Verwaltungsgericht Minden Beschluss, 10. Apr. 2014 - 4 L 219/14
Gericht
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird in der Wertstufe bis 13.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Der Antrag des Antragstellers,
3"der Antragsgegnerin zu untersagen,
41. ein neues Auswahlverfahren für die Stelle in der Fahrerlaubnisbehörde mit der Nummer durchzuführen und
52. die Stelle in der Fahrerlaubnisbehörde mit der oben genannten Nummer zu besetzen,
6bevor nicht in dem noch anhängigen Hauptsacheverfahren 4 K 1396/13 beim Verwaltungsgericht Minden über den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers aufgrund seiner Bewerbung vom 24.01.13 auf die am 16.01.13 ausgeschriebene vorgenannte Stelle und über die Rechtmäßigkeit des von der Antragsgegnerin am 05.03.14 vorgenommenen Abbruchs des Auswahlverfahrens vom 16.01.2013 bestandskräftig entschieden worden ist,"
7hat keinen Erfolg.
8Soweit der Antragsteller das Begehren verfolgt, die streitige Stelle bis zur Rechtskraft einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Abbruchs des Auswahlverfahrens ‑ um einen entsprechenden Antrag hat der Antragsteller im Verfahren 4 K 1396/13 die bereits mehrfach geänderte Klage erweitert - und über die Bewerbung des Antragstellers um die ursprünglich ausgeschriebene Stelle unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nicht zu besetzen, dürfte der Antrag bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil dem Antragsteller insoweit wohl das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Eine derart weit reichende vorläufige Regelung ist zur Durchsetzung des in Rede stehenden Bewerbungsverfahrensanspruchs nicht erforderlich. Diesem wird vielmehr bereits dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass die Wirkungsdauer der einstweiligen Anordnung bis zur Neubescheidung der Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts reicht.
9Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 15. März 2010 - 2 L 1924/09 -, juris, Rdn. 4 f. m.w.N.
10Der Antrag ist aber auch mit diesem Begehren jedenfalls unbegründet.
11Nach § 123 Abs. 1 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO - kann eine einstweilige Verfügung ergehen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein Anspruch auf eine bestimmte Leistung zusteht (Anordnungsanspruch) und dieser Anspruch gefährdet ist und durch vorläufige Maßnahmen gesichert werden muss (Anordnungsgrund).
12Der Antragsteller hat jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Antragsgegnerin das im Januar 2013 begonnene interne Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle "Abschnittsleitung Fahrerlaubnisbehörde (A 11 BBesG)" fortführt und ihn auf diese Stelle befördert.
13Die Antragsgegnerin hat am 5. März 2014 das ursprüngliche Auswahlverfahren abgebrochen und dies dem Antragsteller mit Schreiben vom gleichen Tage mitgeteilt. Zuvor hatte die Antragsgegnerin im September 2013 die am 11. März 2013 zugun-sten eines Mitbewerbers getroffene Auswahlentscheidung aufgehoben. Grund hierfür waren die vom Oberverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren 6 B 736/13 geäußerten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der der Auswahlentscheidung zugrunde liegenden Regelbeurteilungen des Antragstellers und des Mitbewerbers mit Blick auf die gebildeten Vergleichsgruppen. Die Antragsgegnerin erklärte damals, über die Bewerbung des Antragstellers werde in Kürze erneut entschieden. Im Dezember 2013 wurde für den Antragsteller eine - vom ihm nicht akzeptierte - neue Regelbeurteilung erstellt. Am 5. März 2014 beschloss die Antragsgegnerin, das Stellenbesetzungsverfahren aufzuheben. In einem Vermerk vom selben Tag heißt es dazu:
14"Aus dem ursprünglichen Bewerberkreis sind zwei sehr qualifizierte Kandidaten zwischenzeitlich auf eine höherwertige Stelle gewechselt … Der Bewerberkreis ist aufgrund der über einjährigen Dauer des Auswahlverfahrens nicht mehr aktuell und damit als Grundlage für eine dem Art. 33 Abs. 2 GG genügende Entscheidung auch nicht mehr geeignet. Das öffentliche Interesse an einer bestmöglichen Stellenbesetzung kann mit dem laufenden Besetzungsverfahren nicht erreicht werden, weil jetzt potenziell neue Bewerberinnen und Bewerber für die Besetzung der vakanten Stelle in Betracht kommen, die unberücksichtigt bleiben würden. Es wäre nicht mit dem Leistungsprinzip vereinbar, wenn wegen der langen Laufzeit eines Auswahlverfahrens die Entscheidung auf weniger geeignete Bewerberinnen und Bewerber reduziert werden müsste, die zuletzt noch im Bewerberkreis verblieben sind."
15Diese für die Antragsgegnerin maßgeblichen Gründe für den Abbruch des Auswahlverfahrens wurden dem Antragsteller mit Schreiben vom 5. März 2014 mitgeteilt.
16Seitdem hat sich eine weitere Änderung der Sachlage dadurch ergeben, dass die streitgegenständliche Stelle am 1. April 2014 mit einem sog. Versetzungsbewerber besetzt worden ist. Nach den Angaben der Antragsgegnerin war aus personalwirtschaftlichen Gründen die Versetzung eines Mitarbeiters aus dem Bezirksamt C. dringend erforderlich. Da die Antragsgegnerin sich überdies in einem genehmigten Haushaltssicherungskonzept befinde und deshalb vor jeder internen Stellenausschreibung zunächst interne Besetzungsmöglichkeiten mit Versetzungsbewerbern prüfen müsse, sei die Stelle - ohne neues Auswahlverfahren - mit dem zu versetzenden Kollegen besetzt worden.
17Bereits mit dem Abbruch des Auswahlverfahrens Anfang März 2014 ist der Anspruch des Antragstellers auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung entfallen; denn der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende Anspruch des Beamten auf eine rechtsfehlerfreie Anwendung der Vorschriften über die Vornahme einer Ernennung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung besteht nur dann, wenn eine Ernennung in ein und demselben Besetzungsverfahren tatsächlich vorgenommen werden soll. Der Anspruch erlischt, wenn das Verfahren rechtsbeständig beendet wird.
18Vgl. zuletzt BVerwG, Urteil vom 29. November 2012 - 2 C 6.11 -, juris,
19Rdn. 11 f. m.w.N.
20Von einer solchen rechtsbeständigen Beendigung ist hier auszugehen.
21Die formellen Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O. Rdn. 19) und das Bundesverfassungsgericht
22Beschluss vom 28. November 2011 - 2 BvR 1181/11 -, juris, Rdn. 23
23insoweit formuliert haben, sind erfüllt. Der - jedenfalls zunächst - maßgebliche Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens ist in dem Vermerk vom 5. März 2014 schriftlich dokumentiert und dem Antragsteller rechtzeitig und in geeigneter Form mitgeteilt worden.
24Auch in materieller Hinsicht ist der Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens sachlich gerechtfertigt. Eine sachliche Rechtfertigung ist dann anzunehmen, wenn der Grund für den Abbruch aus Art. 33 Abs. 2 GG hergeleitet werden kann. Unsachlich sind dagegen solche Gründe, die das Ziel verfolgen, einen unerwünschten Kandidaten aus leistungsfremden Erwägungen von der weiteren Auswahl für die Stelle auszuschließen oder einen bestimmten Bewerber bei der späteren Auswahlentscheidung zu bevorzugen. In der Regel ist ein Abbruch jedenfalls dann sachlich gerechtfertigt, wenn dem Dienstherrn im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt wird, den von ihm ausgewählten Bewerber zu ernennen. Denn daraus kann der Dienstherr regelmäßig den Schluss ziehen, seine bisherige Vorgehensweise begegne erheblichen Zweifeln im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG. In einer solchen Situation darf das bisherige Verfahren beendet werden, damit in einem anschließenden neuen Verfahren aufgrund eines aktualisierten Bewerberkreises eine dem Art. 33 Abs. 2 GG genügende Entscheidung getroffen werden kann.
25BVerwG, a.a.O., Rdn. 20, m.w.N.
26Bei Anlegung dieser Maßstäbe ist der Abbruch des Auswahlverfahrens aus dem Anfang März 2014 gültigen Grund nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin als Dienstherrin hatte wegen rechtlicher Bedenken des Oberverwaltungsgerichts in Bezug auf die Vereinbarkeit der zunächst getroffenen Auswahlentscheidung mit Art. 33 Abs. 2 GG ihre Entscheidung aufgehoben. Ursprünglich plante sie wohl, aufgrund neuer Beurteilungen im alten Auswahlverfahren erneut zu entscheiden. Nachdem aber über die Erstellung der neuen Beurteilungen einige Monate verstrichen waren und sich in dieser Zeit das Bewerberfeld verändert hatte, beschloss sie Anfang März 2014 das inzwischen 15 Monate alte Auswahlverfahren abzubrechen, um gegebenenfalls mit weiteren neuen Bewerbern dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Stellenbesetzung Rechnung zu tragen. Dies entspricht den Vorgaben aus Art. 33 Abs. 2 GG.
27Vor diesem Hintergrund, dass schon der ursprünglich maßgebliche Grund (neuer Bewerberkreis nach längerem Zeitablauf) die Abbruchentscheidung sachlich rechtfertigte, kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, wie es zu bewerten ist, dass sich inzwischen ein - durch die (von der Antragsgegnerin vorgetragenen) Notwendigkeit der Besetzung der Stelle mit einem Versetzungsbewerber - eigenständiger weiterer Grund für den Abbruch des Auswahlverfahrens ergeben hat. Dementsprechend sind auch die vom Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 9. April 2014 aufgeworfenen Fragen nicht entscheidungsrelevant.
28Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 5 GKG. Dabei legt das Gericht zugrunde, dass der Antragsteller ein Amt nach A 11 BBesG anstrebt und - mangels anderer Anhaltspunkte - dass er der Erfahrungsstufe 12 zuzuordnen ist. Im Übrigen orientiert sich das Gericht an der Rechtsprechung des OVG NRW zur Streitwertbestimmung in Konkurrentenstreitverfahren (vgl. etwa Beschluss vom 27. August 2012 ‑ 6 E 741/12 -, juris)
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.
(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.
(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.
(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.
(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.