Verwaltungsgericht München Urteil, 07. Aug. 2015 - M 25 K 14.50028

published on 07/08/2015 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 07. Aug. 2015 - M 25 K 14.50028
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Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. März 2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsläubiger vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags als unzulässig im sog. Dublin-Verfahren und die damit verbundene Abschiebungsanordnung nach Ungarn. Der Kläger ist nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger.

Der Kläger beantragte am … Dezember 2013 in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Ungarn erklärte mit Schreiben vom … Januar 2014 seine Bereitschaft zur Rückübernahme des Klägers. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom … März 2014 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag der Kläger unzulässig ist (Nummer 1) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Nummer 2).

Mit Schriftsatz vom … März 2014, bei Gericht am folgenden Tag eingegangen, ließ der Kläger durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigen Klage erheben und beantragen,

  • 1.der Bescheid des Bundesamts vom … März 2014 wird aufgehoben.

  • 2.Der Kläger wird als Asylberechtigter anerkannt.

  • 3.Es wird festgestellt, dass beim Kläger die Voraussetzungen betreffend Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.

  • 4.Dem Kläger wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.

Die Beklagte legte die Akten mit Schreiben vom … März 2014 vor.

Den mit der Klageerhebung gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe lehnte das Gericht mit Beschluss vom... April 2014 unanfechtbar ab (M 25 S ...).

Mit Schreiben vom … Februar 2015 teilte die Beklagte der Ausländerbehörde mit, dass die Überstellungsfrist abgelaufen sei und die Möglichkeit der Abschiebung des Klägers in den Mitgliedstaat auf einer anderen Rechtsgrundlage geprüft werde oder ob eine Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat ergehen müsse.

Die Parteien haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Mit Beschluss vom ... Mai 2015 wurde der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Beschluss vom ... August 2015 bewilligte das Gericht dem Kläger teilweise Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten.

Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichtsakte auch des Eilverfahrens sowie die vorgelegte Behördenakte.

Gründe

Die Klage hat teilweise Erfolg. Hinsichtlich der Anfechtung des Bescheids ist die Klage zulässig und begründet (1.), hinsichtlich der übrigen Klageanträge ist sie unzulässig (2.).

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung.

1. Die Anfechtungsklage ist zulässig und begründet.

1.1. Die isolierte Anfechtungsklage gegen die sog. Dublin-Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) (Ablehnung des Asylantrags als unzulässig gemäß § 27a AsylVfG und Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG) ist statthaft (OVG Hamburg, B.v. 2.2.2015 – 1 Bf 208/14 AZ – juris Rn. 12). Das Bundesamt ist nämlich im Fall der Aufhebung der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (BayVGH, B.v. 23.1.2015 – 13a ZB 14.50071 - juris; U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris Rn. 22; jeweils m.w.N. zur obergerichtlichen Rspr.). Die Anfechtungsklage ist auch im Übrigen zulässig.

1.2. Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 10. März 2014 erweist sich im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung als rechtswidrig (1.2.1.) und verletzt den Kläger in seinen Rechten (1.2.2), § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1.2.1. Wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist ist die Beklagte nunmehr für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig und Nr. 1 des Bescheids objektiv rechtswidrig (1.2.1.1.). Eine Umdeutung des Dublin-Bescheids in eine ablehnende Entscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG kommt nicht in Betracht (1.2.1.2.).

1.2.1.1. Die Beklagte hat die spätestens mit dem ablehnenden Beschluss des Gerichts vom ... April 2014 über den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage in Gang gesetzte Sechsmonatsfrist der Dublin-Verordnung ungenutzt verstreichen lassen und ist somit zuständig geworden (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 d) Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 – Dublin II-VO). Der zuständige Mitgliedstaat ist vorliegend nach den Kriterien der Dublin-II-VO zu bestimmen, weil die Asylanträge des Klägers vor dem ... Januar 2014 gestellt wurden (Art. 49 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 – Dublin III-VO). Anhaltspunkte dafür, dass Ungarn als ursprünglich zuständiger Mitgliedstaat ausnahmsweise auch nach Fristablauf zur Übernahme des Klägers bereit wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

1.2.1.2. Die Unzuständigkeit der Beklagten zur Durchführung des klägerischen Asylverfahrens ergibt sich auch nicht aus § 71a Abs. 1 AsylVfG, weil eine Umdeutung des streitgegenständlichen Dublin-Bescheids in eine ablehnende Entscheidung über einen Zweitantrag mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 VwVfG für eine Umdeutung nicht in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2015 – 13a ZB 14.50071 – juris Rn. 9). Somit spielt es keine entscheidende Rolle, dass das Verfahren mit dem Ablauf der Überstellungsfrist gleichsam in den Zustand zurückversetzt wird, in dem es sich bei Antragstellung in Deutschland befunden hat, was wiederum die Pflicht der Beklagten zur Behandlung des Asylantrags und zur Prüfung, ob es sich um einen Erst- oder um einen Zweitantrag handelt (vgl. VG Würzburg, U.v. 27.11.2014 – W 3 K 13.30553 – juris Rn. 23), zur Folge hat.

1.2.2. Der Kläger ist durch den objektiv rechtswidrigen Bescheid auch in seinen Rechten verletzt (§§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1.2.2.1. Der Kläger hat nämlich ein subjektiv-öffentliches Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens und auf Prüfung seines Asylbegehrens (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO bzw. Art. 16a Abs. 1 GG). Dieses Recht würde vereitelt, wenn – wie vorliegend – einerseits die Überstellung in den ursprünglich für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat nicht fristgerecht erfolgt ist und nach Ablauf der Überstellungsfrist auch nicht mehr erfolgen kann, andererseits die nunmehr zuständige Beklagte weiterhin von ihrer Unzuständigkeit und der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG ausgeht. Das Schreiben der Beklagten an die Ausländerbehörde vom … Februar 2014 steht dem nicht entgegen: Aus ihm ergibt sich nämlich nicht, dass sich die Beklagte nunmehr für zuständig hält. Folglich hat sie die angegriffene Entscheidung trotz des erkannten Ablaufs der Überstellungsfrist auch nicht aufgehoben.

1.2.2.2. Deshalb steht dem Erfolg des Antrags auch nicht entgegen, dass sich die Fristbestimmungen der Dublin-IIbzw. Dublin-III-VO als zwischenstaatliche Regelungen mit dem Ziel der zeitnahen Feststellung und zügigen Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaats vorrangig an die Mitgliedstaaten richten und keine subjektiven Rechte der Asylbewerber begründen (EuGH, U.v. 14.11.2013 – C-4/11 – juris; U.v. 10.12.2013 – C-394/12 – juris), insbesondere nicht auf Prüfung des Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland wegen Ablaufs der Überstellungsfrist (OVG SH, B.v. 24.2.2015 – 2 LA 15/15 – juris m.w.N.).

Da somit Nummer 1 des Bescheids rechtswidrig ist, ist auch für die in Nummer 2 verfügte Abschiebungsanordnung nach Ungarn auf der Grundlage von § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kein Raum mehr.

Der angegriffene Bescheid erweist sich somit insgesamt als rechtswidrig und ist aufzuheben.

2. Hinsichtlich der Klageanträge zu 2) bis 4) hat die Klage keinen Erfolg, weil sie mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig ist.

Denn mit der Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids ist das Bundesamt von Gesetzes wegen gemäß § 31 Abs. 2 AsylVfG zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (BayVGH, U.v. 28.2.2014, a.a.O.). Hierbei ist die Zuständigkeitsprüfung durch das Bundesamt der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur (inhaltlichen) Prüfung des Asylantrags zu unterscheiden (BayVGH, B.v. 23.1.2015 – 13a ZB 14.50071 – juris Rn. 6). Eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, die Sache hinsichtlich der inhaltlichen Prüfung des Asylantrags spruchreif zu machen, besteht nicht (BayVGH, B.v. 23.1.2015, a.a.O.). Einer auf ein weitergehendes Ziel gerichteten Verpflichtungsklage fehlt daher das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (VG Würzburg, U.v. 17.3.2015 – W 1 K 14.50192 – juris Rn. 18).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO entsprechend.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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published on 17/03/2015 00:00

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger k
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published on 28/02/2014 00:00

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Siche
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.