Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Okt. 2017 - M 22 E 17.3974

bei uns veröffentlicht am26.10.2017

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zur Behebung ihrer Obdachlosigkeit eine Notunterkunft zuzuweisen und vorrübergehend bis einschließlich 30. November 2017 zur Verfügung zu stellen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin war seit 22. Juni 2016 durch die Antragsgegnerin obdachlosenrechtlich in einem Obdachlosenheim für Frauen untergebracht. Die Unterbringung war auf ein Jahr befristet und endete am 22. Juni 2017. Die Antragstellerin sprach noch am selben Tag sowie in der Folgezeit noch weitere Male bei der Antragsgegnerin wegen einer erneuten Zurverfügungstellung einer Unterkunft vor, wobei die Antragsgegnerin dies bislang ablehnte.

Die Antragstellerin beantragte zur Niederschrift des Bayerischen Verwaltungsgerichts München am 23. August 2017,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, ihr eine Unterkunft zuzuweisen.

Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, sie sei im Jahr 2011 nach München gekommen und seither immer wieder obdachlos gewesen. Die von der Antragsgegnerin geforderten Auflistungen bzw. Bestätigungsschreiben von Personen, bei denen sie kurzfristig habe übernachten können, könne sie nicht beibringen, da diese Personen keine Weitergabe ihrer Daten wollten. Die Obdachlosigkeit und derzeitige Aussichtlosigkeit würde ihr seelisch und nervlich zusetzen. Wenn sie nicht das Glück habe, bei anderen Menschen schlafen zu dürfen, müsse sie die Nacht im Freien oder an Bahnhöfen verbringen.

Die Antragstellerin legte als Nachweis ihrer derzeitigen Wohnsituation ein Schreiben des Caritasverbandes – Fachbereich Migration – vom 17. August 2017 vor.

Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 25. August 2017, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, sie könne nicht prüfen, ob die Antragstellerin ihrer Obliegenheit zur vorrangingen Selbsthilfe entsprochen habe, da sie sich bisher weigere darzulegen, bei welchen Personen sie nach ihrem Auszug aus dem Obdachlosenheim private Notquartiere gefunden habe und warum diese keinen Bestand haben könnten. Ohne diese Angaben bestehe von vornherein kein Anspruch auf Unterbringung durch die Antragsgegnerin als Obdachlosenbehörde.

Mit Schreiben des Gerichts vom 24. August 2017 und 30. August 2017 wurde die Antragsgegnerin aufgefordert, insbesondere Angaben über ihre Aufenthaltsorte nach dem Verlassen der vormaligen Obdachlosenunterkunft sowie über ihre finanziellen Möglichkeiten nachzureichen.

Bei einer persönlichen Vorsprache der Antragstellerin in der Rechtsantragstelle des Gerichts am 10. Oktober 2017 übergab die Antragstellerin Kontoauszüge für den Monat August 2017. Sie gab weiter an, dass sie derzeit arbeitssuchend sei und Arbeitslosengeld II in Höhe von 409,00 Euro monatlich erhalte. Seit ihrem Auszug aus der Obdachlosenunterkunft habe sie keine feste Wohnung und übernachte teilweise bei Bekannten, müsse aber auch teilweise im Freien schlafen. Sie habe tageweise bei Bekannten vor allem in Puchheim und in Frankfurt unterkommen können. Seit einem Tag halte sie sich vorübergehend in Puchheim auf.

Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2017 erwiderte die Antragsgegnerin, sie sei unter den von der Antragstellerin genannten Umständen örtlich nicht mehr zuständig. Die Gefahr für Leib und Leben trete – auch wenn die Antragstellerin dort nur wenige Nächte verbracht haben möge – bei Verlassen der Wohnung der Bekannten in Puchheim ein. Zudem sei die Antragsgegnerin in der Lage, sich mit Unterstützung des Sozialleistungsträgers selbst eine auch nur vorübergehende Unterkunft zu verschaffen. Es fehlten jegliche konkrete Nachweise darüber, dass sich die Antragstellerin selber um eine entsprechende Unterkunft bemüht habe bzw. warum diese Bemühungen keinen Erfolg gehabt haben sollten.

Nach einer weiteren Aufforderung des Gerichts mit Schreiben vom 13. Oktober 2017 reichte die Antragstellerin am 20. Oktober 2017 weitere Nachweise bezüglich ihrer finanziellen Lage ein.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl den (aus dem streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteten) Anspruch, bezüglich dessen die vorläufige Regelung getroffen werden soll (Anordnungsanspruch), wie auch die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen. Maßgeblich für die Beurteilung sind dabei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

2. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen hier vor.

2.1 Die Antragsgegnerin hat als Sicherheitsbehörde die Aufgabe der Gefahrenabwehr. Hierzu zählt auch die Beseitigung einer – unfreiwilligen – Obdachlosigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.1995 - 4 CE 95.1023 – BayVBl 1995, 729), wobei ein Tätigwerden nicht den Eintritt der Obdachlosigkeit voraussetzt, sondern schon im Vorfeld, wenn eine solche unmittelbar bevorsteht, veranlasst ist. Aus dieser gesetzlichen Verpflichtung ergibt sich ein Anspruch des Betroffenen (zumindest) auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Unterbringung durch die Behörde. Ein solcher Anspruch kann allerdings nur dann angenommen werden, soweit und solange der Betroffene die Gefahr nicht selbst aus eigenen Kräften oder mit Hilfe der Sozialleistungsträger beheben kann (vgl. BayVGH, B.v. 21.9.2006 – 4 CE 06.2465 – BayVBl 2007, 439).

Gemessen an diesen Vorgaben hat die Antragstellerin vorliegend sowohl einen Anordnungsanspruch wie auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht.

2.2 Die Antragsgegnerin ist insbesondere die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde nach Art. 6 LStVG. Die örtliche Zuständigkeit für eine sicherheitsrechtliche Anordnung zur Behebung von Obdachlosigkeit auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG richtet sich gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG danach, wo der entscheidende Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Zuständig für ein sicherheitsrechtliches Einschreiten zur Beseitigung der mit der Obdachlosigkeit einhergehenden Gefahr ist daher regelmäßig die Gemeinde, in der die aktuelle (streitgegenständliche) Obdachlosigkeit entstanden ist oder unmittelbar droht. Maßgeblich ist insoweit nicht, wo die Antragstellerin gemeldet ist oder war, bzw. wo sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, sondern wo sie aktuell obdachlos geworden ist (BayVGH, B.v. 26.4.1995 – 4 CE 95.1023 – BayVBl. 1995, 729; BayVGH, B.v. 4.4.2017 – 4 CE 17.615 – juris Rn. 5).

Dies zugrunde gelegt ist die aktuelle Obdachlosigkeit der Antragstellerin im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin eingetreten. Durch den Auszug aus der Obdachlosenunterkunft der Antragsgegnerin am 22. Juni 2017 wurde die Antragstellerin obdachlos. Diese Obdachlosigkeit dauert seither fort und wurde entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht dadurch beseitigt, dass sich die Antragstellerin ihren eigenen Angaben nach seit dem Verlassen der Unterkunft bei verschiedenen Bekannten – auch außerhalb des Stadtgebiets der Beklagten – jeweils kurzfristig aufhalten konnte. Dass die Antragstellerin versucht, an verschiedenen Orten Möglichkeiten zu finden, die Nacht verbringen zu können um diese nicht im Freien verbringen zu müssen, berührt die Zuständigkeit der Antragsgegnerin zur obdachlosenrechtlichen Unterbringung nicht. Das unregelmäßige und tageweise Unterkommen bei Bekannten führt nicht dazu, dass die Obdachlosigkeit immer wieder beendet wird und neu entsteht. Die Antragstellerin ist fortwährend zumindest von Obdachlosigkeit bedroht, da durch die kurzzeitigen Schlafmöglichkeiten bei Bekannten eine die Obdachlosigkeit beseitigende Wohnmöglichkeit nicht angenommen werden kann.

2.3 Des Weiteren dürfte es der Antragstellerin nach summarischer Prüfung insbesondere nicht möglich sein, die Obdachlosigkeit aus eigener Kraft bzw. mit eigenen Mittel zu beheben.

Zwar würde die Bereitschaft von Angehörigen oder etwa Bekannten, einen Obdachlosen aufzunehmen, grundsätzlich dazu führen, dass ein behördliches Tätigwerden zur Gefahrenabwehr entbehrlich wird und der Betroffene regelmäßig im Rahmen der Selbsthilfeverpflichtung darauf verwiesen werden kann, ein entsprechendes Angebot anzunehmen, wenn dieses nach den Umständen zumutbar ist (vgl. VG München, B.v. 23.8.2017 – M 22 E 17.3770 – juris Rn. 17). Nach den insoweit glaubhaften Angaben der Antragstellerin ist jedoch nichts dahingehend ersichtlich, dass die Bereitschaft eines Bekannten bestünde, die Antragstellerin auch nur vorübergehend derart bei sich aufzunehmen, dass die sich aus der Obdachlosigkeit ergebenden Gefahren für Leben und Gesundheit beseitigt würden. Das lediglich unregelmäßige Übernachten bei verschiedenen Bekannten führt nicht zu einer Behebung der Obdachlosigkeit, da die Antragstellerin in diesem Fall zumindest unmittelbar von Obdachlosigkeit bedroht ist, was für die Pflicht der Antragsgegnerin zum Tätigwerden ausreicht. Für ein konkretes Wohnangebot eines Bekannten an die Antragstellerin ist insoweit nichts ersichtlich. Dabei sind entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin die Angaben der Antragstellerin zu ihren Aufenthaltsorten seit ihrem Auszug aus der Obdachlosenunterkunft zur Glaubhaftmachung ihres Anspruchs auf obdachlosenrechtliche Unterbringung vorliegend auch ausreichend. Der konkreten Nennung der Personen, bei denen die Antragstellerin zwischenzeitlich gelegentlich untergekommen ist, bedarf es nach den Umständen des Falles zur Klärung der für die Entscheidung relevanten Umstände nicht. Die Antragstellerin hat in der Niederschrift vom 23. August 2017, dem vorgelegten Schreiben des Caritasverbandes vom 17. August 2017 sowie der persönlichen Vorsprache am 10. Oktober 2017 hinreichend dargelegt, dass sie derzeit ohne Obdach ist und ein die Obdachlosigkeit beseitigendes Unterkommen bei Bekannten nicht möglich erscheint.

Schließlich ist nicht erkennbar, dass der Antragstellerin die Behebung der Obdachlosigkeit aus eigenen finanziellen Mitteln, etwa durch vorübergehende Anmietung eines Pensionszimmers, möglich wäre. Die Antragstellerin bezog bis einschließlich 18. August 2017 Arbeitslosengeld Iin Höhe von monatlich 967,50 Euro. Seither erhält sie Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 409,00 Euro. Weitere Einkünfte ergeben sich weder aus den von der Antragstellerin vollständig vorgelegten Kontoauszügen noch aus der Behördenakte.

2.4 Der Anordnungsgrund ist in der aufgrund der bestehenden Obdachlosigkeit gegebenen Eilbedürftigkeit zu sehen.

3. Im Hinblick darauf, dass es im vorliegenden Verfahren nur um eine vorläufige Rechtschutzgewährung geht, wird die Anordnung befristet. Es wird auch darauf hingewiesen, dass die obdachlosenrechtliche Unterbringung nicht als Dauerlösung angesehen werden darf, sondern lediglich Überbrückungscharakter hat. Der Antragstellerin obliegt es daher gleichwohl, sich – gegebenenfalls mit Unterstützung des zuständigen Sozialleistungsträgers – im Rahmen der durch das SGB geschaffenen Möglichkeiten alsbald selbst eine geeignete Wohnmöglichkeit zu verschaffen. Bei Ablauf der Frist ist von der Antragsgegnerin erneut zu prüfen, ob dem Antragsteller weiterhin Obdachlosigkeit droht und eine Verlängerung der Unterbringung veranlasst ist.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 sowie Ziffer 35.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Okt. 2017 - M 22 E 17.3974

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Okt. 2017 - M 22 E 17.3974

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant
Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Okt. 2017 - M 22 E 17.3974 zitiert 7 §§.

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(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der

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Verwaltungsgericht München Beschluss, 23. Aug. 2017 - M 22 E 17.3770

bei uns veröffentlicht am 23.08.2017

Tenor I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zur Behebung seiner Obdachlosigkeit ein Einzelzimmer in einer Unterkunft zuzuweisen und ihm vorläufig bis einschließlich 23. Oktober 2

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 04. Apr. 2017 - 4 CE 17.615

bei uns veröffentlicht am 04.04.2017

Tenor I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen. II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt. Gründe

Referenzen

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen eine einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts, mit der sie verpflichtet wurde, der Antragstellerin vorläufig eine Obdachlosenunterkunft zuzuweisen. Die Antragstellerin wohnte bis zum Herbst 2016 in der Gemeinde G.; nach dem Verlust ihrer dortigen Wohnung kam sie bei einer Bekannten in der Gemeinde H. unter. Deren Wohnung musste sie am 16. Februar 2017 gegen 19.00 Uhr verlassen. Die Antragstellerin begab sich daraufhin in das Stadtgebiet der Antragsgegnerin, wo sie vom 16. bis 21. Februar 2017 ein Zimmer in einer Pension anmietete. Nachdem ihre finanziellen Mittel aufgebraucht waren, beantragte sie am 22. Februar 2017 bei der Antragsgegnerin eine obdachlosenrechtliche Unterbringung, die diese ablehnte.

Mit Beschluss vom 9. März 2017 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung dazu, der Antragstellerin zur Behebung ihrer Obdachlosigkeit eine Unterkunft zuzuweisen und vorläufig zur Verfügung zu stellen. Hiergegen richtet sich die am 20. März 2017 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der diese insbesondere ihre örtliche Zuständigkeit zur Unterbringung der Antragstellerin bestreitet.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 9. März 2017, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe überprüft (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht stattgegeben. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände führen zu keiner anderen Beurteilung.

a) Die Antragsgegnerin ist für die obdachlosenrechtliche Unterbringung der Antragstellerin örtlich zuständig, weil die Obdachlosigkeit im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin eingetreten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs liegt der gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG für die örtliche Zuständigkeit entscheidende Anlass für die Amtshandlung im Bereich der Gefahrenabwehr dort, wo die zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden. Die Gefahr für Leib und Leben im Sinn des Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG liegt deshalb dort, wo die Gefahr eintritt. Maßgeblich ist also nicht, wo die Antragstellerin gemeldet ist oder war bzw. wo sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, sondern wo sie obdachlos geworden ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2016 - 4 CE 16.2297 - juris Rn. 7; B.v. 7.1.2002 - 4 ZE 01.3176 - BayVBl 2003, 343; jeweils m.w.N.).

Hier ist die Obdachlosigkeit, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, im Stadtgebiet der Antragsgegnerin eingetreten. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin rechtsmissbräuchlich (dazu BayVGH, B.v. 26.4.1995 - 4 CE 95.1023 - BayVBl 1995, 729/730) gehandelt hätte, sind weder von der Antragsgegnerin plausibel vorgetragen noch sonst ersichtlich. Ausweislich der Akten gelangte die Antragstellerin nach dem Verlust ihrer Wohnung in G. offenbar eher zufällig in die Gemeinde H., wo sie nach einiger Zeit von ihrer Bekannten zum Verlassen der Wohnung aufgefordert wurde. Ein Rückkehrwunsch oder objektive Bindungen an das Gebiet der Gemeinde H. sind nicht geltend gemacht, so dass das Weiterziehen in das Stadtgebiet der Antragsgegnerin nicht treuwidrig erscheint. Dort hat die Antragstellerin auf eigene Kosten mehrere Nächte in einem Pensionszimmer verbracht, bevor sie bei der Antragsgegnerin um Obdach ersucht hat. Dass die Antragstellerin durch Gebrauchmachen von dem ihr (über Art. 11 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG) zustehenden Grundrecht der Freizügigkeit in gewissem Umfang darauf Einfluss nehmen kann, wo die Obdachlosigkeit eintritt, ist angesichts der Regelungsstruktur des Sicherheitsrechts hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.1995 - 4 CE 95.1023 - BayVBl 1995, 729/730).

b) Soweit die Antragsgegnerin im Beschwerdeschriftsatz vom 20. März 2017 vorträgt, dass ihr mangels zwischenzeitlicher Vorsprache der Antragstellerin deren derzeitiger Aufenthaltsort nicht bekannt sei, lässt dies weder den Anordnungsanspruch noch den Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung entfallen. Eine Pflicht zur täglichen bzw. regelmäßigen Vorsprache bei der Antragsgegnerin während des laufenden Antragsverfahrens auf obdachlosenrechtliche Unterbringung besteht nicht. Zudem war ausweislich der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts noch am 23. März 2017 - also mehrere Tage nach Abfassung des Beschwerdeschriftsatzes - eine Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses an die Antragstellerin persönlich im Stadtgebiet der Antragsgegnerin möglich (vgl. den Nachweis durch die Postzustellungsurkunde, Bl. 35 der VG-Akte). Die Mutmaßungen der Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin entweder ortsabwesend sei oder inzwischen über eine anderweitige Unterkunft verfüge, sind vor diesem Hintergrund spekulativ und nicht durch entsprechendes Tatsachenvorbringen belegt.

c) Zu keinem anderen Ergebnis führt schließlich der Beschwerdevortrag, wonach die Antragstellerin eine Unterbringung im Rahmen des Kälteschutzprogramms der Antragsgegnerin abgelehnt habe. Die von der Antragsgegnerin in den Wintermonaten nach ihren eigenen Ausführungen angebotene (bloße) Nächtigungsmöglichkeit lässt weder Anordnungsanspruch noch Anordnungsgrund entfallen, weil Obdachlose grundsätzlich Anspruch auf ganztägige Unterbringung haben (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2017 - 4 C 16.2638 - nicht veröffentlicht; Huttner, Die Unterbringung Obdachloser durch die Polizei- und Ordnungsbehörden, 2014, Nr. 4.7/S. 31; Ruder, VBlBW 2017, 1/9). Im Übrigen werden die von der Antragsgegnerin belegbaren Kälteschutzräume nur für die kurzfristige Notaufnahme von nicht obdachlosenrechtlich unterzubringenden Personen vorgehalten, während die Antragstellerin nach den obigen Ausführungen gerade zum Kreis der von der Antragsgegnerin zu versorgenden Obdachlosen gehört (vgl. BayVGH, B.v. 7.1.2002 - 4 ZE 01.3176 - BayVBl 2003, 343).

2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.

3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG, wobei im Verfahren der einstweiligen Anordnung die Hälfte des Auffangwertes angemessen erscheint (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zur Behebung seiner Obdachlosigkeit ein Einzelzimmer in einer Unterkunft zuzuweisen und ihm vorläufig bis einschließlich 23. Oktober 2017 zur Verfügung zu stellen.

II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde durch Urteil des Landgerichts … vom 24. Juni 1998 in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Der Maßregelvollzug wurde durch das Landgericht … am 5. November 2013 zur Bewährung ausgesetzt. Zu Beginn des Jahres 2016 bezog der Antragsteller eine Übergangswohngruppe des Trägers … … im Gemeindegebiet des Antragsgegners. Diese Wohngruppe musste der Antragsteller am 7. August 2017 verlassen, da er die Entbindung von der Schweigepflicht der für ihn zuständigen Betreuerin widerrief.

Der Antragsgegner, an den sich die für den Antragsteller zuständige Sozialpädagogin gewandt hatte, lehnte eine Unterbringung des Antragstellers im Rahmen der Obdachlosenfürsorge ab (zuletzt mit E-Mail vom 8.8.2017). Der Antragsteller ist seit seinem Auszug aus der Wohngruppe vorübergehend bei seinen Eltern untergekommen.

Mit am … August 2017 bei Gericht eingegangenen Schreiben beantragte der Antragsteller sinngemäß, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ein Einzelzimmer oder eine Sozialwohnung zuzuweisen und zur Verfügung zu stellen.

Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, er sei obdachlos und verfüge mit Ausnahme der Grundsicherung über keinerlei finanzielle Mittel. Er habe dringende Arztbesuche in … und im Landkreis … Der Antragsteller legte eine fachärztliche Stellungnahme vor, aus der diverse diagnostizierte Krankheitsbilder (u.a. paranoide Schizophrenie und multipler Substanzmissbrauch) und die medizinische Indikation einer Unterbringung in einem Einzelzimmer hervorgehen.

Seine betreuende Sozialpädagogin entband der Antragsteller mit Schreiben vom … August 2017 von ihrer Schweigepflicht. Nach telefonischer Auskunft der Sozialpädagogin sei ein weiteres Unterkommen bei den Eltern auch vorübergehend nicht möglich, da sich der Antragsteller aufgrund einer Bewährungsauflage nur am Wochenende bei den Eltern aufhalten dürfe, da die Mutter Opfer einer Straftat des Antragstellers sei. Er bemühe sich sowohl privat als auch mit Hilfe des Sozialamtes bislang erfolglos um eine eigene Wohnung bzw. ein Pensionszimmer.

Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 18. August 2017, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller nicht weiterhin bei seinen Eltern bleiben könne. Er sei in der Lage, sich mit Hilfe des Sozialleistungsträgers eine angemessene Unterkunft zu beschaffen, da er bereits eine Grundsicherung beziehe. Der Antragsteller habe die Obdachlosigkeit durch sein eigenes Verhalten herbeigeführt, da er aufgrund des Widerrufs der Entbindung von der Schweigepflicht aus der Übergangsgemeinschaft ausziehen musste. Auch habe er in der Folge ein Wohnungsangebot in … ohne erkennbaren Grund abgelehnt. Zudem sei der Antragsteller aufgrund seines problematischen Sozialverhaltens und seiner psychischen Erkrankungen nicht unterbringungsfähig. Vielmehr bedürfe es einer speziellen Betreuung, die der Antragsgegner im Rahmen der sicherheitsrechtlichen Maßstäbe nicht leisten könne. Schließlich stehe dem Antragsteller auch kein Einzelzimmer zu, da die Antragsgegnerin im Rahmen der Obdachlosenunterbringung lediglich eine den Mindestanforderungen genügende Unterkunft zur Verfügung stellen müsse. Über die bloße Gefahrenabwehr hinausgehende Ansprüche habe der Antragsgegner nicht zu erfüllen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl den (aus dem streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteten) Anspruch, bezüglich dessen die vorläufige Regelung getroffen werden soll (Anord-nungsanspruch), wie auch die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungs-grund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Maßgeblich für die Beurteilung sind dabei die rechtlichen und tatsächlichen Ver-hältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

2. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen hier vor.

2.1 Der Antragsgegner hat als örtlich zuständige Sicherheitsbehörde (Art. 6 LStVG) die Aufgabe der Gefahrenabwehr. Hierzu zählt auch die Beseitigung einer – unfrei-willigen – Obdachlosigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 26.4.1995 - 4 CE 95.1023 – BayVBl 1995, 729), wobei ein Tätigwerden nicht den Eintritt der Obdachlosigkeit voraussetzt, sondern schon im Vorfeld, wenn eine solche unmittelbar bevorsteht, veranlasst ist. Aus dieser gesetzlichen Verpflichtung ergibt sich ein Anspruch des Betroffenen (zumindest) auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Unterbringung durch die Behörde. Ein solcher Anspruch kann allerdings nur dann angenommen werden, soweit und solange der Betroffene die Gefahr nicht selbst aus eigenen Kräften oder mit Hilfe der Sozialleistungsträger beheben kann (vgl. BayVGH, B.v. 21.9.2006 – 4 CE 06.2465 – BayVBl 2007, 439).

Die von der Sicherheitsbehörde zu leistende Obdachlosenfürsorge dient dabei nicht der „wohnungsmäßigen Versorgung“, sondern der Verschaffung einer vorüber-gehenden Unterkunft einfacher Art (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2012 – 4 CE 12.1509 – juris Rn. 5). Auch unter Berücksichtigung der humanitären Zielsetzung des Grundgesetzes ist es ausreichend, wenn obdachlosen Personen eine Unterkunft zugewiesen wird, die vorübergehend Schutz vor den Unbilden des Wetters bietet und Raum für die notwendigen Lebensbedürfnisse lässt. Obdachlose Personen müssen, weil ihre Unterbringung nur eine Notlösung sein kann, eine weitgehende Einschränkung ihrer Wohnansprüche hinnehmen, wobei freilich die Grenze zumutbarer Einschränkungen dort liegt, wo die Anforderungen an eine menschenwürdige, das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit achtende Unterbringung nicht mehr eingehalten sind (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2012 – 4 CE 12.1509 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 14.7.2005 – 4 C 05.1551).

2.2 Den sich hieraus ergebenden Anforderungen an die Darlegung eines Anordnungs-anspruchs wie auch eines Anordnungsgrundes ist vorliegend Genüge getan.

Es ist davon auszugehen, dass dem Antragsteller unmittelbar ein Obdachloswerden droht. Dass dieser nach dem Auszug aus dem Übergangswohnheim bei seinen Eltern untergekommen ist, steht dieser Annahme nicht entgegen. Zwar führt die Bereitschaft von Angehörigen oder etwa Bekannten, einen Obdachlosen aufzunehmen, grundsätzlich dazu, dass ein behördliches Tätigwerden zur Gefahrenabwehr entbehrlich wird und der Betroffene regelmäßig im Rahmen der Selbsthilfeverpflichtung darauf verwiesen werden kann, ein entsprechendes Angebot anzunehmen (wenn dieses nach den Umständen zumutbar ist). Ein Verweisen des Antragstellers auf eine Unterkunftnahme bei seinen Eltern verbietet sich hier aber (unabhängig davon, ob diese bereit wären, ihn längerfristig aufzunehmen), da nach Auskunft der den Antragsteller betreuenden Sozialpädagogin dem Antragsteller im Rahmen des Maßregelvollzugs bzw. der Regelungen zur Bewährung zur Auflage gemacht wurde, sich nur über das Wochenende bei seinen Eltern aufzuhalten. Ein längerfristiger Verbleib dort, der aktuell wohl nur mit Blick auf die ansonsten gegebene Obdachlosigkeit geduldet wird, kann dem Antragsteller daher nicht angesonnen werden, da der Antragsteller hierdurch praktisch dazu genötigt würde, gegen die rechtlich verpflichtende Auflage zu verstoßen.

Mit Blick auf die Umstände des Verlassens der Übergangseinrichtung durch den Antragsteller ist weiter anzumerken, dass aus sicherheitsrechtlicher Sicht nicht zu prüfen ist, ob und inwieweit der Zustand der Obdachlosigkeit auf einem Verschulden des Betroffenen beruht (vgl. BayVGH, B.v. 9.10.2015 – 4 CE 15.2102 – juris Rn. 2). Inwiefern die Obdachlosigkeit daher vom Verhalten des Antragstellers beeinflusst war – sei es durch den Widerruf der Entbindung von der Schweigepflicht und dem damit verbundenen Auszug aus der Übergangswohngemeinschaft oder durch das Ablehnen einer Wohnung in … – spielt für die Frage, ob ein behördliches Einschreiten zur Gefahrenabwehr erforderlich erscheint, daher keine Rolle.

Auf der Grundlage der vorliegenden Informationen vermag die Kammer auch nicht zu erkennen, dass der Antragsteller ungeachtet des Umstands, dass er unter Bewährung steht (vorläufige Entlassung aus dem Maßregelvollzug) und krankheitsbedingt einer laufenden ärztlichen Betreuung bedarf, nicht unterbringungsfähig wäre. Konkrete Umstände, die Zweifel an der Unterbringungsfähigkeit aufkommen lassen würden, gehen aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht hervor. Gegen die Annahme einer fehlenden Unterbringungsfähigkeit spricht insbesondere auch, dass soweit ersichtlich seitens der Übergangseinrichtung bzw. der den Antragsteller betreuenden Sozialpädagogin Versuche unternommen wurden, dem Antragsteller eine Mietwohnung zu vermitteln.

Der Antragsteller hat weiter auch glaubhaft gemacht, dass er nicht über Mittel verfügt, aufgrund derer es ihm möglich wäre, sich, wenn auch nur vorübergehend, eine geeignete Unterkunft anderweitig zu beschaffen. Er erhält lediglich eine Grundsicherung zur Deckung des Lebensbedarfs, mit Hilfe derer eine kurzfristige Behebung der Obdachlosigkeit nicht möglich erscheint.

Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass sowohl ein Anordnungsanspruch – An-spruch auf behördliches Tätigwerden wegen drohender Obdachlosigkeit, die nicht durch zumutbare Selbsthilfemaßnahmen abgewendet werden kann – wie auch ein Anordnungsgrund – Eilbedürftigkeit, weil ein weiterer Aufenthalt bei den Eltern nicht in Betracht kommt – dargetan sind.

Was die Art und Weise der Unterbringung angeht, ist schließlich festzustellen, dass der Antragsteller mit Blick auf die grundrechtlichen Anforderungen auch die Unterbringung in einem Einzelzimmer beanspruchen kann. Hierzu wird auf die fachärztliche Stellungnahme vom … Juli 2017 hingewiesen, in der festgestellt wird, dass aufgrund der multiplen Erkrankungen aus medizinischer und therapeutischer Sicht eine entsprechende Unterbringung notwendig erscheint.

Abschließend sei bemerkt, dass unzweifelhaft auch von einer örtlichen Zuständigkeit des Antragsgegners auszugehen ist, auch wenn der Antragsteller sich gegenwärtig in … aufhält, da die abzuwehrende Obdachlosigkeit dem Antragsteller während seines Aufenthalts im Gebiet des Antragsgegners drohte und der Antragsteller seinerzeit beim Antragsgegner auch einen Antrag auf Unterbringung gestellt hat.

3. Im Hinblick darauf, dass es im vorliegenden Verfahren nur um eine vorläufige Rechtschutzgewährung geht, wird die Anordnung befristet, wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Antragsteller, gehalten ist, sich ggf. unter Inanspruchnahme der ihm zustehenden Beratungs- und Hilfsangebote um eine anderweitige Unterkunft zu bemühen. Die sicherheitsrechtliche Unterbringung stellt keine dauerhafte Lösung dar, sondern dient vielmehr als Notmaßnahme zur kurzfristigen Beseitigung der Obdachlosigkeit. Bei Ablauf der Frist ist von der Antragsgegnerin erneut zu prüfen, ob dem Antragsteller weiterhin Obdachlosigkeit droht und eine Verlängerung der Unterbringung veranlasst ist.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 sowie Ziffer 35.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.