Verwaltungsgericht München Urteil, 16. Aug. 2016 - M 2 K 15.50214

bei uns veröffentlicht am16.08.2016

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 7. Januar 2015 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die nach ihren eigenen Angaben am ... Juli 1996 in ... geborene Klägerin ist ungeklärter Staatsangehörigkeit vom Volk der Palästinenser und lebte in Libyen. Sie reiste am 9. August 2014 gemeinsam mit ihrer Mutter (der Klägerin im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren im Verfahren M 23 K 15.50070) und ihrem Cousin (dem Kläger im Verfahren M 2 S 15.50215, den sie am 23. August 2014 in Deutschland nach religiösem Ritus vor einem Sheik geheiratet ...) in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 19. August 2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag. In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 19. August 2014 gab sie unter anderem an: Sie sei 1996 geboren und Palästinenserin sunnitischen Glaubens. Sie habe seit ihrer Geburt in Libyen gelebt, ihre Staatsangehörigkeit sei ungeklärt. Sie sei zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Cousin über Italien und Österreich am 8. August 2014 nach Deutschland eingereist. In Italien seien ihre Fingerabdrücke abgenommen worden, eine Asylantragstellung sei nicht erfolgt. Ein Abgleich der Fingerabdrücke der Antragstellerin mit dem System Eurodac ergab am 18. September 2014 einen Treffer der Kategorie 2 für Italien. Ein entsprechendes Übernahmeersuchen vom 3. November 2014 blieb nach Aktenlage abgesehen von einer Eingangsbestätigung unbeantwortet.

Mit Bescheid des Bundesamts vom 7. Januar 2015, zugestellt am 19. Januar 2015, wurde der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und gemäß § 34a AsylVfG die Abschiebung nach Italien angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig sei, da Italien aufgrund der illegalen Einreise gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintritt gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Da die italienischen Behörden nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen geantwortet hätten, sei gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin-III-Verordnung davon auszugehen, dass Italien die Aufnahme akzeptiere. In Italien lägen keine systemischen Mängel vor. Deutschland sei verpflichtet, die Überstellung nach Italien als zuständigem Mitgliedstaat innerhalb der festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2015, eingegangen am 26. Januar 2015, ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen,

den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 7. Januar 2015 aufzuheben.

Die Mutter der Antragstellerin sei physisch und psychisch schwerwiegend erkrankt und hilfsbedürftig, sie habe sich seit ihrer Einreise bereits mehrfach in stationäre Behandlung begeben müssen. Sie sei im engeren und weiteren Sinn nicht reisefähig und auf die Unterstützung der Antragstellerin, mit der sie bereits in Libyen zusammengelebt habe, dringend angewiesen. Auch als volljährige Tochter könne sich die Antragstellerin wegen des Bestehens einer Beistandsgemeinschaft auf den Schutz durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK berufen.

Dem gleichzeitig gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, wurde mitBeschluss vom 17. April 2015, Az. M 2 S 15.50216, stattgegeben.

Die Akten des Bundesamts wurden mit Schreiben vom 12. März 2015 vorab über-sand. Eine Antragstellung erfolgte nicht.

Mit Schriftsatz vom 12. April 2015 führte die Klägerbevollmächtigte u. a. aus, zwischen der Klägerin, ihrem Ehemann und ihrer Mutter bestehe eine durch Art. 6 GG geschützte Beistandsgemeinschaft. Mit weiterem Schriftsatz vom 15. September 2015 wurde mitgeteilt, dass die Klägerin schwanger gewesen und durch ein Versterben des Kindes in Mutterleib psychisch erheblich belastet sei.

Mit rechtskräftigem Urteil vom 7. April 2016, Az. M 23 K 15.50070, wurde der Bescheid des Bundesamts vom 7. Januar 2015, mit dem der Asylantrag der Mutter der Klägerin als unzulässig abgelehnt worden war, aufgehoben. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass zwar grundsätzlich Italien zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei und dort auch keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorlägen, aufgrund derer einem im Dublin-Verfahren rücküberstellten Asylbewerber die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohe. Allerdings gehöre die Mutter der Klägerin aufgrund ihrer vielfachen psychischen und physischen Erkrankungen zu einem besonders vulnerablen Personenkreis, so dass gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO von einem Anspruch auf Selbsteintritt der Beklagten zur Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin im Bundesgebiet auszugehen sei. Aufgrund ihrer Erkrankungen benötige sie schnellen und vielfachen Zugang zu klinischen Einrichtungen. Darüber hinaus liege bei der Mutter der Klägerin aufgrund ihrer Erkrankungen wohl ein inlandbezogenes Abschiebungshindernis vor, da nicht feststehe, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Im Klage- und Eilverfahren der Mutter der Klägerin war unter Vorlage entsprechender Arztberichte insbesondere vorgetragen worden: Sie habe sich seit dem 19. Dezember 2014 in geschlossener stationärer Behandlung im ...-Klinikum ... ... befunden und die Ärzte hätten eine schwere depressive Episode, eine posttraumatische Belastungsstörung, eine gemischte dissoziative Störung mit Bewegungsstörung sowie eine funktionelle Hemiparese rechts und dissoziative Krampfanfälle diagnostiziert; die Mutter der Klägerin habe am 20. Januar 2015 aufgrund der Mitteilung über die angeordnete Rückführung einen dissoziativen Anfall mit kurzzeitiger Aussetzung der Atmung erlitten und täglich einen langanhaltenden dissoziativen Anfall, ihre Mobilität habe sich erheblich verschlechtert, ihre Transport- und Reisefähigkeit sei nicht gegeben. Sie leide zudem unter Diabetes mellitus und der Autoimmunkrankheit systemischer Lupus erythematodes; die medizinische Behandlung der Diabetes sei zwingend erforderlich. Nach einem Arztbericht des ...-Klinikums ... vom 11. Februar 2015 über einen Klinikaufenthalt vom 19. bis 22. Dezember und vom 24. Dezember 2014 bis 11. Februar 2015 werden eine schwere depressive Episode, Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung, dissoziative Bewegungsstörungen mit funktioneller Hemiparese rechts, dissoziative Krampfanfälle und zentrale Fazialisparese links diagnostiziert; sie sei in teilremittiertem Zustand, deutlich gebessert hinsichtlich depressiver Stimmung und des Antriebs, frei von Suizidalität nach Hause entlassen worden und es werde eine regelmäßige ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung in Muttersprache empfohlen. Am 11. Februar 2015 wurde eine Notfallbehandlung wegen Verdachts dissoziative Krampfanfälle durchgeführt. In einem Arztbrief des Klinikums Landkreis ... vom 8. November 2015 über einen Klinikaufenthalt vom 5. bis 8. November 2015 werden die aktuellen sowie bereits zuvor bekannten Diagnosen aufgeführt. Ergänzend wurde vorgetragen, dass die Mutter der Klägerin in der Zwischenzeit mehrfach in stationärer psychiatrischer Behandlung wegen depressiver Episoden und Lähmungen gewesen sei. Nach einem Arztbrief des Klinikums ... vom 11. Dezember 2015 über einen Klinikaufenthalt vom 10. bis 11. Dezember 2015 war sie in komatösen Zustand bei Entgleisung ihres Blutzuckerwertes ins Krankenhaus gebracht worden, es habe sich um eine Bewusstlosigkeit bei Hypoglykämie gehandelt.

Mit Schriftsatz vom 10. August 2016 erklärte sich die Klägerseite mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden. Das Bundesamt gab mit Schreiben vom 24. Juni 2015 gegenüber dem Verwaltungsgericht München eine allgemeine Prozesserklärung ab, in der für asylrechtliche Verfahren u. a. generell auf mündliche Verhandlung verzichtet wurde.

Durch Beschluss vom 10. August 2016 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (§ 76 Abs. 1 AsylG).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten der Klägerin sowie die ihrer Mutter (Az. M 23 K 15.50070 und Az. M 23 S 15.50071) und ihres Cousins und Ehemannes (Az. M 2 K 15.50215 und Az. M 2 S 15.50217) einschließlich der jeweiligen Akten des Bundesamts verwiesen.

Gründe

Über die Klage konnte mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die isolierte Anfechtungsklage ist gegen den Bescheid des Bundesamts, mit dem der Asylantrag nach § 27a AsylG als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung angeordnet wird, ist zulässig. Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung ist statthafte Klageart gegen eine Feststellung nach § 27 a AsylG allein die Anfechtungsklage (BayVGH, B. v. 20.5.2015 - 11 ZB 14.50036 - juris Rn. 11; BayVGH, B. v. 11.2.2015 - 13a ZB 15.50005 - juris Rn. 8 ff.; OVG RhPf, U. v. 5.8.2015 - 1 A 11020/14 - juris Rn. 19; OVG NRW, B. v.16.6.2015 - 13 A 221/15.A - juris Rn. 16 ff.; VGH BW, U. v. 29.4.2015 - A 11 S 121/15 - juris Rn. 35 ff.). Diese gewährt den erforderlichen wie auch ausreichenden Rechtschutz: Nach Aufhebung des auf § 27a AsylG gestützten Bescheids hat die Beklagte eine inhaltliche Überprüfung des Asylantrags vorzunehmen, ohne dass es hierzu einer gesonderten Verpflichtung der Beklagten bedürfte. Nach Abschluss dieser Prüfung hat die Beklagte eine inhaltliche Entscheidung über das Asylbegehren zu treffen. Im Falle einer negativen Entscheidung kann Verpflichtungsklage auf Statuszuerkennung erhoben werden.

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamts vom 7. Januar 2015 ist in dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Er war daher aufzuheben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da Deutschland für die Prüfung des Asylantrags der Klägerin zuständig ist, ist sowohl die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylVfG als auch die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 2 AsylVfG des Bescheids vom 7. Januar 2015 aufzuheben.

Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig (Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids) ist § 27 a AsylG. Gemäß dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung (Ziffer 2. des Bescheids) ist § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, soll der Ausländer u. a. in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) abgeschoben werden, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass diese durchgeführt werden kann.

Vorliegend ist aufgrund des Eurodac-Treffers der Kategorie 2 sowie der eigenen Angaben der Klägerin davon auszugehen, dass Italien nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Mangels Reaktion Italiens auf das Aufnahmeersuchen des Bundesamts vom 3. November 2014 ist die Fiktionswirkung nach Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO eingetreten. Auch die Überstellungsfrist nach Art. 29 Dublin-III-VO ist aufgrund der Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Beschluss vom 17. April 2015 nicht abgelaufen. Damit wäre Italien weiterhin für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin zuständig.

Im hier zu entscheidenden Fall ist jedoch Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, weil das der Beklagten nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung zustehende Ermessen für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts auf null reduziert ist (a) und zudem einer Abschiebung ein inländisches Vollstreckungshindernis entgegensteht (b).

a) Nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Das der Beklagten danach zustehende Ermessen ist vorliegend wegen der Hilfsbedürftigkeit der Mutter der Klägerin dahingehend eingeschränkt, dass die Zuständigkeit Deutschlands für die Durchführung des Asylverfahrens der Klägerin zu bejahen ist. Bei der Anwendung der Dublin-III-Verordnung ist die Achtung des Familienlebens vorrangig zu berücksichtigen, Mitglieder einer Familie sollen nicht getrennt werden, der Grundsatz der Einheit der Familie soll geachtet werden und von den Zuständigkeitskriterien der Verordnung soll insbesondere aus humanitären Gründen oder in Härtefällen abgewichen werden können, um Familienangehörige, Verwandte oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen (Erwägungen Nrn. 14, 15 und 17 der Dublin-III-VO). Zwar ist die volljährige Antragstellerin nach der Legaldefinition in Art. 2 Buchst. g Dublin-III-Verordnung keine Familienangehörige ihrer Mutter, sie ist jedoch die leibliche Tochter ihrer psychisch und physisch kranken und hilfsbedürftigen, der deutschen Sprache nicht mächtigen Mutter, für die nach dem rechtkräftigen Urteil vom 7. April 2016, Az. M 23 K 15.50070, das Asylverfahren in Deutschland durchzuführen ist. Zwischen der Klägerin und ihrer Mutter besteht eine seit der Geburt der Klägerin gelebte Gemeinschaft, auf die die Mutter der Klägerin gerade in ihrer derzeitigen Lage dringend angewiesen ist. Es würde den in der Dublin-III-Verordnung verankerten Grundsätzen der Wahrung der Familieneinheit und der Humanität grob widersprechen, wenn das Asylverfahren der Klägerin in Italien durchgeführt werden müsste.

b) Zudem besteht im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, das von der Beklagten bei Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG zu prüfen ist (BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - Rn. 4 m. w. N.; Funke-Kaiser, GK-Asylverfahrensgesetz, Stand Juni 2014, § 34a Rn. 22 m. w. N.). Die Klägerin und ihre hilfsbedürftige Mutter sind, auch wenn die volljährige Klägerin keine Familienangehörige im Sinne der Dublin-III-Verordnung ist, in gerader Linie verwandt und Angehörige einer Familie. Die Mutter der Klägerin ist offensichtlich auf Hilfe und Beistand ihrer Tochter angewiesen. Einer Abschiebung kann in Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK auch entgegenstehen, wenn eine familiäre Lebensgemeinschaft im Sinne einer sog. Beistandsgemeinschaft zwischen erwachsenen Familienmitgliedern besteht.

Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Familienmitglied auf eine auch tatsächlich erbrachte Lebenshilfe des anderen von einigem Gewicht angewiesen ist und sich diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in der Bundesrepublik erbringen lässt, namentlich, wenn einem beteiligten Familienmitglied die Ausreise nicht zumutbar ist. Eine Haus- oder Haushaltsgemeinschaft ist dabei nicht unbedingt erforderlich. Gefordert wird, dass eine erforderliche wesentliche Hilfe geleistet wird, ohne dass dabei die Schwelle der spezifischen Pflegebedürftigkeit erreicht sein müsste. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte, die nicht Familienangehörige sind (zum Ganzen: Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand März 2015, § 60 a Rn. 199 ff. m. w. N.). Dies ist hier der Fall.

Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 16. Aug. 2016 - M 2 K 15.50214

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Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl
Verwaltungsgericht München Urteil, 16. Aug. 2016 - M 2 K 15.50214 zitiert 14 §§.

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(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34a Abschiebungsanordnung


(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 76 Einzelrichter


(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist od

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(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Kläger sind (nach eigenen Angaben) russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Am 31. Mai 2013 reisten sie aus Polen kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) Asylanträge. Am 12. Juni 2013 wurden sie zur Vorbereitung einer Prüfung nach dem Dublin-Verfahren befragt. Nachdem die polnischen Behörden dem Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 29. Oktober 2013 am 8. November 2013 zugestimmt hatten, erklärte das Bundesamt die Asylanträge mit Bescheid vom 29. Januar 2014 für unzulässig (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Polen an (Nr. 2). Polen sei für die Prüfung der Asylanträge zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich.

Mit Schreiben vom 18. Februar 2014 ließen die Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Würzburg erheben. Den zugleich gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 6. März 2014 abgelehnt. Mit Urteil vom 27. August 2014 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 29. Januar 2014 verpflichtet, für die Kläger ein Asylverfahren durchzuführen. Eine vom Gericht veranlasste amtsärztliche Untersuchung habe ergeben, dass der Kläger zu 1 auf nicht absehbare Zeit reiseunfähig sei. Daher liege ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis vor, das die Beklagte selbst zu berücksichtigen habe und das zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führe. Die Unmöglichkeit der Abschiebung erstrecke sich zur Wahrung der Familieneinheit auch auf die Kläger zu 2 bis 9. Sie habe auch die Rechtswidrigkeit der im Bescheid festgestellten Unzulässigkeit der Asylanträge zur Folge. Es wäre systemwidrig, wenn ein unter Umständen lang andauernder Zustand der Ungewissheit einträte, in dem weder Polen als an sich zuständiger Mitgliedstaat das Asylbegehren prüfen könne noch die Beklagte tätig werde, weil sie abwarte, ob sie eine erneute Abschiebungsanordnung erlassen könne. Das Dublin-System basiere auf der Annahme, dass immer ein Mitgliedstaat die Asylanträge inhaltlich prüfe.

Daraufhin haben die Kläger ihren Antrag vom 22. Mai 2014, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6. März 2014 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO wegen der ärztlich attestierten Reiseunfähigkeit des Klägers zu 1 zu ändern, zurückgenommen.

Gegen das Urteil vom 27. August 2014 wendet sich die Beklagte mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG nicht vorliegt.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dies würde voraussetzen, dass eine im Zulassungsantrag darzulegende konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

1. Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, in welchem Umfang das Vorliegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses die Aufhebung der Feststellungen zur Unzulässigkeit eines Asylantrags und der verfügten Abschiebungsanordnung trage. Diese Frage würde sich aber in einem Berufungsverfahren nicht stellen, da sowohl die Abschiebungsanordnung als auch die Feststellung im angefochtenen Bescheid, der Asylantrag sei unzulässig, unter den gegebenen Umständen und nach derzeitiger Erkenntnislage nicht (mehr) aufrecht erhalten werden können.

Das Asylverfahrensgesetz geht davon aus, dass die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags (§ 27a AsylVfG) und die Anordnung der Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 34a AsylVfG) grundsätzlich miteinander verknüpft sind. Hierfür spricht sowohl § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG, wonach die Ablehnung des Asylantrags nach § 26a oder § 27a AsylVfG dem Ausländer zusammen mit der Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG zuzustellen ist, als auch § 31 Abs. 6 AsylVfG, wonach dem Ausländer in der Entscheidung nach § 27a AsylVfG mitgeteilt wird, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Ob und unter welchen Voraussetzungen, etwa bei einem nur vorübergehenden Abschiebungshindernis und nach wie vor bestehender Übernahmepflicht oder -bereitschaft des Staates, in den der Asylbewerber abgeschoben werden soll, die Abschiebungsanordnung aufrecht erhalten werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Gleiches gilt für die Frage, ob die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags (§ 27a AsylVfG) bei Aufhebung der Abschiebungsanordnung isoliert Bestand haben kann. Zum einen ist das Verwaltungsgericht von einer auf nicht absehbare Zeit bestehenden Reiseunfähigkeit des Klägers zu 1 ausgegangen. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung vom Bundesamt zu berücksichtigen (BVerfG, B. v. 17.9.2014 - 2 BvR 939/14 - NVwZ 2014, 1511/1512 f. und 2 BvR 1795 - juris Rn. 9-11; BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris Rn. 4 m. w. N.). Dass der Kläger zu 1 mittlerweile wieder reisefähig wäre, ist weder vom Bundesamt vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zum anderen ist die Frist für die Überstellung der Kläger nach Polen abgelaufen. Ob das Bundesamt insoweit zu Recht von einem Ablauf erst zum 8. Mai 2015 ausgegangen ist, erscheint fraglich. Entgegen der Begründung des Zulassungsantrags lassen sich den Akten keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die minderjährige Klägerin zu 5 (oder ein anderes Familienmitglied) flüchtig (gewesen) wäre und sich dadurch die sechsmonatige Überstellungsfrist gemäß Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl L 50 S. 1, Dublin II-VO), auf 18 Monate verlängert hätte. Vielmehr ergibt sich aus der Mitteilung des Polizeipräsidiums Unterfranken vom 6. Mai 2014, dass an diesem Tag mit Ausnahme der Klägerin zu 5, die sich nach Angaben ihrer Mutter (der Klägerin zu 2) bei einer Freundin aufgehalten habe, alle Familienmitglieder angetroffen wurden. Damit kann aber noch nicht davon ausgegangen werden, die Klägerin zu 5 wäre flüchtig (untergetaucht) gewesen, zumal sich den Akten nicht entnehmen lässt, dass weitere Versuche zur Überstellung der Kläger nach Polen stattgefunden hätten. Jedenfalls ist auch die vom Bundesamt zugrunde gelegte verlängerte Überstellungsfrist inzwischen verstrichen. Es ist keine gerichtliche Entscheidung ergangen, die durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage den Ablauf der Überstellungsfrist gehemmt hätte. Das Bundesamt, dem insoweit die Darlegungslast zukommt (vgl. BayVGH, B. v. 11.2.2015 - 13a ZB 15.50005 - juris Rn. 4), hat auch nicht vorgetragen, dass Polen trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist nach wie vor bereit wäre, die Kläger wieder aufzunehmen. Die Kläger haben damit Anspruch darauf, dass das Bundesamt erneut in das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats und ggf. selbst in die Prüfung des Asylbegehrens eintritt (vgl. BayVGH, B. v. 29.4.2015 - 11 ZB 15.50033 - juris Rn. 16).

2. Die Beklagte hält des Weiteren für grundsätzlich klärungsbedürftig, „ob sich das Tatsachengericht in der Konstellation des Zweitantrags i. S. d. § 71a AsylVfG darauf beschränken darf, einen behördlich zum Nachteil des Antragstellers mit Verweis auf § 27a AsylVfG ergangenen Bescheid bereits deswegen aufzuheben, weil das Gericht die Voraussetzungen für die Ablehnung nach § 27a AsylVfG nicht bzw. nicht mehr für erfüllt hält, oder ob es zudem der weitergehenden Prüfung und Feststellung bedarf, dass einerseits eine Verfahrenszuständigkeit Deutschlands besteht und andererseits Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen, und ob darüber hinausgehend in dieser Konstellation das Tatsachengericht sogar verpflichtet ist, dann das Asylbegehren auch in der Sache spruchreif zu machen, mit anderen Worten, ob insoweit - wie typischerweise im Asylverfahren - eine auf Statuszuerkennung gerichtete Verpflichtungsklage allein statthafte Klageart ist.“

Diese Fragen sind durch die neuere obergerichtliche Rechtsprechung bereits dahingehend geklärt, dass statthafte Klageart gegen eine Feststellung nach § 27a AsylVfG die Anfechtungsklage ist (BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628; U. v. 13.4.2015 - 11 B 15.50031 - juris Rn. 18; OVG Hamburg, B. v. 2.2.2015 - 1 Bf 208/14.AZ - juris Rn. 12; NdsOVG, B. v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B. v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; OVG NW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - DVBl 2014, 790; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris; ebenso Bergmann, ZAR 2015, 81/88). Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach §§ 32, 33 AsylVfG (U. v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 Rn. 14 m. w. N.), wonach es nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts ist, anstelle des mit besonderer Sachkunde ausgestatteten und mit der Prüfung des Asylbegehrens noch gar nicht befassten Bundesamts über den Asylanspruch zu befinden, besteht auch hier keine Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, die Spruchreife herbeizuführen und „durchzuentscheiden“ (BayVGH, U. v. 29.1.2015 - 13a B 14.50038 - juris Rn. 20). Gegenteiliges lässt sich auch nicht der in der Antragsbegründung zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 (BVerwG 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171) entnehmen, die zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG und nicht zu einer Entscheidung über die Zuständigkeit nach § 27a AsylVfG i. V. m. der Dublin II-Verordnung ergangen ist. Es besteht aufgrund der - soweit ersichtlich einheitlichen - obergerichtlichen Rechtsprechung kein weitergehender Klärungsbedarf, der hinsichtlich dieser Fragen die Durchführung eines Berufungsverfahrens erforderlich machen würde.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

4. Dieser Beschluss, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 28. November 2014 ist unbegründet, weil die geltend gemachten Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 AsylVfG nicht vorliegen. Das Urteil betrifft die Nr. 1 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 8. April 2014 mit dem Ausspruch, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist.

Das Urteil beruht nicht auf einem Verfahrensmangel im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG, § 138 VwGO. Die Beklagte rügt, das Verwaltungsgericht stelle darauf ab, dass der bislang zuständige Mitgliedstaat nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr zur Übernahme bereit sei, und nehme dadurch Tatsachen an, von denen ein sachkundiger Prozessbeteiligter nicht ausgehen müsse. Sie sieht darin eine Überraschungsentscheidung und beruft sich somit auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B. v. 30.4.2003 -1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wonach vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör hat, könnte nur dann festgestellt werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich keine generelle Pflicht des Gerichts, den Beteiligten vorab mitzuteilen, wie es bestimmte Erkenntnismittel oder den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers einschätzt. Eine unzulässige Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das Gericht in seiner Entscheidung auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, der weder im Verwaltungsverfahren noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erörtert wurde und der zunächst als fernliegend anzusehen war und damit dem Rechtsstreit eine unerwartete Wende gibt (BVerwG, B. v. 19.7.2010 - 6 B 20.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 54 = NVwZ 2011, 372; B. v. 19.6.1998 - 6 B 70.97 - Buchholz 448.6 § 1 KDVG Nr. 56 = NVwZ-RR 1998, 759).

Gemessen an diesen höchstrichterlichen Grundsätzen ist vorliegend eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht zu erkennen. Das Verwaltungsgericht hat das Bundesamt mit Schreiben vom 12. November 2014 um Stellungnahme zum Ablauf der Überstellungsfrist gebeten. Dabei wurde Bezug genommen auf die Regelung in Art. 29 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), wonach der zuständige Mitgliedstaat nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr zur Aufnahme verpflichtet ist und die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht. Im Hinblick auf dieses gerichtliche Schreiben und einen fehlenden Hinweis der Beklagten, dass Ungarn vorliegend entgegen des gesetzlichen Zuständigkeitsübergangs auf die Bundesrepublik ausnahmsweise dennoch zur Aufnahme bereit wäre, gibt die Einschätzung des Gerichts zur Übernahmebereitschaft Ungarns dem Rechtsstreit keine unerwartete Wende. Von einer Übernahmebereitschaft nach Ablauf der Überstellungsfrist kann angesichts des gesetzlichen Zuständigkeitsübergangs auf die Bundesrepublik grundsätzlich nicht ausgegangen werden, so dass die Annahmen des Verwaltungsgerichts nicht als fernliegend anzusehen sind. Mit Recht weist der Kläger darauf hin, dass es Sache der Beklagten wäre, eine ausnahmsweise trotz Fristablaufs vorhandene Bereitschaft zur (Wieder-)Aufnahme entsprechend mitzuteilen. Die gegenteilige Annahme im Urteil kommt bei dem hier vorliegenden Verfahrensablauf nicht überraschend.

Das Urteil weicht auch nicht von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 1998 (9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 = NVwZ 1998, 861) ab. Eine Divergenz i. S. v. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem sein Urteil tragenden Obersatz von einem Obersatz des höheren Gerichts abgewichen ist (BVerwG, B. v. 19.8.1997 - 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Die Beklagte rügt insoweit, das Verwaltungsgericht lege den Rechtssatz zugrunde, gegen die gemäß § 27a AsylVfG erfolgte Antragsablehnung sei (nur) die Anfechtungsklage statthaft. Dies stehe im Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, weil im Gegensatz zu dessen Anforderungen keine das asylrechtliche Folgeverfahren abschließende Entscheidung getroffen werde.

Die Beklagte weist selbst zunächst selbst darauf hin, dass die genannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Folgeantragsregelung nach § 71 AsylVfG ergangen ist. Vorliegend ist Klagegegenstand aber eine Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 27a AsylVfG. Das Bundesamt hat nur darüber entschieden und im Übrigen darauf verwiesen, dass eine materielle Prüfung nicht erfolgt ist. In dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist zudem ausgeführt, dass der Aspekt, ob das Asylverfahren wieder aufgenommen werden müsse, lediglich den geltend gemachten Anspruch auf Asylanerkennung betreffe. Dass die Anforderungen für die Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids erfüllt seien, sei Voraussetzung für den Anspruch auf Asyl, nicht aber gebe es einen selbstständig neben diesem stehenden und eigenständig einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch. Damit könne weder lediglich auf „Wiederaufgreifen“ geklagt noch vom Gericht „isoliert“ über die Frage, ob wiederaufzugreifen sei, entschieden werden. Eine derartige Fallkonstellation ist vorliegend aber nicht gegeben. Zum einen steht hier als Vorfrage zum Anerkennungsanspruch des Klägers die Zuständigkeit zur Durchführung eines Asylverfahrens nach den Anforderungen der Dublin III-VO im Streit. Zum anderen klagt der Kläger weder „isoliert“ auf Wiederaufgreifen noch macht er (materiell) einen Anspruch auf Asylanerkennung geltend. Er geht vielmehr allein gegen die Feststellung vor, dass sein Asylantrag unzulässig sei und beantragt nur die Aufhebung dieses feststellenden Verwaltungsakts. Dem ist das Verwaltungsgericht gefolgt und davon ausgegangen, dass ein (isolierter) Anfechtungsantrag statthaft ist. Mit dieser Annahme wird kein Obersatz aufgestellt, welcher der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung widersprechen würde, weil ein Anspruch auf Asylanerkennung und damit ein materielles Verpflichtungsbegehren, wie es der vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fallkonstellation zugrunde lag, hier nicht im Raum stand.

Der Streitsache kommt schließlich auch nicht die ihr von der Beklagten hilfsweise zugemessene grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zu. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Die Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob „bei einem als unzulässig i. S. d. § 27a AsylVfG abgelehnten Asylantrag die prozessuale Dispositionsbefugnis der Klägerseite Einschränkungen bzw. Maßgaben unterliegt und deshalb eine isolierte Anfechtungsklage als zulässige Klageart ausscheidet, weil vielmehr auch dann zwingend eine Verpflichtungsklage zu erheben ist, sowie ob die Tatsachengerichte gehalten sind, dem folgend das Vorliegen eines insgesamt verfahrensrelevanten Asylantrags festzustellen und ferner, ob dann auch das Asylbegehren in der Sache spruchreif zu machen ist“. Im in besonderer Weise von der Verwirklichung der Grundsätze einer Verfahrenskonzentration und -beschleunigung geprägten Asylverfahren sei nur eine auf Statuszuerkennung gerichtete Klage, nicht aber ein nur auf bloße Anfechtung oder auf Rückverweisung zur nochmaligen behördlichen Befassung gerichtetes Begehren zulässig.

Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Berufung. Denn sie sind durch die neuere obergerichtliche Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Urteil vom 28. Februar 2014 (13a B 13.30295 - BayVBl 2014, 628) als statthafte Klageart gegen die Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, die Anfechtungsklage angesehen. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu revisiblem Bundesrecht der Rechtssache nicht die grundsätzliche Bedeutung nimmt (BVerfG, B. v. 11.2.2008 - 2 BvR 2575/07 - InfAuslR 2008, 240) und eine Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht noch nicht erfolgt ist. Ein weitergehender Klärungsbedarf besteht aber im Gegensatz zu der Fallkonstellation, die der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde lag, vorliegend dennoch nicht, weil die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs mit der allgemeinen obergerichtlichen Rechtsprechung im Einklang steht (siehe NdsOVG, B. v. 6.11.2014 - 13 LA 66/14 - AuAS 2014, 273; OVG Saarl, B. v. 12.9.2014 - 2 A 191/14 - juris; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - AuAS 2014, 118 = DVBl 2014, 790; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 643/12 - juris). Danach ist gegen Entscheidungen des Bundesamts, die Durchführung eines Asylverfahrens nach Maßgabe von § 27a AsylVfG abzulehnen, eine Anfechtungsklage statthaft. Die Zuständigkeitsprüfung nach der Dublin II- bzw. Dublin III-VO ist der Prüfung des Asylantrags vorgelagert und von dem Verfahren zur inhaltlichen Prüfung des Asylverfahrens zu unterscheiden. Zudem hat das Bundesverwaltungsgericht (U. v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329 = NVwZ 2014, 158; U. v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - NVwZ 1996, 80) im vergleichbaren Fall einer Einstellungsverfügung durch das Bundesamt nach §§ 32, 33 AsylVfG die vom Kläger beantragte (bloße) Aufhebung des Einstellungsbescheids für ausreichend erachtet mit der Folge, dass die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten bleibt. Das Bundesverwaltungsgericht weist darauf hin, dass das Verwaltungsgericht zwar die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen habe, dies aber nicht ausnahmslos gelte. Es könne nicht generell Aufgabe des Verwaltungsgerichts sein, anstelle des mit besonderer Sachkunde versehenen Bundesamts, das mit der Sache noch gar nicht befasst gewesen sei und demgemäß auch eine Entscheidung über das Asylbegehren noch gar nicht habe treffen können, über den Asylanspruch zu befinden. § 113 Abs. 3 VwGO lasse sich jedenfalls der Rechtsgedanke entnehmen, dass die Verwaltungsgerichte auch bei der Kontrolle eines rechtlich gebundenen Verwaltungsakts nicht in jedem Falle selbst die Spruchreife herbeiführen müssten, sondern bei erheblichen Aufklärungsdefiziten zunächst der Behörde Gelegenheit geben könnten, eine den Streitstoff erschöpfende Sachentscheidung zu treffen. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens durch das Asylverfahrensgesetz stehe im Falle versäumter Sachentscheidung durch das Bundesamt der Annahme entgegen, dass nur eine auf die Asylanerkennung gerichtete Verpflichtungsklage, auf die hin das Verwaltungsgericht die Sache spruchreif zu machen hätte, in Betracht käme. Darüber hinaus ginge dem Asylantragsteller eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenderen Verfahrensgarantien wie persönliche Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG) und Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ausgestattet sei. Die Regelungen des Asylverfahrensgesetzes ließen darauf schließen, dass die sachliche Prüfung vorrangig von der Fachbehörde nachzuholen sei und nicht generell eine Pflicht zum „Durchentscheiden“ angenommen werden könne. Diese Ausführungen können auf vorliegende Konstellation übertragen werden.

Das Urteil des zweiten Senats des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 19. Juni 2012 (A 2 S 1355/11 - AuAS 2012, 213), auf das sich die Beklagte beruft, unterscheidet sich dadurch, dass sich der Kläger hier in zulässiger Weise auf einen Anfechtungsantrag beschränkt, wohingegen der dortige Kläger einen Verpflichtungsantrag gestellt hatte. In diesem Zusammenhang erwähnt der Verwaltungsgerichtshof die Pflicht des Gerichts, die Streitsache spruchreif zu machen. Zudem dürfte die Entscheidung durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs zwischenzeitlich überholt sein, worauf auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im Urteil vom 16. April 2014 (a. a. O.) hinweist.

Auch die weiter aufgeworfenen Rechtsfragen, „ob die Aufrechterhaltung einer mit Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG begründeten Ablehnung der inhaltlichen Asylantragsprüfung auf anderer Rechtsgrundlage bzw. die Umdeutung einer so begründeten Entscheidung nach der asylverfahrensrechtlichen Konzeption ausscheidet, insbesondere auch dann, wenn es sich um den Fall eines Zweitantrags i. S. d. § 71a AsylVfG handelt, und ob sich das Tatsachengericht darauf beschränken darf, in diesen Konstellationen, zumal wenn ein ohne Statuszuerkennung gebliebenes Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat der Dublin-Verordnung hinzukommt, für die Aufhebung eines behördlich zum Nachteil des Antragstellers mit Verweis auf § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides insoweit hinsichtlich des im Bundesgebiet gestellten Asylbegehrens nur zu prüfen und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Ablehnung nach § 27a AsylVfG nicht (mehr) erfüllt sind, oder ob es bei zugleich gegebenen Zweitanträgen noch der weitergehenden Feststellung bedarf, dass überhaupt ein verfahrensrelevanter Asylantrag vorliegt, nicht nur weil die Verfahrenszuständigkeit Deutschlands besteht, sondern zudem Wiederaufgreifensgründe nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG dargetan sind“, begründen nicht die Zulassung der Berufung.

Da sich der Kläger zulässigerweise auf eine Anfechtungsklage beschränkt hat, mangelt es bereits an einem entsprechenden Verpflichtungsbegehren. Zudem bedarf die Frage einer Umdeutung keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da sie durch eine Subsumtion unter die Voraussetzungen des § 47 VwVfG beantwortet werden kann. Danach kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Eine Umdeutung ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Hier sind die beiden möglichen Verwaltungsakte, die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags einerseits und die inhaltliche Ablehnung eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG, schon nicht auf das gleiche Ziel gerichtet. Ersteres dient allein der Feststellung, dass nicht die Bundesrepublik, sondern ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das Asylbegehren steht hierbei nicht inmitten. Die zweite Variante hingegen hat die materielle Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zum Ziel. Auch würde die Umdeutung der im Bescheid explizit genannten Absicht, den Asylantrag in der Bundesrepublik nicht materiell zu prüfen, widersprechen. Dadurch unterscheidet sich vorliegende Konstellation auch von derjenigen, die der von der Beklagten genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 24.11.1998 - 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 = NVwZ 1999, 302) zugrunde liegt. Dort hat das Bundesamt den Asylantrag materiell geprüft und eine Asylanerkennung zurückgenommen. In einem solchen Fall, der schon den Anerkennungsanspruch des Klägers zum Gegenstand hat, hat das Gericht der Entscheidung zufolge zu prüfen, ob sich der Aufhebungsbescheid als Widerruf der Asylanerkennung aufrechterhalten lässt. Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG. Da hiernach die Beklagte die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen hat, bedurfte es keiner Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.


Tenor

Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 14. August 2014 – 2 K 426/14.TR – wird der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Februar 2014 aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem die Unzulässigkeit seines in Deutschland gestellten Asylantrages festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wird.

2

Der Kläger ist eigenen Angaben zufolge am … 1976 geboren und iranischer Staatsangehöriger. Im Jahre 2011 reiste er – ebenfalls nach eigener Darstellung – zunächst über die Türkei und Griechenland nach Italien, wo er sich etwa 17 Monate aufhielt und Asyl beantragte. Im März 2013 reiste er über Frankreich nach Deutschland und stellte dort am 23. April 2013 einen Asylantrag.

3

Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 30. April 2013 gab der Kläger im Wesentlichen an, im Iran zusammen mit Freunden an Demonstrationen teilgenommen und Parolen gegen die Regierung geschrieben zu haben, woraufhin ein Teil der Freunde verhaftet worden sei. Zudem sei er vom Militärdienst desertiert.

4

Die Beklagte stellte, nachdem ihr durch eine Mitteilung aus dem EURODAC-System die illegale Einreise des Klägers nach Italien und die dortige Asylantragstellung bekannt geworden waren, am 12. Dezember 2013 ein Wiederaufnahmegesuch an Italien, auf das die italienischen Behörden nicht reagierten.

5

Mit Bescheid vom 14. Februar 2014 erklärte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Asylantrag des Klägers für unzulässig und ordnete dessen Abschiebung nach Italien an.

6

Einen am 24. Februar 2014 gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Trier mit Beschluss vom 6. März 2014 – 2 L 353/14.TR – ab.

7

Am 5. März 2014 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er im Wesentlichen geltend gemacht hat, dass zwischenzeitlich die in Art. 20 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung festgelegte 6-monatige Frist für eine Überstellung nach Italien abgelaufen und der Bescheid vom 14. Februar 2014 deswegen rechtswidrig geworden und aufzuheben sei.

8

Das Verwaltungsgericht Trier hat die Klage mit Urteil vom 14. August 2014 – 2 K 426/14.TR – abgewiesen. Systemische Mängel des italienischen Asylverfahrens und der dortigen Aufnahmebedingungen seien nicht festzustellen. Auch sei die Beklagte vorliegend nicht wegen einer unangemessen langen Dauer des Verwaltungsverfahrens verpflichtet, das ihr eingeräumte Selbsteintrittsrecht auszuüben. Die 6-monatige Überstellungsfrist nach der Dublin II-Verordnung sei ebenfalls noch nicht verstrichen, sondern habe mit Abschluss des Eilverfahrens erneut zu laufen begonnen. Abgesehen davon könne sich der Kläger auf einen Verstoß gegen die entsprechenden Fristenregelungen auch gar nicht berufen, da hieraus keine subjektiven Rechte ableitbar seien.

9

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 3. September 2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3. Oktober 2014 die Zulassung der Berufung beantragt. Die mit Beschluss des Senats vom 6. November 2014 – 1 A 10928/14.OVG – wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung hat der Kläger am 8. Dezember 2014 begründet.

10

Er macht geltend, Art. 20 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung begründe eine subjektive Berechtigung des Asylbewerbers, wenn die dort festgelegte Frist abgelaufen und eine Überstellung nicht erfolgt sei. Dies sei hier der Fall. Das erfolglos durchgeführte Eilverfahren führe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht dazu, dass die Überstellungsfrist erneut zu laufen beginne. Ferner seien sehr wohl systemische Mängel des italienischen Asylverfahrens festzustellen.

11

Der Kläger beantragt,

12

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Trier vom 14. August 2014 – 2 K 426/13.TR – den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Februar 2014 aufzuheben.

13

Die Beklagte beantragt,

14

die Berufung zurückzuweisen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die Verwaltungsakte der Beklagten (1 Heft) Bezug genommen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.

17

Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen.

18

I. Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig.

19

Sie ist als solche insbesondere statthaft, da sie den erforderlichen wie auch ausreichenden Rechtsschutz bietet, so dass es einer weitergehenden Klage auf Verpflichtung der Beklagten nicht bedarf (vgl. hierzu ausführlich OVG Münster, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, sowie etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Juni 2015 – 11 LB 248/14 –, VGH München, Beschluss vom 18. Mai 2015 – 11 ZB 14.50080 –, OVG Hamburg, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 1 Bf 208/14.AU –, OVG Saarlouis, Beschluss vom 12. September 2014 – 2 A 191/14 –, VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, und OVG Magdeburg, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –, alle in juris, m. w. N.).

20

II. Die Klage ist auch begründet.

21

Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Februar 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

22

1. Nach § 27a Asylverfahrensgesetz – AsylVfG – ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

23

An einer derartigen anderweitigen Zuständigkeit fehlt es jedoch im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG für die der Entscheidung zugrunde zu legende Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat.

24

Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats erfolgt vorliegend gemäß Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L 180 S. 31 – Dublin III-VO) nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (ABl EG L 50 S. 1 – Dublin II-VO), da sowohl der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland wie auch der Wiederaufnahmeantrag an Italien noch vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind (vgl. hierzu näher BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, juris, Rn. 27).

25

Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO ist zunächst Griechenland als der Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden, dessen Grenze der Kläger aus einem Drittstaat – hier der Türkei – kommend im Jahr 2011 illegal überschritten hat. Diese Zuständigkeit endete indessen gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II–VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertrittes, so dass Italien, wo sich der Kläger von Ende 2011 bis Anfang 2013 aufgehalten und einen Asylantrag gestellt hat, in Abhängigkeit von dem – den Verwaltungsakten nicht zu entnehmenden – genauen Zeitpunkt der dortigen Antragstellung entweder bereits nach Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO oder aber nach Art. 13 Dublin II-VO zuständig geworden ist.

26

Die so begründete Zuständigkeit Italiens ist jedoch zwischenzeitlich auf die Beklagte übergegangen. Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO legt nämlich fest, dass – von zwei hier nicht einschlägigen Ausnahmetatbeständen abgesehen – in den Fällen eines vom ersuchten Mitgliedstaat nach den Modalitäten des Art. 20 Abs. 1 Dublin II-VO akzeptierten Wiederaufnahmegesuchs die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, wenn die Überstellung des Asylbewerbers an den ersuchten Staat nicht innerhalb der in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO vorgesehenen Frist von sechs Monaten erfolgt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben:

27

Die Beklagte hat am 12. Dezember 2013 per elektronischer Post ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Dublin II-VO an Italien gestellt. Da der Antrag auf Angaben aus dem EURODAC-System gestützt war, nach Buchst. b somit eine verkürzte Frist zur Beantwortung von zwei Wochen galt und binnen dieser Frist von den italienischen Behörden keine Antwort auf das Gesuch erteilt worden ist, war nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO davon auszugehen, dass Italien die Wiederaufnahme des Klägers akzeptiert. Damit war die Überstellung gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme durch den ersuchten Mitgliedstaat oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, vorzunehmen.

28

Richtiger Anknüpfungspunkt für die Berechnung dieser Frist ist vorliegend die nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO wegen unterbliebener Beantwortung binnen zwei Wochen fingierte Annahme des Wiederaufnahmegesuchs mit Ablauf des 26. Dezember 2013. Denn nach zutreffender Auffassung (vgl. ausführlich OVG Münster, Beschluss vom 8. September 2014 – 13 A 1347/14.A –, juris, Rn. 5 ff., sowie etwa VG Hannover, Beschluss vom 13. Mai 2014 – 6 B 9277/14 –, VG Karlsruhe, Beschluss vom 15. April 2014 – A 1 K 25/14 –, VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. März 2014 – 13 L 644/14.A –, VG Magdeburg, Urteil vom 28. Februar 2014 – 1 A 413/13 –, und VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 – 3 B 7136/13 –, alle in juris) handelt es sich bei dem erfolglos gebliebenen Antrag des Klägers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht um einen mit aufschiebender Wirkung versehenen Rechtsbehelf im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO, so dass die Entscheidung hierüber auch nicht einen neuen Lauf der 6-Monats-Frist eröffnet hat.

29

Hierfür sprechen zunächst bereits der Wortlaut und die Systematik der Dublin II-VO. Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 muss dem Rechtsbehelf selbst aufschiebende Wirkung zukommen. Dies ist bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO jedoch schon deshalb nicht der Fall, weil nicht der Antrag als solcher, sondern allein die auf einen solchen Antrag ergehende stattgebende gerichtliche Entscheidung zum Eintritt der aufschiebenden Wirkung führt. Zudem ist der in Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO in Bezug genommene Rechtsbehelf eindeutig der, der nach Buchst. e Satz 4 der Vorschrift gegen die Mitteilung der Entscheidung an den Asylbewerber eingelegt werden kann, nach deutschem Recht also die Klage. Für diesen Rechtsbehelf sieht Buchst. e Satz 5 ausdrücklich vor, dass er keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung hat; eine Ausnahme hiervon soll nur dann in Betracht kommen, wenn die Gerichte oder zuständigen Stellen dies im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders entscheiden. Im Einklang hiermit legt § 75 AsylVfG fest, dass die Klage gegen Entscheidungen nach dem AsylVfG – abgesehen von den Fällen der §§ 38 Abs. 1, 73, 73b und 73c AsylVfG – keine aufschiebende Wirkung hat; in Betracht kommt lediglich die ausnahmsweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Hauptsacheklage im Einzelfall gemäß § 80 Abs. 5 i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

30

Die Richtigkeit dieser Überlegungen wird auch durch eine Folgenbetrachtung bestätigt: Wollte man den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO als Rechtsbehelf im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO ansehen, so würde auch bei einer Stattgabe die Überstellungsfrist zu laufen beginnen und möglicherweise oder sogar regelmäßig vor einer Entscheidung in der Hauptsache ablaufen. Dies wäre sinnwidrig und stünde zudem im Widerspruch dazu, dass nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 29. Januar 2009 – C-19/08 – [Petrosian], juris) sowie mehrerer Obergerichte (OVG Münster, Beschluss vom 8. Mai 2014 – 13 A 827/14.A –, OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. August 2012 – 4 MC 133/12 –, VGH Mannheim, Urteil vom 19. Juni 2012 – A 2 S 1355/11 –, alle in juris) bei Aussetzung der Vollziehung der Überstellung die Frist erst mit der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung im Hauptsacheverfahren beginnt.

31

Dass auch das Unionsrecht klar zwischen dem Rechtsbehelf gegen eine Überstellungsentscheidung und dem Antrag, die Durchführung einer Überstellungsentscheidung auszusetzen, unterscheidet, ergibt sich im Übrigen aus Art. 27 Abs. 3 Dublin III-VO, insbesondere Buchst. c Satz 1, wonach die betreffende Person „zum Zwecke eines Rechtsbehelfs gegen eine Überstellungsentscheidung … die Möglichkeit (hat), bei einem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs … zu beantragen.“

32

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus dem Sinn und Zweck der Überstellungsfrist. Diese soll den Mitgliedstaaten Zeit geben, die Modalitäten der Überstellung zu regeln, wozu ihnen grundsätzlich die vollen sechs Monate zur Verfügung stehen sollen (EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009, a. a. O.). Als den Fristlauf in Gang setzendes Ereignis sieht Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO regelmäßig die Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch den ersuchten Staat an und nur ausnahmsweise dann, wenn dem Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung aufschiebende Wirkung zukommt, die abschließende gerichtliche Entscheidung im Hauptsacheverfahren. Zwar führt vor diesem Hintergrund § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG, wonach bei rechtzeitiger Stellung des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO die Abschiebung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig ist, dazu, dass die Beklagte während der bereits laufenden 6-Monats-Frist für die Dauer des Eilverfahrens an der Durchführung der Überstellung gehindert ist. Dadurch wird der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO jedoch noch nicht zu einem Rechtsbehelf im Sinne des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO. Ein solcher ist – wie bereits dargelegt – nach deutschem Recht allein die Klage. § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG alsgesetzlich angeordnetes Vollziehungshindernis vermag insoweit bereits von daher keine andere Betrachtungsweise zu rechtfertigen, als Art. 20 Abs. 1 Buchst. e Satz 5 Dublin II-VO eine ausnahmsweise aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die Überstellungsentscheidung nur ausnahmsweise für den Fall zulässt, dass die Gerichte oder zuständigen Stellen dies im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts so entscheiden, d. h. eine konkret-individuelle gerichtliche oder behördliche Entscheidung verlangen. Zudem führt § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG aber auch nicht zu einer nach Sinn und Zweck der 6-Monats-Frist ins Gewicht fallenden Schlechterstellung der Beklagten in Bezug auf die ihr für die Organisation und Durchführung der Überstellung zur Verfügung stehende Zeit. Zum einen hindert die bloße Hemmung der Vollziehung die Ausländerbehörde nicht, bis zur Entscheidung über den Eilantrag bereits mit der Vorbereitung der weiterhin zulässigen und lediglich noch nicht durchführbaren Überstellung zu beginnen. Zum anderen beruht die Verkürzung des für die Überstellung zur Verfügung stehenden Zeitraums von sechs Monaten um die Dauer des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO auf einer Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, die durch die Dublin II-VO nicht vorgegeben war. § 34a Abs. 2 AsylVfG ist zur Anpassung des AsylVfG an die Vorgaben des Art. 27 Abs. 3 Buchst. c der Dublin III-VO nämlich bereits durch Gesetz vom 28. August 2013 mit Wirkung vom 6. September 2013 geändert worden, obwohl die entsprechende Regelung der Dublin III-VO erst zum 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist.

33

Abgesehen davon wäre im vorliegenden Fall die 6-monatige Frist des Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Satz 2 Dublin II-VO jedenfalls im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aber auch dann abgelaufen, wenn man mit der Gegenauffassung (vgl. etwa VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, VG Hamburg, Beschluss vom 4. Juni 2014 – 10 AE 2414/14 –, VG München, Gerichtsbescheid vom 28. April 2014 – M 21 K 13.31396 –, VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. April 2014 – 2 L 55/14.A –, VG Ansbach, Beschluss vom 31. März 2014 – AN 9 S 13.31028 –, VG Regensburg, Beschluss vom 13. Dezember 2013 – RO 9 S 13.30618 –, und VG Göttingen, Beschluss vom 28. November 2013 – 2 B 887/13 –, alle in juris) als Rechtsbehelf im Sinne dieser Vorschrift auch den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ansehen oder aber für die Zeit zwischen der Zustellung des Bescheids und der Zustellung der negativen Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in entsprechender Anwendung des § 209 BGB eine Ablaufhemmung annehmen wollte (so VGH Mannheim, Urteil vom 27. August 2014 – A 11 S 1285/14 –, juris, Rn. 36 ff.).

34

Danach ist vorliegend im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, so dass weder die Voraussetzungen für eine Ablehnung des Asylantrages als unzulässig gemäß § 27a AsylVfG noch die für den Erlass einer hieran anknüpfenden Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gegeben sind.

35

2. Der sonach rechtwidrige Bescheid bewirkt auch eine Rechtsverletzung des Klägers.

36

Zwar besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass es sich bei den Zuständigkeitsregelungen der hier noch anwendbaren Dublin II-VO wie auch der Dublin III-VO vom Grundsatz her um objektive zwischenstaatliche Regelungen handelt, die keine individuelle Rechtsposition begründen.

37

Ein Asylbewerber hat demnach grundsätzlich kein subjektiv-öffentliches Recht auf eine Überprüfung, ob der zur Aufnahme bereite Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, auch der nach der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO zuständige Staat ist.

38

Ebenfalls allgemein anerkannt ist, dass etwas anderes jedenfalls dann gilt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem zur Aufnahme bereiten Mitgliedstaat aufgrund systemischer Mängel so defizitär sind, dass im konkret zu entscheidenden Einzelfall bei einer Überstellung nach dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen würde (vgl. dazu etwa EuGH, Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12 – [Abdullahi], und BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6/14 –, mit Anmerkung Berlit, jeweils in juris).

39

Ob darüber hinaus weitere Ausnahmen anzuerkennen sind, ist in der Rechtsprechung umstritten.

40

Teilweise wird dazu festgestellt, dass der Asylbewerber seiner Überstellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten könne (so etwa EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, a. a. O., BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014, a. a. O., OVG Schleswig, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 2 LA 15/14 –, OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. November 2014 – 13 LA 66/14 –, VGH Kassel, Beschluss vom 25. August 2014 – 2 A 976/14.A –, VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –, und OVG Koblenz, Urteil vom 21. Februar 2014 – 10 A 10656/13 –, alle in juris).

41

Andere lassen demgegenüber bereits den bloßen Ablauf der Überstellungsfrist nach der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO und den hierdurch bewirkten Zuständigkeitsübergang ausreichen, um eine eigene Rechtsverletzung des Betroffenen zu bejahen (so etwa VGH Mannheim, Beschluss vom 6. August 2013 – 12 S 675/13 –, VG Sigmaringen, Urteil vom 28. Januar 2015 – 1 K 500/14 –, VG Karlsruhe, Beschluss vom 30. November 2014 – A 5 K 2026/14 –, VG Münster, Urteil vom 19. November 2014 – 1 K 1136/14.A –, VG Augsburg, Urteil vom 11. September 2014 – Au 7 K 14.50016 –, VG Köln, Urteil vom 27. August 2014 – 3 K 411/14.A –, VG Cottbus, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 1 L 174/14.A –, VG Göttingen, Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 B 86/14 –, VG Magdeburg, Urteil vom 28. Februar 2014 – 1 A 413/13 –, und VG Hamburg, Urteil vom 15. März 2012 – 10 A 227/11 –, alle in juris).

42

Wieder andere stellen darauf ab, ob die Überstellung trotz Fristablaufs noch zeitnah möglich ist (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 27. August 2014 – A 11 S 1285/14 –, juris Rn 59), das Verfahren sich als überlang erweist (so etwa VG Oldenburg, Beschluss vom 20. Januar 2015 – 11 B 454/15 –, VG Augsburg, Urteil vom 15. Mai 2015 – Au 5 K 15.50002 –, und VG Stuttgart, Urteil vom 28. Februar 2014 – A 12 K 383/14 –, alle in juris) oder der ursprünglich zuständige Mitgliedstaat trotz der abgelaufenen Überstellungsfrist noch zur Übernahme des Betroffenen bereit ist (VGH München, Urteil vom 20. Mai 2015 – 11 ZB 14.50036 –, VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 3. November 2014 – RO 9 K 14.30260 –, VG Würzburg, Beschluss vom 30. Oktober 2014 – W 3 E 14.50144 –, VG Oldenburg, Urteil vom 7. Juli 2014 – 3 A 416/14 –, und VG Hamburg, Beschluss vom 8. April 2014 – 17 AE 1762/14 –, alle in juris).

43

Zum Teil wird schließlich zur Begründung einer subjektiven Rechtsverletzung auch unmittelbar an eine durch die Unzulässigkeitsentscheidung drohende Gefährdung oder Verletzung des Asylgrundrechts angeknüpft (VG Hannover, Beschluss vom 10. November 2014 – 1 B 12764/14 –, VG Ansbach, Urteil vom 8. Oktober 2014 – AN 10 K 14.30043 –, und VG Osnabrück, Beschluss vom 19. Februar 2014 – 5 B 12/14 –, alle in juris).

44

Unter Berücksichtigung aller in der vorgenannten Rechtsprechung diskutierten Aspekte gelangt der erkennende Senat zu der Auffassung, dass vorliegend der Kläger angesichts des zwischenzeitlichen Übergangs der Zuständigkeit auf die Beklagte durch die Unzulässigkeitsentscheidung und die Anordnung der Abschiebung nach Italien in seinen Rechten verletzt ist.

45

Dabei kann offen bleiben, ob bereits die Regelungen der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO als solche generell oder jedenfalls in Ausnahmesituationen Individualschutz entfalten.

46

Hierfür lässt sich immerhin anführen, dass mit den Zuständigkeitsregeln der Dublin II-VO (vgl. dort Erwägung 4) wie auch der Dublin III-VO (dort Erwägung 5) ausdrücklich bezweckt wird, einen effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft bzw. zur Gewährung des internationalen Schutzes zu gewährleisten (vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, a. a. O., Rn 53:

47

„... wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen (Urteil N. S. u. a., Randnr. 79)“.

48

Zwar kommt der EuGH in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (a. a. O.) zu dem Ergebnis, dass Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO in der dort entschiedenen Fallkonstellation einer vorliegenden Zustimmung des ersuchten Mitgliedsstaates zur Aufnahme des Betroffenen nur insoweit individualschützende Wirkung entfalte, als systemische Mängel des Asylerfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im betreffenden Mitgliedsstaat geltend gemacht würden:

49

50

„62. Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 dahin auszulegen ist, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat, d. h. als der Mitgliedstaat der ersten Einreise des Asylbewerbers in das Unionsgebiet, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden.“

51

Der EuGH hat damit jedoch nicht zu der Frage Stellung genommen, welche Rechtspositionen einem Asylbewerber in den Fällen zustehen, in denen die durch ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung begründete Zuständigkeit eines um Aufnahme bzw. Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedstaates wegen der Nichteinhaltung von Überstellungsfristen auf den ersuchenden Staat übergegangen ist. Es kann auch nicht angenommen werden, dass der ersuchte Mitgliedstaat, der eine Zustimmungserklärung abgegeben hat, unbefristet zur Aufnahme des Asylbewerbers bereit ist. Die Zustimmungsklärung ist vielmehr im Kontext der Bestimmungen der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO zu sehen, wonach Zuständigkeiten auch wieder entfallen, wenn Fristen nicht eingehalten werden (vgl. VG Sigmaringen, Urteil vom 28. Januar 2015 – 1 K 500/14 –, juris, Rn. 34 f.). Die Feststellungen des EuGH schließen es mithin nicht aus, dass der Asylbewerber in den Fällen, in denen von einer Zustimmung des betreffenden Mitgliedstaates nicht mehr ausgegangen werden kann, auch sonstige Gründe gegen die Entscheidung über den zuständigen Mitgliedsstaat geltend machen kann, so z. B. einen Anspruch auf Prüfung seines Schutzgesuches in der Sache in angemessener Zeit.

52

Eine entsprechende Sichtweise hat auch der Generalanwalt in seinem Schlussantrag vom 11. Juli 2013 zur Rechtssache C-394/12 (Abdullahi), vertreten. Dort heißt in den Randnummern 44 und 46 wie folgt:

53

„Meines Erachtens kann dieser Rechtsbehelf nur die Einhaltung der Verordnung im Hinblick auf zwei Aspekte zum Gegenstand haben: (A) das Vorliegen von Umständen, die die Vermutung der Wahrung der Grundrechte widerlegen können, auf der das System der Union beruht, und (B) die Anerkennung bestimmter spezieller Rechte durch die Verordnung Nr. 343/2003, die mit dem eigentlichen Asylrecht einhergehen, und ihre entsprechende Gewährleistung.“

54

„Der zweite Aspekt besteht meines Erachtens in den Rechten, die die Verordnung Nr. 343/2003 dem Asylbewerber speziell im Verlauf des Verfahrens zur Bestimmung des für die Prüfung seines Antrags zuständigen Mitgliedsstaats gewährt. So verhält es sich mit den Rechten im Hinblick auf die Familienzusammenführung (Art. 7, 8, 14, 15), den Rechten bei Minderjährigkeit (Art. 6) oder den Rechten im Zusammenhang mit einem zügigen Verfahren (Einhaltung von Fristen und Umsetzung der in jedem einzelnen Fall vorgesehenen Rechtsfolgen, wie z.B. Art. 19 Abs. 4). Alles dieses sind Rechte, die letztlich über die Rechtsstellung der Mitgliedsstaaten im Bereich der durch die Verordnung Nr. 343/2003 geregelten Beziehungen hinausgehen und die dem Asylbewerber ein spezifisches und eigenes subjektives Recht verleihen, das sich zudem stets auf einen durch eine Grundrechtsgarantie geschützten Bereich bezieht: das Recht auf Schutz des Familienlebens (Art. 7 und 33 der Charta der Grundrechte), das Recht auf Schutz von Kindern (Art. 24 der Charta der Grundrechte) und das Recht auf eine gute Verwaltung (Art. 41 der Charta der Grundrechte). Es handelt sich bei diesen Rechten letzten Endes nicht um einen bloßen Anspruch auf ordnungsgemäße Abwicklung eines Verfahrens, in dem hauptsächlich die Mitgliedsstaaten betreffende Fragen gelöst werden, sondern um den Anspruch darauf, dass bei der Lösung dieser Fragen bestimmte Rechte und Interessen beachtet werden, die Schutzgegenstand bestimmter Grundrechte sind.“

55

Letztlich bedarf die Frage nach einem bereits aus der Dublin II-VO selbst ableitbaren Individualschutz vorliegend aber keiner abschließenden Klärung, da sich ein solcher bereits aus dem materiellen Recht, namentlich dem Asylrecht, ergibt.

56

Hat nämlich das Bundesamt einen Asylantrag unter Hinweis auf die nach der Dublin II-VO bzw. Dublin III-VO bestehende Zuständigkeit eines anderen Staates in Anwendung des § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und ist im nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Zuständigkeit wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf die Beklagte übergegangen, so kann der Betroffene dann, wenn man ihm insoweit kein subjektives Recht zuerkennt und dementsprechend die Klage gegen die Entscheidung nach § 27a AsylVfG mangels Rechtsverletzung abweist, letztlich seinen Anspruch auf die ihm durch Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02) sowie Art. 3 Abs. 1 der Dublin II-VO bzw. Dublin III-VO garantierte Überprüfung seines Begehrens durch einen Mitgliedstaat nicht mehr wirksam durchsetzen: Die Beklagte kann sich auf die bestandskräftige Ablehnung des in der Bundesrepublik Deutschland gestellten Antrages als unzulässig berufen. Eine Rückkehr in den ursprünglich zuständigen Staat hilft ihm ebenfalls nicht weiter, da er dort wegen der auf die Beklagte übergegangenen Zuständigkeit keinen Anspruch auf Prüfung seines Antrages mehr hat. Und auch ein Weiterwandern in einen dritten Mitgliedstaat führt nicht weiter, weil auch dieser sich auf die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland berufen kann (vgl. zum Ganzen etwa VG Sigmaringen, Urteil vom 28. Januar 2015 – 1 K 500/14 –, VG Würzburg, Urteil vom 30. Oktober 2014 – W 3 14.50144 –, VG Ansbach, Urteil vom 8. Oktober 2014 – AN 10 K 14.30043 –, VG Köln, Urteil vom 27. August 2014 – 3 K 411/14.A –, VG Oldenburg, Urteil vom 7. Juli 2014 – 3 A 416/14 –, und VG Hamburg, Beschluss vom 8. April 2014 – 17 AE 1762/14 –).

57

Bereits von daher muss dem Betroffenen auch dann, wenn man eine entsprechende subjektiv-rechtliche Berechtigung nicht bereits unmittelbar den Regelungen der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO entnehmen will, eine solche letztlich jedenfalls als notwendiger Bestandteil des materiellen Asylrechts zuerkannt werden (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 – 22 K 2262/14.A –, VG Hannover, Beschluss vom 10. November 2014 – 1 B 12764/14 –, VG Regensburg, Urteil vom 23. Oktober 2014 – RN 3 K 14.30180 –, alle in juris, sowie BeckOK AuslR / Günther AsylVfG § 27a Rn. 39).

58

Soweit dem in der Rechtsprechung teilweise entgegen gehalten wird, dass der ursprünglich zuständige Staat ja möglicherweise trotz des Zuständigkeitswechsels noch zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit sei – etwa, weil unklar sei, wie sich ein zwischenzeitlich durchgeführtes Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes auf die Überstellungsfrist auswirke – und sich der Betroffene dann, wenn ihn dieser ursprünglich zuständige Mitgliedstaat (wieder) aufnehme, nach der Rechtsprechung des EuGH auch nicht auf dessen fehlende Zuständigkeit berufen könne (so etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Juni 2015 – 11 LB 248/11 –, OVG Schleswig, Beschluss vom 24. Februar 2015 – 2 LA 17/15 –, VG Würzburg, Beschluss vom 11. Juni 2014 – W 6 S 14.50065 –, und VG Hamburg, Beschluss vom 8. April 2014 – 17 AE 1762/14 –, alle in juris), erscheint dies zwar im Einzelfall durchaus denkbar.

59

Der Regelfall wird dies jedoch – insbesondere auch unter den im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aktuell obwaltenden tatsächlichen Umständen – nicht sein.

60

Dagegen spricht bereits generell die praktische Erwägung, dass ein Mitgliedstaat sich schon im Hinblick auf die mit jedem Asylverfahren verbundenen finanziellen und administrativen Belastungen schwerlich entschließen wird, Asylbewerber auch dann noch aufzunehmen, wenn er hierfür nach den einschlägigen Vorschriften gar nicht mehr zuständig ist (VG Oldenburg, Urteil vom 7. Juli 2014 – 3 A 416/14 –, juris, Rn. 44).

61

Daran ändert auch eine möglicherweise auf das Wiederaufnahmeersuchen hin ergangene Zustimmungserklärung nichts, da diese – wie bereits ausgeführt – im Kontext der Bestimmungen der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO zu sehen ist, wonach Zuständigkeiten auch wieder entfallen, wenn Fristen nicht eingehalten werden.

62

Zusätzliches Gewicht erhält die daraus resultierende Annahme, dass in einer Vielzahl der Aufnahme-/Wiederaufnahmeverfahren, in denen die Überstellungsfrist abgelaufen ist, der ursprünglich zuständige Mitgliedstaat sich hierauf auch berufen und eine Übernahme des Betroffenen ablehnen wird, angesichts der in den letzten Monaten stark angestiegenen und auch aktuell weiterhin ansteigenden Asylbewerberzahlen (vgl. etwa dpa-Meldung vom 31. Juli 2015 „Asylbewerber-Zahl steigt im Juli auf Rekordhoch“) und einer damit einhergehenden Erschöpfung der Aufnahmekapazitäten insbesondere der an den südlichen Außengrenzen der EU gelegenen Mitgliedstaaten. Dies gilt umso mehr, als es sich dabei in der Praxis häufig – wie auch hier – zugleich um die nach der Dublin II-VO bzw. nach der Dublin III-VO ursprünglich zuständigen Mitgliedstaaten handelt. Insoweit wird derzeit diskutiert, Flüchtlinge von dort auf andere Mitgliedstaaten umzuverteilen (siehe z. B. Spiegel Online vom 20. Juli 2015 „EU-Minister verpassen Einigung in Flüchtlingsfrage“). Dass die betreffenden Staaten das so angestrebte Ziel ihrer Entlastung durch die (Wieder-)Aufnahme von Flüchtlingen konterkarieren werden, für deren Verfahren sie nach den Dublin-Verordnungen gar nicht mehr zuständig sind, steht nach der Lebenserfahrung kaum zu erwarten.

63

Danach kann nicht quasi von einer Vermutung einer über das Erlöschen seiner Zuständigkeit nach der Dublin II-VO bzw. der Dublin III-VO hinaus fortbestehenden Aufnahmebereitschaft des ursprünglich zuständigen Mitgliedstaates ausgegangen werden. Im Gegenteil wird man für den Regelfall vielmehr davon auszugehen haben, dass der wegen Ablaufs der Überstellungsfrist nunmehr nicht mehr zuständige Mitgliedstaat sich auch entsprechend der Zuständigkeitsregelung verhalten, d. h. den Betroffenen nach Erlöschen seiner Verpflichtung hierzu nicht (wieder) aufnehmen wird, und mithin im Falle einer Bestandskraft der Unzulässigkeitsentscheidung nach § 27a AsylVfG diesem die materielle Überprüfung seines Asylbegehrens letztlich insgesamt versagt bleiben könnte.

64

Nach alledem wird man letztlich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 10. Dezember 2013 – C 394/12 – [Abdullahi]) eine Rechtsverletzung des Asylbewerbers durch eine objektiv rechtswidrige Entscheidung des Bundesamtes nach § 27a AsylVfG in den Fällen einer nach vorheriger Zustimmung des ersuchten Mitgliedstaates abgelaufenen Überstellungsfrist nur dann verneinen können, wenn der ursprünglich zuständige Staat im gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt in hinreichend eindeutiger Weise – in allgemeiner Form wie z. B. einem Abkommen für bestimmte Fälle oder aber im Einzelfall – zu erkennen gegeben hat, weiterhin zur Aufnahme bereit zu sein (in diesem Sinne auch etwa VGH München, Urteil vom 20. Mai 2015 – 11 ZB 14.50036 –, VGH Mannheim, Urteil vom 29. April 2015 – A 11 S 121/15 –, VG Sigmaringen, Urteil vom 28. Januar 2015 – 1 K 500/14 –, VG Oldenburg, Urteil vom 7. Juli 2014 – 3 A 416/14 –, alle in juris).

65

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist für den vorliegenden Fall in Ermangelung jeglichen Hinweises auf eine möglicherweise auch nach dem Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte noch fortbestehende Aufnahmebereitschaft des italienischen Staates von einer durch den objektiv rechtswidrigen Bescheid des Bundesamtes vom 14. Februar 2014 bewirkten Verletzung des Klägers in seinen Rechten auszugehen.

66

3. Der angefochtene Bescheid kann schließlich nach ganz überwiegender Auffassung (vgl. etwa VGH Mannheim, Urteil vom 29. April 2015 – A 11 S 121/15 –, VGH München, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 13a ZB 14.50068 –, OVG Hamburg, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 1 Bf 208/14.AZ –, OVG Lüneburg, Beschluss vom 6. November 2014 – 13 LA 66/14 –, OVG Saarlouis, Beschluss vom 12. September 2014 – 2 A 191/14 –, OVG Münster, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –, sowie z. B. VG Berlin, Urteil vom 10. Juni 2015 – 33 K 386.13 A –, juris, Rn. 17 ff., mit weiteren Nachweisen), der sich der Senat anschließt, auch nicht in eine rechtmäßige Ablehnung eines Zweitantrages nach § 71a AsylVfG in Verbindung mit einer Abschiebungsanordnung oder einer Abschiebungsandrohung gemäß § 71a Abs. 4 i. V. m. § 34a bzw. § 34 AsylVfG umgedeutet werden.

67

Dem steht in Bezug auf Ziffer 1 des Bescheides schon in prozessualer Hinsicht entgegen, dass die Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung nach § 27a AsylVfG – wie bereits eingangs dargelegt – nach ganz herrschender Meinung als Anfechtungsklage zulässig ist. Im Falle der Ablehnung eines Zweitantrages wäre die statthafte Klageart demgegenüber die Verpflichtungsklage, so dass bei einer entsprechenden Umdeutung über den gemäß § 88 VwGO allein von der Klägerseite zu bestimmenden Streitgegenstand hinausgegriffen würde (vgl. VGH München und OVG Saarlouis, jeweils a. a. O.).

68

Überdies ginge dem Kläger ansonsten eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien wie der Verpflichtung zur persönlichen Anhörung gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG und dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ausgestattet ist (VGH München, Urteil vom 28. Februar 2014 – 13a B 13.30295 –, juris, Rn. 6) und das Gericht würde im Ergebnis nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren, sondern sich anstelle der Exekutive erstmals mit dem Antrag sachlich auseinandersetzen und entscheiden, was unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung zumindest bedenklich erschiene (VG Regensburg, Urteil vom 18. Juli 2013 – RN 5 K 13.30027 –, juris, Rn. 20 m. w. N.).

69

Zudem sind aber auch die Voraussetzungen für eine Umdeutung gemäß § 47 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – nicht gegeben. Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Nicht zulässig ist eine Umdeutung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts.

70

Demgegenüber sind die Feststellung der Unzulässigkeit nach § 27a AsylVfG und die Entscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG bereits nicht auf das gleiche Ziel gerichtet. Während erstere der Feststellung dient, dass nicht die Bundesrepublik Deutschland, sondern ein anderer Staat für die Durchführung zuständig ist, das Asylbegehren also nicht inmitten steht, hat die zweite Variante die Prüfung zum Gegenstand, ob Gründe im Sinne des § 51 Abs. 1 – 3 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vorliegen (VGH München, VGH Mannheim, jeweils a. a. O.).

71

Nicht auf das gleiche Ziel gerichtet wäre im Falle einer Umdeutung auch die Ziffer 2 des Bescheides. Diese würde sich nunmehr nicht mehr auf Italien als den ursprünglich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat beziehen können, sondern müsste in der Situation eines abgelehnten Zweitantrages gemäß § 71a Abs. 4 i. V. m. den §§ 34 bis 36 AsylVfG als Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat – hier also den Iran – ausgelegt werden (VG Kassel, Urteil vom 10. Juni 2015 – 3 K 211/14.KS.A. –, juris; VG Berlin, a. a. O., Rn. 18).

72

Darüber hinaus würde eine entsprechende Umdeutung der im Bescheid explizit genannten Absicht widersprechen, den Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell zu prüfen (VGH München, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 13a ZB 14.50068 –, VG Regensburg, Urteil vom 21. Oktober 2014 – RO 9 K 14.30217, beide in juris).

73

Zudem wären schließlich im Falle der Umdeutung der Unzulässigkeitsentscheidung in einen Bescheid nach § 71a AsylVfG dessen Rechtsfolgen ungünstiger als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Während ein Verwaltungsakt nach § 27a AsylVfG gemäß § 34a AsylVfG die Anordnung der Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedsstaat zur Folge hat, wo der Betroffene – etwa durch Stellung eines Folgeantrages – nach Maßgabe entsprechender nationaler Regelungen weiterhin um Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat nachsuchen kann, geht mit dem Erlass eines die Voraussetzungen des § 71a AsylVfG verneinenden Bescheids die in aller Regel unmittelbar den Herkunftsstaat benennende Abschiebungsandrohung einher (VGH München, Urteil vom 18. Mai 2015 – 11 ZB 14.50080 –, juris, Rn. 13, VGH Mannheim, a. a. O., Rn. 41).

74

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.

75

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor. Insbesondere hat die Sache im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats über die Berufung bereits deshalb keine grundsätzliche Bedeutung mehr, weil die Dublin III-VO mittlerweile seit mehr als 18 Monaten in Kraft ist und sich deshalb die Frage nach einem durch die Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-VO bewirkten Individualschutz schon von daher allenfalls noch in einer überschaubaren Zahl weiterhin anhängiger Verfahren stellen dürfte.

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 11. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.


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Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. November 2014 - A 3 K 4877/13 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die in den Jahren 1980, 1982, 2002, 2004, 2006, 2008, 2010 und 2012 geborenen Kläger sind russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Sie reisten am 16.06.2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 17.06.2013 Asylanträge.
Bei ihrer auf den Flucht- und Reiseweg beschränkten Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gaben die Kläger Ziffer 1 und 2 unter anderem an, sie hätten bereits zuvor am 12.06.2013 in Polen Asylanträge gestellt.
Auf ein entsprechendes Ersuchen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 21.10.2013 erklärten die zuständigen polnischen Behörden mit Schreiben vom 24.10.2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. d) VO Dublin II.
Hierauf stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 22.11.2013 fest, dass die Asylanträge unzulässig sind, und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Polen an.
Die Kläger erhoben am 05.12.2013 Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart und trugen zu deren Begründung zunächst vor, dass Tschetschenen auch vor Übergriffen im europäischen Ausland nicht zurückschreckten, zeige die Verurteilung von drei Attentätern durch die österreichische Justiz wegen der Tötung von Umar Isrilov am 13.01.2009. Deshalb habe die Beklagte vorliegend ausnahmsweise von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Bei der Klage handle es sich um eine Anfechtungsklage kombiniert mit einer Untätigkeitsklage. Die Untätigkeit ergebe sich daraus, dass das Bundesamt gegenüber dem zuständigen Regierungspräsidium Karlsruhe mittlerweile eingeräumt habe, dass die Frist für ihre Rücküberstellung am 10.07.2014 abgelaufen sei. Im Übrigen sei sie, die Klägerin Ziffer 2, nicht reisefähig. Ergänzend wurden drei ärztliche Befundberichte des C. Bad Göppingen, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 08.04., 04.08. und 02.10.2014 sowie eine ausführliche psychologische Stellungnahme der Diplom-Psychologin R... M... vorgelegt, bei der sich die Klägerin Ziffer 2 seit dem 11.06.2014 in tiefenpsychologisch fundierter traumaadaptierter Psychotherapie befindet.
Die Beklagte trat den Klagen aus den Gründen des angefochtenen Bescheids entgegen.
Ein von den Klägern betriebenes Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes blieb erfolglos (Beschluss vom 02.01.2014 - A 3 K 4848/13).
In der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin Ziffer 2 nach ihrem Gesundheitszustand befragt an, neben ihren massiven psychischen Problemen, wegen derer sie nach wie vor in psychologischer Behandlung sei, habe sie nun auch noch Probleme mit dem Herzen.
Durch Urteil vom 11.11.2014 hob das Verwaltungsgericht den angegriffenen Bescheid auf. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Die Klage sei lediglich teilweise als (isolierte) Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2013 zulässig. Dies gelte auch insoweit, als die Beklagte den Asylantrag der Kläger als unzulässig verbeschieden habe. In den Fällen, in denen die Beklagte einen von einem Ausländer gestellten ersten Asylantrag noch nicht in der Sache beschieden habe, sei nämlich kein Raum für eine Verpflichtungsklage.
10 
Die danach allein zulässige Anfechtungsklage sei auch begründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtwidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Dies folge allerdings nicht schon aus § 27a AsylVfG. Danach sei ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei. Für die Durchführung des Asylverfahrens der Kläger sei Polen zuständig. Auch seien den vorliegenden Erkenntnisquellen keine systemischen Mängel im Asylverfahren in Polen zu entnehmen. Indessen erweise sich die im angefochtenen Bescheid enthaltene Abschiebungsanordnung jedenfalls in dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als rechtswidrig. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordne das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, sobald feststehe, dass die Abschiebung durchgeführt werden könne. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt. Zwar sei eine Abschiebung der Kläger nach Polen nicht wegen Ablaufs der Überstellungsfrist unzulässig geworden. Jedoch liege bei der Klägerin Ziffer 2 im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein inländisches Vollstreckungshindernis vor. Es sei anerkannt, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anders als bei Erlass einer Abschiebungsandrohung bei Erlass einer Abschiebungsanordnung gemäß § 34a AsylVfG auch inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse und Duldungsgründe zu prüfen habe. Aus den von den Klägern mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.10.2014 vorgelegten Unterlagen ergäben sich nach Überzeugung des Gerichts bereits hinreichende Anhaltspunkte für eine Reiseunfähigkeit der Klägerin Ziffer 2 im entscheidungserheblichen Zeitpunkt. Liege jedoch bei der Klägerin Ziffer 2 im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein inländisches Vollstreckungshindernis vor, erstrecke sich dieses im Hinblick auf das Erfordernis der Wahrung der Familieneinheit gemäß Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 bis 11 VO Dublin III auch auf die anderen Kläger des vorliegenden Verfahrens.
11 
Das Urteil wurde der Beklagten am 21.11.2014 zugestellt.
12 
Am 17.12.2014 beantragte die Beklagte die Zulassung der Berufung.
13 
Durch am 23.01.2015 der Beklagten zugestellten Beschluss vom 14.01.2015 ließ der Senat die Berufung zu, soweit die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids aufgehoben worden war, und lehnte den Antrag im Übrigen ab.
14 
Am 23.02.2015 begründete die Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf ihre Ausführungen im Zulassungsantrag. Die Überstellungsfrist nach der VO Dublin II sei zwar mittlerweile abgelaufen, es sei auch nicht mehr beabsichtigt, die Kläger nach Polen zu überstellen. Polen würde zwar im Falle einer Rückkehr bis zu zwei Jahre nach einer erfolgten vorläufigen Einstellung des Verfahrens dieses wiedereröffnen. Es müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass Polen im Falle einer Einreise der Kläger ein Wiederaufnahmeersuchen an die Bundesrepublik stellen würde. Damit könne die im Streit befindliche Entscheidung, wonach die Asylanträge unzulässig seien, nicht mehr auf § 27a AsylVfG gestützt werden. Allerdings lägen mittlerweile Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG vor. Da aber die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen, könne die angegriffene Entscheidung insoweit aufrechterhalten bleiben, jedenfalls könnten die Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt sein. Ungeachtet dessen sei der isolierte Anfechtungsantrag schon nicht zulässig. Das Verwaltungsgericht wäre verpflichtet gewesen, die Sache spruchreif zu machen. Deshalb seien die Klagen mit dem Anfechtungsantrag auch aus diesem Grund abzuweisen.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
das Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart vom 11.11.2014 - A 3 K 4877/13 - zu ändern und die Klagen abzuweisen.
17 
Die Kläger beantragen,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Sie machen sich im Wesentlichen das angegriffene Urteil zu eigen.
20 
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
21 
Dem Senat lagen die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie rechtzeitig und den gesetzlichen Formerfordernissen genügend begründet.
23 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
24 
Die Klage gegen die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids ist als Anfechtungsklage statthaft und im Übrigen zulässig (vgl. hierzu im Folgenden). Insbesondere hat sich der Rechtsstreit nicht durch den lediglich im Entwurf vorgelegten Bescheid vom 28.04.2015 erledigt, der den Klägern bislang noch nicht zugestellt wurde. Im Übrigen hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Ziffer 1 nicht als Zweitbescheid, sondern lediglich als Erläuterung und Bekräftigung der Rechtsauffassung der Beklagten zu verstehen sei.
25 
Sie ist auch in der Sache begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 22.11.2013, die allein noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, im Ergebnis zu Recht aufgehoben.
26 
Nach dem für den Senat gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ist die Ziffer 1, mit der die Asylanträge der Kläger gem. § 31 Abs. 6 AsylVfG der Sache nach als unzulässig abgelehnt wurden (vgl. zur Auslegung des Tenors Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77), rechtswidrig und verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27 
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand sind die Asylanträge nicht mehr unzulässig im Sinne des § 27a AsylVfG, weil die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden ist. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist, ist hier allein die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), denn im vorliegenden Fall haben die Kläger nicht nur ihre Asylanträge vor dem 01.01.2014 (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 - VO Dublin III) gestellt, vielmehr wurde auch das Wiederaufnahmegesuch vor diesem Datum eingereicht.
28 
Polen hat dem Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland am 24.10.2013 zugestimmt, weshalb die Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II an sich am 24.04.2014 fruchtlos abgelaufen wäre. Da die Kläger das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ohne Erfolg betrieben hatten, war der Fristlauf zwar im Zeitraum zwischen dem Zugang des angegriffenen Bescheids (frühestens am 27.11.2013, dem Tag nach der Datierung des dem Bescheid beigefügten Anschreibens vom 26.11.2013) bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 gehemmt (vgl. zu alledem Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - InfAuslR 2014, 452). Der Senat geht davon aus, dass während des Laufs der Wochenfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sowie im Zeitraum bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 mit Rücksicht auf § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung unmittelbar kraft Gesetzes ausgesetzt und der Ablauf der Frist gehemmt war (vgl. im Einzelnen GK-AsylVfG, § 27a, Rn. 228). Dieses zugrunde gelegt, wäre die Frist aber spätestens Ende Juni/Anfang Juli 2014 abgelaufen. Infolge des Fristablaufs ist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik übergegangen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dann, wenn eine Überstellung noch zeitnah möglich wäre, weil Polen den Fristablauf nicht einwendet, sich die Kläger allerdings auf den Zuständigkeitsübergang nicht berufen könnten (vgl. Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293 und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris). Es entspricht der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs, dass, sofern spezialgesetzlich keine besonderen Ausnahmen geregelt sind (wie z.B. in Art. 8 VO Dublin II), Antragsteller auf internationalen Schutz grundsätzlich kein subjektives Recht auf Prüfung ihres Antrags in einem bestimmten Mitglied- oder Vertragsstaat haben, und Fehler bei der Auslegung und Unzulänglichkeiten bei der Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der Verordnung grundsätzlich irrelevant sind (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170, und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208; vgl. auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Daraus folgt - dem unionsrechtlichen System immanent - notwendigerweise, dass ein allein infolge des Ablaufs einer Frist für die Stellung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens oder für die Durchführung einer Überstellung erfolgter gesetzlicher Übergang der Zuständigkeit noch kein subjektives Recht berühren kann (vgl. Senatsurteile vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293, vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92, und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris; ebenso OVG Schl.-Holst., Beschluss vom 24.02.2015 - 2 LA 15/15 - juris; Nieders. OVG, Beschluss vom 06.11.2014 - 13 LA 66/14 - juris; Hess. VGH, Beschluss vom 25.08.2014 - 2 A 975/14 A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; so wohl auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1093, und vom 14.07.2014 - 1 B 9/14, 1 PKH 10/14 - juris; Berlit, jurisPR-BVerwG, 17/2014, Anm. 2). Deshalb wurde entgegen verschiedener gegenteiliger Stimmen in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2015 - 22 K 2262/14.A - juris) dieser Fragenkomplex durch den Europäischen Gerichtshof eindeutig beantwortet. Eine andere Frage ist, ob im Falle einer unzumutbaren Verzögerung der Durchführung des Aufnahme- und/oder Überstellungsverfahrens durch den Mitgliedstaat der Antragstellung für die Betroffenen die Möglichkeit bestehen muss, eine sachliche Prüfung durch den Antragsmitgliedstaat zu erzwingen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor.
29 
Hieran hat sich im Übrigen durch die nunmehr in Kraft getretene VO Dublin III nichts Grundsätzliches geändert. Die Tatsache, dass möglicherweise der gerichtliche Rechtsschutz tendenziell aufgewertet wurde (vgl. den 19. Erwägungsgrund; vgl. aber auch schon Art. 19 Abs. 2 Sätze 3 und 4 VO Dublin II und Art. 47 GRCh), vermag die - völlig unveränderte - Grundstruktur des Dublin-Mechanismus nicht infrage zu stellen (so aber etwa Karlsruhe, Beschluss vom 30.11.2014 - A 5 K 20026/14 - juris) und die jeweils für jede Konstellation erforderliche Feststellung des subjektiven Rechts bzw. der klagefähigen Rechtsposition, deren Verwirklichung die Rechtsschutzgarantie dienen soll, nicht zu ersetzen.
30 
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einer Übernahmebereitschaft Polens. Es ist auch nicht ersichtlich, dass noch ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig sein könnte. Das folgt schon daraus, dass infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (jetzt Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) die Zuständigkeit endgültig auf die Bundesrepublik übergegangen ist, selbst wenn vorher noch die Zuständigkeit eines anderen Staates im Raum gestanden hätte (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 29 Rn. K 9).
31 
Eine Rückkehr der Kläger nach Polen mag zwar möglich sein; eine formlose Wiedereröffnung des Asylverfahrens (vgl. ausführlich noch unten zu den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Wiedereröffnung eines Asylverfahrens) wäre nach der Rechtslage in Polen an sich auch nicht ausgeschlossen, weil die Kläger ihre Asylanträge in Polen am 12.06.2013 gestellt haben und die Frist von zwei Jahren nach erfolgter vorläufiger Einstellung des Verfahrens noch nicht abgelaufen ist (vgl. hierzu auch aida, National Country Report Poland, Stand Juni 2014, S. 21). Unter diesen Voraussetzungen könnte auch erwogen werden, dass die Kläger kein Sachbescheidungsinteresse haben und daher die Asylanträge aus diesem Grund unzulässig sind. Eine Prüfung der Anträge wird aber nach den Ermittlungen der Beklagten in Polen deshalb nicht erfolgen, weil sich Polen auf die Zuständigkeit der Bundesrepublik berufen und eine Überstellung der Kläger betreiben würde.
32 
In der vorliegenden Konstellation, in der die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) ausschließlich zuständig geworden ist und eine Überstellung in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat Polen nicht (mehr) möglich ist, liegen die Voraussetzungen für die Ablehnung der Anträge als unzulässig im Sinne des § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG nicht mehr vor und die Kläger können die Durchführung der Asylverfahren durch die Bundesrepublik Deutschland beanspruchen. Dabei kann eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige und auch eine überschaubare zeitliche Dimension der Überstellung umfassende Fakten untermauert wird, nicht genügen, da andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot (vgl. EuGH Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417, Rn. 79, und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208, Rn. 53) verletzt wird. Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, in welchem genauen zeitlichen Rahmen eine Überstellung noch möglich sein muss. Ein Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb zu bejahen, weil dem Zuständigkeitssystem nämlich zugrunde liegt, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben müssen, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Dieses ergibt sich unmissverständlich aus Art. 3 Abs. 1 VO Dublin II bzw. Art. 3 Abs. 1 VO Dublin III (vgl. auch den 4. Erwägungsgrund der VO Dublin II sowie den 5. Erwägungsgrund der VO Dublin III). Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass die betroffenen Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten können und – wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert – doch ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bleiben. Andererseits bedeutet dies nicht, dass den Betroffenen prinzipiell nicht ein erfolgloses und abgeschlossenes Verfahren, das in einem Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführt worden war, entgegengehalten werden könnte (vgl. hierzu noch im Folgenden).
33 
Vor diesem Hintergrund kann die angegriffene Ziffer 1 nicht mehr auf § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG gestützt werden und ist daher aufzuheben.
34 
Der Beklagten ist im Ausgangspunkt zwar nicht zu widersprechen, dass eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Verfügung nicht allein deshalb aufzuheben ist, weil die für die Verfügung herangezogene und in der Begründung als maßgeblich zugrunde gelegte Rechtsgrundlage diese nicht (mehr) zu tragen vermag, wenn sie gleichwohl in anderen rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen ihre Rechtfertigung erfährt (vgl. etwa Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 79 ff. m.w.N.). Dieser Gesichtspunkt kann aber hier ein Aufrechterhalten der angegriffenen Verfügung nicht rechtfertigen.
35 
Dabei ergeben sich im vorliegenden Fall zunächst Besonderheiten schon deshalb, weil es der Sache nach auch um die Versagung einer Begünstigung geht, nämlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ggf. auch des subsidiären Schutzstatus (vgl. § 13 AsylVfG in der seit 01.12.2013 geltenden Fassung). Vorrangig ist daher die von der Beklagten zu Recht aufgeworfene Frage zu beantworten, ob der Senat verpflichtet ist, die Sache spruchreif zu machen (vgl. allgemein Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 422 ff. m.w.N.). Ungeachtet der hier noch offen zu lassenden Frage, ob mittlerweile, wie die Beklagte meint, der Sache nach sog. Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegen, verneint der Senat dieses (vgl. schon ausführlich Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - juris, Rn. 18). Selbst wenn hier mittlerweile Zweitanträge vorlägen (vgl. aber noch im Folgenden), so bestünde gleichwohl keine Verpflichtung zur Spruchreifmachung und zu einer Entscheidung hierüber. Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861) aus der Sicht des Senats ohnehin erheblichen Bedenken begegnet, auf die das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil bereits zutreffend hingewiesen hat, bestehen schon gegenüber der zugrunde liegenden Folgeantragssituation nach § 71 AsylVfG zusätzliche grundlegende Unterschiede, die zu den Einwänden gegen eine Verpflichtung zur Spruchreifmachung im Falle eines Folgeantrags (vgl. ausführlich GK-AsylVfG, § 71 Rn. 296 ff., demnächst Rn. 367 ff.) noch hinzutreten. Geht man sachgerecht davon aus, dass die von den Klägern am 17.06.2013 eingereichten Asylanträge sinngemäß unter allen denkbaren Gesichtspunkten, also auch unter dem Aspekt eines möglichen Folgeschutzgesuchs, gestellt worden waren, konnten diese Anträge zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten am 22.11.2013 wegen der Zuständigkeit Polens keine Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG sein und wurden auch nicht als solche beschieden. Des Weiteren kann nicht außer Acht gelassen werden, dass in einem Zweitantragsverfahren umfangreichere Verfahrensgarantien bestehen, insbesondere auch nach § 25 AsylVfG (i.V.m. § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) – jedenfalls in der Regel – eine Anhörung stattzufinden hat, bei der sich das Bundesamt auch der (formellen und materiellen) Grundlagen des notwendigerweise in einem anderen Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführten Erstverfahrens zu vergewissern hat (vgl. GK-AsylVfG § 71a Rn. 30 ff.). Auch ist originär und nicht nur in einem Wiederaufnahmeverfahren in Bezug auf den Herkunftsstaat über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu entscheiden, um das unionsrechtliche und völkerrechtliche Refoulement-Verbot zu sichern. Diese Aufgabe ist zuvörderst dem mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Bundesamt zugewiesen (vgl. hierzu auch § 72 Abs. 2 AufenthG). Weiter ist zu bedenken, dass das Verfahren im Falle der negativen Vorprüfen der Asylrelevanz wie auch im Falle einer negativen Sachprüfung auf eine Aufenthaltsbeendigung in den Herkunftsstaat gerichtet ist, was – insofern anders als im Folgeverfahren (vgl. § 71 Abs. 5 AsylVfG) – zwingend den erstmaligen Erlass einer Abschiebungsandrohung nach sich ziehen muss (vgl. § 71a Abs. 4 AsylVfG). Nicht anders als in den Fällen der zu Unrecht erfolgten Behandlung eines Asylantrags nach § 32 oder § 33 AsylVfG (vgl. nochmals BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) gebietet der in § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO niedergelegte Grundsatz, wonach die Verwaltungsgerichte grundsätzlich verpflichtet sind, den Rechtsstreit spruchreif zu machen, im vorliegenden Fall eine Entscheidung zur Sache durch den Senat nicht, wenn wesentliche Verfahrensgrundlage aufgrund der früher (an sich noch zu Recht) vorgenommenen Weichenstellung bislang ungeklärt geblieben sind (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 43; Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., § 113 Rn. 101 f.).
36 
Schließlich kann - ungeachtet der vorliegenden Fallkonstellation, für die, wie dargelegt, feststeht, dass eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens in Polen möglich ist - gar nicht immer pauschal unterstellt werden, dass überhaupt eine „Zweitantragssituation“ vorliegt und daher möglicherweise zumindest von konkludent und (nur) hilfsweise durch die Kläger gestellten Hilfsanträgen ausgegangen werden muss. Denn § 71a AsylVfG setzt nicht anders als § 71 AsylVfG, dem die Vorschrift sachlich nachgebildet ist, voraus, dass das Verfahren im anderen Mitglied- oder Vertragsstaat erfolglos, d.h. unanfechtbar abgeschlossen wurde (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 71a Rn. 14 f.). Schon unter der Geltung der Verordnung Dublin II sowie der Richtlinie 2005/85/EG vom 01.12.2005 (Verfahrensrichtlinie – VRL a.F.) war es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie im Falle einer konkludenten Rücknahme bzw. eines Nichtbetreibens des Verfahrens im ersten Mitgliedstaat, wovon in Anbetracht fehlender Anhaltspunkte im Falle der Kläger auszugehen sein wird (vgl. auch zur Praxis Polens aida, a.a.O.), die Fortsetzung des Verfahrens nur im Regime des Folgeantrags zulassen oder - weitergehend - eine formlose Wiedereröffnung ermöglichen (vgl. Art. 20 Abs. 2 UA 1 VRL a.F.). Im letzteren Fall hätte der Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland aber die notwendige Folge, dass nicht von einem „erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylVfG ausgegangen werden kann. Denn dem unionsrechtlichen Zuständigkeitsübergang infolge einer Fristversäumung ist immanent, dass der zuständig gewordene Mitgliedstaat das Verfahren in dem Stadium übernimmt, den es zum Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs erreicht hatte. Der VO Dublin II (wie auch der VO Dublin III) kann keine Regelung entnommen werden, die über den Zuständigkeitsübergang hinaus bestimmt, dass mit diesem auch ein formeller wie materieller Rechtsverlust verbunden sein könnte. Die Prüfung und Aufklärung all dieser Fragen ist unerlässlicher Inhalt des Verfahrens beim Bundesamt hinsichtlich der Verfahrensgrundlagen des Erstverfahrens.
37 
Noch viel mehr gilt dies nach dem nunmehr maßgeblichen, hier allerdings noch nicht anwendbaren Regime von Dublin III sowie künftig der bis zum 20.7. diesen Jahres umzusetzenden Richtlinie 2013/32/EU vom 26.06.2013 – VRL n.F. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 2 Satz 1 VO Dublin III hat der zuständige Mitgliedstaat (hier nunmehr die zuständig gewordene Bundesrepublik Deutschland) in den Fällen (Absatz 1 lit. c), in denen über den Erstantrag im ersten Mitgliedstaat in erster Instanz keine sachliche Entscheidung getroffen worden war (wovon nach den Ermittlungen der Beklagten im Falle der Kläger auszugehen ist), sicherzustellen, dass die Betroffenen einen neuen Antrag stellen können, der nicht als Folgeantrag gewertet werden darf. Wenn es in Satz 2 sodann heißt, dass „die Mitgliedstaaten“ (und nicht nur „der Mitgliedstaat“) in diesen Fällen gewährleisten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird, so macht auch dieses deutlich, dass der Zuständigkeitsübergang allein nicht zum Verlust der formalen und materiellen Rechtsstellung führt, vielmehr der andere nunmehr zuständige Mitgliedstaat das Verfahren weiter zu führen hat. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 3 VO Dublin III muss der Aufnahmemitgliedstaat weit über das Regime von Dublin II hinausgehend in den Fällen des Absatzes 1 lit. d), wenn der Antrag nur in erster Instanz, aber mit einer Sachentscheidung abgelehnt worden war, sogar ohne jede Einschränkung für die Betroffenen sicherstellen, dass noch ein wirksamer Rechtsbehelf eingelegt werden kann, und zwar auch dann, wenn die Sachentscheidung unanfechtbar geworden ist. Dabei muss, damit die Vorschrift zur Anwendung kommen kann, der Eintritt der Unanfechtbarkeit sicherlich darauf beruhen, dass die Entscheidung infolge der Ausreise der Betroffenen in deren Abwesenheit ergangen und ihnen nicht persönlich zur Kenntnis gebracht und infolge dessen von ihnen nicht angefochten werden konnte; auf einzelne Abgrenzungsfragen kommt es an dieser Stelle allerdings nicht an; sie werden aus gegebenem Anlass zu klären sein. Da allerdings das nationale Verfahrensrecht nicht vorsieht, dass eine Sachentscheidung eines anderen Mitglied- oder Vertragsstaat gerichtlich überprüft werden kann, könnte die Konsequenz dieser unionsrechtlich zwingenden Vorgabe die sein, dass im Falle eines Zuständigkeitsübergangs die Bundesrepublik eine neue Sachentscheidung zu treffen hat; allerdings fällt auf, dass in UA 3 ein dem in UA 2 enthaltener vergleichbarer Satz 2 fehlt, was auch die Deutung zulassen könnte, dass mit dem Zuständigkeitsübergang in dieser Konstellation ein Rechtsverlust einhergehen könnte; einer abschließenden Entscheidung bedarf es auch insoweit hier jedoch noch nicht.
38 
Art. 28 Abs. 2 UA 1 VRL n.F. bestimmt zusätzlich, dass die Antragsteller im Fall einer stillschweigenden Rücknahme oder eines Nichtbetreibens des Verfahrens berechtigt sind, um eine Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht nach Maßgabe der Art. 40 und 41, d.h. nicht als Folgeantrag, geprüft werden darf. Nach Art. 28 Abs. 2 UA 2 VRL n.F. besteht allerdings unter bestimmten Kautelen die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten – nur teilweise – restriktivere Regelungen vorgeben können. Auch insoweit bestehen Einschränkungen der nunmehr zuständig gewordenen Bundesrepublik Deutschland, einen weiteren Asylantrag dem Regime des Zweitantragsverfahrens zu unterwerfen, insbesondere solange die Bundesrepublik von der Möglichkeit des teilweisen „Opt-Out“ keinen Gebrauch gemacht hat.
39 
All diese differenzierten Gründe grundsätzlicher und struktureller Art zwingen nach Auffassung des Senats dazu, den Verfahrensgegenstand des gerichtlichen Verfahrens strikt auf die Anfechtung der Ablehnungsentscheidung des Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylVfG zu beschränken und die weitere Prüfung dem Bundesamt zu überlassen; diese Sachgründe setzen sich nach Überzeugung des Senats gegenüber einer pauschalen Berufung auf ein sicherlich nicht zu verkennendes Beschleunigungsinteresse durch.
40 
Aufgrund der vorgenannten Überlegungen kommt es auch nicht in Betracht, die isoliert angefochtene Entscheidung als eine negative Entscheidung über einen Zweitantrag aufrechtzuerhalten, so denn überhaupt ein solcher vorliegt, was hier, wie ausgeführt, nicht der Fall ist. Dieses liegt schon daran, dass dann nach den Vorstellungen der Beklagten der Sache nach ein Antrag auf Wiederaufgreifen und nicht ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wäre, was sich aber – nicht nur wegen der unterschiedlichen Tenorierung, was unter Umständen nicht hinreichend sein könnte – als eine Veränderung des Verwaltungsakts seinem Wesen nach darstellen würde (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 81 und 86 m.w.N.).
41 
Auch eine Umdeutung nach § 47 VwVfG ist nicht möglich. Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.2015 (1 B 2.15 - juris) ergibt sich nichts anderes. Zunächst betrifft er die nicht vergleichbare Fallkonstellation einer auf die §§ 32 und 33 Abs. 1 AsylVfG gestützten Verfahrenseinstellung, zum anderen lässt die Entscheidung jede Erläuterung vermissen, weshalb in dieser Verfahrenskonstellation eine Umdeutung oder Aufrechterhaltung überhaupt möglich sein soll. Eine Umdeutung scheitert im hier zu entscheidenden Fall, wie sich aus den vorgenannten Ausführungen ergibt, schon daran, dass der Verwaltungsakt nicht auf das gleiche oder ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet wäre (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 47 Rn. 13 ff.). Die Entscheidung der Beklagten war im vorliegenden Fall auf die Unzulässigkeit im Sinne des § 31 Abs. 6 AsylVfG gerichtet und darauf, die zwingende Rechtsfolge des § 34a Abs. 1 AsylVfG herbeizuführen. Hingegen wird mit der Entscheidung zu § 71a AsylVfG die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, d.h. ein Wiederaufgreifen eines nicht mehr angreifbaren Verfahrens abgelehnt, die dann in erster Linie die Rechtsfolge des § 71a Abs. 4 i.V.m. § 34 bzw. § 36 AsylVfG (in Bezug auf den Herkunftsstaat) auslöst und damit eine völlig andere Qualität hat als eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat). Diese Entscheidung würde aber voraussetzen, dass nicht nur ein Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegt, sondern auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu verneinen sind, was, wie dargelegt, im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahren mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden ist, ungeachtet der Frage, ob die Antworten auf diese Fragen ein mehr oder weniger großes Maß an Evidenz aufweisen. Zwar verweist § 71a Abs. 4 auch auf § 34a AsylVfG; diese Verfahrensweise ist jedoch gerichtet auf die Überstellung nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylVfG und nicht nach dem Dublin-System, worauf aber gerade der angegriffene Bescheid abzielt. Hinzukommt, dass fraglich ist, ob im Anwendungsbereich des Dublin-Systems überhaupt noch der andere Mitgliedstaat als sicherer Drittstaat behandelt und von der nationalen Drittstaatenregelung Gebrauch gemacht werden darf mit der Folge, dass die Drittstaatenregelung nur noch solche – gegenwärtig nicht existierende – Drittstaaten betreffen könnte, die nicht Teil des Dublin-Systems sind (vgl. GK-AsylVfG, § 27a Rn. 56 ff.). Abgesehen davon ist hier die Rechtsfolge des § 34a AsylVfG allenfalls optional und von einer Ermessensentscheidung der Beklagten abhängig.
42 
Legt man, wie ausgeführt, zugrunde, dass die Antragsteller nach den Grundstrukturen des gemeinsamen Europäischen Asylsystems jedenfalls einen Anspruch darauf haben, dass ihre Asylanträge zumindest in einem Mitglied- oder Vertragsstaat geprüft werden, so verletzt die Aufrechterhaltung der Ablehnung der Anträge als unzulässig auch ihre Rechte, selbst wenn nach diesen Strukturen äußerstenfalls am Ende eine Entscheidung durch das Bundesamt stehen kann, dass das Verfahren nicht wiederaufgegriffen wird, so denn überhaupt eine Zweitantragssituation vorliegt, was dieses jedoch vorrangig in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat.
43 
Geht man hingegen davon aus, dass im vorliegenden Fall die Kläger im Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs nach polnischem Recht eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens beanspruchen konnten und somit kein Folgeschutzgesuch vorliegt, so kann der angegriffene Bescheid gleichfalls keinen Bestand haben. Nicht anders als in den Fällen einer unzutreffenden Einstellung des Verfahrens wegen einer rechtsgeschäftlich erklärten oder einer fingierten Antragsrücknahme nach § 32 und § 33 (vgl. BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158), in denen das Bundesamt - wie auch hier - entweder in der Sache noch gar nicht befasst, jedenfalls aber noch keine Sachentscheidung getroffen und eine eigenständige Bewertung des Vorbringens vorgenommen hatte, hat dieses zunächst das Verwaltungsverfahren in eigener Kompetenz durchzuführen und abzuschließen, weshalb der angegriffene Bescheid auf die von Klägern auch gestellten Anfechtungsanträge lediglich aufzuheben ist. Der Umstand, dass die Kläger auch Verpflichtungsanträge gestellt hatten (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.03.1995 - a.a.O., in dem dieses offen gelassen hatte, ob im Falle eines gestellten Verpflichtungsantrags abschließend in der Sache zu entscheiden sein könnte), diese aber vom Verwaltungsgericht nach dem Tenor der angegriffenen Entscheidung nicht ausdrücklich abgewiesen wurden, ändert hieran nichts, selbst wenn man nicht der Auffassung des Senats folgen wollte, dass hier Verpflichtungsanträge generell nicht statthaft sind. Diese sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Denn entweder wurden nach den Entscheidungsgründen die Klagen insoweit abgewiesen, ohne dass die Kläger dieses angegriffen haben; dagegen spricht allerdings die Kostenentscheidung und die hierfür gegebene Begründung, die allein § 154 Abs. 1 VwGO zitiert; oder aber die Kläger haben es unterlassen, innerhalb der vorgesehenen Frist einen Ergänzungsantrag nach § 120 VwGO zu stellen.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
45 
Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Gründe

 
22 
Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie rechtzeitig und den gesetzlichen Formerfordernissen genügend begründet.
23 
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
24 
Die Klage gegen die Ziffer 1 des angegriffenen Bescheids ist als Anfechtungsklage statthaft und im Übrigen zulässig (vgl. hierzu im Folgenden). Insbesondere hat sich der Rechtsstreit nicht durch den lediglich im Entwurf vorgelegten Bescheid vom 28.04.2015 erledigt, der den Klägern bislang noch nicht zugestellt wurde. Im Übrigen hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die Ziffer 1 nicht als Zweitbescheid, sondern lediglich als Erläuterung und Bekräftigung der Rechtsauffassung der Beklagten zu verstehen sei.
25 
Sie ist auch in der Sache begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten vom 22.11.2013, die allein noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, im Ergebnis zu Recht aufgehoben.
26 
Nach dem für den Senat gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung ist die Ziffer 1, mit der die Asylanträge der Kläger gem. § 31 Abs. 6 AsylVfG der Sache nach als unzulässig abgelehnt wurden (vgl. zur Auslegung des Tenors Senatsurteil vom 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77), rechtswidrig und verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27 
Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand sind die Asylanträge nicht mehr unzulässig im Sinne des § 27a AsylVfG, weil die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden ist. Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, welcher Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig ist, ist hier allein die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 (VO Dublin II), denn im vorliegenden Fall haben die Kläger nicht nur ihre Asylanträge vor dem 01.01.2014 (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 604/2013 vom 26.06.2013 - VO Dublin III) gestellt, vielmehr wurde auch das Wiederaufnahmegesuch vor diesem Datum eingereicht.
28 
Polen hat dem Wiederaufnahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland am 24.10.2013 zugestimmt, weshalb die Überstellungsfrist des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II an sich am 24.04.2014 fruchtlos abgelaufen wäre. Da die Kläger das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ohne Erfolg betrieben hatten, war der Fristlauf zwar im Zeitraum zwischen dem Zugang des angegriffenen Bescheids (frühestens am 27.11.2013, dem Tag nach der Datierung des dem Bescheid beigefügten Anschreibens vom 26.11.2013) bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 gehemmt (vgl. zu alledem Senatsurteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - InfAuslR 2014, 452). Der Senat geht davon aus, dass während des Laufs der Wochenfrist nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sowie im Zeitraum bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 02.01.2014 mit Rücksicht auf § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG die Abschiebung unmittelbar kraft Gesetzes ausgesetzt und der Ablauf der Frist gehemmt war (vgl. im Einzelnen GK-AsylVfG, § 27a, Rn. 228). Dieses zugrunde gelegt, wäre die Frist aber spätestens Ende Juni/Anfang Juli 2014 abgelaufen. Infolge des Fristablaufs ist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik übergegangen. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass dann, wenn eine Überstellung noch zeitnah möglich wäre, weil Polen den Fristablauf nicht einwendet, sich die Kläger allerdings auf den Zuständigkeitsübergang nicht berufen könnten (vgl. Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293 und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris). Es entspricht der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs, dass, sofern spezialgesetzlich keine besonderen Ausnahmen geregelt sind (wie z.B. in Art. 8 VO Dublin II), Antragsteller auf internationalen Schutz grundsätzlich kein subjektives Recht auf Prüfung ihres Antrags in einem bestimmten Mitglied- oder Vertragsstaat haben, und Fehler bei der Auslegung und Unzulänglichkeiten bei der Anwendung der Zuständigkeitsregelungen der Verordnung grundsätzlich irrelevant sind (vgl. Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417; vom 14.11.2013 - C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 170, und insbesondere vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208; vgl. auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Daraus folgt - dem unionsrechtlichen System immanent - notwendigerweise, dass ein allein infolge des Ablaufs einer Frist für die Stellung eines Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeersuchens oder für die Durchführung einer Überstellung erfolgter gesetzlicher Übergang der Zuständigkeit noch kein subjektives Recht berühren kann (vgl. Senatsurteile vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - InfAuslR 2014, 293, vom 27.08.2014 - A 11 S 1285/14 - NVwZ 2015, 92, und vom 18.03.2015 - A 11 S 2042/14 - juris; ebenso OVG Schl.-Holst., Beschluss vom 24.02.2015 - 2 LA 15/15 - juris; Nieders. OVG, Beschluss vom 06.11.2014 - 13 LA 66/14 - juris; Hess. VGH, Beschluss vom 25.08.2014 - 2 A 975/14 A - juris; OVG Rheinl.-Pfalz, Urteil vom 21.02.2014 - 10 A 10656/13 - juris; so wohl auch BVerwG, Beschlüsse vom 19.03.2014 - 10 B 6.14 - NVwZ 2014, 1093, und vom 14.07.2014 - 1 B 9/14, 1 PKH 10/14 - juris; Berlit, jurisPR-BVerwG, 17/2014, Anm. 2). Deshalb wurde entgegen verschiedener gegenteiliger Stimmen in der verwaltungsgerichtlichen Judikatur (vgl. etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 05.02.2015 - 22 K 2262/14.A - juris) dieser Fragenkomplex durch den Europäischen Gerichtshof eindeutig beantwortet. Eine andere Frage ist, ob im Falle einer unzumutbaren Verzögerung der Durchführung des Aufnahme- und/oder Überstellungsverfahrens durch den Mitgliedstaat der Antragstellung für die Betroffenen die Möglichkeit bestehen muss, eine sachliche Prüfung durch den Antragsmitgliedstaat zu erzwingen (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/ 13 - InfAuslR 2014, 293). Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor.
29 
Hieran hat sich im Übrigen durch die nunmehr in Kraft getretene VO Dublin III nichts Grundsätzliches geändert. Die Tatsache, dass möglicherweise der gerichtliche Rechtsschutz tendenziell aufgewertet wurde (vgl. den 19. Erwägungsgrund; vgl. aber auch schon Art. 19 Abs. 2 Sätze 3 und 4 VO Dublin II und Art. 47 GRCh), vermag die - völlig unveränderte - Grundstruktur des Dublin-Mechanismus nicht infrage zu stellen (so aber etwa Karlsruhe, Beschluss vom 30.11.2014 - A 5 K 20026/14 - juris) und die jeweils für jede Konstellation erforderliche Feststellung des subjektiven Rechts bzw. der klagefähigen Rechtsposition, deren Verwirklichung die Rechtsschutzgarantie dienen soll, nicht zu ersetzen.
30 
Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an einer Übernahmebereitschaft Polens. Es ist auch nicht ersichtlich, dass noch ein anderer Mitglied- oder Vertragsstaat zuständig sein könnte. Das folgt schon daraus, dass infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (jetzt Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) die Zuständigkeit endgültig auf die Bundesrepublik übergegangen ist, selbst wenn vorher noch die Zuständigkeit eines anderen Staates im Raum gestanden hätte (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, 2014, Art. 29 Rn. K 9).
31 
Eine Rückkehr der Kläger nach Polen mag zwar möglich sein; eine formlose Wiedereröffnung des Asylverfahrens (vgl. ausführlich noch unten zu den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Wiedereröffnung eines Asylverfahrens) wäre nach der Rechtslage in Polen an sich auch nicht ausgeschlossen, weil die Kläger ihre Asylanträge in Polen am 12.06.2013 gestellt haben und die Frist von zwei Jahren nach erfolgter vorläufiger Einstellung des Verfahrens noch nicht abgelaufen ist (vgl. hierzu auch aida, National Country Report Poland, Stand Juni 2014, S. 21). Unter diesen Voraussetzungen könnte auch erwogen werden, dass die Kläger kein Sachbescheidungsinteresse haben und daher die Asylanträge aus diesem Grund unzulässig sind. Eine Prüfung der Anträge wird aber nach den Ermittlungen der Beklagten in Polen deshalb nicht erfolgen, weil sich Polen auf die Zuständigkeit der Bundesrepublik berufen und eine Überstellung der Kläger betreiben würde.
32 
In der vorliegenden Konstellation, in der die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin II (vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 VO Dublin III) ausschließlich zuständig geworden ist und eine Überstellung in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat Polen nicht (mehr) möglich ist, liegen die Voraussetzungen für die Ablehnung der Anträge als unzulässig im Sinne des § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG nicht mehr vor und die Kläger können die Durchführung der Asylverfahren durch die Bundesrepublik Deutschland beanspruchen. Dabei kann eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige und auch eine überschaubare zeitliche Dimension der Überstellung umfassende Fakten untermauert wird, nicht genügen, da andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot (vgl. EuGH Urteile vom 21.12.2011 - C-411/10 u.a., N.S. u.a. - NVwZ 2012, 417, Rn. 79, und vom 10.12.2013 - C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208, Rn. 53) verletzt wird. Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, in welchem genauen zeitlichen Rahmen eine Überstellung noch möglich sein muss. Ein Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb zu bejahen, weil dem Zuständigkeitssystem nämlich zugrunde liegt, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben müssen, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Dieses ergibt sich unmissverständlich aus Art. 3 Abs. 1 VO Dublin II bzw. Art. 3 Abs. 1 VO Dublin III (vgl. auch den 4. Erwägungsgrund der VO Dublin II sowie den 5. Erwägungsgrund der VO Dublin III). Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass die betroffenen Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten können und – wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert – doch ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bleiben. Andererseits bedeutet dies nicht, dass den Betroffenen prinzipiell nicht ein erfolgloses und abgeschlossenes Verfahren, das in einem Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführt worden war, entgegengehalten werden könnte (vgl. hierzu noch im Folgenden).
33 
Vor diesem Hintergrund kann die angegriffene Ziffer 1 nicht mehr auf § 27a i.V.m. § 31 Abs. 6 AsylVfG gestützt werden und ist daher aufzuheben.
34 
Der Beklagten ist im Ausgangspunkt zwar nicht zu widersprechen, dass eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Verfügung nicht allein deshalb aufzuheben ist, weil die für die Verfügung herangezogene und in der Begründung als maßgeblich zugrunde gelegte Rechtsgrundlage diese nicht (mehr) zu tragen vermag, wenn sie gleichwohl in anderen rechtlichen und/oder tatsächlichen Gründen ihre Rechtfertigung erfährt (vgl. etwa Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 79 ff. m.w.N.). Dieser Gesichtspunkt kann aber hier ein Aufrechterhalten der angegriffenen Verfügung nicht rechtfertigen.
35 
Dabei ergeben sich im vorliegenden Fall zunächst Besonderheiten schon deshalb, weil es der Sache nach auch um die Versagung einer Begünstigung geht, nämlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, ggf. auch des subsidiären Schutzstatus (vgl. § 13 AsylVfG in der seit 01.12.2013 geltenden Fassung). Vorrangig ist daher die von der Beklagten zu Recht aufgeworfene Frage zu beantworten, ob der Senat verpflichtet ist, die Sache spruchreif zu machen (vgl. allgemein Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 422 ff. m.w.N.). Ungeachtet der hier noch offen zu lassenden Frage, ob mittlerweile, wie die Beklagte meint, der Sache nach sog. Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegen, verneint der Senat dieses (vgl. schon ausführlich Senatsurteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 - juris, Rn. 18). Selbst wenn hier mittlerweile Zweitanträge vorlägen (vgl. aber noch im Folgenden), so bestünde gleichwohl keine Verpflichtung zur Spruchreifmachung und zu einer Entscheidung hierüber. Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 10.02.1998 - 9 C 28.97 - NVwZ 1998, 861) aus der Sicht des Senats ohnehin erheblichen Bedenken begegnet, auf die das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil bereits zutreffend hingewiesen hat, bestehen schon gegenüber der zugrunde liegenden Folgeantragssituation nach § 71 AsylVfG zusätzliche grundlegende Unterschiede, die zu den Einwänden gegen eine Verpflichtung zur Spruchreifmachung im Falle eines Folgeantrags (vgl. ausführlich GK-AsylVfG, § 71 Rn. 296 ff., demnächst Rn. 367 ff.) noch hinzutreten. Geht man sachgerecht davon aus, dass die von den Klägern am 17.06.2013 eingereichten Asylanträge sinngemäß unter allen denkbaren Gesichtspunkten, also auch unter dem Aspekt eines möglichen Folgeschutzgesuchs, gestellt worden waren, konnten diese Anträge zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten am 22.11.2013 wegen der Zuständigkeit Polens keine Zweitanträge im Sinne des § 71a AsylVfG sein und wurden auch nicht als solche beschieden. Des Weiteren kann nicht außer Acht gelassen werden, dass in einem Zweitantragsverfahren umfangreichere Verfahrensgarantien bestehen, insbesondere auch nach § 25 AsylVfG (i.V.m. § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) – jedenfalls in der Regel – eine Anhörung stattzufinden hat, bei der sich das Bundesamt auch der (formellen und materiellen) Grundlagen des notwendigerweise in einem anderen Mitglied- oder Vertragsstaat durchgeführten Erstverfahrens zu vergewissern hat (vgl. GK-AsylVfG § 71a Rn. 30 ff.). Auch ist originär und nicht nur in einem Wiederaufnahmeverfahren in Bezug auf den Herkunftsstaat über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu entscheiden, um das unionsrechtliche und völkerrechtliche Refoulement-Verbot zu sichern. Diese Aufgabe ist zuvörderst dem mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Bundesamt zugewiesen (vgl. hierzu auch § 72 Abs. 2 AufenthG). Weiter ist zu bedenken, dass das Verfahren im Falle der negativen Vorprüfen der Asylrelevanz wie auch im Falle einer negativen Sachprüfung auf eine Aufenthaltsbeendigung in den Herkunftsstaat gerichtet ist, was – insofern anders als im Folgeverfahren (vgl. § 71 Abs. 5 AsylVfG) – zwingend den erstmaligen Erlass einer Abschiebungsandrohung nach sich ziehen muss (vgl. § 71a Abs. 4 AsylVfG). Nicht anders als in den Fällen der zu Unrecht erfolgten Behandlung eines Asylantrags nach § 32 oder § 33 AsylVfG (vgl. nochmals BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158) gebietet der in § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO niedergelegte Grundsatz, wonach die Verwaltungsgerichte grundsätzlich verpflichtet sind, den Rechtsstreit spruchreif zu machen, im vorliegenden Fall eine Entscheidung zur Sache durch den Senat nicht, wenn wesentliche Verfahrensgrundlage aufgrund der früher (an sich noch zu Recht) vorgenommenen Weichenstellung bislang ungeklärt geblieben sind (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 43; Stuhlfauth, in: Bader u.a., VwGO, 6. Aufl., § 113 Rn. 101 f.).
36 
Schließlich kann - ungeachtet der vorliegenden Fallkonstellation, für die, wie dargelegt, feststeht, dass eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens in Polen möglich ist - gar nicht immer pauschal unterstellt werden, dass überhaupt eine „Zweitantragssituation“ vorliegt und daher möglicherweise zumindest von konkludent und (nur) hilfsweise durch die Kläger gestellten Hilfsanträgen ausgegangen werden muss. Denn § 71a AsylVfG setzt nicht anders als § 71 AsylVfG, dem die Vorschrift sachlich nachgebildet ist, voraus, dass das Verfahren im anderen Mitglied- oder Vertragsstaat erfolglos, d.h. unanfechtbar abgeschlossen wurde (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 71a Rn. 14 f.). Schon unter der Geltung der Verordnung Dublin II sowie der Richtlinie 2005/85/EG vom 01.12.2005 (Verfahrensrichtlinie – VRL a.F.) war es den Mitgliedstaaten überlassen, ob sie im Falle einer konkludenten Rücknahme bzw. eines Nichtbetreibens des Verfahrens im ersten Mitgliedstaat, wovon in Anbetracht fehlender Anhaltspunkte im Falle der Kläger auszugehen sein wird (vgl. auch zur Praxis Polens aida, a.a.O.), die Fortsetzung des Verfahrens nur im Regime des Folgeantrags zulassen oder - weitergehend - eine formlose Wiedereröffnung ermöglichen (vgl. Art. 20 Abs. 2 UA 1 VRL a.F.). Im letzteren Fall hätte der Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland aber die notwendige Folge, dass nicht von einem „erfolglosen Abschluss des Asylverfahrens“ im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylVfG ausgegangen werden kann. Denn dem unionsrechtlichen Zuständigkeitsübergang infolge einer Fristversäumung ist immanent, dass der zuständig gewordene Mitgliedstaat das Verfahren in dem Stadium übernimmt, den es zum Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs erreicht hatte. Der VO Dublin II (wie auch der VO Dublin III) kann keine Regelung entnommen werden, die über den Zuständigkeitsübergang hinaus bestimmt, dass mit diesem auch ein formeller wie materieller Rechtsverlust verbunden sein könnte. Die Prüfung und Aufklärung all dieser Fragen ist unerlässlicher Inhalt des Verfahrens beim Bundesamt hinsichtlich der Verfahrensgrundlagen des Erstverfahrens.
37 
Noch viel mehr gilt dies nach dem nunmehr maßgeblichen, hier allerdings noch nicht anwendbaren Regime von Dublin III sowie künftig der bis zum 20.7. diesen Jahres umzusetzenden Richtlinie 2013/32/EU vom 26.06.2013 – VRL n.F. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 2 Satz 1 VO Dublin III hat der zuständige Mitgliedstaat (hier nunmehr die zuständig gewordene Bundesrepublik Deutschland) in den Fällen (Absatz 1 lit. c), in denen über den Erstantrag im ersten Mitgliedstaat in erster Instanz keine sachliche Entscheidung getroffen worden war (wovon nach den Ermittlungen der Beklagten im Falle der Kläger auszugehen ist), sicherzustellen, dass die Betroffenen einen neuen Antrag stellen können, der nicht als Folgeantrag gewertet werden darf. Wenn es in Satz 2 sodann heißt, dass „die Mitgliedstaaten“ (und nicht nur „der Mitgliedstaat“) in diesen Fällen gewährleisten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird, so macht auch dieses deutlich, dass der Zuständigkeitsübergang allein nicht zum Verlust der formalen und materiellen Rechtsstellung führt, vielmehr der andere nunmehr zuständige Mitgliedstaat das Verfahren weiter zu führen hat. Nach Art. 18 Abs. 2 UA 3 VO Dublin III muss der Aufnahmemitgliedstaat weit über das Regime von Dublin II hinausgehend in den Fällen des Absatzes 1 lit. d), wenn der Antrag nur in erster Instanz, aber mit einer Sachentscheidung abgelehnt worden war, sogar ohne jede Einschränkung für die Betroffenen sicherstellen, dass noch ein wirksamer Rechtsbehelf eingelegt werden kann, und zwar auch dann, wenn die Sachentscheidung unanfechtbar geworden ist. Dabei muss, damit die Vorschrift zur Anwendung kommen kann, der Eintritt der Unanfechtbarkeit sicherlich darauf beruhen, dass die Entscheidung infolge der Ausreise der Betroffenen in deren Abwesenheit ergangen und ihnen nicht persönlich zur Kenntnis gebracht und infolge dessen von ihnen nicht angefochten werden konnte; auf einzelne Abgrenzungsfragen kommt es an dieser Stelle allerdings nicht an; sie werden aus gegebenem Anlass zu klären sein. Da allerdings das nationale Verfahrensrecht nicht vorsieht, dass eine Sachentscheidung eines anderen Mitglied- oder Vertragsstaat gerichtlich überprüft werden kann, könnte die Konsequenz dieser unionsrechtlich zwingenden Vorgabe die sein, dass im Falle eines Zuständigkeitsübergangs die Bundesrepublik eine neue Sachentscheidung zu treffen hat; allerdings fällt auf, dass in UA 3 ein dem in UA 2 enthaltener vergleichbarer Satz 2 fehlt, was auch die Deutung zulassen könnte, dass mit dem Zuständigkeitsübergang in dieser Konstellation ein Rechtsverlust einhergehen könnte; einer abschließenden Entscheidung bedarf es auch insoweit hier jedoch noch nicht.
38 
Art. 28 Abs. 2 UA 1 VRL n.F. bestimmt zusätzlich, dass die Antragsteller im Fall einer stillschweigenden Rücknahme oder eines Nichtbetreibens des Verfahrens berechtigt sind, um eine Wiedereröffnung des Verfahrens zu ersuchen oder einen neuen Antrag zu stellen, der nicht nach Maßgabe der Art. 40 und 41, d.h. nicht als Folgeantrag, geprüft werden darf. Nach Art. 28 Abs. 2 UA 2 VRL n.F. besteht allerdings unter bestimmten Kautelen die Möglichkeit, dass die Mitgliedstaaten – nur teilweise – restriktivere Regelungen vorgeben können. Auch insoweit bestehen Einschränkungen der nunmehr zuständig gewordenen Bundesrepublik Deutschland, einen weiteren Asylantrag dem Regime des Zweitantragsverfahrens zu unterwerfen, insbesondere solange die Bundesrepublik von der Möglichkeit des teilweisen „Opt-Out“ keinen Gebrauch gemacht hat.
39 
All diese differenzierten Gründe grundsätzlicher und struktureller Art zwingen nach Auffassung des Senats dazu, den Verfahrensgegenstand des gerichtlichen Verfahrens strikt auf die Anfechtung der Ablehnungsentscheidung des Asylantrags als unzulässig nach § 27a AsylVfG zu beschränken und die weitere Prüfung dem Bundesamt zu überlassen; diese Sachgründe setzen sich nach Überzeugung des Senats gegenüber einer pauschalen Berufung auf ein sicherlich nicht zu verkennendes Beschleunigungsinteresse durch.
40 
Aufgrund der vorgenannten Überlegungen kommt es auch nicht in Betracht, die isoliert angefochtene Entscheidung als eine negative Entscheidung über einen Zweitantrag aufrechtzuerhalten, so denn überhaupt ein solcher vorliegt, was hier, wie ausgeführt, nicht der Fall ist. Dieses liegt schon daran, dass dann nach den Vorstellungen der Beklagten der Sache nach ein Antrag auf Wiederaufgreifen und nicht ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wäre, was sich aber – nicht nur wegen der unterschiedlichen Tenorierung, was unter Umständen nicht hinreichend sein könnte – als eine Veränderung des Verwaltungsakts seinem Wesen nach darstellen würde (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl., § 113 Rn. 81 und 86 m.w.N.).
41 
Auch eine Umdeutung nach § 47 VwVfG ist nicht möglich. Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.02.2015 (1 B 2.15 - juris) ergibt sich nichts anderes. Zunächst betrifft er die nicht vergleichbare Fallkonstellation einer auf die §§ 32 und 33 Abs. 1 AsylVfG gestützten Verfahrenseinstellung, zum anderen lässt die Entscheidung jede Erläuterung vermissen, weshalb in dieser Verfahrenskonstellation eine Umdeutung oder Aufrechterhaltung überhaupt möglich sein soll. Eine Umdeutung scheitert im hier zu entscheidenden Fall, wie sich aus den vorgenannten Ausführungen ergibt, schon daran, dass der Verwaltungsakt nicht auf das gleiche oder ein im Wesentlichen gleiches Ziel gerichtet wäre (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl., 2014, § 47 Rn. 13 ff.). Die Entscheidung der Beklagten war im vorliegenden Fall auf die Unzulässigkeit im Sinne des § 31 Abs. 6 AsylVfG gerichtet und darauf, die zwingende Rechtsfolge des § 34a Abs. 1 AsylVfG herbeizuführen. Hingegen wird mit der Entscheidung zu § 71a AsylVfG die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens, d.h. ein Wiederaufgreifen eines nicht mehr angreifbaren Verfahrens abgelehnt, die dann in erster Linie die Rechtsfolge des § 71a Abs. 4 i.V.m. § 34 bzw. § 36 AsylVfG (in Bezug auf den Herkunftsstaat) auslöst und damit eine völlig andere Qualität hat als eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (in den anderen Mitglied- oder Vertragsstaat). Diese Entscheidung würde aber voraussetzen, dass nicht nur ein Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG vorliegt, sondern auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu verneinen sind, was, wie dargelegt, im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahren mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden ist, ungeachtet der Frage, ob die Antworten auf diese Fragen ein mehr oder weniger großes Maß an Evidenz aufweisen. Zwar verweist § 71a Abs. 4 auch auf § 34a AsylVfG; diese Verfahrensweise ist jedoch gerichtet auf die Überstellung nach der Drittstaatenregelung des § 26a AsylVfG und nicht nach dem Dublin-System, worauf aber gerade der angegriffene Bescheid abzielt. Hinzukommt, dass fraglich ist, ob im Anwendungsbereich des Dublin-Systems überhaupt noch der andere Mitgliedstaat als sicherer Drittstaat behandelt und von der nationalen Drittstaatenregelung Gebrauch gemacht werden darf mit der Folge, dass die Drittstaatenregelung nur noch solche – gegenwärtig nicht existierende – Drittstaaten betreffen könnte, die nicht Teil des Dublin-Systems sind (vgl. GK-AsylVfG, § 27a Rn. 56 ff.). Abgesehen davon ist hier die Rechtsfolge des § 34a AsylVfG allenfalls optional und von einer Ermessensentscheidung der Beklagten abhängig.
42 
Legt man, wie ausgeführt, zugrunde, dass die Antragsteller nach den Grundstrukturen des gemeinsamen Europäischen Asylsystems jedenfalls einen Anspruch darauf haben, dass ihre Asylanträge zumindest in einem Mitglied- oder Vertragsstaat geprüft werden, so verletzt die Aufrechterhaltung der Ablehnung der Anträge als unzulässig auch ihre Rechte, selbst wenn nach diesen Strukturen äußerstenfalls am Ende eine Entscheidung durch das Bundesamt stehen kann, dass das Verfahren nicht wiederaufgegriffen wird, so denn überhaupt eine Zweitantragssituation vorliegt, was dieses jedoch vorrangig in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat.
43 
Geht man hingegen davon aus, dass im vorliegenden Fall die Kläger im Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs nach polnischem Recht eine formlose Wiedereröffnung des Verfahrens beanspruchen konnten und somit kein Folgeschutzgesuch vorliegt, so kann der angegriffene Bescheid gleichfalls keinen Bestand haben. Nicht anders als in den Fällen einer unzutreffenden Einstellung des Verfahrens wegen einer rechtsgeschäftlich erklärten oder einer fingierten Antragsrücknahme nach § 32 und § 33 (vgl. BVerwG, Urteile vom 07.03.1995 - 9 C 264/94 - NVwZ 1996, 80, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 - NVwZ 2014, 158), in denen das Bundesamt - wie auch hier - entweder in der Sache noch gar nicht befasst, jedenfalls aber noch keine Sachentscheidung getroffen und eine eigenständige Bewertung des Vorbringens vorgenommen hatte, hat dieses zunächst das Verwaltungsverfahren in eigener Kompetenz durchzuführen und abzuschließen, weshalb der angegriffene Bescheid auf die von Klägern auch gestellten Anfechtungsanträge lediglich aufzuheben ist. Der Umstand, dass die Kläger auch Verpflichtungsanträge gestellt hatten (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 07.03.1995 - a.a.O., in dem dieses offen gelassen hatte, ob im Falle eines gestellten Verpflichtungsantrags abschließend in der Sache zu entscheiden sein könnte), diese aber vom Verwaltungsgericht nach dem Tenor der angegriffenen Entscheidung nicht ausdrücklich abgewiesen wurden, ändert hieran nichts, selbst wenn man nicht der Auffassung des Senats folgen wollte, dass hier Verpflichtungsanträge generell nicht statthaft sind. Diese sind nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Denn entweder wurden nach den Entscheidungsgründen die Klagen insoweit abgewiesen, ohne dass die Kläger dieses angegriffen haben; dagegen spricht allerdings die Kostenentscheidung und die hierfür gegebene Begründung, die allein § 154 Abs. 1 VwGO zitiert; oder aber die Kläger haben es unterlassen, innerhalb der vorgesehenen Frist einen Ergänzungsantrag nach § 120 VwGO zu stellen.
44 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.
45 
Gründe im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO, die es rechtfertigen würden, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.