Verwaltungsgericht Mainz Beschluss, 03. Juni 2009 - 3 L 526/09.MZ
Gericht
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 11. Februar 2009 gegen die Straßenreinigungsgebührenbescheide der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2009 (Kundennr. 18..., 18... und 18...) wird angeordnet. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 1.262,42 € festgesetzt.
Gründe
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Der gemäß § 80 Abs. 5 i.V. mit Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO statthafte Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 11. Februar 2009 gegen die Straßenreinigungsgebührenbescheide der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2009 (Kundennr. 18..., 18... und 18...) anzuordnen, ist zulässig; insbesondere hat die Antragstellerin das nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO erforderliche behördliche Aussetzungsverfahren durchlaufen.
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Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Straßenreinigungsgebührenbescheide i.S. von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bestehen. Solche die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Abgabenbescheides sind dann vorhanden, wenn die Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides derart überwiegen, dass ein Erfolg des Rechtsmittelführers wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. September 2008 – 6 B 10857/08.OVG – mit Hinweis auf den Beschluss vom 02. Februar 1984 – 6 D 2/83 –, DVBl. 1984, 1134, 1135 f). Bei geringen, aber auch bei offenen Erfolgsaussichten ist dies nicht der Fall.
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Die streitgegenständlichen Straßenreinigungsgebührenbescheide der Antragsgegnerin finden ihre Rechtsgrundlage in § 17 Abs. 3 Satz 2 des Landesstraßengesetzes – LStrG – i.d. Fassung vom 1. August 1977 (GVBl. S. 273), zuletzt geändert durch Landesgesetz vom 22. Dezember 2008 (GVBl. S. 317) i.V. mit der Satzung der Antragsgegnerin über die Reinigung der öffentlichen Straßen in der Stadt Worms – Straßenreinigungssatzung (SRS) – vom 02. Januar 1996. Hiernach erhebt die Antragsgegnerin in Erfüllung der ihr nach § 17 Abs. 3 Satz 1 LStrG obliegenden Straßenreinigungspflicht von den Eigentümern oder Besitzern der an die Straße angrenzenden sowie der durch die Straße erschlossenen Grundstücke eine Benutzungsgebühr (§ 13 Abs. 1 Satz 1 SRS). Bemessungsgrundlage für diese Gebühr ist die den angrenzenden oder erschlossenen Grundstücken vorgelagerte, zu reinigende Straßenfläche, die sich aus der Länge der Straßenfront und der hälftigen, maximal auf 8 m begrenzten Straßenbreite errechnet (§ 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SRS), und die mit einem Pauschalsatz je m² (§ 15 Abs. 6 SRS) multipliziert wird. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, denn die in den streitgegenständlichen Bescheiden zu Straßenreinigungsgebühren herangezogenen Grundstücke der Antragstellerin unterliegen bereits nicht der Gebührenpflicht.
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Zunächst ist festzuhalten, dass die angefochtenen Bescheide der Antragsgegnerin nicht schon deshalb rechtswidrig sind, weil die einzelnen, zur Straßenreinigungsgebühr herangezogenen Grundstücke in den Bescheiden selbst nicht aufgeführt sind und die Antragstellerin somit nicht zu erkennen vermag, welche Grundstücke im einzelnen herangezogen wurden. Damit genügen die angefochtenen Bescheide zwar nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 3 Abs. 1 Nr. 3 KAG i.V. mit § 119 Abs. 1 AO, welches u.a. die Angabe verlangt, welche Grundstücke zu Gebühren oder Beiträgen herangezogen werden. Dies stellt jedoch keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot dar. Denn insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin bereits in der Vergangenheit eine Zuordnung der einzelnen herangezogenen Grundstücke nach Flur- und Parzellennummern zu den einzelnen, durch Kundennummern identifizierbaren Gebührenbescheiden vorgenommen hat (vgl. Schreiben an die Antragstellerin vom 29. März 2006, Bl. 151, 152 der Verwaltungsakten); da die Kundennummern in der Zwischenzeit keine Veränderungen erfahren haben, ist es für die Antragstellerin sehr wohl erkennbar, welche Grundstücke durch welchen Bescheid veranlagt wurden.
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Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 LStrG kann die Gemeinde Eigentümer oder Besitzer der an die Straße angrenzenden sowie der durch die Straße erschlossenen Grundstücke ganz oder teilweise zu den ihr durch die Straßenreinigung entstehenden Kosten heranziehen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
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Die Grundstücke der Antragstellerin werden durch die Straßen „A-gasse“ (Bescheid Nr. 18...; Grundstücke Flur Nrn. ..., „L-ring“ (Bescheid Nr. 18...; Grundstücke Flur x Nrn. ... und „L-stift“ (Bescheid Nr. 18...; Grundstücke Flur x Nrn. ... nicht erschlossen. Der Begriff des „erschlossenen Grundstücks“ in § 17 Abs. 3 Satz 2 LStrG ist dabei mit dem erschließungsbeitragsrechtlichen Erschlossensein eines Grundstücks nicht gleichzusetzen. Denn Gegenstand der Gebührenpflicht ist nicht die durch die Erreichbarkeit des Grundstücks vermittelte Bebauungsmöglichkeit, sondern der individuelle Vorteil (Sondervorteil), der durch die Straßenreinigung für die wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks eröffnet wird. „Erschlossen“ im Sinne des Straßenreinigungsrecht ist ein Grundstück demnach bereits dann, wenn die öffentliche Straße rechtlich und tatsächlich einen Zugang eröffnet, der eine innerorts übliche wirtschaftliche Nutzung des Grundstücks ermöglicht (s. OVG RP, Urteile vom 01 August 2007 – 7 A 10028/07.OVG – und vom 07. März 2006 – 7 A 11436/05.OVG, NVwZ-RR 2006, 722; OVG Sachsen, Urteil vom 28. März 2007 – 5 B 45/05 –, juris; OVG Nordrhein-Westfalen; Urteil vom 26. Februar 2003 9 A 2355/00 –, NVwZ-RR 2004, 68, 70).
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Gemessen an diesen Voraussetzungen werden die vorgenannten Grundstücke durch die Straßen „A-gasse“, „L-ring“ und „L-stift“ straßenreinigungsrechtlich schon deshalb nicht erschlossen, weil die Verkehrsanlage der Antragstellerin nicht den Zugang zu einer wirtschaftlichen Nutzung der Grundstücke ermöglicht, die nach Art und Maß als noch „innerorts üblich“ (vgl. OVG Urteil vom 7. März 2006, a.a.O.) bezeichnet werden könnte. Hierbei gilt es nämlich zu berücksichtigen, dass es sich bei sämtlichen Grundstücken um zusammenhängende Weinbergsflächen mit einer Gesamtfläche von zusammen 37.794 m² (vgl. insoweit die Aufstellung der Antragsgegnerin vom 25. Mai 2009, Bl. 34 der Gerichtsakten) handelt, die – obwohl von Bebauung umgeben – bauplanungsrechtlich auch als sogenannte Außenbereichsgrundstücke im Innenbereich und nicht mehr als „Baulücke“ zu qualifizieren sind und damit einer Beurteilung nach § 35 BauGB unterliegen, wie sich den in den Verwaltungsakten enthaltenen Katasterplänen, aber auch Luftbildaufnahmen – etwa bei www.geoportal.de oder bei Google Earth – zweifelsfrei entnehmen lässt. Eine landwirtschaftliche (vgl. § 201 BauGB) Nutzung einer zusammenhängenden Fläche mit einer Größe von etwa 3,8 Hektar Nutzfläche ist keine Nutzung, die in Rheinland-Pfalz innerhalb geschlossener Ortslagen im Sinne des § 12 Abs. 6 Satz 2 LStrG regelmäßig anzutreffen und dort üblich ist (vgl. auch VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 03. Dezember 2008 – 1 K 739/08.NW –). Die Grundstücke stellen vielmehr eine landwirtschaftliche Nutzungseinheit dar, die von Größe und Bewirtschaftung her einer weinbaulichen Nutzung entspricht, wie sie nach Art und Maß typischerweise in den Weinbaugebieten außerhalb der geschlossenen Ortslagen angesiedelt ist; sie ist mit einer innerörtlichen Grünlandpflege, dem innerörtlichen Fruchtanbau oder einer Gartenbewirtschaftung nicht vergleichbar.
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Darüber hinaus setzt die Heranziehung landwirtschaftlich genutzter Außenbereichsflächen, die an innerörtliche Verkehrsanlagen angrenzen, zu Straßenreini-gungsgebühren voraus, dass diese durch die Straßenreinigung einen Sonder-vorteil vermittelt bekommen. Dieser fehlt vorliegend, weil die wirtschaftliche Nutzung der hier betroffenen mehr knapp 4 ha großen Weinbergsflächen nicht durch die Straße in irgendeinem vorteilhaften Sinn unterstützt wird. Insoweit gilt es zu berücksichtigen, dass die zu Straßenreinigungsgebühren herangezogenen Grundstücke allein durch die Antragstellerin seit dem Erwerb der Grundstücke im Jahr 1808 weinbaulich genutzt werden (vgl.www.worms.de/deutsch/tourismus/ sehenswuerdigkeiten/liebfrauen.php), also „eine innerorts übliche wirtschaftliche Nutzung“ der Weinbergsparzellen nicht erst durch die Straßenreinigungsdienste der Antragsgegnerin ermöglicht wird. Es ist auch nichts dafür ersichtlich geschweige denn von der Antragsgegnerin substantiiert dargetan, dass die Grundstücke als Folge der Straßenreinigung besser zugänglich oder besser nutzbar wären, oder sie in sonstiger Weise von der Straßenreinigung profitierten. Soweit die Antragsgegnerin allein darauf verweist, dass die Antragstellerin erst über die zu reinigenden Straßen die Möglichkeit erhält, auf ihre Grundstücke zu gelangen und diese zu bewirtschaften (vgl. S. 2 der Stellungnahme vom 23. April 2009, Bl. 45 der Widerspruchsakten), begründet dies keinen Sondervorteil im straßenreinigungsrechtlichen Sinne, sondern allenfalls einen Vorteil im erschließungs- oder ausbaubeitragsrechtlichen Sinne. Aber auch der Verweis darauf, dass eine Verschmutzung der Straßen auch durch die Weinberge der Antragstellerin ausgingen (vgl. S. 3 der Stellungnahme vom 23. April 2009, Bl. 46 der Widerspruchsakten), rechtfertigt keine Heranziehung zu Straßenreinigungsgebühren. Denn werden die Straßen infolge der landwirtschaftlichen Grundstücksnutzung durch die Antragstellerin z.B. durch landwirtschaftliche Fahrzeuge oder das Auftragen von Schlamm bei Starkregenereignissen verunreinigt, stellt dies eine mehr als verkehrsübliche Verunreinigung i.S. von § 40 Abs. 1 LStrG dar mit der Folge, dass die Antragstellerin die Verunreinigung unabhängig von der gemeindlichen Straßenreinigung unverzüglich zu beseitigen hat (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26. Februar 2003, a.a.O. S. 70), andernfalls die Antragsgegnerin die Verschmutzung auf Kosten der Antragstellerin beseitigen lassen kann (§ 40 Abs. 1 Hs. 2 LStrG). Damit somit nach dem Vorgesagten ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Straßenreinigungsgebührenbescheide der Antragsgegnerin bestehen, war die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin anzuordnen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 3, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG i.V. mit Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.).
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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
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die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und die betroffene Person dies unverzüglich verlangt.
(3) Ein schriftlich oder elektronisch erlassener Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen. Ferner muss er die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten; dies gilt nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird. Ist für einen Verwaltungsakt durch Gesetz eine Schriftform angeordnet, so muss bei einem elektronischen Verwaltungsakt auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Falle des § 87a Absatz 4 Satz 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Finanzbehörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es
- 1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt, - 2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient, - 3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient, - 4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind, - 5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient, - 6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb, - b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt, - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und - d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
- 7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität, - 8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient - a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder - b)
auf einer Fläche längs von - aa)
Autobahnen oder - bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
- 9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2, - b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und - c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.
(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben
- 1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, - 2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht, - 3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird, - 4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert, - 5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet, - 6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet, - 7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder - 8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:
- 1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz, - b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt, - c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück, - d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden, - e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs, - f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und - g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
- 2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf, - c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und - d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
- 3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle, - 4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient, - 5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen: - a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden, - b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und - c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
- 6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.
(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass
- 1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist, - 2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und - 3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzbuchs ist insbesondere der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft einschließlich Tierhaltung, soweit das Futter überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen erzeugt werden kann, die gartenbauliche Erzeugung, der Erwerbsobstbau, der Weinbau, die berufsmäßige Imkerei und die berufsmäßige Binnenfischerei.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.