Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Juli 2016 - M 12 K 16.31184
Tenor
I.
Die Klagen werden abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind nach eigenen Angaben eritreische Staatsangehörige (Kläger zu 1) geb. am ...; Klägerin zu 2) geb. am ...). Sie reisten - wieder nach eigenen Angaben - am 25. August 2015 (Bl. 66 der Behördenakte - BA) ins Bundesgebiet ein und beantragten am 18. April 2016 Asyl (Bl. 3 BA).
Die Kläger trugen zur Begründung ihres Asylantrags bei der Anhörung des Bundesamtes im Wesentlichen vor: Der Kläger zu 1) führte im Wesentlichen aus, er habe Eritrea als Kind im Jahr 2002 verlassen, weil sein Vater zum Nationaldienst gehen sollte. Er sei hier, weil die Situation im Sudan sehr schlecht sei. Ihm drohe dort Gefängnis, weil er sich illegal aufhalte. Er fürchte sich vor dem Militärdienst, er habe keine Nachweise, dass er diesen bereits abgeleistet habe. Die Klägerin zu 2) führte aus, auch sie fürchte sich vor dem Militärdienst. Ihre Eltern hätten im Jahr 1999 Eritrea verlassen. Im Sudan habe sie für eine Frau gearbeitet. Sie sei dort auch im Gefängnis gewesen.
Mit Bescheid vom
Der Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am
Am .... Mai 2016 haben die Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erhoben mit dem Antrag,
die Beklagte unter Aufhebung der Nr. 2 des Bescheides vom
Die Klage wurde durch den Prozessbevollmächtigten am .... Juni 2016 im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Kläger befänden sich im wehrdienstfähigen Alter. Sie hätten bei der Anhörung am
Die Beklagte übersandte am
Mit Beschluss vom 17. Juni 2016
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
Gründe
Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob der Bescheid des Bundesamtes vom
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl, 1953 II S.559, 560-Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung kann dabei gem. § 3c AsylG ausgehen von einem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Weiter darf für den Ausländer keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, § 3e AsylG.
Maßgeblich ist, ob der Asylsuchende bei Rückkehr in sein Heimatland der Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt wäre, wobei auf den Sachstand im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen ist, § 77 Abs. 1 AsylG. Hat der Ausländer sein Heimatland bzw. den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen, besteht Anspruch auf Verfolgungsschutz bereits dann, wenn er bei Rückkehr vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann (herabgestufter Prognosemaßstab). Ist der Ausländer hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Schutz nur, wenn ihm aufgrund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht (gewöhnlicher Prognosemaßstab).
Das Gericht muss - für einen Erfolg des Antrags - die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, Urt. vom 16.04.1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 32). Demgemäß setzt ein Asylanspruch bzw. die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, Urt. vom 08.05.1984, Buchholz § 108 VwGO Nr. 147).
An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, Urteil vom 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 135; Beschluss vom 21.07.1989
In Anwendung dieser Grundsätze ist bei den Klägern keine Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG festzustellen. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Kläger vor ihrer Ausreise aus dem Sudan oder im Falle einer Rückkehr nach Eritrea landesweit von religiöser oder politischer Verfolgung betroffen waren bzw. bedroht sein würden.
Die Kläger haben keine asylrechtlich relevanten Vorfluchtgründe vorgetragen. Die Einlassung des Klägers zu 1) betreffend die Situation im Sudan ist irrelevant, weil der Kläger nicht in den Sudan zurückkehren soll. Die Einlassung der Klägerin zu 2), sie habe im Sudan ein sehr schlechtes Leben gehabt, ist ebenfalls asylrechtlich irrelevant.
Das Vorbringen der Kläger, sie befürchten in Eritrea zum Wehrdienst eingezogen zu werden, führt nicht dazu, dass die Beklagte zu verpflichten wäre, den Klägern Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG zuzuerkennen. Den Klägern droht in Eritrea, dem Land ihrer behaupteten Staatsangehörigkeit (Herkunftsland) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit eine Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Kläger ihre eritreische Staatsangehörigkeit glaubhaft gemacht haben. Nur unter dieser Voraussetzung können sie den Flüchtlingsstatus in Bezug auf eine ihnen in Eritrea drohende flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgungsgefahr beanspruchen.
Dabei ist unter Zugrundelegung des eigenen Vorbringens der Kläger davon auszugehen, dass sie nicht vorverfolgt aus Eritrea ausgereist sind, da sie nach eigenen Angaben zwar in Eritrea geboren sind, aber im Kindesalter in den Sudan ausgewandert sind (Bl. 68 BA). Hinsichtlich der jetzt anzunehmenden Verfolgungsgefahr ist nicht etwa danach zu fragen, ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass die Kläger erneut von einer Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden bedroht werden (Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie). Denn die Kläger haben nichts dazu vorgebracht und es erschließt sich auch nicht sonst, dass sie bis heute in Eritrea jemals relevante Verfolgungshandlungen erlitten oder unmittelbar zu gewärtigen gehabt hätten. Maßstab für die flüchtlingsschutzrechtliche Beurteilung der von den Klägern geltend gemachten Verfolgungsgefahr ist daher, ob mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgungsgefahr für die Kläger in dem von ihnen behaupteten Herkunftsland (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) Eritrea in Anknüpfung an die geschützten Persönlichkeitsmerkmale (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) auszugehen ist.
Eine solche Verfolgungsgefahr in Eritrea vermag das Gericht wegen des Nationalen Dienstes (Militärdienst einschließlich nationaler Dienstverpflichtung) nicht zu erkennen. In diesem Zusammenhang stellt die bloße Heranziehung zum Nationaldienst als solchen deshalb keine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung dar, weil die Heranziehung zum Militärdienst ausweislich der Regelung in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG flüchtlingsschutzrechtlich schon grundsätzlich nicht dem Schutzversprechen unterfällt. Denn diese Vorschrift definiert lediglich Verfolgungshandlungen im Zusammenhang mit einer Verweigerung des Militärdienstes nur in einem Konflikt als relevante Verfolgungshandlungen, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Kriegsverbrechen; schwere nichtpolitische Straftaten, Zuwiderhandlungen gegen die Grundsätze der Vereinten Nationen). Im Übrigen trifft der eritreische Nationaldienst alle Staatsangehörigen ohne Ansehen der Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gleichermaßen.
Der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus´ steht im vorliegenden Fall weiter entgegen, dass keine substantiellen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die eritreische Regierung auch Personen verfolgt, die sich - wie die Kläger - dem Nationalen Dienst lediglich dadurch (bisher) entzogen haben, dass sie sich im wehrpflichtigen Alter (ab dem 18. Lebensjahr) nicht in Eritrea befunden haben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass solche Personen im Falle einer Einreise nach Eritrea mit einer Einberufung zum Nationalen Dienst zu rechnen haben, also anders als Deserteure, Fahnenflüchtlinge oder Wehrdienstverweigerer nicht mit Inhaftierung, Folter, unmenschlicher Behandlung und/oder sonstigen Repressalien seitens des eritreischen Staates rechnen müssen. Selbst eine ggf. drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine illegale Ausreise wäre gem. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG nur dann flüchtlingsschutzrechtlich relevant, wenn sie entweder zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt würde, die durch die Maßnahmen in einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten flüchtlingsschutzrechtlich relevanten Persönlichkeitsmerkmale getroffen werden sollen, oder wenn sie wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt erginge, in welchem der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Treiber in GK-AufenthG, Band 3, § 60 AufenthG Rn. 167 ff., Stand April 2011 m. w. N. aus der Rspr.). § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG bezieht sich - in Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 lit. e der Qualifikationsrichtlinie - also auf einen „Konflikt“. Eine Kriegsdienstverweigerung, die - aus welchen Gründen auch immer - außerhalb eines solchen Konfliktes stattfindet, kann demnach nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen (EuGH, U.v. 26. 2. 2015 - Rs. C-472/13 zur unionsrechtlichen Vorgängernorm des Art. 9 Abs. 2 lit. e Richtlinie 2004/83/EG - juris).
Hiernach würde selbst eine in Eritrea ggf. drohende Bestrafung wegen Umgehung der Wehrpflicht durch eine illegale Ausreise, die ggf. mit inhumanen Umständen der Strafvollstreckung verbunden sein könnte, keine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung darstellen. Dies gilt auf der Ebene des Flüchtlingsschutzes erst recht für den vorliegenden Fall einer Umgehung der Wehrpflicht durch bloßen „Nicht-Aufenthalt“ in Eritrea im wehrpflichtigen Alter (VG Münster, U.v. 22.7.2015 - 9 K 3488/13.A - juris).
Eine in Eritrea drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine illegale Ausreise ist vorliegend schon deshalb nicht beachtlich wahrscheinlich, weil die Kläger zwar nach eigenen Angaben in Eritrea geboren wurden, aber bereits als Kinder aus Eritrea ausgereist sind. Die Flucht der Kläger aus dem Sudan und ihre Weigerung, nach Eritrea zurückzukehren, löst ebenso wenig eine Zuerkennung des Flüchtlingsstatus aus. Denn dieses Verhalten steht nicht im Zusammenhang mit einem Konflikt im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG. Eritrea befindet sich derzeit (§ 77 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AsylG) in keinem Konflikt im Sinne der Vorschrift - sei es mit anderen Staaten (internationaler Konflikt), sei es mit aufständischen innerstaatlichen Gruppen (innerstaatlicher Konflikt). Kriegerische Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten Äthiopien, Dschibuti und Sudan finden zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht statt.
Die bloße Asylantragsstellung in Deutschland begründet ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr für die Kläger in Eritrea (Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea, 14. Dezember 2015, S. 17).
Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten, das Bundesamt gewähre aus politischen Gründen nur subsidiären Schutz, ist unerheblich. Das Gericht kann vorliegend nur prüfen, ob den Klägern gem. § 3 AsylG Flüchtlingseigenschaft zusteht. Dies ist nicht der Fall.
Die nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 und des § 36 Abs. 1 AsylVfG erlassene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden. Die Kläger besitzen keine Aufenthaltsgenehmigung und sind auch nicht als Asylberechtigte anerkannt.
Nach alledem waren die Klagen mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Juli 2016 - M 12 K 16.31184
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Verwaltungsgericht München Urteil, 13. Juli 2016 - M 12 K 16.31184 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
Die Verfolgung kann ausgehen von
- 1.
dem Staat, - 2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder - 3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden
- 1.
vom Staat oder - 2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.
(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er
- 1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und - 2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:
- 1.
Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder - 2.
internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; § 104 Absatz 9 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt.
(2) Dieses Gesetz gilt nicht für heimatlose Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 243-1, veröffentlichten bereinigten Fassung in der jeweils geltenden Fassung.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Dieses Gesetz gilt für Ausländer, die Folgendes beantragen:
- 1.
Schutz vor politischer Verfolgung nach Artikel 16a Absatz 1 des Grundgesetzes oder - 2.
internationalen Schutz nach der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9); der internationale Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU umfasst den Schutz vor Verfolgung nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und den subsidiären Schutz im Sinne der Richtlinie; der nach Maßgabe der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) gewährte internationale Schutz steht dem internationalen Schutz im Sinne der Richtlinie 2011/95/EU gleich; § 104 Absatz 9 des Aufenthaltsgesetzes bleibt unberührt.
(2) Dieses Gesetz gilt nicht für heimatlose Ausländer im Sinne des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 243-1, veröffentlichten bereinigten Fassung in der jeweils geltenden Fassung.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 12. November 2013 verpflichtet, für den Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Äthiopien festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der verheiratete amharischsprachige Kläger ist nach eigenen Angaben 1979 in Asmara (heute Eritrea) geboren und seinen Aussagen zufolge eritreischer Staatsangehöriger tigrinischer Volkszugehörigkeit. Nach seiner Darstellung lebte er mit seinen Eltern ab 1980 auf dem Gebiet des heutigen Äthiopien und flüchtete im Mai 2010 zunächst in den Sudan und 2012 in die Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger stellte in der Bundesrepublik Deutschland am 6. Juli 2012 einen Asylantrag.
3Im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erklärte der Kläger im Wesentlichen Folgendes: Seine Eltern – die eritreische Staatsangehörige seien – hätten sich getrennt; sein Vater sei im Jahr 1998 von Äthiopien nach Eritrea deportiert worden, wohingegen seine Mutter in Äthiopien verblieben und dort später gestorben sei. Er – der Kläger – sei nicht deportiert worden, sondern habe sich bis 2010 in Äthiopien aufgehalten. Er habe in Äthiopien an einer Universität Bauwesen studiert und anschließend in Addis Abeba für eine Straßenbaufirma gearbeitet. Schließlich habe Äthiopien ein Gesetz verabschiedet, wonach Eritreern konfisziertes Vermögen zurückzugeben sei. Er sei daraufhin am 10. September 2009 das erste Mal zur Stadtverwaltung von Adama/Nazret gegangen, um konfisziertes Vermögen seines Vaters wiederzuerlangen. Das verabschiedete Gesetz sei nicht angewandt worden; vielmehr sei ihm mitgeteilt worden, er solle froh sein, dass er als Eritreer in Äthiopien leben dürfte. Während des zweiten Termins bei der Stadtverwaltung habe er angekündigt, dass er Klage erheben werde, um das Vermögen seines Vaters zurückzuerlangen. Während des dritten Termins bei der Stadtverwaltung, am 15. September 2009, sei er dann festgenommen worden. Anschließend habe er sich bis Ende November 2009 in Haft befunden; in der Haft sei er geschlagen worden und habe Verletzungen erlitten. Durch Zahlung von Bestechungsgeld sei es ihm gelungen, das Gefängnis zu verlassen. Nach der Flucht habe er sich nach Addis Abeba begeben und zunächst wieder seine vorherige Arbeitsstelle aufgesucht. Er habe jedoch von den Behörden kontinuierlich Drohungen erhalten und sein Arbeitgeber habe ihm schließlich mitgeteilt, dass man sein Arbeitsverhältnis beenden müsse. Aus diesen Gründen habe er im Mai 2010 Äthiopien verlassen.
4Mit Bescheid vom 12. November 2013, am 26. November 2013 als Einschreiben zur Post aufgegeben, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 2.) noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. (Ziffer 3.) vorliegen, und drohte dem Kläger die Abschiebung nach Äthiopien an (Ziffer 4.). Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus: Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter scheitere daran, dass der Kläger keine Reiseunterlagen vorgelegt habe, so dass er der ihn treffenden materiellen Beweislast für seine Behauptung, ohne Berührung eines sicheren Drittstaates i. S. v. Art. 16a Abs. 2 GG in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein, nicht nachgekommen sei. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehe ebenfalls nicht. Der amharisch sprechende Kläger habe keinerlei Personaldokumente vorgelegt und eine eritreische Staatsangehörigkeit nicht nachgewiesen. Die Inhaftierung des Klägers sei nicht wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit erfolgt. Der Kläger habe in Äthiopien aufwachsen und ungehindert einer beruflichen Tätigkeit nachgehen dürfen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG a.F. lägen ebenso wenig vor.
5Der Kläger hat gegen diesen Bescheid am 9. Dezember 2013 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und führt ergänzend im Wesentlichen aus: Bei Ausbruch des äthiopisch-eritreischen Krieges seien sein Vater, dessen Grundvermögen in Adama/Nazret, Haus, Werkstatt sowie zwei Lkws konfisziert worden seien, sowie seine Schwester nach Eritrea abgeschoben worden. Er – der Kläger – habe anschließend weiter bei seiner Mutter in Äthiopien gelebt. Seine Mutter sei vermutlich deswegen nicht deportiert worden, weil sie nach der Trennung von seinem Vater einen Äthiopier geheiratet habe. Nach dem Tod seiner Mutter habe er – der Kläger - geheiratet. Nachdem im Laufe des Jahres 2009 in Äthiopien eine Regelung in Kraft getreten sei, nach der eritreischstämmige Personen konfisziertes Vermögen wieder hätten zurückerhalten können, habe er bei der örtlichen Verwaltung in Adama/Nazret drei Mal vorgesprochen, um Vermögen seines Vaters zurückzuerhalten. Im Rahmen der dritten Vorsprache sei er von drei Personen festgenommen und in ein Lager gebracht worden. Er sei mit einem Knüppel geschlagen worden; ein Zeh am linken Fuß sei gebrochen worden. Nach zwei Tagen in einer Einzelzelle sei er in einer Gemeinschaftszelle mit ca. 20 Gefangenen untergebracht worden. Ende November 2009 sei er „auf freien Fuß gesetzt“ worden. Im Januar 2010 habe ihm sein Arbeitgeber gekündigt, da er – der Kläger - ein Problem mit der Regierung habe; die Bedrohungen durch Sicherheitskräfte seien anschließend weiter gegangen. In der Bundesrepublik Deutschland sei er für die Ethiopian People´s Patriotic Front (EPPF) politisch aktiv. Er nehme u.a. an Parteiversammlungen teil, beteilige sich dort an Diskussionen und werbe für die EPPF. Darüber hinaus habe er verschiedentlich regimekritische Beiträge publiziert; seit April 2015 gehöre er zur Redaktion der quartalsmäßig erscheinenden äthiopischen oppositionellen Zeitschrift L. .
6Er – der Kläger – habe einen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Eine etwaig über einen sicheren Drittstaat erfolgte Einreise stehe der Asylanerkennung nicht entgegen. Ferner werde er aufgrund seiner teileritreischen Herkunft sowie seines Versuches, Teile des ursprünglichen Vermögens seines eritreischen Vaters zurückzuerhalten, von den äthiopischen Behörden auf unabsehbare Zeit nicht mehr als äthiopischer Staatsbürger, sondern als eritreischer Staatsbürger behandelt und erhalte vor diesem Hintergrund weder einen Pass noch ein anderes Einreisepapier durch die äthiopischen Behörden. Seine Inhaftierung sei auch vor dem Hintergrund seiner teileritreischen Herkunft erfolgt („Eritreer-Malus“); eine Person ohne eritreischen Elternteil würde nach Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche nicht inhaftiert werden. Die äthiopischen Sicherheitskräfte hätten über ihn bereits wegen seiner Herkunft und seiner Versuche zur Rückerlangung des väterlichen Vermögens ein Dossier angelegt. Im Falle der Rückkehr nach Äthiopien drohte ihm darüber hinaus aufgrund seiner exilpolitischen Aktivitäten für die EPPF mindestens Haft für unbestimmte Zeit. Die exilpolitische Tätigkeit für die EPPF sei den äthiopischen Behörden aufgrund ihrer Überwachung der äthiopischen Exilopposition auch bekannt geworden.
7Ginge man hingegen davon aus, dass er – der Kläger – eritreischer Staatsangehöriger sei, so drohe ihm aufgrund seines Aufenthalts in Äthiopien und seiner Nichtableistung des Nationalen Dienstes in Eritrea dort Haft und Misshandlung für unbestimmte Zeit. Die eritreische Regierung verfolge in diesem Zusammenhang auch Personen, die sich dadurch, dass sie sich während des wehrpflichtigen Alters niemals in Eritrea, sondern nur im Ausland aufgehalten hätten, dem Nationalen Dienst in Eritrea durch schlichte Abwesenheit entzogen hätten. Schließlich drohe ihm als sog. Pfingstler in Eritrea aufgrund seiner Religion Verfolgung.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 12. November 2013 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
10hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 12. November 2013 zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen,
11äußerst hilfsweise die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 12. November 2013 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Äthiopiens vorliegen.
12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13die Klage abzuweisen.
14Zur Begründung bezieht sie sich auf den Inhalt des angegriffenen Bescheids.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, namentlich der Sitzungsniederschrift mit dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Klägers durch das Gericht, des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten (1 Heft) sowie der vom Kläger mit Schriftsatz vom 20. Mai 2015 übersandten Unterlagen Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17I. Das Gericht konnte über die Klage entscheiden, obwohl kein Vertreter der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, da bei der Ladung darauf hingewiesen worden ist, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
18II. Die zulässige Klage ist lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 12. November 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit die Beklagte die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Äthiopien, den Zielstaat der Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid, abgelehnt hat. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Äthiopien. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 12. November 2013 ist im Übrigen hingegen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
19A. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Der Anspruch ist nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylVfG ausgeschlossen. Zur Begründung nimmt das Gericht gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG auf die insoweit zutreffende Begründung im streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten (dort ab Seite 2 zehnter Absatz bis einschließlich Seite 3 sechster Absatz) vom 12. November 2013 Bezug. Entgegen der Ansicht des Klägers liegt vorliegend auch kein Fall von § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG vor. Andernfalls liefe zum einen Art. 16a Abs. 2 GG, § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG regelmäßig leer. Zum anderen lässt sich Art. 3 Abs. 3 der im vorliegenden Fall noch anwendbar gewesenen VO (EG) Nr. 343/2003 (vgl. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 der nachfolgenden VO (EU) Nr. 604/2013) entnehmen, dass der Unionsgesetzgeber nationale Drittstaatenregelungen der Mitgliedstaaten unangetastet lassen wollte.
20B. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylVfG. In Eritrea, dessen Staatsangehöriger er ist (dazu im Einzelnen unter h)), droht ihm nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine landesweite Verfolgung im Sinne dieser Normen (dazu im Einzelnen unter i)).
21a) Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) – GFK - nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich (1.) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (2.) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder b) in dem er als Staatenloser seiner vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Nach § 3a Abs. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die (1.) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder (2.) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Gemäß § 3a Abs. 2 AsylVfG gelten als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die folgenden Handlungen: (1.) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, (2.) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, (3.) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, (4.) Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, (5.) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylVfG fallen, (6.) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Gemäß § 3a Abs. 3 AsylVfG muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen. Nach § 3b Abs. 2 AsylVfG ist es bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden. Gemäß § 3c AsylVfG kann die Verfolgung ausgehen von (1.) dem Staat, (2.) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (3.) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylVfG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
22Bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft ist – wie auch bei der Prüfung des subsidiären Schutzes - der Maßstab der beachtlichen, d.h. überwiegenden Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Die zum Asylgrundrecht entwickelten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, je nachdem, ob der Ausländer seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt ausgereist ist, finden unter Geltung der Richtlinie 2011/95/EU auf die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes keine Anwendung. Nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, lediglich ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis nur durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten normiert Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen. Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 5/09 -, juris, Rn. 18 ff.; BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 - 10 C 24/08 -, juris, Rn. 14; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A -, juris, Rn. 35 ff.; jeweils m. w. N (jeweils zur Vorgängernorm des Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG).
24b) Ein Asylanspruch besteht nicht, wenn der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Asylsuchende besitzt, bereit und fähig ist, diesen gegen Verfolgungsmaßnahmen auf seinem Territorium zu schützen. Dieser im Rahmen der Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG zu beachtende Grundsatz ist auch im Rahmen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG, § 60 Abs. 1 AufenthG sowie im Rahmen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG, § 60 Abs. 2 AufenthG – wie sich aus der Verwendung des Begriffes „Herkunftsland“ in § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG und der damit in Bezug genommenen Legaldefinition dieses Begriffes in § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG ergibt - zu beachten (wohingegen im Rahmen der Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG auf den in der Abschiebungsandrohung genannten Zielstaat abzustellen ist, vgl. § 34 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 59 Abs. 3 AufenthG). § 3 Abs. 1 AsylVfG normiert – wie bereits ausgeführt - ausdrücklich, dass ein Ausländer nur dann Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) ist, wenn er sich 1. aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe 2. außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Personen, die eine Staatsangehörigkeit besitzen, sind danach nur dann Flüchtlinge (bzw. subsidiär Schutzberechtigte), wenn sie des Schutzes desjenigen Staates entbehren, dem sie angehören.
25Vgl. zum Vorstehenden etwa BVerwG, Beschluss vom 28. November 2003 – 1 B 139/03 -, juris, Rn. 3, m. w. N.
26In der Flüchtlingsdefinition des Art. 1 A Nr. 2 Abs. 1 GFK kommt das der Konvention zugrunde liegende Prinzip der Subsidiarität des internationalen Schutzes gegenüber dem Schutz durch den Staat der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - durch den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts ebenfalls zum Ausdruck. Das bedeutet zum einen, dass der internationale Schutz nach der Konvention grundsätzlich nur bei Verfolgung im Staat der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts eingreift, und zum anderen, dass die Schutzgewährung durch den Staat der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - durch den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts die Flüchtlingseigenschaft ausschließt. Die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG, § 60 Abs. 1 AufenthG kann deshalb regelmäßig nur zuerkannt werden, wenn die Staatsangehörigkeit des Betroffenen geklärt ist. Offen bleiben kann diese nur, wenn hinsichtlich sämtlicher als Staat der Staatsangehörigkeit in Betracht kommender Staaten die Gefahr politischer Verfolgung entweder bejaht oder verneint werden kann.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2005 – 1 C 29/03 -, juris, Rn. 14 f.
28c) Die Frage, welche Staatsangehörigkeit eine Person innehat, bestimmt sich nach dem Staatsangehörigkeitsrecht des in Frage kommenden Staates, denn Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit werden grundsätzlich durch innerstaatliche Rechtsvorschriften geregelt.
29Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 24.
30d) Im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit findet der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung Anwendung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dementsprechend existiert eine Beweisregel des Inhalts, dass der Nachweis der Staatsangehörigkeit eines Staates nur durch Vorlage entsprechender Papiere dieses Staates geführt werden kann, nicht. Es ist nämlich gerade Sinn und Zweck der freien richterlichen Beweiswürdigung, das Gericht nicht an starre Regeln zu binden, sondern ihm zu ermöglichen, den jeweiligen besonderen Umständen des Einzelfalles gerecht zu werden.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Februar 2005 – 1 C 29/03 -, juris, Rn. 18.
32e) Im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit verpflichtet § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 ZPO das erkennende Gericht, ausländisches Recht unter Ausnutzung aller ihm zugänglichen Erkenntnisquellen von Amts wegen zu ermitteln. Dabei hat es nicht nur die ausländischen Rechtsnormen, sondern auch ihre Umsetzung in der Rechtspraxis, insbesondere die ausländische Rechtsprechung, zu betrachten. In diesem Zusammenhang gilt der Grundsatz der größtmöglichen Annäherung an das ausländische Recht, das grds. in seinem systematischen Kontext, mit Hilfe der im ausländischen Rechtssystem gebräuchlichen Methoden und unter Einbeziehung der ausländischen Rechtsprechung erfasst werden muss. Das Gericht ist grds. gehalten, das ausländische Recht als Ganzes zu ermitteln, wie es sich in Lehre und Rechtsprechung des betreffenden Staates entwickelt hat. Das Gericht darf als deutsches staatliches Gericht aber auch das ausländische Recht für Sonderfallgestaltungen, welche die Gerichte des Staates, dessen Recht anzuwenden ist, (bisher) nicht entschieden haben, fortentwickeln. Hierfür sind der Geist und die Systemzusammenhänge des ausländischen Rechts maßgebend. Mit welchen Erkenntnismitteln das maßgebliche ausländische Recht festzustellen ist, hat das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden. Eine Beweiserhebung zur Bestimmung des ausländischen Rechts und der maßgeblichen Rechtspraxis ist statthaft, aber nur erforderlich, soweit das ausländische Recht dem Gericht unbekannt ist (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. 293 Satz 1 ZPO).
33Vgl. zum Vorstehenden etwa BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 – 10 C 2/12 -, juris, Rn. 14 f.; BGH, Urteil vom 14. Januar 2014 – II ZR 192/13 -, juris, Rn. 15; Geimer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 293 ZPO; jeweils m. w. N.
34Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang ferner, dass ausländische Rechtsnormen für ein deutsches Gericht keine Tatsachen, sondern Rechtssätze sind bzw. Normqualität aufweisen.
35Vgl. Geimer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 293 ZPO Rn. 14, 17, m. w. N.
36Dem steht nicht entgegen, dass ausländische Rechtsnormen – wie bereits ausgeführt - unter den Voraussetzungen des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 Satz 1 ZPO einer Beweiserhebung bedürfen und die Ermittlung ausländischen Rechts sowie der ausländischen Rechtspraxis im Verwaltungsprozess nicht dem Bereich der Rechtserkenntnis zuzuordnen, sondern ungeachtet Besonderheiten „wie“ eine Tatsachenfeststellung zu behandeln ist. Aus letzterem Umstand, der sich nur auf das Revisionsrecht bezieht, folgt nur, dass das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsgericht in den Grenzen des § 137 Abs. 2 VwGO an Feststellungen eines Berufungsgerichts zum ausländischen Recht gebunden ist.
37Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Juli 2012 – 10 C 2/12 -, juris, Rn. 16.
38f) Voraussetzung der bereits dargestellten Verpflichtung des Gerichts, über die ausländischen Rechtsnormen als solche hinaus auch deren Umsetzung in der Rechtspraxis des jeweiligen Staates zu berücksichtigen, muss jedoch sein, dass die ausländische Rechtspraxis eine zumindest vertretbare Konkretisierung bzw. Auslegung der jeweiligen Rechtsnormen vornimmt. Eine Rechtspraxis, die im eindeutigen Widerspruch zu den gültigen Rechtsnormen des jeweiligen Staates stünde, wäre für das Gericht als deutsches staatliches Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit dahingegen gerade nicht verbindlich. Außerhalb des geltenden Rechts liegende Umstände können nämlich keinen Einfluss haben auf die sich nach objektiven normativen Regelungen richtende Staatsangehörigkeit einer Person. Voluntative Elemente, die von den Behörden des jeweiligen fremden Staates neben dessen geltendem Staatsangehörigkeitsrecht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit herangezogen werden, sind demzufolge für das erkennende Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit unverbindlich. Im Falle eines evidenten Widerspruchs der staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtspraxis zu den staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtsnormen in dem jeweiligen ausländischen Staat sind für das erkennende Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit die Rechtsnormen maßgeblich, da sich die ausländische Rechtspraxis in einem Staat – wie in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG) - nach den jeweiligen Normen dieses Staates richten muss. Steht die staatsangehörigkeitsrechtliche Rechtspraxis in dem jeweiligen ausländischen Staat in einem evidenten Widerspruch zur staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtslage, so könnte allerdings dieser Widerspruch u.U. selbst ggf. eine flüchtlingsschutzrechtlich erhebliche Verfolgungsgefahr in Form einer Ausbürgerung/Aussperrung begründen.
39Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 28. August 2007 – 8 K 1136/06.A -, n.v., Seite 9, das daraus folgerte, dass das Ableisten von Wehrdienst für Eritrea nicht zum Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit führen kann, sondern allenfalls dazu, dass ein äthiopischer Staatsangehöriger von den Behörden Äthiopiens nicht mehr als solcher akzeptiert und ihm infolge dessen die Wiedereinreise nach Äthiopien verweigert wird; vgl. zu den Voraussetzungen einer asylrechtlich erheblichen Ausbürgerung/Aussperrung, insb. zu der erforderlichen Eingriffsintensität, etwa BVerwG, Beschluss vom 30. April 1997 – 9 B 11/97 -, juris, Rn. 3 ff.
40g) Die maßgebliche staatsangehörigkeitsrechtliche Rechtslage ergibt sich in Äthiopien aus Art. 33 der Verfassung vom 21. August 1995, dem früheren Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1930, das durch Art. 25 des nachfolgenden Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 aufgehoben wurde, und dem erwähnten Staatsangehörigkeitsgesetz vom 23. Dezember 2003, das nach seinem Art. 27 am selben Tag in Kraft trat.
41Zitierung nach Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Äthiopien.
42Darüber hinaus hat die äthiopische Regierung unterhalb der Ebene des formellen Gesetzes einen Erlass zur Anwendung des Staatsangehörigkeitsgesetzes auf in Äthiopien lebende Eritreer (Direktive der äthiopischen Regierung zur Bestimmung des Aufenthaltsstatus von Eritreern in Äthiopien vom 16. Januar 2004) sowie einen Erlass aus Mai 2009 herausgegeben.
43In Eritrea ergibt sich die maßgebliche staatsangehörigkeitsrechtliche Rechtslage aus der Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992, die nach ihrem Art. 13 am Tag ihrer Veröffentlichung (6. April 1992) in Kraft treten sollte bzw. am 24. Mai 1993, dem Tag der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas, in Kraft trat.
44Zitierung nach Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Eritrea.
45h) Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Kläger eritreischer Staatsbürger:
46aa) Im Zeitpunkt seiner Geburt in Asmara 1979 war der Kläger äthiopischer Staatsangehöriger. Nach Art. 1 des damals gültigen äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1930 war äthiopischer Staatsbürger, wer als Kind eines äthiopischen Vaters oder einer äthiopischen Mutter in Äthiopien oder außerhalb geboren wird. Das Gericht hat keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Eltern des Klägers im Jahre 1979 äthiopische Staatsangehörige waren. Zu diesem Zeitpunkt existierte eine eritreische Staatsangehörigkeit nämlich noch nicht, da Eritrea als Staat im völkerrechtlichen Sinne damals noch nicht bestand.
47bb) Durch die Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992 in Verbindung mit der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas am 24. Mai 1993 hat der Kläger die eritreische Staatsangehörigkeit erworben. Die Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992 regelt die Frage, ob jemand qua Geburt eritreischer Staatsangehöriger ist, in ihrem Art. 2. Nach ihrem Art. 13 sollte sie am Tag ihrer Veröffentlichung im eritreischen Amtsblatt, das war der 6. April 1992, in Kraft treten. Wirksam konnte sie jedoch erst werden, nachdem Eritrea am 24. Mai 1993 seine (völkerrechtlich anerkannte) Unabhängigkeit erklärte, da es vorher – wie ausgeführt - als Staat im völkerrechtlichen Sinne noch nicht existierte.
48Nach Art. 2 Abs. 1 ist eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt, wer in Eritrea oder im Ausland als Kind eines Vatersoder einer Mutter eritreischer Abstammung geboren ist. „Eritreischer Abstammung“ ist gemäß Art. 2 Abs. 2, wer 1933 seinen Aufenthalt in Eritrea hatte.
49Grund für das Abstellen auf das Jahr 1933 war, dass die damalige Kolonialmacht Italien in jenem Jahr eine umfassende Registrierung der örtlichen Bevölkerung begann, vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Eritrea, Seite 7.
50Der Begriff der "eritreischen Abstammung" in Art. 2 Abs. 2 ist also nicht mit der eritreischen Volkszugehörigkeit identisch, sondern verlangt den Aufenthalt einer Person im Gebiet des heutigen Eritrea im Jahr 1933.
51Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31.
52Nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 müssen Vateroder Mutter zwingend selbst „eritreischer Abstammung“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2 sein bzw. 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea gehabt haben, um ihrem Kind die eritreische Staatsangehörigkeit qua Geburt zu vermitteln („als Kind eines Vaters oder einer Mutter eritreischer Abstammung“). Nach Sinn und Zweck von Art. 2 Abs. 1 und 2 (teleologische Auslegung) muss es jedoch, um einer Person die eritreische Staatsbürgerschaft qua Geburt zu vermitteln, jedenfalls dann, wenn weder deren Vater noch Mutter im Jahre 1933 bereits lebten, auch ausreichen, wenn wiederum Vorfahren von Vateroder Mutter „eritreischer Abstammung“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2 sind bzw. 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea hatten. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, dass eine Person, deren Elternteile beide erst nach 1933 geboren wurden, niemals eritreischer Staatsangehöriger qua Geburt sein könnte, selbst wenn ihre Großeltern mütter- oder väterlicherseits „eritreischer Abstammung“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2 sind, weil sie 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea hatten. Dies kann nicht überzeugen.
53So der Sache nach wohl auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31: „Danach hat der Kläger nach Nr. 2 Abs. 1 der Verordnung durch Geburt die eritreische Staatsangehörigkeit erlangt, denn seine Vorfahren lebten 1933 im Gebiet des heutigen Eritrea.“
54Nach Art. 2 Abs. 3 wird, wer in Eritrea als Kind unbekannter Eltern geboren ist, bis zum Beweis des Gegenteils als eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt betrachtet. Gemäß Art. 2 Abs. 4 erhält auf Antrag eine Staatsangehörigkeitsbescheinigung vom Ministerium des Innern, wer durch Abstammung oder Geburt Eritreer ist. Die Erteilung der Staatsangehörigkeitsbescheinigung nach Art. 2 Abs. 4 setzt die eritreische Staatsangehörigkeit voraus. Die Bescheinigung begründet nicht eine ansonsten nicht bestehende Staatsangehörigkeit, sondern dokumentiert nur ihr Vorhandensein. Sie hat also nur deklaratorische Wirkung.
55Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31.
56Nach Art. 2 Abs. 5 hat, wer durch Geburt Eritreer ist, seinen Aufenthalt im Ausland hat und eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, einen Antrag an das Ministerium des Innern zu richten, wenn er förmlich auf seine ausländische Staatsangehörigkeit zu verzichten und die eritreische Staatsangehörigkeit zu erwerben wünscht oder wenn er wünscht, dass nach Vorlage ausreichender Gründe seine eritreische Staatsangehörigkeit anerkannt wird, während er seine fremde Staatsangehörigkeit beibehält. Art. 2 Abs. 5 verleiht – im Unterschied zu Art. 2 Abs. 4 – nach seinem Wortlaut konstitutiv die eritreische Staatsangehörigkeit („wenn er … die eritreische Staatsangehörigkeit zu erwerben wünscht…“).
57Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 39 („…so dass es nicht des konstitutiven Erwerbs der Staatsangehörigkeit nach Art. 2 Abs. 5 der Verordnung bedarf“).
58Eine von Vorfahren eritreischer Abstammung i. S. v. Art. 2 Abs. 2 abstammende Person, die ihren Aufenthalt im Ausland – etwa in Äthiopien – (gehabt) hat, erwirbt die eritreische Staatsangehörigkeit unmittelbar (ipso iure) nach Art. 2 Abs. 1–4, nicht erst durch konstitutive Entscheidung des eritreischen Ministeriums des Innern auf entsprechenden Antrag nach Art. 2 Abs. 5.
59Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31 ff.
60Eine derartige Auslegung des Art. 2 stellt sich einerseits als vertretbar dar bzw. steht nicht in einem Widerspruch zum Wortlaut dieser Norm (dazu aaa)); andererseits entspricht sie nach der Auskunftslage der Handhabung durch die eritreischen Behörden (dazu bbb)).
61aaa) Die vorstehend beschriebene Auslegung des Art. 2 steht mit dessen Wortlaut in Einklang, insb. behält dessen Abs. 5 auch hiernach einen eigenen Regelungsinhalt: Nach Art. 2 Abs. 1 und 2 sind eritreische Staatsangehörige durch Geburt nicht alle Personen, die von eritreischen Volkszugehörigen abstammen, sondern nur solche, die von Personen „eritreischer Abstammung" (die also wiederum 1933 in Eritrea ihren Aufenthalt hatten) abstammen. Solche Personen können sich gemäß Art. 2 Abs. 4 eine deklaratorische Staatsangehörigkeitsbescheinigung vom eritreischen Ministerium des Innern ausstellen lassen. Der Umstand, dass die eritreischen Behörden einen Nachweis der eritreischen Abstammung verlangen, steht dem Innehaben der Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes nicht entgegen. Insoweit ist nämlich zu unterscheiden zwischen dem Bestehen der eritreischen Staatsangehörigkeit und dessen Nachweis. So sind etwa die Teilnahme am eritreischen Unabhängigkeitsreferendum und/oder der Besitz einer eritreischen ID-Karte geeignet, den Nachweis der eritreischen Abstammung und damit der eritreischen Staatsangehörigkeit zu führen; Voraussetzung der eritreischen Staatsangehörigkeit, deren Innehaben auch auf andere Weise – etwa durch die Beibringung von drei Zeugen eritreischer Staatsangehörigkeit, die in der Lage sind zu bestätigen, dass es sich bei der betroffenen Person um einen eritreischen Staatsangehörigen handelt - nachgewiesen werden kann,
62vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 2. Februar 2001 an das VG Gießen (Az.: 508-516.80/36938); VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 32; vgl. auch Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014 (Stand: Juni 2014), Seite 19: Es gibt mehrere Möglichkeiten, die eritreische Staatsangehörigkeit festzustellen, und zwar durch eritreischen Personalausweis, ausgestellt für eine Teilnahme an der Abstimmung über die Unabhängigkeit Eritreas; Geburts- und Taufurkunde; Feststellung durch Gerichtsbeschluss unter Hinzuziehung von drei Zeugen,
63sind sie jedoch nicht.
64Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31, 40 f.
65Wer hingegen „nur" eritreischer Volkszugehöriger ist, jedoch nicht das weitere Merkmal der Abkunft von Personen "eritreischer Abstammung" i. S. v. Art. 2 Abs. 2 erfüllt, kann unter den weiteren Voraussetzungen des Abs. 5 die Option für die eritreische Staatsangehörigkeit ausüben. Mit dem Begriff „durch Geburt Eritreer“ meint Art. 2 Abs. 5 der Verordnung somit nicht Personen, die durch Geburt eritreische Staatsangehörige (i. S. v. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung) sind, denn mit dieser Auslegung würde Art. 2 Abs. 5 in sich widersprüchlich: Sein Regelungsgehalt läge dann im Erwerb der eritreischen Staatsangehörigkeit durch Personen, die diese schon innehaben. Damit kann Abs. 5 auch nicht als (abschließende) Spezialregelung für Fälle doppelter Staatsangehörigkeit angesehen werden.
66Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 31, 40.
67bbb) Die vorstehend beschriebene Auslegung entspricht nach der Auskunftslage auch der Handhabung durch die eritreischen Behörden. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. November 2001 an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat das für Staatsangehörigkeitsfragen zuständige Department for Immigration and Nationality Eritreas auf mündliche Nachfrage erklärt, dass im Ausland lebende Eritreer, die eine fremde Staatsangehörigkeit innehaben, keinen förmlichen Antrag im Sinne von Art. 2 Abs. 5 der Verordnung stellen müssen, um als eritreische Staatsangehörige anerkannt zu werden. Faktisch würde jeder im Ausland lebende Eritreer, auch wenn er eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, als eritreischer Staatsangehöriger anerkannt, wenn er seine Abstammung nachweisen oder gegebenenfalls Zeugen für seine Abstammung benennen könne. Es wurde ausdrücklich bestätigt, dass dies auch für Eritreer gilt, die vorher in Äthiopien lebten und möglicherweise die äthiopische Staatsangehörigkeit besitzen bzw. besaßen.
68Vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 21. November 2001 an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Az.: 508(514)-516.80/36565); vgl. dazu, dass keine hinreichenden Zweifel an der Richtigkeit dieser Auskunft bestehen, die überzeugenden Ausführungen des VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 34 (Rn. 35 ff. enthalten auch eine Auseinandersetzung mit weiteren Erkenntnismitteln).
69Die Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 2. Februar 2001 an das Verwaltungsgericht Gießen, die sich u.a. mit der Verbalnote der eritreischen Regierung vom 30. September 1993 – VN/AA-369/93 – befasst, steht hiermit in Einklang. Mit dieser Verbalnote wurde u.a. bestätigt, dass es hinsichtlich des Erwerbs der eritreischen Staatsangehörigkeit keine Sonderregelungen für im Ausland lebende Personen gibt. Somit findet die Proklamation Nr. 21/1992 auch auf solche eritreischstämmigen Personen Anwendung, die vor der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in Äthiopien gelebt haben und nicht über eine ID-Karte Eritreas verfügen.
70Vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 2. Februar 2001 an das VG Gießen (Az.: 508-516.80/36938).
71Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger, dessen Vorfahren (väterlicherseits) „eritreischer Abstammung“ i. S. v. Art. 2 Abs. 2 Proklamation Nr. 21/1992 sind, die eritreische Staatsangehörigkeit durch diese Proklamation in Verbindung mit der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas am 24. Mai 1993 erworben. Er ist eritreischer Staatsangehöriger durch Geburt i. S. v. Art. 2 Abs. 1. Jedenfalls die Vorfahren des Klägers väterlicherseits sind nämlich nach der Überzeugung des Gerichts eritreischer Abstammung i. S. v. Art. 2 Abs. 2, da sie 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea hatten. Ob zusätzlich auch die Vorfahren des Klägers mütterlicherseits eritreischer Abstammung im Sinne dieser Norm sind (der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er die Eltern seiner Mutter nicht kenne, da sie vor seiner Geburt gestorben seien), kann auf sich beruhen. Der Kläger, der bereits im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geäußert hatte (Bl. 33/34 BA Heft 1), dass er sowie seine Eltern eritreische Staatsangehörige seien, hat in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht wiederum ausgeführt, er sei eritreischer Staatsangehöriger. Er hat weiter überzeugend dargelegt, dass die Eltern seines Vaters, der nach seinen – des Klägers – Angaben gegenwärtig, sofern er noch lebt, ca. 66 Jahre alt sein müsste, so dass er nach 1933 geboren ist, aus Tesseney (Eritrea) kämen. Folglich ist davon auszugehen, dass die Großeltern des Klägers väterlicherseits 1933 ihren Aufenthalt in Eritrea hatten.
72cc) Erwirbt nach dem vorstehend Ausgeführten der Kläger als bis dato äthiopischer Staatsangehöriger mit der (völkerrechtlich anerkannten) Unabhängigkeitserklärung Eritreas am 24. Mai 1993 die eritreische Staatsangehörigkeit nach Art. 2 Abs. 1-4 der Proklamation Nr. 21/1992 über die eritreische Staatsangehörigkeit vom 6. April 1992, so verliert er damit ipso iure gleichzeitig die bis dahin innegehabte äthiopische Staatsangehörigkeit gemäß Art. 11 lit. a) des zum damaligen Zeitpunkt gültigen äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 22. Juli 1930. Nach dieser Norm verliert ein äthiopischer Staatsangehöriger die äthiopische Staatsangehörigkeit, wenn er eine andere Staatsangehörigkeit erwirbt.
73Dass die äthiopische Regierung bis zum Ausbruch des äthiopisch-eritreischen Krieges im Mai 1998 ehemalige äthiopische Staatsbürger, die die eritreische Staatsangehörigkeit nach Art. 2 Proklamation Nr. 21/1992 Eritrea erlangt und dementsprechend die äthiopische Staatsangehörigkeit nach Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 verloren hatten, u.a. aus (außen)politischen Opportunitätsgründen faktisch weiterhin als äthiopische Staatsbürger behandelte bzw. de facto eine doppelte Staatsangehörigkeit dieses Personenkreises hinnahm,
74vgl. dazu etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Gemischt eritreisch-äthiopische Herkunft, 29. Januar 2013, Seite 1 f.: „Bis Mai 1998 akzeptierten die äthiopischen Behörden die faktische Doppelstaatsbürgerschaft bei Eritreern“,
75steht dem Verlust der äthiopischen Staatsangehörigkeit nach Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 nicht entgegen. Die damalige faktische Handhabung durch die äthiopischen Behörden stand nämlich im Widerspruch zum damals geltenden StAG Äthiopien 1930 bzw. dem Wortlaut von dessen Art. 11 lit. a).
76dd) Die ab dem äthiopisch-eritreischen Krieg, der von Mai 1998 bis Juni 2000 (Waffenstillstandsabkommen) andauerte, seitens der äthiopischen Regierung vorgenommenen Deportationen von Personen eritreischer und halberitreischer Volkszugehörigkeit von Äthiopien nach Eritrea änderten den staatsangehörigkeitsrechtlichen Status dieses Personenkreises von Rechts wegen nicht.
77aaa) Insoweit als dieser Personenkreis – wie der Kläger - bereits zeitlich vorhergehend über Art. 2 Proklamation Nr. 21/1992 Eritrea die eritreische Staatsangehörigkeit erlangt und dementsprechend gemäß Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren hatte, waren die betroffenen Personen bereits vor ihrer Deportation de iure lediglich eritreische Staatsangehörige. Dass die Deportationen auch insoweit gegen rechtsstaatliche und menschenrechtliche Standards verstießen, sei zur Vermeidung von Missverständnissen lediglich klargestellt.
78bbb) Insoweit als dieser Personenkreis – anders als der Kläger - jedoch die eritreische Staatsangehörigkeit noch nicht erlangt und dementsprechend gemäß Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 die äthiopische Staatsangehörigkeit noch nicht verloren hatte, vermochten die Deportationen an dieser staatsangehörigkeitsrechtlichen Rechtslage nichts zu ändern. Insoweit zeigen die Deportationen lediglich, dass der äthiopische Staat äthiopische Staatsangehörige eritreischer Volkszugehörigkeit in eindeutigem Widerspruch zu den eigenen äthiopischen Gesetzen – damals dem StAG Äthiopien 1930 – de facto nicht mehr als äthiopische, sondern als eritreische Staatsangehörige behandelte. Eine in evidentem Widerspruch zu der eigenen Rechtslage stehende Rechtspraxis ist jedoch für das erkennende Gericht nach dem vorstehend Ausgeführten als deutsches staatliches Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit gerade nicht verbindlich.
79ccc) Unabhängig von dem vorstehend Ausgeführten ist der Kläger nach seinem glaubhaften Vortrag von den äthiopischen Behörden nicht nach Eritrea deportiert worden, sondern hat bis zu seiner Flucht in den Sudan in Äthiopien gelebt.
80ee) Dadurch, dass nach seinem Art. 27 das äthiopische Staatsangehörigkeitsgesetz vom 23. Dezember 2003 am selbigen Tag in Kraft trat, womit es gemäß seinem Art. 25 das frühere äthiopische Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1930 aufhob, hat sich der staatsangehörigkeitsrechtliche Status von Personen eritreischer und halberitreischer Volkszugehörigkeit ebenfalls von Rechts wegen nicht geändert.
81aaa) Sofern diese Personen bis dato – anders als der Kläger - noch äthiopische Staatsangehörige waren, so verloren sie durch das StAG Äthiopien 2003 ihre äthiopische Staatsbürgerschaft nicht. Art. 26 StAG Äthiopien 2003 normiert nämlich, dass derjenige, der bis zum Inkrafttreten dieser Proklamation gemäß dem bisherigen Staatsangehörigkeitsgesetz (=StAG Äthiopien 1930) die äthiopische Staatsangehörigkeit innehatte, auch weiterhin äthiopischer Staatsangehöriger bleibt.
82bbb) Sofern diese Personen – wie der Kläger - bereits vor Inkrafttreten des StAG Äthiopien 2003 ihre frühere äthiopische Staatsbürgerschaft nach Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 verloren hatten, so erhielten sie durch das StAG Äthiopien 2003 die verlorene äthiopische Staatsangehörigkeit nicht ipso iure wieder zurück. Das StAG Äthiopien 2003 enthält – über die Möglichkeiten des Erwerbs der äthiopischen Staatsbürgerschaft nach Art. 5-12 hinaus – lediglich unter den in Art. 22 normierten Voraussetzungen eine Möglichkeit der (konstitutiven) Wiederaufnahme bzw. Wiederzulassung in die äthiopische Staatsangehörigkeit.
83ff) Dadurch, dass die äthiopische Regierung am 19. Januar 2004 einen Erlass zur Anwendung des Staatsangehörigkeitsgesetzes auf in Äthiopien lebende „Eritreer“ herausgab („directive issued to determine the status of Eritrean citizens residing in Ethiopia“),
84vgl. dazu Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Äthiopien, Seite 14; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Gemischt eritreisch-äthiopische Herkunft, 29. Januar 2013, Seite 6; Canada: Immigration and Refugee Board of Canada, Ethiopia: Recent information on the deportation of Eritreans to Eritrea by Ethiopia, including who is considered an Ethiopian (2002-July 2004), abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/41501c062a.html,
85hat sich der staatsangehörigkeitsrechtliche Status von Personen eritreischer und halberitreischer Volkszugehörigkeit ebenfalls von Rechts wegen nicht geändert.
86aaa) Der Erlass ist nur anwendbar auf „Eritreer“, die in Äthiopien sowohl vor der Unabhängigkeit Eritreas als auch danach permanent ihren Wohnsitz hatten; auf – angeblich - eine Gefahr für die nationale Sicherheit des Landes darstellende „Eritreer“, die aus Äthiopien deportiert worden sind, ist der Erlass nicht anwendbar („Another Ethiopian News Agency report adds that the directive only applied to those Eritreans who resided in Ethiopia prior to the independence of Eritrea and „afterwards permanently… and doesn´t include those Eritreans deported from Ethiopia posing [a] threat to the national security of the country“). Der Erlass ist ferner nicht anwendbar auf Inhaber eines eritreischen Reisepasses oder eines anderen Dokuments, das die eritreische Staatsbürgerschaft ausweist, und auch nicht auf Personen, die für die eritreische Regierung gearbeitet haben; diese Personengruppen werden als eritreische Staatsbürger betrachtet („...government officials stated that the directive did not apply to bearers of Eritrean passports or of any other document proving Eritrean citizenship, or those persons who served in the Eritrean government; these persons, according to the government statement, are considered Eritrean citizens“). Der Erlass legt ferner fest, dass Personen, die nicht die eritreische Staatsbürgerschaft gewählt haben, als äthiopische Staatsangehörige betrachtet werden („the directive further states that those who did not choose Eritrean citizenship will be considered Ethiopian citizens“).
87Vgl. Canada: Immigration and Refugee Board of Canada, Ethiopia: Recent information on the deportation of Eritreans to Eritrea by Ethiopia, including who is considered an Ethiopian (2002-July 2004), abrufbar unterhttp://www.refworld.org/docid/41501c062a.html.
88bbb) Personen, die zeitlich vorhergehend über Art. 2 Abs. 1-4 Proklamation Nr. 21/1992 Eritrea qua Gesetzes die eritreische Staatsangehörigkeit erlangt und dementsprechend gemäß Art. 11 lit. a) StAG Äthiopien 1930 die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren hatten, die jedoch im Sinne des Erlasses nicht „die eritreische Staatsbürgerschaft gewählt“ hatten – sei es dadurch, dass sie einen eritreischen Reisepass oder ein anderes Dokument, das die eritreische Staatsbürgerschaft ausweist, innegehabt hatten, sei es dadurch, dass sie für die eritreische Regierung gearbeitet bzw. ein eritreischen Staatsangehörigen vorbehaltenes öffentliches Amt ausgeübt hatten -, werden danach zwar, sofern auch die soeben beschriebenen weiteren Voraussetzungen des Erlasses vorliegen, von der äthiopischen Regierung als äthiopische Staatsangehörige betrachtet. In einer derartigen Konstellation steht der Erlass der äthiopischen Behörden jedoch im Widerspruch zur (höherrangigen) äthiopischen Gesetzeslage (bis 23. Dezember 2003: StAG 1930; danach StAG 2003) und ist aus diesem Grund für das erkennende Gericht nach dem vorstehend Ausgeführten als deutsches staatliches Gericht im Rahmen der Prüfung der Staatsangehörigkeit nicht verbindlich.
89gg) Dadurch, dass die äthiopische Regierung im Mai 2009 einen Erlass herausgab, der „Eritreern“, die aus Äthiopien deportiert worden waren, gestattete, in Äthiopien eine Aufenthaltsbewilligung zu beantragen, ihr Eigentum zurückzuverlangen, zu arbeiten, Geld von Bankkonten abzuheben und sich im Handel zu engagieren,
90vgl. zu diesem Erlass etwa http://nazret.com/blog/index.php/2009/05/24/ethiopia_council_approves_directive_allo?blog=5&disp=single&title=ethiopia_council_approves_directive_allo&more=1&c=1&tb=1&pb=1&redir=no&c_paged=2#comments: “The Council of Ministers has approved a directive that will allow Eritreans who were expelled from Ethiopia on the eve of a border war, to reclaim their property, to work here, to withdraw their money which is in the banks, and to involve themselves in trade and commerce as local investors”; vgl. ferner Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Gemischt eritreisch-äthiopische Herkunft, 29. Januar 2013, Seite 6 f. (dort als Direktive von April 2009 bezeichnet),
91hat sich der staatsangehörigkeitsrechtliche Status von Personen eritreischer und halberitreischer Volkszugehörigkeit ebenfalls von Rechts wegen nicht geändert. Diese Direktive verhält sich nicht zur Frage der Staatsangehörigkeit. Die Möglichkeit der Wiederaufnahme bzw. Wiederzulassung in die äthiopische Staatsangehörigkeit nach Art. 22 StAG Äthiopien 2003 steht auf einem anderen Blatt.
92hh) Der Kläger hat durch seine Heirat mit seiner Ehefrau, nach seinen glaubhaften Angaben einer äthiopischen Staatsangehörigen, die verlorene äthiopische Staatsangehörigkeit nicht wieder erworben. Art. 6 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 regelt den (konstitutiven) Erwerb der äthiopischen Staatsangehörigkeit durch Eheschließung. Danach kann ein Ausländer, der mit einem äthiopischen Staatsangehörigen verheiratet ist, die äthiopische Staatsangehörigkeit auf rechtlichem Wege erwerben, wenn 1. die Ehe gemäß äthiopischem Recht geschlossen wurde oder in Übereinstimmung mit dem Ortsrecht des Landes, in dem die Ehe geschlossen wurde, 2. mindestens zwei Jahre seit Eheschließung vergangen sind, 3. er mindestens ein Jahr vor Antragstellung in Äthiopien gelebt hat und 4. er den Voraussetzungen gemäß Art. 5 Nr. 1, 7 und 8 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 genügt. Art. 5 regelt – soweit hier von Belang -, dass, wer den Erwerb der äthiopischen Staatsangehörigkeit auf rechtlichem Wege beantragt, volljährig und geschäftsfähig gemäß äthiopischem Recht sein soll (Nr. 1), in der Lage sein soll darzulegen, dass er aus seiner vorherigen Staatsangehörigkeit entlassen wurde oder dass diese Möglichkeit nach Erwerb der äthiopischen Staatsangehörigkeit besteht oder dass er staatenlos ist (Nr. 7), und dazu angehalten werden soll, den in Art. 12 des äthiopischen Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 23. Dezember 2003 geregelten Treueid abzulegen (Nr. 8). Der Kläger hat die äthiopische Staatsangehörigkeit nicht nach dieser Norm (wieder) erworben. Er erfüllt die Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht vollständig. Es fehlt u.a. an dem erforderlichen Antrag, der Voraussetzung des (konstitutiven) Erwerbs der äthiopischen Staatsangehörigkeit durch Heirat ist, sowie an dem – zeitlich auf den Antrag bezogenen - Wohnsitzerfordernis des Art. 6 Abs. 1 Nr. 3 StAG Äthiopien 2003. Ob die anderen kumulativ erforderlichen Voraussetzungen sämtlich vorliegen, kann daher dahinstehen und bedarf keiner weiteren Aufklärung.
93i) Dem Kläger droht in Eritrea, dem Land seiner Staatsangehörigkeit (Herkunftsland), nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit Verfolgung i. S. v. § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylVfG.
94aa) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylVfG unter dem Gesichtspunkt einer vorgetragenen Verfolgung aufgrund seiner Nichtableistung des Nationalen Dienstes in Eritrea. Die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz aus diesem Gesichtspunkt scheidet aus mehreren, unabhängig voneinander tragenden Gründen aus:
95aaa) Erstens ist nach der auf die Erkenntnislage gestützten Überzeugung der Kammer von vornherein nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die eritreische Regierung auch Personen, die – wie der Kläger - sich dem Nationalen Dienst lediglich dadurch entzogen haben, dass sie im wehrpflichtigen Alter niemals in Eritrea waren, verfolgt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Personen, die sich dem Nationalen Dienst lediglich dadurch entzogen haben, dass sie im wehrpflichtigen Alter niemals in Eritrea waren, im Falle einer Einreise nach Eritrea nur mit einer Einberufung zum Nationalen Dienst, nicht aber – insoweit anders als Deserteure/Fahnenflüchtige/Wehrdienstverweigerer innerhalb Eritreas - mit Inhaftierung, Folter, unmenschlicher Behandlung und/oder sonstigen Repressalien seitens des eritreischen Staates rechnen müssen.
96Vgl. etwa AA, Auskunft an das OVG NRW vom 23. Januar 2008 (508-516.80/45362); anders (die Gefahr weiterer Repressalien bejahend) OVG NRW, Beschluss vom 24. März 2010 – 8 A 4620/05.A -, juris, m. w. N. [Beschluss nach § 161 Abs. 2 VwGO zu § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG a.F.].
97bbb) Zweitens wäre selbst eine ggf. drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine – hier nicht vorliegende - illegale Ausreise nur dann flüchtlingsschutzrechtlich erheblich, wenn sie entweder zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt würde, die durch die Maßnahmen in einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten flüchtlingsschutzrechtlich erheblichen persönlichen Merkmale getroffen werden sollen (dazu unter aaaa)), oder wenn sie wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt erginge, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylVfG fallen (dazu unter bbbb)).
98Vgl. dazu etwa Treiber, in: GK-AufenthG, Band 3, § 60 AufenthG Rn. 167 ff., Stand April 2011, m. w. N. aus der Rspr.
99§ 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylVfG bestimmt nämlich, dass als Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylVfG unter anderem Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt gelten kann, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylVfG fallen. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylVfG bezieht sich – in Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 lit. e) RL 2011/95/EU - also auf einen „Konflikt“. Eine Kriegsdienstverweigerung, die – aus welchem Grund auch immer – außerhalb eines solchen Konflikts stattfindet, kann demnach nicht in den Anwendungsbereich der Norm fallen.
100Vgl. EuGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – C-472/13 -, juris, Rn. 35, zur europarechtlichen Vorgängernorm des Art. 9 Abs. 2 lit. e) RL 2004/83/EG.
101Ausgehend von diesen Grundsätzen würde selbst eine in Eritrea ggf. drohende Bestrafung wegen Umgehung der Wehrpflicht durch eine – im vorliegenden Fall nicht in Rede stehende - illegale Ausreise, die ggf. mit inhumanen Umständen der Strafvollstreckung verbunden sein könnte, keine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung darstellen (dazu sogleich unter aaaa) und bbbb)). Dies muss dann aber auf der Ebene des Flüchtlingsschutzes erst recht für den vorliegenden Fall einer Umgehung der Wehrpflicht durch bloßen „Nicht-Aufenthalt“ in Eritrea im wehrpflichtigen Alter gelten.
102aaaa) Eine in Eritrea ggf. drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine – hier nicht vorliegende - illegale Ausreise würde zum einen nicht gegenüber bestimmten Personen mit der Zielsetzung, sie durch die Maßnahmen in einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG genannten flüchtlingsschutzrechtlich erheblichen persönlichen Merkmale zu treffen, eingesetzt. Bei der Heranziehung zum Militärdienst werden in Eritrea nämlich alle Gruppen der Gesellschaft im Wesentlichen gleich behandelt; eine Unterscheidung nach Rasse, Religion etc. findet nicht statt.
103Vgl. dazu etwa VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Januar 2003 – A 9 S 397/00 -, juris, Rn. 42; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014 (Stand: Juni 2014), Seiten 11 f., 17 f.; Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft [nunmehr ab 1. September 2015: Staatssekretariat für Migration], Factsheet Eritrea Grundlageninformationen, 10. September 2013, Seiten 12 ff., 3. Nationaldienst.
104bbbb) Eine in Eritrea ggf. drohende Bestrafung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine – hier nicht vorliegende - illegale Ausreise erginge zum anderen auch nicht in Zusammenhang mit einem Konflikt i. S. v. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylVfG. Eritrea befindet sich nämlich zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 AsylVfG) in keinem Konflikt im Sinne der Norm – sei es mit anderen Staaten (internationaler Konflikt), sei es mit aufständischen innerstaatlichen Gruppen (innerstaatlicher Konflikt). Kriegerische Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten Äthiopien, Dschibuti und Sudan bestehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht.
105bb) Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylVfG unter dem Gesichtspunkt einer vorgetragenen Verfolgung in Eritrea aufgrund seiner pfingstchristlichen Religion. Er hat nämlich nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass er eine in Eritrea ggf. unterdrückte religiöse Betätigung seines pfingstchristlichen Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren.
106Vgl. zum rechtlichen Maßstab BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 – 10 C 23/12 –, juris, unter Bezugnahme auf das Urteil der Großen Kammer des EuGH vom 5. September 2012 – Rs. C-71/11 u.a. -, juris; zur Lage der Religionsfreiheit in Eritrea in tatsächlicher Hinsicht vgl. etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014 (Stand: Juni 2014), S. 9 f.; Bundesamt für Migration der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Factsheet Eritrea, Grundlageninformationen, 10. September 2013, S. 18 f.
107Nähere Ausführungen dazu, welche Bedeutung seine Zugehörigkeit zur pfingstchristlichen Bewegung für seine religiöse Identität hat, hat der Kläger an keiner Stelle gemacht. In der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ist der Kläger nicht näher auf seine religiöse Überzeugung eingegangen. Auf die letzte Frage während der Anhörung, ob es noch etwas gebe, was er hier vortragen möchte, entgegnete er, dass er seine wesentlichen Gründe genannt habe (vgl. Bl. 38 BA Heft 1). Im Rahmen der Klagebegründung hat der Kläger – neben allgemeinen Hinweisen auf die Situation von Mitgliedern der Pfingstler in Eritrea - lediglich pauschal ausgeführt, dass ihm als Angehörigen der Pfingstler in Eritrea Verfolgung drohe (Bl. 24 f. GA), und eine Bescheinigung der äthiopischen evangelischen Gemeinde in Frankfurt am Main – Mitglied im Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden – vom 00.00.0000 vorgelegt (Bl. 26 GA), nach der er ein wiedergeborener Christ sei, der der genannten christlichen Glaubensgemeinschaft angehöre und, so lange er die Gelegenheit habe, den Gottesdienst besuche. Nähere Ausführungen dazu, was seine vorgetragene pfingstchristliche Überzeugung bzw. deren Ausübung für ihn persönlich bedeutet, finden sich auch in der Klagebegründung nicht. Im Vergleich dazu wird im Rahmen der Klagebegründung hingegen detailliert auf die vorgetragene exilpolitische Tätigkeit des Klägers für die Ethiopian People´s Patriotic Front (EPPF) eingegangen. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht entgegnete der Kläger auf die Frage, was ihn hindern würde, nach Eritrea zu gehen, lediglich allgemein, in Eritrea seien schlimme Verhältnisse, viele Leute verließen dieses Land und auch er habe keinerlei Verhältnis zu diesem Staat, als Pfingstler könne er im Übrigen in Eritrea seine Glaubensrichtung nicht ausüben und werde dort verfolgt.
108cc) Die bloße Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland begründet schließlich ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr für den Kläger in Eritrea.
109Vgl. etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 15. Oktober 2014 (Stand: Juni 2014).
110C. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung subsidiären Schutzes. Ihm droht in Eritrea, dem Land seiner Staatsangehörigkeit (Herkunftsland), nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit ein ernsthafter Schaden i. S. v. § 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 AsylVfG.
111aa) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes unter dem Gesichtspunkt einer vorgetragenen Verfolgung aufgrund seiner Nichtableistung des Nationalen Dienstes in Eritrea. Insoweit wurde oben bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft bereits ausgeführt, dass nach der auf die Erkenntnislage gestützten Überzeugung der Kammer davon auszugehen ist, dass Personen, die sich dem Nationalen Dienst lediglich dadurch entzogen haben, dass sie im wehrpflichtigen Alter niemals in Eritrea waren, im Falle einer Ausreise nach Eritrea nur mit einer Einberufung zum Nationalen Dienst, nicht aber mit Inhaftierung, Folter, unmenschlicher Behandlung und/oder sonstigen Repressalien seitens des eritreischen Staates rechnen müssen. Darauf sei zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
112bb) Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes unter dem Gesichtspunkt einer vorgetragenen Verfolgung in Eritrea aufgrund seiner pfingstchristlichen Religion, da er – wie bereits im Rahmen der Flüchtlingseigenschaft ausgeführt - nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen hat, dass er eine in Eritrea ggf. unterdrückte religiöse Betätigung seines pfingstchristlichen Glaubens für sich selbst als verpflichtend empfindet, um seine religiöse Identität zu wahren. Diesem Umstand kommt auch im Rahmen der Prüfung subsidiären Schutzes entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
113D. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind in Bezug auf den Zielstaat der Abschiebungsandrohung, der nicht identisch mit dem Herkunftsland i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG sein muss, zu prüfen.
114Vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24. September 2007 – 11 S 561/07 -, juris, Rn. 6 ff., m. w. N. aus der höchst- und obergerichtlichen Rspr.
115Die Beklagte hat dem Kläger im streitgegenständlichen Bescheid vom 12. November 2013 die Abschiebung nach Äthiopien angedroht. Ob Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Eritrea vorliegen – dies dürfte im Übrigen aus den bereits genannten Gründen zu verneinen sein -, ist im vorliegenden Fall mithin nicht entscheidungserheblich. In Bezug auf Äthiopien, den Zielstaat der Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid vom 12. November 2013, besteht nach der Überzeugung der Kammer ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bzw. eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und/oder Freiheit des Klägers wegen seiner Vorverfolgung in Äthiopien.
116aa) Die Kammer geht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens und nach ausführlicher Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass er in Äthiopien vorverfolgt gewesen ist und ihm im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien aus diesem Grund eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und/oder Freiheit droht. Der Kläger hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass er, nachdem die äthiopische Regierung im Mai 2009 den Erlass herausgegeben hatte, der „Eritreern“, die aus Äthiopien deportiert worden waren, u.a. gestattete, in Äthiopien ihr Eigentum zurückzuverlangen, einen Antrag zur Rückerlangung des väterlichen Vermögens in Adama/Nazret gestellt hatte und er nach seiner dritten Vorsprache inhaftiert worden ist. Es bedarf dabei hier keiner Entscheidung darüber, ob eine derartige Praxis, die im Widerspruch zum genannten Erlass steht, über den vorliegenden Einzelfall des Klägers hinaus generell häufiger vorgekommen sein könnte.
117Vgl. dazu etwa (eine im Widerspruch zum Erlass stehende Praxis verneinend, vielmehr eine Rückgabe konfiszierten Vermögen deportierter Personen nach Nachweis eines entsprechenden Anspruchs bejahend) D-A-CH, Bericht zur D-A-CH Fact Finding Mission Äthiopien/Somaliland 2010, Mai 2010, abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/533a78ac6.html, Seiten 50 ff., insb. 52.
118Entscheidend ist, dass die Kammer davon überzeugt ist, dass im vorliegenden Einzelfall des Klägers dieser von einer Inhaftierung aufgrund seines Versuchs zur Rückerlangung des Vermögens seines eritreischstämmigen Vaters betroffen war. Der Kläger hat auch nachvollziehbar dargelegt, wie es ihm gelungen ist, durch Bestechung seine Freilassung zu erreichen, und wie er anschließend erfolglos versuchte, in Addis Abeba wieder an sein früheres (berufliches) Leben anzuknüpfen bzw. seine vorherige Firma aufgrund der Intervention äthiopischer Behörden nicht mehr bereit war, ihn zu beschäftigen. Das erkennende Gericht geht davon aus, dass der Vorgang zum Antrag des Klägers zur Rückerlangung des väterlichen Vermögens von den äthiopischen Behörden dokumentiert worden ist.
119Vgl. etwa D-A-CH, Bericht zur D-A-CH Fact Finding Mission Äthiopien/Somaliland 2010, Mai 2010, abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/533a78ac6.html, Seite 52, wonach die Aktivitäten von Personen, die während des Grenzkries nach Eritrea deportiert worden waren, von den Kebele-Offiziellen aufmerksam verfolgt würden.
120Aufgrund der Dokumentation sowie der Vorverfolgung des Klägers in Äthiopien (Inhaftierung, Entlassung auf der Arbeit aufgrund behördlicher Intervention) besteht im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Äthiopien für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und/oder Freiheit.
121bb) Ob die exilpolitische Tätigkeit des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland für die Ethiopian People´s Patriotic Front (EPPF) ein hinreichendes Gewicht zur Bejahung eines nationalen Abschiebungsverbots aufweist bzw. ob sich der Kläger in einer Gesamtschau des vorliegenden Einzelfalls aus dem Kreis der bloßen Mitläufer der EPPF bereits als ernsthafter Oppositioneller hervorhebt,
122vgl. zu der Frage, unter welchen Umständen die Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt, etwa Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien, 4. März 2015 (Stand November 2014), Seite 13; D-A-CH, Bericht zur D-A-CH Fact Finding Mission Äthiopien/Somaliland 2010, Mai 2010, abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/533a78ac6.html, Seite 49; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 – 8 A 4063/06.A -, juris; vgl. ferner zur EPPF BAMF, Entscheiderbrief 12/2014, Äthiopien: Die EPPF, Seite 3 ff.,
123kann das erkennende Gericht offen lassen, da die Bejahung eines nationalen Abschiebungsverbots unter dem Gesichtspunkt der exilpolitischen Betätigung zu keinem weitergehenden Abschiebungsschutz für den Kläger in Bezug auf Äthiopien führen würde.
124III. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen des Klägers war aus den in der Sitzungsniederschrift des Gerichts festgehaltenen Gründen nicht nachzukommen.
125IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die
- 1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder - 2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:
- 1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, - 2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, - 3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, - 4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, - 5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen, - 6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.
(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich
- 1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe - 2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, - a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder - b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen, - 2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder - 3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er
- 1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder - 2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.