Verwaltungsgericht München Beschluss, 11. März 2015 - M 11 S7 15.50189
Gericht
Tenor
I.
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Nummer 2 des Bescheides vom
II.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seinen Angaben zufolge ein afghanischer Staatsangehöriger. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom
Der Antragsteller erhob gegen den Bescheid Klage, über die noch nicht entschieden ist (M 11 K 14.50168). Er stellte ferner einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der mit Beschluss vom 10. Juni 2014
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom ... Februar 2015 beantragte der Antragsteller,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts München
Auf die Begründung des Antrags nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO wird verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, auch diejenigen der Verfahren M 11 K 14.50168 und M 11 S 14.50169, und insbesondere auf die Sachverhaltsdarstellung im Beschluss vom 10. Juni 2014 Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist begründet. Die Sachlage hat sich maßgeblich zugunsten des Antragstellers geändert.
Die Klage hat nunmehr hohe Erfolgsaussichten, weil die Abschiebungsanordnung zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) wohl rechtswidrig ist.
Die sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO ist inzwischen auch dann abgelaufen, wenn man mit dem Bundesamt davon ausgeht, dass diese Frist mit der Zustellung des den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ablehnenden Beschlusses vom 10. Juni 2014 nochmals neu zu laufen begonnen hat. Auch dann ist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO B. wohl jedenfalls seit dem 18. Dezember 2014 nicht mehr zur Wiederaufnahme des Antragstellers verpflichtet, sondern die Bundesrepublik Deutschland ist zuständig geworden. Die Dublin-III-VO ist insoweit bereits anzuwenden, obwohl der Antragsteller seinen Asylantrag noch im Dezember 2013, d. h. vor Inkrafttreten der Dublin-III-VO, gestellt hat. Wie schon im Beschluss vom 10. Juni 2014 ausgeführt, richtet sich im vorliegenden Fall das Wiederaufnahmeverfahren nach der Dublin-III-VO, weil das Wiederaufnahmegesuch erst im Jahr 2014 gestellt wurde (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO). Da die Regelung über den Ablauf der Überstellungsfristen Bestandteil des Wiederaufnahmeverfahrens ist, ist daher insoweit schon die Dublin-III-VO einschlägig.
Ob aufgrund des Umstands, dass sich der Antragsteller zumindest zeitweise im „Kirchenasyl“ befand, eine Fristverlängerung nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO möglich gewesen wäre, kann dahin stehen. Nach Art. 29 Abs. 4 Dublin-III-VO i. V. m. Art. 9 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1560/2003 i. d. F. der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 2014 hätte das Bundesamt die bulgarischen Behörden über die Fristverlängerung vor Ablauf der Sechsmonatsfrist informieren müssen. Dass dies geschehen ist, geht aus den Akten nicht hervor und wurde vom Bundesamt auch nicht behauptet. Dem Bundesamt wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 15. Dezember 2014 ein Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers, mit dem der Ablauf der Überstellungsfrist geltend gemacht wurde, mit der Bitte um Stellungnahme, ob der Bescheid aufgehoben werde, zugeleitet. Das Bundesamt hat darauf bis heute nicht reagiert. Es kann daher nicht angenommen werden, dass das Bundesamt die bulgarischen Stellen rechtzeitig informiert hat.
Ob der Antragsteller den Ablauf der Überstellungsfrist unmittelbar als Rechtsverletzung geltend machen kann, kann offen bleiben. Der Antragsteller kann sich jedenfalls darauf berufen, dass die Voraussetzungen des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht mehr vorliegen, wonach feststehen muss, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das ist jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr der Fall, weil nicht erkennbar ist, dass B., obwohl die Überstellungsfrist schon seit fast drei Monaten abgelaufen und die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden ist, nach wie vor ohne weiteres zur Aufnahme des Antragstellers bereit ist.
Angesichts der hohen Erfolgsaussichten der Klage überwiegt das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit, zumal sich aus den vorstehenden Ausführungen ohnehin ergibt, dass bestenfalls ungewiss ist, ob eine umgehende Aufenthaltsbeendigung aus tatsächlichen Gründen überhaupt erfolgen könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.