Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Nov. 2014 - M 1 S 14.50596
Gericht
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht München
M 1 S 14.50596
Beschluss
vom
1. Kammer
Sachgebiets-Nr. 810
Hauptpunkte: Dublin-III-Verordnung; Unzulässiger Asylantrag; Abschiebung nach Schweden
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
...
- Antragstellerin -
bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...
gegen
...,
vertreten durch Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Außenstelle München, ...
- Antragsgegnerin -
wegen Vollzugs des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG)
hier: Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer, durch den Richter am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 26. November 2014 folgenden Beschluss:
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist eigenen Angaben zufolge pakistanische Staatsangehörige und reiste im Februar 2014 in das Bundesgebiet ein. Sie beantragte hier am
Bei ihrer Befragung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 25. Februar 2014 gab sie an, zuvor in keinem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union einen Asylantrag gestellt zu haben. Seit dem Verlassen ihres Heimatlandes sei sie jedoch für 3 bis 4 Tage in Schweden gewesen. Einem Wiederaufnahmegesuch des Bundesamts vom 7. April 2014 gegenüber Schweden nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-Verordnung) wurde durch die schwedischen Behörden am 25. Juli 2014 entsprochen, die sich darin für die Behandlung des Asylantrags der Antragstellerin gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-Verordnung als zuständig erklärten (Bl. 185 d. Behörden-akte).
Mit Bescheid vom
Am ... Oktober 2014 erhob die Antragstellerin Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Bundesamts
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird vorgetragen, es sei nicht offensichtlich, dass sie in Schweden vor politischer Verfolgung sicher sei. Ihr Ehemann, der sich dort befinde, habe ihr mit Ehrenmord gedroht, nachdem ihre Familie in Pakistan von der Familie ihres Ehemannes in Pakistan die Rückgabe des Schmucks verlangt habe, den er ihr gestohlen habe, als er sie in Schweden verlassen habe. Deshalb sei ihr Asylantrag nicht rechtlich unbeachtlich. Der angefochtene Bescheid verletzt ihr Recht auf Fortsetzung des Asylverfahrens.
Das Bundesamt legte mit Schreiben vom
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
An der Rechtmäßigkeit der auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützten Abschiebungsanordnung bestehen keine Zweifel. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (vgl. § 27a AsylVfG) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin in Schweden bereits einen Asylantrag gestellt hat und dieser Mitgliedstaat damit für die Durchführung ihres Asylverfahrens gemäß Art. 7 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO zuständig ist. Die Antragstellerin hat zwar bei ihrer Anhörung am 25. Februar 2014 angegeben, zuvor keinen Asylantrag in einem anderen Land gestellt zu haben, doch haben sich die schwedischen Behörden auf ein Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes hin am 25. Juli 2014 nach Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-Verordnung in ihrem Fall asylverfahrensrechtlich für zuständig erklärt.
Gründe, gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-Verordnung von einer Überstellung nach Schweden abzusehen, sind nicht ersichtlich.
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93
Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragstellerin in Schweden aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. VG Gelsenkirchen, B. v. 15.8.2014 - 6a L 1165/14.A - juris, m. w. N.).
Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts notwendig machen, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Der Vortrag der Antragstellerin, in Schweden von ihrem Ehemann mit Ehrenmord bedroht zu werden, ist pauschal und zudem unglaubwürdig. Es ist nicht nachvollziehbar, warum dieser Ehemann allein aufgrund von Schmuckstreitigkeiten ihr nach dem Leben trachten sollte und warum es der Antragstellerin - ebenso wie derzeit im Bundesgebiet - nicht auch in Schweden gelingen solle, gegebenenfalls unter Einschaltung der Sicherheitsbehörden Schutz vor einem solchen Ansinnen zu finden.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).
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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.