Bayerisches Verwaltungsgericht München
M 1 K 15.401
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 19. Juni 2015
1. Kammer
Sachgebiets-Nr. 920
Hauptpunkte: Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen Grenzgarage; Geländeoberfläche
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
... - Kläger -
bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...
gegen
Freistaat Bayern
vertreten durch: Landratsamt Freising, Landshuter Str. 31, 85350 Freising
- Beklagter -
beigeladen: ...
bevollmächtigt: Rechtsanwalt ...
wegen bauaufsichtlicher Maßnahmen, FlNr. 638/15 Gemarkung ...
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer, durch die Richterin am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichterin aufgrund der weiteren mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2015 am 19. Juni 2015 folgendes Urteil:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde zu bauaufsichtlichem Einschreiten gegen eine Grenzgarage.
Der Kläger hat als Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft Mit- und Sondereigentum an dem Grundstück FlNr. 645 Gemarkung ..., das mit einem Wohngebäude mit nach Südwesten ausgerichteter Terrasse bebaut ist.
Unter dem Datum des ... August 2012 erteilte das Landratsamt Freising der Beigeladenen und ihrem verstorbenen Ehemann eine Baugenehmigung für den Umbau des Doppelhauses und den Neubau einer Garage auf dem südöstlich daran angrenzenden Grundstück FlNr. 638/15. Die Garage sollte als Grenzgarage entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze von Kläger und Beigeladener errichtet werden. Die gegen diese Baugenehmigung erhobene Klage (Az. M 1 K 12.4552) nahm der Kläger zurück. Nachdem das Gericht im Verfahren auf die Lückenhaftigkeit der genehmigten Pläne hinsichtlich der Darstellung der Geländeoberfläche hingewiesen hatte, forderte das Landratsamt weitere Pläne, die von der Beigeladenen vorgelegt und vom Landratsamt mit Schreiben vom ... Juni 2013 zum „Bestandteil der Baugenehmigung“ erklärt wurden.
Nach Beginn der Bauarbeiten an der Grenzgarage forderte der Kläger das Landratsamt insbesondere mit Schreiben vom ... September 2014, E-Mail vom ... September 2014 sowie Schreiben vom ... Oktober 2014 und ... Januar 2015 auf, bauaufsichtlich einzuschreiten. Er trug vor, die geplante Grenzgarage überschreite die zulässige Höhe von 3 m erheblich. Unterer Ausgangspunkt für die Messung der Höhe der Garage sei das seit mehr als 60 Jahren zwischen den Grundstücken verlaufende historische Grenzbankett für einen ehemaligen Zaun, das das Niveau für beide Grundstücke bilde, nicht dagegen der erst 1998 auf der nördlichen Grundstücksgrenze der Beigeladenen vor das Zaunbankett in Palisadenoptik betonierte Zementstein. Alle bisherigen Geländeaufschüttungen durch die Beigeladene entbehrten einer Genehmigung. Viele der im genehmigten Plan angegebenen Höhenmaße seien unrichtig. Die widerrechtliche Verschattung seines Grundstücks und seiner Terrasse führe zu einer massiven Beeinträchtigung seines Wohn- und Lebenskomforts.
Das Landratsamt beantwortete die Anträge des Klägers mit E-Mail vom ... Oktober 2014 dahin, die Meinung des Landratsamts sei dem Kläger mehrfach mündlich mitgeteilt worden. Es sei in Ordnung, als maßgeblichen Bezugspunkt für die Wandhöhe der Garage die Oberkante der Betonpalisade zu wählen, die in etwa der Geländehöhe auf dem benachbarten Grundstück FlNr. 638/4 entspreche und sogar unterhalb derjenigen auf FlNr. 638/2 liege.
Am ... Oktober 2014 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen eine Tekturbaugenehmigung mit berichtigten Höhenangaben, die der Kläger nicht angefochten hat.
Er erhob am ... Januar 2015 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München letztendlich mit dem Antrag,
den Beklagten zu verpflichten, gegen den Neubau der Garage auf dem Grundstück FlNr. 638/15 bauaufsichtlich einzuschreiten, soweit dieser die Abstandsflächen überschreitet,
hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Der Kläger trägt insbesondere vor, die Garage überschreite die Abstandsflächen erheblich und wirke erdrückend. Zum Teil weiche der Neubau zudem von dem genehmigten Plan ab. Die Oberkante der 1998 errichteten Betonpalisade, die das Landratsamt irriger Weise als Bezugspunkt für die Höhenermittlung heranziehe, liege um durchschnittlich 38 cm höher als das historische Betonzaunbankett. Der genehmigte Tekturplan sehe eine Garage vor, die die natürliche Geländeoberfläche, d. h. das Grenzbankett, um durchschnittlich 3,36 m überschreite (3,69 m auf der Ostseite [2,85 m + 0,84 m] sowie 3,02 m auf der Westseite [2,18 m + 0,84 m]). Tatsächlich überrage der Garagenneubau die natürliche Geländeoberfläche, d. h. das Grenzbankett, um durchschnittlich 3,45 m (3,80 m auf der Ostseite und 3,10 m auf der Westseite). Die erforderliche Abstandsfläche von 3 m werde somit um 15% und damit erheblich überschritten. Das behördliche Ermessen sei deshalb auf Null reduziert. Aufschüttungen könnten nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs frühestens nach 30 Jahren zu einer neuen natürlichen Geländeoberfläche führen. Hier seien wegen behördlicher Verfahren im Jahr 2005 und Einigungsversuchen im Jahr 2012 35 Jahre zu fordern. Die streitgegenständliche Garage sei zum Teil auf bebautem Gelände, auf dem eine bereits früher vorhandene Garage gestanden habe, zum Teil auf unbebautem Gelände errichtet worden. Die Zufahrtsstraße von der ...straße lege nur das Niveau vor der alten Garage fest, nicht das Niveau zwischen der alten Garage und dem klägerischen Grundstück.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er führt aus, die als maßgeblicher Bezugspunkt für die Wandhöhe der Garage gewählte Oberkante Betonpalisade bestehe bereits seit 16 Jahren und befinde sich im Einklang mit der seinerzeit genehmigten Bebauung. Andernfalls hätte schon die ehemals vorhandene Garage tiefer geplant werden müssen, was mit Blick auf die Zufahrtsverhältnisse von der ...straße her nicht angezeigt gewesen sei. Die mittlere Wandhöhe der Garage sei um circa 7 cm höher als in den genehmigten Plänen dargestellt ausgeführt worden und damit circa 7 cm höher als zulässig. Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, weil sich dieses wegen der Einstufung des Verstoßes als Bagatelle als unverhältnismäßig darstelle.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt insbesondere vor, ihr Haus sei 1983/1984 errichtet und 1988/89 von ihr erworben worden. Bereits damals habe sich zum Grundstück des Klägers hin ein Garagenanbau befunden und von der ...straße eine gepflasterte Zufahrt zu der Garage bestanden. Die Höhenlage der jetzigen Garage befinde sich auf der gleichen Höhenlage wie das Pflaster der Zufahrt. Eine Aufschüttung des Geländeniveaus habe seither nicht stattgefunden. Nicht die Oberkante der Betonpalisade, sondern die seit 1983 bestehende Zufahrt stelle das maßgebliche Geländeniveau dar. Der vom Beklagten als Kompromiss herangezogene Bezugspunkt Oberkante Betonpalisade liege tiefer als das Geländeniveau auf dem Grundstück der Beigeladenen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte und der Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Sie ist zwar zulässig.
1.1. Die Klage ist als Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO) statthaft. Die ablehnende Entscheidung des Landratsamts ist dabei in der E-Mail vom ... Oktober 2014 an den Kläger zu sehen, in der ihm mitgeteilt wurde, dass seinem Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten nicht stattgegeben werde. Ein Verwaltungsakt kann nach Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) auch elektronisch erlassen werden.
1.2. Der Kläger ist klagebefugt nach § 42 Abs. 2 VwGO.
Zum Einen besteht hier möglicherweise ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten nach Art. 76 Satz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) oder jedenfalls auf ermessensgerechte Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde.
Zum Anderen kann dem Kläger als Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft ein Abwehrrecht gegen die Bebauung seines Nachbargrundstücks zustehen. Er macht hier ausdrücklich eine Verletzung seines Sondereigentums geltend. Eine solche Verletzung kommt bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen auch grundsätzlich in Betracht, wenn - wie hier - die fragliche Wand des Bauvorhabens den Fenstern und der Terrasse gegenüber liegt, die zu der im Sondereigentum des Klägers stehenden Wohnung gehören (BayVGH, B. v. 21.1.2009 - 9 CS 08.1330 u. a. - ZMR 2009, 722 - juris Rn. 1 f.).
1.3. Die Klage ist auch von einem Rechtsschutzbedürfnis getragen, obwohl der Kläger die Tekturbaugenehmigung vom ... Oktober 2014 nicht angefochten hat.
Die auf bauaufsichtliches Einschreiten gerichtete Verpflichtungsklage hat sich nicht durch die nachfolgende Baugenehmigung erledigt, weil dem Beseitigungsverlangen des Klägers nunmehr die formelle Rechtmäßigkeit der Anlage entgegenstehen würde und dem Verpflichtungsbegehren deshalb die Grundlage entzogen wäre (so aber Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Feb. 2015, Art. 76 Rn. 509 unter Berufung auf BVerwG, B. v. 15.8.1988 - 4 B 89/88 - BayVBl. 1989, 23 - juris Rn. 4 f.). Diese auf der früheren Gesetzeslage basierende Rechtsauffassung trifft nicht mehr uneingeschränkt zu, nachdem die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen des vereinfachten Genehmigungsverfahrens vor Erteilung einer Baugenehmigung nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO nur noch die in Art. 59 Satz 1 BayBO explizit aufgeführten Vorschriften prüft, zu denen aber beispielsweise nicht das Abstandsflächenrecht gehört. Einer Nachbarklage gegen die Baugenehmigung wegen Verletzung abstandsflächenrechtlicher Vorschriften würde entgegen gehalten werden, dass diese im vereinfachten Verfahren - wenn wie hier eine Abweichung nicht beantragt wurde - nicht geprüft werden (BayVGH, B. v. 19.5.2014 - 9 CS 13.2432 - juris Rn. 12). Die Legalisierungswirkung der Baugenehmigung geht nur so weit wie die inhaltliche Prüfung, so dass die Erteilung einer Baugenehmigung mit reduziertem Prüfprogramm nicht zur Erledigung einer Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten wegen Verstoßes gegen nicht im Prüfprogramm enthaltene Vorschriften führen kann (ebenso VG München, B. v. 11.11.2014 - M 8 E1 14.4665 - juris Rn. 26; VG Augsburg, U. v. 8.10.2014 - Au 4 K 14.615 - juris Rn. 30).
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten noch auf nochmalige Entscheidung über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage bei der vorliegenden Verpflichtungs- bzw. Verbescheidungsklage ist dabei grundsätzlich der der letzten mündlichen Verhandlung.
2.1. Ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten kann sich aus Art. 76 Satz 1 BayBO ergeben. Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Ein Anspruch des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten erfordert dabei zum einen, dass er durch die bauliche Anlage in nachbarschützenden Rechten verletzt ist, zum anderen, dass das Ermessen des Beklagten auf Null reduziert ist. Liegt eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vor, hat der Kläger lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (BayVGH, B. v. 4.7.2011 - 15 ZB 09.1237 - juris Rn. 11).
Im vorliegenden Fall scheitert ein Anspruch des Klägers daran, dass das Vorhaben der Beigeladenen keine berücksichtigungsfähigen drittschützenden Vorschriften zu seinen Lasten verletzt (2.2.), jedenfalls aber daran, dass eine Ermessensreduzierung auf Null nicht vorliegt und das Landratsamt sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat (2.3.).
2.2. Die streitgegenständliche Grenzgarage verstößt nicht gegen abstandsflächenrechtliche Vorschriften.
Abweichend vom Regelfall des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO, wonach vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten sind, sind nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO Garagen als grenznahe Gebäude in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen zulässig, wenn sie eine mittlere Wandhöhe von 3 m und eine Grenzlänge je Grundstücksgrenze von 9 m nicht überschreiten. Für die zulässige Wandhöhe ist nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO abzustellen auf das Maß von der Geländeoberfläche des Baugrundstücks bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Die Abstandsfläche eines Bauvorhabens ist dabei grundsätzlich von der Geländeoberfläche des Baugrundstücks ausgehend zu bemessen (VGH BW, U. v. 24.3.2014 - 8 S 1938/12 - BauR 2014, 1752 - juris Rn. 28; Rauscher/Franz in Simon/Busse, a.a.O, Art. 6 BayBO Rn. 153). Öffentlich-rechtlich kann deshalb nicht verhindert werden, dass ein tieferliegendes Grundstück durch ein Bauvorhaben auf einem höherliegenden Grundstück, das nach den Abstandsflächenvorschriften zulässig ist, in einem gewissen Umfang beeinträchtigt wird (Dhom in Simon/Busse, a. a. O., Art. 6 BayBO Rn. 584).
Im vorliegenden Fall hält die 6,32 m lange Grenzgarage auf dem Grundstück der Beigeladenen nach Auffassung des Gerichts eine mittlere Wandhöhe von 3 m ein.
Nach dem am ... Oktober 2014 genehmigten Tekturplan weist die Garage im Osten eine Höhe von 2,85 m, im Westen von 2,18 m auf. Für die Frage, ob die Garage eine mittlere Wandhöhe von 3 m einhält, ist maßgebend, auf welcher Höhe die Geländeoberfläche auf dem Grundstück der Beigeladenen liegt. Während der Kläger meint, die Geländeoberfläche sei auf einer Höhe von - 0,84 m anzunehmen und werde in der Natur durch das historische Betonzaunbankett markiert, geht das Landratsamt davon aus, die Geländeoberfläche sei - wie in dem genehmigten Tekturplan geschehen - bei einer Höhe von - 0,46 m anzusetzen und werde in der Natur durch die Oberkante der Betonrandeinfassung in Palisadenoptik dargestellt (vgl. Foto in der Behördenakte, Bl. 85 oben). Die Beigeladene geht demgegenüber davon aus, die Geländeoberfläche liege auf einer Höhe von - 0,32 m und sei in der Natur durch die Zufahrt zu der Garage von der ...straße aus gekennzeichnet. Unter Hinzurechnung des unter +/- 0 m liegenden Teils der Garage ergibt sich damit nach Ansicht des Klägers eine genehmigte mittlere Gesamthöhe der Garage von 3,35 m, nach Ansicht des Beklagten von 2,975 m und nach Ansicht der Beigeladenen von 2,835 m. Die tatsächliche mittlere Wandhöhe liegt jeweils 7 cm höher.
Der Kläger stützt seine Ansicht, das Betonzaunbankett stelle den maßgeblichen Höhenbezugspunkt dar, darauf, dass dieses bereits seit mehr als 60 Jahren zwischen den Grundstücken verlaufe und nicht genehmigte Aufschüttungen für die Bestimmung der Geländehöhe außer Betracht zu bleiben hätten. Diese Auffassung trifft nicht uneingeschränkt zu. Zwar ist die natürliche Geländeoberfläche i. S. d. Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO grundsätzlich der gewachsene Boden und nicht die durch Aufschüttung geänderte Geländeoberfläche (BayVGH, B. v. 2.3.1998 - 20 B 97.912 - juris Rn. 13). Im vorliegenden Fall ist jedoch nach Auffassung des Gerichts seit den 1960er Jahren eine neue Geländeoberfläche entstanden. Die Abstandsflächenvorschriften verlangen nicht, dass ein ursprüngliches Gelände heranzuziehen ist, das möglicherweise weit in der Vergangenheit vorhanden war und in der Zwischenzeit verändert wurde. Was vermieden werden soll, ist, dass durch Manipulation des Geländes die gesetzlichen Vorschriften unterlaufen werden (BayVGH, B. v. 2.3.1998 - 20 B 97.912 - juris Rn. 13). Dabei bietet es sich an, bei der Frage, ob eine Aufschüttung oder Abgrabung zu berücksichtigen ist, auf die am Zweck der Herstellung bzw. Wahrung des Rechtsfriedens orientierte dreißigjährige Verjährungsfrist (vgl. § 195 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - a. F., § 197 Abs. 1 BGB n. F., § 900 BGB) zurückzugreifen (BayVGH, B. v. 17.4.2015 - 15 CS 14.2612 - juris Rn. 7 m. w. N.); in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wurden auch schon 25 Jahre als ausreichend angesehen (BayVGH, B. v. 2.3.1998 - 20 B 97.912 - juris Rn. 13).
In Anbetracht dessen, dass die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegte Zeitspanne von 30 Jahren lediglich als Orientierungshilfe zu sehen ist, kann hier wohl dennoch die seit 1998 und damit seit 17 Jahren bestehende Geländeoberfläche auf einer Höhe von - 0,46 m herangezogen werden. Eine damals möglicherweise vorgenommene Geländemodellierung wurde - auch nach dem Vortrag des Klägers - nicht zum Zwecke der Manipulation der Geländehöhe durchgeführt und von ihm oder seinem Rechtsvorgänger über die Dauer von bereits 17 Jahren unwidersprochen hingenommen.
Letztlich kann die Frage, ob 17 Jahre zur Begründung einer neuen Geländeoberfläche ausreichen, aber offen bleiben, weil die Annahme des Beklagten dem Kläger lediglich zum Vorteil gereicht. Setzt man die Geländeoberfläche nicht - wie der Beklagte - bei - 0,46 m an, liegt diese nicht bei der vom Kläger angenommenen Höhe von - 0,84 m, sondern nach Auffassung des Gerichts - wie von der Beigeladenen vorgetragen - bei einer Höhe von - 0,32 m, die in der Natur durch die Zufahrt zu der ehemaligen Garage markiert wird. Diese 0,14 m höhere Situierung der Garage hat eine entsprechend höhere Wirkung auf das Grundstück des Klägers zur Folge. Wie bereits der Begriff „Geländeoberfläche“ indiziert, ist damit nicht lediglich der Streifen an der Grenze der benachbarten Grundstücke gemeint, sondern eine weitläufigere Fläche. Jedenfalls verbietet schon der allgemeine Sprachgebrauch, die Geländeoberfläche mit einem - künstlichen - Zaunbankett gleichzusetzen (so VGH BW, U. v. 24.3.2014 - 8 S 1938/12 - BauR 2014, 1752 - juris Rn. 29 für eine Sockelwand). Stellt man aber auf eine weitere Fläche ab, liegt es nahe, hierfür die Zufahrt von der ...straße anzusetzen. Diese besteht bereits seit Errichtung der ehemals vorhandenen Garage im Jahr 1984 und damit seit 31 Jahren. Entgegen dem Vortrag des Klägers ist diese über 30 Jahre bestehende Geländeoberfläche - ungeachtet behördlicher Verfahren und Verhandlungen zwischen den Parteien - in zeitlicher Hinsicht unzweifelhaft ausreichend. Die Verjährungsvorschriften werden nur als Orientierungshilfe herangezogen, nicht aber direkt angewendet. Auch wenn die ehemals vorhandene Garage nicht direkt an der Grenze errichtet war und die Zufahrt auch nicht auf den Grundstücken von Kläger und Beigeladener verläuft, markiert sie die Höhenlage des Geländes, das seit 1984 besteht und auf dem seither von der ...straße zur Garage zugefahren wurde. Eine Erhöhung der Höhenlage der Garage hat nach dem Vortrag der Parteien nicht stattgefunden und wäre ohne Änderung des Niveaus der Zufahrt auch nicht möglich gewesen.
2.3. Selbst wenn die Ansicht des Landratsamts zutreffen sollte und die Höhe der Geländeoberfläche bei - 0,46 m anzusetzen wäre, könnte die Überschreitung der genehmigten Höhe um rund 7 cm durch die tatsächliche Bauausführung nicht zu einem Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten führen. Eine solche nur geringfügige Überschreitung der Abstandsflächen ist - ungeachtet des klägerischen Vortrags zu seinen tatsächlichen und finanziellen Einbußen - nicht ausreichend, um eine Ermessensreduzierung auf Null zu begründen (vgl. BayVGH, B. v. 4.7.2011 - 15 ZB 09.1237 - juris Rn. 12). Dem damit nur bestehenden Anspruch des Klägers auf fehlerfreie Ermessensausübung ist das Landratsamt nachgekommen, indem es den Antrag des Klägers mit E-Mail vom ... Oktober 2014 abschlägig verbeschieden hat.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.