Verwaltungsgericht München Beschluss, 03. Juli 2014 - M 16 K 13.5891

published on 03/07/2014 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 03. Juli 2014 - M 16 K 13.5891
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Gericht

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Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.

II. Die Klägerin und die Beklagte haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

III. Der Streitwert wird auf 20.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klagepartei hat am 18. Februar 2014 die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagtenpartei hat der Erledigung am 27. Februar 2014 zugestimmt.

Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. In der Regel entspricht es billigem Ermessen, demjenigen Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung bei nur noch summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich unterlegen wäre (vgl. BVerwG, B.v. 30.4.2010 – 9 B 42/10 – juris Rn. 6; Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 161 Rn. 16; Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl. 2012, § 161 Rn. 16). Der in § 161 Abs. 2 VwGO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit befreit das Gericht nach Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache vom Gebot, Beweise zu erheben und schwierige Rechtsfragen zu klären (Kopp/Schenke a.a.O. § 161 Rn. 15). Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nach der Hauptsacheerledigung ist daher nicht statthaft (vgl. BVerwG, B.v. 30.10.1987 – 7 C 87/86, DVBl 1988, 150/151).

Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten des Verfahrens den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 18. August 2004 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 22. April 2005. Mit Bescheid vom 18. August 2004 wurde der Klägerin die Annahme, Vermittlung und Veranstaltung von Sportwetten in der ...str. ... in ... untersagt (Nr. 1). Der Klägerin wurde aufgegeben, diese Tätigkeiten mit Ablauf des dritten Tages nach Zustellung dieses Bescheides einzustellen (Nr. 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Betriebseinstellung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- EUR angedroht (Nr. 3). Der Sofortvollzug der Nummern 1 und 2 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 4). Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Bescheid des Landratsamtes Dachau vom 22. April 2005 zurückgewiesen.

Hinsichtlich des Zeitraums bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses war die Anfechtungsklage zwar unzulässig, da sich die Untersagungsverfügung unabhängig von den Erklärungen der Beklagten für die Vergangenheit schon erledigt hatte. Eine solche Untersagungsverfügung erledigt sich als Dauerverwaltungsakt grundsätzlich fortlaufend für die abgelaufenen Zeiträume. Zwar kann der Betroffene grundsätzlich die Aufhebung eines Dauerverwaltungsakts für den gesamten Zeitraum seiner Wirksamkeit, also auch mit Wirkung ex tunc, begehren. Allerdings kann eine Aufhebung für vergangene Zeiträume nur dann begehrt werden, wenn die Klägerin insoweit noch beschwert ist. Dies ist nur dann der Fall, soweit vom Verwaltungsakt noch nachteilige Wirkungen für die Klägerin ausgehen, etwa wenn der Bescheid die Rechtsgrundlage für noch rückgängig zu machende Vollstreckungsmaßnahmen bildet (vgl. BVerwG, B.v. 5.1.2012 – 8 B 62/11 – juris Rn. 13 f.; U.v. 20.6.2013 – 8 C 17/12 – juris Rn. 19). Solche nachteiligen Rechtswirkungen gehen vorliegend von der Untersagungsverfügung vom 18. August 2004 nicht aus, da das angedrohte Zwangsgeld nicht fällig gestellt und auch nicht beigetrieben wurde.

Es ist allerdings zu bedenken, dass es der Klägerin unbenommen bleiben musste, zum Zeitpunkt der Klageerhebung ihren Antrag auf Aufhebung der Untersagungsverfügung nicht lediglich auf die Zukunft zu beschränken, sondern auch mit Wirkung ex tunc zu stellen, da etwa für den Fall der Beitreibung des angedrohten Zwangsgeldes nach Klageerhebung die so erhobene Anfechtungsklage jedenfalls in Bezug auf die Vergangenheit zulässig werden würde. Dies spricht dafür, dass der Klägerin die Möglichkeit zugestanden hätte, den Rechtsstreit in Bezug auf die Vergangenheit noch bis zum Zeitpunkt einer mündlichen Verhandlung für erledigt zu erklären. Es ist vorliegend kein früheres erledigendes Ereignis festzustellen, dass der Klägerin Anlass gegeben hätte, bereits vor einer mündlichen Verhandlung eine Erledigungserklärung abzugeben (vgl. BVerwG, B.v. 5.1.2012 – 8 B 62/11 – juris Rn. 13). Die Betriebsaufgabe erfolgte nur unter dem Druck des Bescheidserlasses und zur Vermeidung ordnungsrechtlicher Maßnahmen, zumal davon auszugehen ist, dass die Einstellung der Tätigkeit spätestens im Jahr 2007 (Bl. 2 GA) auf die Ankündigung der Beklagten mit Schreiben vom 18. April und 14. August 2006 (Bl. 484 f. BA), nunmehr den Bescheid vom 18. August 2004 zu vollstrecken, zurückzuführen ist. Auch die Änderung der Rechtslage zum 1. Juli 2012 durch Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrages war insoweit ohne Bedeutung, da der Bescheid vom 18. August 2004, wie nachstehend näher ausgeführt, ohne Ergänzung der Ermessensausübung rechtswidrig geblieben ist. Angesichts dieser Rechtsfragen, die hier nicht abschließend zu klären sind, erscheint eine hälftige Kostenteilung gerechtfertigt.

Im Falle einer Abgabe einer Erledigungserklärung ex tunc wären der Beklagten die Kosten auferlegt worden, da die Klage hinsichtlich der vergangenen Zeiträume begründet war. Die Untersagungsverfügung wurde maßgeblich darauf gestützt, dass sich die Klägerin ohne Erlaubnis durch die Vermittlung von Sportwetten nach § 284 StGB strafbar macht. Aus den Ausführungen ist zu entnehmen, dass die Beklagte die Strafbarkeit maßgeblich aus dem staatlichen Sportwettenmonopol und dem Ausschluss der Erteilung von Erlaubnissen an Private herleitet. Deutlich wird dies auch im Widerspruchsbescheid vom 22. April 2005, in dem auf die Regelung des § 5 Abs. 4 des am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen und bis 31. Dezember 2007 geltenden Lotteriestaatsvertrages vom 13. Februar 2004 (GVBl 2004, S. 230) Bezug genommen wird. Diese das staatliche Sportwettenmonopol normierende Vorschrift verstieß gegen Unionrecht (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 42/12 – juris Rn. 21). Die Untersagungsverfügung war daher jedenfalls ermessensfehlerhaft. Eine wegen der Anwendung der rechtswidrigen Monopolregelung ermessensfehlerhafte Untersagung kann auch nicht rückwirkend durch Nachschieben monopolunabhängiger Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO geheilt werden (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 39/12 – juris Rn. 80).

Im Übrigen ist das Aufhebungsbegehren für den Zeitraum ex nunc zwar zulässig. Auch eine durch die Klägerin unter dem Druck des Bescheidserlasses vorgenommene Betriebsschließung führt nicht zur Erledigung der vorliegend betriebsstättenbezogenen Untersagungsverfügung für die Zukunft.

Jedoch sind die Erfolgsaussichten für den in die Zukunft gerichteten Anfechtungsantrag offen und somit insoweit eine hälftige Kostenteilung zu Grunde zu legen. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung als Dauerverwaltungsakt ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (BVerwG, U.v. 11.7.2011 – 8 C 11/10 – juris Rn. 17 f.). Rechtsgrundlage für die Untersagungsverfügung ist § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Nr. 3 des zum 1. Juli 2012 in Kraft getretenen Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland (s. Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 des Ersten Staatsvertrags zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 13.7.2012, GVBl 2012 S. 318). Danach kann die Behörde die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele untersagen. Da formelle Illegalität jedenfalls dann den Erlass einer Untersagungsverfügung rechtfertigt, soweit die Tätigkeit nicht offensichtlich erlaubnisfähig ist (BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 39/12 – juris Rn. 51 f.), und die Behörde die Untersagungsverfügung als Dauerverwaltungsakt für die Zukunft auf neue Ermessenserwägungen stützen kann, um der geänderten Sach- und Rechtslage Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 8 C 47/12 – juris Rn. 33; U.v. 20.6.2013 – 8 C 46/12 – juris Rn. 31 ff.), ist der Ausgang des Verfahrens als offen zu bewerten.

Die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) (vgl. BVerwG, B.v. 26.8.2013 – 8 C 45/12 – juris Rn. 4).

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(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch
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(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

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Tenor I. Das Verfahren wird eingestellt. II. Die Klägerin und die Beklagte haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig. III. Der Streit
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Annotations

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

(1) Wer ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel veranstaltet oder hält oder die Einrichtungen hierzu bereitstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Als öffentlich veranstaltet gelten auch Glücksspiele in Vereinen oder geschlossenen Gesellschaften, in denen Glücksspiele gewohnheitsmäßig veranstaltet werden.

(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1

1.
gewerbsmäßig oder
2.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(4) Wer für ein öffentliches Glücksspiel (Absätze 1 und 2) wirbt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.