Verwaltungsgericht München Beschluss, 10. Juni 2015 - M 12 S 15.50493
Gericht
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die ihm drohende Überstellung nach Bulgarien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben syrischer Staatsangehöriger und reiste am
Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 7. Januar 2015 gab der Antragsteller an, von Syrien aus über die Türkei und Bulgarien nach Deutschland gekommen zu sein. In Bulgarien habe er sich zwei Tage aufgehalten. Er habe in einem Staat weder Asyl beantragt noch seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden. Er wolle in keinen anderen Staat überstellt werden. Er suche Schutz vor dem Krieg. In Deutschland habe er Familie und wolle mit dieser zusammenleben. In einem Formular des Bundesamtes hat der Antragsteller hierzu angegeben, dass eine Tante in Berlin wohne (Bl. 45 der Behördenakte).
Am
Mit Schreiben vom
Auf ein Übernahmeersuchen der Antragsgegnerin vom
Mit Bescheid vom
Der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Bulgarien aufgrund der dortigen illegalen Einreise gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Der Antragsteller sei mit Schreiben vom 10. Februar 2015 aufgefordert worden, Angaben zu seinen Familienangehörigen in der Bundesrepublik Deutschland zu machen. Dem sei er nicht nachgekommen. Aufgrund fehlender Mitwirkung hätten diese Angehörigen nicht berücksichtigt werden können und die Entscheidung sei nach Aktenlage ergangen. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien beruhe auf § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom ... Mai 2015, bei Gericht am selben Tag eingegangen, hat der Antragsteller Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben und beantragt, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Mai 2015 aufzuheben.
Gleichzeitig hat er beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller Syrien am 21. Oktober 2014 verlassen habe und über die Türkei nach Bulgarien gereist sei. Am 28. Oktober 2014 sei er von der bulgarischen Polizei aufgegriffen und festgenommen worden. Zunächst sei er einen Tag in Haft gewesen. Hierbei habe er auf dem Boden schlafen müssen und habe nichts zu essen bekommen. Am nächsten Tag sei er in ein anderes Haus gebracht worden und dort zusammen mit drei anderen Flüchtlingen in einen kleinen Raum gesperrt worden. Dort seien den Flüchtlingen Fingerabdrücke abgenommen worden. Nach einer weiteren Nacht in Haft sei der Antragsteller in ein Flüchtlingslager in ... gekommen. Die Zustände dort seien schlimm gewesen. Das Lager sei extrem dreckig und überfüllt gewesen. Der Antragsteller habe nur einmal am Tag etwas zu essen bekommen (ein kleines Sandwich). Er habe dafür bezahlen müssen. Nach zwölf Tagen sei der Antragsteller weiter in Richtung Deutschland geflohen. Es sei nicht nachvollziehbar, ob die Antragsgegnerin die Zwei-Monats-Frist des Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO eingehalten habe, weil sich aus der Akte nicht entnehmen lasse, woher und wann die Antragsgegnerin die Information darüber erhalten habe, dass der Antragsteller in Bulgarien einen Fingerabdruck abgegeben habe. Einen EURODAC-Treffer enthalte die Akte nicht. Sollte das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittel gestützt worden sein, habe die Antragsgegnerin die Drei-Monats-Frist nach Art. 23 Abs. 2 S. 2 Dublin-III-VO nicht eingehalten. Ausweislich Bl. 46 der BA habe der Antragsteller am 1. Dezember 2014 bei der Antragsgegnerin um Asyl nachgesucht. Sein Asylantrag sei aber erst sechs Wochen später am 7. Januar 2015 vom Bundesamt aufgenommen worden. Es sei aber nicht zulässig, die Frist des Art. 23 Abs. 2 S. 2 Dublin-III-VO durch Verzögerung der förmlichen Aufnahme des Asylantrags hinauszuschieben. Aus § 67 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG sei zu folgern, dass das Bundesamt niemals länger als zwei Wochen nach dem Asylgesuch einen Asylantrag registrieren und entgegennehmen müsse. Wenn man vorliegend von einer Asylantragstellung am 1. Dezember 2014 ausgehe, sei das Übernahmeersuchen vom 4. März 2015 verspätet gestellt worden. Die Antragsgegnerin wäre damit gemäß Art. 23 Abs. 3 Dublin-III-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig geworden. Selbst wenn man annehmen würde, dass Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei, weil es dem Ersuchen der Bundesrepublik zugestimmt habe, wäre der Bescheid rechtswidrig. Es lägen nämlich ernst zu nehmende Anhaltspunkte dafür vor, dass die flüchtlingsrechtlichen Gewährleistungen und die Verfahrenspraxis in Bulgarien nicht an die unions- bzw. völkerrechtlichen Standards heranreichten und systemische Mängel des Asylverfahrens in Bulgarien bestünden. Auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 27. Mai 2015 die Behördenakte übersandt. Einen Antrag hat sie nicht gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage im Fall des hier einschlägigen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat abzuwägen zwischen dem sich aus § 75 AsylVfG ergebenden öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein erforderliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei kursorischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung; nicht erforderlich sind insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, denn die Regelung des § 36 Abs. 4 AsylVfG ist hier nicht (entsprechend) anwendbar (vgl. VG Trier, B. v. 18.9.2013 - 5 L 1234/13.TR - juris; VG Göttingen, B. v. 9.12.2013 - 2 B 869/13 - juris). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung.
Nach der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Klage des Antragstellers aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Denn der Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. Mai 2015 ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Damit überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das persönliche Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt.
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedsstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Abl. L 180 v. 19. Juni 2013, S.31; Dublin-III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin-III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die - wie hier - nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.
Eine Zuständigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich weder aus Art. 9 noch aus Art. 10 Dublin-III-VO, da die vom Antragsteller nicht näher bezeichnete Tante, die sich im Bundesgebiet aufhalten soll, keine Familienangehörige i. S. v. Art. Art. 2 Buchst. g Dublin-III-VO ist.
Für die Prüfung des Asylantrags des Antragstellers ist vielmehr gem. Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO Bulgarien zuständig. Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben nach Bulgarien eingereist (Bl. 29 der Behördenakte). Entgegen der Darstellung des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers hat sich für den Antragsteller am 9. Januar 2015 zudem ein EURODAC-Treffer für Bulgarien ergeben (Bl. 61 der Behördenakte). Die erste Ziffer „2“ im EURODAC-Treffer steht für Personen, die beim illegalen Überschreiten der Grenze aufgegriffen wurden (Art. 14 Abs. 1, Art. 24 Abs. 4 Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Neufassung) (EURODAC-VO)).
Das Übernahmeersuchen der Bundesrepublik Deutschland wurde am 4. März 2015 und damit gem. Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin-III-VO innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gestellt. Im Übrigen wäre auch die dreimonatige Frist des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO nicht abgelaufen, da die Asylantragstellung beim zuständigen Bundesamt erst am 7. Januar 2015 erfolgt ist. Ein Antrag auf internationalen Schutz gilt gem. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Antragsteller eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Zuständige Behörde ist vorliegend das Bundesamt. Der Asylantrag ist gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bei der Außenstelle des Bundesamtes, in den besonderen Fällen des Abs. 2 beim Bundesamt, zu stellen. Dies ist vorliegend erst am 7. Januar 2015 durch den Antragsteller erfolgt (Bl. 15 der Behördenakte). Das Nachsuchen um Asyl bei einer anderen Behörde, hier der Regierung von Oberbayern, hat zwar die Aufenthaltsgestattung gem. § 55 Abs. 1 AsylVfG zur Folge, stellt aber noch keinen Asylantrag dar. § 67 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG regelt demgegenüber lediglich das Erlöschen der durch das bloße Nachsuchen um Asyl ausgelösten Aufenthaltsgestattung für den Fall, dass nicht innerhalb von zwei Wochen ein Asylantrag gestellt wird.
Die nach Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO zuständige bulgarische Behörde hat am 4. Mai 2015 ausdrücklich ihr Einverständnis mit der Rückübernahme des Antragstellers erklärt (Bl. 63 der Behördenakte).
Eine Überstellung an Bulgarien als den zuständigen Mitgliedstaat (vgl. Art. 18 Abs. 1 Buchst. a Dublin III-VO) scheitert auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Antragsteller im Falle einer Abschiebung nach Bulgarien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt wäre. Daher ist die Bundesrepublik Deutschland nicht gehalten, den Asylantrag des Antragstellers trotz der Zuständigkeit Bulgariens selbst inhaltlich zu prüfen.
Das gemeinsame europäische Asylsystem stützt sich ebenso wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (vgl. hierzu EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-93/10
Es ist nicht geboten, eine Überstellung nach Bulgarien zu unterlassen, weil dort nach den grundlegenden Veränderungen im Jahr 2014 derzeit nicht von systemischen Schwachstellen im dargestellten Sinn auszugehen ist. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B. v. 29.1.15 - 13a B 14.50039 - juris) geht das Gericht auf der Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnismittel (vgl. UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, 2. January 2014 - abrufbar unter: http://www.refworld.org/docid/52c598354.html; UNHCR, Bulgarien als Asylland - Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien, April 2014 - abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des BAMF; European Asylum Support Office (EASO), Special Support Plan to Bulgaria, 5.12.2014 - abrufbar unter: http://easo.europa.eu/wp-content/uploads/SSP-BG-2014-12-03.pdf; UNHCR, Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen für Deutschland, Schreiben vom 23.12.2014 an das Verwaltungsgericht Minden in der Verwaltungsrechtssache 10 L 530/14.A - einsehbar in der Asyldokumentation des VG München; Asylum Information Database (aida), Country Report Bulgaria, Stand: Januar 2015 - abrufbar unter: http://www.asylumineurope.org/reports/country/bulgaria; Eurostat - Asylum and new asylum applicants - monthly data, - abrufbar unter (Abrufdatum 10.6.2015): http://ec.europa.eu/eurostat/tgm/table.do? tab=table&init=1& language=en&pcode=tps00189&plugin=1) davon aus, dass das bulgarische Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nicht an systemischen Schwachstellen leiden, die befürchten ließen, dass der Antragsteller im Fall der Abschiebung nach Bulgarien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen wäre.
In Bulgarien hätte der Antragsteller als Dublin-Rückkehrer einen ausreichenden Zugang zum Asylverfahren. Ausweislich des aida-Country Report Bulgaria (Stand: 31.1.2015, S. 24) sind bei Dublin-Rückkehrern keine prinzipiellen Hindernisse beim Zugang zum Asylverfahren anzunehmen. Vielmehr liegt es in der Hand des Antragstellers, in Bulgarien einen Asylantrag zu stellen, für den es möglicherweise im Zusammenhang mit seiner Einreise bereits eine Vorgangsnummer gibt.
Ebenso sind hinsichtlich des weiteren Verlaufs des Asylverfahrens in Bulgarien keine durchgreifenden Mängel erkennbar. Die in der Vergangenheit festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfungsverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes sind zwar nicht gänzlich ausgeräumt, allerdings sind weitgehende positive Veränderungen erkennbar, die der Annahme durchgreifender Mängel des bulgarischen Asylsystems entgegenstehen. Insoweit schließt sich das Gericht den Ausführungen im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs
Auch im Hinblick auf eine eventuelle Inhaftnahme in Bulgarien ist nicht von systemischen Mängeln auszugehen (vgl. VG Minden, U. v. 10.2.2015 - 10 K 1660/14.A - juris; UNHCR, Bulgarien als Asylland - Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien, April 2014, S. 6). Abgesehen davon wird der Antragsteller bei einer Rückkehr nach Bulgarien von Einwanderungshaft voraussichtlich nicht mehr betroffen sein, weil er im Wege der Überstellung gemäß der Dublin-III-Verordnung nach Bulgarien zurückkehren wird. Eine Verhängung von Abschiebungshaft ist ebenfalls nicht zu erwarten, da bislang kein Asylantrag des Antragstellers abgelehnt worden ist. Vor diesem Hintergrund ist eine unmenschliche oder entwürdigende Behandlung i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO des Antragstellers nicht zu befürchten.
Schließlich ist im Hinblick auf die sozialen Aufnahmebedingungen von Asylbewerbern in Bulgarien (Unterbringung und Versorgung) jedenfalls im Hinblick auf Personen, die wie der Antragsteller innerhalb der Gruppe der Asylbewerber keiner besonders verwundbaren Teilgruppe - wie etwa Familien mit Säuglingen und Kleinkindern oder unbegleitete Minderjährige - angehören, nicht von systemischen Mängeln i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO auszugehen. Insgesamt sind die früher bestehenden Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen in baulicher wie auch personeller Hinsicht im Wesentlichen behoben worden. Dass die Verhältnisse in Bulgarien in mancherlei Hinsicht nach wie vor defizitär und wenig befriedigend sind, was im Übrigen auch einen nicht unerheblichen Teil der einheimischen Bevölkerung trifft, rechtfertigt allein nicht die Annahme, dass sie generell nicht mehr menschenwürdig wären (VG Minden, U. v. 10.2.2015 - 10 K 1660/14.A - juris Rn. 101 - 109).
Dass in Bulgarien keine systemischen Mängel des Asylverfahrens bestehen, entspricht auch der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U. v. 10.11.2014 - A 11 S 1778/14 - InfAuslR 2015, 77) und des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts (BwG, U. v. 3.10.2014 - W212 2009059-1 - RIS).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Bericht von ProAsyl „Erniedrigt, misshandelt, schutzlos: Flüchtlinge in Bulgarien“ vom April 2015. Soweit darin ein Überstellungsstopp gefordert wird, beruht dies auf Berichten von Einzelschicksalen aus den Jahren 2012 bis Anfang 2014. Die dort geschilderten Zustände sind jedoch aufgrund der neueren Entwicklungen überholt. Zudem lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, dass systemische Schwachstellen vorlägen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten. Im Übrigen befasst sich der Bericht schwerpunktmäßig mit Problemen an der Grenze durch sog. Push backs, von denen der Antragsteller als Rückkehrer im Rahmen des Dublin-Verfahrens jedoch nicht betroffen ist, sowie mit Problemen, denen sich Inhaber eines Aufenthaltstitels ausgesetzt sehen. Hierbei handelt es sich aber nicht um Probleme während des Asylverfahrens, sondern - da insoweit den Quellen zufolge kein Unterschied zu bulgarischen Staatsbürgern besteht - um die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Bulgarien und eine allgemeine soziale Problematik. Ein hinreichendes Indiz für systemische Schwachstellen im Asylverfahren wird dadurch nicht begründet (vgl. BayVGH, B. v. 29.1.15 - 13a B 14.50039 - juris Rn. 43).
Insgesamt bestehen nach Würdigung der derzeit vorliegenden, oben genannten Erkenntnismittel keine wesentlichen Gründe für die Annahme, dass dem Antragsteller im Falle einer Rücküberstellung nach Bulgarien eine menschunwürdige Behandlung i. S. d. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO ernsthaft drohen könnte, zumal Fehlleistungen im Einzelfall noch keine systemischen Mängel begründen (BayVGH, B. v. 29.1.15 - 13a B 14.50039 - juris m. w. N.).
Die Antragsgegnerin ist auch nicht verpflichtet, trotz der Zuständigkeit Bulgariens den Asylantrag des Antragstellers selbst inhaltlich zu prüfen.
Gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO kann zwar jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. In Ausübung des ihr insoweit eingeräumten Ermessens hat die Antragsgegnerin von ihrem Selbsteintrittsrecht jedoch unter Hinweis darauf, dass außergewöhnliche humanitäre Gründe nicht ersichtlich seien, vorliegend keinen Gebrauch gemacht. Dies ist auch vor dem Hintergrund, dass eine Tante des volljährigen Antragstellers im Bundesgebiet leben soll, nicht zu beanstanden.
Die Befugnis zur Anordnung der Abschiebung ergibt sich aus § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
Der Antrag war demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist nach § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylVfG unanfechtbar.
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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.