Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 02. Juli 2015 - 1 L 497/15.NW
Gericht
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Vorausleistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 24.4.2015 wird angeordnet, soweit eine 5.341,68 € übersteigende Vorausleistung festgesetzt wird. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu 6/10 und die Antragsgegnerin zu 4/10.
3. Der Streitwert wird auf 2.312,50 € festgesetzt.
Gründe
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Der vorliegende Antrag ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft. Er ist auch zulässig, nachdem der Antragsteller gegen den Ausbau-Vorausleistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 24.4.2015 fristgerecht Widerspruch erhoben und nachdem die Antragsgegnerin einen Aussetzungsantrag gemäß § 80 Abs. 6 VwGO schriftlich abgelehnt hat.
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Der Antrag hat nach summarischer Prüfung (§ 80 Abs. 4 Satz 3, Abs. 5 VwGO) Erfolg, soweit er sich gegen die Vorausleistung auf den rechnerischen Teilbeitrag für den Ausbau der Fahrbahn wendet. Denn insoweit bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Hinsichtlich der Vorausleistung auf den rechnerischen Teilbeitrag für den Ausbau des Gehwegs und der Straßenbeleuchtung bleibt dem Antrag der Erfolg versagt.
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Hinsichtlich der rechtlichen Aspekte, die beide "Teilansprüche", also den Ausbau der Fahrbahn einerseits, und des Gehwegs mit der Straßenbeleuchtung andererseits betreffen, sei hier zunächst Folgendes angemerkt:
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Die Erhebung einer Vorausleistung auf den Ausbau der Wittelsbacher Straße im Bereich zwischen der Einmündung zur Karolinenstraße im Westen und der Bergstraße im Osten ist gemäß §§ 10 Abs. 8, 7 Abs. 5 Kommunalabgabengesetz (KAG) grundsätzlich zulässig. Den hierfür erforderlichen Beschluss, mit dem auch die sogenannte Ausschöpfungsquote von 100% der erwarteten Beitragshöhe für die Vorausleistungserhebung bestimmt wurde, hat der Stadtrat der Antragsgegnerin am 13.5.2014 gefasst.
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Der Ausbau der Wittelsbacher Straße stellt auch eine grundsätzlich beitragsfähige Maßnahme dar. Denn die reguläre Nutzungsdauer von Fahrbahn, Gehweg, Straßenbeleuchtung und Straßenoberflächenentwässerung ist nach Aktenlage schon mehrere Jahre abgelaufen. Der ausbaubedürftige Zustand ist durch mehrere Aufnahmen, zum Teil auch durch zur Akte genommene Zeitungsausschnitte, hinreichend dokumentiert. Eventuelle Energieeinsparungen durch den Ausbau der Straßenbeleuchtung sind nach der Ausgestaltung des Kommunalabgabengesetzes nicht von dem beitragsfähigen Aufwand in Abzug zu bringen. Sie kommen aber letztlich allen Bürgern der Stadt zu Gute, die mit ihren Steuern den städtischen Haushalt und damit auch die Betriebskosten der Straßenbeleuchtung aller gemeindlichen Verkehrsanlagen mitbezahlen. Der Beitragsfähigkeit der Ausbaumaßnahme steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin möglicherweise trotz jahrelanger Kenntnis von der schädlichen Einwirkung der Straßenbäume in der Wittelsbacher Straße auf Gehweg, Fahrbahn und Kanalsystem keine hinreichenden Gegenmaßnahmen ergriffen hat. Denn selbst wenn die Antragsgegnerin hier nicht rechtzeitig den Straßenkörper und die darin verlegten Leitungen genügend geschützt haben sollte, so wäre dies hier beitragsrechtlich unschädlich. Denn ein solcher sogenannter aufgestauter Reparaturbedarf steht der Erhebung eines Ausbaubeitrags nicht entgegen, wenn die gewöhnliche Nutzungsdauer der Verkehrsanlage - wie hier - bereits mehrere Jahre abgelaufen war (OVG RP, Beschluss vom 7.3.2013 - 6 B 10100/13, Beschluss vom 29.6.2007 - 6 B 10418/07 und Beschluss vom 11.7.2003 - 6 A 10758/03).
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Weiter erscheint im derzeitigen Verfahrensstadium unbedenklich, dass die Antragsgegnerin lediglich die Anlieger des ca. 450 m langen Straßenverlaufs der Wittelsbacher Straße im Bereich zwischen der Karolinenstraße im Westen und der Bergstraße im Osten zu Vorausleistungen herangezogen hat. Zwar setzt sich die Wittelsbacher Straße ihrer Bezeichnung nach über den Verzweigungsbereich mit der Bergstraße nach Osten fort. Was "die" ausgebaute Verkehrsanlage ist und welche Anwohner infolge dessen zum Beitrag heranzuziehen sind, bestimmt sich aber nicht nach dem Straßennamen (OVG RP, Urteil vom 2.7.2013 - 6 A 10016/13), sondern nach natürlicher Betrachtungsweise (OVG RP, Beschluss vom 11.12.2014 - 6 A 10822/14). Diese legt es derzeit nahe, dass der oben beschriebene Straßenverlauf der Wittelsbacher Straße nach ihrem Ausbau eine beitragsrechtlich eigenständige Verkehrsanlage darstellen wird. Hierfür spricht einerseits deren - verglichen mit der Bergstraße und dem sich nach Osten forstsetzenden Straßenstück - zu erwartender abweichender Ausbauzustand. Hinzu kommt weiter, dass sich die Bergstraße infolge einer leichten Verschwenkung und insbesondere aufgrund des (verglichen mit der Wittelsbacher Straße) starken Gefälles nach Osten nicht als deren Verlängerung darstellt. Aber auch das sich nach Osten oberhalb der Bergstraße fortsetzende Straßenstück ist nach summarischer Prüfung nicht beitragsrechtlicher Teil der Wittelsbacher Straße. Denn dieses Straßenstück steigt im Einmündungsbereich der Bergstraße gegenüber dem hier abgerechneten Verlauf der Wittelsbacher Straße in der Topographie deutlich an und verschwenkt ebenfalls leicht.
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Geht man im Rahmen der summarischen Prüfung davon aus, dass die hier maßgebliche Verkehrsanlage sich, wie beschrieben, zwischen der Karolinenstraße und der Bergstraße erstreckt, ist die Verteilung des geschätzten Aufwandes auf die Anlieger lediglich dieses Straßenstücks unbedenklich.
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Eine nähere Überprüfung des beitragsfähigen Aufwands von Amts wegen erübrigt sich hier, weil dieser nur pflichtgemäß von der Antragsgegnerin zu schätzen ist und erst die endgültige Beitragserhebung, gegebenenfalls nach entsprechend substantiierten Darlegungen, eine nähere Kostenprüfung auslösen kann. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Schätzung durch die Antragsgegnerin bietet der Vortrag des Antragstellers nicht.
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Der Gemeindeanteil für den Ausbau der Fahrbahn und Fahrbahnoberflächenentwässerung wurde nicht ordnungsgemäß festgesetzt.
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Zwar liegt in Gestalt des Ratsbeschlusses vom 13.5.2014 eine formell hinreichende Willensbildung des zuständigen kommunalen Gremiums vor, die keiner besonderen schriftlichen Begründung bedarf (OVG RP, Beschluss vom 17.6.2014 - 6 B 10377/14).
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Zudem steht den Verwaltungsgerichten nur eine begrenzte inhaltliche Überprüfung des Gemeindeanteils zu. Denn der Gemeinderat - hier der Stadtrat der Antragsgegnerin - ist regelmäßig mit den örtlichen Verhältnissen, insbesondere den Grundstücksnutzungen, der flächenmäßigen Ausdehnung der Wegeparzelle und der Bedeutung einer Gemeindestraße im Gefüge der innerörtlichen Verkehrswege vertraut. Er kann daher - von Ausnahmen abgesehen - auch ohne formelle Erhebung die Verkehrsbedeutung einer Straße innerhalb des Gemeindegebietes hinreichend zuverlässig einschätzen (OVG RP, Beschluss vom 23.8.2007 - 6 A 10468/07). Es bedarf daher in der Regel auch keiner aufwändigen Verkehrszählung zur Bestimmung des Gemeindeanteils (OVG RP, Beschluss vom 29.11.2013 - 6 A 10546/13). Dabei ist mit Blick auf das noch laufende Erhebungsverfahren und die ausstehende endgültige Beitragsfestsetzung noch grundlegend darauf zu verweisen, dass für die Bestimmung des Gemeindeanteils nicht die rein zahlenmäßige Relation der Verkehrsfrequenz maßgeblich ist (OVG RP, Urteil vom 21.1.2009 - 6 A 10697/08). Dies beruht auf der Erwägung, dass eine Straße nicht nur der Bewältigung des Straßenverkehrs dient, sondern zugleich den anliegenden Grundstücken in beitragsrelevanter Weise eine Erschließung und damit eine bauliche oder vergleichbare Nutzbarkeit vermittelt. Dies hat zur Folge, dass wegen dieser Erschließungsfunktion der Straße der Anteil der Anlieger an den Ausbauaufwendungen regelmäßig höher sein wird, als dies der rein zahlenmäßigen Gegenüberstellung von Anlieger- und Durchgangsverkehr entspricht. Weiter sind temporäre Effekte, die auf die Relation zwischen Durchgangs- und Anliegerverkehr Auswirkungen haben können (wie etwa zeitweilige Sperrungen, Umleitungen, vorübergehend geänderte Verkehrsführungen) bei der Festsetzungen des Gemeindeanteils ebenso wie illegale Straßennutzungen durch Verkehrsteilnehmer (OVG RP, Urteil vom 14.3.2008 - 6 A 11227/07) nicht zu berücksichtigen.
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Die Bestimmung der Höhe des Gemeindeanteils richtet sich im Wesentlichen nach den Vorgaben des OVG Rheinland-Pfalz. Denn § 10 Abs. 3 KAG regelt zwar, dass bei der Ermittlung der Beiträge ein dem Vorteil der Allgemeinheit entsprechender Teil außer Ansatz bleibt. Anders als § 10a Abs. 3 KAG, der für wiederkehrende Beiträge einen Mindestgemeindeanteil von 20 v.H. vorsieht, fehlt aber beim einmaligen Beitrag insoweit eine gesetzgeberische Vorgabe. Nach den Anforderungen der Rechtsprechung kommt ein Gemeindeanteil von 50 v.H. in Ansatz, wenn Durchgangs- und Anliegerverkehr in etwa gleich stark sind (OVG RP, Urteil vom 21.1.2009 - 6 A 10697/08). Bei überwiegenden Durchgangsverkehr kommt ein Gemeindeanteil zwischen 55 und 65 v.H., bei ganz überwiegenden Durchgangsverkehr ein Gemeindeanteil von 70 v.H. in Betracht (OVG RP, Beschluss vom 15.12.2005 - 6 A 11220/05).
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Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen hält die Festsetzung des Gemeindeanteils für Fahrbahn und Fahrbahnoberflächenentwässerung einer hier nur möglichen summarischen Prüfung nicht stand, weil sie nach Aktenlage auf einer nach der Definition des OVG Rheinland-Pfalz "greifbaren Fehleinschätzung" beruht (Beschluss vom 29.11.2013, a.a.O.).
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Die Antragsgegnerin hat die Festlegung des Gemeindeanteils nicht begründet. Die Sitzungsvorlage der Stadtverwaltung enthält insoweit lediglich knappe, allgemeine Ausführungen, die sich im Wesentlichen in der schlichten Behauptung erschöpfen, die Fahrbahn werde überwiegend vom Durchgangsverkehr frequentiert, während die Gehwege mit Beleuchtungsanlage ganz überwiegend dem Anliegerverkehr dienten, so dass für die Fahrbahn von einem Gemeindeanteil von 55 v.H. und für den Gehweg von einem Gemeindeanteil von 25 v.H. auszugehen sei. Es folgt dann ein Zitat von zwei Entscheidungen des OVG Rheinland-Pfalz. Auch im vorgerichtlichen Schriftverkehr mit dem Antragsteller finden sich keinerlei substantielle Darlegungen zur Rechtfertigung dieser (Teil-)gemeindeanteile. Obwohl der Antragsteller auch im vorliegenden Eilverfahren nochmals detailliert darlegt, weshalb seiner Auffassung nach die Gemeindeanteile zu niedrig seien, erfolgte auch daraufhin lediglich eine sehr knappe Einlassung dahingehend, dass auf eine Stellungnahme der Abteilung Liegenschaften und Bauverwaltung vom 22.6.2015 verwiesen werde. Diese Stellungnahme erschöpft sich in der Wiedergabe des Inhalts des angefochtenen Bescheids und dem allgemeinen Passus, dass die Vollzugsinteressen der Antragsgegnerin überwiegen würden. Dort wird weiter auf ein Schreiben vom 27.5.2015 verwiesen. In diesem Schreiben an den Antragsteller setzt sich die Antragsgegnerin freilich ebenfalls nicht mit dem Vortrag des Antragstellers zur Festlegung der (Teil-)gemeindeanteile auseinander.
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Mangelt es damit an einer auch nur annähernd tragfähigen Einlassung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Bildung der Gemeindeanteile, muss das Gericht seine summarische Prüfung im Wesentlichen auf seine eigenen - im vorliegenden Fall sehr guten - Ortskenntnisse, den Vortrag des Antragstellers sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte, einschließlich der von den Beteiligten vorgelegten Lagepläne, stützen.
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Danach hat die Antragsgegnerin nach Aktenlage nicht hinreichend berücksichtigt, dass von Westen kommend, in Fahrtrichtung Osten die Wittelsbacher Straße fast vollständig den Fahrzeugverkehr eines ganzen Stadtviertes - des sogenannten Afrikaviertels - sowie der Karolinenstraße ab dem Bereich westlich des Steingleises, der oberen Saarlandstraße und der I-allee bewältigt. Die dortigen Anwohner haben nahezu ausschließlich über die Wittelsbacher Straße die Möglichkeit über die später abzweigende Bergstraße in die Innenstadt und zum Hauptbahnhof zu gelangen. Zudem wird die Wittelsbacher Straße nach der Ortskenntnis der Kammer und dem Inhalt der zur Verwaltungsakte genommenen Zeitungsartikel, als Verbindung von den Anwohnern der oben bezeichneten Stadtviertel und Straßen genutzt, um auf kürzestem Weg - etwa über die Waldstraße, Hambacher Straße und Dr.-Siebenpfeiffer-Straße - auf die L 516 Richtung Landau, die B 39 Richtung Speyer oder zur Autobahnauffahrt Neustadt/Süd zu gelangen. Zutreffend hat der Antragsteller zudem darauf verwiesen, dass diese Verbindung für die Anwohner der genannten Stadtviertel und Straßen auch die günstigste und über die Wittelsbacher Straße im Wesentlichen auch einzige Verbindung darstellt, um das Weinstraßeneinkaufszentrum, mit einer Vielzahl von Einkaufsmärkten, mit Fahrzeugen anzufahren. Die Karolinenstraße darf im westlichen Verlauf nicht in östlicher Richtung befahren werden und kommt daher in Fahrtrichtung Osten als Alternativstrecke zur Wittelsbacher Straße nicht in Betracht. Zwar besteht für die genannten Anwohner theoretisch die Möglichkeit auf der Saarlandstraße zunächst Richtung Westen zu fahren, um dann auf die Ortsdurchfahrt der stark frequentierten B 39 einzubiegen. Diese Route wird aber nur dann eine echte Alternative darstellen, wenn die Weiterfahrt Richtung Norden, etwa zum Autobahnzubringer Neustadt Mitte, führen soll. Im Übrigen ist diese Verbindung Richtung Osten erheblich länger, von zahlreichen - nicht immer in idealer Weise miteinander abgestimmten - Ampelschaltungen und Querungen unterbrochen sowie durch verkehrliche Engpässe häufig zugestaut. Der Antragsteller hat hier zutreffend darauf verwiesen, dass die soeben beschriebenen Verkehrsbewegungen über die Wittelsbacher Straße ganzjährig stattfinden. Sie betreffen sowohl den Berufs-, als auch den Einkaufsverkehr.
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Weiter ist zu berücksichtigen, dass für Verkehrsteilnehmer von der B39 aus Richtung Westen kommend, die Verbindung über die Saarlandstraße, Karolinenstraße und die Wittelsbacher Straße eine deutliche Abkürzung des Weges Richtung Osten zu den oben beschriebenen weiteren Fahrtzielen darstellt. Diese Streckenführung wird jedenfalls in dem hier zu unterstellenden Normalfall - also keine zeitweiligen Teilsperrungen etc. - häufig frequentiert, um die üblichen verkehrlichen Engpässe und Rückstaus in der Talstraße, Amalienstraße und ggf. Landauer Straße zu vermeiden. Auch dieser Verkehr findet - mit Ausnahme sehr weniger Tage im Winter, wo Glatteis oder besonders kräftiger Schneefall diese Wegeführung erschweren - ganzjährig sowohl in Gestalt von Berufs- als auch Einkaufsverkehr statt.
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Weiter kommt hinzu, dass sich in der Karolinenstraße, westlich der Wittelsbacher Straße, das Leibniz-Gymnasium befindet. Diese Schule hat ca. 950 Schüler und ca. 90 Lehrkräfte. Die Schülerbeförderung in Richtung Osten zu den oben bereits dargestellten Zielen - hier insbesondere zum Hauptbahnhof - findet fast ausschließlich über die Wittelsbacher Straße statt. Hinzukommen sonstige durch die Schule ausgelöste Verkehrsvorgänge in Gestalt von Eltern, die ihre Kinder von der Schule abholen, Rad fahrenden Schülern, aber auch durch ältere motorisierte Schüler auf dem Heimweg. Auch für diese Benutzergruppen bildet wegen der Einbahnstraßenführung im Bereich der Karolinenstraße und der wesentlich längeren und zeitaufwändigeren Streckenführung über die Ortsdurchfahrt der B 39 die Wittelsbacher Straße nach Schulende die einzige Möglichkeit in Richtung Stadtmitte zu fahren. Aber auch die Bereiche Hambach, Diedesfeld sowie die Stadtteile Lachen-Speyerdorf und Geinsheim sind auf dieser Strecke wesentlich zügiger und einfacher als auf Alternativstrecken erreichbar. Anders als etwa bei einer Grundschule finden die durch die Schule ausgelösten Verkehrsbewegungen nicht nur zu wenigen, überschaubaren Zeiten morgens und in der Mittagszeit statt. Vielmehr werden durch das in der Oberstufe übliche Kurssystem Schulbeginn und Schulende deutlich breiter gestreut, als in Grund- oder in Realschulen plus. Durch Nachmittagsunterricht, aber auch durch zusätzliche schulische Angebote wie Arbeitsgemeinschaften oder außerhalb der üblichen Unterrichtszeiten stattfindende Veranstaltungen, werden Verkehrsbewegungen über die Wittelsbacher Straße ausgelöst. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass in der Ferienzeit und am Wochenende durch die Schule ausgelöste Verkehrsbewegungen deutlich geringer sein werden. Dieser Aspekt wird durch die recht hohe Zahl der Schüler- und Lehrkräfte und die durch diese ausgelösten verkehrlichen Belastungen bei einer Gesamtabwägung deutlich relativiert. Am Rande sei zudem bemerkt, dass auch die immerhin ca. 90 Lehrkräfte z.T. auch in den Ferien zum Dienst herangezogen werden, so dass ein vollständiges Ausblenden verkehrsrelevanter Vorgänge selbst in der Ferienzeit nicht möglich ist. Zudem könnte mit der gleichen Berechtigung unterstellt werden, dass in der - freilich kürzeren - Urlaubszeit regelmäßig weniger Anliegerverkehr stattfinden wird, was bei der Bildung des Gemeindeanteils zu berücksichtigen sei.
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Bei der Bewertung des Gemeindeanteils verkennt die Kammer nicht, dass es sich bei der Wittelsbacher Straße in ihrem hier maßgeblichen Verlauf um eine Einbahnstraße handelt. Generell wird es zwar eine dauerhafte Einbahnstraßenführung rechtfertigen, einen niedrigeren Gemeindeanteil festzusetzen, weil die betroffene Verkehrsanlage eben nur den Fahrzeugverkehr in eine Richtung zu bewältigen hat. Dieser auch im vorliegenden Fall zunächst relevante Aspekt wird aber wieder dadurch aufgewogen, dass die Wittelsbacher Straße - bedingt durch die Einbahnstraßenführung im westlichen Teil der Karolinenstraße - quasi wie der Teil eines Ringsystems und durch ihre faktische Funktion als Sammelstraße für die eingangs genannten Verkehrsströme in Fahrtrichtung Osten, in der straßenverkehrsrechtlich zulässigen West-Ost Befahrung deutlich stärker frequentiert wird, als eine Verkehrsanlage ohne diese besondere faktische Ring- und Sammelstraßenfunktion. Diese besondere Funktion der Wittelsbacher Straße gleicht den durch die Einbahnstraßenführung entfallenden Verkehrsanteil völlig aus. Sie wird auch mittelfristig unverändert bleiben. Denn jede - teilweise von den Anwohnern der Wittelsbacher Straße gewünschte - Durchfahrtserschwerung würde zu einer Verlagerung des Verkehrs auf andere, ohnehin schon stark verkehrlich belastete Verkehrsanlagen führen. Eine solche Verkehrsverlagerung - die faktisch nur sehr eingeschränkt möglich ist - ist ohnehin nicht konkret zu erwarten, nachdem Planungsalternativen (z.B. eine Straßenverlegung im Innenstadtbereich) gescheitert sind.
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Schließlich ist die Bebauung entlang der Wittelsbacher Straße nicht derart verdichtet, also hier im maßgeblichen Straßenverlauf nicht durch eine hohe Zahl von großen Mehrfamilienhäusern geprägt, die ihrerseits starken Anliegerverkehr in einem Umfang auslösen würden, dass in Anbetracht des vorhandenen Durchgangsverkehrs der Anliegerverkehr sich auch nur annähernd als beitragsrechtlich vergleichbar stark darstellen könnte. Das hat auch die Antragsgegnerin nicht unterstellt, da sie selbst einen überwiegenden Durchgangsverkehr bejaht hat.
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Zuletzt darf hier nicht ausgeblendet werden, dass der Antragsgegnerin bei der Bestimmung des Gemeindeanteils eine Schwankungsbreite von +/- 5 v.H. zugestanden wird (OVG RP, Urteil vom 2.7.2013 - 6 A 10016/13). Dies bedeutet freilich nicht, dass die Gemeinde schematisch 5 v.H. von dem ermittelten Gemeindeanteil abziehen darf; diese Bandbreite soll vielmehr einen Ausgleich für die tatsächliche Unsicherheit bieten, die mit der Bewertung des Anlieger- und Durchgangsverkehrs ohne präzise Datenerhebung verbunden ist (OVG RP, Urteil vom 2.7.2013, a.a.O.; Urteil vom 16.1.2007 - 6 A 11315/06). Daher kann hier auch nicht unterstellt werden, dass richtigerweise ein Gemeindeanteil von 60 v.H. festzusetzen gewesen wäre und sich - quasi "automatisch" - der beschlossene Gemeindeanteil von 55 v.H. noch innerhalb der Schwankungsbreite bewegt. Hierzu fehlen nachvollziehbare, hinreichend umfassende Einlassungen der Antragsgegnerin, so dass in Anbetracht der vorstehenden Umstände auch die Annahme eines "richtigen" Gemeindeanteils von 65 bis 70 v.H. durchaus vertretbar ist. Da das Gericht nicht seine eigenen Erwägungen an Stelle der Antragsgegnerin setzen darf, sondern vielmehr der Gewaltenteilungsgrundsatz insoweit einer Bestimmung des Gemeindeanteils durch das Gericht entgegensteht, ist dem Antrag statt zu geben.
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Hingegen bleibt der Gemeindeanteil für den Gehweg, einschließlich Straßenbeleuchtung und Gehwegoberflächenentwässerung, in Höhe von 25 v.H. unbeanstandet.
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Dabei hat die Antragsgegnerin zutreffend die Straßenbeleuchtung hinsichtlich des Gemeindeanteils dem Gehweg zugeordnet. Dies entspricht der obergerichtlichen Rechtsprechung (OVG RP, Urteil vom 19.3.2009 - 6 A 10750/08; Urteil vom 16.1.2007, a.a.O.).
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Der Gemeindeanteil ist unter Beachtung der oben dargestellten allgemeinen Vorgaben vertretbar bemessen. Denn die Erwägungen zu den die Wittelsbacher Straße belastenden Verkehrsströmen in östliche Richtung sind auf den fußläufigen Verkehr nicht übertragbar. So wird bereits die Zahl der dortigen Anwohner, die den aus topographischen und Entfernungsgründen nicht ganz unbeschwerlichen Weg zur Innenstadt fußläufig bewältigen, nicht allzu groß bemessen sein. Zudem haben die Anwohner des Afrikaviertels, der oberen Saarlandstraße, der I-alle und der westlichen Karolinenstraße fußläufig günstigere Alternativen für den Weg in die Innenstadt, insbesondere zum Hauptbahnhof. Es besteht insoweit die Möglichkeit, über einen Fußweg am Leibniz-Gymnasium zur Ortsdurchfahrt der B 39 zu gelangen und dort weiter in die Innenstadt zu gehen. Zudem ist die Karolinenstraße auch in östlicher Richtung begehbar, von der aus man an mehreren Stellen - verglichen mit der Wegeführung über die Wittelsbacher Straße - ohne Gegenanstieg und auf kürzerer Strecke in die Innenstadt laufen kann. Zudem können die besagten Anwohner fußläufig, ohne vergleichbare Gegenanstiege, über den Verbindungsweg zwischen der Karolinenstraße und dem Kastanienweg nach Hambach/Diedesfeld gelangen. Weiter östlich oder südlich gelegene Ziele werden fußläufig von dieser Gruppe wohl nur in wenigen Ausnahmefällen frequentiert, da insoweit sowohl Topographie als auch die schiere Entfernung solche fußläufigen Verkehrsfrequenzen als vernachlässigbar erscheinen lassen. Daher kommt auch den für die Fahrbahn erwähnten Verkehrsbewegungen, in Gestalt von Durchgangsverkehr aus dem Bereich der B 39 und der westlichen Saarlandstraße, beim Gehweg der Wittelsbacher Straße praktisch keine Bedeutung zu. Auch die durch das Leibniz-Gymnasium ausgelöste fußläufige Nutzung des Gehwegs der Wittelsbacher Straße wird weit hinter der Nutzung der Fahrbahn zurück bleiben. Denn die spezifische ringstraßenähnliche Sammel- und Bündelungsfunktion hat die Wittelsbacher Straße beim Fußgängerverkehr nicht. Die oben aufgeführten wegemäßigen Alternativen gelten insoweit auch für die Schüler und Lehrkräfte. Es mag schließlich zutreffen, dass die Wittelsbacher Straße Teil eines ausgeschilderten Wanderwegs ist. Dies hebt sie aber hinsichtlich des Fußgängerverkehrs nicht aus dem Kreis anderer Verkehrsanlagen heraus. Zudem bestehen für Wanderer viele Alternativen, um beispielsweise über den Hambacher Treppenweg zum Nollen, dem Hambacher Schloss oder zum Herz-Jesu-Kloster zu gelangen. Nennenswerter Wanderbetrieb wird sich demnach über die Wittelsbacher Straße regelmäßig nicht einstellen.
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Nach alledem sind die Kosten entsprechend des Verhältnisses von Obsiegen und Unterliegen gemäß § 155 Abs. 1 VwGO zu quoteln.
- 26
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52, 53 Gerichtskostengesetz i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, LKRZ 2014, 169.
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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.