Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 30. Okt. 2015 - M 2 K 15.50229

published on 30/10/2015 00:00
Verwaltungsgericht München Gerichtsbescheid, 30. Okt. 2015 - M 2 K 15.50229
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Gericht

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Tenor

I.

Der Bescheid des ... vom ... Februar 2015 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist nach eigenen Angaben afghanische Staatsangehörige tadschikischer Volkszugehörigkeit. Sie verließ ihr Heimatland am 20. April 2014 und gelangte über Iran, Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn sowie Österreich nach Deutschland (jeweils eigene Angaben). Am 5. August 2014 wurde sie von der Bundespolizei im Bereich des ... Hauptbahnhofs als Teil einer 12-köpfigen afghanischen Gruppe aufgegriffen. Zu dieser Gruppe gehörten nach den Feststellungen der Bundespolizei auch ein Bruder der Klägerin sowie dessen Sohn. Ein weiterer Bruder der Klägerin und dessen Ehefrau, eine deutsche Staatsangehörige, leben gemäß den Feststellungen der Bundespolizei in ...

Am 25. September 2014 stellte die Klägerin beim Bundesamt ... (Bundesamt) einen Asylantrag. Am gleichen Tag hörte das Bundesamt die Klägerin zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats an. Dabei wurde festgestellt, dass die Klägerin „schwerhörig“ sei (Vermerk Bl. 25 der Akte des Bundesamts).

Auf Ersuchen des Bundesamts vom 20. Oktober 2014 teilte das ungarische „Office of Immigration and Nationality“ mit Schreiben vom 29. Oktober 2014 mit, dass die Klägerin am 2. August 2014 in Ungarn einen Asylantrag gestellt habe. Deshalb erkenne Ungarn seine Zuständigkeit für den Asylantrag der Klägerin aufgrund Art. 18 Abs. 1 b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) an.

Mit Schreiben an das Bundesamt vom 23. Oktober 2014, eingegangen am 27. Oktober 2014, beantragten die Bevollmächtigten der Klägerin, deren Asylverfahren im Wege des Selbsteintritts in Deutschland zu führen. Der Bruder der Klägerin habe einen schwerbehinderten Sohn bei sich und sei dringend auf die Unterstützung der Klägerin bei der Betreuung des Kindes angewiesen. Zur Vorlage kam ein ärztliches Attest der Dr. med. ... von der Organisation „Ärzte der Welt“ vom 12. August 2014. Darin heißt es u. a., dass sich die Klägerin, deren Bruder sowie dessen Kind am 12. August 2014 vorgestellt hätten. Bei dem am 5. Januar 2005 geborenen Kind bestehe eine schwere geistige Behinderung, es befinde sich in einem Entwicklungszustand eines unter Einjährigen. Die Klägerin habe entsprechend der Anamnese der begleitenden Familienangehörigen im Alter von drei Jahren vermutlich eine Meningitis durchgemacht. Infolgedessen leide die Klägerin an Wortfindungsstörungen und rezeptiven Störungen verbunden mit einer reduzierten Alltagskompetenz. Der Bruder der Klägerin sei mit der Betreuung des behinderten Sohnes und der Klägerin überfordert. Die Unterstützung durch die hier ansässige Familie erscheine sowohl aus medizinischer als auch psychosozialer Sicht unbedingt notwendig.

Mit Bescheid vom ... Februar 2015, der Klägerin am 5. März 2015 mit Zustellungsurkunde zugestellt, lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1.) und ordnete die Abschiebung nach Ungarn an (Ziffer 2.). Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, der Asylantrag sei gemäß § 27 a AsylVfG unzulässig, da Ungarn aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 b) Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Das Bundesamt gehe davon aus, dass in Ungarn keine systemischen Mängel vorliegen. Die Anordnung der Abschiebung beruhe auf § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Am 9. März 2015 erhob die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und ließ beantragen,

1. den Bescheid vom ... Februar 2015 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren für die Klägerin im Wege des Selbsteintritts durchzuführen,

3. die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff. AsylVfG zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass zu ihren Gunsten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, in Ungarn lägen systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vor. Über diese Problematik hinaus würde die Klägerin durch ein in Ungarn durchgeführtes Asylverfahren von ihrer Familie getrennt. Insbesondere würde sie von ihrem Bruder, der ein schwerbehindertes Kind zu betreuen habe, getrennt und könnte ihren Bruder und ihren Neffen nicht unterstützen. Zur Vorlage kam u. a. das ärztliche Attest der Dr. med. ... vom 12. August 2014.

Am 16. März 2015 legte das Bundesamt seine Akten vor.

Ebenfalls am 9. März 2015 ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht München beantragen, hinsichtlich der Abschiebeanordnung nach Ungarn die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen. Mit Beschluss vom 15. April 2015 ordnete das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage der Klägerin gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid vom ... Februar 2015 an. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass das Gericht zwar nicht davon ausgehe, dass systemische Mängel hinsichtlich des ungarischen Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn bestünden. Im Einzelfall der Klägerin könne allerdings nicht davon ausgegangen werden, es stehe im Sinne des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden könne. Es könne sich ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis aus rechtlichen Gründen daraus ergeben dass die Klägerin selbst geistig beeinträchtigt und deswegen auf die Hilfe ihrer sich in Deutschland aufhaltenden Familienmitglieder angewiesen sei.

Auf einen entsprechenden Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO des Bruders und des schwerbehinderten Neffen der Klägerin hin ordnete das Verwaltungsgericht München mitBeschluss vom 24. Juni 2015, Az. M 16 S 16.50299, ebenfalls die aufschiebende Wirkung der entsprechenden Klagen gegen einen entsprechenden Bescheid des Bundesamts an (dieser Beschluss ist dem Bevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten bekannt).

Mit Beschluss vom 3. August 2015 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

In Beantwortung eines gerichtlichen Aufklärungsschreibens vom 3. August 2015, mit dem zugleich Gelegenheit zu einer möglichen Entscheidung durch Gerichtsbescheid gegeben wurde, ließ die Klägerin durch Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 2. September 2015 u. a. ein ärztliches Attest des HNO-Arztes Dr. ... vom 27. August 2015 vorlegen. Danach befindet sich die Klägerin seit 7. Oktober 2014 bei Dr. ... in ärztlicher Behandlung. Bei der Klägerin bestehe eine hochgradige Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Die Klägerin habe aufgrund der hochgradigen Höreinschränkungen deutliche Probleme im Alltagsleben und sei auf die Hilfe durch ihre Angehörigen angewiesen. Ein Tonaudiogramm habe ergeben, dass der Hörverlust rechts 94% und links 92% betrage. Es bestehe eine Innenohrschwerhörigkeit von mindestens 50 dB beidseits. Die Klägerin sei am 8. Juni 2015 beidseits mit Hörgeräten versorgt worden. Trotz der Hörgeräte bestehe eine deutliche Höreinschränkung, so dass die Klägerin bei der Bewältigung vieler alltäglicher Aufgaben auf die Mithilfe ihrer Angehörigen angewiesen sei. Ferner kam u. a. zur Vorlage ein Schreiben des mit der Klägerin eingereisten Bruders vom 16. August 2015: Aufgrund der massiven Schwerhörigkeit der Klägerin habe er diese bereits im Kindesalter in allen lebenswichtigen Dingen unterstützt. Die Klägerin benötigte vor allem Hilfe beim Einkaufen, bei Arztbesuchen und Behördengängen. Seit dem Tod seiner Frau vor fast neun Jahren habe die Klägerin auch die Mutterrolle für seinen geistig und körperlich behinderten Sohn übernommen. Innerhalb der Familie bestehe ein enges soziales Netzwerk. Benötigten die Klägerin und er Hilfe, stehe auch ihr in ... lebender Bruder für alle lebenswichtigen Dinge zur Verfügung. Schließlich kam zur Vorlage ein Schreiben der Klägerin vom 16. August 2015: Sie benötige für die meisten Dinge des täglichen Lebens die Unterstützung ihrer Familie. Dies beinhalte unter anderem die Hilfe beim Einkaufen und die Hilfe bei Arzt- und Behördenbesuchen. Außerdem habe sie nach dem Tod der leiblichen Mutter ihres geistig und körperlich behinderten Neffen für diesen die Mutterrolle übernommen. Ihr Neffe denke, sie sei seine Mutter, da dieser seine leibliche Mutter, die gestorben sei, als dieser sechs Monate alt gewesen sei, nicht kennengelernt habe. Ihr Weggang würde für ihren Neffen bedeuten, dass seine Mutter weggehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte verwiesen.

Gründe

Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Klagepartei - die Beklagte hatte hierauf durch allgemeines Schreiben an die Präsidentin des Gerichts vom 24. Juni 2015 verzichtet - durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO).

Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG). Insbesondere kommt aufgrund des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20. Oktober 2015 das Asylgesetz (AsylG) in der durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz geänderten Fassung zur Anwendung.

Die Klage ist nur teilweise zulässig. Soweit sie zulässig ist, ist sie begründet:

1. Die Klage ist insoweit zulässig, als im Wege der Anfechtungsklage die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids vom ... Februar 2015 beantragt ist (Ziffer 1. des Klageantrags). Soweit darüber hinaus im Wege der Verpflichtungsklage die Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung des Asylverfahrens (Ziffer 2. des Klageantrags) sowie auf Statuszuerkennung (Ziffer 3. des Klageantrags) begehrt wird, ist die Klage hingegen unzulässig.

Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung ist statthafte Klageart gegen eine Feststellung nach § 27 a AsylG allein die Anfechtungsklage (BayVGH, B. v. 20.5.2015 - 11 ZB 14.50036 - juris Rn. 11; BayVGH, B. v. 11.2.2015 - 13a ZB 15.50005 - juris Rn. 8 ff.; OVG RhPf, U. v. 5.8.2015 - 1 A 11020/14 - juris Rn. 19; OVG NRW, B. v.16.6.2015 - 13 A 221/15.A - juris Rn. 16 ff.; VGH BW, U. v. 29.4.2015 - A 11 S 121/15 - juris Rn. 35 ff.). Diese gewährt den erforderlichen wie auch ausreichenden Rechtschutz: Nach Aufhebung des auf § 27 a AsylG gestützten Bescheids hat die Beklagte eine inhaltliche Überprüfung des Asylantrags vorzunehmen, ohne dass es hierzu einer gesonderten Verpflichtung der Beklagten bedürfte. Nach Abschluss dieser Prüfung hat die Beklagte eine inhaltliche Entscheidung über das Asylbegehren zu treffen. Im Falle einer negativen Entscheidung kann Verpflichtungsklage auf Statuszuerkennung erhoben werden.

2. Soweit die Klage als Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom ... Februar 2015 zulässig ist, ist sie auch begründet. Der Bescheid vom ... Februar 2015 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig (Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids) ist § 27 a AsylG. Gemäß dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung (Ziffer 2. des Bescheids) ist § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, soll der Ausländer u. a. in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a) abgeschoben werden, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass diese durchgeführt werden kann.

Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob der streitgegenständliche Bescheid schon deshalb rechtswidrig ist, weil systemische Mängel hinsichtlich des ungarischen Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Ungarn bestehen. Denn jedenfalls erweist sich die Abschiebungsanordnung nach Ungarn wegen eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses als rechtswidrig (sogleich a)). Da davon auszugehen ist, dass dieses Vollstreckungshindernis auch nach Ablauf der Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO fortbestehen wird, ist auch die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig rechtswidrig (sogleich b)). Der somit insgesamt rechtswidrige Bescheid vom ... Februar 2015 verletzt die Klägerin auch in ihren Rechten (sogleich c)).

a) Die Abschiebungsanordnung nach Ungarn ist rechtswidrig. Denn es steht im Zeitpunkt dieser Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) nicht im Sinne des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Einer Abschiebung der Klägerin nach Ungarn steht entgegen, dass diese aus rechtlichen Gründen unmöglich ist (§ 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG), weil ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis besteht. Ein solches inlandsbezogenes Abschiebungshindernis hat das Bundesamt bei Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG auch zu prüfen (BayVGH, B. v. 12.3.2014 - 10 CE 14.427 - juris Rn. 4 m. w. N.; Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Juni 2014, § 34 a Rn. 22 m. w. N.).

Es spricht schon sehr viel dafür, dass sich ein solches inlandsbezogenes Abschiebungshindernis aus rechtlichen Gründen mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK bereits aus dem Umstand ergibt, dass die Klägerin für den schwerbehinderten Sohn ihres Bruders die Mutterrolle übernommen hat. Dabei ist gemäß der Rechtsprechung des EGMR davon auszugehen, dass auch die Beziehung zwischen einem Kind und einem nichtleiblichen Elternteil bzw. zu einer Pflegemutter bzw. einem Pflegevater als Familienleben - wie hier die Beziehung zwischen der Klägerin und ihrem schwerbehinderten Neffen - in den Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK fällt (Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand März 2015, § 60 a Rn. 188 m.w.N). Das Gericht hat auch keinen Anlass daran zu zweifeln, dass das Vorbringen der Klägerin und ihres Bruders, die Klägerin habe für ihren schwerbehinderten Neffen die Mutterrolle übernommen, dieser betrachte die Klägerin als seine Mutter, nicht der Wahrheit entsprechen könnte. Gegen die Annahme eines solchen inlandsbezogenen Abschiebungshindernisses kann auch nicht eingewandt werden, die Klägerin, ihr Bruder und ihr Neffe könnten gemeinsam nach Ungarn zurückgehen und dort ihre familiäre Lebensgemeinschaft verwirklichen. Jedenfalls dem schwerbehinderten Neffen der Klägerin ist es aufgrund der besonderen Umstände seines Einzelfalls schwerlich zuzumuten, nach Ungarn auszureisen (vgl. dazu auch den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 24. Juni 2015, Az. M 16 S 15.50299).

Letztlich kann dies indes dahingestellt bleiben. Denn ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis aus rechtlichen Gründen ergibt sich jedenfalls daraus, dass die Klägerin selbst aufgrund ihrer hochgradigen Schwerhörigkeit erheblich körperlich beeinträchtigt ist und zusätzlich auch geistige Beeinträchtigungen bestehen und sie deshalb auf die Hilfe ihrer sich in Deutschland aufhaltenden erwachsenen Familienmitglieder angewiesen ist. Einer Abschiebung kann es im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK auch entgegenstehen, wenn eine familiäre Lebensgemeinschaft im Sinne einer sog. Beistandsgemeinschaft zwischen erwachsenen Familienmitgliedern besteht. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Familienmitglied auf eine auch tatsächlich erbrachte Lebenshilfe des anderen von einigem Gewicht angewiesen ist und sich diese Hilfe in zumutbarer Weise nur in der Bundesrepublik erbringen lässt, namentlich, wenn einem beteiligten Familienmitglied die Ausreise nicht zumutbar ist. Eine Haus- oder Haushaltsgemeinschaft ist dabei nicht unbedingt erforderlich. Gefordert wird, dass eine erforderliche wesentliche Hilfe geleistet wird, ohne dass dabei die Schwelle der spezifischen Pflegebedürftigkeit erreicht sein müsste. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob die von einem Familienmitglied tatsächlich erbrachte Lebenshilfe auch von anderen Personen erbracht werden könnte, die nicht Familienangehörige sind (zum Ganzen: Funke-Kaiser, GK-AufenthG, Stand März 2015, § 60 a Rn. 199 ff. m. w. N.).

Vorliegend ergibt sich aus dem auf gerichtliche Anforderung hin vorgelegten ärztlichen Attest des HNO-Arztes Dr. ... vom 27. August 2015, dass die Klägerin beidseits unter einer hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit leidet (mindestens 50 dB beidseits, Hörverlust rechts 94%, links 92%). Wie der Vermerk vom 25. September 2014 („Antragstellerin ist schwerhörig“) zeigt, ist auch dem Bundesamt bei der Anhörung diese körperliche Beeinträchtigung der Klägerin aufgefallen. Darüber hinaus leidet die Klägerin gemäß dem ärztlichen Attest der Dr. med. ... vom 12. August 2014 an Wortfindungsstörungen und rezeptiven Störungen verbunden mit einer reduzierten Alltagskompetenz.

Diese Beeinträchtigungen der Klägerin machen zur Überzeugung des Gerichts auch eine Unterstützung durch Familienmitglieder von einigem Gewicht erforderlich. Dies ergibt sich nicht nur aus den glaubwürdigen Einlassungen der Klägerin und des Bruders der Klägerin in den jeweiligen Schreiben vom 16. August 2015, wonach die Klägerin insbesondere bei alltäglichen Angelegenheiten wie Einkaufen, Arztbesuchen und Behördengängen Hilfe benötigt. Vielmehr bestätigt auch das ärztliche Attest vom 27. August 2015, dass die Klägerin aufgrund ihrer hochgradigen Höreinschränkungen deutliche Probleme im Alltagsleben hat und auf die Hilfe durch ihre Angehörigen angewiesen ist. Trotz zwischenzeitlich erfolgter Versorgung mit Hörgeräten besteht eine deutliche Höreinschränkung, so dass die Klägerin weiterhin bei der Bewältigung vieler alltäglicher Aufgaben auf die Mithilfe ihrer Angehörigen angewiesen ist. Ferner bestätigt auch das ärztliche Attest vom 12. August 2014 ausdrücklich, dass der mit der Klägerin eingereiste Bruder mit der Betreuung der Klägerin (zusätzlich zu dessen schwerbehinderten Sohn) überfordert ist, weshalb eine Unterstützung durch die bereits in Deutschland ansässige Familie „unbedingt notwendig“ ist. Anhaltpunkte dafür, dass sich die Familienmitglieder der Klägerin weigerten, eine solche erforderliche Hilfe auch tatsächlich zu erbringen, sind nicht erkennbar. Dies gilt sowohl für den mit der Klägerin eingereisten Bruder als auch für den in ... ansässigen weiteren Bruder, der laut Schreiben vom 16. August 2015 zur Verfügung steht, wenn Hilfe benötigt wird.

Diese Hilfe lässt sich in zumutbarer Weise nur in der Bundesrepublik erbringen, weil den hilfeleistenden Familienmitgliedern die Ausreise nicht zumutbar ist. Dies gilt für den mit der Klägerin eingereisten Bruder: Da dessen schwerbehinderten Sohn die Ausreise schwerlich zumutbar ist, ist auch diesem Bruder mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK eine Ausreise nicht zumutbar (vgl. dazu schon den Beschluss vom 24. Juni 2015, Az. M 16 S 15.50299). Auch hinsichtlich des in ... lebenden Bruders, der nach Aktenlage mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet ist, ist ganz offensichtlich von einer Unzumutbarkeit der Ausreise aus Deutschland auszugehen.

b) Auch die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist rechtswidrig. Es steht bereits jetzt fest, dass das soeben festgestellte inlandsbezogene Vollstreckungshindernis bis auf weiteres, sicherlich jedoch bis zum Ablauf der Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO fortbestehen wird und damit die Zuständigkeit gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO auf die Beklagte übergehen wird. Hieran kann angesichts des Charakters des Vollstreckungshindernisses kein Zweifel bestehen (zum Ganzen ebenso: VG München, U. v. 2.7.2015 - M 1 K 14.50070 - juris Rn. 26; VG München, U. v. 28.11.2014 - M 16 K 14.50032 - juris Rn. 17).

c) Die Klägerin ist durch den rechtswidrigen Bescheid vom ... Februar 2015 auch in ihren Rechten verletzt. Dies ergibt sich hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Ungarn ohne weiteres daraus, dass diese gegen Art. 6 Abs. 1 GG bzw. Art. 8 EMRK verstößt. Hinsichtlich der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig folgt die subjektive Rechtsstellung der Klägerin jedenfalls aus Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO (vgl. dazu auch OVG RhPf, U. v. 5.8.2015 - 1 A 11020/14 - juris Rn. 56 f. m. w. N.). Danach hat die Klägerin ein subjektivöffentliches Recht auf die Durchführung eines Asylverfahrens und die inhaltliche Prüfung ihres Asylbegehrens in einem der Mitgliedstaaten. Dieser Anspruch wird vereitelt, wenn wie vorliegend eine Abschiebung der Klägerin nach Ungarn bis auf weiteres nicht möglich ist, so dass die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO ohne jeden Zweifel ungenutzt ablaufen wird, eine Überstellung nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht mehr zu erwarten ist, die Klägerin aber wegen Fortbestehens der Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids gegenüber der Beklagten auch nicht durchsetzen kann, dass diese den bei ihr gestellten Asylantrag inhaltlich prüft. Diese Konstellation führt dazu, dass unter Verletzung der subjektiven Rechte der Klägerin deren Asylbegehren in keinem der Mitgliedstaaten inhaltlich geprüft wird. Dem kann nicht entgegengehalten werden, es sei nicht gänzlich ausgeschlossen, dass der ursprünglich zuständige Mitgliedstaat - hier also Ungarn - auch nach Ablauf der Überstellungsfrist weiterhin zur Aufnahme und zur inhaltlichen Prüfung des Asylbegehrens bereit sein wird. Hierbei handelt es sich um eine rein theoretische Möglichkeit. Für den Regelfall kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich Ungarn entgegen der europarechtlichen Bestimmungen nicht auf den Fristablauf berufen wird und ausnahmsweise dennoch zur Übernahme der Klägerin bereit sein wird (vgl. dazu OVG RhPf., U. v. 5.8. 2015 - 1 A 11020/14 - juris Rn. 58 ff. m. w. N.; BayVGH, B. v. 11.2.2015 - 13a ZB 15.50005 - juris Rn. 4). Konkrete und belastbare Anhaltspunkte dafür, dass Ungarn ganz ausnahmsweise im vorliegenden Einzelfall die Klägerin auch nach Ablauf der Überstellungsfrist noch aufnehmen und deren Asylbegehren inhaltlich prüfen wird, sind nicht ersichtlich. Ist demnach vorliegend eine inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens der Klägerin durch Ungarn nicht zu erwarten, verletzt auch Ziffer 1. des streitgegenständlichen Bescheids die Rechte der Klägerin, weil er der Durchsetzung ihres subjektivöffentlichen Rechts auf eine inhaltliche Prüfung ihres Asylbegehrens entgegensteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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Tenor I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. November 2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. III. Die Kostenentsc
published on 25/05/2016 00:00

Tenor I. Der Bescheid des Bundesamtes für ... vom 20. Januar 2014 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorl
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,

1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a),
2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist,
4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.