DIN EN 752 „Grundstücksentwässerungsanlagen, technische Bestimmungen für den Bau und Betrieb“, herzustellen und zu betreiben seien. § 17 Abs. 4 AllgE verweist daher primär auf andere Bestimmungen in der Satzung sowie auf den „Stand der Technik“. Der Begriff des „Stands der Technik“ im Wasserrecht wird in § 3 Nr. 11 WHG definiert als „Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, zur Gewährleistung der Anlagensicherheit, zur Gewährleistung einer umweltverträglichen Abfallentsorgung oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt (s. zur gleichlautenden Definition auch § 3 Abs. 6 Bundesimmissionsschutzgesetz - BImSchG - und § 3 Abs. 28 Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrwG -). Die Bezugnahme auf die DIN 1986 und DIN EN 752 in § 17 Abs. 4 AllgE erfolgt lediglich „insbesondere“. Vor diesem Hintergrund kann von einer in einem Eilverfahren geforderten offensichtlichen Unwirksamkeit der genannten Vorschrift keine Rede sein.
- 42
2.2.3.3. Die Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 AllgE liegen vor, denn die Antragsteller haben gegen Anordnungen, Genehmigungen oder Vorgaben dieser Satzung verstoßen.
- 43
Das fragliche Grundstück ist gemäß § 6 AllgE an die öffentliche Abwasserbeseitigung anzuschließen. Die Antragsteller sind aufgrund von § 17 Abs. 1 AllgE verpflichtet, die Grundstücksentwässerungsanlagen auf ihre Kosten herzustellen. Grundstücksentwässerungsanlagen sind gemäß § 2 Abs. 7 AllgE alle Einrichtungen, die der Sammlung, Verwertung bzw. Versickerung, Vorbehandlung, Prüfung und Ableitung des Abwassers (Schmutz – und Niederschlags- und sonstiges Wasser) auf dem Grundstück bis zum Grundstücksanschluss dienen. Dazu gehören insbesondere Leitungen, die im Erdreich oder in der Grundplatte verlegt sind und das Abwasser dem Anschlusskanal zuführen (Grundleitungen, DIN 1986 Teil 1 Nr. 3.1.2 und DIN EN 752), Prüfschächte, Kleinkläranlagen und Abscheider sowie Abwassergruben. Somit werden vom Begriff der Grundstücksentwässerungsanlage alle Einrichtungen erfasst von der Anfallstelle des Abwassers bis hin zum Grundstücksanschluss und auch Leitungen neben solchen, die im Erdreich oder in der Grundplatte verlegt sind. Die Antragsgegnerin weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass damit auch Abwasserleitungen in Gebäuden und in einzelnen Wohneinheiten, insbesondere Schmutzwasserfallleitungen zählen. Mit Arbeiten für den Anschlusskanal und die Grundstücksentwässerungsanlagen darf gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 AllgE erst begonnen werden, wenn ein entsprechender Antrag von der Antragsgegnerin genehmigt ist. Nach § 19 AllgE ist ein Antrag auf Genehmigung einer Entwässerungseinrichtung mittels eines Entwässerungsantrages einen Monat vor dem geplanten Herstellungsbeginn der Grundstücksentwässerungsanlage schriftlich beim ESN einzureichen. Gemäß § 18 Abs. 10 i.V.m. § 23 Abs. 7 AllgE sind Abweichungen von der Genehmigung oder von einem Entwässerungsantrag dem ESN unverzüglich schriftlich mitzuteilen und ein erneuter Antrag unverzüglich zur Genehmigung einzureichen. Nach § 18 Abs. 11 AllgE darf ohne schriftliche Genehmigung oder ohne schriftliche Genehmigung einer Änderung die Ausführung nicht begonnen oder fortgesetzt werden.
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Gegen diese Vorgaben haben die Antragsteller verstoßen, denn sie haben mit den Bauarbeiten an den Grundstücksentwässerungsanlagen begonnen, ohne zuvor eine Entwässerungsgenehmigung (sowie eine Baugenehmigung für das Gesamtbauvorhaben) eingeholt zu haben. Die Arbeiten an den Grundstücksentwässerungsanlagen waren somit bereits formell illegal. Die Antragsgegnerin war daher berechtigt, auf der Grundlage des § 25 Abs. 4 AllgE die erfolgten Bauarbeiten an den Grundstücksentwässerungsanlagen aufgrund der formellen Illegalität einzustellen (vgl. zur baurechtlichen Einstellung von Bauarbeiten wegen formeller Illegalität Lang in: Jeromin/Schmidt/Lang, LBauO RhPf, a.a.O., § 80 Rn. 5; VG Neustadt, Beschluss vom 27. Februar 2012 - 5 L 97/12.NW -).
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Die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin ist rechtlich nicht zu beanstanden. Es entspricht pflichtgemäßem Ermessen, wenn die Antragsgegnerin als zuständige Abwasserbeseitigungsbehörde bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 AllgE eine Ordnungsverfügung gegenüber dem Störer erlässt und damit im Regelfall von ihrem Ermessen (sog. intendiertes Ermessen) in einer dem Zweck des Gesetzes entsprechenden Weise Gebrauch macht. Deshalb bedurfte es keiner weitergehenden Begründung nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG.
- 46
Das besondere Vollzugsinteresse ist ebenfalls gegeben. Um sicherzustellen, dass die Antragsteller nicht weiter Fakten zu schaffen versuchen durch bauliche Maßnahmen, die zu einer späteren Behinderung bei der ordnungsgemäßen Herstellung der Grundstücksentwässerungsanlage führen können, waren diese sofort anzuhalten, alles zu unterlassen, was zu einer Verfestigung des möglicherweise regelwidrigen Zustands führen kann.
- 47
2.2.3.4. Die in Ziffer 4 der Bescheide vom 9. Januar 2013 verfügte Aufhebung der „bisher für das oben genannte Grundstück ergangenen Entwässerungsgenehmigungen“ ist dagegen nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtwidrig. In den Gründen der Bescheide, in denen die Antragsgegnerin im Übrigen keine Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Entwässerungsgenehmigungen angegeben hat, heißt es dazu lediglich, mit Datum vom 20. Juni 1957 sei eine Entwässerungsgenehmigung für einen Betrieb des Bankwesens erteilt worden. Das Grundstück werde einer neuen Nutzung (6 Wohnungen, 1 Supermarkt mit Lebensmittelhandel) zugeführt, welche eine Veränderung der Grundstücksentwässerung zur Folge habe. In den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin findet sich die angesprochene Entwässerungsgenehmigung vom 20. Juni 1957 nicht, sondern lediglich eine Kopie eines Genehmigungsbescheids vom 20. Juni 1956. Es ist somit unklar, welche Entwässerungsgenehmigungen die Antragsgegnerin meint. Dies führt zur Unbestimmtheit des Ausspruchs. Ungeachtet dessen erschließt sich der Kammer nicht die Notwendigkeit der für sofort vollziehbar erklärten Aufhebung der Entwässerungsgenehmigung(en) angesichts des Umstands, dass die Antragsteller für ihr umfangreiches (Bau-)vorhaben neben einer Baugenehmigung und denkmalschutzrechtlichen Genehmigung wegen einschneidender Änderungen an den Entwässerungseinrichtungen auf dem Grundstück und in dem Gebäude eine neue Entwässerungsgenehmigung benötigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Mai 2002 - 8 A 10169/02.OVG – zur Erledigung eines Verwaltungsakts „auf andere Weise“ gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG bei Nutzungsänderung einer baulichen Anlage).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG. Da es sich vorliegend um eine objektive Antragshäufung im Sinne des § 44 VwGO handelt, waren gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG sowohl für den Hauptantrag als auch den Hilfsantrag ein Streitwert festzusetzen. Hinsichtlich des Hauptantrages setzt die Kammer gemäß § 52 Abs. 2 GKG und Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit einen Betrag von 2.500 € fest. In Bezug auf den Hilfsantrag hält die Kammer im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung des Streits für die Antragsteller einen Betrag von 10.000 € für angemessen, wobei je Ziffer der Bescheide vom 9. Januar 2013 ein Betrag von 2.500 € in Ansatz gebracht wurde.
(1) Außer den in den §§ 2 bis 13 genannten Anlagen sind auch untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. Soweit nicht bereits in den Baugebieten nach dieser Verordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind, gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 auch solche für die Kleintierhaltung. Zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1 gehören auch Anlagen zur Erzeugung von Strom oder Wärme aus erneuerbaren Energien. Im Bebauungsplan kann die Zulässigkeit der Nebenanlagen und Einrichtungen eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
(1a) In den Baugebieten nach den §§ 2 bis 11 sind Nebenanlagen, die der öffentlichen Versorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen dienen, zulässig; Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.
(2) Die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen können in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden, auch soweit für sie im Bebauungsplan keine besonderen Flächen festgesetzt sind. Dies gilt auch für fernmeldetechnische Nebenanlagen sowie für Anlagen für erneuerbare Energien, soweit nicht Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 1a Anwendung findet.
(3) Soweit baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie in, an oder auf Dach- und Außenwandflächen oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen innerhalb von Gebäuden nicht bereits nach den §§ 2 bis 13 zulässig sind, gelten sie auch dann als Anlagen im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn die erzeugte Energie vollständig oder überwiegend in das öffentliche Netz eingespeist wird. In Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten gilt Satz 1 auch für sonstige baulich untergeordnete Anlagen zur Nutzung solarer Strahlungsenergie.
(4) In einem Gebiet nach § 11 Absatz 2 für Anlagen, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dienen, sind Anlagen zur Herstellung oder Speicherung von Wasserstoff zulässig, wenn die Voraussetzungen entsprechend § 249a Absatz 4 gegeben sind. In Gewerbe- und Industriegebieten gilt Satz 1 entsprechend, wenn dort eine Anlage, die der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient und die keine Nebenanlage im Sinne dieser Vorschrift ist, tatsächlich vorhanden ist. Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 04. März 2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Kläger wenden sich gegen eine bauaufsichtliche Beseitigungsanordnung des Beklagten nach der sie die Dacheindeckung ihres Wohngebäudes in der Gemarkung W. (Flur …, Flurstück …, „A.“) vollständig zu beseitigen haben. Das Gebäude liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „W. West“, der mit Satzungsbeschluss vom 9. Dezember 2003 vom Gemeinderat beschlossen, am 31. März 2004 ausgefertigt und am 9. April 2004 öffentlich bekannt gemacht wurde. Der Bebauungsplan enthält unter der Überschrift „Bauordnungsrechtliche Festsetzungen (§ 9 BauGB i.V.m. § 88 LBauO)“ unter Ziffer 1.3 folgende Regelung:
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„Dacheindeckung
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Zulässig für die Dacheindeckung sind nur anthrazitfarbene oder dunkelgraue nichtglänzende Materialien wie Schiefer; ausnahmsweise zulässig sind Ziegel bzw. Betondachstein.“
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Am 6. Februar 2006 fasste der Ortsgemeinderat der Beigeladenen den Satzungsbeschluss zur 1. Änderung des o.g. Bebauungsplans, der am 14. April 2006 öffentlich bekannt gemacht wurde. Ziffer 1.3 der bauordnungsrechtlichen Festsetzungen blieb hiervon unberührt.
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Mit Schreiben vom 17. Dezember 2005 legten die Kläger Bauunterlagen im Freistellungsverfahren zum Neubau eines Einfamilienhauses auf ihrem Grundstück vor. Etwa Mitte des Jahres 2006 ließen sie ihr Dach mit engobierten Tondachpfannen der Marke „Kreaton Futura (schieferfarben)“ eindecken. Da die Bauaufsichtsbehörde des Beklagten aufgrund einer Ortsbesichtigung der Auffassung war, dass die Dacheindeckung mit glänzenden Dachziegeln ausgeführt worden sei, forderte sie die Kläger mit Bescheid vom 16. November 2006 auf, die Dacheindeckung ihres Wohngebäudes zu beseitigen. Gleichzeitig drohte sie den Klägern die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 € an, falls sie der Anordnung nicht fristgerecht nachkommen sollten.
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Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten legten die Kläger am 04. Dezember 2006 hiergegen Widerspruch ein und machten u. a. geltend, dass Ziffer 1.3 der gestalterischen Festsetzungen des Bebauungsplans wegen Missachtung des Zitiergebots des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 Grundgesetz - GG - und des Art. 110 Abs. 1 Satz 3 Landesverfassung Rheinland-Pfalz - LV - unwirksam sei. Auch im Übrigen seien die Festsetzungen mit den Anforderungen der Rechtsprechung an eine Gestaltungsvorschrift nicht zu vereinbaren. Insbesondere seien die Regelungen zur Dachgestaltung nicht begründet worden und folglich ein Gestaltungskonzept aus den Planunterlagen nicht erkennbar.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2007 wies der Kreisrechtsausschuss des Beklagten den Widerspruch zurück und führte zur Begründung u.a. aus, dass das Zitiergebot nicht verletzt sei. Mit dem Klammerzusatz „§ 9 BauGB i.V.m. § 88 LBauO“ sei die Rechtsgrundlage für die streitgegenständlichen Textfestsetzungen hinreichend angegeben. Einer Konkretisierung durch die Angabe des Absatzes und der einschlägigen Nummer bedürfe es nicht. Das Zitiergebot habe mit Blick auf den Normadressaten den Zweck, diesem die Prüfung zu ermöglichen, ob der Verordnungsgeber die Grenzen seiner Rechtsetzungsmacht gewahrt habe. Hierzu seien die Kläger aufgrund der Angaben im Bebauungsplan in der Lage gewesen. Auch im Übrigen sei die angegriffene Gestaltungssatzung nicht zu beanstanden. Die Festsetzungen seien hinreichend bestimmt und das Gestaltungskonzept sei mit den privaten Interessen abgewogen worden, so dass eine verhältnismäßige Einschränkung des Eigentums vorliege.
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Hiergegen erhoben die Kläger am 19. September 2007 Klage. Zur Begründung vertieften sie ihre Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren und machten ergänzend geltend, dass allein die Angabe des § 88 LBauO nicht genüge, da diese Vorschrift bereits in ihrem ersten Absatz acht unterschiedliche Ermächtigungsgrundlagen für etwaige gestalterische Festsetzungen aufweise. Die Regelungen über die Farbgebung und Materialbeschreibung in Ziffer 1.3 der gestalterischen Festsetzungen seien unbestimmt und damit unwirksam. Auch sei aus den Satzungsunterlagen kein gestalterisches Konzept erkennbar, welches die Einschränkung der Eigentumsfreiheit im vorliegenden Fall rechtfertigen könne. Zudem hätten die Kläger keine glänzenden, sondern engobierte Dachpfannen verwendet und sich somit an die Festlegungen in der Satzung gehalten.
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Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 04. März 2008 unter Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die auf § 81 Satz 1 LBauO gestützte Beseitigungsverfügung sei zumindest ermessensfehlerhaft, da die ihr zugrundeliegende Gestaltungsvorschrift schon wegen fehlender Zitierung der Ermächtigungsgrundlage unwirksam sei. Bei den Festsetzungen über die Gestaltung baulicher Anlagen handele es sich um Rechtsverordnungen auf dem Gebiet des Bauordnungsrechts, zu deren Erlass die Gemeinden durch § 88 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 und Abs. 6 Satz 1 LBauO ermächtigt worden seien. Rechtsverordnungen unterlägen dem Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG bzw. Art. 110 Abs. 1 Satz 3 LV, wonach in der Verordnung die Rechtsgrundlage anzugeben sei. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass Bebauungspläne als Satzungen ergingen. Soweit diese Satzungen nämlich bauordnungsrechtliche Gestaltungsregelungen enthielten, seien sie nicht dem kommunalen Wirkungskreis zuzuordnen, in dem das für die Übertragung rechtssetzender Gewalt an die Exekutive geltende Zitiergebot keine Anwendung finde. Die Anforderungen des Zitiergebots seien vorliegend nicht beachtet worden, da in der Satzung nicht die ermächtigende Einzelvorschrift genannt worden sei. Dieser Fehler sei auch nicht nach § 88 Abs. 6 Satz 2 LBauO i.V.m. § 215 BauGB heilbar, da das verfassungsrechtliche Zitiergebot keine Verfahrens- oder Formvorschrift i.S. des § 214 BauGB, sondern ein sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebender Grundsatz sei.
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Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht der Beklagte in seiner Berufungsschrift vom 06. Mai 2008 geltend:
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Die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts entsprächen nicht dem Wortlaut des § 88 Abs. 1 Satz 1 LBauO, der bestimme, dass die Gemeinden durch Satzung Gestaltungsvorschriften erlassen könnten. Dabei habe die Gemeinde die Wahl, ob sie diese Gestaltungsvorschriften in der Rechtsform einer eigenständigen Satzung oder gemäß § 10 Abs. 1 BauGB als Teil eines Bebauungsplans erlasse. In beiden Fällen werde demnach die Gestaltungsvorschrift nicht von der Exekutive in Form einer Rechtsverordnung lediglich erlassen, sondern von dem Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft in einem mehrstufigen Verfahren in Satzungsform beschlossen. An der landesgesetzlich eingeräumt Befugnis der Gemeinden, eigenes Ortsbaurecht durch Satzung zu normieren, ändere auch die Tatsache nichts, dass die Gestaltungsvorschriften inhaltlich dem Bauordnungsrecht zuzuordnen seien. Aber selbst wenn die von der Ortsgemeinde W. beschlossenen baugestalterischen Festsetzungen Rechtsverordnungen in Satzungsform sein sollten, so sei vorliegend aufgrund der in den Textfestsetzungen des Bebauungsplans enthaltenen Angaben gleichwohl erkennbar, dass dieser neben den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen auch örtliche Bauvorschriften enthalte. Die im Bebauungsplan enthaltene Nennung des § 88 LBauO versetze die Adressaten der Gestaltungsvorschrift in die Lage, deren Rechtsgrundlage zu erkennen und ihre Einhaltung durch den Satzungsgeber nachprüfen zu können.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 04. März 2008 abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verweisen auf ihren Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren sowie auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz.
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Vertiefend führen sie aus, dass die streitgegenständliche Beseitigungsverfügung wegen des Verstoßes gegen das Zitiergebot keinen Bestand haben könne. Bauplanungsrechtliche Gestaltungsvorschriften der in Rede stehenden Art seien nicht dem kommunalen, sondern dem übertragenen Wirkungskreis zuzuordnen. An dieser Zuordnung habe der Gesetzgeber auch in § 88 LBauO festgehalten, obgleich er die Gestaltungsvorschriften dort als Satzung bezeichne. Rechtsvorschriften der Exekutive seien nach allgemeiner Definition danach zu bestimmen, ob sie im übertragenen Wirkungskreis oder im Rahmen der Erfüllung einer Selbstverwaltungsangelegenheit ergingen. Zur Charakterisierung einer Rechtsvorschrift komme es aber nicht auf die Bezeichnung sondern auf deren materiellen Gehalt an. Danach bleibe die bauordnungsrechtliche Gestaltung eine Auftragsangelegenheit für die Gemeinde und seien die Festsetzungen als Rechtsverordnung zu qualifizieren.
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Die Beigeladene hat sich mit Schriftsatz vom 9. Juni 2008 über die Verbandsgemeindeverwaltung Untermosel im Verfahren geäußert. Sie macht geltend, dass die angegriffene Beseitigungsanordnung angemessen sei. Die Kläger hätten den Schaden schon durch die gebotene Vorsorge bei der Auswahl der Dachziegel minimieren können. Nach allgemeiner Auffassung in der Ortsgemeinde werde die Dachdeckung der Kläger auch als glänzend bezeichnet. Im Hinblick auf das Verbot glänzender Materialien sei anzumerken, dass hierfür ein besonderes Gestaltungskonzept nicht erforderlich sei, sofern es um den Schutz der Nachbarn vor Blendwirkungen gehe. Insgesamt dürfe die Entscheidungsgewalt der demokratisch gewählten Mandatsträger nicht ohne Not eingeschränkt werden.
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Der Vertreter des öffentlichen Interesses ist dem Verfahren beigetreten und hat mit Schriftsatz vom 9. September 2008 geltend gemacht:
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Gemäß § 88 Abs. 1 Nr. 1 LBauO würden örtliche Bauvorschriften als Satzung erlassen. Sie ergingen demnach bereits ihrer Form nach als Satzung im Rechtssinn und nicht als Rechtsverordnung. Selbstverwaltungskörperschaften könnten zwar als Teil der Exekutive auch Rechtsverordnungen erlassen, so etwa ordnungsbehördliche Verordnungen. Dazu bedürften sie in der Regel einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung, die den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 GG bzw. des entsprechenden Landesverfassungsrechts genügen müsse. Diese Rechtsverordnungen bezögen sich im Gegensatz zu den Satzungen nicht auf die eigenen, sondern auf die übertragenen staatlichen Angelegenheiten oder bestimmte gesetzliche Pflichtaufgaben. Dies bedeute jedoch nicht, dass Auftragsangelegenheiten lediglich mittels Rechtsverordnung geregelt werden dürfen. Satzungen könnten aufgrund Art. 28 Abs. 2 GG nicht nur im gesamten Bereich der eigenen Selbstverwaltungsangelegenheiten erlassen werden, sondern bei vorliegender gesetzlicher Ermächtigung auch im Bereich der Auftragsangelegenheiten, wie dies in § 24 Abs. 1 Satz 2 GemO geregelt sei.
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Im Übrigen dürften die Gestaltungssatzungen gemäß § 88 LBauO dem Willen des Gesetzgebers nach dem eigenen Wirkungsbereich der Kommunen mit der Folge zuzuordnen sein, dass sie auch auf der Basis der älteren Rechtsprechung als Satzungsregelung zu qualifizieren wären. Zwar lasse der Wortlaut des § 88 Abs. 1 LBauO keinen unmittelbaren Schluss darauf zu, in wessen Wirkungsbereich durch örtliche Bauvorschriften Recht gesetzt werde. Nach § 88 Abs. 1 Nr.1 LBauO solle allerdings die Gemeinde die Möglichkeit haben, eigene gestalterische Absichten umzusetzen. Insoweit werde ein eigener Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum geschaffen, der einer fachaufsichtlichen Beurteilung allenfalls eingeschränkt zugänglich sein dürfte. Auch die historische Entwicklung der Landesbauordnung spreche für eine Zuordnung des Baugestaltungsrechts zum kommunalen Wirkungsbereich. Bereits mit § 123 LBauO 1974 sei die Verordnungsermächtigung zur Satzungsermächtigung geworden, was in der Regel schon für eine autonome Rechtssetzung von Körperschaften spreche. Der noch in der LBauO 1996 vorhandene staatliche Genehmigungsvorbehalt für örtliche Bauvorschriften sei auf Initiative der Regierungsfraktionen im parlamentarischen Verfahren durch die LBauO 1999 abgeschafft worden. Stattdessen verweise nunmehr § 88 Abs. 5 LBauO 1999 für örtliche Bauvorschriften auf die Bestimmungen der Gemeindeordnung sowie die dazu erlassenen Durchführungsvorschriften.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungs- und Widerspruchsakten sowie Bebauungsplanunterlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung des Beklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben, da diese die Kläger in ihren Rechten verletzen (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Gemäß §§ 81, 59 LBauO kann die Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung baulicher Anlagen anordnen, wenn und soweit sie gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen und die erforderlichen Maßnahmen zur Herstellung baurechtmäßiger Zustände anordnen. Die umstrittene Dacheindeckung auf dem Wohnhaus der Kläger verstößt nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen deshalb nicht gegen baurechtliche Vorschriften, weil der hier maßgebliche Teil der Satzung zu der Materialbeschaffenheit unwirksam ist.
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Ermächtigungsgrundlage für die unter Ziffer II, 1.3 des Bebauungsplans enthaltene gestalterische Festsetzung ist § 88 Abs. 1 Nr. 1 LBauO. Nach dieser Norm kann die Gemeinde durch Satzung Vorschriften erlassen über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen sowie von Werbeanlagen und Warenautomaten zur Durchführung gestalterischer Absichten in bestimmten bebauten oder unbebauten Teilen des Gemeindegebiets. Gemäß § 9 Abs. 4 BauGB i.V.m. § 88 Abs. 6 Satz 1 LBauO können die jeweiligen Regelungen in den Bebauungsplan aufgenommen werden.
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2. Die Rechtswidrigkeit der Satzung ergibt sich zunächst nicht aus einem Verstoß gegen das bundesverfassungsrechtlich in Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG verankerte Zitiergebot, wonach in einer Rechtsverordnung die jeweilige Rechtsgrundlage anzugeben ist. Diese Bestimmung gilt schon ihrem Wortlaut nach nur für bundesrechtliche Rechtsverordnungen und nicht für andere unter dem Gesetz stehende Rechtsquellen. Auch aufgrund der systematischen Stellung im Grundgesetz innerhalb des Abschnitts „Die Gesetzgebung des Bundes“ kann Art. 80 GG für landesgesetzliche Verordnungsermächtigungen und Rechtsverordnungen keine Verbindlichkeit entfalten (BVerfGE 32, 346; Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 2. Auflage 2006, Art. 80 Rn. 18). Die für die Übertragung rechtsetzender Gewalt an die Exekutive durch deren Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen geltenden Grundsätze lassen sich überdies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf die Verleihung autonomer Satzungsgewalt (siehe hierzu unter 2.) an rechtsfähige Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts übertragen, da hier der Gewaltenteilungsgrundsatz nicht durchbrochen werde (BVerfGE 12, 319 [325]; 21, 54 [62 f.]. Danach sei der Gemeinderat, obwohl es sich bei ihm nicht um ein echtes Parlament handele, als demokratisch gewähltes Beschlussorgan insoweit eher dem Bereich der Legislative zuzuordnen. Es werde folglich durch Gesetze, die zum Erlass von Satzungen ermächtigen, die Rechtsetzungsbefugnis innerhalb der Legislative im Grundsatz nur auf andere demokratische Gremien und nicht auf die Exekutive verlagert. Dieser Sachverhalt unterscheide sich wesentlich von dem, der dem Verfassungsgeber Anlass zur Einführung des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG gegeben hat (BVerfGE 21, 54 [62], 32, 346, siehe Rn. 57 bei juris).
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3. Das Zitiergebot folgt auch nicht aus der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz. Für Rechtsverordnungen, die aufgrund landesrechtlicher Verordnungsermächtigungen erlassen werden, wird die Geltung des Zitiergebots durch die Regelung des Art. 110 Abs. 1 Satz 3 LV angeordnet. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Zitiergebots im vorliegenden Fall wäre jedoch auch hier, dass es sich bei der streitgegenständlichen gestalterischen Festsetzung um eine Rechtsverordnung handelt. Hiergegen spricht bereits der Wortlaut des § 88 Abs. 1 Satz 1 LBauO, wonach die Gemeinden „durch Satzung“ Vorschriften über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen treffen können. Auch ist der Bebauungsplan, in den die Festsetzung aufgenommen worden ist, gemäß § 10 Abs. 1 BauGB durch die Gemeinde als Satzung beschlossen worden.
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Auf Satzungen, die im originären Bereich der gemeindlichen Selbstverwaltung erlassen werden, findet das Zitiergebot unstreitig keine Anwendung, da sowohl die Vorschrift des Art. 80 Abs. 1 GG als auch die des inhaltsgleichen Art. 110 Abs. 1 LV nur für die Übertragung rechtsetzender Gewalt durch den Gesetzgeber an die Exekutive, nicht jedoch für die Ausübung eigener Befugnisse der Gemeinden im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung gilt (vgl. BVerfG a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1974, NJW 1974, 2301). In Literatur und Rechtsprechung wird vor diesem Hintergrund vertreten, dass das verfassungsrechtliche Zitiergebot lediglich auf solche Satzungen der Gemeinden keine Anwendung finde, die nicht auf gesetzesverlängernder delegierter Rechtsetzungsbefugnis, sondern auf der Einräumung von Autonomie zur Regelung von Selbstverwaltungsangelegenheiten beruhen (Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 2. Auflage 2006, Art. 80 Rn. 16; Dolzer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 80 Rn. 166; NdsOVG, Urteil vom 21.08.1992, NVwZ 1993, 1216). Für Satzungen, die nicht im Rahmen der gemeindlichen Selbstverwaltung, sondern im übertragenen (staatlichen) Wirkungskreis erlassen werden, soll hingegen das Zitiergebot Geltung beanspruchen, da es sich hierbei materiell um Rechtsverordnungen handele, die in der Form einer Satzung erlassen werden. (NdsOVG a.a.O.; Brügelmann, Baugesetzbuch, 66. Lieferung 2008, § 9 BauGB Rn. 586 m.w.N.).
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Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung die Gestaltungsregelungen in örtlichen Bauvorschriften dem übertragenen (bauordnungsrechtlichen) Wirkungskreis der Gemeinden zugerechnet (vgl. etwa Urteil vom 05.08.1993, NVwZ-RR 1994, 429; und Urteil vom 02.02.1995, 1 A 10656/94). Gestützt wurde diese Rechtsprechung u.a. darauf, dass der Gesetzgeber ausweislich der amtlichen Begründung (LT-Drucks. 10/1344) zur Vorgängernorm des heutigen § 88 LBauO (§ 86 LBauO a.F.) die Befugnis zum Erlass von Gestaltungsvorschriften nach wie vor nicht der gemeindlichen Planungshoheit habe zuordnen wollen. Allerdings hat der Senat in seiner Rechtsprechung (siehe Urteile vom 05.08.1993, a.a.O.; vom 02.02.1995, 1 A 10656/94; vom 26.04.2001, 1 A 11339/00) bereits mehrfach hervorgehoben, dass die Ermächtigung zum Erlass von Gestaltungssatzungen auch der Selbstverwaltung der Kommunen dienen soll. Die bauordnungsrechtlichen Gestaltungsvorschriften erschöpfen sich demnach nicht in der bloßen Abwehr unschöner und ästhetisch unerwünschter Erscheinungen. Vielmehr wird den Gemeinden gestattet, positiv auf die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes einzuwirken, auch um städtebauliche Ziele zu erreichen. Diese Befugnis im Sinne einer positiven Baugestaltungspflege dient trotz ihrer ordnungsrechtlichen Komponenten gerade auch der Selbstverwaltung der Gemeinden. Eine strikte Unterscheidung zwischen übertragenem und originärem Wirkungskreis ist daher für die Frage, ob die Gemeinde durch Satzung tätig wurde bzw. tätig werden durfte, letztlich entbehrlich. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Gemeinde echte Entscheidungsbefugnisse übertragen wurden oder nur ein rein delegierter Gesetzesvollzug vorgenommen worden ist. Vor diesem Hintergrund war die Einführung einer Satzungsermächtigung mit der Neufassung der Landesbauordnung vom 27. Februar 1974 (§ 123 LBauO) auch eine Umsetzung einer bestehenden Gemengelage von Bauordnungs- und Gestaltungsrecht. In dem Gesetzentwurf der Landesregierung heißt es hierzu wörtlich (LT-Drs. 7/1402 zu § 123):
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Neben dem für das ganze Land einheitlich zu regelnden Bereich des Bauordnungsrechts gibt es einen Bereich der so sehr von den örtlichen Gegebenheiten abhängig ist, dass eine einheitliche Regelung für das ganze Land nicht durchführbar erscheint. Aus diesem Grund müssen auch örtliche Vorschriften erlassen werden können. Dem dient der § 123, der dem bisherigen § 97 entspricht diesen aber grundlegend umgestaltet. Vor allem ist bemerkenswert, dass in Zukunft die örtlichen Vorschriften nicht mehr als Rechtsverordnungen, sondern als Satzung erlassen werden sollen.
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Hat demnach der Gesetzgeber bewusst die Form einer Satzungsermächtigung gewählt (vgl. auch § 24 Abs. 1 Satz 2 GemO), so hat die Prüfung hiermit noch nicht ihr Bewenden. Für die Qualifikation einer Rechtsnorm als Rechtsverordnung oder Satzung kann nicht in jedem Fall allein auf den Wortlaut des Gesetzes abgestellt werden, da sich der Gesetzgeber anderenfalls allein durch die von ihm gewählte Bezeichnung den strengen Anforderungen des Art. 80 GG bzw. Art. 110 LV entziehen könnte (vgl. BVerfGE 10, 20 [49 ff]. Vorliegend kann von einer solchen Falschbezeichnung („Etikettenschwindel“) indessen keine Rede sein; die Inkorporierung der Gestaltungsvorschriften in den Bebauungsplan wird bundesrechtlich durch § 9 Abs. 4 BauGB ermöglicht, so dass es sich um ein allgemein übliches Verfahren für gestalterische Festsetzungen handelt, die in einem sachlichen Zusammenhang mit Funktion und Inhalt des Bebauungsplans stehen und ein angemessenes Mittel für die Umsetzung der gemeindlichen Gestaltungsinteressen sind (vgl. Brügelmann, Baugesetzbuch, 66. Lieferung 2008, § 9 Rn. 552; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Stand: Juni 2008, § 9 BauGB Rn. 258, m.w.N.).
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Nach alledem bleibt es zwar dabei, dass das Gestaltungsrecht dem übertragenen Bereich des Bauordnungsrechts zuzuordnen ist; dennoch sind die örtlichen baulichen Gestaltungsvorschriften auch dem eigenen Wirkungskreis der Gemeinden zuzurechnen, so dass der Satzungsermächtigung die Verleihung echter Autonomie im Rahmen der gesetzlichen Übertragung zukommt. Diese Regelungen genießen allerdings keine Bestandsgarantie im Sinne des verfassungsrechtlichen Schutzes der kommunalen Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG (vgl. zur aktuellen Entwicklung: Schoch, DVBl 2008, 937-946), so dass der Landesgesetzgeber mit Blick auf die Gesetzgebungskompetenz nicht daran gehindert wäre, bestimmte Anforderungen für die Gestaltung von Bauvorhaben unmittelbar in der Landesbauordnung zu normieren. Da eine für das ganze Land einheitliche Regelung aufgrund der unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten jedoch regelmäßig nicht durchführbar ist, hat der Gesetzgeber die Gemeinden zum Erlass örtlicher Bauvorschriften in eigener kommunaler Verantwortung ermächtigt.
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Selbst wenn man jedoch entsprechend der früher gebräuchlichen Terminologie (so etwa noch OVG RP, Urteil vom 05.08.1993, 1 A 11772/92, a.a.O.) davon ausginge, dass gemeindliche Satzungen im Bereich der bauordnungsrechtlichen Gestaltungsvorschriften noch immer als Rechtsverordnungen ( im materiellen Sinne) zu bezeichnen wären, so fielen sie dennoch nicht unter das Zitiergebot Art. 110 Abs. 1 Satz 3 LV. Sinn und Zweck dieser Verfassungsnorm ist es, Rechtssätze, die nicht unmittelbar durch Beschlüsse demokratisch gewählter Organe zustande gekommen sind, in eine Legitimationszusammenhang mit dem Grundsatz der demokratischen Gestaltung des Staates und seiner Einrichtungen zu bringen (BVerfGE 12, 319 [325]; 32, 346 [361]; 33, 125 [157]; Maunz-Dürig, Kommentar zum GG, Art. 80 Rn. 47). Es ist jedoch von maßgeblicher Bedeutung, ob der Gesetzgeber seine Normsetzungsbefugnis an eine Stelle der bürokratisch und hierarchisch organisierten staatlichen Exekutive abgibt oder ob er, wie bei der Verleihung von Satzungsautonomie innerhalb eines von vornherein durch Wesen und Aufgabenstellung der Körperschaft begrenzten Bereichs, einen bestimmten Kreis von Bürgern ermächtigt, durch demokratisch gebildete Organe ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln. Zwar ist der Kreis der Ermächtigungsadressaten in Art. 110 Abs. 1 LV nicht auf staatliche Stellen beschränkt und eine Weiterübertragung der Ermächtigung nicht ausgeschlossen (vgl. Grimm/Caesar, Art. 110 LV Rn. 26). Dennoch sind staatliche Stellen der Landesexekutive der typische Adressatenkreis einer Verordnungsermächtigung, was auch aus der Regelung des Art. 110 Abs. 2 LV folgt. Die Erwägungen zu Art. 88 Abs. 1 GG sind daher im Wesentlichen auf Art. 110 LV zu übertragen. Ihre demokratische Legitimität erhalten die kommunalen Satzungen durch die Zuständigkeit der unmittelbar gewählten Vertretungskörperschaften in den Gemeinden. Demokratieprinzip und Rechtsstaatsgebot verlangen folglich keine Anwendung des Art. 110 LV auf kommunale Satzungen.
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4. Auch aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip selbst folgen keine darüber hinausgehenden Zitierpflichten. In der Literatur wird zur Frage der Zitiertiefe im Rahmen der verfassungsrechtlichen Gebote (insbesondere Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG) zwar überwiegend vertreten, dass die Ermächtigungsnorm in der Rechtsverordnung nach Paragraf, Absatz, Satz und Nummer genau bezeichnet werden muss (Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 2. Auflage 2006, Art. 80 Rn. 44; von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Auflage 2005, Art. 80 Rn. 43; Sachs, Grundgesetz-Kommentar, 4. Auflage 2007, Art. 80 Rn. 29; Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Kommentar zum Grundgesetz, 11. Auflage 2008, Art. 80 Rn. 83; Jarass/Pieroth, Grundgesetz-Kommentar, 7. Auflage 2004, Art. 80 Rn. 16) und sich das Zitiergebot am kleinsten noch textlich abgrenzbaren Norminhalt des Ermächtigungsgesetzes zu orientieren habe (Sachs, BayVBl. 1987, 209). Hiernach wäre der Hinweis auf „§ 9 BauGB i.V.m. § 88 LBauO“ nicht ausreichend, um den Anforderungen des Zitiergebots zu entsprechen. Diese Anforderungen können jedoch ungeachtet der Frage, ob die vorgenannten Literaturansichten der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe Urteil vom 06.07.1999, BVerfGE 101, 1 „Hennenhaltungsverordnung“ sowie Beschluss vom 24.07.1986, DAR 1986, 16 „Gurtanlegepflicht“), geschuldet sind – wofür ganz Überwiegendes spricht – jedenfalls nicht aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip hergeleitet werden, welches zu den ungeschriebenen aber prägenden Verfassungsrechtssätzen gehört (vgl. Thiele, in PdK-Bund, beck-online, A2 4d). In Art. 20 GG finden sich nur ganz bestimmte Grundsätze wie der Gewaltenteilung und der Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht. Sofern vor diesem Hintergrund überragender Prinzipien des demokratischen Gemeinwesens aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip überhaupt ein Zitiergebot für gemeindliche Satzungen zu folgern sein sollte, so wäre dies vorliegend durch den ausdrücklichen Hinweis auf „§ 9 BauGB i.V.m. § 88 LBauO“ im Rahmen der „bauordnungsrechtliche Festsetzungen“ hinreichend beachtet worden.
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5. Den streitgegenständlichen Festsetzungen der Beigeladenen liegt ein erkennbares Gestaltungskonzept zugrunde.
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Aus dem Wortlaut des § 88 Abs. 1 Nr. 1 LBauO, wonach die Gemeinden durch Satzung Vorschriften über die äußere Gestaltung baulicher Anlagen „zur Durchführung gestalterischer Absichten in bestimmten bebauten oder unbebauten Teilen des Gemeindegebiets “ erlassen können, hat der Senat bereits in seiner früheren Rechtsprechung die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage dergestalt konkretisiert, dass die Gemeinde mit ihren Festsetzungen eine gebietsspezifische Gestaltungsabsicht verfolgen muss (OVG RP, Urteil vom 22.09.1988, AS 22, 277 = BauR 1989, 68). Diese Gestaltungsabsicht muss auf sachgerechten Erwägungen beruhen und sich hinreichend erkennen lassen bzw. aus den Satzungsunterlagen deutlich ergeben (OVG RP, Urteil vom 23.10.1997, 1 A 12163/96, ESOVG-RP; OVG NRW, Urteil vom 21.01.1999, BauR 2000, 92). In der Begründung des Bebauungsplans „W. West“ heißt es zu den gestalterischen Festsetzungen (Bl. 338 der Verfahrensakte - VA -):
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„Die Gestaltung der Gebäude wird durch Festsetzungen wie Dachform, Dachgauben – Dacheinschnitte – Dachvorsprünge, Dachdeckung, Gestaltung der Außenwandflächen festgelegt. Somit wird versucht, ein städtebauliches Gesamtkonzept für ein Baugebiet zu schaffen. Damit werden auch Beeinträchtigungen durch mögliche Fehlentwicklungen im Vorfeld ausgeschlossen.“
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Diese Ausführungen sind für sich genommen noch nicht ausreichend, um ihnen ein bestimmtes Gestaltungskonzept der Gemeinde entnehmen zu können. Gestalterische Motive finden sich aber in der Begründung zur Planurkunde im Zusammenhang mit der Dachflächengestaltung unter Ziffer 3.3.7 (Bl. 339 VA):
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„Aufgrund der mehrfachen und erfolgreichen Teilnahme im Rahmen der Dorfentwicklung (Bundessieger 2001 – „schönstes Dorf Deutschlands“) ist die Erhaltung und Gestaltung des Ortsbildes für die Gemeinde W. ein wichtiger städtebaulicher / gestalterischer Grund, um eine Beschränkung von Dachflächenfenstern festzusetzen.“
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Zwar geht es darin konkret nur um die Festlegung von Dachflächenfenstern; die Gesamtkonzeption im Sinne einer Gestaltungsplanung wird jedoch hier bereits deutlich. Zudem ist der Bebauungsplan „W.-West“ nach seinem Inkrafttreten bereits einmal geändert worden. In dieser Änderung wurde die streitgegenständliche Gestaltungsfestsetzung unverändert übernommen. Die Beschlussfassung über diese 1. Änderung des Bebauungsplans erfolgte in der Sitzung des Ortsgemeinderates vom 27. September 2005. Ausweislich dieses Protokolls (Bl. 118 VA „1. Änderung BPlan“) hat der Ortsgemeinderat an den gestalterischen Festsetzungen des Bebauungsplans einstimmig bei einer Enthaltung festgehalten. In der Niederschrift findet sich auf derselben Seite ein Abwägungsvorschlag, der durch den Ortsgemeinderat mit seinem zustimmenden Beschluss gebilligt wurde. In diesem heißt es unter anderem:
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„Mit den Festsetzungen wird eine ortsspezifische gestalterische Absicht verfolgt, indem die typische Eigenart des W. Ortsbildes auch auf das unmittelbar angrenzende Neubaugebiet übertragen wird. Im Fall W.-West kann nicht von einem 'separaten Ortsteil' W. gesprochen werden. Es handelt sich um einen harmonischen und nahtlosen Übergang von der Alt- zur Neubebauung, die zusammen nach der Umsetzung des Bebauungsplans als städtebauliche Einheit in Erscheinung treten wird. Dies ist vor allem aufgrund der topographischen Verhältnisse (Weinbergslage) als Gesamtansicht zu betrachten“ .
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Der Ortsbürgermeister der Beigeladenen hat im Widerspruchsverfahren erklärt, dass das durch den streitgegenständlichen Bebauungsplan ausgewiesene Neubaugebiet später um zwölf weitere Bauplätze erweitert worden sei. Hierzu habe man den neuen Bebauungsplan „U.“ aufgestellt, in dem nahezu alle gestalterischen Festsetzungen aus dem Bebauungsplan „W.-West“, insbesondere auch das Verbot der Verwendung glänzender Materialien zur Dacheindeckung, übernommen worden seien. Die gemeindlichen Abwägungen seien dabei die gleichen gewesen wie diejenigen für den Bebauungsplan „W.-West“; die Ausführungen in der Begründung des Bebauungsplans „U.“ seien lediglich „umfangreicher nachlesbar“ dargelegt worden. In der Begründung des Bebauungsplans „U.“ sind zu den gestalterischen Festsetzungen folgende Ausführungen enthalten (Bl. 23 der Widerspruchsakten):
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„Die Erhaltung und Gestaltung des Ortsbildes ist für die Gemeinde ein gewichtiger Grund von öffentlichem Interesse, der gestalterische Festsetzungen begründet und es zulässt, die Baufreiheit einzuschränken. Durch die Regelung der Dachflächengestaltung sollen gestalterische Fehlentwicklungen und Verunstaltungen vermieden werden, die das hochwertige und historische Ortsbild von W. gefährden könnten. Zum Schutz des Ortsbildes von W. ist es auch erforderlich, die zulässige Dachfarbe zu beschränken. Zur Dacheindeckung sind deshalb nur dunkelfarbige, nicht glänzende Materialien in den Farbtönen anthrazit/schieferfarben oder dunkelgrau zulässig. Die Dacheindeckung sollte in Form und Größe an die das Ortsbild prägende Eindeckung (z.B. Schiefer und Pfannen) angepasst werden.“
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Aus alledem ergibt sich, dass die Ortsgemeinde W. erkennbar das Gestaltungskonzept verfolgt hat, die Dacheindeckung in dem Plangebiet „W.-West“ an die bisherige im Ortskern vorhandene Dacheindeckung anzupassen, um somit eine einheitliche Dachlandschaft zum Schutz des historischen Ortsbildes auch mit Blick auf die Belange des Fremdenverkehrs zu gewährleisten. Es ist zudem ausreichend, dass sich dieses Gestaltungskonzept nicht aus der Begründung des Bebauungsplanes selbst, sondern erst aus den übrigen Verfahrensakten mit hinreichender Klarheit ergibt. Dabei muss berücksichtigt werden, dass gemäß § 88 Abs. 6 Satz 2 LBauO mit Ausnahme der dort genannten Bestimmungen die übrigen Vorschriften des Baugesetzbuches auf die gestalterischen Festsetzungen des § 88 Abs. 1 LBauO keine Anwendung finden. Demzufolge ist auch § 9 Abs. 8 BauGB, wonach dem Bebauungsplan eine Begründung beizufügen ist, auf die baugestalterischen Festsetzungen nach § 88 Abs. 1 LBauO nicht anwendbar (vgl. auch HessVGH, Urteil vom 28.04.2005, 9 UE 372/04, beck-online).
- 45
6. Das Gestaltungskonzept der Beigeladenen ist auch hinreichend gebietsspezifisch ausgestaltet.
- 46
Der Senat hat in seinem Urteil vom 22. September 1988 (BauR 1989, 68) betreffend Werbeanlagen im Gemeindegebiet, entschieden, dass eine Gestaltungssatzung gemäß § 88 Abs. 1 Nr. 1 LBauO nur dann wirksam ist, wenn mit ihr eine gebietsspezifische gestalterische Absicht verfolgt wird, die dem Geltungsbereich der Satzung ein besonderes Gepräge gibt. Es müsse sich hierbei um Besonderheiten handeln, die gerade für das fragliche Gebiet charakteristisch seien. Demgegenüber könne es nicht ausreichen, dass die Gemeinde mit den Festsetzungen gestalterische Absichten verfolge, die für das restliche Gemeindegebiet in gleicher Weise zum Anlass für eine ähnliche Regelung genommen werden könnten.
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Diese auf Werbeanlagen zugeschnittene Entscheidung diente ersichtlich auch dem Schutz kleinerer gewerblicher Betriebe. Diese Bewertung rechtfertigt sich schon verfassungsrechtlich daraus, dass die rheinland-pfälzische Landesverfassung in Art. 52 Abs. 1 in besonderer Weise die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen gewährleistet (siehe zuletzt Verfassungsgerichtshof RP, Urteile vom 30.09.2008, VGH B 31/07, VGH B 2/08, VGH B 3/08 u.a.). Auf das Bestreben, eine optisch weitgehend einheitliche Dachlandschaft zu erhalten, sind diese Grundsätze daher nicht vollständig übertragbar. Der Senat erkennt vor diesem Hintergrund ein legitimes praktisches Bedürfnis der Gemeinden an, historisch gewachsene Orts- und Stadtbilder durch gestalterische Festsetzungen im Bebauungsplan oder durch selbständige Gestaltungssatzungen zu schützen. Für die Festsetzung von Dachformen oder anderen Einzelheiten der Dachgestaltung enthält aber weder § 9 BauGB noch die BauNVO eine entsprechende Ermächtigung (vgl. VGH BW, Urteil vom 22.04.2002, 8 S 177/02, juris) so dass den Gemeinden zur Verwirklichung des Ziels, eine bereits vorhandene Einheitlichkeit der Dachlandschaft auch auf neue Baugebiete zu erstrecken, nur die Möglichkeit bleibt, gestalterische Festsetzungen auf der Grundlage von § 88 Abs. 1 Nr. 1 LBauO zu erlassen. Das Bestreben, für eine gewisse Einheitlichkeit der Dachlandschaft zu sorgen, ist daher ein vom Gesetz anerkanntes Ziel (vgl. HessVGH, Urteil vom 28.04.2005, 9 UE 372/04, beck-online) welches allerdings in der konkreten Planung einer am Maßstab der Rechte der Planbetroffenen sowie des Allgemeinwohlinteresses ausgerichteten Prüfung bedarf. Dabei ist die Bewahrung einer bereits vorhandenen einheitlichen Dachlandschaft höher zu gewichten, als der Wunsch, eine künftige Einheitlichkeit herzustellen.
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Soweit der Plangeber die in einem Ortsteil weit überwiegend vorhandene Gestaltung der Dacheindeckung in bestimmten Farbtönen auch in Zukunft sicherstellen und damit der Entstehung einer 'bunten' Dachlandschaft vorbeugen will, ist dieses Anliegen bei entsprechender Nachvollziehbarkeit aus den vorhandenen Planunterlagen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere für die Festsetzung einer bestimmten Farbgebung für die Dacheindeckung zur Gewährleistung des einheitlichen Erscheinungsbildes eines Ortsrandbereiches oder eines an historische Baugebiete anschließenden „Neubaugebiets“ (vgl. OVG RP, Urteil vom 14.09.2005, 8 C 10317/05 und Urteil vom 07.10.2004, 8 A 11184/04). In diesem Zusammenhang ist es ein geradezu klassisches Anliegen gestalterischer Festsetzungen, für bestimmte Bereiche ein jedenfalls in gewissem Umfang einheitlich strukturiertes Erscheinungsbild zu gewährleisten (OVG NRW, Urteil vom 09.02.2000, NVwZ-RR 2001, 14; HessVGH, a.a.O.). Da es sich bei der Beigeladenen um eine „typische Moselgemeinde“ mit einer gerichtsbekannt weitgehend einheitlichen Dacheindeckung handelt, unterliegt es keinen Zweifeln dass das Gestaltungskonzept nicht nur nachvollziehbar, sondern auch hinreichend gebietsspezifisch ist. Das Plangebiet ist stärker als sonstige Gemeindeteile durch den alten Ortskern geprägt, indem es unmittelbar und praktisch nahtlos an die Altbebauung angrenzt und mit dieser eine städtebauliche Einheit bildet.
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7. Ein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitete Bestimmtheitsgebot liegt jedenfalls hinsichtlich der Farbvorschriften nicht vor. Zwar verwendet die streitgegenständliche Regelung mit der Festsetzung von „anthrazitfarbenen oder dunkelgrauen nichtglänzenden Materialien „wie Schiefer“ nur allgemeine Bezeichnungen, die im übertragenen Sinn als unbestimmte Rechtsbegriffe bezeichnet werden können. Allerdings erfordert das Gebot der Klarheit und Bestimmtheit der Norm lediglich die Erkennbarkeit des vom Normgeber gewollten Regelungsinhalts. Der Umstand, dass in Grenzbereichen die Feststellung schwierig sein kann, ob der gewählte Farbton dem vorgegebenen Farbspektrum entspricht, macht die Festsetzung nicht unwirksam. Den unbestimmten Rechtsbegriffen ist immanent, dass ihr konkreter Inhalt im Einzelfall nur im Rahmen einer wertenden Betrachtung zu ermitteln ist und es unter Umständen sogar einer fachlich-sachverständigen Begutachtung bedarf (HessVGH, Urteil vom 28.04.2005, 9 UE 372/04, beck-online; OVG RP, Urteil vom 05.08.1993, NVwZ-RR 1994, 429; Urteil vom 07.05.1997, 1 A 12050/96, ESOVG-RP; OVG NRW, Urteil vom 09.02.2000, NVwZ-RR 2001, 14; VGH BW, Urteil vom 22.04.2002, 8 S 177/02, juris; BayVGH, Beschluss vom 23.11.2001, 26 ZB 99.3368, juris). Diese Erwägungen können auf den vorliegenden Fall übertragen werden, so dass von einer ausreichenden Bestimmtheit der Farbvorgaben ausgegangen werden kann und es insbesondere einer physikalisch eindeutigen Farbestimmung nicht bedarf. Im Hinblick auf den nach dem Wortlaut (… „wie Schiefer…“) erkennbaren Zweck der Regelung, Dachdeckungen nur in einem dieser Bezeichnung entsprechenden Farbton zuzulassen, sind danach Zweifel an der Bestimmtheit nicht berechtigt.
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Ob auch der Begriff der „ nichtglänzenden Materialen “ hinreichend bestimmt ist, lässt der Senat offen. Überwiegendes spricht vorliegend jedoch dafür, dass auch insoweit zumindest eine Bestimmbarkeit vorliegt und dass die von den Klägern verwendeten Materialien tatsächlich unter die gewählte Begrifflichkeit gefasst werden können, zumal sie in dem einschlägigen Verkaufsprospekt als „mit Seidenglanz versehen“ angepriesen worden sind.
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8. Die streitgegenständliche Festsetzung beruht jedoch hinsichtlich der Materialvorgaben nicht auf einer sachgerechten Abwägung, die sich auf die konkreten örtlichen Verhältnisse zu beziehen und sich am Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszurichten hat.
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Zwar findet das bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB auf örtliche Bauvorschriften mangels einer Verweisung in § 88 Abs. 6 Satz 2 LBauO keine Anwendung (OVG RP, Urteile vom 14.09.2005, 8 C 10317/05 und vom 11.03.1999, 1 C 10320/98, ESOVG-RP; BVerwG, Urteil vom 16.03.1995, NVwZ 1995, 899; Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Stand: Juni 2008, § 9 BauGB Rn. 263, m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Senats müssen Gestaltungssatzungen gemäß § 88 Abs. 1 Nr. 1 LBauO aber landesrechtlich begründet nicht nur auf sachgerechten Erwägungen beruhen, sondern auch eine angemesseneAbwägung der privaten Interessen der Grundstückseigentümer und der Belange der Allgemeinheit erkennen lassen, da auch die Ordnung der Baugestaltung Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt (OVG RP, Urteil vom 05.08.1993, NVwZ-RR 1994, 429; Urteil vom 23.10.1997, 1 A 12163/96, ESOVG-RP).
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Soweit in diesem Zusammenhang vertreten wird, dass dem Gemeinderat in diesen Fällen selbstverständlich bewusst sei, dass er im Interesse eines farblich möglichst einheitlichen Erscheinungsbildes der Dachlandschaft die gestalterischen Möglichkeiten der betroffenen Grundstückseigentümer im Plangebiet einschränke, damit Inhalt und Schranken der Nutzbarkeit des Eigentums festlege und daher allein die Nichterwähnung dieser Belastung für die Grundstückseigentümer in der Begründung des Bebauungsplans nicht als Beleg dafür dienen könne, die planende Gemeinde habe diesen Belang übersehen und nicht in ihre Abwägung eingestellt (OVG NRW, Urteil vom 09.02.2000, NVwZ-RR 2001, 14; HessVGH, Urteil vom 28.04.2005, BRS 69 Nr 150), folgt der Senat dem jedenfalls für die Frage der Materialbeschaffenheit nicht. Zwar dürfte einerseits insoweit regelmäßig der Eingriff in das Grundrecht aus Art 14 Abs. 1 GG nicht besonders schwerwiegend sein. Andererseits ist auch das gemeindliche Interesse an dem Ausschluss von bestimmten Materialen – anders als dies bei der Farbwahl aus Gründen der Umgebungsbebauung der Fall sein kann – nicht ohne weiteres selbsterklärend, so dass insofern nicht ohne besondere Anhaltspunkte von einer hinreichenden Befassung der Gemeindeorgane ausgegangen werden kann. Der bloße Hinweis auf die Materialanforderung „nichtglänzend“ im Änderungsbebauungsplan vom 14. April 2006 reicht zur Überzeugung des Senats nicht aus.
- 54
Eine an Art 14 Abs. 1 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierte Abwägung muss zumindest erkennen lassen, warum bestimmte Materialen geeignet sind, das Ortsbild zu beeinträchtigen und ob etwa ein Verbot aller „glänzenden“ Materialen angebracht oder etwa die Beschränkung auf „glasierte“ Materialen ausreichend wäre. Auch kann je nach Plangebiet eine nähere Überprüfung der Verbreitung von Dacheindeckungen mit Photovoltaikanlagen sowie bestimmter Dachgestaltungen (Dachflächenfenster) und deren optischer Wirkung im Vergleich zu anderen bestimmten Materialen angezeigt sein. Solche Erwägungen sind von dem zuständigen Gemeindeorgan zu tätigen und können nicht erst in einem Rechtsstreit über einzelne bauordnungsrechtliche Verfügungen „nachgereicht“ werden. Dabei hebt der Senat hervor, dass es keineswegs ausgeschlossen sein dürfte, sämtliche „glänzenden“ Dachbedeckungen auszuschließen; eine solche Maßnahme muss aber im Hinblick auf die zahlreichen und weitverbreiteten neuen Materialen in diesem Bereich zumindest begründet und abgewogen sein. Eine „selbstredende“ Begründung für den Ausschluss von engobierten Ziegeln vermag der Senat vor diesem Hintergrund nicht zu erkennen. Vorliegend kommt erschwerend hinzu, dass es sich weitgehend erst um eine nachgeholte schriftliche Begründung gehandelt hat, was bereits einen strengeren Maßstab indiziert. Die Abwägung war damit nach alledem hinsichtlich der Farbgestaltung aus den konkreten örtlichen Verhältnissen und dem gesamten Inhalt der Akten (noch) hinreichend, hinsichtlich der Vorgabe bestimmter Materialbeschaffenheiten („nicht glänzend“) jedoch nicht.
- 55
Dieser entscheidungsrelevante Mangel im Abwägungsvorgang konnte auch nicht nach Maßgabe der §§ 88 Abs. 6 Satz 2 LBauO i.V.m. 214, 215 BauGB geheilt werden. Gemäß 215 BauGB in der bis zum 19. Juli 2004 gültigen Fassung des Gesetzes werden Mängel der Abwägung unbeachtlich wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind. Bei der Geltendmachung ist der Sachverhalt, der die Verletzung oder den Mangel begründen soll, ist darzulegen. Mit Widerspruchsschreiben vom 18. Juli 2007 haben die Kläger unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt (Urteil vom 08.12.2003, 3 K 761/03.NW) eine fehlende Prüfung der betroffenen Belange und ein unzureichendes Gestaltungskonzept gerügt und damit die Voraussetzungen der Geltendmachung erfüllt.
- 56
Die mit der Neufassung des Gesetzes vom 23. September 2004 (BGBl. I 2414), auf zwei Jahre verkürzte Rügefristrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BauGB galt für den streitgegenständlichen Bebauungsplan noch nicht, da dieser bereits am 9. April 2004 in Kraft getreten war. Ein Verfahren zur Behebung des Abwägungsmangels gemäß § 214 Abs. 4 BauGB hat die Beigeladene bisher nicht durchgeführt, so dass es hierzu keiner Ausführungen bedarf. Die unvollständige Abwägung führt indessen nur insoweit zur Unwirksamkeit der Satzung als die konkreten Materialanforderungen („nichtglänzend“) betroffen sind. Im Recht der Bauleitplanung führen Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, dann nicht zu dessen Unwirksamkeit, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und wenn die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (BVerwG, Beschluss vom 22.01.2008, 4 B 5/08, juris Rn. 8 m.w.N.). Diese Grundsätze des Bebauungsplanverfahrens gelten entsprechend für die hier vorliegende Gestaltungssatzung (vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 21.01.1999, BauR 2000, 92), so dass die Festsetzungen nur insoweit unwirksam sind, als sie in dem betroffenen Baugebiet eine bestimmte Materialwahl bei der Dacheindeckung vorschreiben.
- 57
9. Nach alledem konnten die angegriffenen Bescheide des Beklagten keinen Bestand haben, da sie ausschließlich auf die Bestimmungen der Gestaltungssatzung gestützt wurden und infolge der Teilunwirksamkeit dieser Regelungen zumindest nicht mehr ermessensgerecht sein konnten. Der Prüfung anderer Ermächtigungsgrundlagen bedurfte es im Hinblick auf diese konkretisierte Ermessensbetätigung nicht mehr; allerdings dürfte es zumindest fraglich sein, ob § 5 LBauO im Hinblick auf die von der Beigeladenen geltend gemachte Blendwirkung der Dacheindeckung hier zum Tragen kommen könnte.
- 58
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
- 59
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 60
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.
- 61
Beschluss
- 62
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,-- € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.5. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327 ff.).
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
(1) Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden:
- 1.
die Art und das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 2a.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 3.
für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke Mindestmaße und aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden für Wohnbaugrundstücke auch Höchstmaße; - 4.
die Flächen für Nebenanlagen, die auf Grund anderer Vorschriften für die Nutzung von Grundstücken erforderlich sind, wie Spiel-, Freizeit- und Erholungsflächen sowie die Flächen für Stellplätze und Garagen mit ihren Einfahrten; - 5.
die Flächen für den Gemeinbedarf sowie für Sport- und Spielanlagen; - 6.
die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden; - 7.
die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden dürfen; - 8.
einzelne Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude errichtet werden dürfen, die für Personengruppen mit besonderem Wohnbedarf bestimmt sind; - 9.
der besondere Nutzungszweck von Flächen; - 10.
die Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, und ihre Nutzung; - 11.
die Verkehrsflächen sowie Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung, wie Fußgängerbereiche, Flächen für das Parken von Fahrzeugen, Flächen für Ladeinfrastruktur elektrisch betriebener Fahrzeuge, Flächen für das Abstellen von Fahrrädern sowie den Anschluss anderer Flächen an die Verkehrsflächen; die Flächen können auch als öffentliche oder private Flächen festgesetzt werden; - 12.
die Versorgungsflächen, einschließlich der Flächen für Anlagen und Einrichtungen zur dezentralen und zentralen Erzeugung, Verteilung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung; - 13.
die Führung von oberirdischen oder unterirdischen Versorgungsanlagen und -leitungen; - 14.
die Flächen für die Abfall- und Abwasserbeseitigung, einschließlich der Rückhaltung und Versickerung von Niederschlagswasser, sowie für Ablagerungen; - 15.
die öffentlichen und privaten Grünflächen, wie Parkanlagen, Naturerfahrungsräume, Dauerkleingärten, Sport-, Spiel-, Zelt- und Badeplätze, Friedhöfe; - 16.
- a)
die Wasserflächen und die Flächen für die Wasserwirtschaft, - b)
die Flächen für Hochwasserschutzanlagen und für die Regelung des Wasserabflusses, - c)
Gebiete, in denen bei der Errichtung baulicher Anlagen bestimmte bauliche oder technische Maßnahmen getroffen werden müssen, die der Vermeidung oder Verringerung von Hochwasserschäden einschließlich Schäden durch Starkregen dienen, sowie die Art dieser Maßnahmen, - d)
die Flächen, die auf einem Baugrundstück für die natürliche Versickerung von Wasser aus Niederschlägen freigehalten werden müssen, um insbesondere Hochwasserschäden, einschließlich Schäden durch Starkregen, vorzubeugen;
- 17.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen oder für die Gewinnung von Steinen, Erden und anderen Bodenschätzen; - 18.
- a)
die Flächen für die Landwirtschaft und - b)
Wald;
- 19.
die Flächen für die Errichtung von Anlagen für die Kleintierhaltung wie Ausstellungs- und Zuchtanlagen, Zwinger, Koppeln und dergleichen; - 20.
die Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft; - 21.
die mit Geh-, Fahr- und Leitungsrechten zugunsten der Allgemeinheit, eines Erschließungsträgers oder eines beschränkten Personenkreises zu belastenden Flächen; - 22.
die Flächen für Gemeinschaftsanlagen für bestimmte räumliche Bereiche wie Kinderspielplätze, Freizeiteinrichtungen, Stellplätze und Garagen; - 23.
Gebiete, in denen - a)
zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte Luft verunreinigende Stoffe nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen, - b)
bei der Errichtung von Gebäuden oder bestimmten sonstigen baulichen Anlagen bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen für die Erzeugung, Nutzung oder Speicherung von Strom, Wärme oder Kälte aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung getroffen werden müssen, - c)
bei der Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmenden Gebäuden oder sonstigen baulichen Anlagen in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bestimmte bauliche und sonstige technische Maßnahmen, die der Vermeidung oder Minderung der Folgen von Störfällen dienen, getroffen werden müssen;
- 24.
die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben; - 25.
für einzelne Flächen oder für ein Bebauungsplangebiet oder Teile davon sowie für Teile baulicher Anlagen mit Ausnahme der für landwirtschaftliche Nutzungen oder Wald festgesetzten Flächen - a)
das Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen, - b)
Bindungen für Bepflanzungen und für die Erhaltung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen sowie von Gewässern;
- 26.
die Flächen für Aufschüttungen, Abgrabungen und Stützmauern, soweit sie zur Herstellung des Straßenkörpers erforderlich sind.
(1a) Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1a Absatz 3 können auf den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Die Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle können den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden; dies gilt auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen.
(2) Im Bebauungsplan kann in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur
- 1.
für einen bestimmten Zeitraum zulässig oder - 2.
bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig
(2a) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden, in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass nur bestimmte Arten der nach § 34 Abs. 1 und 2 zulässigen baulichen Nutzungen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden. Dabei ist insbesondere ein hierauf bezogenes städtebauliches Entwicklungskonzept im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 11 zu berücksichtigen, das Aussagen über die zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereiche der Gemeinde oder eines Gemeindeteils enthält. In den zu erhaltenden oder zu entwickelnden zentralen Versorgungsbereichen sollen die planungsrechtlichen Voraussetzungen für Vorhaben, die diesen Versorgungsbereichen dienen, nach § 30 oder § 34 vorhanden oder durch einen Bebauungsplan, dessen Aufstellung förmlich eingeleitet ist, vorgesehen sein.
(2b) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) kann in einem Bebauungsplan, auch für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans, festgesetzt werden, dass Vergnügungsstätten oder bestimmte Arten von Vergnügungsstätten zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, um
- 1.
eine Beeinträchtigung von Wohnnutzungen oder anderen schutzbedürftigen Anlagen wie Kirchen, Schulen und Kindertagesstätten oder - 2.
eine Beeinträchtigung der sich aus der vorhandenen Nutzung ergebenden städtebaulichen Funktion des Gebiets, insbesondere durch eine städtebaulich nachteilige Häufung von Vergnügungsstätten,
(2c) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 und für Gebiete nach § 30 in der Nachbarschaft von Betriebsbereichen nach § 3 Absatz 5a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann zur Vermeidung oder Verringerung der Folgen von Störfällen für bestimmte Nutzungen, Arten von Nutzungen oder für nach Art, Maß oder Nutzungsintensität zu bestimmende Gebäude oder sonstige bauliche Anlagen in einem Bebauungsplan festgesetzt werden, dass diese zulässig, nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig sind; die Festsetzungen können für Teile des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans unterschiedlich getroffen werden.
(2d) Für im Zusammenhang bebaute Ortsteile (§ 34) können in einem Bebauungsplan zur Wohnraumversorgung eine oder mehrere der folgenden Festsetzungen getroffen werden:
- 1.
Flächen, auf denen Wohngebäude errichtet werden dürfen; - 2.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen einzelne oder alle Wohnungen die baulichen Voraussetzungen für eine Förderung mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erfüllen, oder - 3.
Flächen, auf denen nur Gebäude errichtet werden dürfen, bei denen sich ein Vorhabenträger hinsichtlich einzelner oder aller Wohnungen dazu verpflichtet, die zum Zeitpunkt der Verpflichtung geltenden Förderbedingungen der sozialen Wohnraumförderung, insbesondere die Miet- und Belegungsbindung, einzuhalten und die Einhaltung dieser Verpflichtung in geeigneter Weise sichergestellt wird.
- 1.
das Maß der baulichen Nutzung; - 2.
die Bauweise, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen sowie die Stellung der baulichen Anlagen; - 3.
vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen; - 4.
Mindestmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Baugrundstücke; - 5.
Höchstmaße für die Größe, Breite und Tiefe der Wohnbaugrundstücke, aus Gründen des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden.
(3) Bei Festsetzungen nach Absatz 1 kann auch die Höhenlage festgesetzt werden. Festsetzungen nach Absatz 1 für übereinanderliegende Geschosse und Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen können gesondert getroffen werden; dies gilt auch, soweit Geschosse, Ebenen und sonstige Teile baulicher Anlagen unterhalb der Geländeoberfläche vorgesehen sind.
(4) Die Länder können durch Rechtsvorschriften bestimmen, dass auf Landesrecht beruhende Regelungen in den Bebauungsplan als Festsetzungen aufgenommen werden können und inwieweit auf diese Festsetzungen die Vorschriften dieses Gesetzbuchs Anwendung finden.
(5) Im Bebauungsplan sollen gekennzeichnet werden:
- 1.
Flächen, bei deren Bebauung besondere bauliche Vorkehrungen gegen äußere Einwirkungen oder bei denen besondere bauliche Sicherungsmaßnahmen gegen Naturgewalten erforderlich sind; - 2.
Flächen, unter denen der Bergbau umgeht oder die für den Abbau von Mineralien bestimmt sind; - 3.
Flächen, deren Böden erheblich mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sind.
(6) Nach anderen gesetzlichen Vorschriften getroffene Festsetzungen, gemeindliche Regelungen zum Anschluss- und Benutzungszwang sowie Denkmäler nach Landesrecht sollen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.
(6a) Festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 2 des Wasserhaushaltsgesetzes, Risikogebiete außerhalb von Überschwemmungsgebieten im Sinne des § 78b Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie Hochwasserentstehungsgebiete im Sinne des § 78d Absatz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes sollen nachrichtlich übernommen werden. Noch nicht festgesetzte Überschwemmungsgebiete im Sinne des § 76 Absatz 3 des Wasserhaushaltsgesetzes sowie als Risikogebiete im Sinne des § 73 Absatz 1 Satz 1 des Wasserhaushaltsgesetzes bestimmte Gebiete sollen im Bebauungsplan vermerkt werden.
(7) Der Bebauungsplan setzt die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.
(8) Dem Bebauungsplan ist eine Begründung mit den Angaben nach § 2a beizufügen.
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Die Beigeladene hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beigeladene kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in der selben Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
I.
II.
(1) Aufgabe der Bauleitplanung ist es, die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe dieses Gesetzbuchs vorzubereiten und zu leiten.
(2) Bauleitpläne sind der Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleitplan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Bauleitplan).
(3) Die Gemeinden haben die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist; die Aufstellung kann insbesondere bei der Ausweisung von Flächen für den Wohnungsbau in Betracht kommen. Auf die Aufstellung von Bauleitplänen und städtebaulichen Satzungen besteht kein Anspruch; ein Anspruch kann auch nicht durch Vertrag begründet werden.
(4) Die Bauleitpläne sind den Zielen der Raumordnung anzupassen.
(5) Die Bauleitpläne sollen eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten. Sie sollen dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln sowie den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung, zu fördern, sowie die städtebauliche Gestalt und das Orts- und Landschaftsbild baukulturell zu erhalten und zu entwickeln. Hierzu soll die städtebauliche Entwicklung vorrangig durch Maßnahmen der Innenentwicklung erfolgen.
(6) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen:
- 1.
die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung, - 2.
die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern, die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, die Eigentumsbildung weiter Kreise der Bevölkerung und die Anforderungen kostensparenden Bauens sowie die Bevölkerungsentwicklung, - 3.
die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere die Bedürfnisse der Familien, der jungen, alten und behinderten Menschen, unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer sowie die Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung, - 4.
die Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und der Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, - 5.
die Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, die erhaltenswerten Ortsteile, Straßen und Plätze von geschichtlicher, künstlerischer oder städtebaulicher Bedeutung und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes, - 6.
die von den Kirchen und Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts festgestellten Erfordernisse für Gottesdienst und Seelsorge, - 7.
die Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege, insbesondere - a)
die Auswirkungen auf Tiere, Pflanzen, Fläche, Boden, Wasser, Luft, Klima und das Wirkungsgefüge zwischen ihnen sowie die Landschaft und die biologische Vielfalt, - b)
die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes, - c)
umweltbezogene Auswirkungen auf den Menschen und seine Gesundheit sowie die Bevölkerung insgesamt, - d)
umweltbezogene Auswirkungen auf Kulturgüter und sonstige Sachgüter, - e)
die Vermeidung von Emissionen sowie der sachgerechte Umgang mit Abfällen und Abwässern, - f)
die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie, - g)
die Darstellungen von Landschaftsplänen sowie von sonstigen Plänen, insbesondere des Wasser-, Abfall- und Immissionsschutzrechts, - h)
die Erhaltung der bestmöglichen Luftqualität in Gebieten, in denen die durch Rechtsverordnung zur Erfüllung von Rechtsakten der Europäischen Union festgelegten Immissionsgrenzwerte nicht überschritten werden, - i)
die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Belangen des Umweltschutzes nach den Buchstaben a bis d, - j)
unbeschadet des § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, die Auswirkungen, die aufgrund der Anfälligkeit der nach dem Bebauungsplan zulässigen Vorhaben für schwere Unfälle oder Katastrophen zu erwarten sind, auf die Belange nach den Buchstaben a bis d und i,
- 8.
die Belange - a)
der Wirtschaft, auch ihrer mittelständischen Struktur im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung, - b)
der Land- und Forstwirtschaft, - c)
der Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, - d)
des Post- und Telekommunikationswesens, insbesondere des Mobilfunkausbaus, - e)
der Versorgung, insbesondere mit Energie und Wasser, einschließlich der Versorgungssicherheit, - f)
der Sicherung von Rohstoffvorkommen,
- 9.
die Belange des Personen- und Güterverkehrs und der Mobilität der Bevölkerung, auch im Hinblick auf die Entwicklungen beim Betrieb von Kraftfahrzeugen, etwa der Elektromobilität, einschließlich des öffentlichen Personennahverkehrs und des nicht motorisierten Verkehrs, unter besonderer Berücksichtigung einer auf Vermeidung und Verringerung von Verkehr ausgerichteten städtebaulichen Entwicklung, - 10.
die Belange der Verteidigung und des Zivilschutzes sowie der zivilen Anschlussnutzung von Militärliegenschaften, - 11.
die Ergebnisse eines von der Gemeinde beschlossenen städtebaulichen Entwicklungskonzeptes oder einer von ihr beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung, - 12.
die Belange des Küsten- oder Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge, insbesondere die Vermeidung und Verringerung von Hochwasserschäden, - 13.
die Belange von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden und ihrer Unterbringung, - 14.
die ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen.
(7) Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen.
(8) Die Vorschriften dieses Gesetzbuchs über die Aufstellung von Bauleitplänen gelten auch für ihre Änderung, Ergänzung und Aufhebung.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.
(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.
(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.
(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.