Verwaltungsgericht München Beschluss, 15. Nov. 2016 - M 11 S 16.4947
Gericht
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf EUR 2.500,-- festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung, geeignete Sicherungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur Verhinderung eines Standsicherheitsversagens an einem denkmalgeschützten Gebäude zu ergreifen.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Fl. Nr..., Gemarkung ..., Gemeinde ... Das Grundstück ist mit einem unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen Bauernhaus bebaut.
Bereits im Mai 2014 kamen zwei Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis, dass das denkmalgeschützte Gebäude massive Schäden aufweise. Aufgrund von Feuchtigkeitsschäden, Schädlingsbefall sowie statischer Überlastung bestehe an mehreren Stellen akute Einsturzgefahr bzw. die Kellertreppe sei bereits eingestürzt.
Mit denkmalschutzrechtlichem Bescheid vom
Im August 2016 wurde dem Landratsamt ... (im Folgenden: Landratsamt) von einem beauftragten Unternehmer erneut mitgeteilt, dass das Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück stark einsturzgefährdet sei, da die wenig vorhandenen statisch tragenden Teile des Dachstuhls bereits gebrochen seien, der Fassadenriss auf der Südseite sich bedingt durch die Bauarbeiten des Geh- und Radwegs vergrößert, die Westfassade sich gesenkt und das Dach sich an statischen Punkten verändert bzw. gewölbt habe. Das Weiterführen von Arbeiten für die Herstellung des Geh- und Radwegs werde weitere, irreparable Schäden mit sich bringen.
Am
Mit Schreiben vom
Mit Bescheid vom
Hiergegen ließ der Antragsteller durch Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom
die aufschiebende Wirkung der Klage vom
Zur Begründung brachte der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass die Arbeiten zur Errichtung eins Geh- und Radwegs durch den Landkreis ... alleine für die vorliegenden sicherheitsrechtlichen Mängel ursächlich seien, da Sicherungsmaßnahmen unterblieben und anerkannte Regeln der Technik, insbesondere DIN 4123-2000-09 nicht eingehalten worden seien. Der Bescheid sei daher rechtswidrig, da die Behörde ihr Ermessen bei der Störerauswahl fehlerhaft ausgeübt habe. Es sei auf Art. 9 LStVG als allgemeiner sicherheitsrechtlicher Grundsatz abzustellen. Hiernach sei beim Auseinanderfallen von Handlungs- und Zustandsstörer, bei gleicher Effektivität der Gefahrenabwehr, vorrangig der Handlungsstörer heranzuziehen. Handlungsstörer sei hier der Landkreis ..., der auch in einem Schreiben des Landesamts für Denkmalschutz vom 19. September 2014 darauf hingewiesen worden sei, dass zum Schutz des Baudenkmals im Rahmen der geplanten Errichtung des Geh- und Radwegs eine Unterfangung des Fundaments, insbesondere des Westgiebels - bis zur Baufuge - notwendig sei.
Der Antragsgegner hat die Akten vorgelegt, sich aber inhaltlich bisher nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, auch die des zugehörigen Klageverfahrens (M 11 K 16.4946) sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Die im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anzustellende Interessenabwägung fällt zulasten des Antragstellers aus.
Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, 2. Alt. VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn eine vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts überwiegt. Hierbei ist in erster Linie auf die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers abzustellen. Erweist sich nach summarischer Prüfung der angefochtene Verwaltungsakt als rechtswidrig, so ist die Vollziehung regelmäßig auszusetzen, da an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erscheint der Verwaltungsakt dagegen nach vorläufiger Betrachtung als voraussichtlich rechtmäßig, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abzulehnen, sofern ein besonderes Vollzugsinteresse besteht. Stellen sich die Erfolgsaussichten als offen dar, hängt das Ergebnis allein von der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung statt.
Die anzustellende Interessenabwägung ergibt im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Angelegenheit anhand der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Landratsamtes, dass das öffentliche Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt, da der Rechtsbehelf des Antragstellers in der Hauptsache aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird und ein besonderes Vollziehungsinteresse besteht.
a) Der streitgegenständliche Bescheid ist voraussichtlich rechtmäßig.
Die vorliegende Anordnung, Sicherungsmaßnahmen zu treffen, hat ihre Rechtsgrundlage in Art. 54 Abs. 4 i.V.m Art. 10 BayBO.
Es kann offen bleiben, inwieweit die akute Einsturzgefahr, in der sich das streitgegenständliche Gebäude befindet, auf unterlassene Sicherungsmaßnahmen bzw. das Außerachtlassen von anerkannten Regeln der Technik im Zuge der Errichtung des Geh- und Radwegs durch den Landkreis ... an der Westseite des Gebäudes zurückzuführen ist.
Selbst für den Fall aber, dass die geschilderten Baumaßnahmen durch den Landkreis die akute Einsturzgefahr erheblich mitbedingt haben sollten, ist eine Heranziehung des Antragstellers zur Durchführung von Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung eines Gebäudeeinsturzes nicht ermessensfehlerhaft. Zwar wäre es grundsätzlich möglich, den Landkreis ... als Handlungsstörer heranzuziehen, auch wenn er vorliegend beim Bau des Geh- und Radwegs entlang der Kreisstraße als Träger der Straßenbaulast gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2, Art. 41 Satz 1 Nr. 2, Art. 9 i. V. m. Art. 72 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes in Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe und damit hoheitlich tätig wird (vgl. BVerwG, U. v. 25.07.2002 - 7 C 24/01; VG München, B. v. 10.10.2014 - M 11 E 14.4377). Allerdings ist vorliegend das Störerauswahlermessen des Landratsamts dahingehend vorgegeben, den Antragsteller als Doppelstörer vorrangig in Anspruch zu nehmen. Haftet jemand aus mehreren Gründen, z. B. wegen seines Verhaltens und aufgrund der Eigenschaft als Eigentümer, so soll diese Person vorrangig zur Gefahrenabwehr in Anspruch genommen werden (vgl. Decker, in: Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, 122. EL Januar 2016, Rn. 181). So liegt der Fall hier. Der Antragsteller ist zum einen aufgrund seiner Eigentümerstellung Zustandsstörer i. S. d. Art. 9 Abs. 2 LStVG. Darüber hinaus ist der Antragsteller auch Handlungsstörer i. S. d. Art. 9 Abs. 1 LStVG, da er es versäumt hat, die notwendigen Erhaltungsmaßnahmen bzgl. des in seinem Eigentum stehenden Baudenkmals zu treffen. Handlungsstörer kann auch sein, wer ein gebotenes Handeln pflichtwidrig unterlässt. Vorliegend ist im Rahmen der im Eilrechtschutz gebotenen summarischen Prüfung anhand der Gerichts- und Behördenakten davon auszugehen, dass der Antragsteller entgegen der Pflicht des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 des Denkmalschutzgesetzes das in seinem Eigentum befindliche Baudenkmal nicht instandgehalten bzw. instandgesetzt hat. Auf den Lichtbildern, die den zwei Gutachten vom Mai 2014 beigefügt sind, sind die bezeichneten Schäden jeweils deutlich erkennbar. Ebenso ist auf diesen Lichtbildern deutlich erkennbar, dass das Gebäude sich in einem schlechten Gesamtzustand befindet und Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsarbeiten offensichtlich seit geraumer Zeit nicht durchgeführt worden sind. Hieraus folgt, dass der Antragsteller für das Vorliegend der jetzigen Gefährdungslage auch als Handlungsstörer durch Unterlassen erheblich mitverantwortlich ist. Die Tatsache, dass das Landratsamt auf die Eigenschaft des Antragstellers als Doppelstörer nicht ausdrücklich abgestellt hat ist unschädlich, da es sich bei der vorrangigen Inanspruchnahme eines Doppelstörers vor anderen Störern, die nur aus einem Grund haften, jedenfalls um einen Fall sog. intendierten Ermessens handelt, so dass, außer im Falle eines eventuellen Abweichens von dieser vorgegebenen Entscheidung, keine hohen Anforderungen an die Begründung der Ermessensausübung zu stellen sind.
b) Es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung.
Aufgrund der Einsturzgefahr besteht eine Gefahr für Leib und Leben von Personen. Es liegt daher im öffentlichen Interesse, umgehend Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahren zu treffen.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m Nr. 1.7.1., 1.7.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs und entspricht der Hälfte des voraussichtlich im Klageverfahren anzusetzenden Streitwerts.
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.