Verwaltungsgericht München Urteil, 11. Juli 2017 - M 3 K 15.1632

bei uns veröffentlicht am11.07.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin studiert seit dem Wintersemester 2008/2009 an der beklagten Hochschule im Diplomstudiengang „Wirtschaftspädagogik I“.

Zum Ende des Sommersemesters 2014 – ihrem 12. Fachsemester – hatte die Klägerin von 90 zu erwerbenden Leistungspunkten (78 Pflichtleistungspunkte und 12 Wahlleistungspunkte) 54 Punkte erworben. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 3. November 2014 wurde der Klägerin das erstmalige Nichtbestehen der Diplomprüfung im Sommersemester 2014 wegen Überschreitung der Frist zur Ablegung der Diplomprüfung mitgeteilt. Im Wintersemester 2014/2015 (Wiederholungssemester) legte die Klägerin daraufhin erfolgreich die mündliche Prüfung (10 Pflichtleistungspunkte) ab und bestand die Diplomarbeit (20 Pflichtleistungspunkte) sowie die Klausur aus der allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (im Folgenden: ABWL) „Unternehmensrechnung“ (2 Leistungspunkte). Die ABWL-Klausur „International Management“ vom 11. Februar 2015 (2 Leistungspunkte) bestand die Klägerin nicht. Ausweislich ihres Studienkontos hat die Klägerin bis zum Ende des Wintersemesters 2014/2015 insgesamt 86 Leistungspunkte erzielt.

Mit undatiertem, bei der Hochschule am 13. April 2015 eingegangenen Schreiben beantragte die Klägerin beim Prüfungsausschuss der Hochschule die Zulassung zum Sommersemester 2015. Sie habe erfahren, dass sie eine der Klausuren, in denen sie noch Wahlpunkte sammeln müsse, nicht bestanden habe und ihr somit 4 Punkte fehlen würden. Diese wolle sie gerne nachholen. Die Mitarbeiterinnen des ISC hätten ihr mitgeteilt, dass sie sich mit ihrem Anliegen an den Prüfungsausschuss wenden müsse, da die Anzahl der Semester überschritten sei. Es liege also nicht daran, dass sie in bestimmten Prüfungen zu oft durchgefallen sei oder zu schlechte Noten geschrieben habe, sondern lediglich daran, dass sie zu lange studiert habe. Sie hoffe, dass das Verhältnis der 4 fehlenden Punkte zum Rest, was in den ganzen Jahren des Studiums geleistet wurde, betrachtet werde. Das einzige, worum sie bitte, sei ein weiteres Semester, um ihr Studium erfolgreich abzuschließen. Dieser Antrag wurde mit Schreiben vom 16. April 2015 abgelehnt.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 10. April 2015 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Diplomprüfung gem. § 29 Abs. 7 der einschlägigen Diplomprüfungsordnung (DPO) endgültig nicht bestanden sei, da sie aus selbst zu vertretenden Gründen die Frist für die Wiederholungsprüfung gem. § 29 Abs. 4 DPO überschritten habe. Die Diplomprüfung könne nicht mehr wiederholt werden.

Hiergegen ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtige am 24. April 2015 beim Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragte zuletzt,

den Bescheid der beklagten Hochschule vom 10. April 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Fortsetzung des Diplomstudiums „Wirtschaftspädagogik“ zu ermöglichen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin sei aufgrund des Nichtbestehens einer Wahlfachklausur exmatrikuliert und die Abschlussprüfung im Fach Wirtschaftspädagogik als endgültig nicht bestanden angesehen worden. Von den erforderlichen 90 Leistungspunkten seien von der Klägerin die 78 Pflichtleistungspunkte absolviert und bestanden worden, von den 12 Wahlleistungspunkten seien von der Klägerin 8 absolviert und bestanden worden. Die Klägerin habe im Wintersemester 2014/2015 lediglich die Klausur im Wahlfach „International Management“ nicht bestanden. Es sei mit den verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar, wenn das Nichtbestehen des Fachs „International Management“ zum Nichtbestehen des gesamten Studiengangs Wirtschaftspädagogik führe. Prüfungsvorschriften, die vorsehen, dass das Nichtbestehen einer Teilprüfung zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führt, würden nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 29. Mai 2013, Az 6 C 18/12) den verfassungsrechtlichen Anforderungen nur genügen, wenn das Nichtbestehen der Teilprüfung schon für sich gesehen eine zuverlässige Grundlage für die Beurteilung der Befähigung des Prüflings sei. Dies könne der Fall sein, wenn die Teilprüfung dem Nachweis einer Fähigkeit diene, die als unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil derjenigen Qualifikation anzusehen sei, die mit der Prüfung insgesamt nachgewiesen werden solle. Welche Qualifikationsvoraussetzungen für einen Studiengang als unerlässlich anzusehen seien, obliege der Gestaltungsfreiheit der Hochschule. Die im Wahlfach „International Management“ vermittelten Fähigkeiten gehörten nach den gestaltenden Satzungsvorschriften der Beklagten jedoch nicht zu den unerlässlichen Qualifikationsvoraussetzungen des Studiengangs Wirtschaftspädagogik. Dies folge bereits daraus, dass die mit der Klausurprüfung abgefragten Fachkenntnisse nicht von allen Studierenden des Fachs Wirtschaftspädagogik absolviert und bestanden werden müssten. Zudem sei die Prüfung nicht mit den in der Vorlesung vermittelten Inhalten vereinbar. Die zweite Aufgabe zum Thema Cross Cultural Management sei in der Vorlesung nicht ordnungsgemäß bearbeitet worden; wegen der diesbezüg-lichen weiteren Ausführungen wird auf die Klageschrift Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2017 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Klägerin neben der Abgabe der Diplomarbeit und der mündlichen Abschlussprüfung noch weitere 6 Leistungspunkte gefehlt hätten. Um diese zu erwerben, habe sich die Klägerin im Wintersemsester 2014/2015 zu den drei ABWL-Klausuren „Unternehmensrechnung“, „International Management“ und „Risk Management“ angemeldet, deren Bestehen jeweils mit 2 Leistungspunkten verknüpft sei. Bei einem Bestehen aller drei Klausuren habe die Klägerin nicht nur die zwei noch ausstehenden Pflichtleistungspunkte, sondern auch die vier Wahlleistungspunkte erzielen und somit die für den erfolgreichen Studienabschluss erforderliche Punktzahl von 90 Leistungspunkten erreichen können. Die Klägerin habe jedoch nur die Klausur „Unternehmensrechnung“ bestanden und auf diese Weise lediglich 2 Pflichtleistungspunkte erworben. Die Klausur „International Management“ habe sie nicht bestanden, die Klausur „Risk Management“ habe sie gar nicht angetreten. Ebenso sei die Klägerin im Fach „Psychologie (Vertiefung Arbeits- und Organisationspsychologie)“ nicht angetreten. Das Fehlen von insgesamt 4 Wahlleistungspunkten ergebe sich auch aus dem von der Klägerseite vorgelegten Auszug aus dem Studienkonto der Klägerin. Jenseits aller Divergenzen erscheine es unstreitig, dass die Klägerin 86 Leistungspunkte erworben habe, aber 90 Leistungspunkte benötige. Mit der streitgegenständlichen Prüfung „International Management“ hätte die Klägerin selbst im Bestehensfalle nur 2 Leistungspunkte erwerben können. Da die Klägerin selbst bei einer Bewertung der Klausur „International Management“ mit der Note 4,0 (ausreichend) oder mehr, statt der erforderlichen 90 nur 88 Leistungspunkte erreicht habe, sei die Klage unschlüssig. Der Erwerb der noch ausstehenden Leistungen sei zudem nicht wegen deren fehlender Eignung für die Beurteilung der Befähigung der Prüflinge zur beruflichen Tätigkeit entbehrlich. Die im Wahlfach „International Management“ vermittelten Fähigkeiten würden zu den Qualifikationszielen des Studiums gehören. Auch wenn die mit der konkreten Klausurprüfung abgefragten Fachkenntnisse nicht von allen Studierenden des Fachs Wirtschaftspädagogik hätten nachgewiesen werden müssen, hätten alle Studierenden miteinander vergleichbare und auf jeweils andere Teilausschnitte des hochdifferenzierten Tätigkeitsfelds der Wirtschaftspädagogik ausgerichtete Fähigkeiten aus einem festgelegten Spektrum von Wahlpflichtveranstaltungen zu erwerben, um ihr Profil in einem der Wahlbereiche abzurunden und für den Arbeitsmarkt zu vervollständigen. Unter Verweis auf eine Stellungnahme von Frau Prof. Weber vom 16. Januar 2017 wurde dazu insbesondere ausgeführt, dass die Studiengänge der Wirtschaftspädagogik nicht als Lehramtsstudiengänge konzipiert seien. Der Studiengang „Wirtschaftspädagogik I“ enthalte kein „Nebenfach“, sondern einen Pflichtleistungs- und Wahlleistungsbereich, um den Studierenden eine individuelle, den eigenen Interessen entsprechende berufliche Profilbildung zu ermöglichen. Trotz dieser Individualisierungsmöglichkeiten setze sich das Studium zwingend dergestalt zusammen, dass die für die berufliche Tätigkeit erforderlichen wirtschaftspädagogischen und psychologischen Kenntnisse und Fertigkeiten ebenso wie das erforderliche betriebswirtschaftliche Fachwissen erworben werden müssten. Der Wahlleistungsbereich sei keineswegs verzichtbar, vielmehr würde ein Verzicht auf den Wahlleistungsbereich insgesamt dazu führen, dass für keinen der in Betracht kommenden Tätigkeitsbereiche eine Qualifikation erfolge und mit dem Studienabschluss keine Beschäftigung im breiten Spektrum der Wirtschaftspädagogik möglich sei. Die Studierenden würden zwar eine gewisse Wahlmöglichkeit hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der Studieninhalte erhalten. Die Festlegung der zu erreichenden Leistungspunkte in der Prüfungsordnung gewährleiste aber gleichzeitig die Auswahl einer für die spätere Berufsausbildung ausreichenden Anzahl von Wahlpflichtlehrveranstaltungen aus dem Spektrum der Wirtschaftspädagogik. Die in § 17 Abs. 3 Satz 3 DPO geregelte Verteilung der zu erwerbenden Leistungspunkte über mehrere Fächer mache zudem deutlich, dass auch die Verteilung über das Fächerspektrum und damit gerade der Erwerb bestimmter Kompetenzen von entscheidender Bedeutung sei und es nicht nur um den Erwerb irgendwie gearteter Leistungspunkte gehe. Für die spätere Berufsausübung sei es zwingend erforderlich, dass die Absolventen aus allen genannten Fachbereichen hinreichend Kompetenzen erworben hätten. Da die Klägerin mit dem Nichtbestehen der Klausuren „International Management“ und „Risk Management“ zwei der – wenn auch durch ihre eigene Auswahl – zu den Mindestanforderungen der Prüfungsordnung gehörenden Fächer nicht absolviert habe, könne sie das Studium nicht bestehen. Darüber hinaus gebiete es der Grundsatz der Chancengleichheit, dass gleiche Prüfungen für alle Studierenden zu gleichen Bedingungen veranstaltet würden. Einzelnen Studierenden dürften keine Prüfungen erlassen werden, welche bei anderen Studierenden als Voraussetzung für den erfolgreichen Studienabschluss angesehen würden. Schließlich gehe der klägerische Hinweis fehl, wonach die durchgeführte Prüfung nicht mit den in der Vorlesung vermittelten Inhalten vereinbar sei. Ein Universitätsstudium stelle eine Ausprägung der Erwachsenenbildung dar, was voraussetze, dass Inhalte in nicht nur geringem Umfang in Eigenverantwortung erworben würden.

Die Streitsache wurde am 11. Juli 2017 mündlich verhandelt. Zum Verlauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift, zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10. April 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Fortsetzung ihres Diplom-studiums an der beklagten Hochschule (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Beklagte hat das endgültige Nichtbestehen der Diplomprüfung in rechtmäßiger Weise auf § 29 Abs. 7 der Diplomprüfungsordnung für den Diplomstudiengang Wirtschaftspädagogik an der Beklagten – DPO – vom 26. März 1998, in der Fassung der 5. Änderungssatzung vom 24. September 2007, gestützt.

Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 DPO ist die Diplomprüfung bestanden, wenn innerhalb der Fristen gem. § 16 Abs. 4 und 5 DPO insgesamt 90 Leistungspunkte nach Maßgabe des § 17 Abs. 2 bis 7 DPO erreicht und in Studienrichtung I maximal fünf Malus-punkte angesammelt wurden. Vorliegend galt die Diplomprüfung im Sommersemester 2014 wegen Überschreitung der Frist zur Ablegung der Diplomprüfung nach § 16 Abs. 5 DPO als erstmals nicht bestanden, was der Klägerin mit bestandskräftigem Bescheid vom 3. November 2014 (Bl. 29 d.A.) mitgeteilt wurde. § 29 Abs. 4 DPO regelt in diesem Fall, dass die Diplomprüfung nach Maßgabe des § 29 Abs. 6 einmal wiederholt werden kann (Satz 1) und sich die Frist des § 16 Abs. 5 DPO für die Wiederholungsprüfung um ein Semester verlängert (Satz 2). Innerhalb dieser Frist können die Versuche, die erforderlichen Leistungspunkte zu erwerben, fortgesetzt werden (§ 29 Abs. 6 Satz 2 DPO). Wird die Frist für die Wiederholungsprüfung gem. § 29 Abs. 4 Satz 2 DPO aus von dem Kandidaten zu vertretenden Gründen überschritten, ist die Diplomprüfung gemäß § 29 Abs. 7 Nr. 5 DPO endgültig nicht bestanden und kann nicht mehr wiederholt werden.

Die Voraussetzungen des § 29 Abs. 7 Nr. 5 DPO liegen vor, da die zum Bestehen der Diplomprüfung erforderlichen Leistungspunkte von der Klägerin bis zum Ende des Wiederholungssemesters im Wintersemester 2014/2015 nicht erbracht wurden und somit die Frist für die Wiederholungsprüfung überschritten wurde, was die Klägerin auch zu vertreten hatte.

Gemäß § 17 Abs. 3 DPO sind in der Studienrichtung I insgesamt 90 Leistungspunkte zu erbringen, davon 78 Pflichtleistungspunkte und 12 Wahlleistungspunkte. Die 78 Pflichtleistungspunkte setzen sich zusammen aus 20 Pflichtleistungspunkten für die bestandene Diplomarbeit und 26 Pflichtleistungspunkten im Prüfungsfach Wirtschaftspädagogik, davon 16 aus studienbegleitenden Leistungen und 10 aus der mündlichen Abschlussprüfung, sowie jeweils 8 Pflichtleistungspunkten aus studienbegleitenden Leistungen in jedem der Prüfungsfächer „allgemeine BWL“, „Spezielle BWL“, „VWL“ und einem „Pflichtwahlfach“. Die 12 Wahlleistungspunkte können gem. § 17 Abs. 3 Satz 3 und 4 DPO auf die Prüfungsfächer der Studienrichtung I (§ 15 Abs. 1 DPO) verteilt werden.

Ausweislich der Auflistung der bestandenen Leistungen der Klägerin (Stand 8. Februar 2016) hat sie bis zum Ende des Wintersemesters 2014/2015 insgesamt 86 Punkte erreicht, sodass ihr zum Bestehen der Diplomprüfung 4 Punkte fehlten.

Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die Prüfung „International Management“ zu Recht als nicht bestanden gewertet wurde (hierfür spricht, dass die Rüge betreffend den abgefragten Prüfungsstoff erst nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses und damit jedenfalls verspätet erfolgte, vgl. § 8 Abs. 2 DPO). Denn der Vortrag der Klägerseite, wonach das Nichtbestehen der Diplomprüfung allein aufgrund des Nichtbestehens einer Wahlfachklausur erfolgt sei, trifft so nicht zu. Vielmehr kommt es auf ein (Nicht-)Bestehen der Prüfung „International Management“ nicht entscheidungserheblich an, da sich aus dieser einstündigen Klausur für die Klägerin selbst im Bestehensfalle lediglich 2 weitere Punkte ergeben würden (vgl. dazu § 19 Abs. 2 DPO, § 14 Abs. 6 der Studienordnung für den Diplomstudiengang Wirtschaftspädagogik an der Beklagten – DStO – vom 26. März 1998 in der Fassung der Änderungssatzung vom 24. September 2007). Die Klägerin käme damit selbst im Falle des Bestehens der Prüfung „International Management“ nur auf eine Gesamtsumme von 88 Leistungspunkten, sodass ihr zum Ende ihres Wiederholungssemesters weitere 2 Leistungspunkte zum Bestehen ihrer Diplomprüfung fehlen würden.

Die Klägerin hat zudem bis zuletzt keine Gründe vorgetragen, weshalb sie die Fristüberschreitung nicht vertreten müsste. Nach § 29 Abs. 7 Nr. 5, 2. Halbsatz i.V.m. § 16 Abs. 7 DPO hätte es der Klägerin oblegen, etwaige Gründe, die eine Überschreitung der Frist rechtfertigen sollen, vor Fristablauf – d.h. vor Ende des Wintersemesters 2014/2015 – beim Prüfungsamt geltend und glaubhaft gemacht zu machen. Auch in ihrem undatierten, bei der Hochschule am 13. April 2015 – und damit bereits verspätet – eingegangenen Schreiben äußert sich die Klägerin indes nicht dazu, weshalb ihr eine Ablegung weiterer Prüfungen im Wintersemester 2014/2015 nicht möglich gewesen wäre. Vielmehr argumentiert die Klägerin mit der Unverhältnismäßigkeit, wenn ihr der Erwerb der fehlenden 4 Punkte verwehrt bliebe.

2. Auch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung eines weiteren Semesters, um die fehlenden Punkte noch erzielen zu können.

Das Gericht verkennt nicht, dass die Klägerin im Wintersemester 2014/2015 ihren Punkterückstand deutlich verringert hat und insbesondere sowohl die mündliche Prüfung als auch die Diplomarbeit bestanden hat. Es hätte der Klägerin jedoch oblegen, ihr Studium von Anfang an so effizient zu planen und zu betreiben, dass sie alle Prüf-ungen rechtzeitig ablegen kann (vgl. auch 16 Abs. 4 DPO). Die Gewährung des Wintersemesters 2014/2015 stellte insofern bereits eine zusätzliche (Wiederholungs-) Möglichkeit zur Erbringung der noch ausstehenden Leistungen dar. Diese letzte Chance zur erfolgreichen Beendigung ihres Diplomstudiums hat die Klägerin nicht genutzt, da sie – unabhängig vom (Nicht-)Bestehen der Prüfung „International Management“ – bis zum Ende des Wintersemesters 2014/2015 nicht die erforderlichen 90 Leistungspunkte erzielt hat und Gründe, die eine neuerliche Fristüberschreitung rechtfertigen könnten, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sind.

3. Vor diesem Hintergrund kann das Gericht entgegen des Vortrags der Bevollmächtigten der Klägerin auch keinen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG erkennen.

Durch die ständige ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass die Beschränkung der Wiederholungsmöglichkeit von Prüfungen auf nur eine Wiederholung weder gegen Bestimmungen des Grundgesetzes noch der Bayerischen Verfassung verstößt (vgl. etwa BVerfG, B.v. 14.03.1989 – 1 BvR 1033/82 – juris; BVerwG, B.v. 7.3.1991 – 7 B 178/90 – juris, bestätigt durch BVerfG, B.v. 6.12.1994 – 1 BvR 1123/91 – juris; BayVerfGH, E.v. 27.01.1994 – Vf.14-VII-92 – juris und v. 07.03.2014 – Vf.54-VI-13 – juris). Ebenso ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Regelungen geklärt, die für die Ablegung oder Wiederholung von Prüfungen Fristen vorsehen (vgl. etwa BVerfG, B.v. 14.03.1989 – 1 BvR 1033/82 – juris; BVerwG, B.v. 7.3.1991 – 7 B 178/90 – juris, bestätigt durch BVerfG, B.v. 6.12.1994 – 1 BvR 1123/91 – juris; BayVerfGH, E.v. 27.01.1994 – Vf.14-VII-92 – juris und v. 07.03.2014 – Vf.54-VI-13 – juris) und als Folge der Fristversäumung die Prüfung als nicht bestanden behandeln (vgl. etwas BayVerfGH, E.v. 27.01.1994 – Vf.14-VII-92 – juris Rn. 74).

Auch der Umstand, dass es sich bei den noch fehlenden Leistungspunkten um sog. Wahlleistungspunkte handelt, kann eine Verfassungswidrigkeit des Bescheids vom 10. April 2015 nicht begründen.

Die von der Klägerseite zitierte Entscheidung des BVerwG vom 29. Mai 2013 betrifft den Sonderfall der Verklammerung von universitärer Schwerpunktprüfung und staatlicher Pflichtfachprüfung im ersten juristischen Examen, wobei das Bundesverfassungsgericht der Annahme engerer grundrechtlicher Bindungen der Hochschule durch das BVerwG mit Kammerbeschluss vom 26. Juni 2015 – 1 BvR 2218/13 – widersprochen und den Beschluss des BVerwG aufgehoben hat. Das BVerfG hat dabei allerdings auch die ständige Rechtsprechung betont, wonach Prüfungsregelungen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur genügen, wenn sie für sich genommen geeignet, erforderlich und zumutbar sind. Das Bestehen von Teilprüfungen könne folglich gefordert werden, wenn diese schon für sich genommen jeweils eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage für die Erreichung des Prüfungszwecks bieten würden (vgl. BVerfG, B.v. 26.06.2015 – 1 BvR 2218/13 – juris Rn. 24). In einem Verfahren betreffend die Universität der Bundeswehr hat das BVerwG zudem bereits entschieden, dass das Bestehen der Diplomhauptprüfung (Elektrotechnik) von ausreichenden Leistungen in einem Wahlpflichtfach (Politikwissenschaft) abhängig gemacht werden kann. Das BVerwG hat dazu ausgeführt, dass die Frage, ob die Prüfungsanforderungen am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gemessen, überspannt seien, allein vom Berufsbild her zu beantworten sei (BVerwG, U.v.24.04.1991 – 7 C 24/90 – Rn. 16).

Letztlich kann offenbleiben, ob diese Entscheidungen zum Nichtbestehen von Teil- / Wahlfachprüfungen überhaupt auf den vorliegenden Fall einer Fristüberschreitung wegen Nichterreichung der Gesamtzahl erforderlicher Leistungspunkte übertragbar sind. Denn selbst bei Zugrundelegung der von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung konkretisierten prüfungsrechtlichen Maßstäbe, ist weder ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz noch gegen Art. 12 Abs. 1 GG erkennbar.

Nach § 7 Abs. 3 DStO soll das Hauptstudium im Diplomstudiengang Wirtschaftspädagogik der Beklagten eine weitgehend individuelle Ausrichtung der Ausbildung in einem sich ständig fortentwickelnden Fach ermöglichen (Satz 1). Dies wird durch eine große Flexibilität bei der Wahl der zu besuchenden Lehrveranstaltungen erreicht (Satz 2). § 3 Satz 2 DStO spricht von einer „schwerpunktbezogenen Vertiefung“ vor dem Hintergrund der in § 3 Satz 3 DStO nicht abschließend aufgezählten beruflichen Einsatzmöglichkeiten. Die breiten beruflichen Einsatzmöglichkeiten wurden von der Beklagten anschaulich erläutert. Das Bestehen der Diplomprüfung vom Erwerb von Pflichtleistungs- und Wahlleistungspunkte abhängig zu machen (§ 16 Abs. 1 und 2 DPO), erscheint vor diesem Hintergrund nur konsequent und ist rechtlich jedenfalls nicht zu beanstanden. Die Verteilung der Pflicht- und Wahlleistungspunkte ist in § 17 DPO geregelt, wobei die Sätze 3 und 4 des § 17 Abs. 3 DPO für die Verteilung der Wahlleistungspunkte weitere Regelungen treffen. Dass es sich bei den Wahlleistungspunkten zudem um „vollwertige“ Leistungspunkte handelt, macht auch die Regelung des § 17 Abs. 7 Satz 2 DPO deutlich. Danach werden die erworbenen Leistungspunkte zunächst als Pflichtleistungspunkte gewertet, wenn zu einer Veranstaltung sowohl Pflichtals auch Wahlleistungspunkte erworben werden können und noch nicht alle Pflichtleistungspunkte in diesem Fach erworben wurden. Bei den Wahlleistungspunkten handelt es sich damit um Leistungspunkte, die in ihrer Wertigkeit den Pflichtleistungspunkten gleichzusetzen sind und die innerhalb eines von der DPO vorgezeichneten Rahmens mit Blick auf die späteren beruflichen Tätigkeitsfelder eine individuelle Schwerpunktsetzung durch die Studierenden ermöglichen.

Soweit in der mündlichen Verhandlung von der Bevollmächtigten schließlich pauschal kritisiert wurde, dass die zwei fehlenden Leistungsnachweise auch völlig außerhalb des Hauptstudiums des Bereichs der Betriebswirtschaftslehre gewählt werden könnten, ist bereits nicht klar, welche von den § 17 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 DPO abgedeckte Fallkonstellation hier gemeint sein soll. Im Fall der Klägerin ist mit der streitgegenständlichen ABWL-Prüfung jedenfalls gerade kein völlig außerhalb der Betriebswirtschaftslehre liegendes Prüfungsfach für das endgültige Nichtbestehen des Studiengangs ursächlich.

Insgesamt ist damit weder ein Verstoß gegen die Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG noch gegen die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ersichtlich.

Aus den dargestellten Gründen war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 11. Juli 2017 - M 3 K 15.1632

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Urteil, 11. Juli 2017 - M 3 K 15.1632

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 26. Juni 2015 - 1 BvR 2218/13

bei uns veröffentlicht am 26.06.2015

Tenor 1. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2013 - BVerwG 6 C 18.12 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes.

Referenzen

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Tenor

1. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Mai 2013 - BVerwG 6 C 18.12 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind Regelungen einer Universität über die Schwerpunktbereichsprüfung in der Ersten Juristischen Prüfung. Die Universität wehrt sich gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in einem Prüfungsrechtsstreit, mit dem diese Regelungen wegen eines Verstoßes gegen die Berufsfreiheit der Studierenden verworfen wurden.

I.

2

1. Mit dem Gesetz zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 (BGBl I S. 2592), das zum 1. Juli 2003 in Kraft getreten ist, hat der Bundesgesetzgeber die "Substanz des allgemeinen Ausbildungswesens" (BTDrucks 14/7176, S. 6) an die Länder und die Universitäten gegeben und die Eigenständigkeit der jeweiligen Prüfungen betont. Die Wahlfachprüfung der "Ersten Prüfung" sollte vollständig auf die Universitäten übertragen (vgl. BTDrucks 14/7176, S. 1) und damit die rechtswissenschaftlichen Fakultäten gestärkt werden, die die Prüfung allein durchzuführen und zu verantworten haben (vgl. BTDrucks 14/7176, S. 9).

3

2. In Baden-Württemberg ergeben sich die Vorgaben zu Prüfungen im Rahmen des Schwerpunktstudiums an Juristischen Fakultäten in Baden-Württemberg aus dem Deutschen Richtergesetz (DRiG), dem Juristenausbildungsgesetz (JAG BW) und der Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung des Landes (JAPrO BW) sowie der Studien- und Prüfungsordnung für den Studiengang Rechtswissenschaften der Universität (JuSPO 2007).

4

Grundsätzlich kann die Befähigung zum Richteramt nur erworben werden, wenn ein Studium mit einer ersten Prüfung abgeschlossen wird, die aus der universitären Schwerpunktprüfung und der staatlichen Pflichtfachprüfung besteht (§ 5 DRiG). Die Inhalte von Pflichtfächern und Schwerpunkten (§ 5a DRiG) sind ebenso wie Prüfungen (§ 5d DRiG) allgemein geregelt. Nach § 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG ist die Einheitlichkeit der Prüfungsanforderungen zu gewährleisten; nach § 5d Abs. 2 Satz 2 DRiG ist im Schwerpunkt mindestens eine schriftliche Leistung zu erbringen.

5

In Baden-Württemberg sieht das Juristenausbildungsgesetz in § 1 Abs. 3 Satz 1 JAG BW vor, dass die Schwerpunktbereichsprüfung der Ersten Juristischen Prüfung von den Universitäten in eigener Verantwortung abgenommen wird. Nach der Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung gibt es die "Universitätsprüfung" (§ 1 Abs. 2 Satz 3), für deren Vorbereitung und Durchführung die Universitäten zuständig sind (§ 2, 2. Halbsatz). Für die Staatsprüfung, die das Landesjustizprüfungsamt vorbereitet und durchführt (§ 2, 1. Halbsatz), wird geregelt, wann aufgrund mangelnder schriftlicher Leistungen keine Zulassung zur mündlichen Prüfung erfolgt (§ 16) und wie sich die Endnote der Staatsprüfung errechnet (§ 19). Das Land gibt zudem vor, wie die Endnote der Universitätsprüfung zu bilden ist (§ 32 Abs. 1), wann die Universitätsprüfungsleistungen erbracht werden müssen (§ 33 Abs. 1 und 2 in der bis zum 6. Mai 2013 geltenden Fassung) und dass die Universitätsprüfung nur einmal wiederholt werden kann (§ 33 Abs. 3 in der bis zum 6. Mai 2013 geltenden Fassung).

6

Die Beschwerdeführerin gab in der JuSPO 2007 vor, dass in der Schwerpunktbereichsprüfung insgesamt drei Prüfungsleistungen zu erbringen waren (§ 10 Abs. 2): eine Studienarbeit, eine Aufsichtsarbeit und eine mündliche Prüfung. Die Prüfung war insgesamt nur bestanden, wenn alle Prüfungsleistungen erfolgreich abgelegt wurden (§ 14 Abs. 1); die einzelnen Leistungen wurden gewichtet (§ 14 Abs. 2). Eine nicht bestandene Prüfungsleistung konnte einmal wiederholt werden (§ 17 Abs. 1). War die Wiederholungsprüfung erfolglos, war die Schwerpunktbereichsprüfung endgültig nicht bestanden (§ 17 Abs. 3).

II.

7

1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens studierte Rechtswissenschaften bei der Beschwerdeführerin. In der universitären Schwerpunktbereichsprüfung erzielte er in der Aufsichtsarbeit im ersten Versuch zwei Punkte, in der Wiederholungsprüfung einen Punkt. Er klagte auf die Feststellung, dass er zur Fortsetzung der Schwerpunktbereichsprüfung berechtigt sei. Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt, denn die Ordnung der Beschwerdeführerin, die JuSPO 2007, die das Bestehen aller Teilprüfungen verlange, verstoße gegen die landesrechtliche Vorgabe des § 32 Abs. 1 JAPrO BW, wonach aus allen Prüfungsleistungen eine Gesamtnote zu bilden sei.

8

Der Verwaltungsgerichtshof änderte das Urteil und wies die Klage ab. Die landesrechtliche Regelung des § 32 Abs. 1 JAPrO BW sei nicht als abschließend zu verstehen. Für das Bestehen der Schwerpunktbereichsprüfung könne universitäres Satzungsrecht höhere Anforderungen stellen. Diese seien mit Art. 12 GG vereinbar, denn alle Teilprüfungen der Schwerpunktbereichsprüfung seien zur Beurteilung der Gesamteignung für das Studienziel wesentlich.

9

2. Die Revision des Klägers hielt das Bundesverwaltungsgericht für begründet, änderte das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs und wies die Berufung zurück.

10

Die Bestehensregelung verletze die durch Art. 12 GG gewährleistete Berufsfreiheit der Studierenden. Die Vorgaben der § 14 Abs. 1, § 17 Abs. 3 JusPO 2007 seien nicht hinreichend geeignet, den in §§ 5 ff. DRiG vorgegebenen Zweck der Schwerpunktbereichsprüfung zu erreichen. Ob eine Teilprüfung unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil der avisierten Qualifikation sei, habe in erster Linie der Normgeber zu beurteilen, der dabei über beträchtliche Einschätzungsspielräume verfüge. Verfassungswidrig seien Regelungen grundsätzlich nur, wenn die ihnen zugrunde liegende Einschätzung sachlich nicht vertretbar sei. Doch unterliege der universitäre Normgeber bei der juristischen Schwerpunktbereichsprüfung engeren grundrechtlichen Bindungen. Die Verbindung von Staats- und Schwerpunktbereichsprüfung in § 5 Abs. 1 DRiG richte beide Prüfungen auf denselben Zweck aus. Auch eine universitäre Bestehensregelung müsse darauf abgestimmt sein. Die Vorgaben für die Schwerpunktprüfung müssten mit der Pflichtfachprüfung kongruent sein. Soweit der Schwerpunktbereich eine Ergänzungsfunktion zum Pflichtfach habe, komme dem staatlichen Normgeber bei der Definition der Eignungsstandards schon logisch das Primat gegenüber dem universitären Normgeber zu. Auch nach dem Verweis des § 5d Abs. 6 DRiG auf das Landesrecht könne der Landesgesetzgeber die wesentlichen prüfungsrechtlichen Eckdaten verbindlich vorgeben. Demgegenüber habe die Universität breitere prüfungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, soweit der Schwerpunktbereich gegenüber dem Pflichtfachbereich eine Vertiefungsfunktion habe.

11

Hier habe die Beschwerdeführerin ihren prüfungsrechtlichen Gestaltungsspielraum überschritten. Ihre Bestehensregelung sei nicht hinreichend geeignet, den der Universitätsprüfung zugedachten Zweck zu erfüllen, die Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst zu ermitteln. Die Aufsichtsarbeit und die mündliche Prüfung hätten eine Ergänzungsfunktion. Sie müssten sich daher an § 16 JAPrO BW orientieren, wonach in einzelnen Teilprüfungen abgeprüfte Kenntnisse und Fertigkeiten nicht bereits für sich genommen, sondern nur in ihrer Summe ausschlaggebend seien, also nicht bestandene Teilprüfungen durch die Leistungen in anderen Teilprüfungen kompensiert werden könnten, indem eine Durchschnittsnote gebildet werde. Im Unterschied dazu verabsolutiere die Universität in § 14 Abs. 1 und § 17 Abs. 3 JuSPO 2007 die Aussagekraft einzelner Teile der Schwerpunktbereichsprüfung und weiche ersichtlich vom Ansatz der JAPrO BW ab. Demgegenüber habe die Studienarbeit eine Vertiefungsfunktion, weil sie auf wissenschaftlich-methodische Fertigkeiten ausgerichtet sei, weshalb die Universität die Bestehensregelung dafür anders fassen könne als im Landesrecht.

12

Nichts anderes ergebe sich aus der grundrechtlichen Lehrfreiheit. Der Grundrechtsschutz verändere sich nicht, wenn der staatliche Normgeber die Regelung von Bestehensanforderungen bei Prüfungen im Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG auf die Universitäten verlagere. Prüfungsrechtliche Bestehensregelungen wirkten nicht auf die inhaltliche oder methodische Gestaltung von Lehrveranstaltungen zurück.

13

3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Universität eine Verletzung der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Lehrfreiheit. Das Bundesverwaltungsgericht habe die grundrechtlich geschützte Befugnis der Universität, Anforderungen der Schwerpunktbereichsprüfung eigenständig festzulegen, ohne verfassungsrechtlich tragfähigen Grund verkürzt. Bei der Gestaltung des Schwerpunktbereichs handelten die Universitäten nicht lediglich aufgrund einer delegierten Rechtsetzungsermächtigung im Rahmen des staatlichen Aufgabenbereichs. Vielmehr sei es gerade Ziel der Reform der Juristenausbildung gewesen, einen Teil der früheren Staatsprüfung auf die Universitäten zu verlagern. Die Schwerpunktbereichsprüfung sollte danach als rechtlich, organisatorisch und zeitlich eigenständige Prüfung von den Universitäten in eigener Verantwortung konzipiert und durchgeführt werden (Verweis auf BTDrucks 14/7176, S. 1 und 8-10). Das Bundesverwaltungsgericht habe durch das Erfordernis einer Kongruenz der Eignungsstandards zwischen Pflichtfach- und Universitätsprüfung, die sich aus dem einfachen Recht nicht ergebe, den Einschätzungsspielraum der Universität zur Bedeutung der Teilprüfungen für das Prüfungsziel über Gebühr beschränkt. Es habe die aus der Berufsfreiheit folgenden Anforderungen an Bestehensregelungen für die Schwerpunktbereichsprüfung im Studium der Rechtswissenschaft überdehnt.

14

4. Zu der Verfassungsbeschwerde und den durch sie aufgeworfenen Fragen haben das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, das Justizministerium Baden-Württemberg sowie der Deutsche Juristen-Fakultätentag Stellung genommen. Die Akten des Ausgangsverfahrens waren beigezogen.

15

Die Bundesregierung und das Justizministerium Baden-Württemberg verweisen auf die Begründung des Entwurfs für das Gesetz zur Reform der Juristenausbildung (BTDrucks 14/7176). Den Hochschulen sollten durch die bundesgesetzliche Regelung sowohl die Ausbildung als auch Teile der ersten Prüfung als eigene Aufgabe übertragen werden. Die Anforderungen an die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung seien vom Bundesgesetzgeber sehr zurückhaltend geregelt worden. In Baden-Württemberg schlage sich der eigene Verantwortungsbereich der baden-württembergischen Hochschulen für die Schwerpunktbereichsprüfung der Ersten Juristischen Prüfung in § 1 Abs. 3 Satz 1 JAG BW sowie in § 26 JAPrO BW nieder. Die §§ 26 ff. JAPrO BW beschränkten sich auf die Vorgabe von Mindeststandards; es verblieben vielfältige Gestaltungsspielräume der Universitäten. Die Ausgestaltung der universitären Prüfungsordnungen unterliege - im Rahmen der gesetzlichen Grenzen - der vollen akademischen Selbstverwaltung; sie sei von den Vorgaben für die staatliche Pflichtfachprüfung entkoppelt. Es gebe nur eine Bindung der Hochschulen an die Notenskala der staatlichen Pflichtfachprüfung (vgl. § 5d Abs. 1 Satz 3 DRiG).

III.

16

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG), insbesondere sind die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der Lehrfreiheit sowie des von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Selbstverwaltungsrechts der Hochschulen durch den Senat hinreichend geklärt (BVerfGE 35, 79<112 ff.>; 93, 85 <93, 95>; 111, 333 <354 f.>).

17

1. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Regelungsspielräume der Universität nicht hinreichend berücksichtigt.

18

a) Hochschulen dienen nicht nur der Pflege der Wissenschaft, sondern sind auch Ausbildungsstätten für bestimmte Berufe. Die auf einen berufsqualifizierenden Abschluss zielende Lehre ist eine den Universitäten und den Fakultäten als ihren Untergliederungen einfachgesetzlich übertragene staatliche Aufgabe. Sie können aus dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit daher kein Recht ableiten, die wissenschaftsorientierte Berufsausbildung autonom zu gestalten (vgl. BVerfGE 35, 79 <121 f.>; 67, 202 <207>). Den Gesetzgeber trifft im Bereich der Berufsausbildung schon im Hinblick auf die Grundrechtspositionen der Studierenden aus Art. 12 Abs. 1 GG eine Mitverantwortung. Es ist Sache des parlamentarischen Gesetzgebers, Rahmenregelungen für die berufsorientierte Lehre zu erlassen; er ist allerdings bei der Ausgestaltung der Berufsausbildungsfreiheit und bei der Festlegung der Rahmenbedingungen mit Blick auf die Wissenschaftsfreiheit nicht gänzlich frei. Vielmehr wird die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten durch die in Art. 5 Abs. 3 GG enthaltene objektive, das Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde, wertentscheidende Grundsatznorm begrenzt (vgl. BVerfGE 35, 79 <114 f.>; 93, 85 <95>; 111, 333 <353>). Die Wissenschaftsfreiheit schützt auch die Befugnis zum Erlass von Studien- und Prüfungsordnungen (vgl. BVerfGE 93, 85 <93>). Die Freiheit der Lehre umfasst insbesondere deren Inhalt, den methodischen Ansatz und das Recht auf Äußerung von wissenschaftlichen Lehrmeinungen (BVerfGE 35, 79 <113 f.>).

19

b) Das angegriffene Urteil berührt nicht nur Art. 12 Abs. 1 GG, sondern auch den Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Das Urteil greift in die der Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer akademischen Selbstverwaltung zustehende Satzungsautonomie ein, die auch die Befugnis umfasst, Prüfungsordnungen zu erlassen (vgl. BVerfGE 93, 85 <93>). Diese Einschränkung ist nicht gerechtfertigt. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht hinreichend (aa). Zwar ist die Ausgestaltung von Wissenschaftsorganisationen einschließlich des Lehr- und Prüfungsrechts grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen, doch lässt sich das in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellte Kongruenzerfordernis weder dem einfachen Recht noch Art. 12 Abs. 1 GG entnehmen (bb).

20

Die Ausgestaltung von Wissenschaftsorganisationen einschließlich des Lehr- und Prüfungsrechts ist grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt davor, dass der Gesetzgeber kein System schafft, das Entscheidungen ermöglicht, die die Freiheit von Forschung und Lehre gefährden (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 12. Mai 2015 - 1 BvR 1501/13 u.a. -, Rn. 68; Beschluss des Ersten Senats vom 24. Juni 2014 - 1 BvR 3217/07 -, Rn. 55 ff. m.w.N.).

21

(1) Der Bundesgesetzgeber hat in Wahrnehmung seiner aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 und Art. 98 Abs. 1 GG folgenden Gesetzgebungskompetenz mit § 5a DRiG eine Regelung geschaffen, welche einen Rahmen für die rechtliche Ausgestaltung des Studiums der Rechtswissenschaft enthält und die nähere Ausgestaltung dem Landesrecht zuweist (vgl. § 5a Abs. 4 DRiG). Er hat dabei die universitäre und die staatliche Prüfung im Gesetz zur Reform der Juristenausbildung vom 11. Juli 2002 (BGBl I S. 2592) nicht in einer Weise rechtlich, zeitlich oder organisatorisch verklammert, wie sie das Bundesverwaltungsgericht zugrunde legt. Ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf sollte die Schwerpunktbereichsprüfung der ersten Prüfung "vollständig auf die Universitäten übertragen werden" und die Hochschulen in einen "Qualitätswettbewerb" untereinander eintreten (BTDrucks 14/7176, S. 1). Die rechtswissenschaftlichen Fakultäten hätten die Universitätsprüfung "allein durchzuführen und zu verantworten" (BTDrucks 14/7176, S. 9); es gebe nun eine "universitätsautonome Gestaltung der Prüfungsanforderungen und des Prüfungsverfahrens" (BTDrucks 14/7176, S. 13). Die Schwerpunktbereichsprüfung sei ein selbständiger Bestandteil der ersten Prüfung und insoweit auch Voraussetzung für den Vorbereitungsdienst, doch könne eine mangelhafte Universitätsprüfung gerade nicht durch eine deutlich bessere Pflichtfachprüfung ausgeglichen werden (vgl. BTDrucks 14/7176, S. 13). In der Beschlussempfehlung heißt es schließlich, dass die Universitäten die Schwerpunktbereiche "in eigener Verantwortung prüfen" (BTDrucks 14/8629, S. 11). Diese Formulierungen sprechen für sich genommen und in ihrer Gesamtheit dafür, dass die Verantwortung für die Schwerpunktbereichsprüfung vollständig bei den Universitäten liegt.

22

(2) Auf das Landesrecht, das nach § 5a Abs. 4 DRiG "das Nähere" zum Studium regelt, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an, weil es als solches im Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisibel ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2009 - BVerwG 3 B 35.09 -, juris, Rn. 4 f.; Beschluss vom 22. September 2011 - BVerwG 8 B 41.11 -, juris, Rn. 5; stRspr).

23

bb) Die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Vorschriften ist Aufgabe der Fachgerichte. Sie dürfen dabei die zum Schutz der Freiheit von Forschung und Lehre eröffneten gesetzlichen Spielräume nicht in einer vom Gesetzgeber nicht intendierten und mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbaren Weise verengen. Dies bewirkt jedoch die Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn es unter Verkennung der grundgesetzlichen Wertungen davon ausgeht, die beschwerdeführende Universität unterliege bei Regelungen über die juristische Universitätsprüfung aufgrund eines Kongruenzerfordernisses engeren Bindungen als ein prüfungsrechtlicher Normgeber. Eine solche Kongruenz zwischen Pflichtprüfung und Schwerpunktbereichsprüfung gibt das einfache Recht nicht vor. Soweit das Bundesverwaltungsgericht ein Kongruenzerfordernis unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 GG ableitet, verengt es den vom Bundesgesetzgeber im Interesse der Satzungsautonomie der Universitäten eröffneten Spielraum in einer mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG unvereinbaren Weise (1). Die Prüfung, ob die streitige Bestehensregelung im konkreten Fall tatsächlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahrt, bleibt allerdings Aufgabe der Fachgerichte (2).

24

(1) Ein Kongruenzerfordernis zwischen Bestehensregelungen ergibt sich nicht aus der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG, bei der es sich um revisibles Bundesrecht handelt. Allerdings greift jede Bestehensregelung in die Berufsfreiheit der Geprüften ein. Zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter ist auch ein gewisser, sich in vernünftigen Grenzen haltender "Überschuss" an Prüfungsanforderungen grundsätzlich hinzunehmen (BVerfGE 25, 236, <248>; 80, 1 <24>). Prüfungsregelungen genügen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedoch nur, wenn sie für sich genommen geeignet, erforderlich und zumutbar sind (vgl. BVerfGE 80, 1 <24> m.w.N.; stRspr). Das Bestehen von Teilprüfungen kann folglich gefordert werden, wenn diese schon für sich genommen jeweils eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage für die Erreichung des Prüfungszwecks bieten (vgl. BVerfGE 80, 1 <35>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 3.95 -, juris, Rn. 4 f. m.w.N.). Spezifische Anforderungen einer Kongruenz mit Staatsprüfungen sind Art. 12 Abs. 1 GG damit jedoch nicht zu entnehmen.

25

(2) Ob die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch einzelne Prüfungsregelungen gewahrt sind, mit denen die in Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit durch subjektive Zulassungsregelungen eingeschränkt wird (vgl. BVerfGE 80, 1 <24>), müssen die Fachgerichte beurteilen. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs waren alle Teilprüfungen der Schwerpunktbereichsprüfung an der beschwerdeführenden Universität so dimensioniert, dass sie für die Gesamteignung der Prüflinge für das Studienziel wesentlich waren. Dann ist auch eine Anforderung, die das Bestehen aller Teilprüfungen erzwingt, zu rechtfertigen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit dieser Frage jedoch nicht auseinandergesetzt, weil es, unter Verkennung der nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Satzungsautonomie der Universität auch in Prüfungsfragen (vgl. BVerfGE 93, 85 <93>), bereits deren Gestaltungsspielraum als beschränkt angesehen hat. Es erwähnt zwar kurz die Lehrfreiheit, hält diese aber nicht für berührt. Auch lässt das Gericht die Frage, ob die Ausgestaltung der Prüfungsordnung als Satzung der akademischen Selbstverwaltung unterliegt, ausdrücklich offen. Damit verkennt das Gericht den Schutzgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, der die akademische Selbstverwaltung auch hinsichtlich der Satzungsbefugnis in Prüfungsfragen umfasst. Wird der Satzungsautonomie hingegen Rechnung getragen und ein Kongruenzerfordernis universitärer Prüfungen mit der Staatsprüfung demzufolge verneint, bleibt die Frage zu beantworten, ob jede der drei im Schwerpunkt geforderten Prüfungsleistungen bereits für sich genommen eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage über das Bestehen oder Nichtbestehen der Schwerpunktbereichsprüfung bietet. Nur dann ist die Regelung, die das Bestehen aller drei Leistungen fordert, erforderlich und damit auch verhältnismäßig.

26

(3) In der Beurteilung der Prüfungsregelungen stellen sich tatsächliche Fragen, die von den Fachgerichten unter Beachtung der grundrechtlichen Wertungen zu beantworten sind. Die streitige Bestehensregelung der Universität ist streng, so dass im Vergleich zu anderen Universitäten ein höheres Risiko besteht, die Universitätsprüfung nicht zu bestehen, woraufhin auch eine geringere Zahl an Kandidatinnen und Kandidaten zum Vorbereitungsdienst zugelassen wird. Erhöht die Universität damit die Risiken für Studierende, ein Studium nicht erfolgreich abschließen zu können, ist dies grundsätzlich Teil ihrer Entscheidung in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten, wenn diese sachlich nachvollziehbar auf den Zweck ausgerichtet sind, die für den juristischen Vorbereitungsdienst ungeeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zu ermitteln. Dies zu prüfen obliegt sowohl hinsichtlich der Bestehensregelung sowie weiteren insoweit bedeutsamen Regelungen etwa zur Begrenzung oder Freigabe von Wiederholungsversuchen den Fachgerichten.

27

2. Die Grundrechtsverletzung hat besonderes Gewicht, weil das Bundesverwaltungsgericht die aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG erwachsende Grundrechtsposition der Beschwerdeführerin in seine Überlegungen nicht eingestellt hat. Damit fehlt es an dem Versuch, den bestehenden Konflikt mehrerer verfassungsrechtlich geschützter Positionen im Wege der praktischen Konkordanz zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BVerfGE 128, 1 <41> m.w.N.).

28

3. Die angegriffene Entscheidung beruht auch auf dem festgestellten Verstoß gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Bundesverwaltungsgericht anders entschieden hätte, wenn es die verfassungsrechtlichen Maßstäbe beachtet hätte.

29

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.