Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 09. Juni 2015 - 7 B 97/15

ECLI:ECLI:DE:VGMAGDE:2015:0609.7B97.15.0A
bei uns veröffentlicht am09.06.2015

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt seine vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin zum Sommersemester 2015 innerhalb der festgesetzten Studienplatzkapazität.

2

Er bewarb sich bei der Antragsgegnerin um einen Studienplatz im 2. Fachsemester. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag auf Zulassung mit Ablehnungsbescheid vom 13.3.2015 ab, gegen den der Antragsteller am 8.4.2015 Klage (7 A 110/15 MD) erhoben hat, über die noch nicht entschieden worden ist.

3

Am 27.3.2015 hat der Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz (7 B 97/15 MD) nachgesucht. Er ist der Auffassung, dass ihm ein Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin bei der Antragsgegnerin zusteht und führt zur Begründung aus, dass er gegenüber Ortswechslern, die von einer deutschen Hochschule nach Magdeburg wechseln, im Vergabeverfahren um Studienplätze im höheren Fachsemester benachteiligt wird. § 9 Hochschulzulassungsgesetz Sachsen-Anhalt – im Weiteren: HZulG LSA – regele Zulassungsbeschränkungen für höhere Fachsemester; nach § 9 Abs. 2 HZulG LSA werden – soweit eine Auswahl unter den Bewerberinnen und Bewerbern, die die Voraussetzungen für die Aufnahme in das betreffende höhere Fachsemester erfüllen, erforderlich sei – die Studienplätze in einer Rangfolge vergeben. Die Bestimmungen des § 9 Abs. 2 Nr. 1 HZulG LSA, wonach als erste an Bewerberinnen und Bewerber, die in dem Studiengang eine Teilzulassung nach Artikel 11 Abs. 3 des Staatsvertrages erhalten haben, die Studienplätze vergeben werden, und § 9 Abs. 2 Nr. 3 HZulG LSA, wonach an Bewerberinnen und Bewerbern, die für diesen Studiengang an einer deutschen Hochschule endgültig eingeschrieben sind oder waren (Hochschulwechslerinnen und Hochschulwechsler, Studienunterbrecherinnen und Studienunterbrecher) an dritter Stelle in der Rangfolge die Studienplätze vergeben werden, würden gegen Europarecht verstoßen. § 9 Abs. 2 Nr. 2 HZulG LSA, wonach an zweiter Stelle die Studienplätze am Bewerberinnen und Bewerber, die in dem Studiengang für das erste Fachsemester endgültig zugelassen worden sind (Aufrückerinnen und Aufrücker), vergeben werden, sei im Sommersemester nicht einschlägig, da es dann keine Studienbeginner gebe. Europarechtlich sei es geboten, dass der Zugang zu Bildungseinrichtungen diskriminierungsfrei erfolge. Der Anspruch auf einen diskriminierungsfreien Zugang zur Hochschule werde aus dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV sowie aus Art. 21 Abs. 1 AEUV hergeleitet, wonach jeder Unionsbürger das Recht habe, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei aufzuhalten. Ein deutscher Staatsangehöriger, der sich ins Ausland begebe, um für seine Ausbildung relevante Leistungen zu erwerben, könne sich grundsätzlich auch gegenüber seinem Heimatstaat auf sein Freizügigkeitsrecht berufen. Wenn es keine Benachteiligung bei der Wahrnehmung von Rechten im Ausland geben könne, gelte dies erst recht für die Rückkehr nach Deutschland. Ein Anspruch deutscher Staatsangehöriger auf Gleichbehandlung bei der „Rückkehr“ an eine deutsche Hochschule beruhe daher auf den vorgenannten Vorschriften. Bezüglich der geltend gemachten Europarechtswidrigkeit werde darauf hingewiesen, dass die Europäische Kommission im Hinblick auf die gleich lautende Regelung zur Vergabe verfügbarer Studienplätze für höhere Fachsemester nach dem Berliner Hochschulzulassungsgesetz ein Verfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet habe, welches nach Anpassung des Berliner Hochschulzulassungsgesetzes zur Akzeptanz durch die Europäische Kommission führte; ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren sei nicht eingeleitet worden, weil das Bundesland Berlin einen europarechtskonformen Zustand hergestellt habe. Europarechtswidriges nationales Recht – hier § 9 HZulG LSA – dürfe nicht angewendet werden.

4

Der Antragsteller beantragt,

5

die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller zum Studium der Humanmedizin an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2015 im 2. Fachsemester vorläufig zuzulassen.

6

Die Antragsgegnerin beantragt,

7

den Antrag abzulehnen.

8

Zur Begründung führt sie mit Schriftsatz vom 12.5.2015 im Wesentlichen Folgendes aus:

9

„1. Bei der Antragsgegnerin erfolgen Immatrikulationen zum 1. Fachsemester im Fach Humanmedizin lediglich jeweils zum Beginn des Wintersemesters eines jeden Studienjahres, daher wird die Berechnung der Aufnahmekapazität für den Studiengang Humanmedizin für das ganze Studienjahr 2014/2015 erstellt. Die Kapazitätsberechnungsunterlagen sind daher dieselben, die bereits zu den Verfahren zum Wintersemester 2014/2015 eingereicht wurden und liegen sowohl dem Gericht als auch dem Prozessvertreter der Antragstellerin bereits vor.

10

2. Die Zulassungszahl für das 1. Studienjahr 2014/2015 beträgt nach der Satzung der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) über die Festsetzung von Zulassungszahlen und Auffüllgrenzen für den in das zentrale Vergabeverfahren einbezogenen Studiengang Humanmedizin, im Wintersemester 2014/2015 und im Sommersemester 2015 vom 10.04.2014 (veröffentlicht am 13.04.2014) 191.

11

Von den 191 innerhalb der Kapazität zur Verfügung stehenden Studienplätzen im 1. Fachsemester waren zum Semesterende 184 durch rückgemeldete Studierende zum 2. Fachsemester besetzt.

12

Die freien Plätze wurden gem. § 17 Hochschulvergabeverordnung LSA ausschließlich an Bewerber vergeben, welche bis dahin nur einen Teilstudienplatz in Deutschland hatten. Die Auswahl unter den zahlreichen Bewerbern mit Teilstudienplatz erfolgt unter den 15 Bewerbern in der Regelstudienzeit, d. h. unter Bewerbern mit einem absolvierten Fachsemester. 8 Bewerber erhielten eine Zulassung. Alle zugelassenen Bewerber nahmen den Studienplatz an.

13

Zum Sommersemester 2015 sind nach Auffüllen der frei gewordenen Studienplätze 192 Studierende, wovon keiner beurlaubt ist, im 1. Studienjahr eingeschrieben (Stichtag 07.04.2014).

14

3. Ausweislich der Kapazitätsberechnungsunterlagen fand eine korrekte Kapazitätsermittlung zur Festsetzung der Zulassungszahlen zum Sommersemester 2015 statt. Insbesondere wurden auch die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Magdeburg und des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt zur Kapazität durch die Antragsgegner exakt berücksichtigt. Daher ist von korrekt ermittelten Zulassungszahlen auszugehen und eine Zulassung weiterer Studienbewerber nicht möglich.“

15

Der vorgenannte Schriftsatz ist – soweit er zitiert wurde – inhaltsgleich mit dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 15.4.2015 zum Verfahren mit dem Aktenzeichen 7 B 104/15 MD, der Gegenstand der Generalakte Humanmedizin 2. FS des Gerichts geworden ist. Dem letztgenannten Schriftsatz war als Anlage 1 die anonymisierte Studienjahresliste SS 2015, Stand vom 07.04.2015, und als Anlage 2 die Erklärung der Leiterin des Studiendekanats, Frau X, beigefügt, die die Richtigkeit der anonymisierten Studierendenliste bestätigt.

16

Mit dem Schriftsatz vom 12.5.2015 führt die Antragsgegnerin zu diesem Verfahren weitergehend aus, die Regelung des § 9 Abs. 2 Nr. 3 HZulG LSA sei europarechtskonform. Eine nach Artikel 18 Abs. 1 AEUV verbotene Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit liege nicht vor. Die Regelung, dass Ortswechslern von deutschen Hochschulen bevorzugt zu berücksichtigen seien, knüpfe nicht an die Staatsangehörigkeit an, sondern an den Studienort. Die Zulassung zum Studium stehe Deutschen und EU-Ausländern unter gleichen Voraussetzungen offen. Die Beschränkungen der Freizügigkeit von Studierenden, die einen Teil des Studiums im EU-Ausland absolviert hätten, seien europarechtskonform. Insoweit verweist sie auf die Beschlüsse des OVG Münster vom 1.10.2009 – 13 B 1185/09 - beziehungsweise des VG Münster vom 16.1.2014 – 9 L 787/14 –. Dem Antragsteller stehe daher kein Anspruch zu, im innerkapazitären Vergabeverfahren gleichberechtigt mit den Ortswechslern behandelt zu werden.

17

Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 28.5.2015 repliziert, soweit sich die Antragsgegnerin auf die genannte Entscheidung des OVG Münster vom 16.10.2014 berufe, sei diese nicht einschlägig. In dem vom VG Münster entschiedenen Sachverhalt sei kein weiterer Studienplatz vergeben worden. Es handele sich lediglich um ein obiter diktum. Zudem sei Streitgegenstand das erste klinische Fachsemester gewesen, während es vorliegend um das zweite vorklinische Fachsemester gehe. Die vorrangig Teilzugelassenen hätten am ursprünglichen Studienort bis zum Physikum weiterstudieren können. Es handele sich bei den Zugelassenen ausschließlich um Teilzugelassene aus Göttingen, die das Physikum in Göttingen absolviert hätten. Der Antragsteller habe jedoch noch gar keine Zulassung in Deutschland erhalten und werde dadurch benachteiligt. Jedem Teilzugelassenen sei bekannt, dass er auf eigenes Risiko studiere und ein Weiterstudium im klinischen Studienabschnitt gerade nicht gewährleistet werde. Eine entsprechende Erklärung werde von der Universität Göttingen abgefordert.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der Verfahrensakte 7 A 110/15 MD.

II.

19

Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

20

Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Vermeidung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO müssen der Anordnungsgrund (die gesteigerte Eilbedürftigkeit) und der Anordnungsanspruch (der Anspruch auf die begehrte vorläufige Regelung) glaubhaft gemacht werden (§ 920 Abs. 2 ZPO).

21

Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller keinen Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im 2. Fachsemester bei der Antragsgegnerin zum Sommersemester 2015 innerhalb der festgesetzten Kapazität glaubhaft machen können. Er hat insbesondere nicht glaubhaft gemacht, dass er durch das Studienplatzvergaberecht Sachsen-Anhalts gegenüber Ortswechslern, die von einer deutschen Hochschule nach Magdeburg wechseln, in einer Weise benachteiligt wird, die mit europarechtlichen Vorschriften nicht im Einklang steht.

22

Eine formelle oder materielle Rechtswidrigkeit und Nichtigkeit des Studienplatzvergaberechts des Landes Sachsen-Anhalt lässt sich bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht feststellen. Der geltend gemachte Verstoß des § 9 Abs. 2 HZulG LSA gegen den aus dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV sowie aus Art. 21 Abs. 1 AEUV abzuleitenden Gleichbehandlungsanspruch des Antragstellers als „Rückkehrer“ an eine deutsche Hochschule liegt zur Überzeugung der Kammer nicht vor.

23

In dem von den Beteiligten angesprochenen Beschluss des VG Münster vom 16.1.2014 – 9 L 787/14 –, veröffentlicht in: , ging es um die Gleichbehandlung der dortigen Antragstellerin mit solchen Studienbewerbern, die bereits an einer anderen deutschen Hochschule im Studiengang Humanmedizin eingeschrieben sind oder waren, wobei die Antragstellerin die Zulassung in das 5. Fachsemester beziehungsweise 1. klinische Fachsemester anstrebte, mithin in ein höheres Fachsemester des zulassungszahlenbegrenzten Studiengangs der Humanmedizin. Das VG Münster hat unter Berufung auf die Rechtsprechung des OVG Münster, Beschluss vom 1.10.2009 – 13 B 1185/09 -, veröffentlicht in: , insbesondere ausgeführt, dass eine an die Staatsangehörigkeit anknüpfende unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung nicht im Raume stehe, weil die Studienplätze an Deutsche sowie an ausländische Staatsangehörige oder Staatenlose, die im Sinne der Vergabeverordnung Deutschen gleichgestellt seien, vergeben würden. Soweit die Freizügigkeit nach Artikel 18 EG angesprochen sei, lasse sich gleichfalls keine Friktion der Vorschriften der Vergabeverordnung mit dieser gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung feststellen. Das Verwaltungsgericht Münster zitiert u. a. aus dem vorgenannten Beschluss des OVG Münster Folgendes:

24

„Aus dem vom Europäischen Gerichtshof aus Art. 18 EG abgeleiteten Verbot, Unionsbürger wegen der Ausübung des allgemeinen Freizügigkeitsrechts zu benachteiligen,

25

Urteil vom 11. Juli 2002 - Rs. C-224/98 - (D"Hoop), EuZW 2002, 635.

26

ergibt sich nämlich kein für den Antragsteller günstigeres Ergebnis. Zwar kann nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs das allgemeine Freizügigkeitsrecht des Art. 18 Abs. 1 EG seine volle Wirkung nicht entfalten, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats von der Wahrnehmung dieser Möglichkeiten abgehalten werden könnte, weil ihm bei der Rückkehr in sein Herkunftsland Nachteile entstünden, die eine Regelung an diese Wahrnehmung knüpft. Nach dieser Judikatur gilt dies im Hinblick auf das Ziel der Gemeinschaft, einen Beitrag zu einer qualitativ hochstehenden allgemeinen und beruflichen Bildung, insbesondere durch die Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden zu leisten, besonders im Bereich der Bildung. Eine eigene Dynamik entfaltet danach das Freizügigkeitsrecht für den Unionsbürger i. V. m. dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG, so dass der Diskriminierungsschutz für den Unionsbürger zugunsten des eigenen Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats wirkt, wenn dieser von den Freizügigkeitsregelungen des EG-Vertrags Gebrauch macht.

27

Vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - 7 CE 07.2872 -, juris; Kluth, in: Callies/Ruffert, a. a. O., Art. 18 Rn. 11.

28

Ein Eingriff in den Gewährleistungsbereich des Art. 18 EG (i. V. m. Art. 12 EG) kann aber europarechtskonform sein. Dies gilt auch, wenn ein Studierender mit deutscher Staatsangehörigkeit, der den vorklinischen Studienabschnitt im EU-Ausland absolviert hat, nachrangig bei der Vergabe von Studienplätzen in höheren Fachsemestern in Deutschland bedacht wird, und sich deshalb auf eine Beschränkung seiner Freizügigkeit im oben beschriebenen Sinn beruft. Eine solche Beschränkung lässt sich nach dem Gemeinschaftsrecht rechtfertigen, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen des Allgemeininteresses beruht, die in angemessenem Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck stehen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine Maßnahme dann verhältnismäßig, wenn sie zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was dazu notwendig ist.

29

Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 18. Juli 2006 - C-406/04, EuZW 2006, 500 (Gérald De Cuyper/Office national de l´emploi); Große Kammer, Urteil vom 23. Oktober 2007 - C-11/06 u. C-12/06 (R. Morgan/Bezirksregierung und Landrat), NVwZ 2008, 298, 299, m. w. N.

30

Danach begegnet die in § 31 Abs. 1 Nr. 3 und 4 VergabeVO vorgesehene Nachrangigkeit keinen europarechtlichen Bedenken. Erkennbares Ziel des Verordnungsgebers ist die Bevorzugung der bereits an einer Hochschule im Geltungsbereich des Grundgesetzes eingeschriebenen Studenten, um eine Umgehung der Zulassungsbegrenzung für Hochschulen zu verhindern. Vorrangig sollen also die Studierenden zum Zuge kommen, die sich dem NC-Zulassungsverfahren in Deutschland gestellt haben. Diejenigen, die etwa das vorklinische Studium im EU-Ausland, also außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes absolviert haben, bleibt ein nachrangiger Vergabeanspruch. Es ist ein legitimes Interesse des Verordnungsgebers, den Studierenden, die in Deutschland über eine Zulassung zum Studium verfügen, die Fortsetzung des Studiums zu ermöglichen, und sie nicht einem Wettbewerb mit denjenigen auszusetzen, die ohne das NC-Verfahren durchlaufen zu haben, Ausbildungsabschnitte im EU-Ausland absolviert haben. Anderenfalls könnten die Studierenden, die ihre Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland entsprechend dem nicht europarechtswidrigen NC-Verfahren begonnen haben, das Studium ggf. nur unter erheblichen zeitlichen Verzögerungen fortsetzen, da die Kapazität nicht für die Ausbildung aller Bewerber ausreicht. Dies würde aber dem nationalen Zulassungsrecht zuwiderlaufen. Hieraus folgt zudem, dass die unterschiedliche Behandlung von Studierenden mit innerhalb und außerhalb des Grundgesetzes abgeschlossener Teilausbildungen nach der Vergabeverordnung keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt."

31

Das VG Münster führt im oben genannten Beschluss weiter aus, nach den Gesetzesmaterialien habe mit der abgestuften Rangfolge für die Berücksichtigung der jeweiligen Bewerbergruppen der „Intensität des Zulassungsanspruchs“ der jeweiligen Bewerber Rechnung getragen werden sollen. Damit sei systemgerecht an objektive, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen des Allgemeininteresses angeknüpft worden. Die in der Rangfolge begründete Beschränkung des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts stehe auch im angemessenen Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck. Es dränge sich nämlich geradezu auf, dass bei den Bewerbern um einen kapazitätsbeschränkten Studienplatz in einem höheren Fachsemester diejenigen, die bereits an der betreffenden Hochschule in einem niedrigeren Fachsemester dieses Studienganges studierten, den nachvollziehbar intensivsten Fortführungsanspruch besitzen würden.

32

Diese Rechtsauffassung der oben genannten Gerichte hält die beschließende Kammer für überzeugend und schließt sich ihr an. Dem steht nicht entgegen, dass in dem vom VG Münster entschiedenen Fall kein weiterer Studienplatz vergeben worden ist. Vielmehr ist die Entscheidung auch im vorliegenden Falle zu berücksichtigen, da es um die Zulassung zu einem höheren Fachsemester des Studienganges Humanmedizin ging, wobei unerheblich ist, dass es sich in dem Fall des VG Münster um die Zulassung zum 5. Fachsemester handelte, während es vorliegend um die Zulassung zum 2. Fachsemester geht. Maßgeblich ist allein, dass es sich nicht um die Zulassung zum 1. Fachsemester, sondern zu einem höheren Fachsemester handelt, so dass dem Umstand, dass ein deutscher Staatsangehöriger, der den vorklinischen Studienabschnitt in Gänze oder teilweise im EU-Ausland absolviert hat und sich auf die Beschränkung seiner Freizügigkeit unter Missachtung des Diskriminierungsverbotes aus Artikel 12 EG beruft, grundsätzlich Relevanz zukommen kann. Der Einwand des Antragstellers, bei den zugelassenen Studienplatzbewerbern handele es sich ausschließlich um Teilzugelassene aus Göttingen, verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des OVG Münster zur Nachrangigkeit des Studienplatzanspruchs der Studierenden, die im EU-Ausland studiert haben, und auf die Darlegungen des VG Münster zur Intensität des Zulassungsanspruchs Bezug genommen.

33

Schließlich scheitert der geltend gemachte Anspruch auf vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Hochschule der Antragsgegnerin nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2015 im 2. Fachsemester an der Auslastung der Kapazität (z. B. Beschluss der Kammer vom 04. Mai 2015 - 7 B 22/15 -). Die Kapazitätsgrenzen sind entscheidungsrelevant, weil sie dem Schutz gleichrangiger Güter dienen, nämlich der Freiheit von Forschung und Lehre und den Grundrechten der zugelassenen Studenten.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

35

Die Streitwertfestsetzung basiert auf den §§ 52 Abs. 2 und 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG und der Streitwertpraxis des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Januar 2006, 3 M 115/05, die die beschließende Kammer übernommen hat.


Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 09. Juni 2015 - 7 B 97/15

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 09. Juni 2015 - 7 B 97/15

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Zivilprozessordnung - ZPO | § 920 Arrestgesuch


(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten. (2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen. (3) Das Gesuch kann vor der
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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

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Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 09. Juni 2015 - 7 B 97/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Gründe I 1 Der Beklagte erteilte der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen eine immissionsschutzre

Verwaltungsgericht Münster Beschluss, 16. Okt. 2014 - 9 L 787/14

bei uns veröffentlicht am 16.10.2014

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt. 1G r ü n d e 2Der anwaltlich gestellte und auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtete Antrag, 3„di

Referenzen

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.


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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.


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(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Gründe

I

1

Der Beklagte erteilte der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Umnutzung einer Anlage zur Rinderhaltung in eine Anlage zur Haltung von Rindern, Sauen und Mastschweinen. Die hiergegen erhobene Klage der Klägerin, die Eigentümerin eines in der Nähe gelegenen, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks ist, blieb erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II

2

Die allein auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3

1. Der geltend gemachte Verstoß gegen § 116 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor. In der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht am 24. März 2015 ist der Beschluss verkündet worden, dass eine Entscheidung den Beteiligten zugestellt werde. In diesen Fällen ist das Urteil nach § 116 Abs. 2 VwGO binnen zwei Wochen nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle zu übergeben. Das ist hier geschehen. Aus den Gerichtsakten ergibt sich, dass der von den mitwirkenden Richtern unterschriebene Tenor am 24. März 2015 und damit noch am Tag der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle übergeben wurde. Das Urteil ist damit, wie es dem Zweck des § 116 Abs. 2 VwGO entspricht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 1998 - 7 B 437.97 - Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 22), innerhalb der Zweiwochenfrist beschlossen worden.

4

Allerdings ist das Urteil nicht innerhalb dieser Frist, sondern erst am 23. April 2015 vollständig abgefasst, das heißt mit Tatbestand, Entscheidungsgründen und Rechtsmittelbelehrung von den beteiligten Berufsrichtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden. Dies muss aber nicht einen Verfahrensfehler begründen. Das vervollständigte Urteil ist, nachdem die Urteilsformel der Geschäftsstelle übergeben worden ist, in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 4 Satz 2 VwGO alsbald nachzureichen (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1971 - 1 CB 4.69 - BVerwGE 38, 220 = NJW 1971, 1854, 1855; Beschluss vom 9. August 2004 - 7 B 20.04 - juris Rn. 16; Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO; Stand März 2015, § 117 Rn. 25). Ob das vollständige Urteil in diesem Sinne hier fristgemäß nachgereicht worden ist, kann auf sich beruhen. Eine etwaige erhebliche Verzögerung führt nicht zu dem absoluten Revisionsgrund des § 138 Nr. 6 VwGO. Ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil ist im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Dies gilt auch in den Fällen des § 116 Abs. 2 VwGO. Maßgeblich ist insoweit allein der Zeitpunkt der Übergabe des vollständigen Urteils an die Geschäftsstelle des Gerichts (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Juni 2001 - 8 B 17.01 - Buchholz 310 § 116 VwGO Nr. 26 S. 3 m.w.N.). Die Fünfmonatsfrist ist im vorliegenden Fall bei Weitem nicht ausgeschöpft worden.

5

Wird ein Urteil noch vor Ablauf von fünf Monaten der Geschäftsstelle übergeben, kann es gleichwohl im Einzelfall nicht mit Gründen versehen sein, wenn zu dem Zeitablauf besondere Umstände hinzukommen, die wegen des Zeitablaufs bereits bestehende Zweifel zu der Annahme verdichten, dass der gesetzlich geforderte Zusammenhang zwischen der Fällung des Urteils und den schriftlich niedergelegten Gründen nicht mehr gewahrt ist (BVerwG, Beschlüsse vom 25. April 2001 - 4 B 31.01 - Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 47 und vom 9. August 2004 - 7 B 20.04 - juris Rn. 17, Urteil vom 30. Mai 2012 - 9 C 5.11 - Buchholz 406.11 § 246a BauGB Nr. 1 Rn. 24).

6

Allein der Zeitablauf weckt hier keine Zweifel am Vorliegen des erforderlichen Zusammenhangs zwischen dem Ergehen des Urteils und der Wiedergabe des Beratungsergebnisses. Das umfangreiche Urteil des Oberverwaltungsgerichts, in dessen Vorfeld zwei Sachverständigengutachten eingeholt worden waren, wurde einen Monat nach der mündlichen Verhandlung der Geschäftsstelle übergeben.

7

Überdies zeigt die Beschwerde keine Anhaltspunkte auf, die dafür sprechen könnten, dass dem Oberverwaltungsgericht bei Abfassung des Urteils die Gründe der Entscheidungsfindung nicht mehr gegenwärtig waren. Die von der Klägerin geäußerte Kritik an dem für die durchgeführte Ausbreitungsberechnung verwendeten Programm wird im Berufungsurteil unter Hinweis auf die Ausführungen des von der Klägerin hinzugezogenen Sachverständigen angesprochen (UA S. 38); die grundsätzliche Geeignetheit des Programms zur Bestimmung der Geruchsbelastung wird ausdrücklich bejaht (UA S. 42). Daher besteht kein Anlass für die Annahme, die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils würden ihrer Funktion, die das Beratungsergebnis tragenden Gründe zu dokumentieren, nicht gerecht.

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2. Das Oberverwaltungsgericht hat auch nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) durch eine unzulässige Überraschungsentscheidung verletzt. Einen solchen Verstoß sieht die Klägerin darin, dass das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung unter anderem die Auffassung zugrunde gelegt habe, für das Vorhaben der Beigeladenen habe nach § 3c Satz 1 i.V.m. Nr. 7.8.3 und 7.11 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2470) nur eine standortbezogene Vorprüfungspflicht bestanden. Die Beteiligten seien indessen übereinstimmend davon ausgegangen, dass eine allgemeine Vorprüfungspflicht bestanden habe. Aus diesem Vorbringen folgt kein Verfahrensfehler.

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Das Gericht muss die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Dezember 1999 - 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 S. 2). Eine der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs zuwiderlaufende unzulässige Überraschungsentscheidung liegt erst dann vor, wenn das Gericht einen bislang nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 2013 - 7 B 42.12 - juris Rn. 11 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.

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Die Frage, ob hier eine standortbezogene oder eine allgemeine Vorprüfungspflicht besteht, war bereits Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Zudem hatte die Beigeladene im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in ihrem Schriftsatz vom 11. April 2011 ausführlich dargelegt, dass ihrer Auffassung nach nur eine standortbezogene Vorprüfungspflicht bestanden habe; dies gelte unabhängig davon, ob für die rechtliche Beurteilung der Zeitpunkt der Antragstellung oder der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung maßgeblich sei. Vor diesem Hintergrund musste die Klägerin damit rechnen, dass das Oberverwaltungsgericht sich nicht ihrer Ansicht, sondern derjenigen der Beigeladenen anschließen würde. Die Beschwerde hat auch nicht dargelegt, dass die Beigeladene im Laufe des Verfahrens von ihrer in dem erwähnten Schriftsatz geäußerten Rechtsauffassung abgerückt wäre.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.