Verwaltungsgericht München Beschluss, 29. Juli 2016 - M 1 S 16.50357
Gericht
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind eigenen Angaben zufolge Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan. Die Antragsteller zu 1) und 2) reisten nach ihren eigenen Angaben am
Bei ihrer Anhörung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats am
Die Antragsteller befanden sich im Besitz von französischen Schengen-Visa, weshalb das Bundesamt am
Mit Bescheid vom
Die Antragsteller erhoben am ... Juni 2016 Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen, im Übrigen anzuordnen.
Sie seien besonders schutzbedürftig, was die Ausübung des Selbsteintrittsrechts rechtfertige. Der Asylantrag müsse im nationalen Verfahren überprüft werden. Die Antragstellerin zu 2) sei aus der Heimat geflohen, weil sie hätte zwangsverheiratet werden sollen. Sie sei mit dem Antragsteller nach Frankreich gereist, was ihre Verwandten aber inzwischen herausgefunden hätten. Diese seien hinter der Antragstellerin her, weil sie mit dem Antragsteller zu 1) ein uneheliches Kind, den Antragsteller zu 3), bekommen habe. In Frankreich gebe es Bekannte, die schon aktiv nach der Antragstellerin suchten. Die Eltern wollten einen Ehrenmord begehen. Die Familie habe auf Ehrenmord geschworen. Das Leben der Antragstellerin sei in Gefahr, wenn sie nach Frankreich zurückkehre. Sie sei durch die Geschehnisse stark traumatisiert. In Abwesenheit des Antragstellers zu 1) sei die Antragstellerin zudem in der Unterkunft von männlichen Asylsuchenden belästigt worden; auch sei es dem Neugeborenen unzumutbar, lange Reisen in die Ungewissheit zu unternehmen. Es wurde die Bescheinigung der ...-Klinik über einen Termin der Antragstellerin in der dortigen psychiatrischen Ambulanz am 28. Juni 2016 vorgelegt, ferner ein allgemeinärztliches Attest vom 27. Juni 2016 für den Antragsteller zu 1), dass er wegen des „bekannten Asthma“ nur eingeschränkt reisefähig sei. Schließlich wurde ein ärztliches Attest einer Allgemein- und Kinderärztin vom 28. Juni 2016 vorgelegt, worin berichtet wird, die Ärztin sei am 20. Januar 2016 zu den Antragstellern gerufen worden. Die Antragstellerin habe verunsichert und hilflos gewirkt, der Antragsteller zu 1) habe über gesundheitliche Probleme der Atemwege im Sinne eines Asthma bronchiale mit Rezidivpneumonien und einer chronischen Pansinusitis berichtet. Diese Erkrankungen hätten eine stationäre Behandlung vom 14. bis 18. März 2016 nötig gemacht. Die Familie habe an dem Ort ihrer Unterbringung allmählich Sicherheit gewonnen und Beziehungen aufgebaut. Es sei sehr zu empfehlen, diese Entwicklung nicht abzubrechen und damit das Wohlergehen der Familie zu gefährden. Schließlich ließen die Antragsteller ein vom 28. Juni 2016 datierendes Gedächtnisprotokoll eines Arztes vorlegen, der darin sein Zusammentreffen mit den Antragstellern am 19. Januar 2016 als Koordinator des örtlichen Helferkreises schildert und deren Hilfebedürfnis hervorhebt.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
1. Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Da sich der angegriffene Bescheid des Bundesamts nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist, führt die vorzunehmende Interessenabwägung zu einem Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses.
An der Rechtmäßigkeit der auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG gestützten Abschiebungsanordnung bestehen bei summarischer Prüfung keine Zweifel. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (vgl. § 27a AsylG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
1. Frankreich hat das Übernahmeersuchen vom
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Ausgehend hiervon stehen der Rückführung der Antragsteller nach Frankreich systemische Mängel des französischen Asylverfahrens und des dortigen Flüchtlingsaufnahmesystems i. S. d. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO nicht entgegen. Hierzu wird weder konkret vorgetragen noch sind systemische Mängel ersichtlich. In Bezug auf Frankreich ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht davon auszugehen, dass den Antragstellern im Falle seiner Rücküberstellung dort eine menschenunwürdige Behandlung droht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Frankreich über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches prinzipiell funktionsfähig ist und insbesondere sicherstellt, dass der rücküberstellte Asylbewerber im Normalfall nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen rechnen muss (vgl. VG München, U. v. 20.5.2016 - M 12 K 15.50772 - juris Rn. 32 m. w. N.).
Der Umstand, dass beim Antragsteller Hinweise auf ein Asthma bronchiale bestehen und die Antragstellerin zu 2) möglicherweise unter einer psychiatrischen Erkrankung leidet, führt ebenfalls nicht zur Übernahme der Zuständigkeit für die Asylverfahren der Antragsteller durch die Bundesrepublik Deutschland. Zum einen ist davon auszugehen, dass sowohl der Antragsteller zu 1) wie auch die Antragstellerin zu 2) in Frankreich die notwendige medizinische Behandlung erlangen können (vgl. die Informationen der französischen Botschaft zum Asylrecht in Frankreich http://www.ambafrance-de.org/Asylrecht-in-Frankreich sowie AIDA Länderreport Frankreich Dezember 2015, S. 85 f. http://www.asylumineurope.org/sites /default/files/report-download/aida_fr_update_iv.pdf ).
Die im Übrigen bislang nicht nachgewiesenen Erkrankungen stellen auch keinen individuellen, außergewöhnlichen humanitären Grund dar, der die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO rechtfertigen würde. Ebenso verhält es sich mit der erstmals im Gerichtsverfahren vorgebrachten Furcht der Antragsteller vor gewalttätigen Übergriffen der Familie der Antragstellerin wegen ihrer Beziehung zum Antragsteller zu 1) und der Geburt des Antragstellers zu 3). Im Falle einer tatsächlichen Gefährdung ist es den Antragstellern zumutbar, bei den französischen Sicherheitsbehörden Schutz zu suchen. Im Übrigen ist bereits nicht recht nachvollziehbar, warum die Antragsteller die behauptete Gefährdung durch einen Ehrenmord nicht schon beim Bundesamt vorgetragen, sondern im Gegenteil verschwiegen haben, in Frankreich gefährdet gewesen zu sein. Auch überzeugt nicht, warum die Antragsteller zwar in Frankreich aufgespürt worden, dann aber in Deutschland vor Entdeckung sicher sein wollen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie - unterstellt die behauptete Gefährdung besteht tatsächlich - in Deutschland höchstens vorübergehend unentdeckt blieben.
2. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
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(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.