Verwaltungsgericht Minden Beschluss, 15. Apr. 2014 - 4 L 296/14
Gericht
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag,
3den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin vorläufig
41. zur Wiederholung der Prüfungsarbeit im Modul HS 1.1 - "Delinquenz im öffentlichen Raum und im sozialen Nahraum" am 16. April 2014 und
52. sie vorbehaltlich des Bestehens der Wiederholungsprüfung zum weiteren Studium im Studiengang "Polizeivollzugsdienst" zuzulassen,
6hat keinen Erfolg.
7Nach § 123 Abs. 1 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO - kann eine einstweilige Verfügung ergehen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein Anspruch auf eine bestimmte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dieser Anspruch gefährdet ist und durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss (Anordnungsgrund).
8Die Antragstellerin hat hier den in einem noch anhängig zu machenden Hauptsacheverfahren gegen den Bescheid der Antragstellerin vom 26. März 2014 und den Widerspruchsbescheid vom 7. April 2014 zu verfolgenden Anspruch auf Durchführung einer weiteren Wiederholungsprüfung nicht glaubhaft gemacht.
9Die Antragstellerin hat die Modulklausur "HS 1.1 - Delinquenz im öffentlichen Raum und im sozialen Nahraum" in der Wiederholungsprüfung am 26. Februar 2014 nicht bestanden und damit ihr Wiederholungskontingent nach Teil A § 13 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Sätzen 3 und 4 der Studienordnung der Bachelorstudiengänge an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW - StudO BA - ausgeschöpft.
10Sie ist von diesem Prüfungsteil nicht wirksam zurückgetreten. Dafür hätte sie ihre für den Rücktritt geltend gemachten Gründe dem Prüfungsamt unverzüglich schriftlich anzeigen und glaubhaft machen müssen (Teil A § 19 Abs. 2 Satz 1 StudO BA). Das hat die Antragstellerin nicht getan. Sie hat vielmehr die Prüfung am 26. Februar 2014 in Gänze absolviert und erst mit Schreiben vom folgenden Tag auf gesundheitliche Einschränkungen am Prüfungstag hingewiesen sowie - wohl - eine Krankschreibung vom 26. bis zum 28. Februar 2014 überreicht. Einen ausdrücklichen Antrag auf Genehmigung des Rücktritts vom Prüfungsversuch hat sie - durch ihren Bevollmächtigten - erst unter dem 24. März 2014 gestellt und noch später das vom 31. März 2014 datierende Attest des Dr. I. aus C. über die Untersuchung der Antragstellerin am 26. Februar 2014 vorgelegt.
11Nach ständiger Rechtsprechung ist an die Unverzüglichkeit eines Rücktritts von einer Prüfung ein strenger Maßstab anzulegen. Der Rücktritt ist nicht mehr unverzüglich, wenn der Prüfling die Rücktrittserklärung nicht zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt abgegeben hat, zu dem sie von ihm zumutbarerweise hätte erwartet werden können.
12BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 1988 - 7 C 8.88 -, juris.
13Im Falle einer Erkrankung ist es Sache des Prüflings, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit durch die Krankheit erheblich beeinträchtigt ist, und bejahendenfalls daraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, und zwar grundsätzlich vor Beginn, spätestens aber während der Prüfung. Wer sich in Kenntnis der eigenen Erkrankung - und gegebenenfalls gegen einen ausdrücklichen ärztlichen Rat - einer Prüfung unterzieht, trifft eine bewusste Risikoentscheidung; das schließt das Risiko ein, dass die Leistungsfähigkeit infolge der Erkrankung während der Prüfung abnimmt. Er kann dann nicht mehr mit Erfolg geltend machen, dass er aufgrund einer später eingetretenen Verschlimmerung der Krankheit keine freie Entscheidung über die weitere Teilnahme an der Prüfung habe treffen können.
14Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 18. September 2013 - 14 B 982/13 -, juris, Rdn. 6, und VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. August 2002 ‑ 9 S 1573/02 -, juris, Rdn. 2 und 4.
15Dieser strenge Maßstab ist mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar. Zum einen soll verhindert werden, dass der betroffene Prüfling, indem er in Kenntnis der Erkrankung und ihrer Auswirkungen zunächst die Prüfung fortsetzt und das Prüfungsergebnis abwartet, sich eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance verschafft, was im Verhältnis zu den anderen Prüflingen den Grundsatz der Chancengleichheit verletzen würde. Zum anderen dient die Obliegenheit, den Rücktritt unverzüglich zu erklären, dazu, der Prüfungsbehörde eine eigene, möglichst zeitnahe Überprüfung mit dem Ziel einer schnellstmöglichen Aufklärung zu ermöglichen, und zwar auch dies zum Zweck der Wahrung der Chancengleichheit mit den anderen Prüflingen.
16OVG NRW, Beschluss vom 18. September 2013 - 14 B 982/13 -, juris, Rdn. 7, m.w.N.
17Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Antragstellerin den Rücktritt nicht rechtzeitig erklärt, weil sie ihn nicht vor oder spätestens während der Prüfung erklärt hat. Umstände, die ausnahmsweise einen nachträglichen Rücktritt rechtfertigen könnten, sind nicht glaubhaft gemacht.
18Zwar kann man der Antragstellerin nicht vorwerfen, dass sie mit der Geltendmachung der Prüfungsunfähigkeit gewartet hat, bis ihr das Scheitern in der Prüfung bekanntgegeben worden war, was allgemein als ein besonders starkes Indiz für einen Missbrauch des Rücktrittsrechts gewertet wird,
19OVG NRW, Beschluss vom 18. September 2013 - 14 B 982/13 -, juris, Rdn. 6,
20denn den Akten lässt sich nicht entnehmen, dass sie bei Beauftragung ihres Bevollmächtigten am 21. März 2014 und dessen Antrag vom 24. März 2014 schon positive Kenntnis vom Nichtbestehen der Wiederholungsprüfung hatte.
21Von der Antragstellerin konnte und musste aber zumutbarerweise erwartet werden, dass sie spätestens während der laufenden Prüfung ihren Rücktritt erklärte. Sie war sich ihrer geschwächten Konstitution nach dem Magen-Darm-Infekt, wegen dessen sie die gesamte Vorwoche krankgeschrieben war, bewusst und war nach ihren Angaben von ihrem Hausarzt gewarnt worden, die Folgen der Erkrankung nicht zu unterschätzen. Am Tag der Prüfung habe sie sich morgens lediglich "leidlich gut" gefühlt. Unter diesen Umständen war sie verpflichtet, ihren Rücktritt von der Prüfung zu erklären, sobald sie aufgrund der von ihr vermuteten Unterzuckerung, begleitet von Zittern, Kopfschmerzen und Schwindel, feststellte, dass sie in ihrer Leistungsfähigkeit weiterhin erheblich beeinträchtigt war. Dass sie nach ihrer Darstellung gedacht hat, "auch ein frühzeitiger Abbruch würde zur automatischen Bewertung mit 'ungenügend' führen", und deshalb die Klausur bis zum Ende mitschrieben hat, kann sie diesbezüglich nicht entlasten. Andere Umstände, die eventuell einen nachträglichen Rücktritt hätten rechtfertigen können, sind weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.