Verwaltungsgericht München Urteil, 19. Sept. 2014 - 24 K 14.50343
Gericht
Tenor
I.
Der Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2014 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens haben die Beklagte zu ¾ und der Kläger zu ¼ zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist nach eigenen Angaben kongolesischer Staatsangehöriger (Bl. 2 der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [BAMF] vorgelegten Verwaltungsakte - d. A.). Er stellte in der Bundesrepublik Deutschland am 7. April 2014 einen Asylantrag (Bl. 27 d. A.). Zuvor hatte er bei einer Anhörung am 14. März 2014 (Bl. 9 d. A.) unter anderem mitgeteilt, er habe sich von der Türkei aus nach Bulgarien begeben, sei von dort über Serbien - wo er sich 1 Woche lang aufgehalten habe - nach Ungarn und von dort nach Deutschland gekommen; in Ungarn habe er einen Asylantrag gestellt; Aufenthaltstitel oder Visa für die Bundesrepublik Deutschland oder einen anderen Staat habe er nicht und habe er nicht gehabt (Bl. 11 d. A.).
In der vorgelegten Verwaltungsakte sind EURODAC-Treffer für Ungarn und Bulgarien dokumentiert (Bl. 70, 71 d. A.).
Am 13. Mai 2014 richtete das BAMF an Bulgarien ein Aufnahmegesuch (Bl. 72 ff. d. A.)
Am 28. Mai 2014 erklärte sich Bulgarien gegenüber dem BAMF zur Aufnahme des Klägers im Hinblick auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) 604/2013 (Dublin-III-VO) bereit (Bl. 89 - 90 d. A.).
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 10. Juni 2014 lehnte das BAMF den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Bulgarien an (Nr. 2).
Der streitgegenständliche Bescheid wurde dem Kläger mit gesondertem Zustellanschreiben vom 12. Juni 2014 (Bl. 109 d. A.) am 13. Juni 2014 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
Mit gemeinsamer Klage- und Antragsschrift vom 17. Juni 2014, bei Gericht per Telefax eingegangen am gleichen Tag, beantragten die Bevollmächtigten des Klägers,
den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben (Nr. I), die Beklagte zu verpflichten, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und das Asylverfahren des Klägers in eigener Zuständigkeit durchzuführen und zu bescheiden (Nr. II) sowie die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (Nr. III).
Mit Schreiben vom 20. Juni 2014 übersandte die Beklagte die Verwaltungsakte und den Zustellnachweis für den streitgegenständlichen Bescheid.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 30. Juni 2014 wies das Gericht die Beteiligten auf einen Bericht des UNHCR betreffend Bulgarien (Stand: April 2014) hin.
Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2014 nahmen die Bevollmächtigten des Klägers hierzu Stellung.
Mit Beschluss vom 8. Juli 2014 wurde das Klageverfahren zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Mit Beschluss vom 16. Juli 2014 ordnete das Gericht im parallelen Eilverfahren M 24 S 14.50345 die aufschiebende Wirkung der Klage an.
Auf gerichtliche Anfrage vom 16. Juli 2014 hin verzichteten die Klagepartei mit Telefax vom 24. Juli 2014 und die Beklagte mit Erklärung vom 28. Juli 2014 auf mündliche Verhandlung.
Das Gericht hat dem Kläger mit Beschluss vom 15. September 2014 hinsichtlich des Klageantrags zu I. teilweise Prozesskostenhilfe gewährt und ihm insoweit seinen Bevollmächtigten beigeordnet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die parallelen Gerichtsakten M 24 K 14.50343 und M 24 S 14.50345 sowie auf die vom BAMF vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Gründe
1. Die Klage ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG) nur hinsichtlich der Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid zulässig, insoweit aber begründet.
Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil alle Beteiligten klar, eindeutig und vorbehaltlos (vgl. BVerwG B.v. 24.4.2013 - 8 B 91/12 - juris Rn. 3) auf mündliche Verhandlung verzichtet haben. Dabei bedurfte es weder einer gesonderten Anordnung des schriftlichen Verfahrens durch einen gerichtlichen Beschluss (BVerwG B.v. 15.5.2014 - 9 B 57/13 - Rn. 20, NVwZ-RR 2014-657) noch vor der Entscheidung im schriftlichen Verfahren der Bestimmung einer Schriftsatzfrist (BVerwG B.v. 10.10.2013 - 1 B 15/13 - Rn. 5, Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 72, juris).
Das Verwaltungsgericht München ist entscheidungsbefugt, insbesondere örtlich zuständig, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung seinen Aufenthalt im Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts München zu nehmen hatte (§ 52 Nr. 2 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i. V. m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung - AGVwGO - i. V. m. § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG).
Aufgrund des Kammerbeschlusses vom 8. Juli 2014 ist der Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung berufen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).
Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG ist für die vorliegend gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehende gerichtliche Entscheidung die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird.
2. Die Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid ist zulässig, insbesondere innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 74 Abs. 2 AsylVfG erhoben worden; sie ist auch vollumfänglich begründet.
2.1. Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist § 27a AsylVfG; Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 AsylVfG.
Der Asylantrag wäre dabei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn Bulgarien aufgrund des bereits dort vom Kläger gestellten Asylantrags gemäß den Zuständigkeitskriterien der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) für die Behandlung des Asylantrags zuständig wäre (vgl. auch § 71a Abs. 1 und Abs. 2 AsylVfG) oder wenn dies auf einen anderen Mitgliedstaat zutrifft, der nach den Zuständigkeitsregelungen der Dublin-III-VO vorrangig zuständig ist (OVG NRW U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 31 m. w. N.).
Einschlägig ist dabei im vorliegenden Fall die Dublin-III-VO und nicht die frühere Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO), weil das Wiederaufnahmegesuch der Bundesrepublik Deutschland an Bulgarien nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde. Gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 Dublin-III-VO ist die Dublin-III-VO ungeachtet des Zeitpunkts der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz ab dem 1. Januar 2014 auf alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern anwendbar.
2.2. Nach den Zuständigkeitsregelungen der Dublin-III-VO wäre an sich Bulgarien der für die Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat.
Dabei kann sich die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates nicht nur aus den materiellen Zuständigkeitskriterien (Art. 3 und 7 - 16) der Dublin-III-VO ergeben, sondern auch aus dem Selbsteintritt eines Mitgliedstaates gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO; ein solcher Selbsteintritt bewirkt abweichend von den materiellen Zuständigkeitskriterien konstitutiv eine eigene Zuständigkeit des jeweils erklärenden Mitgliedstaates (vgl. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Ob im Einzelfall ein Selbsteintritt vorliegt oder nicht, hängt dabei zwar von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei auch eine „konkludente“ Ausübung des Selbsteintrittsrechts denkbar ist (vgl. BayVGH B.v. 3.3.2010 - 15 ZB 10.30005 - InfAuslR 2010, 467, juris Rn. 4). Jedenfalls dann aber, wenn ein Mitgliedstaat ausdrücklich dem Übernahmeersuchen oder dem Wiederaufnahmeersuchen eines anderen Mitgliedstaates zustimmt (Art. 22 Abs. 1, 26 Dublin-III-VO) und entsprechende Unterrichtungen auf dem in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO vorgesehenen Kommunikationsweg vornimmt, ist von einem Selbsteintritt i. S.v. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszugehen, der den erklärenden Mitgliedstaat damit auch zum „zuständigen Mitgliedstaat“ i. S.v. Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO macht (vgl. Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a Rn. 174 und Rn. 177).
Vorliegend wäre Bulgarien jedenfalls infolge seiner am 28. Mai 2014 beim BAMF eingegangenen Erklärung, mit der die Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Klägers zum Ausdruck gebracht worden ist, nach der Dublin-III-VO zuständig und damit wiederaufnahmepflichtig geworden (Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 i. V. m. Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO), wobei sich auch aus Art. 13 und Art. 3 Abs. 2 Abs. 1 Dublin-III-VO vorliegend nichts anderes ergäbe.
2.3. Auch ist kein Verfahrensfehler im Hinblick auf das Wiederaufnahmegesuch des BAMF ersichtlich (vgl. Art. 20 - 23, 25 und 29 Dublin-III-VO).
2.4. Für Fälle wie den vorliegenden, in denen der somit an sich zuständige Mitgliedstaat der Wiederaufnahme (vorliegend Bulgarien) in verfahrensfehlerfreier Weise zugestimmt hat, kann der Asylbewerber der Heranziehung der von der Dublin-III-VO vorgesehenen Zuständigkeitskriterien nur damit entgegentreten, dass er systematische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Aufnahmemitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S.v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO; vgl. EuGH (Große Kammer) U.v. 14.11.2013 - C-4/11
2.5. Im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Eilentscheidung ist davon auszugehen, dass das bulgarische Asylsystem systemische Schwachstellen aufweist.
2.5.1. Als Erkenntnismittel geeignet, die Mitgliedstaaten in die Lage zu versetzen, sich ein Bild über das Funktionieren des Asylsystems im zuständigen Mitgliedstaat zu machen sind insbesondere regelmäßige und übereinstimmende Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen, Schreiben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR), aber auch Berichte der Kommission (EuGH (Große Kammer) U.v. 21.12.2011 - C-411/10
2.5.2. Im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) sprechen die verfügbaren Erkenntnismittel nach summarischer Prüfung dafür, dass das bulgarische Asylsystem systemische Mängel i. S.v. Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO aufweist.
Grundlegend ist der Bericht des UNHCR „Bulgaria as a Country of Asylum - UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria - April 2014“ (UNHCR-Bericht 04/2014). Dieser Bericht ist nach Bekunden des UNHCR ein update zum vorausgegangenen Bericht des UNHCR vom Januar 2014 (UNHCR-Bericht 01/2014), in dem noch eine generelle Aussetzung aller Dublinüberstellungen an Bulgarien empfohlen wurde. Der UNHCR-Bericht 04/2014 hält unter anderem fest, dass in Bulgarien seit Jahresbeginn 2014 zahlreiche Verbesserungen hinsichtlich der Aufnahmebedingungen und hinsichtlich des Asylverfahrensablaufes festzustellen sind. Deshalb schlussfolgert der UNHCR-Bericht 04/2014, dass eine generelle Aussetzung aller Dublinüberstellungen an Bulgarien nicht länger gerechtfertigt sei (UNHCR-Bericht 04/2014, S. 17 dritter Absatz). Gleichzeitig betont der UNHCR aber auch, dass trotz der durch die bulgarischen Behörden unternommenen Fortschritte fortdauernde Schwachstellen im bulgarischen Asylsystem verbleiben, die auch angesprochen werden, namentlich unangemessene Aufnahmebedingungen in zwei von sieben Aufnahmeeinrichtungen, mangelnde Vorkehrungen, um Personen mit speziellen Bedürfnissen - insbesondere bei Kindern - zu erkennen und deren Bedürfnisse vor Ort geltend zu machen, sowie qualitative Defizite im Asylverfahren selbst (UNHCR-Bericht 04/2014, S. 17 zweiter Absatz; vgl. auch S. 7 viertletzter Absatz). Für bestimmte Gruppen oder Einzelpersonen empfiehlt der UNHCR nach wie vor, von einer Überstellung an Bulgarien abzusehen (UNHCR-Bericht 04/2014, S. 1 dritter Absatz und S. 17 zweiter Absatz). Dabei zeigt sich der UNHCR besorgt hinsichtlich der Frage der Nachhaltigkeit der Anstrengungen auf mittlere und lange Sicht (UNHCR-Bericht 04/2014, S. 1 vierter Absatz und S. 16 erster Absatz); er betont, dass es „essentiell“ sei, dass die Verbesserungen konsolidiert und nachhaltig angewandt werden (vgl. UNHCR-Bericht 04/2014, S. 17 erster Absatz). Auch stellt der UNHCR fest, dass ein Teil der Verbesserungen in Bulgarien auf ad-hoc- Maßnahmen beruht, die hauptsächlich von Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) oder seitens der bulgarischen Zivilgesellschaft erfolgten, bei denen jedoch keineswegs sichergestellt ist, dass sie von der staatlichen bulgarischen Flüchtlingsagentur (State Agency for Refugees - SAR) übernommen und fortgeführt werden (UNHCR-Bericht 04/2014, S. 16 zweiter Absatz). Der UNHCR stellt dabei einen Zusammenhang her, zwischen den festgestellten Verbesserungen einerseits und der seit November 2013 vom bulgarischen Staat vorgenommenen Zurückschiebungspraxis an der bulgarischen Grenze zur Türkei andererseits, die zu einem „drastischen Rückgang“ der Ankünfte von Asylbewerbern geführt habe: Dieser Rückgang der Asylbewerberzahlen habe die staatlichen Behörden in die Lage versetzt, sich auf Aufnahmeengpässe und auf das Asyl-System zu konzentrieren (UNHCR-Bericht 04/2014, S. 16 vierter Absatz). Der UNHCR bemerkt deshalb, dass die bulgarischen Behörden zusätzliche Herausforderungen zu meistern hätten, wenn in Zukunft die Zahl der Asylbewerber steigen sollte, sei es durch höhere Neuankünfte oder auch durch Überstellungen innerhalb des Dublin-Systems (UNHCR-Bericht 04/2014, S. 16 fünfter Absatz). Der UNHCR will deshalb zeitnah die Entwicklungen in Bulgarien beobachten (UNHCR-Bericht 04/2014, S. 17 fünfter Absatz).
Der UNHCR führt aus (UNHCR-Bericht 04/2014, S. 14 dritter Absatz), dass am 31. März 2014 eine Zahl von 1.433 Überstellungsanfragen an Bulgarien (614 hinsichtlich Rücküberstellung; 819 hinsichtlich Übernahme) anhängig gewesen sei, die sich nach Auffassung des UNHCR in den kommenden Monaten noch erhöhen könnte. Nach Ansicht des UNHCR würde nur eine effektive Ausweitung der SAR-Aufnahmekapazitäten auf 6.000 Personen bis Ende April 2014 eine erneute Überforderung des bulgarischen Aufnahmesystems verhindern, wenn die angefragten Rücküberstellungen tatsächlich ausgeführt würden (UNHCR-Bericht 04/2014, S. 14 dritter Absatz).
Die im Internet veröffentlichten Aussagen von NGO fallen hinsichtlich des bulgarischen Asylsystems nicht günstiger aus als die Einschätzung des UNHCR. Amnesty International kommt in seinem Bericht „Suspension of Returns of Asyl-Seekers to Bulgaria must Continue“ vom März 2014 trotz festgestellter Verbesserungen zu dem Schluss, dass weiterhin eine allgemeine Aussetzung der Überstellung an Bulgarien angezeigt sei. In den Internet-Auftritten von bordermonitoring.eu/category/bulgaria vom 23. April 2014 und p...de/de/news/detail/news/bulgarien vom 25. April 2014 wurde über die Push-Back-Operationen Bulgariens berichtet. Der European Council on Refugees and Exiles (ecre.org/component/content/article /70-weekly-bulletin-articles/…) berichtete am 4. April 2014, dass die EU-Kommission gegenüber Bulgarien ein Vertragsverletzungsverfahren wegen möglicher Zurückweisungen syrischer Flüchtlinge an der Grenze eingeleitet und Bulgarien förmlich zur Stellungnahme hierzu aufgefordert habe. Am 19. Mai 2014 berichtete auch Human Rights Watch, dass die EU-Kommission erste aktive Schritte gegen Bulgarien wegen der Push-backs von Syrern unternommen habe (hrw.org/news/2014/05/19/bulgaria-s-ugly-containing-refugee-crisis…). Auch die von Bordermonitoring.eu herausgegebene Veröffentlichung: Trapped in Europe’s Quagmire: The situation of asylum seekers and refugees in Bulgaria (Stand: Juli 2014; verfasst von: Tsvetelina Hristova, Raia Apostolova, Neda Deneva, Mathias Fiedler; abrufbar unter: http://b..eu/2014/07/07/t...) kritisiert das bulgarische Asylsystem und empfiehlt - unter anderem im Hinblick auf überfüllte Lager und Obdachlosigkeit (a. a. O., S. 14 ff.) und Angriffe auf Flüchtlinge (a. a. O., S. 27 ff.) sowie angesichts inadäquater medizinischer Hilfe und des Risikos willkürlicher Haft (a. a. O., S. 40) - einen Stopp von Rückführungen nach Bulgarien (a. a. O., S. 40).
2.5.3. In der Zusammenschau der Erkenntnisse ergibt sich, dass der gegenwärtige Zustand des bulgarischen Asylsystems derart fragil ist, dass gerade auch hinzutretende Rücküberstellungsmaßnahmen im Rahmen des Dublin-Systems, zu denen auch die vorliegend streitgegenständliche Abschiebungsanordnung gehört, mit dazu beitragen würden, bestehende innersystemische Schwachstellen des bulgarischen Asylsystems - etwa hinsichtlich der Verfahrenslänge oder der Aufnahmebedingungen - zu verstärken. Dabei ist insbesondere zu sehen, dass nach dem UNHCR-Bericht 04/2014 letztlich gerade auch die gesteuerte Asylzugangsabschottung Bulgariens mittelbar maßgeblichen Einfluss darauf hatte, dass der UNHCR-Bericht 04/2014 von der früheren Empfehlung im Januar-Bericht des UNHCR, generell keine Überstellungen an Bulgarien durchzuführen, Abstand genommen hat. Eben diese Verfahrensweise ist nach veröffentlichten NGO-Berichten aber ihrerseits Gegenstand eines von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens geworden. Dabei ist zu sehen, dass seit Erscheinen des UNHCR-Berichts 04/2014 rund weitere fünf Monate vergangen sind, ohne dass hinreichend gesicherte Hinweise ersichtlich wären, dass Bulgarien seither die vom UNHCR beschriebenen erforderlichen weiteren Anstrengungen erfolgreich abgeschlossen und nachhaltig implementiert hätte.
2.5.4. Vor dem Hintergrund der dargestellten Erkenntnismittellage lässt sich im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) mit hinreichender Sicherheit prognostizieren, dass systemische Schwachstellen i. S.v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 i. V. m. Art. 4 GRCh vorliegen (im Ergebnis ebenso bereits VG München U.v. 30.7.2014 - M 24 K 14.50321; VG München U.v. 30.7.2014 - M 24 K 14.50335). Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass sich in der Zeit seit der Veröffentlichung der genannten Erkenntnismittel bis zur vorliegenden Entscheidung die erforderliche Stabilisierung im bulgarischen Asylsystem ergeben hätte. Die genannten fachkundigen Institutionen haben ihre nach wie vor kritischen Aussagen nicht relativiert, insbesondere hat der UNHCR keinen allgemeinen Bericht veröffentlicht, aus dem hervorginge, dass er nunmehr von einer hinreichenden Stabilisierung des bulgarischen Asylsystems ausgehe. Der streitgegenständliche Bescheid setzt sich weder mit der aktuellen Rechtslage noch mit den tatsächlichen Verhältnissen in Bulgarien, wie sie in den genannten aktuellen Erkenntnismitteln dargestellt werden, substantiiert auseinander. Auch hat die Beklagtenseite im gerichtlichen Verfahren nicht ansatzweise vorgetragen, dass sich insoweit Verbesserungen ergeben hätten. Das Gericht sieht deshalb im Hinblick auf die seit nunmehr rund fünf Monaten unveränderte neuere Erkenntnismittellage gegenüber dem bulgarischen Asylsystem (s.o.) sowie im Hinblick darauf, dass die Beklagtenseite hiergegen auch auf das gerichtliche Anhörungsschreiben vom 16. Juli 2014 hin nicht substantiiert zur Frage zwischenzeitlicher Veränderungen im ungarischen Asylsystem vorgetragen hat, keinen Anlass für ergänzende Anfragen bei den genannten Stellen dahin, ob von deren kritischer Haltung abgerückt wird.
2.5.5. Dabei ist zwar zu sehen, dass den Regelungen der Dublin-III-Verordnung zunächst der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zugrunde liegt, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erschüttert sein muss, um zum Erfolg eines Rechtsbehelfs gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG führen zu können. Dieser Grundsatz kann nicht mittels jedweder Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat außer Kraft gesetzt werden (vgl. EuGH (Große Kammer) U. v. 21.12.2011 - C-411/10
Das ändert aber nichts daran, dass Stellungnahmen des UNHCR - angesichts der Rolle, die diesem durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist - bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin-III-VO zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zukommt (EuGH U.v. 30.5.2013 - C-528/11 - Rn. 44, NVwZ-RR 2013, 660). Hinzu kommt, dass die im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung veröffentlichten aktuellen Stellungnahmen der Non-Government-Organisationen keine günstigere Einschätzung nahelegen als diejenige, die der UNHCR in seinem Schreiben dargestellt hat.
Dies rechtfertigt es, auch in Anbetracht des primärrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes und des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, im Hinblick auf Art. 4 GRCh, den der sekundärrechtliche Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO selbst in Bezug nimmt, von systemischen Schwächen im bulgarischen Asylsystem i. S.v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO auszugehen, so dass Bulgarien - obwohl an sich nach der Dublin-III-VO zur Durchführung des Asylverfahrens des Klägers berufen - gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO gleichwohl nicht zuständig ist.
2.6. Vorliegend ist eine Zuständigkeit anderer Mitgliedstaaten nach der Dublin-III-VO aber nicht ersichtlich.
2.6.1. Angesichts der somit wegen Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO nicht gegebenen Zuständigkeit Bulgariens, ist nach dieser Vorschrift weiter zu prüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wobei eine entsprechende verwaltungsgerichtliche Prüfung aber nicht gleichsam „ins Blaue hinein“ vorzunehmen ist, sondern nur insoweit, also sich aus den Akten oder dem sonstigen Vorbringen der Beteiligten hinreichende Anhaltspunkte hierfür ergeben (OVG NRW U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 31).
2.6.2. Familienbezogene Zuständigkeiten im Sinne von Art. 8 bis 12 Dublin-III-VO sind im Fall des Klägers tatbestandlich nicht einschlägig.
Aus dem Umstand, dass sich der Kläger im Zuge seiner Weiterreise zunächst in Ungarn aufgehalten hat, ergibt sich keine vorrangige Zuständigkeit Ungarns vor der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 13 Abs. 2 Dublin-III-VO, weil der in dieser Vorschrift vorgesehene 5-Monats-Zeitraum im Fall des Klägers hinsichtlich Ungarn nicht gegeben.
Ein Fall visafreier Einreise i. S.v. Art. 14 Dublin-III-VO liegt beim Kläger, der kongolesischer Staatsangehöriger ist, nicht vor und eine Zuständigkeit anderer Mitgliedstaaten ergibt sich auch nicht aus Art. 15 Dublin-III-VO, weil der Kläger seinen Asylantrag nicht im internationalen Transitbereich eines Flughafens gestellt hat.
2.6.3. Schließlich ergibt sich eine vorrangige Zuständigkeit Ungarns auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO im Hinblick darauf, dass der Kläger bereits am 7. März 2013 - also noch vor seinem in Deutschland am 7. April 2014 gestellten Asylantrag - in Ungarn einen Asylantrag gestellt hatte. Denn das ungarische Asylsystem weist nach der Rechtsprechung der Kammer seinerseits systemische Mängel auf, so dass wegen Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO auch eine vorrangige Zuständigkeit Ungarns vor der Bundesrepublik Deutschland ausscheidet. Es wird insoweit auf folgende Ausführungen im Urteil vom 29. August 2014, Az. M 24 K 14.50324 Bezug genommen:
(…)
2.5.2.1. Zwar hat gerade für Ungarn die Große Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) bereits in einem Zeitpunkt nach dem Inkrafttreten der ungarischen Asylrechtsänderungen zum 1. Juli 2013 systemische Mängel verneint (EuGH (Große Kammer) U.v. 10.12.2013 - C-394/12
2.5.2.2. Allerdings sind zwischenzeitlich neue Erkenntnismittel verfasst und veröffentlicht worden, die dem EuGH bei seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2013 noch nicht bekannt sein konnten, weil sie damals noch nicht existierten. Eine tragfähige Grundlage für die Annahme eines möglicherweise als systemisch zu bewertenden Mangels durch eine ungerechtfertigte Freiheitsentziehung kann dabei gegeben sein, wenn kompetente Stellen wie etwa der UNHCR und das EASO (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen, errichtet durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 132 v. 29.5.2010, S. 11) einen solchen Mangel feststellen (vgl. VG Hamburg B.v. 10.2.2014 - 19 AE 5415/13 - juris Rn. 24 - 32 und ihm folgend VG München B.v. 22.4.2014 - M 24 S 13.31311 - juris). An entsprechenden Stellungnahmen fehlte es zwar noch zur Zeit der soeben genannten Judikate; zwischenzeitlich sind aber weitere aktuelle Erkenntnismittel veröffentlicht worden, nämlich:
- Schreiben des UNHCR vom 9. Mai 2014 an das VG Düsseldorf im Verfahren 13 L 172/14.A (abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des BAMF);
- Bericht des HHC (Hungarian Helsinki Committee) zur Asylhaft und zu den Dublin-Verfahren in Ungarn (Stand: Mai 2014; ebenfalls abrufbar in MILO);
- Ungarn-Länder-Bericht des AIDA (Asylum Information Database), der ebenfalls vom HHC geschrieben und vom European Council on Refugees and Exiles (EDRE) veröffentlicht worden ist (Stand: 30.4.2014; abrufbar unter: http://www.a...org/reports/country/hungary).
Diesen Veröffentlichungen lassen sich insbesondere zur Inhaftierungspraxis Ungarns im Zusammenhang mit Asylfällen diverse Kritikpunkte entnehmen. Das Gericht schließt sich insoweit folgenden Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf
„62 Seit der (Wieder-)Einführung der Asylhaft zum 1. Juli 2013, die erneut eine Inhaftierung von Erstantragstellern - wie dem Antragsteller des vorliegenden Verfahrens - ermöglicht, wurden im Zeitraum von Juli bis Dezember 2013 rund 25% aller Asylantragsteller auf dieser Grundlage inhaftiert,
vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Die Gesamtzahl der in diesem Zeitraum gestellten neuen Asylanträge belief sich auf 7.156, während die Anzahl der Inhaftierungen im gleichem Zeitraum 1.762 betrug; die Hafteinrichtungen waren in diesem Zeitraum regelmäßig voll besetzt;
vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Nach der Dublin-Verordnung nach Ungarn zurücküberstellte Asylbewerber wurden in diesem Zeitraum flächendeckend inhaftiert,
vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Zwar stellt der Umstand, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 - wieder - Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und Ungarn diese neuen Inhaftierungsvorschriften auch tatsächlich anwendet, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems dar. Denn auch das unionsrechtliche Regelungssystem geht seinerseits davon aus, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern - wenn auch unter engen Voraussetzungen - im Einzelfall möglich ist. Artikel 8 und 9 der Richtlinie 2013/33 EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragten (Neufassung) - im Folgenden: AufnahmeRL, geben den Mitgliedstaaten hierfür ausdrücklich einen rechtlichen Rahmen vor. Auch macht Ungarn ersichtlich nicht mehr in einem so umfassenden Umfang von den neuen Haftregelungen Gebrauch wie noch im Zeitraum bis zum 1. Januar 2013 nach der früheren Rechtslage.
Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergeben sich aber ungeachtet dessen sowohl hinsichtlich des Verfahrens der Haftanordnung durch die zuständige Verwaltungsbehörde (sog. Office of Immigration and Nationality - OIN) als auch mit Blick auf die gegen die Haftanordnung bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Anhaltspunkte für eine grundrechtsverletzende, insbesondere willkürliche und nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Inhaftierungspraxis, der die Asylbewerber rechtsschutzlos ausgeliefert zu sein scheinen.
Den Verwaltungsentscheidungen, mit denen die Asylhaft gegenüber Erstantragstellern angeordnet wird, fehlt es regelmäßig an einer einzelfallbezogenen Begründung. Denn die haftanordnenden Entscheidungen des OIN nennen weder den konkreten Haftgrund, noch enthalten sie Angaben dazu, warum die Inhaftierung aus Sicht der zuständigen Behörde im konkreten Einzelfall erforderlich und angemessen ist und insbesondere keine anderen milderen Mittel in Betracht kommen, um eine Verfügbarkeit des Antragstellers im Asylverfahren sicherzustellen, wie etwa die Stellung einer Kaution, die Anordnung einer Residenzpflicht oder regelmäßige Meldepflichten - Alternativen zur Haft, die im neuen ungarischen Asylrecht rechtlich durchaus vorgesehen sind,
vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Vielmehr werden Asylbewerber nur mündlich über die Gründe ihrer Inhaftierung informiert und erhalten die - nicht mit einer Begründung versehene - Haftanordnung noch dazu ausschließlich in ungarischer Sprache,
vgl. aida, National Country Report Hungary, a. a. O., S. 56.
was jedenfalls die Überprüfbarkeit der Anordnung und die Inanspruchnahme von Rechtsschutz für den Asylbewerber deutlich erschweren dürfte.
Dass vor der Anordnung der Haft eine - lediglich nicht schriftlich dokumentierte - Einzelfallprüfung erfolgt, ergibt sich ebenfalls nicht. Nach den Angaben im aida Länderbericht soll die Asylhaft nach der ungarischen Rechtslage zwar auf der Grundlage einer Prüfung der individuellen Umstände des Einzelfalls und nur dann erfolgen, wenn - s.o. - keine weniger einschneidenden Alternativen in Betracht kommen. Die Erfahrung zeige aber, dass Haftanordnungen gerade ohne eine solche Einzelfallprüfung ergingen und Haftalternativen nicht geprüft würden. Auch würden zur Verfügung stehende Instrumente zur Überprüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Haftanordnung in der Praxis nicht angewendet,
vgl. aida, National Country Report Hungary, a. a. O., S. 51.
Vielmehr sei vollkommen intransparent und daher nicht vorhersehbar, welche Asylbewerber in Ungarn verhaftet würden und welche nicht und warum,
vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Damit sehen sich aber grundsätzlich alle Asylbewerber bei der Erstantragstellung dem nicht einschätzbaren Risiko einer willkürlichen Inhaftierung ausgesetzt.
Soweit Dublin-Rückkehrer anders als die übrigen Asylbewerber nach ihrer Rückkehr nach Ungarn grundsätzlich inhaftiert werden,
vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
führt dies nicht zu einer anderen Bewertung, da es nach der Auskunftslage auch hinsichtlich dieser Personengruppe jedenfalls an jeder individuellen Prüfung der Haftvoraussetzungen und Haftgründe zu fehlen scheint.
Soweit ausweislich des aida Länderberichts nach neuem Recht unbegleitete Minderjährige nicht inhaftiert werden dürfen und alleinstehende Frauen und Familien mit Kindern - obwohl rechtlich möglich - tatsächlich nicht in Asylhaft genommen werden,
vgl. aida, National Country Report Hungary, a. a. O., S. 48; andererseits sind andere besonders verletzliche Personen, z. B. ältere Menschen, oder Menschen mit körperliche oder geistigen Erkrankungen/Behinderungen, nicht von der Asylhaft ausgenommen sind und es bestehen auch keine ausreichenden Mechanismen, um diese Personen im Asylverfahren rechtzeitig zu identifizieren, S. 56,
bleibt schon offen, ob dies auch auf die Personengruppe der Dublin-Rückkehrer zutrifft, der der Antragsteller zugehört. Jedenfalls gehört der Antragsteller aber ersichtlich nicht zu diesen besonders geschützten Personengruppen, die nach der aktuellen Erkenntnislage von einer Asylhaft tatsächlich verschont bleiben.
Es ist andererseits nicht ersichtlich, dass die vorhandenen Rechtsschutzmöglichkeiten wenigstens nachträglich eine ausreichende und wirksame rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Inhaftierungsentscheidung bzw. ihrer Fortdauer gewährleisten könnten. Im Gegenteil bewerten die aktuellen Erkenntnismittel die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten als vollkommen ineffektiv und im Ergebnis wirkungslos. Selbstständige Rechtsbehelfe stehen gegen die behördliche Anordnung der Asylhaft nicht zur Verfügung,
vgl. aida National Country Report Hungary, a. a. O., S. 56 unten; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Die Überprüfung der Haftanordnungen erfolgt vielmehr im Rahmen einer automatischen gerichtlichen Haftüberprüfung erstmals nach 72 Stunden, anschließend dann - weil die Behörden regelmäßig die Verlängerung der Haft um jeweils weitere 60 Tage beantragen - in einem 60-Tage-Rhythmus. Die zuständigen Gerichte setzen dabei die Überprüfungstermine im Halbstundentakt und regelmäßig für Gruppen von 5 bis 15 Inhaftierte gleichzeitig an, so dass für jeden Fall nur wenige Minuten zur Verfügung stehen.
vgl. auch aida-report, a. a. O., S. 57; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Eine einzelfallbezogene Überprüfung, ob die Haftanordnung rechtmäßig war und der Haftgrund fortbesteht, dürfte - zumal die Haftgründe und sonstigen behördlichen Erwägungen wie ausgeführt in der behördlichen Anordnung nicht schriftlich fixiert sind - den Gerichten unter diesen Umständen kaum möglich sein,
so auch Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Erschwerend kommt hinzu, dass inhaftierte Asylbewerber zwar Anspruch auf einen kostenlosen Rechtsbeistand haben, diese Rechtsbeistände aber in den Haftprüfungsterminen normalerweise keine Einwände gegen die Verlängerung der Haftdauer erheben und regelmäßig auch nur in der ersten Überprüfung (nach 72 Stunden Haft) von Amts wegen zur Verfügung gestellt werden. Bei den späteren, wegen der regelmäßig erfolgenden Haftverlängerungen um 60 Tage grundrechtlich noch bedeutsameren Folgeüberprüfungen steht Asylantragstellern diese rechtliche Unterstützung in der Praxis dagegen regelmäßig nicht mehr zur Verfügung,
vgl. aida, National Country Report Hungary, a. a. O., S. 57.
Hierzu fügt sich, dass nach einer Untersuchung, die das höchste Gericht Ungarns (Kuria) in den Jahren 2011 und 2012 durchgeführt hat, lediglich in drei von 5.000 bzw. 8.000 Fällen, die automatische Haftüberprüfung (durch dieselben Gerichte, die auch nach neuem Recht für die Überprüfung zuständig sind), tatsächlich zu einer Aufhebung der Haftanordnung geführt hat,
vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Damit spricht nach den aktuellen Erkenntnissen viel dafür, dass das vorhandene Rechtsschutzsystem ungeeignet ist, um Asylbewerbern wirksamen Schutz vor einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung von regelmäßig erheblicher Dauer zu bieten.
Soweit das ungarische Asylrecht neben der automatischen Haftprüfung vorsieht, dass der Asylbewerber gegen die Anordnung der Asylhaft eine sog. „objection“, also wohl einen Einspruch, erheben kann, führt auch dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Dem UNHCR ist seit der Wiedereinführung der Asylhaft zum 1. Juli 2013 kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein solcher Einspruch tatsächlich erhoben worden ist. Nach Einschätzung des UNHCR werden Asylbewerber in der Praxis überhaupt nicht über diesen Rechtsbehelf informiert bzw. seitens der zuständigen Behörden mit dem Hinweis darauf, dass dieser Rechtsbehelf ungeeignet sei, die Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung anzugreifen, von einer Einlegung abgehalten,
vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Zu alledem fügt sich schließlich, dass Asylbewerber, die inhaftiert werden, nach den vorliegenden Erkenntnismitteln mit großer Wahrscheinlichkeit die gesamte Dauer ihres Asylverfahrens inhaftiert bleiben. Die maximale Haftdauer der seit dem 1. Juli 2013 neu geregelten Asylhaft beträgt sechs Monate und auch die durchschnittliche Haftdauer wird derzeit mit 4 bis 5 Monaten angegeben, reicht also deutlich an die rechtlich zulässige Höchsthaftdauer heran,
vgl. aida National Country Report Hungary, a. a. O., S. 51 und 49.“
Angesichts insbesondere des hohen Gewichts, das Stellungnahmen des UNHCR beizumessen ist (EuGH U.v. 30.5.2013 - C-528/11 - Rn. 44, NVwZ-RR 2013, 660), führen die genannten neuesten Erkenntnismittel (Schreiben des UNHCR vom 9.5.2014; Bericht des HHC [Hungarian Helsinki Committee] vom Mai 2014; Ungarn-Länder-Bericht des AIDA [Asylum Information Database] - Stand: 30.4.2014) dazu, vom Vorliegen systemischer Schwächen im ungarischen Asylsystem i. S.v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO auszugehen. Denn im Hinblick auf diese seit nunmehr rund drei Monaten unveränderte und von der Beklagten nicht substantiiert in Zweifel gezogene Erkenntnismittellage ist davon auszugehen, dass Dublin-Rückkehrer nach ihrer Ankunft in Ungarn grundsätzlich, ohne Angabe von Gründen und ohne eine Prüfung ihrer individuellen Umstände inhaftiert werden, sonstige Asylbewerber grundsätzlich jedenfalls dem Risiko einer willkürlichen Inhaftierung ausgesetzt sind und beide Gruppen mangels wirksamer Rechtsschutzmöglichkeiten die Anordnung der Haft bzw. die Haftfortdauer nicht mit Aussicht auf Erfolg überprüfen lassen können (vgl. VG Düsseldorf B.v. 28.5.2014 - 13 L 172/14.A - juris Rn. 101). Infolge dessen kommt es auch nicht mehr auf die Frage an, ob die konkreten Haftbedingungen der in Ungarn inhaftierten Asylbewerber das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß übersteigen. (…)“
2.7. Das führt im Ergebnis dazu, dass weder die Voraussetzungen für eine Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers nach § 27a AsylVfG noch für eine Abschiebungsandrohung nach § 34a AsylVfG vorliegen und die insoweit zulässige Anfechtungsklage in vollem Umfang Erfolg hat (§ 113 Abs. 1 VwGO).
3. Die zusätzlich zur Anfechtungsklage erhobene Verpflichtungsklage auf Durchführung und Verbescheidung des Asylverfahrens des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland in eigener Zuständigkeit, auf die sich der Beschluss im parallelen Eilverfahren ausdrücklich nicht bezogen hatte, ist dagegen mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Eines auf Durchführung des Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungsausspruchs bedarf es nicht, weil bei bestehender Zuständigkeit - wie hier (s.o.) - der Asylantrag von Amts wegen sachlich zu prüfen ist (OVG NRW U.v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 31; im Ergebnis ebenso VGH Baden-Württemberg U.v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - juris Rn. 18). Eine Zulässigkeit eines solchen Verpflichtungsantrags folgt dabei auch nicht aus der Möglichkeit des in Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO vorgesehenen Selbsteintritts, weil selbst bei Bestehen systemischer Mängel keine Verpflichtung zum Selbsteintritt bestünde (vgl. OVG NRW U.v. 7.3.2014, a. a. O. und VGH Baden-Württemberg U.v. 16.4.2014, a. a. O., jeweils mit Hinweis auf EuGH U.v. 14.11.2013 - C-4/11 - NVwZ 2014, 129).
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat mit der erfolgreichen Anfechtungsklage überwiegend obsiegt, nämlich im Hinblick sowohl auf Nummer 1 als auch im Hinblick auf Nummer 2 des streitgegenständlichen Bescheides, wobei aufgrund der - wie gezeigt - bestehenden und von Amts wegen zu prüfenden Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland das mit der (wie gezeigt unzulässigen) Verpflichtungsklage verfolgte Ziel im Ergebnis vollständig erreicht wird (s.o.) und zu sehen ist, dass der Verpflichtungsantrag nur auf Verbescheidung, nicht aber auch auf Verpflichtung zur inhaltlichen Zuerkennung des Asyl- oder eines internationalen Schutzstatus oder von Abschiebungsverboten gerichtet war. Vor diesem Hintergrund ist das Obsiegen des Klägers hinsichtlich der Anfechtungsklage mit drei Vierteln und sein Unterliegen mit einem Viertel zu bewerten.
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
moreResultsText
moreResultsText
Annotations
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:
- 1.
In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt. - 2.
Bei Anfechtungsklagen gegen den Verwaltungsakt einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde, die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung ihren Sitz hat, vorbehaltlich der Nummern 1 und 4. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen des Satzes 1. In Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; ist eine örtliche Zuständigkeit danach nicht gegeben, bestimmt sie sich nach Nummer 3. Soweit ein Land, in dem der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat, von der Möglichkeit nach § 83 Absatz 3 des Asylgesetzes Gebrauch gemacht hat, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, das nach dem Landesrecht für Streitigkeiten nach dem Asylgesetz betreffend den Herkunftsstaat des Ausländers zuständig ist. Für Klagen gegen den Bund auf Gebieten, die in die Zuständigkeit der diplomatischen und konsularischen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland fallen, auf dem Gebiet der Visumangelegenheiten auch, wenn diese in die Zuständigkeit des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten fallen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat. - 3.
Bei allen anderen Anfechtungsklagen vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde. Ist er von einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder aller Länder erlassen, so ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Fehlt ein solcher innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach Nummer 5. Bei Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte einer von den Ländern mit der Vergabe von Studienplätzen beauftragten Behörde ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen der Sätze 1, 2 und 4. - 4.
Für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für Klagen nach § 79 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen entsprechend. - 5.
In allen anderen Fällen ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz, Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthalt hat oder seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatte.
Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.