Verwaltungsgericht München Urteil, 25. Sept. 2018 - M 1 K 16.5596

bei uns veröffentlicht am25.09.2018

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, wendet sich als Nachbarin gegen ein Vorhaben der Beklagten zur Erweiterung eines bestehenden Realschulgebäudes auf dem Grundstück FlNr. 1442 der Gemarkung … Die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 1442 Gem. …, auf dem sich seit dem Jahr 1956 die …-Realschule (Staatliche Realschule …) befindet. Die Schule wurde in ihrem jetzigen baulichen Bestand in den Jahren 1956 und 1972 errichtet (Bestandsbauteile A und B), letztmals fand eine Erweiterung im Jahr 2006 statt (Bestandsbauteil C). Der Bestandskörper hat in etwa L-Form. Der längere Schenkel (Bestandsbauteil A) verläuft entlang der Westseite des Schulgrundstücks gegenüber dem ebenfalls der Beklagten gehörenden Nachbargrundstück FlNr. 456 Gem. …, auf dem sich das …-Gymnasium befindet, in Nord-Süd-Richtung. Der sich im rechten Winkel an die Südwand des langen Schenkels anschließende kürzere Schenkel (Bestandsbauteile B und C) verläuft entlang der Südgrenze des Schulgrundstücks gegenüber dem sich südlich anschließenden H …-Weg, der als öffentlicher Geh- und Radweg gewidmet ist und der auf den der Beklagten gehörenden Grundstücken FlNrn. 1430 und 456 Gem. … in West-Ost-Richtung verläuft. Südlich des Weges liegen die Grundstücke FlNr. 1411/2 und FlNr. 1411/3 Gem. …, auf denen sich die sog. N …-Häuser befinden.

Auf Grund der gestiegenen Schülerzahlen plant die Beklagte (Amt für Zentrales Gebäudemanagement) als Bauherrin eine bauliche Erweiterung der Schule um einen ca. 50 m langen, ca. 18 m bzw. 15 m breiten und ca. 15 m hohen Neuanbau (Bauteil D, Erdgeschoss und drei Obergeschosse), der sich an die südöstliche Wand des Baukörpers des Schulgebäudes (Bestandsbauteil C) unmittelbar im rechten Winkel anschließt und parallel zur Westseite des Baukörpers (Bestandsbauteil A) von Süden nach Norden in Richtung auf das Grundstücks der Klägerin, FlNr. 1440 Gem. … verläuft. Der neue Bauteil D soll im Wesentlichen auf einem Teil der bisher als Schulsportplatz genutzten Fläche des Schulgrundstücks zu stehen kommen. Die übrige Grundstücksfläche soll in anders gestalteter Form weiter als Sportfläche für die schulische Nutzung dienen.

Bereits mit Bescheid vom 3. November 2015 erteilte die Beklagte (Bauordnungs- und Vergabeamt) als zuständige Bauaufsichtsbehörde die Baugenehmigung für das Erweiterungsprojekt. Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Klage, weil sie sich in ihren Rechten, namentlich im Abstandsflächenrecht und dem bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot verletzt sah. Die Beklagte nahm die Baugenehmigung vom 3. November 2015 in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts München vom 3. Mai 2016 zurück, das Verfahren wurde eingestellt (M 1 K 15.5435).

Mit Bauantrag vom 20. Juli 2016 beantragte die Beklagte (Amt für Zentrales Gebäudemanagement) bei ihrem Bauordnungs- und Vergabeamt erneut die Baugenehmigung für die Erweiterung der Realschule, insbesondere um den Bauteil D und legte in Berücksichtigung der Einwände der Klägerin insbesondere wegen der Abstandsflächensituation an der Nordseite des Vorhabens gegenüber dem Grundstück der Klägerin umgearbeitete Pläne vom 15. Juli 2016 vor. Die Nordwand des Bauteils D soll hiernach in einen 15,80 m langen Wandteil und einen daran anschließenden 2,60 m langen und 7 m tiefen Wandrücksprung gegliedert sein, um unter Inanspruchnahme des abstandsflächenrechtlichen 16-m-Privilegs nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO zu ausreichenden Abstandsflächen zum Grundstück der Klägerin zu gelangen. Außerdem wurde das an der Westwand des Anbaus geplante Vordach zum Pausenhof im Gegensatz zur ersten Planung nach Süden hin nunmehr bündig zum bestehenden Bauteil C ausgeführt, um die bisher als unzureichend gerügten Abstandsflächen vom Vordach gegenüber dem Bauteil C zu erübrigen. Im Hinblick auf die abstandsflächenrechtliche Situation auf der Südseite des Vorhabens nahm die Beklagte eine Gesamtbetrachtung des neuen Bauteils D mit den sich daran nach Westen bündig anschließenden Südfassaden der Bestandsbauteile C und B vor. Im Hinblick auf die erforderlichen Abstandsflächen nach Süden wurde der öffentliche H …-Weg bis zu dessen Mitte gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO in Anspruch genommen und bezüglich der zweiten Hälfte des Wegs eine sog. Abstandsflächendienstbarkeit der Eigentümer des an die zweite Weghälfte anliegenden Grundstücks FlNr. 1411/3 Gem. … (eines der sog. N …-Häuser) nach Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO in Form einer Grunddienstbarkeit zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Vorhabengrundstücks FlNr. 1442 Gem. … und einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zu Gunsten der Stadt … als Bauaufsichtsbehörde vom 19. August 2015 vorgelegt. Da nach den Plänen die Abstandsfläche des Bestandsbauteils B im westlichen Teil seiner Südfassade in einer Teilfläche auf das Nachbargrundstück FlNr. 456 Gem. …, auf welchem sich das …-Gymnasium befindet, zu liegen kommt, legte die Beklagte als Eigentümerin dieses Grundstücks eine Zustimmungserklärung zur Abstandsflächenübernahme vom 27. Oktober 2016 gegenüber der Beklagten als zuständiger Bauaufsichtsbehörde vor. Im Hinblick auf die durch das Vorhaben hervorgerufenen zusätzlichen Stellplätze und Fahrradstellplätze wurde auf der Basis der Stellplatzsatzung der Beklagten eine Berechnung angestellt und die danach notwendigen Stellplätze in den Plänen dargestellt.

Mit Bescheid vom 10. November 2016 genehmigte die Beklagte den Bauantrag vom 20. Juli 2016 mit den vorgelegten Plänen und sonstigen Bauvorlagen unter Auflagen und Hinweisen. Die Baugenehmigung wurde im Amtsblatt der Beklagten vom 15. November 2016 bekannt gemacht.

Mit Fax vom … Dezember 2016 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin gegen den Bescheid Klage zum Verwaltungsgericht München und trug vor, die Klägerin sei in den sie schützenden Abstandsflächenvorschriften verletzt. Es sei schon zweifelhaft, ob vor der Nordwand des Bauteils D die Abstandsflächen zum gegenüberliegenden Grundstück der Klägerin nach den Maßen in den Plänen eingehalten seien. Im Übrigen setze die Inanspruchnahme des 16-m-Privilegs bezüglich der Nordwand nach der Rechtsprechung voraus, dass die Abstandsflächen an allen übrigen Seiten des Vorhabens, auch wenn sie keinen Bezug zum Grundstück der Klägerin hätten, eingehalten werden müssten. Dies sei aber nicht der Fall. Im Bereich des Vordachs an der Westseite des Neuanbaus würden die Abstandsflächen auch nach der bündigen Umplanung zum Bestandsbauteil C hin nicht eingehalten. Ebenso seien die Abstandsflächen vor der Ostseite des Neuanbaus zur bestehenden Sporthalle auf dem Schulgrundstück verletzt. Verletzt seien auch die Abstandsflächen vor den entlang der Grenze des Vorhabengrundstücks zum westlichen Nachbargrundstück FlNr. 456 Gem. … verlaufenden Bestandsbauteilen A und B. Diese Bauteile erführen nach den vorgelegten Plänen erhebliche interne Änderungen und stünden mit dem Bestandsbauteil C und dem Bauteil D in einer klaren baulichen Funktionseinheit, weswegen durch das Erweiterungsvorhaben die Abstandsflächenfrage zum Westen hin auch bezüglich des Bestands neu aufgeworfen werde, also nach Westen hin eine abstandsflächenrechtliche Gesamtbetrachtung des einheitlichen, aus den Bestandsbauteilen A, B und C und dem geplanten Bauteil D bestehenden Baukörpers stattzufinden habe. Danach seien aber zur Westseite hin die Abstandsflächen klar nicht eingehalten. Problematisch sei auch die Abstandsflächensituation vor der Südwand des Bauteils D, die - wie es die Beklagte auf dieser Seite auch tue - abstandsflächenrechtlich im Zusammenhang mit den Südwänden der Bestandsbauteile C und B zu betrachten sei, weil sich durch den bündigen unmittelbaren Neuanbau an den Bestand hier eine einheitlich verlaufende südliche Außenfassade ergebe. Im geplanten Bauteil D befinde sich nach den Plänen im 3. OG eine „Terrasse Süd“, welche ca. 2 m zurückspringe. Die Terrasse sei überdacht. In den Plänen „Grundriss 3. OG“ heiße es: „Feststehender Sonnenschutz horizontal als leichte Konstruktion“. Aus den Plänen zur Ansicht Süd lasse sich ein oberes Ende der Konstruktion und eine Wandhöhe von ca. 14,4 m abgreifen, welche höher sei als die in den Plänen zu den Abstandsflächen nach Süden hin zu Grunde gelegte Wandhöhe. Die abstandsflächenrechtliche Inanspruchnahme des öffentlichen H …-Wegs bis zu dessen Mitte sei zweifelhaft, da sich aus dem straßenrechtlichen Bestandsverzeichnis ergebe, dass nur eine Teilfläche des unmittelbar südlich an das Vorhabengrundstück anschließenden Grundstücks der Beklagten FlNr. 1430 Gem. … als dieser Weg gewidmet sei. Die Abstandsflächenübernahme durch die Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1411/3 Gem. … (sog. N …-Haus) sei unzulänglich, weil die Abstandsflächen des auf diesem Grundstück stehenden Mehrfamilienhauses falsch berechnet und demgemäß falsch dargestellt worden seien. Erhebliche Bedenken begegne die Abstandsflächenübernahmeerklärung der Beklagten auf ihr Grundstück FlNr. 456 Gem. … bezüglich der Abstandsfläche vor dem westlichen Teil der Südfassade des Bestandsbauteils B. Die Beklagte sei wegen der baulichen Gegebenheiten auf ihrem Grundstück FlNr. 456 Gem. … nicht in der Lage, auf diesem Grundstück die erforderliche Abstandsfläche zu übernehmen. Das Vorhaben verletze zudem das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Der Neuanbau führe zu einer unzumutbaren Verdichtung des Quartiers. Der Neuanbau „quetsche“ sich förmlich zwischen den Bestand und die östlich gelegene Schulsporthalle. Das zulässige Maß der baulichen Nutzung sei überschritten. Es entstehe ein Gesamtgebäude, das in seiner Masse deutlich über das hinausgehe, was sich in der Umgebung finde. Das Vorhaben löse städtebauliche Spannungen aus und füge sich nicht mehr im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die nähere Umgebung ein. Außerdem sei die Stellplatzsituation völlig unzureichend. Von den in der Baugenehmigung geforderten 14 zusätzlichen Stellplätzen seien in den Plänen lediglich zwei dargestellt. Die bei einer Gesamtklassenzahl der Realschule von 67 Klassen erforderliche Stellplatzzahl betrage 101 Stellplätze. In den Plänen seien aber nur 22 Stellplätze dargestellt (ggf. 18 alt + 2 neu). Das städtebauliche Umfeld der Realschule sei bereits durch fehlende Stellplätze erheblich vorbelastet. Es fehlten nach Untersuchungen ca. 225 Stellplätze, also ein mittelgroßes Parkhaus. Die fehlenden Stellplätze führten zu einem unzumutbaren Parkdruck auf die Bewohner des Quartiers. Entsprechendes gelte für die Fahrradabstellplätze. Die Bewohner des Quartiers und die Klägerin würden durch das Vorhaben unzumutbar belastet. Der Bevollmächtigte der Klägerin rügt außerdem, dass das Vorhaben die Vorschriften der bayerischen Schulbauverordnung über die Größe der Pausenhöfe und der geschlossenen Pausenflächen verletze.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte die Dienstbarkeiten bezüglich der Abstandsflächenübernahme vor. Die Abstandsflächen seien an allen Seiten eingehalten. Eine abstandsflächenrechtliche Gesamtbetrachtung hinsichtlich der Westseite des Baukörpers sei nicht veranlasst, da es sich an der Westseite um einen reinen Bestandsbau aus den Jahren 1952 bis 1972 (Bestandsbauteile A und B) handle, der durch das Erweiterungsprojekt nur interne Nutzungsverschiebungen erfahre; der Bauteil D habe baulich nichts mit dem westlichen Bestand (Bestandsbauteil A und Westteil Bestandsbauteil B) zu tun. Der H …-Weg sei im vollen Umfang des Grundstücks FlNr. 1430 Gem. … als beschränkt öffentlicher Weg (Geh- und Fahrradweg) gewidmet. Außerdem erstrecke sich die Widmung auch auf die unmittelbar vor den Grundstücken FlNr. 1411/3 und 1411/2 Gem. … (den sog. N …-Häusern) liegenden schmalen Grundstücksstreifen FlNr. 1411/5 und 1411/4 Gem. … Hierzu wurde ein aktueller Auszug aus dem Wegebestandsverzeichnis vom 23. März 2018 vorgelegt. Der Weg verlaufe auf der Krone des …damms. Der Höhenunterschied vom Weg zur restlichen Landschaft werde links und rechts des Weges durch eine Böschung mit Böschungsgrün überwunden. Da der Weg nur mit dem Vorhandensein der Böschungen in seiner jetzigen Höhenlage erhalten werden könne, zählten nach den straßenrechtlichen Bestimmungen die Böschungen und das Grün zum Bestandteil des Weges, so dass der Weg unmittelbar südlich an das Vorhabengrundstück anschließe und abstandflächenrechtlich nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO in Anspruch genommen werden könne. Das Vorhaben füge sich auch nach dem Maß der Nutzung in die nähere Umgebung ein. Die Umgebung einschließlich des Anwesens der Klägerin werde von Gebäuden ähnlicher Größenordnung geprägt. Irgendwelche städtebaulichen Spannungen oder unzulässigen Verdichtungen der baulichen Situation entstünden nicht, wie man schon an der Einhaltung der abstandsflächenrechtlichen Vorschriften ersehen könne. Die durch das Vorhaben nach der Stellplatzsatzung erforderlichen neuen 14 Stellplätze und 54 Fahrradstellplätze seien nach dem Inhalt der Pläne auf dem Baugrundstück nachgewiesen. Auf dem westlichen Nachbargrundstück FlNr. 456 Gem. … (…-Gymnasium) stünden überdies weitere acht Stellplätze zur Verfügung. Zu den im Bestand vorhandenen ca. 200 Fahrradstellplätzen würden noch 77 neue errichtet. Für den Bestandbau seien wegen der Errichtung der Schule in den Jahren 1956 bis 1972 keine Stellplätze und Fahrradstellplätze gefordert gewesen.

Bei der Terrasse im 3. OG an der Südseite des Bauteils D sei die Wandhöhe nicht mit dem Brüstungsgeländer zu bemessen, sondern mit der Oberkante des feststehenden, in den Plänen leider nicht vermaßten festen Sonnenschutzes. Sie habe ein qualifiziertes Vermessungsbüro mit einer Überprüfung und einer etwaig erforderlichen Planungskorrektur beauftragt. Ebenfalls seien in der Tat die vom Mehrfamilienhaus auf dem Grundstück FlNr. 1411/3 Gem. … (sog. N …-Haus) und dem derzeit dort geplanten Erweiterungsbau einzuhaltenden Abstandsflächen zum H …-Weg hin falsch ermittelt und dargestellt worden und dementsprechend unzutreffend den Abstandsflächenübernahmen der Eigentümer dieses Grundstücks zu Grunde gelegt worden. Die korrekte Darstellung dieser Abstandsflächen führe jedoch nicht zu einer Überlappung der übernommen Abstandsflächen mit denen dieses Grundstücks. Dies ergebe sich aus den neuen vorgelegten Plänen des eingeschalteten Vermessungsbüros.

Mit Schreiben vom 20. Februar 2018 legte die Beklagte einen Änderungsbescheid vom 20. Februar 2018 zum Baugenehmigungsbescheid vom 10. November 2016 vor. Darin wird der bisherige Plan „Lageplan Abstandsflächen“ vom 15. Juli 2016 durch den neuen Plan „Lageplan Abstandsflächen“ vom 8. Dezember 2017 ersetzt und die Abstandsflächendienstbarkeit zu Lasten des Grundstücks FlNr. 1411/3 Gem. … (sog. N …-Haus) vom 19. August 2015 durch einen 2. Nachtrag vom 15. Januar 2018 zur ursprünglichen Dienstbarkeitsurkunde ergänzt.

Mit Telefax vom … März 2018 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin auch gegen den Änderungsbescheid vom 20. Februar 2018, ihm nach seinem Bekunden am 27. Februar 2018 zugestellt, Klage. In der Klagebegründung vom ... Mai 2018 wird nach wie vor die fehlende Einhaltung der Abstandsflächen durch das Vorhaben, insbesondere zum Süden hin gerügt. Nach wie vor könne das Grundstück FlNr. 1411/3 Gem. … (sog. N …-Haus) wegen der dort selber einzuhaltenden Abstandsflächen keine Abstandsflächen des Vorhabens übernehmen. Problematisch sei nach wie vor die Widmung des H …-Wegs. Aus dem Bestandsverzeichnis sei der genaue Umfang der Widmung dieses Weges auf dem Grundstück FlNr. 1430 Gem. … nicht ersichtlich.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt zuletzt,

den Baugenehmigungsbescheid der Beklagten vom 10. November 2016 in der Form des Änderungsbescheides vom 20. Februar 2018 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt zuletzt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Behörden- und Gerichtsakten, insbesondere auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. September 2018, verwiesen.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

Die Klage ist zulässig.

Die Klägerin ist als Wohnungseigentümergemeinschaft gemäß § 10 Abs. 6 des Wohnungseigentumsgesetzes zur Geltendmachung der gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer, hier auf Abwehr der Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften durch die angegriffene Baugenehmigung in Gestalt der Änderungsbaugenehmigung, auch vor Gericht befugt (siehe hierzu etwa König, Baurecht Bayern, 5. Aufl. 2015, Rn. 814 m.w.H.). Die Klage ist auch fristgerecht erhoben worden. Die Baugenehmigung vom 10. November 2016 wurde auf dem Weg des Art. 66 Abs. 2 Satz 4 bis 6 BayBO durch Bekanntgabe im Amtsblatt der Beklagten vom 15. November 2016 an diesem Tag auch gegenüber der Klägerin wirksam zugestellt. Die Klageerhebung am … Dezember 2016 ist fristgerecht in der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 VwGO erfolgt. Ebenso wurde mit Schriftsatz vom … März 2018 auch gegen den Änderungsbescheid vom 20. Februar 2018 innerhalb der Monatsfrist weitere Klage erhoben.

Die Klage ist aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 10. November 2016 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 20. Februar 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Ein Nachbar kann sich als Dritter gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 juris Rn. 20; B.v. 2.9.2013 - 14 ZB 13.1193 - juris Rn. 6; VG München, U.v. 25.7.2017 - M 1 K 16.5925 - juris). Weiter muss zur Verletzung von in diesem Sinne drittschützenden Normen hinzukommen, dass diese Normen auch im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, dass also die Feststellungswirkung der Baugenehmigung diese Normen umfasst (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2009 - 14 ZB 09.124 - juris Rn. 6).

Derartige Rechtspositionen der Klägerin, insbesondere das geltend gemachte Abstandsflächenrecht nach Art. 6 BayBO (unten Nr. 1) und das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot (unten Nr. 2) sind durch die streitige Baugenehmigung in Gestalt der Änderung nicht verletzt.

1. Eine Verletzung der abstandsflächenrechtlichen Vorschriften des Art. 6 BayBO durch das Vorhaben liegt nicht vor.

Die Feststellungswirkung der angefochtenen Baugenehmigung umfasst die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften. Die angegriffene Baugenehmigung wurde im Baugenehmigungsverfahren nach Art. 60 BayBO erteilt, da es sich bei dem Schulerweiterungsvorhaben um einen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Nr. 13 BayBO handelt. Im Baugenehmigungsverfahren nach Art. 60 BayBO werden unter anderem die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften geprüft, Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO.

Die Abstandsflächenvorschriften sind jedenfalls im Hinblick auf die einem Nachbargrundstück gegenüberliegende Außenwand eines Vorhabens drittschützend. Wird allerdings bezüglich einer solchen Außenwand das sog. 16-m-Privileg nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO in Anspruch genommen, also vor dieser Wand oder einem Teil dieser Wand auf eine Länge von höchstens 16 m nur die Hälfte der Regelabstandsflächentiefe nach Art. 6 Abs. 5 BayBO nachgewiesen, so bezieht sich nach der Rechtsprechung der Nachbarschutz des betroffenen Nachbarn auch auf die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des 16-m-Privilegs, nämlich auf die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften vor allen Außenwänden des Vorhabens, auch soweit diese Seiten vom betroffenen Nachbargrundstück abgewandt liegen; insoweit dienen die Abstandsflächenvorschriften in ihrer Gesamtheit dem Nachbarschutz (so grundlegend BayVGH GrS, B.v. 17.4.2000 - GrS. 1/1999, 14 B 97.2901 - NVwZ-RR 2001, 291). Da die Beklagte im Hinblick auf die dem Grundstück der Klägerin gegenüberliegende nördliche Außenwand von Bauteil D das 16-m-Privileg in Anspruch nimmt, kann die Klägerin die Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften nicht nur vor dieser Wand, sondern vor allen Außenwänden des Vorhabens als nachbarschützendes Recht einfordern, es sei denn, die Inanspruchnahme des 16-m-Privilegs wäre zur Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften durch das Vorhaben rechtlich überhaupt nicht notwendig. Die Inanspruchnahme wäre nach der Ausnahmevorschrift des Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO nicht notwendig, wenn das Vorhaben in einem Kerngebiet gelegen wäre; Kerngebiet im Sinne der Vorschrift ist dabei auch das faktische Kerngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 7 BauNVO. Vom Vorliegen eines Kerngebiets kann hier jedoch nach Aktenlage nicht ausgegangen werden, weil es an der gemäß § 7 Abs. 1 BauNVO hierfür typischen städtebaulichen Struktur mit Handelsbetrieben und zentralen Einrichtungen der Wirtschaft fehlt. Letztlich kann die Frage auch dahinstehen, denn das Vorhaben hält alle Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO einschließlich des 16-m-Privilegs als insgesamt nachbarschützende Vorschriften ein (siehe unten a. bis e.).

a. Vor der gegenüber dem Grundstück der Klägerin liegenden nördlichen Außenwand von Bauteil D sind die Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO eingehalten.

Die nördliche Außenwand ist nach dem genehmigten Abstandsflächenplan vom 8. Dezember 2017 in einen 15,80 m langen Wandteil und einen sich daran im rechten Winkel anschließenden 7 m tiefen und 2,60 m langen Wandrücksprung gegliedert. Die beiden Wandteile sind abstandsflächenrechtlich gesondert zu betrachten (vgl. BayVGH GrS, B.v. 21.4.1986 - GrS. 1/85, 15 B 84 A.2534 - BayVBl. 1986, 627). Bezüglich des langen Wandteils wird das 16-m-Privileg nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO in Anspruch genommen. Die Höhe dieses Wandteils (Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO) beträgt nach der Fetteintragung im Plan „ca. 15,50 m“, nach der genaueren Dünneintragung im Plan unter Angabe der einzelnen Berechnungskomponenten 15,45 m. Die Tiefe der Abstandsfläche vor diesem Wandteil beträgt etwas mehr als die halbe Wandhöhe, nämlich 7,75 m, was im Plan so dargestellt ist. Die Abstandsfläche liegt nach dem Plan vollständig auf dem Vorhabengrundstück und berührt die Grenze des Grundstücks der Klägerin nicht. Der Wandrücksprung hält als Abstandsfläche eine volle Wandhöhe, also 15,50 m ein.

b. Vor dem geplanten Vordach zum Pausenhof hin, das an der Westseite des (Bauteils D angebracht ist und nach Süden bündig an den Bestandsbauteil C anschließt, sind die Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO eingehalten.

Das Vordach, das nach der Ansicht West im genehmigten Plan „Schnitte Ansichten“ und im Plan „Lageplan Ansichten“ ca. 24 m lang, 2 m breit und 4,12 m hoch ist, ist als Gebäude im Sinne Art. 2 Abs. 2 BayBO gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO oder als andere Anlage, von der Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, nach Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO abstandsflächenpflichtig. Das Vordach bleibt nicht über den Ausnahmekatalog des Art. 6 Abs. 8 BayBO abstandsflächenrechtlich außer Betracht. Es ist kein Dachüberstand nach Art. 6 Abs. 8 Nr. 1 BayBO, da es keine Verlängerung des Gebäudedaches von Bauteil D ist, und wegen seiner Dimensionen auch kein untergeordneter Vorbau nach Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 BayBO.

Ausweislich des genehmigten Abstandsflächenplans wird vor der 2 m langen Nordseite des Vordachs ebenso vor der ca. 24 m langen Westseite des Vordachs die der Wandhöhe des Vordachs von 4,12 m entsprechende Tiefe der Abstandsfläche auf dem Vorhabengrundstück nachgewiesen. Eine unzulässige Überdeckung dieser Abstandsflächen mit denen des kleinen nördlichen Teils der Westseite des Bauteils D und der Nordfassaden der Bestandsbauteile B und C liegt nicht vor, da das Vordach senkrecht zu diesen Seiten verläuft, Art. 6 Abs. 3 Nr. 1 BayBO. Die Südseite des Vordachs ist bündig im Zwickel zu dem im rechten Winkel zu Bauteil D verlaufenden Bestandsbauteil C angebaut, so dass vor dieser Südseite keine Abstandsflächen zum Bestandsbauteil C einzuhalten sind. Die Situierung des Vordachs in den Abstandsflächen vor der Westseite des Bauteils D und den Nordseiten der Bestandsbauteile B und C führt nicht dazu, dass sich entgegen Art. 6 Abs. 1 BayBO in diesen Abstandsflächen in Gestalt des Vordachs ein Gebäude befinden würde. Denn das Freihaltegebot des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO betrifft nur selbständige Gebäude. Anbauten an bestehende Gebäude bleiben auch innerhalb der Abstandsflächen zulässig. Nach den Plänen sind die Abstandsflächen vor diesem Baukörper, also die um das angebaute Vordach erweiterte Westseite des Bauteils D und die Nordseiten der Bestandsbauteile B und C, eingehalten.

c. Vor der östlichen Außenwand des Bauteils D werden die Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO eingehalten.

Die östliche Außenwand beginnt im Norden mit dem unter Buchstabe a beschriebenen Wandrücksprung von 7 m Länge. Vor dem zurückspringenden Wandteil Richtung Osten wird die der Höhe des Bauteils D von ca.15,50 m entsprechende Tiefe der Abstandsfläche nach dem genehmigten Abstandsflächenplan vor der auf dem Baugrundstück befindlichen Bestandssporthalle nachgewiesen. Das gilt auch für den um 2,35 m im Norden und um 2,60 m im Süden hervorspringenden, anschließenden Teil der Ostwand von 24,65 m Länge. Zwar ist auf dem Abstandsflächenplan die Höhe dieses Wandteils mit „ca. 15,50 m“ angegeben, was eine Abstandsflächentiefe in dieser Wandhöhe erfordert, wohingegen der Plan nur eine Tiefe von 15,25 m nachweist. Allerdings wird im genehmigten Plan “Schnitte ECLI:M:100 Ansichten ECLI:M:100“ unter Berücksichtigung des Geländeverlaufs von einer ostseitigen Wandhöhe von exakt 15,20 m ausgegangen, so dass die im Abstandsflächenplan ausgewiesene Tiefe von 15,25 m ausreichend ist. Zudem verbleibt nach dem Abstandsflächenplan zwischen dem Vorhaben und der östlich davon gelegenen Sporthalle eine nicht von Abstandsflächen in Anspruch genommene Freifläche von mehr als 1 m Tiefe an der engsten Stelle. Auch der südlich bis zur Terrasse im 3. OG anschließende 15,48 m langen Wandteil der Ostfassade sowie der hieran anschließende Teil der Ostwand, auf dem im 3. Obergeschoß eine Terrasse vorgesehen ist, halten die Abstandsfläche ein. Die gesetzliche Abstandsflächentiefe der um 7,65 m zurückspringenden und 2,52 m breiten Terrasse ist unterschiedlich, je nachdem ob die Höhe der Ostfassade im Bereich der im obersten Stockwerk liegenden Terrasse nur bis zur Terrassenoberkante (Brüstung), also bis zu einer Höhe von 12,21 m (Alternative 1) oder bis zu dem an der Terrasse fest angebrachten Sonnenschutz (im Abstandsflächenplan als Beschattungslamellen bezeichnet), also bis zu einer Höhe von 14,20 m (Alternative 2) reicht. In beiden Alternativen überschreiten ausweislich des Abstandsflächenplans die Abstandsflächen die dort verlaufende südöstliche Grenze des Vorhabengrundstücks, was dem Grundsatz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO widerspricht. Allerdings erlaubt Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO die Erstreckung von Abstandsflächen auf öffentliche Verkehrs-, Grün- und Wasserflächen bis zu deren Mitte. Von dieser kraft Gesetzes eröffneten Möglichkeit hat die Beklagte zutreffenden Gebrauch gemacht. Auf dem sich südlich an das Vorhabengrundstück unmittelbar anschließenden, im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstück FlNr. 1430 Gem. … befindet sich der H …-Weg, eine dem Geh- und Radverkehr gewidmete öffentliche Verkehrsfläche. Die Widmung erfasst das Grundstück nicht nur, wie das Straßenbestandsverzeichnis zunächst vermuten lässt, in einer Teilfläche (TFL), sondern in dessen voller Breite. Wie die Beklagte zutreffend ausführt, gehört zu dem eigentlichen Geh- und Radweg nach der gesetzlichen Bestimmung des Art. 2 Nr. 1 und 3 BayStrWG ohne Weiteres auch die den Höhenunterschied überwindende Böschung und deren Bepflanzung und Grün (Wegbegleitgrün) als Bestandteil und Zubehör der Verkehrsfläche (siehe hierzu auch Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, 131. EL Oktober 2018, Art. 6 Rn. 74). Hier schließt sich das Wegbegleitgrün und die öffentliche Verkehrsfläche unmittelbar an das Vorhabengrundstück an und vermag somit die überschießende Abstandsfläche bis zur Mitte aufzunehmen. Die Ostseite des Bauteils D ist in ihren hinreichend tiefen Abstandsflächen auch frei von Gebäuden, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Denn der ausweislich des Freiflächengestaltungsplans geplante Sportplatz befindet sich zwar in diesen Abstandsflächen, ist aber kein Gebäude im Sinne des Art. 2 Abs. 2 BayBO, vor dessen Außenwänden nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO Abstandsflächen freizuhalten wären.

d. Vor der südlichen Außenwand des Vorhabens werden die Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO eingehalten.

Zu Recht nehmen die Parteien hinsichtlich der Südseite des Vorhabens eine abstandsflächenrechtliche Gesamtbetrachtung des Bauteils D mit den Bestandsbauteilen B und C vor. Denn die Südfassaden dieser bündig aneinandergebauten Bauteile lassen bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise eine baulich-konstruktiv einheitliche neue Außenfassade entstehen, so dass durch das Vorhaben die Abstandsflächenfrage insoweit auch bezüglich der bestandsgeschützten Bauteile B und C aufgeworfen wird.

aa. Die Südfassade von Bauteil D ist gegliedert in einen der Länge der Terrasse im 3. OG von 7,65 m entsprechend langen Wandteil (unten aaa.) und einem daran nach Westen anschließenden 4,85 m langen Wandteil, nämlich die Außenfassade des Treppenhauses (unten bbb.).

aaa. Je nachdem ob die Höhe des ersteren Wandteils mit der Oberkante der Terrasse (Brüstung) oder mit der Oberkante des Sonnenschutzes (Beschattungslamellen) zu bemessen ist (siehe zu diesen Alternativen oben c.) ergeben sich unterschiedliche Wandhöhen und damit unterschiedliche Abstandsflächentiefen vor diesem Wandteil. Im Abstandsflächenplan werden diese Tiefen jeweils korrekt dargestellt. In beiden Alternativen überschreitet die jeweilige Abstandsfläche allerdings die südliche Grenze des Vorhabengrundstücks. Die Abstandsflächen überschreiten auch noch die Mitte des sich unmittelbar südlich des Vorhabengrundstück anschließenden H …-Wegs, der auf voller Breite des Grundstücks FlNr.1430 Gem. … als öffentlicher Geh- und Radweg gewidmet ist (siehe dazu oben c.) und deshalb nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO einen Teil der Abstandsfläche bis zu seiner Mitte aufnehmen kann. Die Mitte dieser öffentlichen Verkehrsfläche ist im Abstandsflächenplan korrekt vermasst. Denn zu diesem Weg zählen nach dem aktuellen Wegebestandsverzeichnis vom 23. März 2018 (siehe Bl. 132 der Gerichtsakte) auch die beiden schmalen, vor den sog. N …-Grundstücken im Süden liegenden Grundstücksstreifen FlNr. 1411/5 und 1411/4 Gem. …, so dass sich im maßgeblichen Bereich eine Wegbreite von 16 m und damit eine mittige Breite von 8 m ergibt. Die die Mitte des Weges überschreitenden Abstandsflächen können ausweislich des Abstandsflächenplans auf der südlichen Hälfte des Wegs untergebracht werden. Diese südliche Hälfte steht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO abstandsflächenrechtlich allerdings den Eigentümern der sich hieran südlich anschließenden Grundstücke FlNr.1411/7 Gem. … (im Eigentum der Beklagten) und FlNr. 1411/3 Gem. … (im privaten Eigentum, eines der sog. N …-Häuser) zur Verfügung. Nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO darf die Beklagte als Bauherrin im Ergebnis aber auch diese südliche Hälfte des Weges zur Erstreckung der Abstandsfläche des Vorhabens in Anspruch nehmen. Nach dieser Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen ganz oder teilweise auf andere Grundstücke erstrecken, wenn rechtlich oder tatsächlich gesichert ist, dass sie nicht überbaut werden, oder wenn der Nachbar gegenüber der Bauaufsichtsbehörde schriftlich, aber nicht in elektronischer Form, zustimmt; die Zustimmung des Nachbarn gilt auch für und gegen seinen Rechtsnachfolger. Für die Erklärung der Zustimmung des Nachbarn hat das zuständige bayerische Staatsministerium mit Bekanntmachung vom 31. Oktober 2012 (AllMBl. S. 898) im Rahmen des Vollzugs der Bauvorlagenverordnung ein Formular zur Abstandsflächenübernahme verbindlich eingeführt. Die Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO ist auf den hier vorliegenden Fall der Erstreckung der Abstandsfläche auf die dem Nachbarn nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO abstandsflächenrechtlich zur Verfügung stehende Hälfte der öffentlichen Fläche entsprechend anwendbar. Das bedeutet, dass für die Inanspruchnahme der südlichen Weghälfte des H …-Wegs rechtlich oder tatsächlich gesichert sein muss, dass diese Weghälfte nicht von den Eigentümern der an dieser Hälfte anliegenden Grundstücke FlNr. 1411/7 und FlNr. 1411/3 Gem. … nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO in Anspruch genommen wird, oder dass eine entsprechende förmliche Zustimmung der Eigentümer hierzu vorliegt.

Die Beklagte als Eigentümerin des anliegenden Grundstücks FlNr. 1411/7 Gem. … hat eine solche förmliche Zustimmung gegenüber der Beklagten als Bauaufsichtsbehörde nicht erteilt. Die Beklagte als Bauherrin des Vorhabens kann sich aber darauf berufen, dass die Nichtinanspruchnahme der südlichen Weghälfte nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO durch die Beklagte als Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 1411/7 Gem. … rechtlich oder tatsächlich gesichert ist. Wie aus dem Schriftsatz der Beklagten vom 28. Juni 2017 zu entnehmen ist, sind die an die Wohnbebauung (sog. N …-Häuser) nach Osten hin anschließenden Flächen, auch die Fläche des Grundstücks FlNr. 1411/7 Gem. …, im rechtsverbindlichen Bebauungsplan Nr. 95 „H …-Weg/ …“ der Beklagten als öffentliche Grünfläche festgesetzt, woran sich auch durch die seit dem Jahr 2014 rechtsverbindliche 2. Teiländerung des Bebauungsplans nichts geändert hat. Außerdem ist die Nutzung dieser Grünfläche durch die Allgemeinheit mit der „Satzung über die Benutzung des Erholungsgebietes …park Nord und …park Süd“ vom 20. Juni 2011 geregelt. Aus der Satzung geht hervor, dass sich auch das Grundstück FlNr. 1411/7 Gem. … im Erholungsgebiet befindet. Damit ist im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO hinreichend rechtlich oder tatsächlich gesichert, dass auf dem Grundstück FlNr. 1411/7 Gem. … keine baulichen Maßnahmen stattfinden, derentwegen abstandsflächenrechtlich die südliche Weghälfte des H …-Wegs nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO in Anspruch genommen werden würde; die Wertung des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO, dass auf öffentlichen Verkehrs-, Grün- und Wasserflächen regelmäßig keine oberirdischen baulichen Anlagen errichtet werden (siehe hierzu Dirnberger, Das Abstandsflächenrecht in Bayern, 3. Aufl. 2015, Rn. 83) gilt auch insoweit.

Die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO sind auch im Hinblick auf das weitere an der zweiten Weghälfte anliegende Grundstück FlNr. 1411/3 Gem. … erfüllt. Die privaten Eigentümer dieses Grundstücks haben eine Grunddienstbarkeit nach § 1018 BGB, sog. Abstandsflächendienstbarkeiten, vom 19. August 2015, mit dem 1. Nachtrag vom 4. November 2016 und dem 2. Nachtrag vom 15. Januar 2018, zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des Vorhabengrundstücks sowie eine inhaltsgleich beschränkte persönliche Dienstbarkeit nach § 1090 BGB gegenüber der Beklagten als zuständiger Bauaufsichtsbehörde bestellt. Ob eine dingliche Sicherung der Abstandsflächenübernahme durch eine Dienstbarkeit notwendig ist (a.A. Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, 131. EL Oktober 2018, Art. 6 Rn. 130 ff.), kann dahinstehen. Die Bestellung von Abstandsflächendienstbarkeiten mit dem Inhalt, dass die übernommenen Abstandsflächen nicht überbaut werden dürfen, stellt jedenfalls eine rechtliche Sicherung im Sinne des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO dar. Das gilt auch für den hier vorliegenden Fall der analogen Anwendung des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO im Hinblick auf die Nichtinanspruchnahme der dem Nachbarn abstandsflächenrechtlich zur Verfügung stehenden Möglichkeit nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO. Die Dienstbarkeiten wurden wirksam notariell durch die Beklagte und die verfügungsberechtigten Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1422/3 im für die Abstandsflächenübernahme erforderlichen und zeichnerisch hinreichend bestimmten Umfang bestellt und in das Grundbuch eingetragen. Gründe für die Unwirksamkeit der Bestellung der Dienstbarkeiten sind nicht ersichtlich. Damit hat es für die Sicherungsfunktion nach Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO sein Bewenden. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt es für die Wirksamkeit der Dienstbarkeitsbestellung und damit für die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO nicht darauf an, ob auf dem dienstbarkeitsbelasteten Grundstück dem Inhalt der Dienstbarkeit entsprechende tatsächliche bauliche Verhältnisse herrschen oder nicht. Die bauordnungsrechtlichen Regelungen, nach denen sich die Abstandsflächen nicht überdecken dürfen, sind weder gesetzliche Verbote im Sinn des § 134 BGB, noch ist - allein schon wegen der in besonderen Fällen möglichen Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften - von einer unmöglichen Leistung im Sinne eines dauernden rechtlichen Hindernisses auszugehen (BayVGH, B.v. 20.12.2004 - 14 CS 04.2229 - juris Rn. 13). Im Hinblick hierauf kommt es auf die umfangreich aufgeworfenen Fragen und Darlegungen zur tatsächlichen abstandsflächenrechtlichen Situation auf dem Nachbargrundstück FlNr. 1411/3 Gem. … nicht an.

bbb. Vor der Außenwand des Treppenhauses an der Südseite von Bauteil D wird die der Höhe der Wand von 15,25 m entsprechende erforderliche Abstandsflächentiefe im Abstandsflächenplan korrekt wiedergegeben. Auch hier muss zur Einhaltung dieser Abstandsfläche gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayBO der öffentliche H …-Weg über dessen Mitte hinaus in Anspruch genommen werden. Auch insoweit liegt bei dem - hier allein betroffenen - an der südlichen Weghälfte anliegenden Nachbargrundstück FlNr. 1411/3 Gem. … die bereits oben unter aaa. erwähnte wirksame Abstandsflächendienstbarkeit vor und sind die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO erfüllt.

bb. Die einheitliche Südfassade des Bestandsbauteils C ist abstandsflächenrechtlich in einen Wandteil mit einer Länge von 12,67 m und einen westlich daran anschließenden Wandteil von 40 cm Länge aufgeteilt. Die der Wandhöhe von 14,92 m entsprechende Abstandsflächentiefe von 1 H wird nach dem genehmigten Abstandsflächenplan vor dem langen Wandteil eingehalten. Auch hier muss der öffentliche H …-Weg nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayBO über dessen Mitte hinaus in Anspruch genommen werden, was durch die oben in 1. d. aaa. und bbb. erwähnte Abstandsflächendienstbarkeit der Eigentümer des Nachbargrundstücks FlNr. 1411/3 Gem. … ermöglicht wird. Bezüglich des zweiten Wandteils von 40 cm Länge wird in zulässigerweise ein zweites Mal das 16-m-Privileg des Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO in Anspruch genommen (die erste Inanspruchnahme des 16-m-Privilegs erfolgte vor der Nordfassade von Bauteil D, siehe oben 1. a.). Insoweit wird im Abstandsflächenplan korrekt die Abstandsflächentiefe von 0,5 H, d.h. von 7,46 m, nachgewiesen. Die zweite Inanspruchnahme des 16-m-Privilegs ist notwendig, weil sich ansonsten eine - minimale - Überschneidung mit den Abstandsflächen vor dem Gebäude auf dem Nachbargrundstück FlNr. 1411/3 Gem. … (N …-Grundstück) ergeben würde, die auch durch die Abstandsflächendienstbarkeit in ihrer letzten Fassung vom 15. Januar 2018 nicht gedeckt ist.

cc. Das eben Gesagte gilt auch für den unmittelbar anschließenden, 2,65 m langen östlichen Teil der Südfassade von Bauteil B. Auch hier wird das 16-m-Privileg des Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO in Anspruch genommen, weil es insoweit keine Abstandsflächendienstbarkeit der Eigentümer von FlNr. 1411/3 Gem. … gibt. Die hiernach nötige Abstandsfläche von 0,5 H - bei einer Wandhöhe von 15,16 m also 7,58 m - ist nach dem Abstandsflächenplan eingehalten. Die Inanspruchnahme des 16-m-Privilegs vor der Südfassade von Bauteil B auf einer Länge von 2,65 m erfolgt im unmittelbaren bündigen Anschluss an die Inanspruchnahme des Privilegs vor dem 40 cm langen westlichen Teil der Südfassade von Bauteil C. Hieraus ergibt sich eine zulässige zweite Inanspruchnahme des 16-m-Privilegs auf einer Länge von insgesamt 3,05 m. Die Aufteilung der einheitlichen und ungegliederten Südfassade bestehend aus den Bauteilen D, C und B in Wandteile, die 1 H einhalten und solche, die das 16-m-Privileg in Anspruch nehmen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Bei Außenwänden, die aus horizontal versetzten Außenwandteilen bestehen, aber auch bei ungegliederten Außenwänden, die, wie hier, nicht parallel zur Grundstücksgrenze verlaufen, dürfen die Außenwandteile bei der Längenberechnung unberücksichtigt bleiben, die ihrerseits die volle Abstandsflächentiefe von 1 H einhalten (BayVGH GrS., B.v. 21.4.1986 - BayVBl. 1986, 397). Da Art. 6 Abs. 5 und 6 BayBO auf der Grundlage der Bezugsgröße H, die nach Absatz 4 ermittelt wird, die Tiefe der Abstandsfläche bestimmen, sind Außenwandteile auch bei der Ermittlung der Tiefe der Abstandsfläche einer gesonderten Betrachtung zu unterwerfen (Dhom/Franz/Rauscher in Simon /Busse, Bayerische Bauordnung, 131. EL Oktober 2018, Art. 6 Rn. 350).

Bezüglich des 37,64 m langen westlichen Wandteils des Bestandsbauteils B wird laut Abstandsflächenplan die Abstandsflächentiefe von 1 H, also von 15,16 m, eingehalten. Im ersten, 7,66 m langen Teilstück dieses Wandteils muss der öffentliche H …-Weg wiederum nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BayBO über die Mitte hinaus in Anspruch genommen werden, was durch die in 1. d. aa. aaa. und bbb. erwähnte Abstandsflächendienstbarkeit der Eigentümer des Nachbargrundstücks FlNr. 1411/3 Gem. … ermöglicht wird. Im sich anschließenden zweiten Teilstück kommt es nach dem Abstandsflächenplan am westlichen Ende der Südfassade des Bestandsbauteils B zu einer Erstreckung der Abstandfläche auf das Grundstück FlNr. 456 Gem. … (…-Gymnasium). Die Erstreckung ist gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 3 Alt. 3 BayBO zulässig, da die Beklagte als Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 456 Gem. … am 27. Oktober 2016 eine formgültige und wirksame Zustimmung zu einer entsprechenden Abstandsflächenübernahme gegenüber der Beklagten als Bauaufsichtsbehörde erklärt hat. Wie bei den Abstandsflächendienstbarkeiten kommt es für die Wirksamkeit der Zustimmungserklärung nicht darauf an, ob auf dem übernehmenden Grundstück dem Verpflichtungsinhalt der Übernahme entsprechende tatsächliche bauliche Verhältnisse herrschen. Die Einwände der Klägerin, die Abstandsflächen vor dem südlichen Trakt des …-Gymnasiums überdeckten sich in unzulässiger Weise mit den übernommenen Abstandsflächen, sind für die Wirksamkeit der Zustimmungserklärung also unerheblich. Im Übrigen treffen die Einwände nicht zu, wie die Beklagte zu Recht ausführt und worauf das Gericht verweist (siehe Stellungnahme der Beklagten vom 28.3.2017).

e. An der Westseite des Vorhabengrundstücks zur Grenze zum westlich anschließenden Grundstück FlNr. 456 Gem. … (…-Gymnasium) veranlasst das Vorhaben keine abstandsflächenrechtliche Betrachtung.

Die Westseite des Realschulkomplexes besteht aus den westlichen Außenfassaden der Bestandsbauteile A und B. Insoweit wird durch die Errichtung des streitigen Vorhabens keine baulich-konstruktive Änderung vorgenommen. Wird durch einen Anbau eine neue, einheitliche Außenwand hergestellt, so ist grundsätzlich eine abstandsflächenrechtliche Betrachtung der gesamten Außenwand erforderlich, d.h. der Altbestand muss wie der neu hinzugekommene Bauteil die Anforderungen von Art. 6 BayBO erfüllen. Ist eine Verschlechterung der abstandsflächenrechtlichen Situation jedoch nicht erkennbar, bedarf die Änderung keiner abstandsflächenrechtlichen Gesamtbetrachtung (vgl. Dhom/Franz/ Rauscher in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 131. EL Oktober 2018, Art. 6 Rn. 14 ff.; BayVGH B.v. 9.10.2003 - 25 CS 03.897 - juris Rn. 22). So liegt es hier bezogen auf den vom streitigen Vorhaben gänzlich unberührten Westtrakt der Realschule. Die durch das Erweiterungsvorhaben im Innern des westlichen Baubestands vorgenommenen Änderungen berühren die bisherige Schulnutzung nicht und sind abstandsflächenrechtlich unerheblich.

2. Das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot wird durch das Vorhaben nicht verletzt.

Das von der Rechtsprechung entwickelte bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot (BVerwG, U.v. 12.12.1975 - IV C 71.73 - juris) ist im hier vorliegenden Innenbereich im Merkmal des Einfügens nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB normativ verankert. Es ist nachbarschützend und soll angesichts der gegenseitigen Verflechtung der baulichen Situation benachbarter Grundstücke einen angemessenen planungsrechtlichen Ausgleich zwischen dem Interesse des Bauherren und der Nachbarschaft schaffen. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt im Wesentlichen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Das Rücksichtnahmegebot ist nur dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit der Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (BVerwG, U.v. 18.11.2004 - 4 C 1.04 - juris; BayVGH, B.v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4).

a. Hinsichtlich des von der Klägerin gerügten Maßes der baulichen Nutzung, also insbesondere der Grundfläche und Höhe des Vorhabens, wird das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt.

Die Vorschriften über das Maß der baulichen Nutzung nach § 16 bis § 21a BauNVO als solche sind nur in besonderen, hier nicht gegebenen Fällen nachbarschützend. Das Maß der baulichen Nutzung kann aber im Rahmen des Gebots der Rücksichtnahme Nachbarschutz entfalten, wenn das Vorhaben eine „erdrückende“ oder „abriegelnde“ Wirkung auf das Nachbargrundstück hat. Dabei gilt, dass die Einhaltung der Abstandsflächen, die neben einer ausreichenden Belichtung und Belüftung der Gebäude auch den sog. Wohnfrieden im Sinne eines gewissen Sozialabstandes gewährleisten soll (siehe hierzu BayVGH, U.v. 3.12.2014 - 1 B 14.819 - juris Rn. 17), regelmäßig eine solche Wirkung ausschließt (BVerwG, B.v. 11.1.1999 - 4 B 128.98 - juris Rn. 3). Wie oben unter 1. ausgeführt, hält das Vorhaben alle abstandsrechtlichen Vorschriften ein. Irgendwelche Besonderheiten, die ein Abweichen von dem genannten Grundsatz rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Die strengen Kriterien der Rechtsprechung bei der Annahme einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung durch ein Vorhaben (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 - 4 C 1.78 - DVBl 1981, 928: zwölfgeschossiges Gebäude in einer Entfernung von 15 m zum Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 - 4 C 34.85 - DVBl 1986, 1271: drei 11,50 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem Wohnanwesen; BayVGH, B.v. 16.10.2012 - 15 ZB 11.1016 - juris Rn. 6; VGH BW, U.v. 2.6.2015 - 8 S 1914/14 juris Rn. 64) sind hier bei Weitem nicht erfüllt. Das Vorhaben weist auf seiner dem Grundstück der Klägerin zugewandten Nordseite eine Höhe von 15,45 m auf. Die Höhe des Anwesens der Klägerin beträgt 12,80 m (siehe hierzu Schriftsatz der Beklagten vom 28.6.2017). Damit ist das Vorhaben nicht erheblich höher als das Gebäude der Klägerin, was eine erdrückende Wirkung ebenfalls ausschließt (siehe hierzu BayVGH, U.v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 22). Das in unmittelbarer Nachbarschaft von Vorhabengrundstück und Grundstück der Klägerin befindliche Gymnasiumgebäude auf dem Grundstück FlNr. 456 Gem. … weist nach den eigenen Angaben des Bevollmächtigten der Klägerin in der Klagebegründung vom … Februar 2017 im Norden eine Höhe von 18,77 m, in der Mitte von 17,98 m und im Süden von 17,46 m auf. Es ist damit höher als die Realschule. Auch eine Beschränkung der Aussicht der Klägerin nach Süden durch das Vorhaben führt die Klage nicht zum Erfolg und ist hinzunehmen; ein Nachbar hat kein Recht auf Beibehaltung einer ungehinderten Aussicht (BVerwG, U.v. 28.10.1993 - 4 C 5.93 - BauR 1994, 354). Der ungeschmälerte Fortbestand eines Blicks „ins Grüne“ stellt nur eine Chance dar, die nicht dem Schutz durch das Rücksichtnahmegebot unterliegt (VG München, B.v. 18.8.2014 - M 8 SN 14.3226 - juris Rn. 66). Dieselben Grundsätze gelten auch für die vermehrte Einsichtsmöglichkeit infolge der Errichtung eines neuen Gebäudes (siehe hierzu BayVGH, U.v. 7.10.2010 - 2 B 09.328 - juris Rn. 30).

b. Hinsichtlich der von der Klägerin gerügten Stellplatzsituation wird das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt.

Die im Prüfprogramm des Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 60 BayBO gemäß Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO enthaltenen Vorschriften über die Herstellung einer erforderlichen Zahl von Stellplätzen nach Art. 47 BayBO sind nicht nachbarschützend, sondern dienen ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr (BayVGH, B.v. 25.8.2009 - 1 CS 09.287 - juris Rn. 39). Nachbarschutz wird nur nach den Maßstäben des planungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots gewährt. Eine Verletzung des Gebots kommt etwa dann in Betracht, wenn der durch das Fehlen erforderlicher Stellplätze verursachte Park- oder Parksuchverkehr zu unzumutbaren Beeinträchtigungen führt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks nicht mehr oder nur eingeschränkt möglich ist (BayVGH, B.v. 25.8.2009 - 1 CS 09.287 - juris Rn. 39; VG München U.v. 25.7.2017 - M 1 K 16.5925 - juris Rn. 42). Die durch die Nutzung erforderlicher Stellplätze verursachten Störungen sind regelmäßig hinzunehmen (BayVGH, B.v. 15.9.2008 - 1 CS 08.2123 - juris). Nach diesen Grundsätzen liegt hier eine Verletzung nachbarlicher Rechte der Klägerin nicht vor.

Nach Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBO ist, wenn die Zahl der notwendigen Stellplätze nach Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO durch eine örtliche Bauvorschrift oder eine städtebauliche Satzung festgelegt wird, diese Zahl maßgebend. Nach der Stellplatzsatzung der Beklagten vom 25. März 2010 (ABl. S. 48, zuletzt geändert durch Satzung vom 20.12.2013) sind bei Hauptschulen und sonstigen allgemeinbildenden Schulen 1,5 Stellplätze je Klasse als notwendige Stellplätze herzustellen, außerdem - über die nur für Kraftfahrzeuge geltende Verpflichtung nach Art. 47 BayBO hinausgehend - 6 Fahrradabstellplätze je Klasse (siehe Anlage 1 Nr. 8.2 der Stellplatzsatzung). Da durch den Neubau neun zusätzliche Klassen geschaffen werden, errechnet sich eine durch das Vorhaben bedingte notwendige Stellplatzzahl von 13,5, aufgerundet von 14, sowie eine Zahl von 54 Fahrradabstellplätzen. Entgegen der Auffassung der Klägerin können die notwendigen Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück selbst nachgewiesen werden (Art. 47 Abs. 3 Nr. 1 BayBO). Wie dem genehmigten Freiflächengestaltungsplan entnommen werden kann, werden 22 Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück nachgewiesen, nämlich vier Stellplätze (einschließlich eines behindertengerechten Stellplatzes) unmittelbar an der Einfahrt von der nördlichen Erschließungsstraße auf das Schulgelände und 18 Stellplätze (einschließlich eines behindertengerechten Stellplatzes) an der Westseite des Vorhabengrundstücks zum benachbarten Gymnasium hin. Von diesen 22 Stellplätzen sind sieben Stellplätze für die Erweiterung der Schule um den Bestandsbauteil C im Jahr 2006 reserviert; für die in den Jahren 1956 bis 1972 errichteten Bestandsbauteile A und B waren keine Stellplätze - und wie beim Bestandsbauteil C auch keine Fahrradabstellplätze - rechtlich vorgeschrieben. Bei den 18 an der Westseite des Vorhabengrundstücks gelegenen Stellplätzen handelt es sich auch nicht, wovon die Klägerin wohl irrtümlich ausgeht, um an das benachbarte Gymnasium gebundene Stellplätze. Schließlich greift auch der Einwand der Klägerin nicht, dass beim Neubauvorhaben auch die erforderliche Gesamtstellplatzzahl für Neubau und Bestand, den die Klägerin bei Annahme von 67 Klassen auf 101 Stellplätze veranschlagt, zu beachten sei. Bei Änderungen von baulichen Anlagen sind Stellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass die Stellplätze die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können, Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO. Der Mehrbedarf von Stellplätzen wird bei der Änderung von baulichen Anlagen also durch den Vergleich zwischen dem Stellplatzbedarf der geänderten Anlagen und dem Stellplatzbedarf des formell und/oder materiell legalen und legal genutzten Altbestandes ermittelt. Maßgeblich ist in diesen Fällen also nicht der absolute Bedarf, sondern nur der durch die Änderung ausgelöste Mehrbedarf mit der Folge, dass der bisherige Bedarf, ob erfüllt oder nicht, außer Betracht bleibt (VG München, U.v. 6.10.2015 - M 1 K 15.113 - juris Rn. 20 m.w.N.). Nach dem Freiflächenplan werden i.Ü. - über die Verpflichtung nach Art. 47 BayBO hinausgehend - Fahrradabstellplätz in ausreichender, sogar in höherer als nach der Satzung erforderlichen Anzahl, nämlich zusätzlich zu den bestehenden ca. 200 Abstellplätzen noch 77 neue auf dem Vorhabengrundstück nachgewiesen. Eine Rechtsverletzung der Klägerin durch die Stellplatzsituation scheidet schon daher aus. Ein extremer Ausnahmefall, in dem wegen der Besonderheiten des Einzelfalls die bestimmungsgemäße Nutzung des Grundstücks der Klägerin durch die auf dem Vorhabengrundstück nachgewiesenen 14 neuen Stellplätze unzumutbar beeinträchtigt würde oder sonstige unzumutbare Beeinträchtigungen der Klägerin im Sinne des Rücksichtnahmegebots vorlägen, ist weder dargetan noch ersichtlich.

c. Auch eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme wegen eines Verstoßes gegen die Schulbauverordnung scheidet aus.

Die Klägerin rügt, dass die Vorschriften der bayerischen Schulbauverordnung über die erforderliche Größe des Pausenhofs und der geschlossenen Pausenfläche von Schulen durch das Vorhaben nicht eingehalten seien. Es kann dahinstehen, ob dies zutrifft. Denn die Vorschriften der Schulbauverordnung sind schon nicht vom Prüfprogramm der Baugenehmigung nach Art. 60 BayBO umfasst. Davon abgesehen kann ein Nachbar aus den Bestimmungen der Schulbauverordnung von vornherein nichts für sich herleiten. Wie die Beklagte zu Recht ausführt, verfolgt die Schulbauverordnung keine städtebaulichen, geschweige denn städtebaulich-nachbarschützenden Ziele. Die Verordnung dient nach ihrem § 1 allein der Gewährleistung eines einwandfreien Schulbetriebs in Übereinstimmung mit den Zielen der staatlichen Schulorganisation. Der Nachbar kann Belastungen durch den durch ein Schulbauvorhaben hervorgerufenen Pausenbetrieb allein im Rahmen und nach den Maßstäben des Rücksichtnahmegebots rügen. Insoweit fehlt es, i.Ü. auch im Lichte von § 22 Abs. 1a BImSchG und unter dem Gesichtspunkt der Sozialadäquanz an ausreichenden Anhaltspunkten für eine unzumutbare Belastung der Klägerin.

3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Urteil, 25. Sept. 2018 - M 1 K 16.5596

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(1) Wird im Flächennutzungsplan das allgemeine Maß der baulichen Nutzung dargestellt, genügt die Angabe der Geschossflächenzahl, der Baumassenzahl oder der Höhe baulicher Anlagen. (2) Im Bebauungsplan kann das Maß der baulichen Nutzung bestimmt w

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(1) Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur. (2) Zulässig sind 1. Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,2. Einzelhandelsbetriebe, Sch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1090 Gesetzlicher Inhalt der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit


(1) Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Gru

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1018 Gesetzlicher Inhalt der Grunddienstbarkeit


Ein Grundstück kann zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werde

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 21a Stellplätze, Garagen und Gemeinschaftsanlagen


(1) Garagengeschosse oder ihre Baumasse sind in sonst anders genutzten Gebäuden auf die Zahl der zulässigen Vollgeschosse oder auf die zulässige Baumasse nicht anzurechnen, wenn der Bebauungsplan dies festsetzt oder als Ausnahme vorsieht. (2) Der

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Verwaltungsgericht München Urteil, 25. Sept. 2018 - M 1 K 16.5596 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht München Urteil, 25. Juli 2017 - M 1 K 16.5925

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Tenor I. Die Klagen werden abgewiesen. II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstrec

Verwaltungsgericht München Urteil, 06. Okt. 2015 - M 1 K 15.113

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 03. Dez. 2014 - 1 B 14.819

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 02. Juni 2015 - 8 S 1914/14

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Tenor Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beigeladene auf den Bauvorbescheid verzichtet und die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. März 2014 - 4 K 43

Referenzen

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bestimmt sich nach den Vorschriften dieses Gesetzes und, soweit dieses Gesetz keine besonderen Bestimmungen enthält, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Gemeinschaft. Die Wohnungseigentümer können von den Vorschriften dieses Gesetzes abweichende Vereinbarungen treffen, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist.

(2) Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint.

(3) Vereinbarungen, durch die die Wohnungseigentümer ihr Verhältnis untereinander in Ergänzung oder Abweichung von Vorschriften dieses Gesetzes regeln, die Abänderung oder Aufhebung solcher Vereinbarungen sowie Beschlüsse, die aufgrund einer Vereinbarung gefasst werden, wirken gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nur, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind. Im Übrigen bedürfen Beschlüsse zu ihrer Wirksamkeit gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nicht der Eintragung in das Grundbuch.

(1) Die Anfechtungsklage muß innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids erhoben werden. Ist nach § 68 ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich, so muß die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden.

(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich als Nachbarn gegen eine der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Teilbereichs des Gebäudes sowie zur Errichtung von Werbeanlagen auf der FlNr. 3773 Gemarkung … (im Folgenden: Baugrundstück).

Der Kläger zu 1) ist Eigentümer des dem streitgegenständlichen Anwesen gegenüberliegenden Grundstücks FlNr. 3774/3, der Kläger zu 2) ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 3792/133, das über einen schmalen Grundstücksstreifen entlang des Grundstücks des Klägers zu 1) erschlossen ist.

Der Bebauungsplan „An der S… Straße“, in dessen Umgriff das Baugrundstück lag und der ein allgemeines Wohngebiet i.S.v. § 4 BauNVO festsetzte, wurde mit Beschluss des Marktgemeinderates … vom 19. März 2013 aufgehoben. Das Baugrundstück befindet sich nunmehr im unbeplanten Innenbereich.

Ursprünglich wurde auf dem Baugrundstück seit den 1960er Jahren ein …betrieb geführt, dessen Nutzung aufgrund Konkurses im Jahr 1990 aufgegeben wurde. Hinsichtlich eines – hier nicht streitgegenständlichen – Teils des Gebäudes wurde mit Baugenehmigung vom 20. November 2001 eine Nutzungsänderung in „Räume für Vereinszwecke“ bestandskräftig genehmigt. Dieser Teil des Gebäudes (sog. „MuTaBi“) wird seitdem durch die Volkshochschule … und verschiedene Vereine wie z.B. eine Blaskapelle und die Tanzsportabteilung eines Sportvereins als Probenräume genutzt.

Im restlichen Teil des streitgegenständlichen Anwesens wurden im Laufe der Zeit weitere neue Nutzungen zunächst ohne eine entsprechende Baugenehmigung aufgenommen, nämlich der Betrieb einer …schule, eines Sozialkaufhauses der Diakonie, einer Lebensmittelausgabe der … Tafel, ein technisches Büro einer Sondermaschinenbaufirma sowie ein Kunsthandwerksbetrieb für … An das Gebäude wurden drei Werbetafeln von je 1,76 qm Fläche angebracht, welche die im Gebäude ausgeübten Nutzungen der …schule, des Sozialkaufhauses und der Tafel bewerben.

Nachdem der durch die Gesamtnutzung des Anwesens auf der FlNr. 3773 hervorgerufene Lärm und Verkehr von den Klägern als nicht mehr zumutbar angesehen wurde, stellte der Kläger zu 1) am … März 2014 beim Landratsamt R. (im Folgenden: Landratsamt) einen Antrag auf Baukontrolle bzw. Nutzungsuntersagung.

Auf eine entsprechende Aufforderung durch das Landratsamt vom 20. Mai 2015 hin stellte die Beigeladene am … Juli 2015 – eingegangen beim Markt … am 15. Juli 2015 – einen Bauantrag hinsichtlich der faktisch bereits ausgeübten, jedoch noch nicht genehmigten Nutzungsänderungen sowie der Errichtung der Werbeanlagen. Als Betriebszeiten wurden durch die Beigeladene zuletzt für das …studio Montag bis Freitag von maximal 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr (ausgenommen Schulferien), für das Sozialkaufhaus Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9.00 Uhr bis 17.30 Uhr und Mittwoch von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr und für die Tafel dienstags bzw. mittwochs ab 17.30 Uhr (kurzzeitige Anlieferung der Lebensmittel) und donnerstags 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr (Lebensmittelausgabe) angegeben (Bl. 37 der Behördenakte).

Am 30. Juli 2015 erteilte die Gemeinde hierzu ihr Einvernehmen und stimmte einer Abweichung von der Stellplatzsatzung zu.

Mit Bescheid des Landratsamts vom 28. November 2016 – den Klägern jeweils am 30. November 2016 zugestellt – wurde der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren gem. Art. 59 BayBO erteilt.

Die Kläger haben hiergegen mit Schriftsatz vom … Dezember 2017 – eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 27. Dezember 2017 – Klage erhoben und beantragen,

den Bescheid vom 28.11.2016 (Az. BG- … / …) aufzuheben.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass hinsichtlich aller Nutzungen des streitgegenständlichen Anwesens eine gesamtheitliche Betrachtung erforderlich sei. Die aktuelle massive und konzentrierte Nutzung stelle einen Fremdkörper in dem faktischen Wohngebiet dar und führe zu einem massiven Verkehrsaufkommen, so dass der Verkehr streckenweise zusammenbreche, ein Durchkommen von Rettungsfahrzeugen nicht mehr gewährleistet sei und Ein- und Ausfahrten von Anwohnern teilweise zugeparkt würden. Es seien nicht genügend Stellplätze für die ausgeübten Nutzungen vorhanden. Die streitgegenständlichen Nutzungen würden gegen den „Gebietsprägungsanspruch“, hilfsweise gegen den „Anspruch auf Erhaltung des prägenden Gebietscharakters“ im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO verstoßn. Ferner sei das Rücksichtnahmegebot verletzt, da sich die streitgegenständliche Nutzung nicht in die nähere Umgebung einfüge im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB. Das Vorhaben habe eine „erdrückende“ oder „abriegelnde“ Wirkung aufgrund des Ziel- und Quellverkehrs. Die Umgebung würde durch die geöffneten Fenster der …schule beschallt. Die bis 23.00 Uhr mit Flutlicht beleuchteten Reklametafeln für das Sozialkaufhaus, die … Tafel und die …schule würden sich nicht in die nähere Umgebung einfügen; die Abstrahlung der Beleuchtung sei störend.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Verletzung drittschützender Rechtspositionen der Kläger durch die erteilte Baugenehmigung nicht ersichtlich sei. Bei der näheren Umgebung handele es sich um ein Mischgebiet mit Wohnschwerpunkt. Das streitgegenständliche gewerbliche Anwesen bestehe schon seit mehreren Jahrzehnten und könne nicht außer Acht gelassen werden. Im Übrigen seien die gewerblichen Nutzungen auch als nicht störende Gewerbebetriebe in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt. Die Stellplatzsituation sei nicht drittschützend. Die Werbetafeln würden angebotene Leistungen des streitgegenständlichen Anwesens bewerben. Von einer Beleuchtung sei dem Landratsamt nichts bekannt, diese sei nicht von der Baugenehmigung umfasst. Die Beigeladene sei angeschrieben und aufgefordert worden, die Beleuchtung auszuschalten.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat am 25. Juli 2017 durch Einnahme eines Augenscheins über die baulichen und örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück der Kläger und der Beigeladenen sowie in deren Umgebung Beweis erhoben und am selben Tag auch in der Sache mündlich verhandelt.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, insbesondere die Niederschrift über den Augenscheinstermin und die mündliche Verhandlung, Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Bescheid vom 28. November 2016 verletzt die Kläger nicht in drittschützenden Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Ein Nachbar kann sich als Dritter gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20; B.v. 2.9.2013 – 14 ZB 13.1193 – juris Rn. 11). Eine Verletzung drittschützender Normen durch eine Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde kommt dabei nur insoweit in Betracht, als die Feststellungswirkung dieser Entscheidung reicht (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2009 – 14 ZB 09.1244 – juris Rn. 6; VG München, U.v. 20.6.2016 – M 8 K 15.2869 – juris Rn. 34).

Der streitbefangene Bescheid erging im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO, da es sich bei dem Vorhaben nicht um einen Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt. Auf der Grundlage des hier somit relevanten Prüfungsmaßstabes käme die Annahme einer Nachbarrechtsverletzung nur dann in Betracht, wenn zulasten der Kläger gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO drittschützende Rechtspositionen des Bauplanungsrechts, d.h. der bauplanungsrechtliche Gebietsbewahrungs- und Gebietsprägungsanspruch oder das Recht auf Beachtung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots, verletzt wären (1.) oder gegen drittschützende Rechtspositionen im Hinblick auf die beantragte Abweichung von der Stellplatzsatzung nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO verstoßen würde (2.), doch sind keine dieser Rechtspositionen verletzt.

1. Ein Verstoß gegen drittschützende Rechtspositionen des Bauplanungsrechts ist nicht gegeben.

a) Der Gebietsbewahrungsanspruch der Kläger ist durch Zulassung der streitgegenständlichen Nutzungsänderung und der Werbeanlagen nicht verletzt. Dieser Anspruch schützt einen Nachbarn in einem durch Bebauungsplan festgesetzten oder in einem faktischen Baugebiet unabhängig von tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigungen gegen eine von der jeweils zulässigen Nutzungsart abweichende gebietswidrige Nutzung (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 26.10.2009 – 9 CS 09.2104 – juris Rn. 4; B.v. 10.08.2016 – 9 ZB 16.944 – juris Rn. 11). Der Abwehranspruch gegen die Zulassung „gebietsfremder“ Vorhaben wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – juris Rn. 4).

Aufgrund der im Rahmen des Augenscheins getroffenen Feststellungen zu den einzelnen Nutzungen in der näheren Umgebung ist jedenfalls nicht von einem faktischen reinen Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO auszugehen. Denn neben weit überwiegender Wohnnutzung befinden sich in einzelnen Anwesen neben Wohnnutzung unter anderem auch eine Tierarztpraxis, eine Zahnarztpraxis, zwei Steuerberatungsbüros, ein kleineres Immobilienbüro, ein Büro einer ortsansässigen Malerfirma sowie eine Praxis für Allgemeinmedizin und Eventagenturen. Darüber hinaus gibt es einen Getränkemarkt sowie Lagerräume einer ortsansässigen Malerfirma.

Welcher exakte Umgriff hier als nähere Umgebung heranzuziehen ist und ob die nähere Umgebung als faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO – wozu das Gericht tendiert – oder als faktisches Mischgebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO zu qualifizieren ist, kann offen bleiben. Denn selbst zugunsten der Klagepartei unterstellt, dass ein faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO gegeben ist, ergibt sich kein Abwehranspruch der Kläger. Denn die genehmigten Nutzungsänderungen und Werbeanlagen wären auch in einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet zulässig.

Die Lebensmittelausgabe der … Tafel und das Sozialkaufhaus der Diakonie sind als Einrichtungen, die einem besonderen fürsorgerischen Angebot für Bedürftige dienen, als Anlagen für soziale Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO bzw. § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO allgemein zulässig (vgl. zum Begriff einer Anlage für soziale Zwecke z.B. BVerwG, B.v. 13.7.2009 – 4 B 44.09 – ZfBR 2009, 691; siehe auch Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 4 BauNVO Rn. 91 ff.).

Das technische Büro der Sondermaschinenbaufirma ist nach der maßgeblichen typisierenden Betrachtungsweise (vgl. hierzu z.B. BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 11 m.w.N.) als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise bzw. nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässig. Der Kunsthandwerksbetrieb für … stellt einen nicht störenden Handwerksbetrieb i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO dar und ist daher sowohl im allgemeinen Wohngebiet nach der genannten Vorschrift bzw. in einem Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässig.

Auch die Genehmigung der …schule führt zu keinem Abwehranspruch der Kläger. Insoweit kann offen bleiben, ob die für die …schule genutzten Räume nicht ohnehin einem freien Beruf im Sinne des § 13 BauNVO dienen und die genehmigte Nutzungsänderung daher bereits nach § 13 BauNVO zulässig ist oder die …schule jedenfalls als Anlage für sportliche Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO bzw. nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO allgemein zulässig ist (BayVGH, U.v. 20.2.1991 – 1 B 88.03146 – NVwZ-RR 1992, 60; s. auch VG Saarland, U.v. 29.7.2015 – 5 K 677/14 – juris Rn. 83). Unter Berücksichtigung des Bedeutungswandels der vergangenen Jahrzehnte ist der Sportanlagenbegriff weit auszulegen, so dass auch Anlagen und Einrichtungen hierunterfallen, die der Freizeitbetätigung und dem Fitnesstraining dienen. Im Hinblick auf die allein maßgebende städtebauliche Relevanz kann es, solange der Sportzweck erfüllt ist und nicht ein anderer Nutzungszweck, wie Unterhaltung oder gesellige Betätigung, bestimmend ist, für die Qualifizierung als Anlage für sportliche Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO nicht darauf ankommen, ob eine Anlage für sportliche Zwecke gewerblich oder gemeinnützig betrieben wird (siehe Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 4 BauNVO Rn. 102 f.).

Die Werbetafeln von je 1,76 qm Fläche sind als Eigenwerbung untergeordnete Nebenanlagen des jeweiligen Betriebs und somit nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO zulässig, da sie dem Nutzungszweck der im Gebäude angebotenen Leistungen dienen und der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen.

b) Soweit die Kläger vortragen, die Zulassung der Nutzungsänderung belaste sie durch die massive und konzentrierte Nutzung des streitgegenständlichen Anwesens überproportional, berufen sie sich offenbar auf den sogenannten Gebietsprägungserhaltungsanspruch (vgl. hierzu VG München, U.v. 17.5.2016 – M 1 K 16.629 – juris Rn. 30). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Diese dem Nachbarschutz dienende Vorschrift findet als eine die §§ 2 bis 14 BauNVO ergänzende Regelung zur Art der baulichen Nutzung kraft Verweisung in § 34 Abs. 2 BauGB im unbeplanten Innenbereich Anwendung (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.1991 – 4 B 40.91 – NVwZ 1991, 1078 – juris Rn. 4; B.v. 16.12.2008 – 4 B 68.08 – ZfBR 2009, 376 – juris Rn. 4 m.w.N.) und vermittelt neben der Wahrung des Rücksichtnahmegebots auch einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2002 – 4 B 86.01 – NVwZ 2002, 1384 – juris Rn. 7 m.w.N.; BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 15 CS 15.1935 – ZfBR 2016, 169 – juris Rn. 20).

Es bestehen keine Anhaltspunkte für einen Widerspruch des Vorhabens zur Eigenart des (faktischen) allgemeinen Wohn- oder Mischgebiets. Zwar geht § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO davon aus, dass im Einzelfall Quantität in Qualität umschlagen kann, dass also die Größe einer baulichen Anlage oder der Umfang ihrer Nutzung die Art der baulichen Nutzung erfassen kann (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1995 – 4 C 3.94 – NVwZ 1995, 899 – juris Rn. 17). Das ist hier aber nach Auffassung der Kammer nicht der Fall. Der von der Beigeladenen im Bauantragsverfahren aufgeführte, durch den streitgegenständlichen Bescheid genehmigte Umfang der einzelnen Nutzungen (siehe insbesondere Bl. 37 der Behördenakte) führt auch unter Berücksichtigung der durch das „MuTaBi“ bestehenden Vorbelastung nicht dazu, dass der Nutzungsumfang des streitgegenständlichen Anwesens insgesamt im Verhältnis zur Größe des Ortsteils eine Veränderung des Gebietscharakters nach sich zieht. Das Vorhaben lässt im genehmigten Umfang keine gebietsunverträglichen Störungen erwarten. Auch die Anzahl der verschiedenen Nutzungen in dem Gebäude ist für sich keine geeignete Grundlage, um die bebauungsrechtliche Zulassungsfähigkeit des Vorhabens unter dem Aspekt des Gebietsprägungsanspruchs in Zweifel zu ziehen. Hinsichtlich der Gesamtbelastung der Kläger durch die Nutzungen im streitgegenständlichen Anwesen ist zu berücksichtigen, dass die verschiedenen Nutzungen zu unterschiedlichen Zeiten ausgeübt werden, sich nur teilweise überschneiden und die mit den einzelnen Nutzungen einhergehenden Auswirkungen unterschiedlich intensiv sind. Gemäß der Auflistung der Betriebszeiten durch die Beigeladene wird das …studio von Montag bis Freitag von maximal 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr genutzt, an Wochenenden und während der Schulferien ist es geschlossen. Das Sozialkaufhaus hat Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9.00 Uhr bis 17.30 Uhr und am Mittwoch von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet. Die Lebensmittelausgabe der Tafel erfolgt nur donnerstags von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr. Die Anlieferung der Lebensmittel erfolgt kurzzeitig dienstags bzw. mittwochs ab 17.30 Uhr. Daraus ergibt sich ein auch im allgemeinen Wohngebiet zulässiger Nutzungsumfang.

c) Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme wird durch die genehmigte Nutzungsänderung und die Zulassung der Werbeanlagen nicht zulasten der Kläger verletzt.

Das Rücksichtnahmegebot zielt darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Gegenläufige Nutzungsinteressen sollen in rücksichtsvoller Weise zugeordnet und unter Beachtung des jeweils widerstreitenden Interesses ausgeübt werden (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – BVerwGE 52, 122). Über die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit dem Gebot der Rücksichtnahme ist auf der Grundlage einer nachvollziehenden Abwägung der im konkreten Fall widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es also wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 – BauR 2000, 234 – juris Rn. 18 m.w.N.;, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – BVerwGE 52, 122). Vom Rücksichtnahmegebot sind nur solche Einwirkungen erfasst, die bei der bestimmungsgemäßen Nutzung einer baulichen Anlage typischerweise auftreten. Sie müssen bodenrechtlich relevant sein, um als städtebaulicher Gesichtspunkt bei der Prüfung des Nachbarschutzes nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO Beachtung zu finden. Störungen, die allein durch ein Fehlverhalten einzelner Bewohner bzw. Besucher in einem benachbarten Anwesen verursacht sind, können dagegen nur mit Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts beseitigt werden (BayVGH, U.v. 13.9.2012 – 2 B 12.109 – juris Rn. 40). Entsprechendes gilt für sonstige Belästigungen durch soziale Konflikte (SächsOVG, B.v. 19.7.2016 – 1 B 49/16 – juris Rn. 7).

Dies zugrundgelegt stellt sich das mit der Baugenehmigung vom 28. November 2016 zugelassen Vorhaben der Beigeladenen nicht als rücksichtlos dar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Auswirkungen der streitgegenständlichen Nutzungsänderung auf die Grundstücke der Kläger die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten und somit rücksichtlos sind. Aufgrund einer Gesamtwürdigung der Interessen der Kläger einerseits und der Interessen der Beigeladenen andererseits ist selbst bei Berücksichtigung der Vorbelastung durch das „MuTaBi“ nicht von einer unzumutbaren und damit rücksichtslosen Nutzung im genehmigten Umfang auszugehen.

Die Kläger können sich nicht auf eine „erdrückende“ oder „abriegelnde Wirkung“ aufgrund des Ziel- und Quellverkehrs berufen. Eine solche Wirkung kommt nach der Rechtsprechung bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – DVBl 1981, 928: zwölfgeschossiges Gebäude in Entfernung von 15 m zum Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – DVBl 1986, 1271: drei 11,50 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem Wohnanwesen; BayVGH, B.v. 16.10.2012 – 15 ZB 11.1016 – juris Rn. 6; VGH BW, U.v. 2.6.2015 – 8 S 1914/14 – juris Rn. 64). Hier wenden sich die Kläger jedoch nicht gegen baukörperbezogene Belastungen, sondern die mit der beantragten Nutzungsänderung einhergehende zusätzliche Verkehrsbelastung. Insoweit kann von einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung der beantragten Nutzungsänderung nicht gesprochen werden.

Aus den bereits unter 1.b) dargestellten Öffnungszeiten der einzelnen Nutzungen ergibt sich, dass der publikumsrelevante Verkehr dieser Nutzungen nur zur Tagzeit und nur von Montag bis Freitag erfolgt. Das technische Büro der Sondermaschinenbaufirma sowie der Kunsthandwerksbetrieb für … verursachen keinen nennenswerten Verkehr, beide Nutzungen werden durch einzelne Mitarbeiter ausgeübt. Darüber hinaus werden Kinder, die an den Kursen der …schule und des „MuTaBi“ teilnehmen, nach Auskunft der Beigeladenen meistens nur gebracht und wieder abgeholt, so dass nur kurz gehalten und nicht länger geparkt wird.

Eine unzumutbare Belästigung der Kläger durch Lärmimmissionen wurde von den Klägern nicht hinreichend dargelegt und ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Aufgrund der Entfernung der klägerischen Anwesen vom Baugrundstück, den Angaben der Beigeladenen zum Nutzungsumfang im Genehmigungsverfahren sowie dem Umstand, dass die Nutzungen nur zur Tagzeit ausgeübt werden, bestehen für das Gericht keine Anhaltspunkte, dass die zulässigen Lärmgrenzwerte überschritten werden. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die mit einer zulässigen Nutzung einhergehenden sozial adäquaten Lebensäußerungen grundsätzlich zumutbar und nicht rücksichtslos sind (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2016 – 15 ZB 14.891 – juris Rn. 15). Sollte jedoch im Einzelfall, z.B. beim Lüften der Räume der …schule, unzumutbarer Lärm hervorgerufen werden, kann diesem Umstand durch Auflagen im Rahmen eines bauaufsichtlichen Einschreitens Rechnung getragen werden und wird hierdurch nicht die Rechtmäßigkeit der Genehmigung per se in Frage gestellt.

Soweit die Kläger eine Rücksichtslosigkeit mit einer Nutzung des streitgegenständlichen Anwesens außerhalb der genehmigten Betriebszeiten begründen wollen, kann dies der streitgegenständlichen Klage auch nicht zum Erfolg verhelfen. Denn Gegenstand der Anfechtungsklage ist die Nutzungsänderung im genehmigten Umfang. Gegen darüber hinausgehende Nutzungen, müssen sich die Kläger gegebenenfalls im Wege eines Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten wenden. In Bezug auf Ruhestörungen und das Fehlverhalten einzelner Besucher des streitgegenständlichen Anwesens beispielweise durch kurzfristiges Zuparken sind die Kläger auf die Inanspruchnahme der Möglichkeiten des Rechts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verweisen.

2. Auch die von den Klägern gerügte Stellplatzproblematik verletzt sie nicht in drittschützenden Rechten.

a) Zwar ist die (bauordnungsrechtliche) Frage, ob die Anzahl der notwendigen Stellplätze nach Art. 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BayBO erfüllt ist, wegen der beantragten Abweichung von der gemeindlichen Stellplatzsatzung nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO vom vereinfachten Prüfprogramm erfasst. Doch können sich die Kläger mangels Drittschutzes auf einen etwaigen Verstoß hiergegen nicht mit Erfolg berufen. Denn die Anforderungen an die Anzahl der notwendigen Stellplätze dienen grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (vgl. z.B. OVG NRW, U.v. 10.7.1998 – 11 A 7238/95 – juris).

b) Ein Nachbar kann sich nur dann ausnahmsweise mit Erfolg auf eine unzureichende Stellplatzsituation berufen, wenn die Baugenehmigung ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind und damit ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme vorliegt. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der durch den Stellplatzmangel bewirkte Park- und Parksuchverkehr den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – BauR 2010, 120 – juris Rn. 39 m.w.N. zur Rechtsprechung). Diskutiert wird die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot für Einrichtungen wie Sportstadien, Hörsäle von Universitäten oder neue Abteilungen von Krankenhäusern. Diese Fallkonstellationen rufen jedoch allesamt einen erheblich größeren Stellplatzbedarf hervor als die streitgegenständliche Nutzungsänderungen der Beigeladenen (vgl. VG München, U.v. 1.12.2015 – M 1 K 15.4038 – juris Rn. 26). Die Situation im zu entscheidenden Fall ist mit den genannten Ausnahmefällen nicht vergleichbar und eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger nicht zu besorgen, zumal ihnen die Möglichkeiten des Rechts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu Gebote stehen, sollte tatsächlich die Nutzung ihrer Grundstücke durch parkende Fahrzeuge im Einzelfall vorübergehend eingeschränkt werden oder ein Durchkommen von Rettungsfahrzeugen nicht mehr gewährleistet sein (s.o.).

3. Soweit die Kläger geltend gemacht haben, dass die Beleuchtung der Werbetafeln störend sei, ist festzuhalten, dass die Beleuchtung unstreitig nicht vom Genehmigungsumfang und damit auch nicht vom Streitgegenstand der Klage umfasst ist. Darüber hinaus ist die Beleuchtung infolge einer Aufforderung der Beigeladenen durch das Landratsamt auch nicht mehr in Betrieb.

4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladene einen eigenen Sachantrag gestellt und sich daher einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass die Kläger ihre außergerichtlichen Kosten tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Kerngebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur.

(2) Zulässig sind

1.
Geschäfts- , Büro- und Verwaltungsgebäude,
2.
Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes und Vergnügungsstätten,
3.
sonstige nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe,
4.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke,
5.
Tankstellen im Zusammenhang mit Parkhäusern und Großgaragen,
6.
Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter,
7.
sonstige Wohnungen nach Maßgabe von Festsetzungen des Bebauungsplans.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Tankstellen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 5 fallen,
2.
Wohnungen, die nicht unter Absatz 2 Nummer 6 und 7 fallen.

(4) Für Teile eines Kerngebiets kann, wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen (§ 9 Absatz 3 des Baugesetzbuchs), festgesetzt werden, dass

1.
oberhalb eines im Bebauungsplan bestimmten Geschosses nur Wohnungen zulässig sind oder
2.
in Gebäuden ein im Bebauungsplan bestimmter Anteil der zulässigen Geschossfläche oder eine bestimmte Größe der Geschossfläche für Wohnungen zu verwenden ist.
Dies gilt auch, wenn durch solche Festsetzungen dieser Teil des Kerngebiets nicht vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient.

Ein Grundstück kann zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks in der Weise belastet werden, dass dieser das Grundstück in einzelnen Beziehungen benutzen darf oder dass auf dem Grundstück gewisse Handlungen nicht vorgenommen werden dürfen oder dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt (Grunddienstbarkeit).

(1) Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grunddienstbarkeit bilden kann (beschränkte persönliche Dienstbarkeit).

(2) Die Vorschriften der §§ 1020 bis 1024, 1026 bis 1029, 1061 finden entsprechende Anwendung.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Garagengeschosse oder ihre Baumasse sind in sonst anders genutzten Gebäuden auf die Zahl der zulässigen Vollgeschosse oder auf die zulässige Baumasse nicht anzurechnen, wenn der Bebauungsplan dies festsetzt oder als Ausnahme vorsieht.

(2) Der Grundstücksfläche im Sinne des § 19 Absatz 3 sind Flächenanteile an außerhalb des Baugrundstücks festgesetzten Gemeinschaftsanlagen im Sinne des § 9 Absatz 1 Nummer 22 des Baugesetzbuchs hinzuzurechnen, wenn der Bebauungsplan dies festsetzt oder als Ausnahme vorsieht.

(3) Soweit § 19 Absatz 4 nicht entgegensteht, ist eine Überschreitung der zulässigen Grundfläche durch überdachte Stellplätze und Garagen bis zu 0,1 der Fläche des Baugrundstücks zulässig; eine weitergehende Überschreitung kann ausnahmsweise zugelassen werden

1.
in Kerngebieten, Gewerbegebieten und Industriegebieten,
2.
in anderen Baugebieten, soweit solche Anlagen nach § 9 Absatz 1 Nummer 4 des Baugesetzbuchs im Bebauungsplan festgesetzt sind.

(4) Bei der Ermittlung der Geschossfläche oder der Baumasse bleiben unberücksichtigt die Flächen oder Baumassen von

1.
Garagengeschossen, die nach Absatz 1 nicht angerechnet werden,
2.
Stellplätzen und Garagen, deren Grundflächen die zulässige Grundfläche unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 überschreiten,
3.
Stellplätzen und Garagen in Vollgeschossen, wenn der Bebauungsplan dies festsetzt oder als Ausnahme vorsieht.

(5) Die zulässige Geschossfläche oder die zulässige Baumasse ist um die Flächen oder Baumassen notwendiger Garagen, die unter der Geländeoberfläche hergestellt werden, insoweit zu erhöhen, als der Bebauungsplan dies festsetzt oder als Ausnahme vorsieht.

Tenor

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 und der Bescheid des Landratsamts D. vom 22. November 2011 werden aufgehoben.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden‚ sofern nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreits ist die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Einbau einer Wohnung in ein Bestandsgebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen FlNr. .../...der Gemarkung G.

Das Landratsamt D.erteilte dem damaligen Eigentümer dieses Grundstücks nach vorhergehender Baueinstellung mit Bescheid vom 6. Dezember 1961 eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Nebengebäudes mit einer Gebäudelänge von ca. 33 m und einer Gebäudebreite von ca. 11 m. Im Erdgeschoss des Gebäudes umfasst sie ein Lager für Baugerüste und Baumaterial sowie für Garagen; eine gesonderte Festlegung zur Nutzung des Dachgeschosses ist den Plänen nicht zu entnehmen‚ allerdings sind die in der Eingabeplanung enthaltenen und tatsächlich auch eingebauten Dachfenster mit dem Vermerk „keine Dachfenster“ gestrichen. Der Abstand der westlichen Außenwand des Nebengebäudes zur Grenze des Grundstücks der Klägerin auf FlNr. .../... der Gemarkung G. beträgt ca. 0‚5 m. Bereits während der Bauarbeiten und vor Erteilung der Genehmigung war im nördlichen Teil auf einer Tiefe (von Norden her gemessen) von 8‚90 m eine Wohnung eingebaut worden. Ein hierfür eingereichter Bauantrag vom 27. Oktober 1964 wurde nicht verbeschieden; die Bauakte ist mit dem Vermerk „Ablehnung“ versehen.

Mit Bescheid vom 22. November 2011 genehmigte das Landratsamt D. unter Erteilung einer Abweichung für das Unterschreiten der Abstandsflächen um 2‚50 m zur Grundstückgrenze der Klägerin die Nutzungsänderung für den Einbau einer Wohnung im nördlichen Teil des Dachgeschosses.

Die hiergegen erhobene Klage‚ die u. a. auch auf die mit der Erteilung der Baugenehmigung erstmals geschaffenen Einblicksmöglichkeiten auf das Grundstück der Klägerin sowie Brandschutzaspekten begründet wurde‚ wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. September 2012 ab. Es liege ein atypischer Fall vor‚ da es sich bei dem Nebengebäude um ein bestandsgeschütztes Gebäude handle; der Einbau von Dachfenstern habe den Bestandsschutz nicht in Frage gestellt‚ da es sich dabei nicht um eine abweichende Bauausführung handle‚ welche die Identität des gesamten Gebäudes in Frage stelle. Brandschutzrechtliche Vorschriften seien im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen. Im Übrigen werde der Belang des Brandschutzes durch die Nutzungsänderung nicht weitergehend beeinträchtigt als durch die bestehende bestandsgeschützte Nutzung. Zu berücksichtigen sei weiterhin‚ dass das Dachgeschoss bereits seit Jahrzehnten faktisch zu Wohnzwecken genutzt werde. Die Einsichtsmöglichkeiten aus den drei Dachflächenfenstern seien gering und beträfen vorrangig die nördliche Grünfläche des Grundstücks der Klägerin‚ so dass jedenfalls keine unzumutbare Beeinträchtigung vorliege.

Mit der vom Senat wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassenen Berufung trägt die Klägerin u. a. vor:

Es liege bereits kein atypischer Fall vor‚ weil das Nebengebäude planabweichend errichtet sowie von Anfang an zu Wohnzwecken genutzt und damit nicht bestandsgeschützt sei. Es habe sich von Anfang an jedenfalls hinsichtlich seiner Nutzung als ein „aliud“ gegenüber der Baugenehmigung dargestellt. Bei der Nutzung des Dachgeschosses handle sich insgesamt um eine vollständig neue Nutzung‚ da mit der genannten Baugenehmigung nicht einmal eine Lagernutzung genehmigt sei. Brandschutzrechtliche Fragen seien vom Schutzzweck der Abstandsflächenvorschriften mit umfasst‚ so dass sie auch im vereinfachten Verfahren und damit im Rahmen der Abweichungsentscheidung zu den Abstandsflächenvorschriften zu prüfen seien. Nicht hinreichend berücksichtigt habe der Beklagte den von diesen Vorschriften intendierten ausreichenden Sozialabstand zum Grundstück der Klägerin und die damit verbundenen Einblickmöglichkeiten. Durch die Genehmigung der Wohnnutzung würden solche zwar nicht auf das Wohngebäude der Klägerin‚ jedoch auf den ebenfalls schutzbedürftigen‚ wohnakzessorischen Bereich im Garten geschaffen.

Die Klägerin beantragt‚

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. September 2012 und den Bescheid des Landratsamts D. vom 22. November 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Bei dem vorhandenen Bestandsgebäude handle es sich entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung nicht um ein „Nebengebäude“‚ sondern um das Betriebsgebäude einer Baufirma. Der Nachbarschutz des Abstandsflächenrechts sei bei bestehenden Gebäuden‚ die die Abstandsflächen nicht einhielten‚ eingeschränkt. Von der beabsichtigten Wohnnutzung sei lediglich der rückwärtige‚ im Norden gelegene Gartenbereich des Grundstücks der Klägerin betroffen‚ der bereits dem Außenbereich angehören dürfte. Hinzu komme‚ dass die streitgegenständliche Wohnnutzung im Dachgeschoss seit Jahrzehnten ausgeübt werde. Ihre Legalisierung lasse keine nachhaltigen Auswirkungen auf das Grundstück der Klägerin erwarten.

Der Senat hat eine Ortsbesichtigung durchgeführt‚ auf deren Feststellungen Bezug genommen wird. Im Übrigen wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet‚ da das Verwaltungsgericht die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Aus diesem Grund sind das Urteil des Verwaltungsgerichts und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften (Art. 6 BayBO) im Hinblick auf die nach Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO nicht genehmigungsfreie und damit nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungsbedürftige Nutzungsänderung des Nebengebäudes zu Wohnzwecken liegen nicht vor. Nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Abweichungen von bauaufsichtlichen Anforderungen zulassen‚ wenn sie unter Berücksichtigung des Zwecks der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen‚ insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO‚ vereinbar sind. Die erteilte Abweichung ist mit dem Normzweck des Abstandsflächenrechts, das auch den sog. Wohnfrieden schützt, nicht vereinbar. Sie ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Während bei bautechnischen Anforderungen der Zweck der Vorschriften vielfach auch durch eine andere als die gesetzlich vorgesehene Bauausführung gewahrt wird‚ die dann im Wege der Abweichung zugelassen werden kann‚ haben Abweichungen von den Regeln des Abstandsflächenrechts zur Folge‚ dass dessen Ziele oft nur unvollkommen verwirklicht werden. Es müssen also Gründe vorliegen‚ durch die sich das Vorhaben vom Regelfall unterscheidet und die die Einbuße an den Schutzgütern des Abstandsflächenrechts im konkreten Fall als vertretbar erscheinen lassen. Es muss sich um eine atypische‚ von der gesetzlichen Regel nicht zureichend erfasste oder bedachte Fallgestaltung handeln (z. B. BayVGH‚ B.v. 29.11.2006 - 1 CS 06.2717 - juris; U.v. 11.1.2007 - 14 B 03.572 - juris; B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858; OVG Berlin-Brandenburg‚ B.v. 19.12.2012 - OVG 2 S 44.12 - NVwZ-RR 2013‚ 400; OVG Bremen‚ B.v. 8.4.2013 - 1 B 303/12 - NVwZ 2013‚ 1027; kritisch zur Atypik neuerdings Happ‚ BayVBl 2014‚ 65). Diese kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt‚ einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder dem Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation ergeben (zusammenfassend z. B. BayVGH‚ B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858 m. w. N.). In solchen Lagen kann auch das Interesse des Grundstückseigentümers‚ vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren‚ eine Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung rechtfertigen (zusammenfassend BayVGH a. a. O.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann im vorliegenden Fall eine atypische Grundstückssituation bereits deshalb bejaht werden‚ da ein zu einer Nebennutzung genehmigtes Gebäude mit noch nutzbarer‚ einen wirtschaftlichen Wert darstellender Bausubstanz vorhanden und in dieser Nutzung bestandsgeschützt ist‚ da es zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung am 6. Dezember 1961 nach der damals geltenden Bayerischen Bauordnung 1901 eine Abstandsfläche nicht einhalten musste und eine Abweichung deshalb nicht erforderlich war. Dabei ist nicht entscheidungserheblich‚ ob es sich bei dem vorhandenen Bestandsgebäude entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung nicht um ein „Nebengebäude“‚ sondern - wie der Beklagte meint - um das Betriebsgebäude einer Baufirma handelte. Gleiches gilt für die Tatsache‚ dass der frühere Bauherr im Widerspruch zu den Festsetzungen der Baugenehmigung in das Gebäude Dachfenster eingebaut hat.

2. Eine atypische Fallgestaltung ist zwar eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften. Gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO ist der Zweck der jeweiligen Anforderung‚ in diesem Fall des Abstandsflächenrechts‚ zu berücksichtigen. Insofern entspricht es gesicherter Auffassung‚ dass der Zweck des Abstandsflächenrechts darin besteht‚ eine ausreichende Belichtung und Belüftung der Gebäude zu gewährleisten und die für notwendige Nebenanlagen erforderlichen Freiflächen zu sichern (z. B. BayVGH‚ U.v. 14.10.1985 - 14 B 85 A.1224 - BayVBl 1986‚ 143; U.v. 14.12.1994 - 26 B 93.4017 - VGHE n. F. 48‚ 24). Dies kann bereits unmittelbar den gesetzlichen Vorschriften des Art. 6 Abs. 5 Satz 3 Halbs. 2‚ Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO entnommen werden. Der Senat ist allerdings der Auffassung‚ dass darüber hinaus auch der sog. Wohnfrieden (Sozialabstand) als Zweck des Abstandsflächenrechts anzuerkennen ist. Hierzu gehört der Schutz der Privatsphäre vor unerwünschten Einblickmöglichkeiten und vor dem unerwünschten Mithören sozialer Lebensäußerungen in der Nachbarschaft. Zwar besteht nach herrschender Meinung Einigkeit‚ dass -ungeachtet eines Verstoßes gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelfall - der Wohnfrieden insbesondere bei Einblickmöglichkeiten in Nachbargrundstücke planungsrechtlich grundsätzlich nicht geschützt ist (BVerwG‚ B.v. 24.4.1989 - 4 B 72.89 - NVwZ 1989‚ 1060; BayVGH‚ B.v. 25.1.2013 - 15 ZB 13.68 - juris); denn das bauplanungsrechtliche Gebot des Einfügens bezieht sich nur auf die in § 34 Abs. 1 BauGB genannten städtebaulichen Merkmale der Nutzungsart‚ des Nutzungsmaßes‚ der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche. Die Möglichkeit der Einsichtnahme ist - als nicht städtebaulich relevant - davon nicht angesprochen (BVerwG a. a. O.). Demgegenüber sollen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften auch dem Interesse dienen‚ unmittelbare Einblicke zu begrenzen (vgl. BayVGH‚ B.v. 20.7.2010 - 15 CS 10.1151 - juris Rn. 19; U.v. 8.5.2008 - 14 B 06.2813 - juris; eindeutig ablehnend wohl nur VGH BW‚ B.v. 18.3.2014 - 8 S 2628/13 - NVwZ-RR 2014‚ 545‚ allerdings zur Rechtslage in Baden-Württemberg). Diesem Ergebnis steht nicht entgegen‚ dass die amtliche Begründung zur Novellierung der Bayerischen Bauordnung im Jahr 1997 (s. LT-Drs. 13/7008 S. 29 f.) als Regelungszweck noch ein „Mindestmaß an Belichtung‚ Belüftung‚ Besonnung und Sozialabstand“ genannt hatte‚ während dieser Begriff in der amtlichen Begründung zur BayBO-Novelle im Jahr 2007 (s. LT-Drs. 15/7161 S. 43, 73) nicht mehr ausdrücklich enthalten ist. Daraus lässt sich nicht zwingend herleiten‚ dass der Wohnfrieden nun nicht mehr gesetzlich geschützt werden soll. Eher in das Gegenteil weisen die Vorschriften des Art. 6 Abs. 3 Nr. 2 BayBO und des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO. Nach ersterer Vorschrift dürfen sich Abstandsflächen bei Wohngebäuden der Gebäudeklassen 1 und 2 ausnahmsweise nur dann überdecken‚ wenn es sich um Außenwände zu einem fremder Sicht entzogenen Gartenhof handelt. Aus Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO folgt‚ dass grundsätzlich nur Gebäude ohne Aufenthaltsräume unter den dort bestimmten engen Voraussetzungen in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig sind. Aus den Vorschriften lässt sich demnach der Grundsatz herleiten‚ dass die Abstandsflächenvorschriften auch dem Schutz des Wohnfriedens dienen (vgl. zum - zivilrechtlichen - Schutzzweck des Art. 43 AGBGB der Wahrung des Wohnfriedens auch BayVerfGH‚ E.v. 14.12.2011 - Vf.108-VI-10 - BayVBl 2012‚ 332; kritisch neuerdings Happ‚ BayVBl 2014‚ 65) und dass nach der typisierenden Bewertung des Gesetzgebers Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen in aller Regel nicht zulässig sind (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.1990 - 2 B 89.339 - nicht veröffentlicht).

3. Eine Abweichung für Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen kann daher nur zugelassen werden, wenn im Einzelfall die vom Abstandsflächenrecht geschützten Zwecke nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt werden und wenn die Abweichung unter Würdigung der öffentlich-rechtlich geschützten nachbarlichen Belange mit den öffentlichen Belangen‚ insbesondere den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 BayBO‚ vereinbar ist. Daraus folgt‚ dass es bei der Zulassung einer Nutzungsänderung unter (erheblicher) Abweichung von den Abstandsflächen - wie hier - maßgeblich sowohl auf die künftige Art der Nutzung als auch auf den Umfang der Abweichung ankommt. Das Interesse des Bauherrn‚ eine bessere wirtschaftliche Nutzung eines Gebäudes‚ insbesondere eine Wohnnutzung‚ herbeizuführen‚ reicht demgegenüber für die Erteilung einer Abweichung grundsätzlich nicht aus.

Unter Beachtung dieser Grundsätze gilt hier Folgendes:

Auf die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund gerückte Frage‚ dass es sich bei dem vorhandenen Bestandsgebäude - entgegen der Bezeichnung in der Baugenehmigung - nicht um ein Nebengebäude‚ sondern um das ehemalige Betriebsgebäude einer Baufirma handeln solle‚ kommt es nicht an. Die hier genehmigte Nutzungsänderung betrifft allein eine - erstmalige - Wohnnutzung in unmittelbarer Nähe zur Nachbargrenze‚ die aus den drei westlichen‚ zum Grundstück der Klägerin hin gerichteten Dachflächenfenstern erstmals dauerhaft Einblickmöglichkeiten jedenfalls in den Gartenbereich des Grundstücks der Klägerin ermöglicht. In einer solchen Situation kommt dem Normzweck und den Interessen des Nachbarn, Aufenthaltsräume in den Abstandsflächen zu verhindern, von vornherein eine Priorität gegenüber den Interessen des Bauherrn zu mit der Folge‚ dass im Regelfall eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften nicht erteilt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2014 - 1 ZB 13.2536 - BayVBl 2014, 634). Die Frage‚ ob die dem Wohnhaus der Klägerin nördlich vorgelagerte Grundstücksfläche teilweise oder insgesamt dem Außenbereich zuzurechnen ist und deshalb möglicherweise nicht mit einem Wohngebäude bebaut werden kann‚ ist deshalb nicht entscheidungserheblich. Auch die Tatsache‚ dass die Wohnnutzung im Dachgeschoss Jahrzehnte ausgeübt worden ist‚ führt zu keinem anderen Ergebnis‚ da eine Legalisierungswirkung durch die formell und materiell rechtswidrige Nutzung nicht eingetreten ist.

4. Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass entgegen der Auffassung des Landratsamts und des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall brandschutzrechtliche Vorschriften hätten geprüft werden müssen. Bei der Zulassung einer Abweichung von nachbarschützenden Vorschriften wie denjenigen des Abstandsflächenrechts kann der Nachbar nicht nur eine ausreichende Berücksichtigung seiner Interessen beanspruchen. Wie bei einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von einer nachbarschützenden Bebauungsplanfestsetzung (siehe hierzu BVerwG‚ B.v. 8.7.1998 - 4 B 64.98 - BayVBl 1999‚ 26 m. w. N.) ist er auch dann in seinen Rechten verletzt‚ wenn die Abweichung aus einem anderen Grund mit den öffentlichen Belangen nicht vereinbar und damit objektiv rechtswidrig ist (BayVGH‚ B.v. 16.7.2007 - 1 CS 07.1340 - BauR 2007‚ 1858; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung‚ Art. 63 Rn. 29). Allerdings hat der Nachbar keinen Anspruch darauf, dass das Vorhaben in jeder Hinsicht den öffentlich-rechtlichen Anforderungen entspricht. Es sind lediglich die Belange in die Abwägung einzustellen, die durch die die Abweichung auslösende konkrete Maßnahme erstmals oder stärker als bisher beeinträchtigt werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2007 a. a. O.; U.v. 15.12.2008 - 22 B 07.143 - BayVBl 2009, 530). Nach alledem hätte das Landratsamt, auch ohne dass es eines gesonderten Antrags auf Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 Abs. 2 BayBO bedurfte, hier die Vorschrift des Art. 30 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BayBO prüfen müssen.

Der Beklagte trägt als Unterliegender die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst‚ da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung ist gemäß § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beigeladene auf den Bauvorbescheid verzichtet und die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. März 2014 - 4 K 4392/12 - ist insoweit unwirksam.

Im Übrigen wird auf die Berufung der Klägerinnen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26. März 2014 - 4 K 4392/12 - geändert.

Der Bauvorbescheid der Beklagten vom 1. August 2012 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26. November 2012 werden aufgehoben, soweit diese durch den Teilverzicht nicht unwirksam geworden sind.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Beklagte und die Beigeladene tragen jeweils die Hälfte der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen in beiden Rechtszügen; im Übrigen tragen sie ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerinnen wenden sich gegen einen der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid über die bauplanungs- und abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit der Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage.
Die Klägerin zu 1 ist Eigentümerin der in der historischen Altstadt von Isny gelegenen Grundstücke Flst.Nrn. 30 und 30/2, ... Straße 11 und 11a, an denen die Klägerin zu 2 das Nießbrauchsrecht hat. Die ... Straße ist als Fußgängerzone ausgebildet, die zum Marktplatz führt. Entlang der quartierbildenden Straßen der Altstadt - zu denen auch die ... Straße gehört - sind die Gebäude mit ihren Giebel- oder Traufseiten jeweils direkt an den Straßen in geschlossener Bauweise errichtet. Das Grundstück Flst.Nr. 30, ... Straße 11, ist mit einem viergeschossigen Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Mit den Giebelseiten ist es im Nordosten an das Wohn- und Geschäftsgebäude auf dem Grundstück Flst.Nr. 29/1, ...-Straße 13, und im Südwesten an das Gebäude auf dem Grundstück Flst.Nr. 27/2, ... Straße 9, in dem sich eine Gaststätte befindet, jeweils grenzständig errichtet. Im rückwärtigen Hofbereich des Flst.Nr. 30 schließt sich nordwestlich das Grundstück Flst.Nr. 30/2, ... Straße 11a, an. Dieses Grundstück ist mit einem dreigeschossigen Wohngebäude mit einer Firsthöhe von ca. 11 m bebaut. Im zweiten Obergeschoss wurde ein nach Westen und Süden ausgerichteter Freisitz eingebaut. Das Gebäude, hält zu den Grenzen der nordöstlich anschließenden Grundstücke Flst.Nr. 28, das mit einer Garage bebaut ist, und Flst.Nr. 29, das unbebaut ist, sowie zur Grenze des mit einer Garage und einem Schuppengebäude bebauten südwestlich anschließenden Grundstücks Flst.Nr. 33/1 keine Abstände ein. Der Zugang zu dem Wohngebäude ... Straße 11a erfolgt über eine private Verkehrsfläche von der Straße „...“. Der Schuppen auf dem Flst.Nr. 33/1, der als Garage genutzt wird, ist in einer Länge von ca. 13,75 m auf der Grenze zum Grundstück Flst.Nr. 30/2 an das Wohngebäude ...-... Straße 11a angebaut.
Die Beigeladenen sind Eigentümer der Grundstücke Flst.Nrn. 27/2 und 33, ... Straße 9 und 7. Das Grundstück Flst.Nr. 33 ist mit einem ca. 50 m tiefen und 10 - 15 m breiten Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Im hinteren Grundstücksbereich sind 15 Stellplätze angelegt. Der vordere Gebäudeteil ist an der ... Straße an den Grenzen zu den Grundstücken Flst.Nr. 27/2, ... Straße 9, und Flst.Nr. 20, ... Straße 5, errichtet. Im rückwärtigen Bereich des Grundstücks Flst.Nr. 33 wurden aufgrund einer Baugenehmigung der Beklagten vom 27.03.1974 ein ca. 31 m langer und ca. 13 m breiter Anbau mit einem Großraumladen und drei Wohnungen sowie 15 Stellplätze errichtet. Der Anbau ist an den Grenzen zu den nordöstlich anschließenden Grundstücke Flst.Nrn. 33/1 und 27/2 errichtet.
Die genannten Grundstücke liegen in den Geltungsbereichen des nicht qualifizierten Bebauungsplans „Altstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 der Beklagten, der für die Grundstücke ein Mischgebiet festsetzt, der vom Regierungspräsidium Tübingen als höhere Denkmalschutzbehörde erlassenen Verordnung über die Gesamtanlage „Altstadt Isny i.A.“ vom 15.12.1983 und der Satzung der Beklagten zur „Erhaltung baulicher Anlagen sowie über örtliche Bauvorschriften in der Stadt Isny im Allgäu“ vom 04.11.1981 (Altstadtsatzung). Das Gebäude ... Straße 11 und der vordere Teil des Gebäudes ... Straße 7 sind darüber hinaus als Kulturdenkmale von besonderer Bedeutung in das Denkmalbuch eingetragen.
Am 06.03.2012 beantragte die Beigeladene die Erteilung eines Bauvorbescheids über die bauplanungsrechtliche und abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit der Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgarage auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2, 33 und 33/1, ... Straße 7 und 9. Nach den eingereichten Bauvorlagen ist auf den Grundstücken die Errichtung eines ca. 70 m langen und zwischen 9 und 27 m breiten Neubaus vorgesehen. Das Gebäude soll mit seiner gesamten Länge an den Grenzen zu den Grundstücken Flst.Nr. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1 errichtet werden. Der Baukörper gliedert sich im vorderen Teil an der ... Straße in einen ca. 8,66 m breiten und ca. 23 m langen zunächst zweigeschossigen, dann dreigeschossigen Flachdachbau. An diesen schließt sich im mittleren Bereich ein ca. 22 m langer und ca. 13 m breiter weiterer Flachdachbau an, der ca. auf Höhe des Gebäudes ... Straße 11a in einen viergeschossigen Querbau mit Satteldach (Firsthöhe 17 m bis 18 m) übergeht. Daran folgt ein weiterer eingeschossiger, ca. 6,20 m langer Flachdachanbau. Der 22 m lange Neubau im mittleren Bereich soll nach den Bauvorlagen in einer Höhe zwischen 4,60 m und 5,10 m eingeschossig an der Grenze zu den Grundstücken der Klägerin zu 1 errichtet werden. Die Außenwand seines ersten Obergeschosses springt gegenüber den Grenzen der Grundstücke der Klägerin zu 1 zwischen 2,75 m und 2,97 m zurück, die Außenwand des zweiten Obergeschosses zwischen 9 und 10 m. Auf diesem Rücksprung ist die Anlegung einer 157,85 qm großen Terrasse vorgesehen. Im dritten Obergeschoss soll auf dem Flachdach eine weitere, 267,05 qm große Terrasse angelegt werden Nach den Bauvorlagen sollen im Untergeschoß 51 Stellplätze sowie ein Lager eingerichtet werden. Für das Erdgeschoss findet sich der Eintrag „Gewerbe“, für das erste Obergeschoss der Eintrag „Gewerbe, Arztpraxen/Büro/Wohnungen“ und für das zweite Obergeschoss der Eintrag „ Arztpraxen, Büro, Wohnungen“.
Die Klägerinnen erhoben mit Schreiben vom 10.04.2012 Einwendungen gegen das geplante Bauvorhaben. Sie wandten sich im Wesentlichen gegen die geplante Grenzbebauung und befürchteten die Gefahr von Schäden an ihren Gebäuden. Der geplante Baukörper widerspreche auch der Eigenart der näheren Umgebung. Insbesondere seine Höhe führe zu einer unzumutbaren Beschattung vor allem des Wohnhauses ... Straße 11a. Die Nutzung der vorgesehenen Freiflächen führe ebenso wie der durch das Vorhaben entstehende Verkehr zu einer unzumutbaren Lärmbelastung für ihre Grundstücke.
Die Beklagte erteilte am 01.08.2012 unter Zurückweisung der von den Klägerinnen und anderer Angrenzer erhobenen Einwendungen den folgenden Bauvorbescheid:
„1. Die bebauungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens (§§ 29 Abs. 1, 34 BauGB) wird festgestellt (Bebauungsgenehmigung).
2. Der Standort des Vorhabens befindet sich im unbeplanten Innenbereich und ist als Innenbereichsvorhaben gem. § 34 BauGB grundsätzlich zulässig.
10 
3. Mit dem Vorhaben werden die Abstandsflächenvorschriften gem. §§ 5 und 6 LBO eingehalten.
11 
4. Zu den weiteren Fragen des Vorhabens wie beispielsweise vorbeugender Brandschutz, Nutzung und daraus resultierende Zahl der erforderlichen Stellplätze samt deren Nachweis, denkmalschutzrechtliche Belange sowie Nachweise über die Feuerwehrzufahrt und notwendigen Feuerwehraufstellflächen etc. wird mit diesem Bauvorbescheid keine Aussage getroffen.“
12 
Bestandteil des Bauvorbescheids seien die von der Beigeladenen eingereichten Bauvorlagen vom 29.02.2012 (Lageplan, Abstandsflächenplan, Grundrisspläne und Schnitte).
13 
Die Klägerinnen erhoben am 29.08.2012 Widerspruch. Der Bauvorbescheid sei zu ihren Lasten rechtswidrig. Das Vorhaben füge sich hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Weder hinsichtlich seiner Größe, der Gesamtlänge, der Breite und der Höhe sei es mit der vorhandenen Häuserstruktur in Einklang zu bringen. Gebäude in der Größe des geplanten Komplexes seien in der näheren Umgebung nicht vorhanden. Das geplante Vorhaben entfalte eine erdrückende Wirkung auf die Gebäude ... Straße 11 und 11a. Es stelle sich als Fremdkörper dar und führe im Hinterhof der Grundstücke der Klägerin zu 1 zu einer „Gefängnishofatmosphäre“. Das Wohngebäude ... Straße 11a würde über die gesamte Grundstückslänge hinweg vollständig eingemauert werden.
14 
Das Regierungspräsidium Tübingen wies die Widersprüche der Klägerinnen mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.2012 zurück.
15 
Am 20.12.2012 haben die Klägerinnen Klagen beim Verwaltungsgericht Sigmaringen erhoben mit dem Antrag, den Bauvorbescheid der Beklagten vom 01.08.2012 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26.11.2012 aufzuheben.
16 
In der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2014 hat die Beigeladene zu Protokoll des Verwaltungsgerichts erklärt, auf die Nutzungsangabe „Gewerbe“ für das erste Obergeschoss und für das Erdgeschoss auf Nutzungen nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO, mit Ausnahme von „Einzelhandelsbetriebe“, und nach § 6 Abs. 2 Nr. 6, 7, 8 und § 6 Abs. 3 BauNVO zu verzichten.
17 
Nach Einnahme eines Augenscheins hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26.03.2014 die Klagen abgewiesen und die Berufung zugelassen. In den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Bauvorbescheid sei rechtmäßig. Zwar seien die Bauvorlagen, die Bestandteil des Bauvorbescheids seien, fehlerhaft. Die Regelungen zu den Bauvorlagen seien jedoch lediglich formelle Ordnungsvorschriften ohne nachbarschützende Wirkung. Etwas anderes gelte nur, wenn wegen der Unvollständigkeit der Bauvorlagen andere nachbarschützende Vorschriften nicht geprüft oder deren Verletzung nicht zuverlässig ausgeschlossen werden könnten. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Eine Verletzung von Nachbarrechten ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte die zum Bestandteil des Bauvorbescheids gemachten Bauvorlagen mit dem Stempel „Genehmigt im Baugenehmigungsverfahren nach § 58 LBO, 1. Aug. 2012, Stadt Isny im Allgäu“ und mit dem Siegel der Stadt versehen habe. Die Klägerinnen könnten sich auch nicht auf einen möglichen Verstoß gegen die Vorschriften der Altstadtsatzung der Beklagten berufen. Deren Gestaltungsvorschriften seien nicht Gegenstand der Bauvoranfrage. Gleiches gelte für die geltend gemachte Beeinträchtigung der Denkmaleigenschaft des Gebäudes ... Straße 11.
18 
Das Bauvorhaben verstoße nicht gegen die von der Beklagten zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften, soweit diese zumindest auch dem Schutz der Klägerinnen dienten. Das Vorhaben verletze nicht einen sich aus dem Bebauungsplan „Altstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 ergebenden Gebietserhaltungsanspruch der Klägerinnen. Der Bebauungsplan weise für die Grundstücke ein Mischgebiet nach § 6 BauNVO aus, mit dem die für das Bauvorhaben unter Berücksichtigung der Protokollerklärungen vorgesehen Nutzungen im Einklang stünden. Gleiches gelte bei einer Unwirksamkeit des Bebauungsplans, da das maßgebliche Quartier einem Mischgebiet entspreche. Im Übrigen sei das Vorhaben an § 34 Abs. 1 BauGB zu messen, da es insoweit an bauplanerischen Festsetzungen fehle. Maßstabsbildend für das Einfügen sei das Quartier zwischen ... Straße, ... Gasse, der Straße ..., ... Straße und ... Straße. Das sich aus § 34 Abs. 1 BauGB ergebende Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Das Vorhaben füge sich nach der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Hinsichtlich der überbauten Grundstücksfläche werde der im Quartier vorgegebene Rahmen durch die vollständig überbauten Grundstücke ... Straße 15, ... Straße 10 und ... Gasse 22 bestimmt. Gleiches gelte bezüglich der Bauweise. Während sich entlang der quartierbildenden Straßen durchgehend geschlossene Bebauung finde, gelte dies nicht für die rückwärtigen Grundstücksbereiche, auf denen zum Teil geschlossene und zum Teil offene Bauweise anzutreffen sei. Eine durch faktische Baugrenzen vorgegebene Bebauungstiefe sei nicht feststellbar. Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung füge sich das Vorhaben zwar nur hinsichtlich der vorgesehenen Gebäudehöhen in die Eigenart der näheren Umgebung ein, nicht dagegen bezüglich seiner Länge, Breite und Kubatur. Hieraus ergebe sich jedoch kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten der Klägerinnen. Das Vorhaben entfalte keine erdrückende Wirkung. Hierbei sei einzustellen, dass die von den Klägerinnen als belastend angeführte Gesamtlänge der Grenzwand des Vorhabens von 70 m nur auf ca. 32 m als zusätzliche Grenzbebauung in Erscheinung treten, weil die Beigeladene auf einer Länge von 38 m an die bereits vorhandene umfangreiche Grenzbebauung auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 anbaue. Die Situation auf den bislang unbebauten Grundstücksbereichen würde gegenüber dem derzeitigen Zustand nicht unzumutbar verschlechtert. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung der auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 derzeit vorhandenen zusätzlichen Grenzmauern und dem Zustand im rückwärtigen Hofbereich des Grundstücks Flst.Nr. 27/2. Eine erdrückende Wirkung und der Eindruck des Eingemauertseins seien auch nicht deshalb festzustellen, weil die Grundstücke der Klägerin zu 1 im Nordosten und Nordwesten frei von Bebauung seien und die geplante Grenzwand im mittleren Bereich des Vorhabens eine Höhe von 4,6 bis 5,1 m und im rückwärtigen Bereich von 4,6 m nicht überschreite. Den Umstand, dass der geplante Neubau das Gebäude ... Straße 11a erheblich überrage und damit unter anderem die Vorteile der Nutzung des Freisitzes im Dachgeschoss und den Lichteinfall mindere, müssten die Klägerinnen hinnehmen. Sie würden dadurch nicht unzumutbar benachteiligt, weil der Beigeladenen im Austauschverhältnis nicht versagt werden könne, was die Klägerinnen mit ihrer Grenzbebauung für sich beansprucht hätten. Auch die planungsrechtliche Untätigkeit der Beklagten verletze keine Nachbarrechte der Klägerinnen und begründe insbesondere nicht die Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens. Ein Anspruch der Klägerinnen auf eine ihre Nutzungen schützende Überplanung des Innenbereichs des Quartiers bestehe nach dem Baugesetzbuch nicht. Der befürchtete Tiefgaragenlärm sei nicht rücksichtslos. Der Grundstücksnachbar habe die mit dem Betrieb der notwendigen Stellplätze üblicherweise verbundenen Immissionen grundsätzlich hinzunehmen. Zudem werde zwischen der geplanten Ein- und Ausfahrt der umfangreiche Neubau errichtet und die Entfernung zum Gebäude ... Straße 11a betrage ca. 30 m.
19 
Die Klägerinnen könnten sich auch nicht auf eine Verletzung des abstandsflächenrechtlichen Nachbarschutzes berufen, da mit dem Vorhaben gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 keine Abstandsflächen einzuhalten seien. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO lägen vor. Denn nach § 34 Abs. 1 BauGB dürften in dem maßgeblichen Bereich Gebäude ohne Grenzabstände errichtet werden. Es sei auch öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut werde. Hierfür genüge der Umstand, dass auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 mit den bereits errichteten Gebäuden ... Straße 11 und 11a jeweils ein Grenzbau vorhanden sei. Brandschutzrechtliche Bestimmungen seien nicht Gegenstand des Bauvorbescheides. Im Übrigen übersähen die Klägerinnen, dass wegen ihrer Grenzbauten bereits jetzt Rettungs- und Feuerwehreinsätze zwischen ihren Gebäuden nur über fremde Grundstücke oder durch die Gebäude erfolgen könnten. Das Urteil des Verwaltungsgerichts wurde den Klägerinnen am 14.08.2014 zugestellt.
20 
Am 11.09.2014 haben die Klägerinnen Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ergänzend vorbringen: Der Bauvorbescheid sei bereits wegen der unvollständigen Bauvorlagen formell fehlerhaft. Hierdurch seien sie in nachbarschützenden Rechten verletzt, weil es ihnen nicht möglich gewesen sei, die Verletzung nachbarschützender Vorschriften konkret zu prüfen. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Unrecht angenommen, dass der unrichtige Genehmigungsvermerk auf den Bauvorlagen nicht zur Unbestimmtheit des Bauvorbescheids führe.
21 
Der Bauvorbescheid sei jedenfalls zu ihren Lasten materiell baurechtswidrig. Er verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass das Vorhaben hinsichtlich seiner Länge, Breite und Höhe und Kubatur den durch die vorhandene Bebauung vergebenen Rahmen in erheblichem Maße sprenge. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts führe gerade die Grenzbebauung zu einer unzumutbaren Verschlechterung für die Grundstücke der Klägerin zu 1. Die vorhandene Grenzmauer sei mit dem geplanten Bauvorhaben nicht vergleichbar. Es werde nicht ausreichend berücksichtigt, dass sich das geplante Vorhaben wie ein Riegel durch das gesamte Quartier ziehen werde. Aufgrund des vorgesehenen Flachbaus im mittleren und vorderen Bereich wirke das Vorhaben umso erschlagender. Wegen seiner Höhe würden die bislang unbebauten Flächen an den Grundstücksgrenzen einen Sonneneinfall auf die Grundstücke der Klägerin zu 1 bzw. auf die dortigen Gebäude nahezu ausschließen. Die Luftzufuhr bzw. Luftzirkulation werde erheblich eingeschränkt. Darüber hinaus ergäbe sich eine massive Verengung des bislang weitestgehend offenen Hofbereichs, was die erdrückende Wirkung erheblich verstärke. Die bisherige Möglichkeit des Rundumblicks im Hofraum werde ausgeschlossen. Besonders einschneidend stellten sich die negativen Auswirkungen im Bereich der Dachterrasse des Gebäudes ... Straße 11a dar. Deren Nutzungsmöglichkeiten würden aufgrund des unmittelbaren Anbaus unzumutbar eingeschränkt. Die Begründung des Verwaltungsgerichts, wonach der Beigeladenen im Austauschverhältnis nicht versagt werden könne, was die Klägerinnen mit ihrer Grenzbebauung für sich beansprucht hätten, verfange insoweit nicht, als die vorhandene Grenzbebauung 38 m lang und maximal 3 m hoch sei. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts füge sich das Vorhaben auch hinsichtlich seiner Bauweise nicht in die Umgebungsbebauung ein. In den hofseitigen Bereichen des maßgeblichen Quartiers sei die offene Bauweise klar vorherrschend und gebe dem Quartier sein Gepräge. Sinn und Zweck der offenen Bauweise innerhalb der Hofbereiche sei es gerade, die hofseitigen Grundstücke und Gebäude ausreichend mit Licht und Frischluft zu versorgen.
22 
Das Vorhaben sei auch mit dem Vorschriften über Abstandsflächen nicht vereinbar. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO lägen bereits deshalb nicht vor, da in den Hofbereichen des Quartiers keine geschlossene Bauweise zulässig sei. Selbst wenn dem nicht gefolgt werde, seien Abstandsflächen einzuhalten, da die Vorschrift eine deckungsgleiche Bebauung erfordere. Im Rahmen der Bestimmung dessen, was als Grenzbebauung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig sei, müssten auch die Wertungen des Einfügungsgebots nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfließen. Anderenfalls wäre es möglich, dass der Landesgesetzgeber durch das Bauordnungsrecht die Vorschriften des Bauplanungsrechts umgehe. Berücksichtige man das Einfügungsgebot müsse sich das Vorhaben insbesondere nach dem Maß der baulichen Nutzung an die schon bestehenden Grenzbauten anpassen, um sich in die Eigenart der näheren Umgebung einzufügen. Diese Auslegung widerspreche nicht dem Willen des Landesgesetzgebers, was durch die Begründung zur Novellierung der LBO vom 08.08.1995 verdeutlicht werde. Der Gesetzgeber habe die Konstellation eines überplanten Bereichs nach § 30 Abs. 1 BauGB vor Augen gehabt. Im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB sei gerade kein gemeindlicher Planungswille vorhanden. Insofern werde der Wille des Plangebers durch die Verhältnisse ersetzt, welche den maßgeblichen Bereich prägten. Der Einwand, dass der „Erstbauende“ durch seine Bautätigkeit gegebenenfalls die Bebauungsmöglichkeiten des später Bauenden einschränke, müsse für den Innenbereich insoweit hingenommen werden.
23 
Die Klägerinnen beantragen,
24 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26.03.2014 - 4 K 4392/14 - zu ändern und den Bauvorbescheid der Beklagten vom 01.08.2012 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26.11.2012 aufzuheben, soweit diese nicht durch den von der Beigeladenen erklärten Teilverzicht unwirksam geworden sind;
25 
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären
26 
Die Beklagte beantragt,
27 
die Berufung zurückzuweisen.
28 
Sie verteidigt im Einzelnen die Ausführungen im angefochten Urteil.
29 
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
30 
die Berufung zurückzuweisen.
31 
Die Klägerinnen könnten sich nicht auf die Unvollständigkeit der Bauvorlagen berufen. Wie der Verlauf des Verwaltungsverfahrens sowie des gerichtlichen Verfahrens gezeigt habe, seien die Klägerinnen sehr wohl in der Lage gewesen, aufgrund der aktenkundigen Bauvorlagen, die bei diesem Bauvorhaben in Frage kommenden nachbarschützenden Aspekte vorzutragen und geltend zu machen. Aus dem eigenen Vorbringen ergebe sich danach, dass die Bauvorlagen jedenfalls im Hinblick auf die Prüfung etwaiger Verletzungen nachbarschützender Vorschriften insoweit ausreichend gewesen seien. Das Bauvorhaben füge sich sowohl nach Art der baulichen Nutzung, seiner Bauweise, der überbaubaren Grundstücksfläche und der Höhe der Bebauung in den Rahmen des Vorhandenen ein. Schon aus diesem Grunde könne daher von einer erdrückenden Wirkung nicht ausgegangen werden. Eine Abstandsfläche sei nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO nicht einzuhalten. Die Vorschrift verlange keine deckungsgleiche bzw. nahezu deckungsgleiche Anbausicherung. Es befinde sich auf den Grundstücken der Klägerinnen bereits eine Grenzbebauung von 38 m Länge, also über die Hälfte der nunmehr beabsichtigten Bebauung. Aufgrund des Zuschnittes der Grundstücke der Klägerin zu 1 sei dort jede weitere Bebauung mit Abstandsflächen ausgeschlossen, so dass jede neue Bebauung zwingend ebenfalls in geschlossener Bauweise auszuführen sei. Die Klägerinnen könnten dann die vorhandene Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen aufnehmen.
32 
Die Beigeladene hat in der Berufungsverhandlung klargestellt, dass ihre Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen über den Verzicht auf bestimmte im Bauvorbescheid genannte Nutzungen als Teilverzicht auf den Bauvorbescheid zu verstehen ist. Die Beteiligten haben daraufhin übereinstimmend den Rechtsstreit insoweit für in der Hauptsache erledigt erklärt.
33 
Der Senat hat in der Berufungsverhandlung das Baugrundstück und seine nähere Umgebung in Augenschein genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage zur Niederschrift verwiesen.
34 
Dem Senat liegen die Bauakten der Beklagten, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Tübingen, die Bebauungspläne „Altstadt Isny im Allgäu“, „Quartier IV/23 Wassertorstraße/Hofweg“ sowie „Wassertorstraße/Strauss“, und insgesamt 14 Bauakten zu früheren Bauvorhaben auf den Grundstücken der Klägerinnen und der Nachbargrundstücke sowie die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vor. Hierauf und auf die beim Senat angefallenen Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
I.
35 
Soweit die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von §§ 125 Abs. 1 i.V.m. 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26.03.2014 insoweit für unwirksam zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
II.
36 
Im Übrigen ist die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung auch sonst zulässig.
III.
37 
Die Berufung ist im Übrigen auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn der angefochtene Bauvorbescheid der Beklagten vom 01.08.2012 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26.11.2012 sind auch in der Gestalt, die sie durch die Teilverzichtserklärung der Beigeladenen gefunden haben, rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bauvorbescheid verstößt gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Klägerinnen zu dienen bestimmt sind. Das Bauvorhaben hält die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderlichen Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 nicht ein (1.) und verstößt gegen das Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (2.). Ob der Bauvorbescheid auch im Übrigen Rechte der Klägerinnen verletzt, kann folglich dahinstehen.
38 
1. Der Bauvorbescheid in der Gestalt, die er durch den Teilverzicht der Beigeladenen gefunden hat, verstößt, soweit er die Vereinbarkeit des Vorhabens mit §§ 5, 6 LBO feststellt (Nr. 3), zu Lasten der Klägerinnen gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO. Danach müssen vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen liegen, die von oberirdischen Anlagen freizuhalten sind und die nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen. Dieser Bestimmung widerspricht der angefochtene Bauvorbescheid insoweit, als das Gebäude unmittelbar an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen zu den Grundstücken der Klägerin zu 1, d.h. ohne Einhaltung von Abstandsflächen, errichtet werden soll.
39 
a) Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Sigmaringen sind die Voraussetzungen für eine Grenzbebauung ohne Abstandsflächen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 LBO nicht gegeben.
40 
Nach dieser Vorschrift ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden an Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss (Nr. 1) oder an die Grenze gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (Nr. 2.). Beides trifft hier nicht zu.
41 
aa) Nach planungsrechtlichen Vorschriften ist die geplante Grenzbebauung nicht zwingend geboten, aber i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig.
42 
Da für das Baugrundstück und seine nähere Umgebung keine die Bauweise betreffenden Festsetzungen eines Bebauungsplans bestehen - der Bebauungsplan „Altstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 enthält lediglich Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung - und das Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles geplant ist, richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Grenzbebauung nach § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
43 
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss ein Gebäude dann an die Grundstücksgrenze gebaut werden, wenn die Eigenart der näheren Umgebung durch eine geschlossene Bauweise entsprechend § 22 Abs. 3 BauNVO oder eine abweichende, d.h. halboffene Bauweise entsprechend § 22 Abs. 4 BauNVO geprägt wird, die zu einer Grenzbebauung zwingt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.02.1998 - 5 S 3202/96 - BRS 60 Nr. 86, juris Rn. 24). Ist in einem unbeplanten Gebiet teils offene bzw. halboffene und teils geschlossene Bauweise vorzufinden, besteht kein Zwang zu einer Grenzbebauung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.03.1994 - 4 B 53.94 - ZfBR 1994, 192, juris Rn. 4).
44 
Danach verlangt die in der näheren Umgebung des Baugrundstücks vorhandene Bebauung nicht zwingend die Errichtung der geplanten Grenzbebauung, sie lässt eine solche jedoch zu.
45 
Maßstabsbildend für das Einfügen im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als sie ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr BVerwG, u.a. Urteile vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369, 380, und vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - NVwZ 2014, 370).
46 
Nach den Darstellungen des im verwaltungsgerichtlichen Urteil abgebildeten Lageplanausschnitts, deren Richtigkeit sich nach dem vom Senat eingenommen Augenschein bestätigt hat, wird die hinsichtlich der Bauweise nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebliche nähere Umgebung durch das Straßengeviert... Straße, ... Gasse, ..., ... Straße und ... Straße gebildet. Die Hauptgebäude sind hier fast durchgängig entlang der jeweiligen Straßenbegrenzungslinien und in geschlossener Bauweise im Sinne einer Blockrandbebauung errichtet. Dagegen befinden sich hinter den jeweiligen Hauptgebäuden im Innern des Straßengevierts auf den Grundstücken teilweise unbebaute Freiflächen, wie etwa auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2, 30, 29/1 und 28, als auch Gebäude, die zu den Nachbargrundstücken in geschlossener Bauweise, wie das Grundstück Flst.Nr. 30/2, oder auch in halboffener Bauweise errichtet sind. Das Gebäude auf dem Grundstück Flst.Nr. 33/1 ist nur einseitig grenzständig an das Gebäude ...-Straße 11a der Klägerin zu 1 angebaut. Auch das der Beigeladenen gehörende Gebäude ... Straße 7 ist selbst lediglich im vorderen Grundstücksbereich zur ... Straße hin in geschlossener Bauweise errichtet. Im hinteren Bereich, d.h. dort, wo der 1973 genehmigte Anbau errichtet wurde, setzt sich die Grenzbebauung nur zum Grundstück Flst.Nr. 27/2 fort, dagegen werden gegenüber dem westlich anschließenden Grundstück Flst.Nr. 20 teilweise Abstandsflächen eingehalten. Im Inneren des Straßengevierts ist danach weder eine einheitliche geschlossene noch eine einheitliche halboffene Bauweise vorzufinden. Da das Bauvorhaben der Beigeladenen auch auf Grundstücken bzw. Grundstücksbereichen im Inneren des Straßengevierts errichtet werden soll, sind die beschriebenen unterschiedlichen Bauweisen insgesamt Maßstab für eine Grenzbebauung. Folglich besteht für das streitige Vorhaben kein Zwang zur Errichtung an der Grenze. Vielmehr darf i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grundstücksgrenze gebaut werden. Hiervon ist auch das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zutreffend ausgegangen.
47 
bb) Der Zulässigkeit des Vorhabens ohne Abstandsflächen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO steht jedoch entgegen, dass nicht i. S. dieser Vorschrift öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird.
48 
aaa) Nachbargrundstück i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO sind hier die beiden Grundstücke Flst.Nrn. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1. Die Landesbauordnung verwendet zwar den Begriff des Grundstücks regelmäßig im Sinne von Buchgrundstück (vgl. § 4 Abs. 1 LBO), so dass danach die Grenzbebauung jeweils zu den Grundstücken Flst.Nrn. 30 und 30/2 isoliert zu betrachten wäre. Die Regelung des § 4 Abs. 2 LBO zeigt jedoch, dass der Buchgrundstücksbegriff nicht ausnahmslos gilt. Vielmehr kann ein Nachbargrundstück im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO auch ein aus mehreren Buchgrundstücken bestehendes benachbartes Baugrundstück sein (vgl. Beschluss des Senats vom 06.06.2008 - 8 S 18/07 - VBlBW 2008, 483, juris Rn. 37). Danach sind die beiden Buchgrundstücke der Klägerin zu 1 als ein Nachbargrundstück anzusehen. Denn beide Grundstücke sind vor wenigen Jahren durch Teilung aus dem Buchgrundstück Flst.Nr. 30 hervorgegangen und die Freifläche zwischen den Gebäuden auf beiden Grundstücken wird als ein gemeinsamer Garten genutzt.
49 
bbb) Es ist nicht i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf den Grundstücken Flst.Nrn. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1 ebenfalls an die Grenze gebaut wird.
50 
(1) Das Tatbestandsmerkmal der öffentlich-rechtlichen Sicherung im Sinne dieser Vorschrift ist in der Regel nur erfüllt, wenn zulasten der von der Grenzbebauung betroffenen Grundstücke eine entsprechende Baulast nach § 71 LBO übernommen wird.
51 
Eine solche Baulast hat die Klägerin zu 1 unstreitig nicht übernommen.
52 
(2) Die öffentlich-rechtliche Sicherung ist darüber hinaus ausnahmsweise auch dann gewährleistet, wenn auf dem Nachbargrundstück bereits ein Gebäude, von dessen Fortbestand ausgegangen werden kann, an der Grenze vorhanden ist, an das angebaut werden soll, und der geplante Grenzbau noch in einer hinreichenden Beziehung zu dem vorhandenen Gebäude steht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.1996 - 5 S 2766/95 - juris; Beschlüsse vom 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221, vom 10.03.1999 - 3 S 332/99 - juris und vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - juris; Busch in: Das Neue Baurecht in Baden-Württemberg, Stand November 2014, § 5 Rn. 39). Denn in einem solchem Fall würde es sich bei der Forderung nach Eintragung einer Baulast um eine bloße Förmelei handeln. Die Wirkungen eines bereits vorhandenen Gebäudes auf dem Nachbargrundstück auf dessen Schutzwürdigkeit nach § 5 LBO können jedoch nicht weiter reichen, als die einer entsprechenden Baulast. Eine auf dem Nachbargrundstück vorhandene Grenzbebauung kann die von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung daher nur in ihrem Umfeld ersetzen. Das an der Grenze geplante Bauvorhaben und das auf dem Nachbargrundstück bereits errichtete Grenzgebäude müssen zueinander in einer gewissen Beziehung stehen und beide Gebäude müssen sich in einem Maße überdecken, dass als Ergebnis einer beiderseitigen Grenzbebauung noch der Eindruck einer geschlossenen Bauweise vermittelt wird; nicht ausreichend ist, dass irgendwo an der gemeinsamen Grundstücksgrenze ein Grenzbau errichtet ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - NVwZ-RR 2015, 288). Eine andere Auslegung ist mit dem Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO nicht vereinbar, auch wenn die Entstehungsgeschichte der Norm dies nahelegen mag.
53 
Zweck dieser Vorschrift ist es, den Regelungen des Bauplanungsrechts, die gegebenenfalls eine Bebauung ohne Abstand der Gebäude voneinander vorsehen, auch im Bauordnungsrecht Geltung zu verschaffen (vgl. Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 3. Aufl., Stand: März 2010, Band 1, § 5 Rn. 9 und 35 ). Durch diese Regelung soll eine nur einseitige Grenzbebauung verhindert werden, die sich ergeben könnte, wenn das Bauplanungsrecht ein Bauvorhaben an der Grenze gestattet, ohne zugleich zwingend für das Nachbargrundstück eine entsprechende Bebauung vorzuschreiben (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 K 952/10 - juris Rn. 3).
54 
Die genannten Voraussetzungen für die ausnahmsweise anzunehmende öffentlich-rechtliche Sicherung durch einen vorhandenen Grenzbau galten nach der Rechtsprechung der mit Bausachen befassten Senate bereits zu der Vorgängerregelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO a.F. (vgl. z.B. Beschluss vom 15.09.1993 - 3 S 1670/93 - juris Rn. 5). Allein die Ersetzung des Wortes „angebaut“ durch „an die Grenze gebaut“ in der seit dem 01.01.1996 geltenden Neuregelung führt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und der Beigeladenen nicht dazu, dass nunmehr auf die Notwendigkeit einer hinreichenden Beziehung zwischen dem vorhandenen und dem geplanten Grenzbau verzichtet werden kann. Nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 11/5337 S. 80) war mit der Neuregelung zwar die Vorstellung verbunden, es müsse nunmehr dem „Zweitbauenden“ grundsätzlich möglich sein, ohne Anknüpfung an die bestehende Bebauung die planungsrechtlich zulässige Bebauungstiefe auszuschöpfen. Diese Vorstellung hat jedoch in Wortlaut und Systematik des Gesetzes keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - juris Rn. 23; VG Freiburg, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 K 952/10 - juris Rn. 8). Zudem dient die Einhaltung von Abstandsflächen gerade der Sicherstellung der ausreichenden Belüftung und Beleuchtung der Gebäude und der unbebauten Grundstücksteile (vgl. Sauter a.a.O., § 5 Rn. 3). Hierauf wird in den Fällen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO verzichtet, weil der Landesgesetzgeber auch hier dem Planungsrecht den Vorrang einräumt, obwohl er dazu in Gebieten, in denen planungsrechtliche Vorschriften nicht zwingend eine geschlossene Bauweise verlangen, nicht verpflichtet wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.03.1994 - 4 B 53.94 - juris Rn. 4). Ein solcher Verzicht begründet indes - wegen der ähnlichen Interessenlage wie bei einer Doppelhausbebauung (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355, 359) -ein gegenseitiges nachbarschaftliches Austauschverhältnis, das eine Grenzbebauung verlangt, aufgrund derer die Gebäude noch in einer gewissen Beziehung zueinander stehen und sich in relevanter Weise überdecken.
55 
Danach vermag die bereits vorhandene Grenzbebauung auf den Nachbargrundstücken der Klägerin zu 1 die von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung für die Errichtung des Bauvorhabens der Beigeladenen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze nicht ersetzen. Das geplante Bauvorhaben steht zu der vorhandenen Grenzbebauung nicht mehr in einer gewissen Beziehung und die Gebäude überdecken sich nicht in einem Maße, dass noch der Eindruck der geschlossenen Bauweise vermittelt wird. Dafür ist zwar nicht erforderlich, dass die geplante Grenzbebauung und die vorhandene Grenzbebauung in Höhe und Tiefe der Baukörper weitestgehend deckungsgleich sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 - juris Rn. 11). Ab welcher Abweichung der Eindruck der geschlossenen Bauweise nicht mehr besteht, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls. So hat der 5. Senat des erkennenden Gerichtshof im Beschluss vom 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - juris Rn. 5, auf den spätere Entscheidungen (vgl. Beschluss vom 10.01.2006 - 5 S 2335/05 - juris Rn. 6) Bezug nehmen, eine Abweichung von zwei Metern in der Tiefe und zwei bis drei Metern in der Höhe für zulässig erachtet. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen verlangt danach auch der 5. Senat gerade eine weitgehende Deckungsgleichheit. Die genannten Maße überschreitet der vorgesehene Grenzbau deutlich. Die Grenzbebauung auf dem Flst.Nr. 30 ist ca. 25 m lang, die Grenzbebauung auf dem Flst.Nr. 30/2 beträgt ca. 13,5 m. Demgegenüber soll das Bauvorhaben entlang der gesamten Grundstücksgrenze beider Buchgrundstücke über eine Länge von ca. 70 m an der Grenze errichtet werden. Der Eindruck einer geschlossenen Bauweise wird so nicht mehr vermittelt. Auf den Einwand der Beigeladenen, wonach auch die Klägerin zu 1 bei einer künftigen Bebauung der Grundstücke von der geplanten Grenzbebauung profitieren könnte, kommt es in dem Zusammenhang nicht an. Gleiches gilt für den Hinweis der Beigeladenen, wonach die Klägerin zu 1 ihre Grundstücke überhaupt nur mit Grenzbauten bebauen könne, da wegen der Größe der Grundstücke Abstandsflächen nicht eingehalten werden könnten. Im Übrigen ist die Klägerin zu 1 etwa nach einem Untergang eines Gebäudes nicht gezwungen, überhaupt wieder ein Gebäude zu errichten. Weiter ist denkbar, dass sie bislang unbebaute Nachbargrundstücke erwirbt und so Abstandsflächen bei einer künftigen Bebauung eingehalten werden können.
56 
b) Auch die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche in einem Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO scheidet aus.
57 
Der Anspruch des Bauherrn auf Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche ist vom Gericht im Rahmen der Nachbarklage zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen, auch wenn eine Entscheidung der Baurechtsbehörde hierüber nicht vorliegt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.1996 - 5 S 2766/95 - juris Rn. 24). Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind jedoch nicht erfüllt. Ein Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder 3 LBO scheidet offensichtlich aus und ein Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO liegt ebenfalls nicht vor.
58 
Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO ist eine geringere Tiefe der Abstandsfläche zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs liegt eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vor, wenn die nachbarschützende Abstandsflächentiefe (vgl. § 5 Abs. 7 LBO) unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation auf dem Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante, tatsächliche oder rechtliche Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 27.11.2013 - 8 S 1813/13 - BauR 2014, 533 m.w.N.). Solche Besonderheiten sind vorliegend in Bezug auf die Grundstücke der Klägerin zu 1 nicht gegeben. Diese Grundstücke sind insbesondere auch nicht aufgrund der an der Grenze zum Flst.Nr. 33/1 errichten Grenzmauer weniger schutzwürdig. Dies ergibt sich bereits aus den völlig untergeordneten Ausmaßen der Mauer, die mit ca. 1,50 m Höhe deutlich hinter der vorgesehen Grenzbebauung zurücktritt und auch nur wenige Meter lang ist.
59 
2. Der Bauvorbescheid in der Gestalt, die er durch den Teilverzicht der Beigeladenen gefunden hat, verstößt ferner, soweit er die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens feststellt (Nr. 1 und 2), gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Denn das Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in Eigenart der näheren Umgebung ein und beeinträchtigt dadurch die Nutzung der Nachbargrundstücke der Klägerin zu 1 und demzufolge auch das an diesen Grundstücken bestehende Nießbrauchsrecht der Klägerin zu 2 rücksichtslos.
60 
a) § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verleiht dem Nachbarn einen Abwehranspruch, wenn die angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verletzt (st. Rspr. BVerwG, u.a. Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186). Nachbar im Sinne des Bodenrechts ist dabei nicht nur der jeweilige zivilrechtliche Eigentümer eines Grundstücks sondern auch - wie die Klägerin zu 2 - ein sonst in eigentumsähnlicher Weise an einem Grundstück dinglich Berechtigter, zu denen auch der Nießbraucher zählt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus, der vorliegen kann, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.>). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 - NVwZ 1999, 879). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 13.03.1981, a.a.O). Es kommt darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (BVerwG, Urteil vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 m.w.N.). Das Gebot der Rücksichtnahme hebt insoweit auf die gegenseitige Verflechtung der baulichen Situation unmittelbar benachbarter Grundstücke ab und nimmt das nachbarliche Austauschverhältnis in den Blick (BVerwG, Urteile vom 16.09.2010 - 4 C 7/10 - NVwZ 2011, 436, und vom 05.12.2013 - 4 C 5/12 - BVerwGE 148, 290, 295).
61 
Nach diesen Grundsätzen ist das Bauvorhaben der Beigeladenen hinsichtlich seines Maßes der baulichen Nutzung gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 rücksichtslos. Da der Bebauungsplan „Alstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 nur Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung enthält, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens im Übrigen, d.h. auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach § 34 Abs. 1 BauGB. Maßgebend für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach dem Maß der baulichen Nutzung ist die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Vorrangig ist auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt, wie die flächenmäßige Ausdehnung, die Geschosszahl und Höhe der den Rahmen bildenden Gebäude (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.03.1994 - 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277, 279, 282; Beschluss vom 03.04.2014 - 4 B 12.14 -juris Rn. 3). In der maßgeblichen Umgebungsbebauung, die wiederum durch das bereits beschriebene Straßengeviert gekennzeichnet wird, ist kein Baukörper vorhanden, der hinsichtlich seiner flächenmäßigen Ausdehnung mit dem Bauvorhaben vergleichbar ist. Das bislang größte Einzelgebäude in der maßgeblichen Umgebung ist das Gebäude ... Straße 7. Dessen Grundfläche wird durch das Bauvorhaben hinsichtlich Bebauungstiefe, Breite und Kubatur deutlich überschritten.
62 
Auf die von der Beigeladenen bei der Einnahme des Augenscheins verwiesenen Gebäude ... Straße 6 und ... Straße 43, die in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung mit dem Bauvorhaben vergleichbar seien, kommt es dagegen nicht an. Diese Grundstücke liegen außerhalb der für die Beurteilung des Einfügens maßgeblichen Umgebungsbebauung. Der Rahmen für die maßgebliche Umgebungsbebauung wird durch das bereits an anderer Stelle beschriebene Straßengeviert begrenzt, in dem die genannten Grundstücke nicht liegen. Auf diese Bereiche wirkt sich die Ausführung des Bauvorhabens der Beigeladenen weder aus, noch prägen oder beeinflussen diese Grundstücke ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung.
63 
Die danach vorliegende Rahmenüberschreitung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung lässt die gebotene Rücksichtnahme gerade in Bezug auf die unmittelbar benachbarte Bebauung auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 vermissen. Das Gesamtvolumen und die Gliederung des Baukörpers führen zu einer rücksichtslosen optisch erdrückenden Wirkung des Bauvorhabens insbesondere auf das Wohnhaus ... Straße 11a.
64 
Eine rücksichtslose erdrückende Wirkung nimmt die Rechtsprechung an, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich "die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des "Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des "erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls - und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem "herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.08.1981 - 4 C 1.78 - BauR 1981, 354 und vom 23.05.1986 - 4 C 34.85 - BauR 1986, 542; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.08.2005 - 10 A 3138/02 -, juris Rn. 50, Beschlüsse vom 13.01.2006 - 10 B 971/05 -, juris Rn 5, und vom 18.02.2014 - 7 B 1416/13 - juris Rn. 5; Bay. VGH, Beschluss vom 29.07.2014 - 9 CS 14.709 - juris Rn. 19). Eine erdrückende Wirkung liegt danach nicht schon dann vor, wenn die bisherigen Verhältnisse durch eine bauliche Verdichtung geändert werden. Vielmehr muss von dem Vorhaben aufgrund der Massivität und Lage eine qualifizierte handgreifliche Störung auf das Nachbargrundstück ausgehen (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 19.03.2015 - 1 B 19/15 - juris Rn. 26).
65 
Gemessen hieran erweist sich das Bauvorhaben der Beigeladenen gegenüber den benachbarten Anwesen der Klägerin zu 1 als rücksichtslos. Der Augenschein des Senats hat gezeigt, dass sich zwischen den Gebäuden ...-Straße 11 und 11a eine als Garten genutzte Freifläche der beiden Wohnhausgrundstücke befindet. In dem Bereich befindet sich auch auf den Nachbargrundstücken keine Bebauung. Bei einer Verwirklichung des Vorhabens entstünde gerade hier eine Grenzbebauung, die, trotz der Gliederung des Baukörpers mit zurückspringenden Obergeschossen, insgesamt den Eindruck einer geschlossenen massiven Riegelbebauung vermittelt, die den Grundstücken der Klägerin zu 1 gleichsam „die Luft zum Atmen nimmt“. War die bisherige Bebauung von einer fast deckungsgleichen Grenzbebauung auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2 und 30/2 geprägt, wird nunmehr entlang der gesamten Grundstückslängen ein in seinen Ausmaßen enorm kompakter Baukörper errichtet. Die Grenzbebauung zwischen den Gebäuden ... Straße 11 und 11a beträgt 22 m, die Höhe der Bebauung an der Grenze beträgt 4,6 bis 5,1 Meter. Gegenüber dieser Grenzbebauung tritt die vorhandene Grenzmauer in ihren Ausmaßen von nur 1,5 m deutlich zurück. Hinzu kommt die Höhendisparität zwischen dem rückwärtigen Querbau und dem Wohnhaus ... Straße 11a. Schließlich führt die Grenzbebauung auch zu einer massiven Verschattung des bisher als Garten genutzten Freiraumes zwischen den Gebäuden ... Straße 11 und 11a, die den Klägerinnen nicht zumutbar ist, zumal da die Grenzbebauung nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig ist.
66 
Die Klägerinnen sind hinsichtlich der grenzständigen Bebauung an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen auch schutzbedürftig, da sie angesichts der in dem maßgeblichen Grundstücksbereich bislang prägend vorgegebenen Bauweise auch nicht damit rechnen mussten, dass entlang der gesamten Grundstücksgrenzen ein durchgängiges grenzständiges Gebäude errichtet wird.
67 
Zudem ermöglichen sowohl die vorgesehene 157,86 qm große Terrasse im zweiten Obergeschoss als auch die geplante 267,05 qm große Terrasse im dritten Obergeschoss im mittleren Bereich des Gebäudes Einblicke auf die Grundstücke der Klägerin zu 1, die das Maß dessen deutlich übersteigen, was Grundstückseigentümern auch im bebauten innerörtlichen Bereich regelmäßig zugemutet werden kann (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.09.2014 - 7 B 1037/14 - juris Rn. 10 m.w.N.).
IV.
68 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO, 162 Abs. 3, 161 Abs. 2 VwGO. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Klägerinnen war notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
69 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
70 
Beschluss
71 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG auf15.000,- EUR festgesetzt (entsprechend der Streitwertfestsetzung im ersten Rechtszug).
72 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
I.
35 
Soweit die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von §§ 125 Abs. 1 i.V.m. 92 Abs. 3 VwGO einzustellen und das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 26.03.2014 insoweit für unwirksam zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).
II.
36 
Im Übrigen ist die nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte Berufung auch sonst zulässig.
III.
37 
Die Berufung ist im Übrigen auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Denn der angefochtene Bauvorbescheid der Beklagten vom 01.08.2012 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 26.11.2012 sind auch in der Gestalt, die sie durch die Teilverzichtserklärung der Beigeladenen gefunden haben, rechtswidrig und verletzen die Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Bauvorbescheid verstößt gegen von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Klägerinnen zu dienen bestimmt sind. Das Bauvorhaben hält die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO erforderlichen Abstandsflächen gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 nicht ein (1.) und verstößt gegen das Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (2.). Ob der Bauvorbescheid auch im Übrigen Rechte der Klägerinnen verletzt, kann folglich dahinstehen.
38 
1. Der Bauvorbescheid in der Gestalt, die er durch den Teilverzicht der Beigeladenen gefunden hat, verstößt, soweit er die Vereinbarkeit des Vorhabens mit §§ 5, 6 LBO feststellt (Nr. 3), zu Lasten der Klägerinnen gegen die nachbarschützende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 LBO. Danach müssen vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen liegen, die von oberirdischen Anlagen freizuhalten sind und die nach § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen. Dieser Bestimmung widerspricht der angefochtene Bauvorbescheid insoweit, als das Gebäude unmittelbar an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen zu den Grundstücken der Klägerin zu 1, d.h. ohne Einhaltung von Abstandsflächen, errichtet werden soll.
39 
a) Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts Sigmaringen sind die Voraussetzungen für eine Grenzbebauung ohne Abstandsflächen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 LBO nicht gegeben.
40 
Nach dieser Vorschrift ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden an Grundstücksgrenzen, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss (Nr. 1) oder an die Grenze gebaut werden darf und öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird (Nr. 2.). Beides trifft hier nicht zu.
41 
aa) Nach planungsrechtlichen Vorschriften ist die geplante Grenzbebauung nicht zwingend geboten, aber i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig.
42 
Da für das Baugrundstück und seine nähere Umgebung keine die Bauweise betreffenden Festsetzungen eines Bebauungsplans bestehen - der Bebauungsplan „Altstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 enthält lediglich Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung - und das Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles geplant ist, richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit einer Grenzbebauung nach § 30 Abs. 3 BauGB i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
43 
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB muss ein Gebäude dann an die Grundstücksgrenze gebaut werden, wenn die Eigenart der näheren Umgebung durch eine geschlossene Bauweise entsprechend § 22 Abs. 3 BauNVO oder eine abweichende, d.h. halboffene Bauweise entsprechend § 22 Abs. 4 BauNVO geprägt wird, die zu einer Grenzbebauung zwingt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13.02.1998 - 5 S 3202/96 - BRS 60 Nr. 86, juris Rn. 24). Ist in einem unbeplanten Gebiet teils offene bzw. halboffene und teils geschlossene Bauweise vorzufinden, besteht kein Zwang zu einer Grenzbebauung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.03.1994 - 4 B 53.94 - ZfBR 1994, 192, juris Rn. 4).
44 
Danach verlangt die in der näheren Umgebung des Baugrundstücks vorhandene Bebauung nicht zwingend die Errichtung der geplanten Grenzbebauung, sie lässt eine solche jedoch zu.
45 
Maßstabsbildend für das Einfügen im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als sie ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (stRspr BVerwG, u.a. Urteile vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369, 380, und vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - NVwZ 2014, 370).
46 
Nach den Darstellungen des im verwaltungsgerichtlichen Urteil abgebildeten Lageplanausschnitts, deren Richtigkeit sich nach dem vom Senat eingenommen Augenschein bestätigt hat, wird die hinsichtlich der Bauweise nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebliche nähere Umgebung durch das Straßengeviert... Straße, ... Gasse, ..., ... Straße und ... Straße gebildet. Die Hauptgebäude sind hier fast durchgängig entlang der jeweiligen Straßenbegrenzungslinien und in geschlossener Bauweise im Sinne einer Blockrandbebauung errichtet. Dagegen befinden sich hinter den jeweiligen Hauptgebäuden im Innern des Straßengevierts auf den Grundstücken teilweise unbebaute Freiflächen, wie etwa auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2, 30, 29/1 und 28, als auch Gebäude, die zu den Nachbargrundstücken in geschlossener Bauweise, wie das Grundstück Flst.Nr. 30/2, oder auch in halboffener Bauweise errichtet sind. Das Gebäude auf dem Grundstück Flst.Nr. 33/1 ist nur einseitig grenzständig an das Gebäude ...-Straße 11a der Klägerin zu 1 angebaut. Auch das der Beigeladenen gehörende Gebäude ... Straße 7 ist selbst lediglich im vorderen Grundstücksbereich zur ... Straße hin in geschlossener Bauweise errichtet. Im hinteren Bereich, d.h. dort, wo der 1973 genehmigte Anbau errichtet wurde, setzt sich die Grenzbebauung nur zum Grundstück Flst.Nr. 27/2 fort, dagegen werden gegenüber dem westlich anschließenden Grundstück Flst.Nr. 20 teilweise Abstandsflächen eingehalten. Im Inneren des Straßengevierts ist danach weder eine einheitliche geschlossene noch eine einheitliche halboffene Bauweise vorzufinden. Da das Bauvorhaben der Beigeladenen auch auf Grundstücken bzw. Grundstücksbereichen im Inneren des Straßengevierts errichtet werden soll, sind die beschriebenen unterschiedlichen Bauweisen insgesamt Maßstab für eine Grenzbebauung. Folglich besteht für das streitige Vorhaben kein Zwang zur Errichtung an der Grenze. Vielmehr darf i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grundstücksgrenze gebaut werden. Hiervon ist auch das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zutreffend ausgegangen.
47 
bb) Der Zulässigkeit des Vorhabens ohne Abstandsflächen nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO steht jedoch entgegen, dass nicht i. S. dieser Vorschrift öffentlich-rechtlich gesichert ist, dass auf dem Nachbargrundstück ebenfalls an die Grenze gebaut wird.
48 
aaa) Nachbargrundstück i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO sind hier die beiden Grundstücke Flst.Nrn. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1. Die Landesbauordnung verwendet zwar den Begriff des Grundstücks regelmäßig im Sinne von Buchgrundstück (vgl. § 4 Abs. 1 LBO), so dass danach die Grenzbebauung jeweils zu den Grundstücken Flst.Nrn. 30 und 30/2 isoliert zu betrachten wäre. Die Regelung des § 4 Abs. 2 LBO zeigt jedoch, dass der Buchgrundstücksbegriff nicht ausnahmslos gilt. Vielmehr kann ein Nachbargrundstück im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO auch ein aus mehreren Buchgrundstücken bestehendes benachbartes Baugrundstück sein (vgl. Beschluss des Senats vom 06.06.2008 - 8 S 18/07 - VBlBW 2008, 483, juris Rn. 37). Danach sind die beiden Buchgrundstücke der Klägerin zu 1 als ein Nachbargrundstück anzusehen. Denn beide Grundstücke sind vor wenigen Jahren durch Teilung aus dem Buchgrundstück Flst.Nr. 30 hervorgegangen und die Freifläche zwischen den Gebäuden auf beiden Grundstücken wird als ein gemeinsamer Garten genutzt.
49 
bbb) Es ist nicht i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO öffentlich-rechtlich gesichert, dass auf den Grundstücken Flst.Nrn. 30 und 30/2 der Klägerin zu 1 ebenfalls an die Grenze gebaut wird.
50 
(1) Das Tatbestandsmerkmal der öffentlich-rechtlichen Sicherung im Sinne dieser Vorschrift ist in der Regel nur erfüllt, wenn zulasten der von der Grenzbebauung betroffenen Grundstücke eine entsprechende Baulast nach § 71 LBO übernommen wird.
51 
Eine solche Baulast hat die Klägerin zu 1 unstreitig nicht übernommen.
52 
(2) Die öffentlich-rechtliche Sicherung ist darüber hinaus ausnahmsweise auch dann gewährleistet, wenn auf dem Nachbargrundstück bereits ein Gebäude, von dessen Fortbestand ausgegangen werden kann, an der Grenze vorhanden ist, an das angebaut werden soll, und der geplante Grenzbau noch in einer hinreichenden Beziehung zu dem vorhandenen Gebäude steht (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.1996 - 5 S 2766/95 - juris; Beschlüsse vom 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - VBlBW 1997, 221, vom 10.03.1999 - 3 S 332/99 - juris und vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - juris; Busch in: Das Neue Baurecht in Baden-Württemberg, Stand November 2014, § 5 Rn. 39). Denn in einem solchem Fall würde es sich bei der Forderung nach Eintragung einer Baulast um eine bloße Förmelei handeln. Die Wirkungen eines bereits vorhandenen Gebäudes auf dem Nachbargrundstück auf dessen Schutzwürdigkeit nach § 5 LBO können jedoch nicht weiter reichen, als die einer entsprechenden Baulast. Eine auf dem Nachbargrundstück vorhandene Grenzbebauung kann die von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung daher nur in ihrem Umfeld ersetzen. Das an der Grenze geplante Bauvorhaben und das auf dem Nachbargrundstück bereits errichtete Grenzgebäude müssen zueinander in einer gewissen Beziehung stehen und beide Gebäude müssen sich in einem Maße überdecken, dass als Ergebnis einer beiderseitigen Grenzbebauung noch der Eindruck einer geschlossenen Bauweise vermittelt wird; nicht ausreichend ist, dass irgendwo an der gemeinsamen Grundstücksgrenze ein Grenzbau errichtet ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - NVwZ-RR 2015, 288). Eine andere Auslegung ist mit dem Zweck des § 5 Abs. 1 Satz 2 LBO nicht vereinbar, auch wenn die Entstehungsgeschichte der Norm dies nahelegen mag.
53 
Zweck dieser Vorschrift ist es, den Regelungen des Bauplanungsrechts, die gegebenenfalls eine Bebauung ohne Abstand der Gebäude voneinander vorsehen, auch im Bauordnungsrecht Geltung zu verschaffen (vgl. Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, 3. Aufl., Stand: März 2010, Band 1, § 5 Rn. 9 und 35 ). Durch diese Regelung soll eine nur einseitige Grenzbebauung verhindert werden, die sich ergeben könnte, wenn das Bauplanungsrecht ein Bauvorhaben an der Grenze gestattet, ohne zugleich zwingend für das Nachbargrundstück eine entsprechende Bebauung vorzuschreiben (vgl. VG Freiburg, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 K 952/10 - juris Rn. 3).
54 
Die genannten Voraussetzungen für die ausnahmsweise anzunehmende öffentlich-rechtliche Sicherung durch einen vorhandenen Grenzbau galten nach der Rechtsprechung der mit Bausachen befassten Senate bereits zu der Vorgängerregelung des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO a.F. (vgl. z.B. Beschluss vom 15.09.1993 - 3 S 1670/93 - juris Rn. 5). Allein die Ersetzung des Wortes „angebaut“ durch „an die Grenze gebaut“ in der seit dem 01.01.1996 geltenden Neuregelung führt entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und der Beigeladenen nicht dazu, dass nunmehr auf die Notwendigkeit einer hinreichenden Beziehung zwischen dem vorhandenen und dem geplanten Grenzbau verzichtet werden kann. Nach der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 11/5337 S. 80) war mit der Neuregelung zwar die Vorstellung verbunden, es müsse nunmehr dem „Zweitbauenden“ grundsätzlich möglich sein, ohne Anknüpfung an die bestehende Bebauung die planungsrechtlich zulässige Bebauungstiefe auszuschöpfen. Diese Vorstellung hat jedoch in Wortlaut und Systematik des Gesetzes keinen hinreichenden Niederschlag gefunden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2014 - 3 S 1368/14 - juris Rn. 23; VG Freiburg, Beschluss vom 06.07.2010 - 4 K 952/10 - juris Rn. 8). Zudem dient die Einhaltung von Abstandsflächen gerade der Sicherstellung der ausreichenden Belüftung und Beleuchtung der Gebäude und der unbebauten Grundstücksteile (vgl. Sauter a.a.O., § 5 Rn. 3). Hierauf wird in den Fällen des § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO verzichtet, weil der Landesgesetzgeber auch hier dem Planungsrecht den Vorrang einräumt, obwohl er dazu in Gebieten, in denen planungsrechtliche Vorschriften nicht zwingend eine geschlossene Bauweise verlangen, nicht verpflichtet wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.03.1994 - 4 B 53.94 - juris Rn. 4). Ein solcher Verzicht begründet indes - wegen der ähnlichen Interessenlage wie bei einer Doppelhausbebauung (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.02.2000 - 4 C 12.98 - BVerwGE 110, 355, 359) -ein gegenseitiges nachbarschaftliches Austauschverhältnis, das eine Grenzbebauung verlangt, aufgrund derer die Gebäude noch in einer gewissen Beziehung zueinander stehen und sich in relevanter Weise überdecken.
55 
Danach vermag die bereits vorhandene Grenzbebauung auf den Nachbargrundstücken der Klägerin zu 1 die von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO geforderte öffentlich-rechtliche Sicherung für die Errichtung des Bauvorhabens der Beigeladenen entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze nicht ersetzen. Das geplante Bauvorhaben steht zu der vorhandenen Grenzbebauung nicht mehr in einer gewissen Beziehung und die Gebäude überdecken sich nicht in einem Maße, dass noch der Eindruck der geschlossenen Bauweise vermittelt wird. Dafür ist zwar nicht erforderlich, dass die geplante Grenzbebauung und die vorhandene Grenzbebauung in Höhe und Tiefe der Baukörper weitestgehend deckungsgleich sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.02.2007 - 5 S 2826/06 - juris Rn. 11). Ab welcher Abweichung der Eindruck der geschlossenen Bauweise nicht mehr besteht, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls. So hat der 5. Senat des erkennenden Gerichtshof im Beschluss vom 12.09.1996 - 5 S 2232/96 - juris Rn. 5, auf den spätere Entscheidungen (vgl. Beschluss vom 10.01.2006 - 5 S 2335/05 - juris Rn. 6) Bezug nehmen, eine Abweichung von zwei Metern in der Tiefe und zwei bis drei Metern in der Höhe für zulässig erachtet. Entgegen der Ansicht der Beigeladenen verlangt danach auch der 5. Senat gerade eine weitgehende Deckungsgleichheit. Die genannten Maße überschreitet der vorgesehene Grenzbau deutlich. Die Grenzbebauung auf dem Flst.Nr. 30 ist ca. 25 m lang, die Grenzbebauung auf dem Flst.Nr. 30/2 beträgt ca. 13,5 m. Demgegenüber soll das Bauvorhaben entlang der gesamten Grundstücksgrenze beider Buchgrundstücke über eine Länge von ca. 70 m an der Grenze errichtet werden. Der Eindruck einer geschlossenen Bauweise wird so nicht mehr vermittelt. Auf den Einwand der Beigeladenen, wonach auch die Klägerin zu 1 bei einer künftigen Bebauung der Grundstücke von der geplanten Grenzbebauung profitieren könnte, kommt es in dem Zusammenhang nicht an. Gleiches gilt für den Hinweis der Beigeladenen, wonach die Klägerin zu 1 ihre Grundstücke überhaupt nur mit Grenzbauten bebauen könne, da wegen der Größe der Grundstücke Abstandsflächen nicht eingehalten werden könnten. Im Übrigen ist die Klägerin zu 1 etwa nach einem Untergang eines Gebäudes nicht gezwungen, überhaupt wieder ein Gebäude zu errichten. Weiter ist denkbar, dass sie bislang unbebaute Nachbargrundstücke erwirbt und so Abstandsflächen bei einer künftigen Bebauung eingehalten werden können.
56 
b) Auch die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche in einem Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO scheidet aus.
57 
Der Anspruch des Bauherrn auf Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche ist vom Gericht im Rahmen der Nachbarklage zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen, auch wenn eine Entscheidung der Baurechtsbehörde hierüber nicht vorliegt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.01.1996 - 5 S 2766/95 - juris Rn. 24). Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind jedoch nicht erfüllt. Ein Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder 3 LBO scheidet offensichtlich aus und ein Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO liegt ebenfalls nicht vor.
58 
Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO ist eine geringere Tiefe der Abstandsfläche zuzulassen, wenn Beleuchtung mit Tageslicht sowie Belüftung in ausreichendem Maße gewährleistet bleiben, Gründe des Brandschutzes nicht entgegenstehen und nachbarliche Belange nicht erheblich beeinträchtigt werden. Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs liegt eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vor, wenn die nachbarschützende Abstandsflächentiefe (vgl. § 5 Abs. 7 LBO) unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation auf dem Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante, tatsächliche oder rechtliche Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 27.11.2013 - 8 S 1813/13 - BauR 2014, 533 m.w.N.). Solche Besonderheiten sind vorliegend in Bezug auf die Grundstücke der Klägerin zu 1 nicht gegeben. Diese Grundstücke sind insbesondere auch nicht aufgrund der an der Grenze zum Flst.Nr. 33/1 errichten Grenzmauer weniger schutzwürdig. Dies ergibt sich bereits aus den völlig untergeordneten Ausmaßen der Mauer, die mit ca. 1,50 m Höhe deutlich hinter der vorgesehen Grenzbebauung zurücktritt und auch nur wenige Meter lang ist.
59 
2. Der Bauvorbescheid in der Gestalt, die er durch den Teilverzicht der Beigeladenen gefunden hat, verstößt ferner, soweit er die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens feststellt (Nr. 1 und 2), gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Denn das Vorhaben fügt sich nach dem Maß der baulichen Nutzung nicht in Eigenart der näheren Umgebung ein und beeinträchtigt dadurch die Nutzung der Nachbargrundstücke der Klägerin zu 1 und demzufolge auch das an diesen Grundstücken bestehende Nießbrauchsrecht der Klägerin zu 2 rücksichtslos.
60 
a) § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verleiht dem Nachbarn einen Abwehranspruch, wenn die angefochtene Baugenehmigung oder ein planungsrechtlicher Vorbescheid das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verletzt (st. Rspr. BVerwG, u.a. Urteil vom 13.03.1981 - 4 C 1.78 - BRS 38 Nr. 186). Nachbar im Sinne des Bodenrechts ist dabei nicht nur der jeweilige zivilrechtliche Eigentümer eines Grundstücks sondern auch - wie die Klägerin zu 2 - ein sonst in eigentumsähnlicher Weise an einem Grundstück dinglich Berechtigter, zu denen auch der Nießbraucher zählt. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme setzt dabei einen Verstoß gegen das objektive Recht voraus, der vorliegen kann, wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, Urteil vom 26.05.1978 - 4 C 9.77 - BVerwGE 55, 369 <385 f.>). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann auch vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seinem Maß der baulichen Nutzung, seiner Bauweise oder seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (BVerwG, Beschluss vom 11.01.1999 - 4 B 128.98 - NVwZ 1999, 879). Drittschutz wird gewährt, wenn in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist (BVerwG, Urteil vom 13.03.1981, a.a.O). Es kommt darauf an, dass sich aus den individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet (BVerwG, Urteil vom 05.12.2013 - 4 C 5.12 - BVerwGE 148, 290 m.w.N.). Das Gebot der Rücksichtnahme hebt insoweit auf die gegenseitige Verflechtung der baulichen Situation unmittelbar benachbarter Grundstücke ab und nimmt das nachbarliche Austauschverhältnis in den Blick (BVerwG, Urteile vom 16.09.2010 - 4 C 7/10 - NVwZ 2011, 436, und vom 05.12.2013 - 4 C 5/12 - BVerwGE 148, 290, 295).
61 
Nach diesen Grundsätzen ist das Bauvorhaben der Beigeladenen hinsichtlich seines Maßes der baulichen Nutzung gegenüber den Grundstücken der Klägerin zu 1 rücksichtslos. Da der Bebauungsplan „Alstadt Isny im Allgäu“ vom 10.10.1990 nur Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung enthält, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens im Übrigen, d.h. auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach § 34 Abs. 1 BauGB. Maßgebend für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach dem Maß der baulichen Nutzung ist die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Vorrangig ist auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt, wie die flächenmäßige Ausdehnung, die Geschosszahl und Höhe der den Rahmen bildenden Gebäude (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.03.1994 - 4 C 18.92 - BVerwGE 95, 277, 279, 282; Beschluss vom 03.04.2014 - 4 B 12.14 -juris Rn. 3). In der maßgeblichen Umgebungsbebauung, die wiederum durch das bereits beschriebene Straßengeviert gekennzeichnet wird, ist kein Baukörper vorhanden, der hinsichtlich seiner flächenmäßigen Ausdehnung mit dem Bauvorhaben vergleichbar ist. Das bislang größte Einzelgebäude in der maßgeblichen Umgebung ist das Gebäude ... Straße 7. Dessen Grundfläche wird durch das Bauvorhaben hinsichtlich Bebauungstiefe, Breite und Kubatur deutlich überschritten.
62 
Auf die von der Beigeladenen bei der Einnahme des Augenscheins verwiesenen Gebäude ... Straße 6 und ... Straße 43, die in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung mit dem Bauvorhaben vergleichbar seien, kommt es dagegen nicht an. Diese Grundstücke liegen außerhalb der für die Beurteilung des Einfügens maßgeblichen Umgebungsbebauung. Der Rahmen für die maßgebliche Umgebungsbebauung wird durch das bereits an anderer Stelle beschriebene Straßengeviert begrenzt, in dem die genannten Grundstücke nicht liegen. Auf diese Bereiche wirkt sich die Ausführung des Bauvorhabens der Beigeladenen weder aus, noch prägen oder beeinflussen diese Grundstücke ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung.
63 
Die danach vorliegende Rahmenüberschreitung hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung lässt die gebotene Rücksichtnahme gerade in Bezug auf die unmittelbar benachbarte Bebauung auf den Grundstücken der Klägerin zu 1 vermissen. Das Gesamtvolumen und die Gliederung des Baukörpers führen zu einer rücksichtslosen optisch erdrückenden Wirkung des Bauvorhabens insbesondere auf das Wohnhaus ... Straße 11a.
64 
Eine rücksichtslose erdrückende Wirkung nimmt die Rechtsprechung an, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich "die Luft nimmt", wenn für den Nachbarn das Gefühl des "Eingemauertseins" entsteht oder wenn die Größe des "erdrückenden" Gebäudes auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls - und gegebenenfalls trotz Wahrung der erforderlichen Abstandflächen - derartig übermächtig ist, dass das "erdrückte" Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem "herrschenden" Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. BVerwG, Urteile vom 13.08.1981 - 4 C 1.78 - BauR 1981, 354 und vom 23.05.1986 - 4 C 34.85 - BauR 1986, 542; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.08.2005 - 10 A 3138/02 -, juris Rn. 50, Beschlüsse vom 13.01.2006 - 10 B 971/05 -, juris Rn 5, und vom 18.02.2014 - 7 B 1416/13 - juris Rn. 5; Bay. VGH, Beschluss vom 29.07.2014 - 9 CS 14.709 - juris Rn. 19). Eine erdrückende Wirkung liegt danach nicht schon dann vor, wenn die bisherigen Verhältnisse durch eine bauliche Verdichtung geändert werden. Vielmehr muss von dem Vorhaben aufgrund der Massivität und Lage eine qualifizierte handgreifliche Störung auf das Nachbargrundstück ausgehen (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 19.03.2015 - 1 B 19/15 - juris Rn. 26).
65 
Gemessen hieran erweist sich das Bauvorhaben der Beigeladenen gegenüber den benachbarten Anwesen der Klägerin zu 1 als rücksichtslos. Der Augenschein des Senats hat gezeigt, dass sich zwischen den Gebäuden ...-Straße 11 und 11a eine als Garten genutzte Freifläche der beiden Wohnhausgrundstücke befindet. In dem Bereich befindet sich auch auf den Nachbargrundstücken keine Bebauung. Bei einer Verwirklichung des Vorhabens entstünde gerade hier eine Grenzbebauung, die, trotz der Gliederung des Baukörpers mit zurückspringenden Obergeschossen, insgesamt den Eindruck einer geschlossenen massiven Riegelbebauung vermittelt, die den Grundstücken der Klägerin zu 1 gleichsam „die Luft zum Atmen nimmt“. War die bisherige Bebauung von einer fast deckungsgleichen Grenzbebauung auf den Grundstücken Flst.Nrn. 27/2 und 30/2 geprägt, wird nunmehr entlang der gesamten Grundstückslängen ein in seinen Ausmaßen enorm kompakter Baukörper errichtet. Die Grenzbebauung zwischen den Gebäuden ... Straße 11 und 11a beträgt 22 m, die Höhe der Bebauung an der Grenze beträgt 4,6 bis 5,1 Meter. Gegenüber dieser Grenzbebauung tritt die vorhandene Grenzmauer in ihren Ausmaßen von nur 1,5 m deutlich zurück. Hinzu kommt die Höhendisparität zwischen dem rückwärtigen Querbau und dem Wohnhaus ... Straße 11a. Schließlich führt die Grenzbebauung auch zu einer massiven Verschattung des bisher als Garten genutzten Freiraumes zwischen den Gebäuden ... Straße 11 und 11a, die den Klägerinnen nicht zumutbar ist, zumal da die Grenzbebauung nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LBO zulässig ist.
66 
Die Klägerinnen sind hinsichtlich der grenzständigen Bebauung an den gemeinsamen Grundstücksgrenzen auch schutzbedürftig, da sie angesichts der in dem maßgeblichen Grundstücksbereich bislang prägend vorgegebenen Bauweise auch nicht damit rechnen mussten, dass entlang der gesamten Grundstücksgrenzen ein durchgängiges grenzständiges Gebäude errichtet wird.
67 
Zudem ermöglichen sowohl die vorgesehene 157,86 qm große Terrasse im zweiten Obergeschoss als auch die geplante 267,05 qm große Terrasse im dritten Obergeschoss im mittleren Bereich des Gebäudes Einblicke auf die Grundstücke der Klägerin zu 1, die das Maß dessen deutlich übersteigen, was Grundstückseigentümern auch im bebauten innerörtlichen Bereich regelmäßig zugemutet werden kann (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.09.2014 - 7 B 1037/14 - juris Rn. 10 m.w.N.).
IV.
68 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3 VwGO, 162 Abs. 3, 161 Abs. 2 VwGO. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren durch die Klägerinnen war notwendig (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
69 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
70 
Beschluss
71 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG auf15.000,- EUR festgesetzt (entsprechend der Streitwertfestsetzung im ersten Rechtszug).
72 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

III.

Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Anwesens Fl.Nr. ... der Gemarkung ..., ...-str. 23. Das Grundstück ist im straßenseitigen, nördlichen Bereich mit einem zweigeschossigen Wohngebäude mit Satteldach bebaut, das mit seiner westlichen Außenwand grenzständig an das zweigeschossige Anwesen auf Fl.Nr. ..., ...-str. 25, angebaut ist. Mit seiner am 1. Juli 2014 erhobenen Anfechtungsklage wendet er sich gegen eine dem Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom ... Juni 2014 für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Garage (E + I mit Flachdach) auf dem Grundstück Fl.Nr. ... der Gemarkung ..., ...-str. 25 a. Auf dem streitgegenständlichen Grundstück war bislang ein im Jahr 1928 genehmigtes Gartenhaus im südlichen, rückwärtigen Grundstücksbereich im Inneren des aus der ...-straße im Norden und der ...-allee im Westen sowie der ...-straße im Osten gebildeten Gevierts. Das bisherige Gebäude hatte eine Grundfläche von 10 m x 6 m und eine Höhenentwicklung von 3,80 m Traufhöhe sowie eine Firsthöhe von etwa 7,10 m. Mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom ... Juni 2014 wurde nunmehr ein zweigeschossiges Gebäude mit Flachdach genehmigt, dessen südliche Außenwand im Vergleich zum bisherigen Bestandsgebäude um etwa 4 m Richtung Norden versetzt ist. Die nördliche Außenwand ist ca. 5,50 m nach Norden versetzt. Das Gebäude hat eine Grundfläche von 12,545 m x 7,58 m. An der westlichen Grundstücksgrenze ist in unmittelbarem Anschluss an das Hauptgebäude eine Garage mit Abstellraum und einer Grundfläche von 3 m x 7,58 m und einer Höhe von 3 m vorgesehen. Das Hauptgebäude soll eine Höhe von 5,94 m erhalten, wobei das Obergeschoss auf der Ostseite gegenüber dem Erdgeschoss um 2,83 m zurückgesetzt ist und hier eine Dachterrasse errichtet werden soll, die im Süden an den auf der Südseite über eine Länge von 9,685 m vorgesehenen Balkon anschließt. Die östliche Grundstücksgrenze grenzt teilweise an das Grundstück des Antragstellers an, teilweise auch an das Grundstück des Anwesens ...-str. 7 (Fl.Nr. ...).

Im Geviert befinden sich entlang der ...-straße und der ...-straße übergeleitete Baulinien in Form einer straßenseitigen Straßenbegrenzungslinie sowie im Abstand von 5 m hierzu einer vorderen Baulinie. Weitergehende, planungsrechtliche Festsetzungen bestehen nicht.

Lageplan, Maßstab 1:1000

Bild

Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 24. Juli 2014, der bei Gericht am 25. Juli 2014 eingegangen ist, hat der Antragsteller beantragt:

Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 1. Juli 2014, M 8 K 14.2783, gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom ... Juni 2014, ..., betreffend den Neubau eines Einfamilienhauses (Flachdach) mit Garage auf dem Grundstück Fl.Nr. ..., Gemarkung ..., wird angeordnet.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, das Geviertsinnere sei grundsätzlich von jeglicher Hauptnutzung durch Bauwerke frei, ausgenommen die Wohnnutzung im Bestandsgebäude auf dem Baugrundstück. Dieses sei im Jahre 1928 baurechtlich genehmigt worden; seine Grundfläche betrage 10,00 m x 6,00 m, die genehmigte Wandhöhe betrage 4,00 m. Das Gebäude sei eingeschossig mit ausgebautem Dachgeschoss genehmigt; die Wohnfläche betrage ca. 75 m².

Die Antragsgegnerin habe am ... Februar 2014 unter dem Az. ... einen positiven Vorbescheid für den Neubau eines Wohngebäudes erteilt. Danach halte die Antragsgegnerin die Errichtung eines zweigeschossigen Einfamilienhauses mit einer Wandhöhe von 5,94 m, einem Walmdach bei einer Firsthöhe von 9,75 m, einer Grundfläche 7,63 m x 9,71 m zuzüglich eines erdgeschossigen Anbaus in einer Tiefe von 2,94 m und darüber liegendem Terrassenbereich sowie einer Garage im rückwärtigen Bereich nach § 34 Abs. 3a BauGB für bauplanungsrechtlich zulässig. Sie begründe dies damit, dass es sich um die Erneuerung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken in geringfügig größerer Form handele, welche städtebaulich vertretbar und unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei. Der Antragsteller habe gegen den Vorbescheid fristgerecht Klage zum Verwaltungsgericht erhoben, die unter dem Az. M 8 K 14.1243 geführt werde.

Am ... Mai 2014 habe die Antragsgegnerin unter dem Az. ... einen ersten Baugenehmigungsbescheid für den Neubau eines Wohngebäudes auf dem streitgegenständlichen Grundstück erteilt, gegen den der Antragsteller fristgerecht Klage zum Verwaltungsgericht erhoben habe, die unter dem Az. M 8 K 14.2786 geführt werde.

Zuletzt habe die Antragsgegnerin am ... Juni 2014 unter dem Az. ... den antragsgegenständlichen Baugenehmigungsbescheid erlassen, gegen den der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht erhoben habe, die unter dem Az. M 8 K 14.2783 geführt werde.

Für den Bescheid vom ... Juni 2014 liege zwischenzeitlich eine Baubeginnsanzeige vor und sei das Bauvorhaben auch tatsächlich bereits begonnen worden und werde beschleunigt vorangebracht. Das Bestandsgebäude sei abgerissen worden; der Rohbau habe bereits die Bereiche des Erdgeschosses erreicht. In der Kubatur erreiche das Vorhaben jedenfalls die Maße, die durch den im Vorbescheidsverfahren abgefragten Baukörper beschrieben worden seien, einzig sei statt eines Sattel- bzw. Walmdaches nun eine Flachdachvariante geplant.

Versuche einer gütlichen Einigung mit dem Erwerber des Grundstücks seien bislang nicht erfolgreich gewesen.

In rechtlicher Hinsicht wird ausgeführt, die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom ... Juni 2014 werde im Hinblick auf eine Verletzung drittschützender Rechte erfolgreich sein. Die Antragsgegnerin erachte das gegenständliche Vorhaben zu Unrecht für gemäß § 34 Abs. 3 a BauGB planungsrechtlich zulässig. Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bestimme sich nach den § 30 Abs. 3 i. V. m. § 34 BauGB. Im Rahmen des § 34 BauGB werde Nachbarschutz regelmäßig durch das im „Einfügen“ enthaltene Gebot der Rücksichtnahme gewährleistet. Die Antragsgegnerin gehe vorliegend jedoch gar nicht davon aus, dass sich das streitgegenständliche Bauvorhaben in die nähere bauliche Umgebung einfüge. Daher begründe sie die Entscheidung mit dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 34 Abs. 3a BauGB. Danach könne vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung einer zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden baulichen Anlage diene, städtebaulich vertretbar und auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei.

Vorliegend stelle sich schon die Frage nach der Anwendbarkeit des § 34 Abs. 3a BauGB. Die Vorschrift beziehe sich explizit auf Abweichungen vom Einfügenserfordernis gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handele es sich jedoch um ein solches im Rahmen eines faktischen reinen Wohngebietes gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 3 BauNVO. Überdies habe der Bundesgesetzgeber im Rahmen des § 34 Abs. 3 a BauGB zwar nach wohl überwiegender Auffassung durch die Formulierung „Erneuerung einer zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden baulichen Anlage“ auch die vollständige Neuerrichtung des Gebäudes miterfasst. Zugleich liege in dem Begriff der „Erneuerung“ bezogen auf die bestehende bauliche Anlage auch - gegenüber der „Neuerrichtung irgendeiner baulichen Anlage“ - ein beschränkendes Moment. Dieses bestehe darin, dass durch § 34 Abs. 3a BauGB gerade kein völlig neues Bauvorhaben erfasst werde, sondern nur solche Vorhaben, die noch als im Kern identitätswahrend zum Altbestand einzustufen seien. Auch diese Anforderung des § 34 Abs. 3a BauGB werde durch das streitgegenständliche Vorhaben bei Weitem nicht mehr erfüllt.

Darüber hinaus seien auch die Voraussetzungen für die Anwendung des § 34 Abs. 3a Satz 1 BauGB nicht erfüllt. Insbesondere fehle es an dem Erfordernis einer Atypik des Einzelfalles, wie sie in § 34 Abs. 3a Satz 1 Halbsatz 1 BauGB ausdrücklich gefordert werde. In Anlehnung an das frühere Befreiungserfordernis der Atypik im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB komme eine Einzelfallgenehmigung nicht in Betracht, wenn auf Umstände abgestellt werde, die auf mehr als nur einzelne Grundstücke übertragen werden könnten. Gerade im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung wie auch die Grundstücksfläche, welche überbaut werden könne, finde sich im vorliegend maßgeblichen Geviert eine Mehrzahl von Grundstücken, auf welchen - sei es durch Anbau, sei es durch separate Baukörper - vergleichbare Fragestellungen aufgeworfen werden könnten (Fl.Nrn. ..., ..., ... und ...).

Die Entscheidung auf der Grundlage des § 34 Abs. 3a Satz 1 BauGB stelle überdies eine Ermessensentscheidung dar, was zur Folge habe, dass eine entsprechende Ermessensentscheidung erkennbar werden und fehlerfrei erfolgen müsse, woran es im streitgegenständlichen Bescheid mangele. Dieser enthalte keinerlei ersichtliche Ermessensentscheidung. Die abgegebene Begründung erschöpfe sich in der mehr oder weniger wortgetreuen Wiedergabe des Gesetzestextes. Jedenfalls im Hinblick auf die Würdigung nachbarlicher Interessen liege ein vollständiger Ermessensausfall vor, da weder individuelle nachbarliche Belange der angrenzenden Grundstücke, noch pauschalierend denkbare, allgemein betroffene, nachbarliche Interessenlagen benannt, bewertet oder gar abgewogen worden seien. Den vollständigen Ermessensausfall könne die Antragsgegnerin im laufenden Gerichtsverfahren auch nicht mehr nachbessern.

Darüber hinaus verkenne die Antragsgegnerin zentrale Sachverhalte und Parameter, die vorliegend maßgeblich dafür seien, dass das streitgegenständliche Vorhaben im Hinblick auf seine unmittelbare Nachbarbebauung als in bauplanungsrechtlicher Hinsicht rücksichtslos zu qualifizieren sei. Die Antragsgegnerin verkenne, dass es sich bei dem Vorhaben nicht lediglich um die Erneuerung eines Wohngebäudes im Sinne von § 34 Abs. 3a Satz 1 BauGB, sondern um eine Kombination aus Erneuerung und Erweiterung der baulichen Anlage handele. Dabei führe die Erweiterung des Bauwerkes keineswegs lediglich zu einer Anlage in „geringfügig größerer Form“. Das genehmigte Vorhaben erhalte gegenüber dem vorhandenen Bauwerk eine um mehr als 50% größere Grundfläche, unter Einrechnung der Garage sowie der Terrassenfläche verdopple sich die Grundfläche des Vorhabens. Aufgrund des Umstandes, dass anstelle eines Gebäudes mit E + D nunmehr ein Gebäude E + 1 errichtet werden solle, verdopple sich gegenüber dem baulichen Bestand auch die Geschossfläche. Die zulässige Wandhöhe als maßgeblicher Parameter - unter anderem für abstandsflächenrechtliche Fragestellungen und damit auch für nachbarschützende Belange wie Belichtung, Belüftung, Besonnung und sozialen Wohnfrieden - verändere sich von 4 m auf knapp 6 m, wächst demzufolge ebenso um knapp 50%.

Bezeichnend sei, dass im Baugenehmigungsbescheid nicht einmal der Versuch unternommen werde, zu erläutern, weswegen bzw. inwieweit die vorgenannte Veränderung des baulichen Bestandes „städtebaulich vertretbar“ sein sollte. Dies sei ersichtlich mit der durch die Antragsgegnerin in einer Vielzahl vergleichbarer Einzelfälle von baulichen Anlagen im rückwärtigen Bereich von Wohngevierten, in welchen die Antragsgegnerin stets versuche, gerade im Geviertinneren eine Nachverdichtung zu verhindern oder zumindest zu minimieren, unvereinbar.

Bei der Würdigung der betroffenen Belange wäre ferner zu berücksichtigen gewesen, dass es sich bei dem Vorhaben im fraglichen Geviert städtebaulich um einen an sich unzulässigen „Fremdkörper“ handele, der ausnahmsweise nach § 34 Abs. 3a BauGB zugelassen werden könne. Die bodenrechtlichen Spannungen, die bereits durch das Bestandsgebäude ausgelöst würden, würden durch den geplanten, weitaus größer dimensionierten Neubau eine erhebliche Verstärkung erfahren.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 6.10.1989, BayVBl 1990, S. 154/155) sei in vergleichbaren Fällen nicht von einem „gewissen Vorrang der Interessen des Bauherren“ auszugehen, sondern von der grundsätzlichen Gleichrangigkeit der beiderseitigen Interessen. Die Entscheidung habe ein Vorhaben betroffen, das den Festsetzungen eines Bebauungsplanes widersprochen habe und nur ausnahmsweise über eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB habe zugelassen werden können. Eine derartige Abwägung der gleichrangigen Interessen sei dem vorliegenden Bescheid nicht zu entnehmen. Sie könne in Anbetracht der Vorhabenparameter auch nicht zugunsten des Vorhabens ausfallen.

Das Vorhaben führe in Verbindung mit der Verschiebung des Bauwerkes um 5,50 m nach Norden insbesondere zu einer massiven Beeinträchtigung gerade der nördlich gelegenen Wohngebäude, unter anderem dasjenige des Antragstellers. Die Einengung des Blickfeldes von der Terrasse und des Balkons dieser Anwesen, verstärkt durch die größere Höhe des Bauwerkes, und umgekehrt die Vergrößerung der Einsichtsmöglichkeit von dem neuen Bauwerk aus, brächten zusammen erhebliche und nicht hinnehmbare Verschlechterungen der Wohnqualität und der Aufenthaltsmöglichkeiten - sowohl im Außenbereich als auch in den rückwärtig gelegenen Zimmern im Innenbereich der nördlich benachbarten Gebäude mit sich. Durch den Neubau würde eine Innenhofsituation geschaffen, die dem bisherigen Charakter der rückwärtigen Gärten - auch des Antragstellers - grundlegend verändere und deren Nutzung gravierend beeinträchtige. Diese Beeinträchtigungen und Nachteile für die Nachbarn seien weit schwerer zu gewichten als die Interessen des Bauherren an einer Erneuerung und erheblichen Vergrößerung des Wohngebäudes sowie einer Verbesserung der dortigen baulichen Situation durch Verschiebung des Baukörpers. Bei der Beurteilung des Bauvorhabens im Hinblick auf die Grundfläche bzw. die überbaubare Grundstücksfläche sei vorliegend auch die besondere Gestalt des Grundstücks als so genanntes „Hammergrundstück“ in Rechnung zu stellen. Dabei ergebe sich, dass von der Gesamtfläche des Baugrundstücks von etwa 372 m² faktisch die Fläche des Zufahrtstreifens im Umfang von etwa 75 m² in Abzug zu bringen sei. Im Ergebnis seien die Auswirkungen des Vorhabens auf die angrenzenden Nachbargrundstücke - insbesondere dasjenige des Antragstellers - in dem vorliegenden, rückwärtigen Ruhe- und Wohngartenbereich des Gevierts schwerwiegend, unerträglich und nicht zumutbar.

Mit Schriftsatz vom 6. August 2014 haben die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen dessen Vertretung angezeigt, Akteneinsicht beantragt sowie wegen Urlaubsabwesenheit des Sachbearbeiters eine Stellungnahmefrist bis zum 20. August 2014 beantragt.

Mit Schriftsatz vom 11. August 2014 haben die Bevollmächtigten des Antragstellers einen so genannten „Schiebebeschluss“ beantragt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, das Bauvorhaben werde unablässig bis zu seiner Fertigstellung vorangetrieben. Aktuelle Fotoaufnahmen belegten, dass der Rohbau mittlerweile beinahe vollendet sei. Das Bauvorhaben stoße auch abstandsflächenrechtlich auf erhebliche Legalitätsbedenken, die wegen des eingeschränkten Prüfprogrammes im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO nicht Gegenstand des vorliegenden Hauptsache- und Eilverfahrens seien. Der Antragsteller habe sich bereits parallel an die Bauaufsichtsbehörde gewendet.

In diesem Zusammenhang sei der Antrag des Beigeladenen auf Akteneinsicht, Aktenvorlage und Fristverlängerung - welcher am 8. August 2014 eingegangen sei - inhaltlich so nicht akzeptabel. Der Anwaltskollege, auf dessen Urlaubsrückkehr gewartet werden solle, sei nach eigenem Bekunden gegenüber dem Unterfertigten selbst Käufer der Immobilie. Nachdem das Bauvorhaben in Kenntnis des Eilverfahrens unverändert vorangetrieben werde, habe ein weiteres Zuwarten im Eilverfahren allein zur Folge, dass endgültig Fakten geschaffen würden, deren Rückgängigmachung nur mehr schwerlich möglich sein werde. Überdies sei der anwaltliche Vertreter des Beigeladenen als Käufer der Immobilie mit dem Bauvorhaben und der behördlichen Aktenlage bestens vertraut.

Im Interesse der Effektivität des Rechtschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sei eine belastende Verfügung auf Antrag vorläufig außer Vollzug zu setzen, um zu verhindern, dass bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts gemäß § 80 Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO vollendete Tatsachen geschaffen würden und wirksamer Rechtschutz dann nicht mehr möglich sei.

Vorliegend ergebe die anzustellende Interessenabwägung, dass die beantragte Zwischenentscheidung erforderlich sei. Dabei seien die Folgen, die einträten, wenn der angegriffene Verwaltungsakt - nunmehr abschließend - vollzogen und das Bauvorhaben vollendet würden und der Eilantrag später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die Vollziehung ausgesetzt und der Eilantrag später abgelehnt würde.

Mit Schreiben vom 8. August 2014, bei Gericht eingegangen am 11. August 2014, ist die Antragsgegnerin und Vorlage der Bauakte dem Antrag entgegengetreten und beantragt:

Der Antrag wird abgelehnt.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Baugenehmigung sei auf der Grundlage von § 34 Abs. 3a BauGB erteilt worden, weil sich der Baukörper in Bezug auf die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, nicht in die nähere Umgebung einfüge. Bei der Entscheidung auf der Grundlage von § 34 Abs. 3a BauGB seien auch die nachbarlichen Interessen zu würdigen, was eine gesetzliche Verankerung des Gebotes der Rücksichtnahme darstelle. Regelmäßig komme dem Erfordernis „unter Würdigung nachbarlicher Belange“ neben dem Erfordernis der städtebaulichen Vertretbarkeit keine zusätzliche Bedeutung zu. Daher vermittle § 34 Abs. 3 a BauGB keinen Nachbarschutz.

Vorliegend sei ohne weiteres ersichtlich, dass das Bauvorhaben als städtebaulich vertretbar angesehen werden könne. Es könne auch durch eine entsprechende Festsetzung in einem Bebauungsplan zugelassen werden. Zwar sei richtig, dass sich die Abmessungen des Gebäudes gegenüber dem Altbestand erhöht bzw. vergrößert hätten. Dies führe jedoch noch nicht zur Unzumutbarkeit oder zur Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Nachbarn. Eine solche wäre nur denkbar, wenn der Baukörper gegenüber dem Nachbargrundstück „erdrückend“ oder „einmauernd“ in Erscheinung treten würde. Dies sei hier nicht der Fall; der Baukörper beachte in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung den Rahmen der näheren Umgebung und halte ausreichend Abstand zu den Nachbargrundstücken ein.

Mit Schreiben vom 11. August 2014 hat die Antragsgegnerin zum Antrag auf Erlass eines Schiebebeschlusses mitgeteilt, dass sie die Entscheidung hierüber in das Ermessen der Kammer lege. Bei der Ermessensentscheidung sei allerdings zu berücksichtigen, dass zwar die Klage bereits am 1. Juli 2014 erhoben, der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO aber erst am 24. Juli 2014 gestellt worden sei.

Mit Schriftsatz vom 14. August 2014 haben die Prozessbevollmächtigten des Beigeladenen beantragt,

den Antrag vom 24.07.2014 und den Antrag vom 11.08.2014 (Schiebebeschluss) kostenpflichtig abzuweisen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, das Vorhaben nehme ausreichend Rücksicht auf die Belange der Nachbarn. Die neue Gebäudehöhe mit Flachdach mit 5,95 m liege deutlich unter der des bisherigen Altbestandes mit einer Firsthöhe von 7,30 m. Die Grundfläche des Erdgeschosses sei nur unwesentlich, die des Obergeschosses kaum größer als die des Altbestandes. Das Vorhaben halte die Abstandsflächen ein, die im Übrigen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens seien. Die umliegenden Gebäude, insbesondere das des Antragstellers, seien deutlich größer und höher als der Neubau. Im Grenzbereich des Vorhabensgrundstücks zum Grundstück des Antragstellers stünden alte hohe Bäume, weshalb eine wesentliche, rechtlich bedeutsame Beeinträchtigung des Antragstellers ausscheide, da dessen Blickrichtung bereits durch die Bäume auf seinem Grundstück beeinträchtigt sei.

Das Bauvorhaben sei gem. § 34 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig. Jedenfalls sei es zulässig, da es sich gem. § 34 Abs. 3a BauGB lediglich um eine Erneuerung (mit geringfügiger Erweiterung) einer zu Wohnzwecken dienenden baulichen Anlage handle, die städtebaulich vertretbar und auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei. Das Vorhaben erhalte keine um mehr als 50% größere Grundfläche; der Baukörper sei im OG nur 9,71 m lang und 7,63 m breit, wogegen der Altbestand 10,0 m lang gewesen sei. Der Balkon und die Terrasse seien bei der Beurteilung nicht heranzuziehen. Die Änderung von E +D zu E +I führe nicht zu einer Verdoppelung der Geschossfläche. Der Altbestand habe eine Wandhöhe von 4,37 m, eine Traufhöhe von 3,81 m und eine Firsthöhe von 7,30 m gehabt, das streitgegenständliche Vorhaben solle eine Gesamthöhe von 5,94 m aufweisen. Das Vorhaben sei nicht mit einer Vielzahl von Fällen vergleichbar und stelle auch keinen Fremdkörper dar, da im unmittelbaren südlichen Bereich ein sehr großes Flachdachgebäude mit drei Vollgeschossen existiere. Das Blickfeld des Antragstellers werde nicht eingeengt, da das Obergeschoss im östlichen Bereich um drei Meter zurückspringe. Im Grenzbereich werde der Blick durch die vorhandenen Bäume auf dem Grundstück des Antragstellers eingeengt. Da der Abstand der Gebäude über 11 m betrage (im OG wegen des Rücksprungs 13 m), werde keine Innenhofsituation geschaffen. Zudem liege das Vorhaben nicht direkt vor dem Haus des Antragstellers, sondern nach Westen versetzt, weshalb die Blickrichtung nach Süden nicht beeinträchtigt werde. Schließlich sei der Neubau hinsichtlich der Garten-, Balkon- und Fensterflächen nach Süden, und damit vom Grundstück des Antragstellers abgewandt ausgerichtet.

Mit Schriftsatz vom 18. August 2014 haben die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zu den Stellungnahmen der Antragsgegnerin vom 8. und vom 11. August 2014 ausgeführt, die zeitliche Divergenz zwischen Klageerhebung und Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO sei dem Umstand geschuldet, dass bei Klageerhebung mit der sofortigen und resoluten Bauumsetzung nicht zu rechnen gewesen sei und zudem ein im Ergebnis fruchtloser Versuch einer gütlichen Einigung unternommen worden sei. Im Übrigen belegten die Ausführungen der Antragsgegnerin den teilweisen Ermessensausfall im streitgegenständlichen Bescheid. Die Annahme, der Würdigung nachbarlicher Belange komme neben der städtebaulichen Vertretbarkeit keine zusätzliche Bedeutung zu, entspreche einer Ermessenshandhabung, die nachbarliche Belange letztendlich keines Blickes würdige, was unabhängig von der Einhaltung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots keine gerichtliche Bestätigung finden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg, da die in der Hauptsache vom Antragsteller erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird, da die angefochtene Baugenehmigung vom ... Juni 2014 bei summarischer Prüfung keine nachbarschützenden Vorschriften des Bauplanungs- oder Bauordnungsrechtes verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Nach § 212a Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind - die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 80 Rn. 146; Schmidt in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 71). Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Schmidt, a. a. O., § 80 Rn. 73 ff.).

2. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht - auch nicht teilweise - dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B. v. 24.3.2009 - 14 CS 08.3017 - juris Rn. 20). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung dieses Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B. v. 16.1.1997 - 4 B 244/96, NVwZ 1998, 58 - juris Rn. 3; BayVGH, B. v. 14.10.2008 - 2 CS 08.2132 - juris Rn. 3).

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung, sprechen die überwiegenden Gründe dafür, dass das mit der streitgegeständlichen Baugenehmigung zugelassene Bauvorhaben weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht gegen drittschützende Rechte des Antragstellers verstößt, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (Art. 59 Abs. 1 BayBO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Voraussichtlich verletzt die Baugenehmigung nicht das nachbarschützende bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot.

3. Im vorliegenden Fall war ein vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Bayerische Bauordnung (BayBO) durchzuführen, da es sich bei dem Wohnbauvorhaben nicht um einen Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren wird im Wesentlichen nur die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens geprüft (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Variante 1 BayBO). Bauordnungsrechtliche Anforderungen sind nur im Prüfprogramm enthalten, wenn Abweichungen beantragt wurden (Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO) oder sich entsprechende Anforderungen aus den für das Vorhaben einschlägigen örtlichen Bauvorschriften ergeben (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Variante 2 BayBO).

Im Hinblick auf die danach hier zum Prüfprogramm gehörenden nachbarschützenden Vorschriften ist die erteilte Baugenehmigung voraussichtlich nicht zu beanstanden.

3.1 Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bestimmt sich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Hinsichtlich der nach § 173 Abs. 3 BBauG 1960 und § 233 Abs. 3 BauGB übergeleiteten Straßenbegrenzungslinie und der vorderen roten Baulinie (Gebäudefluchtlinie) ist davon auszugehen, dass die Gebäudefluchtlinie lediglich die rechtliche Wirkung hat, dass die vordere Gebäudeflucht unmittelbar an diese Linie herangerückt werden muss, allein aus ihrer Festsetzung sich aber nicht die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines Rückgebäudes ergibt (vgl. BayVGH, B. v. 4.9.1984 - 2 CS 84 A.1559, BayVBl 1984, 726; vgl. auch VG München, U. v. 13.5.2013 - M 8 K 12.2534 - juris Rn. 83 ff.). Daher ist vorliegend für das im rückwärtigen Bereich gelegene Vorhaben die überbaubare Grundstücksfläche nicht nach § 30 Abs. 3 BauGB nach dem übergeleiteten Bauliniengefüge zu bestimmen.

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise sowie der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben und darf das Ortsbild nicht beeinträchtigt werden. Sofern die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, § 34 Abs. 2 BauGB.

3.2 Vorliegend ist aufgrund des dem Gericht vorliegenden Lageplans davon auszugehen, dass es sich bei dem Geviert ...-straße/...-allee/...-straße um ein reines Wohngebiet im Sinne von § 3 BauNVO handelt, so dass sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art gem. § 34 Abs. 2 BauGB nach § 3 BauNVO bestimmt. Nach der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom ... Juni 2014 sowie den genehmigten Plänen wurde der Neubau eines Einfamilienhauses, und damit eines Wohngebäudes genehmigt, das gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO allgemein im reinen Wohngebiet zulässig ist.

3.3 Im Hinblick auf die überbaubare Grundstücksfläche kommt es auf die straßenseitige Baulinie aufgrund der vorstehenden Ausführungen unter 3.1 nicht an, so dass dieses Merkmal allein nach der in der näheren Umgebung vorhandenen Bebauung zu beurteilen ist.

Hier findet sich nach den Lageplänen im Geviert mit Ausnahme des bisher auf dem Baugrundstück vorhandenen Bestandsgebäudes kein Hauptgebäude, das eine vergleichbare Bebauungstiefe aufweist. Das Bestandsgebäude wies eine Bebauungstiefe von ca. 39 m auf, der nach Norden versetzte Neubau soll eine Bebauungstiefe von ca. 35 m aufweisen. Sofern man in dem bisherigen Bestandsgebäude, dem einzigen Hauptgebäude im Geviertsinneren mit im Vergleich zur sonstigen Umgebungsbebauung relativ bescheidenen Größen (6 m x 10 m; E + D), einen aus der maßgeblichen Umgebungsbebauung auszuscheidenden Fremdkörper erblicken wollte, würde sich das streitgegenständliche Vorhaben im Hinblick auf die überbaubare Grundstücksfläche mit der vorgesehenen Bebauungstiefe objektiv nicht im Sinne von Art. 34 Abs. 1 BauGB einfügen. Entsprechend wäre dann für das Merkmal der überbaubaren Grundstücksfläche ein Rückgriff auf § 34 Abs. 3a BauGB erforderlich.

Stellt sich dagegen das bisherige Bestandsgebäude nicht als Fremdkörper dar und wirkt diese Bebauung trotz ihrer Beseitigung noch planungsrechtlich prägend fort, wäre das Vorhaben im Hinblick auf die Bebauungstiefe und damit das Kriterium der überbaubaren Grundstücksfläche objektiv zulässig.

Letztendlich bedarf dies vorliegend keiner abschließenden Entscheidung, denn die Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung, über die Bauweise und die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, sind nach ganz herrschender Meinung nicht nachbarschützend (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 - 4 B 215/95, NVwZ 1996, 888 - juris Rn. 3; BayVGH B. v. 6.11.2008 - 14 ZB 08.2327 - juris Rn. 9; BayVGH, B. v. 12.9.2013 - CS 13.1351 - juris Rn. 3 m. w. N.).

4 Auch soweit der Antragsteller rügt, es lägen schon objektiv die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 3a BauGB nicht vor und bei der nach dieser Vorschrift zu treffenden Ermessensentscheidung seien wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigt worden bzw. es liege ein vollständiger Ermessensausfall vor, vermag dies voraussichtlich der Klage und damit auch dem hier zu entscheidenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht zum Erfolg zu verhelfen.

4.1 Nach der Rechtsprechung und Literatur soll § 34 Abs. 3a BauGB nicht auf Vorhaben Anwendung finden, die nach § 34 Abs. 2 BauGB einschließlich des dort anwendbaren § 31 Abs. 2 BauGB zu beurteilen sind (vgl. OVG Lüneburg, B. v. 8.2.2011 - 1 LA 109/08 - juris Rn. 19; OVG Berlin, B. v. 14.3.2012 - OVG 10 N 34.10 - juris Rn. 18; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 112. ErgL 2014, § 34 Rn. 87b). Angeführt wird insoweit der Wortlaut des § 34 Abs. 3a BauGB „Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 …“. Hieraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, auf Vorhaben, die sich in einem faktischen Baugebiet befinden und die hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung gem. § 34 Abs. 2 BauGB allein nach der BauNVO zu beurteilen sind, sei auch hinsichtlich der übrigen Einfügenskriterien eine Anwendung des § 34 Abs. 3a BauGB ausgeschlossen. Zwar enthielt der der heutigen Regelung vergleichbare § 34 Abs. 3 BauGB 1987 die Formulierung „Nach den Absätzen 1 und 2 unzulässige Erweiterungen …“, bezog also ausdrücklich Vorhaben nach § 34 Abs. 2 BauGB in den Anwendungsbereich der abweichungsfähigen Vorhaben mit ein. Allein aufgrund der Formulierung die in einem faktischen Baugebiet gelegenen Vorhaben auch hinsichtlich der Kriterien Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche vom Anwendungsbereich des § 34 Abs. 3a BauGB auszunehmen, würde übersehen, dass auch die in einem faktischen Baugebiet gelegenen Vorhaben zunächst Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind, und ausschließlich hinsichtlich ihrer Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 2 BauGB nach den Sonderregerlungen der BauNVO zu beurteilen sind. Hinsichtlich der übrigen Einfügenskriterien sind und bleiben sie weiterhin Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Hierfür spricht nicht zuletzt auch der Umstand, dass die gesetzgeberische Intention, über § 34 Abs. 3a BauGB pragmatische Lösungen zu ermöglichen, ohne dass ein Bebauungsplan zum Ausgleich der betroffenen Belange erforderlich ist (vgl. Söfker, a. a. O., § 34 Rn. 87), gleichermaßen in mehr oder weniger zufällig vorhandenen faktischen Baugebieten Geltung beansprucht und nicht nur von der Homogenität oder Inhomogenität der Umgebungsbebauung abhängig sein kann. Die Vorschrift dient sowohl der Erhaltung als auch der Weiterentwicklung einer vorhandenen und baurechtlich Billigens werten Situation (Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 34 Rn. 74).

Von daher ist die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 3a BauGB hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche vorliegend nicht deswegen ausgeschlossen, dass es sich bei der näheren Umgebung um ein faktisches reines Wohngebiet handelt.

4.2 Die Vorschrift umfasst sowohl die Erweiterung als auch die Erneuerung von baulichen Anlagen, wobei die einzelnen in § 34 Abs. 3a BauGB genannten Vorhaben auch miteinander verbunden werden können (vgl. Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 34 Rn. 76 unter Hinweis auf BVerwG, B. v. 16.3.1993 - 4 B 253/92, NVwZ 1994, 266 - juris, noch zu § 34 Abs. 3 BauGB 1987).

Erweiterungen von baulichen und sonstigen Anlagen sind Baumaßnahmen, die den vorhandenen Bestand ergänzen. Unter Änderung ist die Änderung der Substanz einer vorhandenen baulichen Anlage zu verstehen, insbesondere der Umbau, der Ausbau oder die Modernisierung, und zwar sowohl im Inneren als auch im Äußeren der Anlage. Erneuerung ist die Beseitigung einer vorhandenen Anlage mit anschließender Neuerrichtung an gleicher Stelle (vgl. Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 34 Rn. 76).

Vorliegend ist fraglich, ob es sich noch um eine zulässige Kombination der Erneuerung bei gleichzeitiger Erweiterung der Anlage handelt, da das Vorhaben nicht exakt an der gleichen Stelle wie der Altbestand errichtet werden soll. Die südliche Außenwand wird um ca. 4 m nach Norden abgerückt, die nördliche Außenwand um ca. 5,50 m. Die Grundflächen des Altbestandes und des streitgegenständlichen Vorhabens sind damit lediglich in einem Umfang von ca. 2,10 x 10,00 m deckungsgleich.

4.3 Auch hinsichtlich der zu treffenden Ermessensentscheidung bestehen grundsätzlich Bedenken, ob die Ausführungen im Bescheid vom ... Juni 2014 den hieran zu stellenden Anforderungen gerecht werden. Wie vom Antragsteller gerügt, gehen die Ausführungen hierzu nicht über eine Wiedergabe des Gesetzestextes hinaus und stellen insbesondere keine einzelfallbezogene Abwägung aller hier betroffenen öffentlichen und privaten Belange dar. Der Bescheid lässt auch nicht erkennen, inwieweit hier eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt und inwieweit - d. h. hinsichtlich welcher Einfügenskriterien - von der Abweichungsmöglichkeit nach § 34 Abs. 3a BauGB Gebrauch gemacht werden sollte.

4.4 Trotz der vorstehenden Bedenken gegen die objektivrechtliche Rechtmäßigkeit des Bescheids vom ... Juni 2014 wird die Klage des Antragstellers in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben, da dieser hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt ist.

Mit der Einführung des § 34 Abs. 3a BauGB als eine gesetzlich zugelassene Abweichung vom Gebot des Einfügens wurde eine Möglichkeit sowohl zum Erhalt als auch der Weiterentwicklung einer vorhandenen und baurechtlich zu billigenden Situation geschaffen (vgl. Mitschang/Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 34 Rn. 74 a.E.). Es handelt sich um einen als Ermessensbestimmung ausgestalteten zusätzlichen Genehmigungstatbestand, der im Wesentlichen der Befreiung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB entspricht (Mitschang/Reidt, a. a. O., § 34 Rn. 74, 77; Söfker, a. a. O., § 34 Rn. 88e, 88f). Dieser zusätzliche, § 34 Abs. 1 BauGB ergänzende Genehmigungstatbestand des § 34 Abs. 3a BauGB setzt nach der Nr. 3 voraus, dass die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Insoweit stellt dies die gesetzliche Verankerung des Gebots der Rücksichtnahme auf nachbarliche Belange dar (vgl. Söfker, a. a. O., § 34 Rn. 88d). Da diese Anforderungen wörtlich mit den Anforderungen bei der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB übereinstimmen, sind auch die gleichen Grundsätze wie dort heranzuziehen (Söfker, a. a. O., § 34 Rn. 88d).

Zieht man die zu § 31 Abs. 2 BauGB entwickelten Grundsätze des nachbarschützenden Rücksichtnahmegebots für die Anwendung des § 34 Abs. 3a BauGB heran, ergibt sich vorliegend, dass der Antragsteller durch die möglicherweise objektivrechtlich rechtswidrige Genehmigung nicht in seinen Rechten, insbesondere dem nachbarschützenden Rücksichtnahmegebot, verletzt ist.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 8. Juli 1998 (Az. 4 B 64/98, ZfBR 1999, 54 - juris Rn. 5) seine Rechtsprechung zum Nachbarschutz bei Abweichungen nach § 31 Abs. 2 BauGB dahingehend zusammengefasst, dass § 31 Abs. 2 BauGB mit dem Gebot der Würdigung nachbarlicher Interessen drittschützende Wirkung hat und bei einer fehlerhaften Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung eines Bebauungsplans ein nachbarlicher Abwehranspruch gegeben ist, dass also bei nachbarschützenden Festsetzungen jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zur Aufhebung der Baugenehmigung führen muss, was auch für eine unzutreffende Beurteilung der „städtebaulichen Vertretbarkeit“ der Abweichung im Sinne von § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB gilt. Hinsichtlich fehlerhafter Befreiungen von nicht nachbarschützenden Festsetzungen hatte die Rechtsprechung dagegen einen nachbarlichen Abwehranspruch bisher verneint. Mit seinem Urteil vom 19. September 1986 (Az. 4 C 8.84, NVwZ 1987, 409) hat das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung dahin gehend modifiziert, dass auch eine fehlerhafte Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung dem Nachbarn einen Abwehranspruch vermitteln kann, wenn nämlich die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung über die vom Bauherrn beantragte Befreiung nicht die gebotene Rücksicht auf die Interessen des Nachbarn genommen hat. Zur Begründung seiner Rechtsauffassung hat es sich auf den Wortlaut und die Zielrichtung des § 31 Abs. 2 BauGB berufen, der nicht nur die städtebauliche Ordnung - aus deren Verletzung der Nachbar keine eigenen Rechte herleiten könnte -, sondern auch die individuellen Interessen des Nachbarn schützen wolle. Daraus folgt, dass Drittschutz des Nachbarn bei einer rechtswidrigen Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung nur besteht, wenn seine nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind; alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung machen diese und die auf ihr beruhende Baugenehmigung zwar objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden (BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98, ZfBR 1999, 54 - juris Rn. 5). Dabei ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung die Rechte des Nachbarn verletzt, nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum drittschützenden Gebot der Rücksichtnahme entwickelt hat (BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98, ZfBR 1999, 54 - juris Rn. 6). Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht auch die Frage, ob der Nachbar einen - umfassenden - Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bei der Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB hat, verneint, weil bei der Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung nur das Gebot der Würdigung nachbarlicher Interessen in § 31 Abs. 2 BauGB drittschützend ist (BVerwG, B. v. 8.7.1998 - 4 B 64/98, ZfBR 1999, 54 - juris Rn. 7). Insoweit hat es die Rechtsauffassung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Oktober 1989 (Az. 4 C 14.87, BVerwGE 82, 343) bestätigt, nach dem eine unter Verstoß gegen eine nicht nachbarschützende Festsetzung eines Bebauungsplans erteilte Baugenehmigung vom Nachbarn selbst dann nur wegen einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots erfolgreich angefochten werden kann, wenn die Baugenehmigungsbehörde eine an sich erforderliche Befreiung überhaupt nicht erteilt hat, wenn also die für eine Befreiung notwendige Ermessensentscheidung überhaupt nicht getroffen worden ist.

5. Für den vorliegenden Fall ergibt sich damit, dass es für den Erfolg der Klage und des Antrags des Antragstellers hinsichtlich der Abweichung nach § 34 Abs. 3a BauGB von der überbaubaren Grundstücksfläche sowie ggf. dem Maß der baulichen Nutzung hinsichtlich des Verhältnisses der überbauten Fläche und der unbebauten Fläche, allein darauf ankommt, ob das Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme beachtet oder nicht.

Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, den die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich - umgekehrt - um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (vgl. BVerwG, B. v. 6.12.1996 - 4 B 215/96 - juris Rn. 9 m. w. N.). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG, U. v. 25.2.1977 - IV C 22.75, BVerwGE 52, 122 - juris Rn. 22; U. v. 28.10.1993 - 4 C 5.93, NVwZ 1994, 686 - juris Rn. 17; U. v. 23.9.1999 - 4 C 6.98, BVerwGE 109, 314 - juris Rn. 20; U. v. 18.11.2004 - 4 C 1/04, NVwZ 2005, 328 - juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 - 4 C 8/11, BVerwGE 145, 145 - juris Rn. 16; BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 4). Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (BVerwG, U. v. 25.2.1977 - IV C 22.75, BVerwGE 52, 122 - juris Rn. 22).

Das Gebot der Rücksichtnahme gibt den Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B. v. 22.6.2011 - 15 CS 11.1101 - juris Rn. 17). Eine Veränderung der Verhältnisse durch ein Vorhaben, das den Rahmen der Umgebungsbebauung wahrt und städtebaulich vorgegeben ist, ist aber regelmäßig als zumutbar hinzunehmen (BayVGH, B. v. 12.9.2013 - 2 CS 13.1351 - juris Rn. 6).

5.1 In der Rechtsprechung zum Rücksichtnahmegebot ist anerkannt, dass eine Verletzung dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U. v. 13.3.1981 - 4 C 1/78, DVBl. 1981, 928 - juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 m Entfernung zu 2,5-geschossigem Nachbarwohnhaus; U. v. 23.5.1986 - 4 C 34/85, NVwZ 1987, 34 - juris Rn. 15: drei 11,05 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen; vgl. auch BayVGH, B. v. 10.12.2008 - 1 CS 08.2770, BayVBl 2009, 751 - juris Rn. 23; B. v. 5.7.2011 - 14 CS 11.814 - juris Rn. 21; B. v. 8.7.2013 - 2 CS 13.726 - juris Rn. 3). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind u. a. die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme der „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes ist somit grundsätzlich kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes, was insbesondere gilt, wenn die Gebäude im dicht bebauten innerstädtischen Bereich liegen (BayVGH, B. v. 11.5.2010 - 2 CS 10.454 - juris Rn. 5; B. v. 5.12.2012 - 2 CS 12.2290 - juris Rn. 9).

Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass das streitgegenständliche Gebäude in Höhe oder Volumen ein Übermaß besitzt. Vielmehr ist nach dem Lageplan davon auszugehen, dass es - auch im Verhältnis zum Gebäude des Antragstellers - sowohl in der Höhe als auch dem Volumen den vorhanden Gebäuden im wesentlichen entspricht bzw. diese nicht übertrifft. Auch eine abriegelnde Wirkung dürfte dem Vorhaben für das Grundstück des Antragstellers mit einer Tiefe von ca. 34 m nicht zukommen, zumal dem Grundstück des Antragstellers die Schmalseite mit einer Länge von 7,58 m zugewandt ist.

5.2 Auch soweit der Antragsteller rügt, mit dem streitgegenständlichen Vorhaben würden vergrößerte Einblicksmöglichkeiten auf sein Grundstück mit erheblichen und nicht hinnehmbaren Verschlechterungen der Wohnqualität und der Aufenthaltsmöglichkeiten im Außenbereich und den rückwärtig gelegenen Zimmern im Innenbereich geschaffen, führt auch dies nicht zur Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Trifft eine Wohnnutzung auf eine vorhandene Wohnnutzung, dann kommt unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsart ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2005 - 1 ZB 05.42, BayVBl. 2006, 374 - juris Rn. 19). Das Rücksichtnahmegebot gibt dem Nachbarn insbesondere nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung, speziell vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben (vgl. BayVGH, B. v. 12.9.2005 a. a. O.; SächsOVG, B. v. 23.2.2010 - 1 B 581/09 - juris Rn. 5; VG München, B. v. 17.4.2014 - juris Rn. 46). Gegenseitige Einsichtsmöglichkeiten sind im dicht bebauten innerstädtischen Bereich unvermeidlich. Die Betroffenen können sich durch das Anbringen von Jalousien, Vorhängen oder verspiegelten Fenstern behelfen. Besondere Umstände, welche im Ausnahmefall die Annahme einer rücksichtslosen Wirkung rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar, zumal die Einblicksmöglichkeiten nicht neu sind, sondern bereits aufgrund der bisherigen Bebauung gegeben waren. Der Altbestand wies auf seiner dem Grundstück des Antragstellers zugewandten Ostseite zwei Fenster im Erdgeschoss und ein großes Fenster im Dachgeschoss auf. Die bloße Möglichkeit der vermehrten Einsichtnahme durch eine heranrückende Wohnbebauung stellt als Beeinträchtigung eines rechtlich nicht geschützten Lagevorteils grundsätzlich keinen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme dar (BayVGH, B. v. 9.10.2012 - 2 ZB 11.2653 - juris Rn. 12).

5.3 Im Hinblick auf die gerügte Einengung des Blickfeldes von der Terrasse und dem Balkons des Anwesens des Antragstellers im Hinblick auf die größere Höhe des Vorhabens, ist schon nicht erkennbar, inwieweit der freie Blick nach Südwesten rechtlich geschützt sein soll. Der ungeschmälerte Fortbestand eines Blickes „ins Grüne“ stellt grundsätzlich nur eine Chance dar, die nicht dem Schutz durch das Gebot der Rücksichtnahme unterliegt (VG München, B. v. 17.4.2014 - juris Rn. 47). Zumal vorliegend tatsächlich mit dem streitgegenständlichen Flachdachgebäude im Vergleich zum bisherigen Bestand mit Satteldach insgesamt eine geringere Beeinträchtigung gegeben sein dürfte.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Es entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser einen Sachantrag gestellt und sich somit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Ziff. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs.

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen je zur Hälfte zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger wenden sich als Nachbarn gegen eine der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines Teilbereichs des Gebäudes sowie zur Errichtung von Werbeanlagen auf der FlNr. 3773 Gemarkung … (im Folgenden: Baugrundstück).

Der Kläger zu 1) ist Eigentümer des dem streitgegenständlichen Anwesen gegenüberliegenden Grundstücks FlNr. 3774/3, der Kläger zu 2) ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 3792/133, das über einen schmalen Grundstücksstreifen entlang des Grundstücks des Klägers zu 1) erschlossen ist.

Der Bebauungsplan „An der S… Straße“, in dessen Umgriff das Baugrundstück lag und der ein allgemeines Wohngebiet i.S.v. § 4 BauNVO festsetzte, wurde mit Beschluss des Marktgemeinderates … vom 19. März 2013 aufgehoben. Das Baugrundstück befindet sich nunmehr im unbeplanten Innenbereich.

Ursprünglich wurde auf dem Baugrundstück seit den 1960er Jahren ein …betrieb geführt, dessen Nutzung aufgrund Konkurses im Jahr 1990 aufgegeben wurde. Hinsichtlich eines – hier nicht streitgegenständlichen – Teils des Gebäudes wurde mit Baugenehmigung vom 20. November 2001 eine Nutzungsänderung in „Räume für Vereinszwecke“ bestandskräftig genehmigt. Dieser Teil des Gebäudes (sog. „MuTaBi“) wird seitdem durch die Volkshochschule … und verschiedene Vereine wie z.B. eine Blaskapelle und die Tanzsportabteilung eines Sportvereins als Probenräume genutzt.

Im restlichen Teil des streitgegenständlichen Anwesens wurden im Laufe der Zeit weitere neue Nutzungen zunächst ohne eine entsprechende Baugenehmigung aufgenommen, nämlich der Betrieb einer …schule, eines Sozialkaufhauses der Diakonie, einer Lebensmittelausgabe der … Tafel, ein technisches Büro einer Sondermaschinenbaufirma sowie ein Kunsthandwerksbetrieb für … An das Gebäude wurden drei Werbetafeln von je 1,76 qm Fläche angebracht, welche die im Gebäude ausgeübten Nutzungen der …schule, des Sozialkaufhauses und der Tafel bewerben.

Nachdem der durch die Gesamtnutzung des Anwesens auf der FlNr. 3773 hervorgerufene Lärm und Verkehr von den Klägern als nicht mehr zumutbar angesehen wurde, stellte der Kläger zu 1) am … März 2014 beim Landratsamt R. (im Folgenden: Landratsamt) einen Antrag auf Baukontrolle bzw. Nutzungsuntersagung.

Auf eine entsprechende Aufforderung durch das Landratsamt vom 20. Mai 2015 hin stellte die Beigeladene am … Juli 2015 – eingegangen beim Markt … am 15. Juli 2015 – einen Bauantrag hinsichtlich der faktisch bereits ausgeübten, jedoch noch nicht genehmigten Nutzungsänderungen sowie der Errichtung der Werbeanlagen. Als Betriebszeiten wurden durch die Beigeladene zuletzt für das …studio Montag bis Freitag von maximal 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr (ausgenommen Schulferien), für das Sozialkaufhaus Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9.00 Uhr bis 17.30 Uhr und Mittwoch von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr und für die Tafel dienstags bzw. mittwochs ab 17.30 Uhr (kurzzeitige Anlieferung der Lebensmittel) und donnerstags 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr (Lebensmittelausgabe) angegeben (Bl. 37 der Behördenakte).

Am 30. Juli 2015 erteilte die Gemeinde hierzu ihr Einvernehmen und stimmte einer Abweichung von der Stellplatzsatzung zu.

Mit Bescheid des Landratsamts vom 28. November 2016 – den Klägern jeweils am 30. November 2016 zugestellt – wurde der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren gem. Art. 59 BayBO erteilt.

Die Kläger haben hiergegen mit Schriftsatz vom … Dezember 2017 – eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 27. Dezember 2017 – Klage erhoben und beantragen,

den Bescheid vom 28.11.2016 (Az. BG- … / …) aufzuheben.

Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass hinsichtlich aller Nutzungen des streitgegenständlichen Anwesens eine gesamtheitliche Betrachtung erforderlich sei. Die aktuelle massive und konzentrierte Nutzung stelle einen Fremdkörper in dem faktischen Wohngebiet dar und führe zu einem massiven Verkehrsaufkommen, so dass der Verkehr streckenweise zusammenbreche, ein Durchkommen von Rettungsfahrzeugen nicht mehr gewährleistet sei und Ein- und Ausfahrten von Anwohnern teilweise zugeparkt würden. Es seien nicht genügend Stellplätze für die ausgeübten Nutzungen vorhanden. Die streitgegenständlichen Nutzungen würden gegen den „Gebietsprägungsanspruch“, hilfsweise gegen den „Anspruch auf Erhaltung des prägenden Gebietscharakters“ im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO verstoßn. Ferner sei das Rücksichtnahmegebot verletzt, da sich die streitgegenständliche Nutzung nicht in die nähere Umgebung einfüge im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB. Das Vorhaben habe eine „erdrückende“ oder „abriegelnde“ Wirkung aufgrund des Ziel- und Quellverkehrs. Die Umgebung würde durch die geöffneten Fenster der …schule beschallt. Die bis 23.00 Uhr mit Flutlicht beleuchteten Reklametafeln für das Sozialkaufhaus, die … Tafel und die …schule würden sich nicht in die nähere Umgebung einfügen; die Abstrahlung der Beleuchtung sei störend.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Verletzung drittschützender Rechtspositionen der Kläger durch die erteilte Baugenehmigung nicht ersichtlich sei. Bei der näheren Umgebung handele es sich um ein Mischgebiet mit Wohnschwerpunkt. Das streitgegenständliche gewerbliche Anwesen bestehe schon seit mehreren Jahrzehnten und könne nicht außer Acht gelassen werden. Im Übrigen seien die gewerblichen Nutzungen auch als nicht störende Gewerbebetriebe in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt. Die Stellplatzsituation sei nicht drittschützend. Die Werbetafeln würden angebotene Leistungen des streitgegenständlichen Anwesens bewerben. Von einer Beleuchtung sei dem Landratsamt nichts bekannt, diese sei nicht von der Baugenehmigung umfasst. Die Beigeladene sei angeschrieben und aufgefordert worden, die Beleuchtung auszuschalten.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat am 25. Juli 2017 durch Einnahme eines Augenscheins über die baulichen und örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück der Kläger und der Beigeladenen sowie in deren Umgebung Beweis erhoben und am selben Tag auch in der Sache mündlich verhandelt.

Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, insbesondere die Niederschrift über den Augenscheinstermin und die mündliche Verhandlung, Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Bescheid vom 28. November 2016 verletzt die Kläger nicht in drittschützenden Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Ein Nachbar kann sich als Dritter gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20; B.v. 2.9.2013 – 14 ZB 13.1193 – juris Rn. 11). Eine Verletzung drittschützender Normen durch eine Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde kommt dabei nur insoweit in Betracht, als die Feststellungswirkung dieser Entscheidung reicht (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2009 – 14 ZB 09.1244 – juris Rn. 6; VG München, U.v. 20.6.2016 – M 8 K 15.2869 – juris Rn. 34).

Der streitbefangene Bescheid erging im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO, da es sich bei dem Vorhaben nicht um einen Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt. Auf der Grundlage des hier somit relevanten Prüfungsmaßstabes käme die Annahme einer Nachbarrechtsverletzung nur dann in Betracht, wenn zulasten der Kläger gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO drittschützende Rechtspositionen des Bauplanungsrechts, d.h. der bauplanungsrechtliche Gebietsbewahrungs- und Gebietsprägungsanspruch oder das Recht auf Beachtung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots, verletzt wären (1.) oder gegen drittschützende Rechtspositionen im Hinblick auf die beantragte Abweichung von der Stellplatzsatzung nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO verstoßen würde (2.), doch sind keine dieser Rechtspositionen verletzt.

1. Ein Verstoß gegen drittschützende Rechtspositionen des Bauplanungsrechts ist nicht gegeben.

a) Der Gebietsbewahrungsanspruch der Kläger ist durch Zulassung der streitgegenständlichen Nutzungsänderung und der Werbeanlagen nicht verletzt. Dieser Anspruch schützt einen Nachbarn in einem durch Bebauungsplan festgesetzten oder in einem faktischen Baugebiet unabhängig von tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigungen gegen eine von der jeweils zulässigen Nutzungsart abweichende gebietswidrige Nutzung (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 26.10.2009 – 9 CS 09.2104 – juris Rn. 4; B.v. 10.08.2016 – 9 ZB 16.944 – juris Rn. 11). Der Abwehranspruch gegen die Zulassung „gebietsfremder“ Vorhaben wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – juris Rn. 4).

Aufgrund der im Rahmen des Augenscheins getroffenen Feststellungen zu den einzelnen Nutzungen in der näheren Umgebung ist jedenfalls nicht von einem faktischen reinen Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 3 BauNVO auszugehen. Denn neben weit überwiegender Wohnnutzung befinden sich in einzelnen Anwesen neben Wohnnutzung unter anderem auch eine Tierarztpraxis, eine Zahnarztpraxis, zwei Steuerberatungsbüros, ein kleineres Immobilienbüro, ein Büro einer ortsansässigen Malerfirma sowie eine Praxis für Allgemeinmedizin und Eventagenturen. Darüber hinaus gibt es einen Getränkemarkt sowie Lagerräume einer ortsansässigen Malerfirma.

Welcher exakte Umgriff hier als nähere Umgebung heranzuziehen ist und ob die nähere Umgebung als faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO – wozu das Gericht tendiert – oder als faktisches Mischgebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO zu qualifizieren ist, kann offen bleiben. Denn selbst zugunsten der Klagepartei unterstellt, dass ein faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO gegeben ist, ergibt sich kein Abwehranspruch der Kläger. Denn die genehmigten Nutzungsänderungen und Werbeanlagen wären auch in einem (faktischen) allgemeinen Wohngebiet zulässig.

Die Lebensmittelausgabe der … Tafel und das Sozialkaufhaus der Diakonie sind als Einrichtungen, die einem besonderen fürsorgerischen Angebot für Bedürftige dienen, als Anlagen für soziale Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO bzw. § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO allgemein zulässig (vgl. zum Begriff einer Anlage für soziale Zwecke z.B. BVerwG, B.v. 13.7.2009 – 4 B 44.09 – ZfBR 2009, 691; siehe auch Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 4 BauNVO Rn. 91 ff.).

Das technische Büro der Sondermaschinenbaufirma ist nach der maßgeblichen typisierenden Betrachtungsweise (vgl. hierzu z.B. BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 11 m.w.N.) als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise bzw. nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässig. Der Kunsthandwerksbetrieb für … stellt einen nicht störenden Handwerksbetrieb i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO dar und ist daher sowohl im allgemeinen Wohngebiet nach der genannten Vorschrift bzw. in einem Mischgebiet nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässig.

Auch die Genehmigung der …schule führt zu keinem Abwehranspruch der Kläger. Insoweit kann offen bleiben, ob die für die …schule genutzten Räume nicht ohnehin einem freien Beruf im Sinne des § 13 BauNVO dienen und die genehmigte Nutzungsänderung daher bereits nach § 13 BauNVO zulässig ist oder die …schule jedenfalls als Anlage für sportliche Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO bzw. nach § 6 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO allgemein zulässig ist (BayVGH, U.v. 20.2.1991 – 1 B 88.03146 – NVwZ-RR 1992, 60; s. auch VG Saarland, U.v. 29.7.2015 – 5 K 677/14 – juris Rn. 83). Unter Berücksichtigung des Bedeutungswandels der vergangenen Jahrzehnte ist der Sportanlagenbegriff weit auszulegen, so dass auch Anlagen und Einrichtungen hierunterfallen, die der Freizeitbetätigung und dem Fitnesstraining dienen. Im Hinblick auf die allein maßgebende städtebauliche Relevanz kann es, solange der Sportzweck erfüllt ist und nicht ein anderer Nutzungszweck, wie Unterhaltung oder gesellige Betätigung, bestimmend ist, für die Qualifizierung als Anlage für sportliche Zwecke nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO nicht darauf ankommen, ob eine Anlage für sportliche Zwecke gewerblich oder gemeinnützig betrieben wird (siehe Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 4 BauNVO Rn. 102 f.).

Die Werbetafeln von je 1,76 qm Fläche sind als Eigenwerbung untergeordnete Nebenanlagen des jeweiligen Betriebs und somit nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO zulässig, da sie dem Nutzungszweck der im Gebäude angebotenen Leistungen dienen und der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen.

b) Soweit die Kläger vortragen, die Zulassung der Nutzungsänderung belaste sie durch die massive und konzentrierte Nutzung des streitgegenständlichen Anwesens überproportional, berufen sie sich offenbar auf den sogenannten Gebietsprägungserhaltungsanspruch (vgl. hierzu VG München, U.v. 17.5.2016 – M 1 K 16.629 – juris Rn. 30). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Diese dem Nachbarschutz dienende Vorschrift findet als eine die §§ 2 bis 14 BauNVO ergänzende Regelung zur Art der baulichen Nutzung kraft Verweisung in § 34 Abs. 2 BauGB im unbeplanten Innenbereich Anwendung (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.1991 – 4 B 40.91 – NVwZ 1991, 1078 – juris Rn. 4; B.v. 16.12.2008 – 4 B 68.08 – ZfBR 2009, 376 – juris Rn. 4 m.w.N.) und vermittelt neben der Wahrung des Rücksichtnahmegebots auch einen Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung eines Baugebiets (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2002 – 4 B 86.01 – NVwZ 2002, 1384 – juris Rn. 7 m.w.N.; BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 15 CS 15.1935 – ZfBR 2016, 169 – juris Rn. 20).

Es bestehen keine Anhaltspunkte für einen Widerspruch des Vorhabens zur Eigenart des (faktischen) allgemeinen Wohn- oder Mischgebiets. Zwar geht § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO davon aus, dass im Einzelfall Quantität in Qualität umschlagen kann, dass also die Größe einer baulichen Anlage oder der Umfang ihrer Nutzung die Art der baulichen Nutzung erfassen kann (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.1995 – 4 C 3.94 – NVwZ 1995, 899 – juris Rn. 17). Das ist hier aber nach Auffassung der Kammer nicht der Fall. Der von der Beigeladenen im Bauantragsverfahren aufgeführte, durch den streitgegenständlichen Bescheid genehmigte Umfang der einzelnen Nutzungen (siehe insbesondere Bl. 37 der Behördenakte) führt auch unter Berücksichtigung der durch das „MuTaBi“ bestehenden Vorbelastung nicht dazu, dass der Nutzungsumfang des streitgegenständlichen Anwesens insgesamt im Verhältnis zur Größe des Ortsteils eine Veränderung des Gebietscharakters nach sich zieht. Das Vorhaben lässt im genehmigten Umfang keine gebietsunverträglichen Störungen erwarten. Auch die Anzahl der verschiedenen Nutzungen in dem Gebäude ist für sich keine geeignete Grundlage, um die bebauungsrechtliche Zulassungsfähigkeit des Vorhabens unter dem Aspekt des Gebietsprägungsanspruchs in Zweifel zu ziehen. Hinsichtlich der Gesamtbelastung der Kläger durch die Nutzungen im streitgegenständlichen Anwesen ist zu berücksichtigen, dass die verschiedenen Nutzungen zu unterschiedlichen Zeiten ausgeübt werden, sich nur teilweise überschneiden und die mit den einzelnen Nutzungen einhergehenden Auswirkungen unterschiedlich intensiv sind. Gemäß der Auflistung der Betriebszeiten durch die Beigeladene wird das …studio von Montag bis Freitag von maximal 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr genutzt, an Wochenenden und während der Schulferien ist es geschlossen. Das Sozialkaufhaus hat Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 9.00 Uhr bis 17.30 Uhr und am Mittwoch von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet. Die Lebensmittelausgabe der Tafel erfolgt nur donnerstags von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr. Die Anlieferung der Lebensmittel erfolgt kurzzeitig dienstags bzw. mittwochs ab 17.30 Uhr. Daraus ergibt sich ein auch im allgemeinen Wohngebiet zulässiger Nutzungsumfang.

c) Das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme wird durch die genehmigte Nutzungsänderung und die Zulassung der Werbeanlagen nicht zulasten der Kläger verletzt.

Das Rücksichtnahmegebot zielt darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Gegenläufige Nutzungsinteressen sollen in rücksichtsvoller Weise zugeordnet und unter Beachtung des jeweils widerstreitenden Interesses ausgeübt werden (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – BVerwGE 52, 122). Über die Vereinbarkeit eines Vorhabens mit dem Gebot der Rücksichtnahme ist auf der Grundlage einer nachvollziehenden Abwägung der im konkreten Fall widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es also wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmeberechtigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten zuzumuten ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 – BauR 2000, 234 – juris Rn. 18 m.w.N.;, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – BVerwGE 52, 122). Vom Rücksichtnahmegebot sind nur solche Einwirkungen erfasst, die bei der bestimmungsgemäßen Nutzung einer baulichen Anlage typischerweise auftreten. Sie müssen bodenrechtlich relevant sein, um als städtebaulicher Gesichtspunkt bei der Prüfung des Nachbarschutzes nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO Beachtung zu finden. Störungen, die allein durch ein Fehlverhalten einzelner Bewohner bzw. Besucher in einem benachbarten Anwesen verursacht sind, können dagegen nur mit Mitteln des Polizei- und Ordnungsrechts oder des zivilen Nachbarrechts beseitigt werden (BayVGH, U.v. 13.9.2012 – 2 B 12.109 – juris Rn. 40). Entsprechendes gilt für sonstige Belästigungen durch soziale Konflikte (SächsOVG, B.v. 19.7.2016 – 1 B 49/16 – juris Rn. 7).

Dies zugrundgelegt stellt sich das mit der Baugenehmigung vom 28. November 2016 zugelassen Vorhaben der Beigeladenen nicht als rücksichtlos dar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Auswirkungen der streitgegenständlichen Nutzungsänderung auf die Grundstücke der Kläger die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten und somit rücksichtlos sind. Aufgrund einer Gesamtwürdigung der Interessen der Kläger einerseits und der Interessen der Beigeladenen andererseits ist selbst bei Berücksichtigung der Vorbelastung durch das „MuTaBi“ nicht von einer unzumutbaren und damit rücksichtslosen Nutzung im genehmigten Umfang auszugehen.

Die Kläger können sich nicht auf eine „erdrückende“ oder „abriegelnde Wirkung“ aufgrund des Ziel- und Quellverkehrs berufen. Eine solche Wirkung kommt nach der Rechtsprechung bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – DVBl 1981, 928: zwölfgeschossiges Gebäude in Entfernung von 15 m zum Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – DVBl 1986, 1271: drei 11,50 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem Wohnanwesen; BayVGH, B.v. 16.10.2012 – 15 ZB 11.1016 – juris Rn. 6; VGH BW, U.v. 2.6.2015 – 8 S 1914/14 – juris Rn. 64). Hier wenden sich die Kläger jedoch nicht gegen baukörperbezogene Belastungen, sondern die mit der beantragten Nutzungsänderung einhergehende zusätzliche Verkehrsbelastung. Insoweit kann von einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung der beantragten Nutzungsänderung nicht gesprochen werden.

Aus den bereits unter 1.b) dargestellten Öffnungszeiten der einzelnen Nutzungen ergibt sich, dass der publikumsrelevante Verkehr dieser Nutzungen nur zur Tagzeit und nur von Montag bis Freitag erfolgt. Das technische Büro der Sondermaschinenbaufirma sowie der Kunsthandwerksbetrieb für … verursachen keinen nennenswerten Verkehr, beide Nutzungen werden durch einzelne Mitarbeiter ausgeübt. Darüber hinaus werden Kinder, die an den Kursen der …schule und des „MuTaBi“ teilnehmen, nach Auskunft der Beigeladenen meistens nur gebracht und wieder abgeholt, so dass nur kurz gehalten und nicht länger geparkt wird.

Eine unzumutbare Belästigung der Kläger durch Lärmimmissionen wurde von den Klägern nicht hinreichend dargelegt und ist im Übrigen auch nicht ersichtlich. Aufgrund der Entfernung der klägerischen Anwesen vom Baugrundstück, den Angaben der Beigeladenen zum Nutzungsumfang im Genehmigungsverfahren sowie dem Umstand, dass die Nutzungen nur zur Tagzeit ausgeübt werden, bestehen für das Gericht keine Anhaltspunkte, dass die zulässigen Lärmgrenzwerte überschritten werden. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die mit einer zulässigen Nutzung einhergehenden sozial adäquaten Lebensäußerungen grundsätzlich zumutbar und nicht rücksichtslos sind (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2016 – 15 ZB 14.891 – juris Rn. 15). Sollte jedoch im Einzelfall, z.B. beim Lüften der Räume der …schule, unzumutbarer Lärm hervorgerufen werden, kann diesem Umstand durch Auflagen im Rahmen eines bauaufsichtlichen Einschreitens Rechnung getragen werden und wird hierdurch nicht die Rechtmäßigkeit der Genehmigung per se in Frage gestellt.

Soweit die Kläger eine Rücksichtslosigkeit mit einer Nutzung des streitgegenständlichen Anwesens außerhalb der genehmigten Betriebszeiten begründen wollen, kann dies der streitgegenständlichen Klage auch nicht zum Erfolg verhelfen. Denn Gegenstand der Anfechtungsklage ist die Nutzungsänderung im genehmigten Umfang. Gegen darüber hinausgehende Nutzungen, müssen sich die Kläger gegebenenfalls im Wege eines Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten wenden. In Bezug auf Ruhestörungen und das Fehlverhalten einzelner Besucher des streitgegenständlichen Anwesens beispielweise durch kurzfristiges Zuparken sind die Kläger auf die Inanspruchnahme der Möglichkeiten des Rechts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verweisen.

2. Auch die von den Klägern gerügte Stellplatzproblematik verletzt sie nicht in drittschützenden Rechten.

a) Zwar ist die (bauordnungsrechtliche) Frage, ob die Anzahl der notwendigen Stellplätze nach Art. 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BayBO erfüllt ist, wegen der beantragten Abweichung von der gemeindlichen Stellplatzsatzung nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO vom vereinfachten Prüfprogramm erfasst. Doch können sich die Kläger mangels Drittschutzes auf einen etwaigen Verstoß hiergegen nicht mit Erfolg berufen. Denn die Anforderungen an die Anzahl der notwendigen Stellplätze dienen grundsätzlich allein dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs (vgl. z.B. OVG NRW, U.v. 10.7.1998 – 11 A 7238/95 – juris).

b) Ein Nachbar kann sich nur dann ausnahmsweise mit Erfolg auf eine unzureichende Stellplatzsituation berufen, wenn die Baugenehmigung ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führt, die dem Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar sind und damit ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme vorliegt. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn der durch den Stellplatzmangel bewirkte Park- und Parksuchverkehr den Nachbarn unzumutbar beeinträchtigt oder wenn die bestimmungsgemäße Nutzung des Nachbargrundstücks nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – BauR 2010, 120 – juris Rn. 39 m.w.N. zur Rechtsprechung). Diskutiert wird die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot für Einrichtungen wie Sportstadien, Hörsäle von Universitäten oder neue Abteilungen von Krankenhäusern. Diese Fallkonstellationen rufen jedoch allesamt einen erheblich größeren Stellplatzbedarf hervor als die streitgegenständliche Nutzungsänderungen der Beigeladenen (vgl. VG München, U.v. 1.12.2015 – M 1 K 15.4038 – juris Rn. 26). Die Situation im zu entscheidenden Fall ist mit den genannten Ausnahmefällen nicht vergleichbar und eine unzumutbare Beeinträchtigung der Kläger nicht zu besorgen, zumal ihnen die Möglichkeiten des Rechts der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu Gebote stehen, sollte tatsächlich die Nutzung ihrer Grundstücke durch parkende Fahrzeuge im Einzelfall vorübergehend eingeschränkt werden oder ein Durchkommen von Rettungsfahrzeugen nicht mehr gewährleistet sein (s.o.).

3. Soweit die Kläger geltend gemacht haben, dass die Beleuchtung der Werbetafeln störend sei, ist festzuhalten, dass die Beleuchtung unstreitig nicht vom Genehmigungsumfang und damit auch nicht vom Streitgegenstand der Klage umfasst ist. Darüber hinaus ist die Beleuchtung infolge einer Aufforderung der Beigeladenen durch das Landratsamt auch nicht mehr in Betrieb.

4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladene einen eigenen Sachantrag gestellt und sich daher einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, dass die Kläger ihre außergerichtlichen Kosten tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 1 K 15.113

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 6. Oktober 2015

1. Kammer

Sachgebiets-Nr. 920

Hauptpunkte:

Reichsgaragenordnung;

Zuordnung von Stellplätzen;

Altbestand;

Zusätzlicher Stellplatzbedarf

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

1. ...

2. ...

zu 1 und 2 wohnhaft: ...

- Kläger -

zu 1 und 2 bevollmächtigt: Rechtsanwälte ... Partnerschaftsgesellschaft

gegen

Stadt Traunstein Stadtplatz 39, 83278 Traunstein

- Beklagte -

wegen Nebenbestimmung zur Baugenehmigung FlNr. 577/12 Gem. ...

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer,

durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober 2015 am 6. Oktober 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag der Kläger vom ... Oktober 2014 unter Aufhebung des Bescheids vom ... Dezember 2014 und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen eine Nebenbestimmung zur Baugenehmigung vom ... Dezember 2014, die sie zur Herstellung eines Stellplatzes verpflichtet.

Sie sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. 577/12 Gemarkung ..., das sich im Geltungsbereich der Satzung über die Herstellung von Stellplätzen und Garagen und deren Ablösung der Beklagten (Stellplatz- und Garagensatzung) vom 12. Januar 2008 befindet. Das Grundstück ist mit einem Mehrparteienhaus, bestehend aus fünf Wohneinheiten, bebaut. Vier dieser Wohneinheiten verfügen über 53 m², die bisher einzige Dachgeschosswohnung über 41 m² Wohnraum. Das bestehende Gebäude wurde mit Bescheid vom ... Juni 1956 genehmigt, der keine Aussage über etwaige herzustellende Stellplätze enthält.

Am ... Oktober 2014 beantragten die Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung von vier Dachgauben und einer zusätzlichen Wohnung im Dachgeschoss, zum Anbau eines Balkons an der Westseite im ersten Obergeschoss sowie zum Einbau von vier Fenstertüren statt Fenstern.

Die Genehmigung wurde am ... Dezember 2014 im vereinfachten Verfahren erteilt. Unter II. wurden folgende „Auflagen und Bedingungen (Nebenbestimmungen)“ festgesetzt: „2. Die Genehmigung für die zusätzliche Dachgeschosswohnung wird unter der auflösenden Bedingung erteilt, dass der zusätzlich erforderliche Stellplatz entweder abgelöst oder auf dem Grundstück mit einer neuen Zufahrtsmöglichkeit über das städtische Grundstück hergestellt wird. Vor Baubeginn der Dachgeschosswohnung muss der Stellplatznachweis genehmigt sein.“

Am ... Januar 2015 haben die Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben. Sie beantragen zuletzt,

den Bauantrag vom ... Oktober 2014 unter Aufhebung des Bescheids vom ... Dezember 2014 und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte gehe zu Unrecht davon aus, dass das Bauvorhaben einen Mehrbedarf von einem Kfz-Stellplatz zusätzlich zu bereits zwei vorhandenen Stellplätzen auslöse. Zwar fordere die Stellplatz- und Garagensatzung für die genehmigte Dachgeschosswohnung einen neu zu schaffenden Stellplatz im Vergleich zum Altbestand. Allerdings seien auf dem klägerischen Grundstück bisher keine Stellplätze angelegt oder zugeordnet gewesen. Die Beklagte habe die Zuordnung der Stellplätze willkürlich vorgenommen und beliebig zwei angeblich schon bestehende Stellplätze angesetzt. Im Genehmigungsbescheid von 1956 sei kein Stellplatz gefordert worden. Die bloße Existenz tatsächlich vorhandener Stellplätze reiche nicht aus, sie der bisherigen baulichen Anlage und Nutzung zuzuordnen. Damit entspreche der für die genehmigte Dachgeschosswohnung herzustellende Stellplatz einem Stellplatz auf dem Grundstück der Kläger und nicht einem zusätzlichen Stellplatz zu bereits zwei vorhandenen Stellplätzen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Auf dem klägerischen Grundstück seien zwei befestigte Stellplätze vorhanden, auf die durch Halteverbotsschilder aufmerksam gemacht werde. Diese beiden Stellplätze könnten von der öffentlichen Verkehrsfläche aus angefahren werden. Ein möglicher dritter Stellplatz an der Nordostseite des Grundstücks benötige die Zufahrt über das städtische Nachbargrundstück FlNr. 577. Die bereits vorhandenen Stellplätze würden für die bestehenden fünf Wohneinheiten genutzt und seien gesetzlich notwendig. Die Pflicht zu ihrer Herstellung habe bereits bei der Genehmigung des Bestands im Jahr 1956 bestanden. Nach der damals geltenden Verordnung über Garagen und Einstellräume (Reichsgaragenordnung - RGaO) vom 17. Februar 1939 habe für Neubauvorhaben Einstellplatz geschaffen werden müssen, der in Form von zwei anfahrbaren Stellplätzen vorhanden sei. Die für die bisherige Nutzung des Gebäudes vorhandenen Stellplätze dürften nicht auf den zusätzlich erforderlichen Stellplatz angerechnet werden. Nach der Bayerischen Bauordnung (BayBO) seien im Fall der baulichen Änderung die dadurch erforderlich werdenden zusätzlichen Kraftfahrzeugstellplätze zuzüglich zu den bereits vorhandenen und genutzten herzustellen.

In der mündlichen Verhandlung vom 6. Oktober 2015 legten die Kläger Fotos vor, aus denen sich ergibt, dass der südliche und östliche Teil ihres Grundstücks, wo sich früher zwei Stellplätze befunden haben, mittlerweile bepflanzt ist.

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

I.

Die Umstellung der ursprünglich erhobenen isolierten Anfechtungsklage auf eine Verpflichtungsklage ist zulässig, weil die Änderung sachdienlich ist, § 91 Abs. 1 VwGO analog. Außerdem hat sich die Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen, § 91 Abs. 2 VwGO analog.

II.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, insbesondere fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis. Zwar wird überwiegend davon ausgegangen, dass grundsätzlich alle Arten von Nebenbestimmungen zu einem Verwaltungsakt i. S. d. Art. 36 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) isoliert anfechtbar sind (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 36 Rn. 93; BVerwG, U. v. 22.11.2000 - 11 C 2.00 - juris Ls.). Allerdings hängt nach dieser Ansicht die Begründetheit einer Anfechtungsklage davon ab, ob der Rest-Verwaltungsakt sinnvoller- und rechtmäßigerweise ohne die angefochtene Nebenbestimmung bestehen bleiben kann. Dies wäre vorliegend nicht der Fall, da die Baugenehmigung vom ... Dezember 2014 ohne eine Anordnung zur Herstellung eines Stellplatzes nicht rechtmäßig wäre. Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO ist die Stellplatz- und Garagensatzung der Beklagten als örtliche Bauvorschrift i. S. d. Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO im vereinfachten Genehmigungsverfahren mit zu prüfen. Da eine Baugenehmigung ohne Verfügung zu dem nach der Stellplatz- und Garagensatzung erforderlichen Stellplatz nicht rechtmäßig wäre, können die Kläger ihr Klageziel, den Stellplatz nicht im nordöstlichen Bereich ihres Grundstücks mit einer neuen Zufahrtsmöglichkeit über das städtische Grundstück herstellen zu müssen, nicht mit einer Anfechtungsklage betreffend die Nebenbestimmung unter II.2 erreichen, sondern nur mit einer Verbescheidungsklage gerichtet auf den Neuerlass der Baugenehmigung ohne diese Nebenbestimmung.

III.

Die Klage ist begründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Rechtsanspruch auf Neuverbescheidung ihres Bauantrags vom ... Oktober 2014, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.

1. Die Beklagte hätte im Bescheid vom ... Dezember 2014 nicht zur Bedingung machen dürfen, dass der für die zusätzliche Dachgeschosswohnung erforderliche Stellplatz auf dem klägerischen Grundstück mit einer neuen Zufahrtsmöglichkeit über das städtische Grundstück, also im nordöstlichen Bereich des Grundstücks, herzustellen ist. Denn sie durfte nicht die beiden faktisch vorhandenen Stellplätze im Osten und Süden des klägerischen Grundstücks dem Altbestand der fünf Wohneinheiten zuordnen und damit den Klägern die Möglichkeit nehmen, dort den nunmehr erforderlichen Stellplatz herzustellen.

a) Für die von den Klägern am ... Oktober 2014 beantragte Dachgeschosswohnung muss ein neuer Stellplatz hergestellt werden. Dies ergibt sich aus Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO i.V.m § 3 Abs. 1 i. V. m. 1.2 der Anlage zu § 3 der Stellplatz- und Garagensatzung der Beklagten, wonach beim Neubau einer Wohnung bis zu 50 m² ein neuer Stellplatz erforderlich wird. Das Erfordernis eines neuen Stellplatzes ist zwischen den Parteien auch unstreitig.

b) Die Beklagte hat jedoch zu Unrecht verfügt, dass der zusätzlich erforderliche Stellplatz mit einer neuen Zufahrtsmöglichkeit über das städtische Grundstück FlNr. 577 herzustellen ist. Dieser Verfügung liegt die Annahme zugrunde, dass der für die Dachgeschosswohnung erforderliche Stellplatz ausschließlich im nordöstlichen Teil des klägerischen Grundstücks hergestellt werden kann, da die übrigen als Stellplätze geeigneten Freiflächen im südlichen und östlichen Teil des klägerischen Grundstücks nicht als Stellplätze zur Verfügung stehen. Die Beklagte geht dabei davon aus, dass die Freiflächen im Süden und Osten, die früher faktisch als Stellplätze genutzt wurden und mittlerweile als Grünflächen bepflanzt sind, den schon vorhandenen fünf Wohnungen zugeordnet seien. Solch eine Zuordnung liegt jedoch nicht vor, so dass auch diese Freiflächen als Stellplatz für die zusätzliche Dachgeschosswohnung in Betracht kommen.

Bei Änderungen von baulichen Anlagen sind Stellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass die Stellplätze die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können, Art. 47 Abs. 1 Satz 2 BayBO. Der Mehrbedarf von Stellplätzen wird bei der Änderung von baulichen Anlagen also durch den Vergleich zwischen dem Stellplatzbedarf der geänderten Anlagen und dem Stellplatzbedarf des formell und/oder materiell legalen und legal genutzten Altbestandes ermittelt (BayVGH, B. v. 11.11.2002 - 2 ZB 02.2472 - juris Rn. 3). Maßgeblich ist in diesen Fällen also nicht der absolute Bedarf, sondern nur der durch die Änderung ausgelöste Mehrbedarf mit der Folge, dass der bisherige Bedarf, ob erfüllt oder nicht, außer Betracht bleibt. Die damit gegebene Anrechnung von tatsächlich vorhandenen oder auch nur fiktiven Stellplätzen, die auf die bisherige Nutzung entfallen, ist Folge des Bestandsschutzes, den die bisherigen Nutzungen genießen (BayVGH, B. v. 22.4.2004 - 20 B 03.2531 - juris Rn. 19).

Gemessen an diesem Maßstab hätte bei der Festsetzung des durch die Dachgeschosswohnung zusätzlich ausgelösten Stellplatzbedarfs die Freifläche, die bisher faktisch für zwei Stellplätze genutzt wurde und mittlerweile begrünt ist, nicht dergestalt ausgeschlossen werden dürfen, dass sie nicht als Stellplatz für die unter dem ... Oktober 2014 beantragte Dachgeschosswohnung zur Verfügung steht. Denn bisher waren die beiden faktisch vorhandenen Stellplätze rechtlich nicht dem Altbestand zugeordnet, so dass sie auf diesen bei der Ermittlung des neu erforderlichen Stellplatzbedarfs nicht angerechnet werden durften.

Eine rechtliche Zuordnung der faktisch vorhandenen Stellplätze zum Altbestand ergibt sich weder aus dem Genehmigungsbescheid aus dem Jahr 1956 noch aus der von der Beklagten angeführten Reichsgaragenordnung. Nach § 2 Abs. 1 RGaO hat derjenige, der Wohnstätten oder ähnliche bauliche Anlagen errichtet oder Um- und Erweiterungsbauten ausführt, die den Wert solcher baulicher Anlagen erheblich steigern, für die vorhandenen und zu erwartenden Kraftfahrzeuge der Bewohner Einstellplatz in geeigneter Größe, Lage und Beschaffenheit samt den notwendigen Zubehöranlagen auf dem Baugrundstück oder in der Nähe zu schaffen. Nach § 6 Abs. 1 RGaO entscheidet über die Mindestgröße des Einstellplatzes, der Garage und der Zubehöranlagen die Baugenehmigungsbehörde im Genehmigungsverfahren. Es oblag nach der Reichsgaragenordnung also der Genehmigungsbehörde, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Anzahl Stellplätze erforderlich waren. Da sich aus der Reichsgaragenordnung nicht die Anzahl der notwendigen Stellplätze für das konkrete Bauvorhaben ergibt, bedurfte es deren Festsetzung (vgl. auch OVG Hamburg, B. v. 26.5.2008 - 2 Bf 171/06.Z - juris Rn. 4 zur Hamburgischen Bauordnung - HBauO). Mit anderen Worten ist Einstellplatz nach der Reichsgaragenordnung nur dann notwendig, wenn er als notwendig festgelegt wurde. Hätte die Baugenehmigungsbehörde im Jahr 1956 Stellplätze für erforderlich gehalten, so hätte sie die Pflicht des Bauherrn zur Herstellung von Stellplätzen in der Baugenehmigung festschreiben müssen. Der Baugenehmigungsbescheid von 1956 enthält aber gerade keine Aussage zu erforderlichen Stellplätzen. Da es sich ehemals um Sozialwohnungen handelte, ist es auch nicht unwahrscheinlich, dass im früheren Genehmigungsverfahren davon ausgegangen wurde, dass die Wohnungen keinen Stellplatzbedarf auslösten. Darüber hinaus ist weder vorgetragen noch ergibt sich aus den Akten, dass später eine Zuordnung der beiden faktisch genutzten Stellplätze zu den fünf bestehenden Wohnungen stattgefunden hat. Die Beklagte hat die Kläger niemals dazu aufgefordert, die faktisch als Stellplätze genutzte Freifläche als Stellplätze genehmigen zu lassen. Soweit auf einem Grundstück nicht genehmigte Stellplätze vorhanden sind, kann die Beklagte dagegen vorgehen oder sie - sofern sie genehmigungsfähig sind - genehmigen (vgl. OVG Hamburg, B. v. 26.5.2008 a. a. O. Rn. 8). Letzteres ist vorliegend nicht geschehen, so dass bisher keine rechtliche Zuordnung von Stellplätzen zu den fünf bestehenden Wohneinheiten stattgefunden hat.

Die bloße Existenz tatsächlich vorhandener Stellplätze reicht für eine rechtliche Zuordnung nicht aus. Die Freiflächen im Süden und Osten des klägerischen Grundstücks hätten damit nicht als möglicher Stellplatz für die unter dem ... Oktober 2014 beantragte Dachgeschosswohnung ausgeschlossen werden dürfen. Vielmehr kann im Rahmen des Möglichen der zusätzliche Stellplatz auf jeder Freifläche des klägerischen Grundstücks hergestellt werden. Dies wird die Beklagte in der den Klägern neu zu erteilenden Baugenehmigung zu berücksichtigen haben. Außerdem wird sie die drei Varianten des Art. 47 Abs. 3 BayBO zu beachten haben, wonach der zusätzlich erforderliche Stellplatz entweder auf dem Baugrundstück oder auf einem geeigneten Grundstück in der Nähe des Baugrundstücks hergestellt oder abgelöst werden darf.

2. Vorliegend kommt keine Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Baugenehmigung, sondern allein der Ausspruch einer Neuverbescheidung in Betracht. Denn die Kläger beantragten unter dem ... Oktober 2014 zusätzlich den Anbau eines Balkons, der einer Abweichung i. S. d. Art. 63 BayBO, also einer Ermessensentscheidung der Beklagten bedarf. Außerdem haben die Kläger in ihrem Bauantrag bisher noch nicht exakt die Fläche ihres Grundstücks bestimmt, auf der der neu zu errichtende Stellplatz hergestellt werden soll.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 178 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 4.600,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sind so zu errichten und zu betreiben, dass

1.
schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
2.
nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und
3.
die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können.
Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise (§ 51) durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates auf Grund der Art oder Menge aller oder einzelner anfallender Abfälle die Anlagen zu bestimmen, für die die Anforderungen des § 5 Absatz 1 Nummer 3 entsprechend gelten. Für Anlagen, die nicht gewerblichen Zwecken dienen und nicht im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden, gilt die Verpflichtung des Satzes 1 nur, soweit sie auf die Verhinderung oder Beschränkung von schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche oder von Funkanlagen ausgehende nichtionisierende Strahlen gerichtet ist.

(1a) Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden.

(2) Weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften bleiben unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.