Verwaltungsgericht Minden Urteil, 05. Juni 2015 - 6 K 182/15.A
Gericht
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7.1.2015 – Az.: 5727808-430 – wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Der durch Dokumente des georgischen Staates als georgischer Staatsangehöriger ausgewiesene, hiernach am 00.00.0000 in P. / geborene Kläger stellte am 18.2.2014 bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.
3Im Rahmen eines persönlichen Gesprächs zur Bestimmung des zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaates, das am 18.2.2014 in Bielefeld stattfand, erklärte er, dass er Georgien Anfang Dezember 2013 auf dem Luftweg verlassen habe. Er sei im Besitz eines einen Monat gültigen Visums gewesen, das im Oktober 2013 von der Tschechischen Botschaft in Tiflis ausgestellt worden sei. Er habe sich vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ca. einen Monat in Italien aufgehalten, jedoch weder dort noch zuvor in einem anderen Staat Asyl beantragt.
4Am 17.4.2014 richtete das Bundesamt ein mit „Request for Information pursuant to Article 21“ überschriebenes, auf den Vortag datiertes Formularschreiben an die tschechischen Behörden, in dem es diese um Auskunft darüber bat, ob dem Kläger ein Visum ausgestellt worden sei. Das Innenministerium der Tschechischen Republik antwortete darauf mit Schreiben vom 4.7.2014, dass die Botschaft in Tiflis dem Kläger ein für die Dauer von 10 Tagen im Zeitraum vom 31.10.2013 bis 24.11.2013 gültiges Visum ausgestellt habe.
5Am 1.9.2014 richtete das Bundesamt ein förmliches Aufnahmeersuchen an die tschechischen Behörden, die sich mit Schreiben vom 12.11.2014 unter Bezugnahme auf Art. 12 Abs. 4 der Dublin-III-VO zur Aufnahme des Klägers bereit erklärten.
6Mit Bescheid vom 7.1.2015 entschied das Bundesamt, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig sei, und ordnete seine Abschiebung in die Tschechische Republik an.
7Der Kläger hat am 20.1.2015 Klage erhoben. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, dass er aufgrund von Kriegserlebnissen während des georgisch-russischen Krieges seit 2008 an Angststörungen leide. Er sei zudem drogenabhängig. Er befinde sich in Deutschland in fachärztlicher psychotherapeutischer Behandlung und müsse verschiedene Medikamente einnehmen.
8Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
9den Bescheid des Bundesamtes vom 7.1.2015, Az. 5727808-430, aufzuheben.
10Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
11die Klage abzuweisen.
12Sie nimmt zur Begründung Bezug auf den angegriffenen Bescheid.
13Die Kammer hat mit Beschluss vom 2.4.2015 – 6 L 59/15.A – die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens 6 L 59/15.A sowie des durch das Bundesamt übermittelten Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO), der Kläger mit Schreiben vom 20.4.2015, die Beklagte durch allgemeine, bei Gericht hinterlegte Prozesserklärung vom 26.1.2015.
17Die Klage ist zulässig und begründet.
18Sie ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) statthaft
19vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.3.2014 – 1 A 21/12.A –, www.nrwe.de = juris, Rn. 28 ff., m.w.N.; VG Minden, Urteil vom 19.3.2015 – 10 K 2658/14.A –, www.nrwe.de = juris, Rn. 11 ff., m.w.N.
20und auch im Übrigen zulässig.
21Das Gericht fasst das Begehren des Klägers (§ 88 VwGO) so auf, dass lediglich die Aufhebung des Bescheides vom 7.1.2015 angestrebt wird und dem schriftsätzlich überdies angekündigten Antrag, „das Asylverfahren durchzuführen“, hierneben keine eigenständige Bedeutung zukommen soll. Denn neben der Aufhebung des angegriffenen Bescheides bedarf es keines auf Durchführung eines Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungsausspruchs, weil bei bestehender Zuständigkeit der Beklagten der Asylantrag von Amts wegen sachlich zu prüfen ist. Dementsprechend besteht auch keine Verpflichtung zum Selbsteintritt des die Zuständigkeit prüfenden Mitgliedstaats und auch kein hierauf gerichteter Anspruch des Asylantragstellers.
22Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.3.2014 – 1 A 21/12.A –, a.a.O., Rn. 31 ff.; VG Minden, Urteil vom 19.3.2015 – 10 K 2658/14.A –, a.a.O., Rn. 18 ff.
23Die Kammer geht davon aus, dass die Klage rechtzeitig erhoben worden ist. Den durch das Bundesamt nach mehrfacher Nachfrage des erkennenden Gerichts übersandten Verwaltungsvorgängen lässt sich in der jüngsten, aus 92 Blatt bestehenden Fassung nach wie vor kein konkretes Zustellungsdatum des Bescheides vom 7.1.2015 entnehmen. Die Postzustellungsurkunde befindet sich nur in unvollständiger Ablichtung (eine Seite) in dem Verwaltungsvorgang. Jedenfalls enthalten die dem Gericht übersandten Verwaltungsvorgänge keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem Bescheid eine Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beigefügt war, deren Kenntnis bei dem im Verwaltungsverfahren noch nicht anwaltlich vertretenen Kläger vernünftigerweise vorausgesetzt werden konnte (§ 31 Abs. 1 S. 3 AsylVfG). Er hat bei seiner Antragstellung angegeben, lediglich der georgischen Sprache mächtig zu sein. Wird die Rechtsbehelfsbelehrung entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Vorgabe nicht in einer dem Asylantragsteller verständlichen Sprache erteilt, ist sie – anders als im klassischen verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in dem sich der Kläger regelmäßig nicht auf mangelnde Sprachkenntnisse bei der Erfassung von Rechtsbehelfsbelehrungen in behördlichen Bescheiden berufen kann – unrichtig und die zweiwöchige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 AsylVfG wird durch sie nicht in Gang gesetzt.
24Vgl. VG Köln, Urteil vom 27.11.2014 – 23 K 4781/13.A –, www.nrwe.de = juris; VG Meiningen, Urteil vom 7.3.2014 – 1 K 20235/11 Me –, juris; Marx, AsylVfG, Kommentar, 8. Aufl. 2014, § 31 Rn. 5.
25Die Klage ist jedenfalls rechtzeitig innerhalb der danach gem. § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO maßgeblichen Jahresfrist erhoben worden.
26Das erkennende Gericht ist örtlich zuständig gem. § 52 Nr. 2 S. 3 VwGO i.V.m. § 50 Abs. 6 AsylVfG. Zwar ergibt sich aus der Zustellungsurkunde, dass dem Kläger der Bescheid vom 7.1.2015 nur unter einer Anschrift in C3. zugestellt werden konnte. Er ist jedoch laut Zuweisungsentscheidung der Bezirksregierung Arnsberg vom 26.2.2014 dazu verpflichtet, seinen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des erkennenden Gerichts (§ 17 Nr. 6 JustG NRW: Stadt Espelkamp, Kreis Minden-Lübbecke) zu nehmen.
27Die Klage ist auch begründet. Die in dem Bescheid des Bundesamtes vom 7.1.2015 enthaltenen Verwaltungsakte, nämlich die Ablehnung des Asylantrags des Klägers als unzulässig (§ 27a AsylVfG) und die Anordnung seiner Abschiebung in die Tschechische Republik (§ 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG), sind aufzuheben, da sie rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
28Als Rechtsgrundlage für die Ablehnung des vom Kläger gestellten Asylantrags als unzulässig kommt allein § 27a AsylVfG in Betracht. Danach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Diese Voraussetzungen sind in dem nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht (mehr) erfüllt.
29Das Bundesamt hat den am 18.2.2014 gestellten Asylantrag des Klägers zu Unrecht gem. § 27a AsylVfG als unzulässig bewertet. Die Einschätzung des Bundesamtes, dass nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (nachfolgend: Dublin-III-VO), die Tschechische Republik für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig ist, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
30Zwar hat der Kläger am 18.2.2014 gegenüber dem Bundesamt selbst eingeräumt, über ein im Oktober 2013 von der Botschaft der Tschechischen Republik in Tiflis ausgestelltes Visum verfügt zu haben. Dieser Vortrag ist mit Schreiben vom 4.7.2014 durch das Innenministerium der Tschechischen Republik bestätigt worden, das darüber hinaus mitteilte, das dem Kläger erteilte Visum sei im Zeitraum vom 31.10.2013 bis 24.11.2013 für einen 10-tägigen Aufenthalt gültig gewesen.
31Die Zuständigkeit der Tschechischen Republik für die Prüfung des vom Kläger am 18.2.2014 in Deutschland gestellten Asylantrages ergibt sich danach zwar grundsätzlich aus Art. 12 Abs. 2 und Abs. 4 S. 1 der Dublin-III-VO. Das bis zum 24.11.2013 gültige Visum war zu dem für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach dem Kapitel III der Dublin-III-VO maßgeblichen Zeitpunkt der Asylantragstellung in der Bundesrepublik Deutschland (Art. 7 Abs. 2 Dublin-III-VO) noch nicht sechs Monate abgelaufen. Der Kläger hat gegenüber dem Bundesamt angegeben, seither das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht wieder verlassen zu haben. Die Aufnahmeverpflichtung der Tschechischen Republik folgt danach aus Art. 18 Abs. 1 Buchst. a) Dublin-III-VO. Entsprechend haben sich die tschechischen Behörden am 12.11.2014 zur Aufnahme des Klägers bereit erklärt.
32Zu diesem Zeitpunkt war jedoch die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages des Klägers wieder gem. Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin-III-VO auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen. Nach dieser Vorschrift wird der Mitgliedstaat,in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde – hier die Bundesrepublik –, für die Prüfung des Antrags zuständig, wenn das Aufnahmegesuch nicht innerhalb der in Unterabs. 1 der Vorschrift niedergelegten Frist unterbreitet wird. Nach Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO hätte die Beklagte den für zuständig gehaltenen Mitgliedstaat – hier die Tschechische Republik – auf jeden Fall innerhalb von drei Monaten nach der Asylantragstellung am 18.2.2014, mithin bis zum 18.5.2014, um die Aufnahme des Klägers ersuchen müssen. Diese Frist wurde vorliegend nicht eingehalten.
33Bei dem Schreiben, das am 17.4.2014 vom Bundesamt an die tschechischen Behörden übermittelt wurde, handelte es sich nicht um ein Aufnahmegesuch nach Art. 21 Abs. 1 Dublin-III-VO, sondern nur um ein Gesuch um Informationen. Hierfür spricht schon die eindeutige Überschrift des Schreibens, das nicht mit „Request for Taking Back“, sondern mit „Request for Information“ überschrieben ist. Auch inhaltlich geht es nur darum, zu ermitteln, ob dem Kläger tatsächlich ein Visum erteilt worden ist. Die Beklagte hat ein förmliches Aufnahmegesuch dagegen erst am 1.9.2014, mithin verfristet, gestellt.
34An dieser gem. Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangenen Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags des Klägers ändert es nichts, dass sich die tschechischen Behörden gleichwohl mit Schreiben vom 12.11.2014 zur Übernahme des Klägers bereit erklärt haben, ohne irgendwelche Fristversäumnisse geltend zu machen. Hierin kann – jedenfalls im vorliegenden Fall – keine (konkludente) Ausübung des Selbsteintrittsrechtes aus Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO gesehen werden.
35Vgl. VG Minden, Urteil vom 19.3.2015 – 10 K 2658/14.A –, a.a.O., Rn. 52 ff.
36Nach dieser Vorschrift kann abweichend von den allgemeinen Kriterien in Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in der Dublin-III-VO festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Vorliegend gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auch in der Tschechischen Republik einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Er selbst hat unwidersprochen vorgetragen, nur in der Bundesrepublik Deutschland um Asyl nachgesucht zu haben. Ausweislich des klaren Wortlauts von Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO („… einen beiihm gestellten Antrag…“) kann ein unzuständiger Mitgliedstaat einem nach den Kriterien der Dublin-III-VO eigentlich zuständigen Mitgliedstaat nicht die Zuständigkeit für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz durch Ausübung des Selbsteintrittsrechtes entziehen, wenn der Antragsteller im unzuständigen Staat selbst gar keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
37Besteht mithin keine Zuständigkeit der Tschechischen Republik für die Prüfung des Asylantrags des Klägers mehr, so scheidet eine Ablehnung dieses Antrags als unzulässig nach § 27a AsylVfG aus. Die gegenteilige Regelung, die das Bundesamt mit dem streitgegenständlichen Bescheid getroffen hat, ist somit rechtswidrig und verletzt den Kläger auch in seinen subjektiven Rechten. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Dublin-III-VO dem Flüchtling kein subjektives Recht darauf einräumt, dass sein Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird. Denn die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das Zuständigkeitssystem der Dublin-III-VO lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens eines Drittstaatsangehörigen gewährleistet sein muss. Demgemäß sind die in der Dublin-III-VO niedergelegten Zuständigkeitsregeln an die Mitgliedstaaten adressiert und sehen Rechte sowie Pflichten für diese Staaten vor.
38Vgl. zur Dublin-II-VO: EuGH, Urteil vom 10.12.2013 – C-394/12 – (Abdullahi), NVwZ 2014, 208 = juris, Rn. 56; OVG NRW, Beschluss vom 2.6.2015 – 14 A 1140/14.A –, www.nrwe.de = juris.
39Ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat besteht daher grundsätzlich nicht.
40Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2.6.2015 – 14 A 1140/14.A –, a.a.O., m.w.N.
41Nur dann, wenn die Zuständigkeitsvorschrift nicht der bloßen Aufgabenverteilung zwischen den – in der Aufgabenerfüllung als gleichwertig anzusehenden – Mitgliedstaaten dient, sondern auch im spezifischen Interesse des Asylbewerbers liegt, kann eine solche Zuständigkeitsnorm ein subjektives Recht darstellen.
42So angenommen für Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO trotz des klar an die Mitgliedstaaten gerichteten Normbefehls: EuGH, Urteil vom 6.11.2012 – C-245/11 –, NVwZ-RR 2013, 69 = juris; ablehnend für Art. 16 Abs. 3 Dublin-II-VO: OVG NRW, Beschluss vom 2.6.2015 – 14 A 1140/14.A –, a.a.O.
43Nach Auffassung der Kammer stellt Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin-III-VO aber – wie auch Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO bei Ablauf der Überstellungsfrist – einen derartigen Ausnahmefall dar. Diese Norm zielt darauf ab, dem schutzwürdigen Interesse des Flüchtlings dahingehend Rechnung zu tragen, dass sein Schutzgesuch – nach Ablauf eines gewissen Zeitraums, welcher der Klärung von Zuständigkeitsfragen vorbehalten ist – in angemessener Zeit in der Sache geprüft wird. Hierfür sprechen bereits Wortlaut und Regelungszusammenhang der Vorschrift. Wie auch bei Ablauf der Überstellungsfrist in Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO sanktioniert die Verordnung das nicht rechtzeitige Aufnahmegesuch in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 Dublin-III-VO mit einem ausdrücklichen Zuständigkeitsübergang auf den ersuchenden Mitgliedstaat. Hierdurch wird deutlich, dass das der Sachentscheidung vorgelagerte Verfahren zur Prüfung der eigenen Zuständigkeit in dem Staat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, jedenfalls innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung zu beenden ist. Der Mitgliedstaat, der einen anderen Mitgliedstaat für zuständig hält, hat innerhalb dieser Frist entweder ein Aufnahmegesuch an den für zuständig gehaltenen Mitgliedstaat zu stellen oder muss den bei ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz selbst in der Sache prüfen. Ließe man es nicht zu, dass sich der Antragsteller nach Fristablauf auf den Zuständigkeitsübergang berufen und diesen als subjektives Recht gegen den zuständig gewordenen Mitgliedstaat geltend machen kann, würde das Art. 21 Abs. 1 und Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO innewohnende Beschleunigungsgebot entwertet. Insoweit steht dem Kläger ein Anspruch auf sachliche Prüfung seines Asylantrags zu mit der Folge, dass er die Rechtswidrigkeit einer Überstellung wegen Zuständigkeitsübergangs infolge Fristablaufs als eigene Rechtsverletzung geltend machen kann.
44Vgl. allgemein zur Dublin-II-VO: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 6.8.2013 – 12 S 675/13 –, InfAuslR 2014, 29 = juris, dort Rn. 13;
45zur Vorgängervorschrift Art. 17 Abs. 1 Dublin-II-VO: VG Düsseldorf, Urteil vom 10.2.2014 – 25 K 8830/13.A – und Beschluss vom 7.3.2014 – 13 L 329/14.A –, jew. www.nrwe.de = juris;
46zu Art. 29 Abs. 2 S. 1 Dublin-III-VO: VG Düsseldorf, Urteile vom 23.9.2014 – 8 K 4481/14.A – und vom 5.2.2015 – 22 K 2262/14.A –, jew. www.nrwe.de = juris; VG Aachen, Urteil vom 18.11.2014 – 9 K 161/14.A –, juris; VG Minden, Urteile vom 19.3.2015 – 10 K 2658/14.A –, a.a.O., vom 12.12.2014 – 6 K 1843/14.A – und vom 12.2.2015 – 6 K 911/14.A –; VG Regensburg, Urteil vom 14.11.2014 – RN 5 K 14.30304 –, juris;
47siehe auch den 5. Erwägungsgrund der Dublin-III-VO.
48Ist die Zuständigkeit der Tschechischen Republik nach alledem nicht mehr gegeben und kann der Kläger sich zudem mit Erfolg darauf berufen, so ist – bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – auch die auf § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG gestützte Anordnung seiner Abschiebung nach dorthin rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten.
49Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 S. 1 und 2 ZPO.
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Annotations
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.
Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:
- 1.
In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt. - 2.
Bei Anfechtungsklagen gegen den Verwaltungsakt einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde, die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung ihren Sitz hat, vorbehaltlich der Nummern 1 und 4. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen des Satzes 1. In Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; ist eine örtliche Zuständigkeit danach nicht gegeben, bestimmt sie sich nach Nummer 3. Soweit ein Land, in dem der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat, von der Möglichkeit nach § 83 Absatz 3 des Asylgesetzes Gebrauch gemacht hat, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, das nach dem Landesrecht für Streitigkeiten nach dem Asylgesetz betreffend den Herkunftsstaat des Ausländers zuständig ist. Für Klagen gegen den Bund auf Gebieten, die in die Zuständigkeit der diplomatischen und konsularischen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland fallen, auf dem Gebiet der Visumangelegenheiten auch, wenn diese in die Zuständigkeit des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten fallen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat. - 3.
Bei allen anderen Anfechtungsklagen vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde. Ist er von einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder aller Länder erlassen, so ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Fehlt ein solcher innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach Nummer 5. Bei Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte einer von den Ländern mit der Vergabe von Studienplätzen beauftragten Behörde ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen der Sätze 1, 2 und 4. - 4.
Für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für Klagen nach § 79 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen entsprechend. - 5.
In allen anderen Fällen ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz, Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthalt hat oder seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatte.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.