Verwaltungsgericht München Urteil, 15. Sept. 2015 - M 2 K 15.50225

published on 15/09/2015 00:00
Verwaltungsgericht München Urteil, 15. Sept. 2015 - M 2 K 15.50225
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Gericht

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Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts ... vom ... Februar 2015 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist nach seinen Angaben somalischer Staatsangehöriger und reiste etwa im Juni 2012 aus seinem Heimatland aus. Nach Aktenlage stellte er am 29. März 2013 einen Asylantrag in Malta, wo er sich etwa eineinhalb Jahre lang aufgehalten habe. Nach seiner Einreise auf dem Landweg via Italien in das Bundesgebiet beantragte er am 8. Oktober 2014 seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Auf ein Wiederaufnahmegesuche der Beklagten hin akzeptierte Malta am 22. Januar 2015 seine Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags des Klägers.

Mit Bescheid des Bundesamts ... (BAMF) vom ... Februar 2015, dem Kläger zugestellt am 6. März 2015, lehnte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ab (Ziffer 1.) und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Malta an (Ziffer 2.). Malta sei nach Art. 18 Abs. 1 b Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger am 9. März 2015 Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und beantragen,

den Bescheid der Beklagten vom ... Februar 2015 aufzuheben.

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger sei über 18 Monate in Malta inhaftiert gewesen, eine ordnungsgemäße Anhörung und ein faires Verfahren seien nicht durchgeführt worden. Der Kläger leide unter massiven psychischen Problemen und habe eine Verletzung am linken Bein.

Einem gleichzeitig gestellten Antrag (M 2 S 15.50226), die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 2. des Bescheids vom ... Februar 2015 anzuordnen, gab der Einzelrichter mit Beschluss vom 26. März 2015 statt. Der Beschluss wurde im Wesentlichen damit begründet, dass bei der Interessenabwägung das Interesse des Klägers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des angefochtenen Bescheides überwiege, da die Klage offene Erfolgsaussichten im Hinblick darauf habe, ob eine Überstellung des Klägers nach Malta rechtlich möglich sei und damit durchgeführt werden könne. Es lägen hinreichende Erkenntnisse dafür vor, dass das maltesische Asylverfahren europarechtlichen Vorgaben grundsätzlich nicht genüge und Asylbewerbern dort ernsthafte Gefahren i. S. v. Art. 4 EuGrCh drohten. Dies bedürfe der weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren.

Die Beklagte äußerte sich, von der Aktenvorlage abgesehen, nicht zum Verfahren.

Mit Beschluss vom 7. August 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakten im Eil- und Klageverfahren, insbesondere auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 14. September 2015, sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Gründe

In der Verwaltungsstreitsache konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2015 entschieden werden, obwohl kein Vertreter der ordnungsgemäß geladenen Beklagten zum Termin erschienen ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid des Bundesamts vom ... Februar 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Asylantrag des Klägers ist nicht deshalb gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig wäre. Vielmehr ist hier die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung dieses Asylantrags gegeben. Der Erlass der Abschiebungsanordnung nach § 34a i. V. m. § 27a AsylVfG ist aus diesem Grund ebenfalls rechtswidrig.

Zwar wäre im Fall des Klägers grundsätzlich von einer Zuständigkeit Maltas gemäß Art. 13 i. V. m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) auszugehen (die Annahme der Beklagten gemäß Bl. 43 der Behördenakte, es liege ein Fall des Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin-III-VO vor, dürfte nicht zutreffen, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärte, er habe in Malta einen Asylantrag gestellt und dort schon längere Zeit vor seiner Weiterreise von dessen Ablehnung durch die maltesischen Behörden erfahren). Allerdings ist hier ausnahmsweise die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin-III-VO gegeben. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich als unmöglich erweist, einen Kläger an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta (EuGrCh) mit sich bringen. In diesem Fall setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der Zuständigkeitskriterien nach Kapitel 3 der Dublin-III-VO fort, um ggf. die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates festzustellen. Kann eine solche anderweitige Zuständigkeit - wofür es vorliegend keine hinreichenden Belege gibt - nicht festgestellt werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf ein Asylbewerber nur dann nicht an den europarechtlich zuständigen Mitgliedstaat überstellt werden, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat aufgrund systemischer Mängel, d. h. regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 - juris).

In der aktuellen erstinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung wird diese Frage hinsichtlich Maltas kontrovers beurteilt. Eine gefestigte Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe, die die aktuelle Auskunftslage berücksichtigt, ist derzeit nicht erkennbar.

So wird in einigen aktuelleren Gerichtsentscheidungen die Gefahr, dass Asylbewerbern im Fall der Rücküberstellung nach Malta eine unmenschliche oder entwürdigenden Behandlung droht, verneint (so etwa: VG München, B. v. 12.6.2015 - M 25 S 15.50265 - noch n. v.; VG Dresden, B. v. 25.3.2015 - 3 L 744/14.A - abrufbar auf „www.a...net“; VG Gelsenkirchen, B. v. 16.1.2015 - 1a L 2036/14.A - juris Rn. 43 ff.; VG München, B. v. 4.6.2014 - M 12 S 14.50276 - juris Rn. 30 ff.; VG München, B. v. 13.5.2014 - M 11 S 14.50187 - juris Rn. 18 ff.; VG Oldenburg, B. v. 17.2.2014 - 3 B 6974/13 - juris Rn. 13 ff.; VG Augsburg, U. v. 29.5.2013 - Au 7 K 13.30134 - juris Rn. 22).

Insoweit ist jedoch festzustellen, dass sich diese, die Abschiebungsanordnungen nach Malta - überwiegend im Eilverfahren - bestätigenden Gerichtsentscheidungen häufig entscheidungserheblich auf den Gesichtspunkt stützen, dass trotz durchwegs festgestellter bedenklicher Härten und struktureller Missstände in den Aufenthalts-, Haft- und Lebensbedingungen für Asylbewerber in Malta (vgl. im Einzelnen die ausführlichen Analysen der tatsächlichen Situation in Malta durch: VG Gelsenkirchen, B. v. 16.1.2015 - 1a L 2036/14.A - juris Rn. 46 ff.; VG Düsseldorf, B. v. 5.2.2015 - 13 L 3079/14.A - juris Rn. 58; VG Oldenburg, B. v. 17.2.2014 - 3 B 6974/13 - juris Rn. 13 ff.) der UNHCR bislang keine generelle Empfehlung ausgesprochen habe, Asylbewerber nicht nach Malta zu überstellen (so etwa: VG München, B. v. 17.3.2015 - M 7 S 14.50627 - juris Rn. 22; VG Gelsenkirchen, B. v. 16.1.2015 - 1a L 2036/14.A - juris Rn. 58; VG München, B. v. 4.6.2014 - M 12 S 14.50276 - juris Rn. 32; VG München, B. v. 13.5.2014 - M 11 S 14.50187 - juris Rn. 21; VG Oldenburg, B. v. 17.2.2014 - 3 B 6974/13 - juris Rn. 23).

Hierzu hat das VG Oldenburg (B. v. 23.7.2014 - 12 B 1217/14 - juris Rn. 34 f.) nach Auffassung des Einzelrichters jedoch bereits zutreffend festgestellt:

„Die Rechtsprechung, die das Vorliegen systemischer Mängel im Asyl- und Aufnahmesystem Maltas verneint, überzeugt das Gericht nicht. Die Entscheidungen werten entweder nur wenige Erkenntnismittel aus (vgl. z. B. VG Potsdam, Beschluss vom 5. Februar 2014 - 6 L 53/14.A -; VG Stade, Beschluss vom 31. März 2014 - 5 B 582/14 -, beide juris) oder kommen nach Auswertung einer Vielzahl von Erkenntnismitteln und zum Teil sehr ausführlicher Darstellung von Missständen im Wesentlichen nur deshalb zu ihrer Bewertung, weil keine Empfehlung des UNHCR, von Überstellungen nach Malta grundsätzlich abzusehen, vorliegt (vgl. z. B. VG Oldenburg, Beschluss vom 17. Februar 2014 - 3 B 6974/13 -, VG Osnabrück, Beschluss vom 7. Mai 2014 - 5 B 104/14 - und VG Lüneburg, Beschluss vom 10. Juni 2014 - 3 B 1/14 -, beide unter Bezugnahme auf die genannte Entscheidung des VG Oldenburg, alle juris). Letzterem vermag das Gericht aus folgenden Gründen nicht beizutreten:

Der UNHCR hat in seiner Stellungnahme „Ergänzende Informationen zur Veröffentlichung der UNHCR - Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien - Juli 2013“ vom März 2014 ausgeführt, dass er bislang lediglich in besonderen Ausnahmefällen die generelle Empfehlung ausgesprochen habe, Asylsuchende nicht im Rahmen des Dublin-Verfahrens in einen bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen. Aus der Tatsache, dass keine Äußerung dazu vorliege, ob systemische Mängel einer Überstellung entgegenstünden, könne nicht geschlossen werden, dass der UNHCR die Auffassung vertrete, dass keine einer Überstellung entgegenstehende Umstände vorlägen. Dies sei nicht zuletzt deswegen der Fall, da sich das Papier in erster Linie mit Empfehlungen zur Verbesserung des Flüchtlingsschutzes an die italienische Regierung richte. Der UNHCR weist damit ausdrücklich auf die Appellfunktion seiner Einschätzungen gegenüber den betroffenen Mitgliedstaaten hin, die an Wirkung verlöre, wenn zur Einstellung von Überstellungen aufgerufen wird. Das OVG Nordrhein-Westfalen misst daher in seinem Urteil vom 7. März 2014 (1 A 21/12.A, juris) dem Nichtvorliegen einer entsprechenden Empfehlung keine Indizwirkung und zwar weder für noch gegen das Vorliegen von systemischen Mängeln zu. Es verbleibe vielmehr bei der dem Gericht obliegenden Bewertung der Informationen aus den Erkenntnismitteln.“

Festhalten ist auch, dass der UNHCR in einer seiner letzten Stellungnahmen zu Malta („UNHCR’s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta“ vom 18.9.2013, dort S. 33, abrufbar auf: www.refworld.org/docid/52498c424.html) deutlich erkennbar die von ihm festgestellten Widersprüche zwischen dem maltesischen Aufnahmesystems und den grundsätzlich zu beachtenden völkerrechtlichen Standards aufgezeigt hat („While it is acknowledged that some improvements have been made in the infrastructure and conditions of detention in Malta, UNHCR considers that the current reception system, based on the systematic administrative detention of asylumseekers is not in conformity with international law standards“).

Jedenfalls im Eilverfahren erachten auch einige Verwaltungsgerichte die Erfolgsaussichten der jeweiligen Hauptsacheverfahren als offen und ordnen in Folge dessen die aufschiebende Wirkung der Klagen an (z. B. VG Düsseldorf, B. v. 9.4.2015 - 8 L 1100/15.A - juris Rn. 9; B. v. 5.2.2015 - 13 L 3079/14.A - juris Rn. 22; VG Oldenburg, B. v. 23.7.2014 - 12 B 1217/14 - juris Rn. 23; VG Braunschweig, B. v. 28.10.2013 - 7 B 185/13 - juris Rn. 9).

Bereits in Hauptsacheverfahren bejaht die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO hinsichtlich Maltas jedenfalls im Hinblick auf sog. „verletzliche“ Personen das VG Berlin (B. v. 4.8.2014 - 34 L 78.14 A - juris Rn. 12 a. E.).

Ohne Einschränkung auf besonders schutzbedürftige Personen vertritt das Verwaltungsgericht Minden in einer aktuellen Entscheidung (B. v. 12.1.2015 - 1 L 551/14.A - abrufbar auf „www.a...net“) die Auffassung, dass im Hinblick auf die Haftpraxis und die Haftbedingungen hinreichende Erkenntnisse dafür vorlägen, dass das maltesische Asylverfahren europarechtlichen Vorgaben grundsätzlich nicht genüge und Asylbewerbern dort ernsthafte Gefahren i. S. v. Art. 4 EuGrCh drohten.

Hiervon geht aktuell auch das VG Gelsenkirchen (U. v. 27.4.2015 - 7a K 864/15.A - juris Rn. 19 sowie B. v. 30.3.2015 - 7a L 340/15.A - juris Rn. 10 ff.) bereits in einem Hauptsacheverfahren aus. Es stellt fest, dass die Praxis der Republik Malta, Asylsuchende auf der Grundlage der Migrationsgesetzes Maltas („Immigration Act“) systematisch und routinemäßig, das heißt nicht aufgrund einer Einzelfallprüfung, sondern im Regelfall und nicht nur kurzfristig, sondern für eine Dauer von bis zu 12 Monaten (bei Asylbewerbern, über deren Antrag noch nicht entschieden wurde) bzw. 18 Monaten (bei abgelehnten Asylbewerbern) zu inhaftieren, die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung i. S. d. Art. 4 GR-Charta begründen kann. Da es sich um eine ständige Praxis des Aufnahmestaats handelt, weise das Aufnahmeverfahren in diesem Fall nicht nur vereinzelte, sondern systemische Schwachstellen auf (VG Gelsenkirchen, B. v. 30.3.2015 - 7a L 340/15.A - juris Rn. 12).

Auch nach den tatsächlichen aktuellen Feststellungen des VG Düsseldorf (B. v. 9.4.2015 - 8 L 1100/15.A - juris Rn. 43 ff. unter Bezugnahme auf B. v. 2.2.2015 - 13 L 2852/14.A - juris; ähnlich: VG Karlsruhe, B. v. 8.10.2014 - A 8 K 345/14 - juris Rn. 12) bestehen erhebliche Anhaltspunkt dafür, dass die Haftpraxis Maltas Asylbewerbern gegenüber nicht in Einklang mit internationalem und europäischem Recht steht und dass die bestehenden gesetzlichen und administrativen Regelungen keine effektiven und zügig durchgeführten Verfahren zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit und Angemessenheit der Inhaftierung bieten. Eine solche Behandlung setze Asylbewerber der Willkür der Behörden aus und würdige sie zum reinen Objekt staatlichen Handelns herab.

Über die Haftpraxis hinaus bejahen weitere Gerichte aktuell systemische Schwachstellen auch im Hinblick auf die Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen. In einem aktuellen Beschluss (OVG SA, B. v. 5.6.2015 - 4 L 48/15 - abrufbar auf: www.b...eu) wurde ein Antrag der Beklagten, die Berufung gegen ein stattgebendes Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg (U. v. 25.11.2014 - 5 A 118/13 MD - BeckRS 2015, 44322) zuzulassen, abgelehnt. Die Beklagte habe die entscheidungstragende Annahme der Vorinstanz, es sei davon auszugehen, dass Flüchtlinge im Falle der Überstellung nach Malta aufgrund sehr prekärer Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen insbesondere in den sog. „open centres“ einer erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 EuGrCh ausgesetzt sind, nicht hinreichend in Frage gestellt. Der Würdigung der Erkenntnismittel durch das Verwaltungsgericht Magdeburg habe die Beklagte keine weiteren, neuen oder von dem Verwaltungsgericht nicht berücksichtigten Erkenntnismittel entgegengesetzt, nach denen hinreichende Anhaltspunkte für eine andere Tatsacheneinschätzung bestünden. Mit dieser Entscheidung liegt somit auch eine aktuelle obergerichtliche Entscheidung vor, wonach von systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Malta i. S.v. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO auszugehen ist.

Für die Widerlegung der im gemeinsamen europäischen Asylsystem bestehenden Vermutung, dass die Mitgliedstaaten die Grundrechte von Asylbewerbern, das sog. Refoulement-Verbot und die Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention haben, achten, bestehen hohe Hürden. Dennoch ist der Einzelrichter nach eigener Prüfung und Würdigung der vorgenannten Rechtsprechung, der darin in Bezug genommenen Erkenntnismittel sowie der selbst zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismittel (vgl. die insoweit mit der Ladung den Beteiligten übersandte Zusammenstellung) davon überzeugt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in Malta aktuell systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 EuGrCh mit sich bringen und dass auch der Kläger im konkret zu entscheidenden Einzelfall im Fall seiner Rücküberstellung nach Malta und Wiederaufnahme durch die maltesischen Behörden dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit systemischen Mängeln i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin-III-VO ausgesetzt wäre.

Zur Begründung wird auf die vorgenannten Gerichtsentscheidungen (im Hinblick auf die Haftpraxis insbesondere: VG Gelsenkirchen, U. v. 27.4.2015 - 7a K 864/15.A - juris Rn. 19 sowie B. v. 30.3.2015 - 7a L 340/15.A - juris Rn. 10 ff.; VG Düsseldorf, B. v. 9.4.2015 - 8 L 1100/15.A - juris Rn. 43 ff. unter Bezugnahme auf B. v. 2.2.2015 - 13 L 2852/14.A - juris Rn. 40 ff.; VG Minden, B. v. 12.1.2015 - 1 L 551/14.A; im Hinblick auf die Aufnahme- und Unterbringungsbedingungen: OVG SA, B. v. 5.6.2015 - 4 L 48/15 - a. a. O., VG Magdeburg, U. v. 25.11.2014 - 5 A 118/13 MD - BeckRS 2015, 44322; VG Oldenburg, B. v. 23.7.2014 - 12 B 1217/14 - juris Rn. 27 ff.) und die darin getroffenen oder in Bezug genommenen tatsächlichen Feststellungen verwiesen.

Dabei wird nicht verkannt, dass die zuletzt bekannt gewordenen Erkenntnismittel (US Department of State, 2014 Country report on human rights practices - Malta; UN Human Rights Council: Report by the Special Rapporteur on the human rights of migrants, Francois Crépeau - Mission to Malta; aida country report Malta, Stand Februar 2015) in Teilbereichen erkennen lassen, dass die maltesischen Behörden aufgrund früherer Beanstandungen durch internationale Organisationen und Beobachter für Verbesserungen in einzelnen Aspekten der Haft- und Lebensbedingungen von Asylbewerbern in Malta gesorgt haben dürften. Aus den auf einem Besuch in Malta im Dezember 2014 beruhenden Empfehlungen des „Special Rapporteur on the human rights of migrants“ (a. a. O., S. 19 ff.) und einem aktuellen Bericht von Amnesty International (Report 2014/15 - Malta vom 25.2.2015) wird aber auch deutlich, dass nach wie vor erhebliche Defizite in der Haftpraxis und den Aufnahmebedingungen Maltas zu besorgen sind. Für den Einzelrichter ergeben sich deshalb und auch angesichts der in den letzten Monaten massiv gestiegenen Zahlen von Asylbewerbern, die über die sog. „zentrale Mittelmeerroute“ versuchen, in europäischen Ländern einen Asylantrag zu stellen, auch hieraus keine hinreichend verlässlichen Anhaltspunkte dafür, dass inzwischen nicht mehr von den in den vorgenannten Entscheidungen zu Recht festgestellten systemischen Schwachpunkte der Asylverfahren und der Aufnahmebedingungen in Malta auszugehen wäre.

Der (gerichtskostenfreien, § 83 b AsylVfG) Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
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published on 17/03/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des einstweiligen Rec
published on 12/06/2015 00:00

Tenor I. Der Antrag wird abgelehnt. II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gründe I. Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen seine drohende Überstellung nach Malta im
published on 04/06/2014 00:00

Tenor I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt. II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe I. Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtssc
published on 27/04/2015 00:00

Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 10. Februar 2015 wird aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung du
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published on 19/05/2016 00:00

Tenor I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1 des Bescheids der Antragsgegnerin vom 19. April 2016 wird angeordnet. II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe I.
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Annotations

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.