Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 07. Aug. 2014 - 7 B 165/14

ECLI: ECLI:DE:VGMAGDE:2014:0807.7B165.14.0A
published on 07/08/2014 00:00
Verwaltungsgericht Magdeburg Beschluss, 07. Aug. 2014 - 7 B 165/14
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Gericht

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Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, die die Antragsgegnerin als Schulträgerin verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig den Besuch der 5. Jahrgangsstufe des Hegel-Gymnasiums in A-Stadt zu gestatten.

2

Der am 1.12.2003 geborene Antragsteller besuchte zuletzt die vierte Klasse der Grundschule „Buckau“ und hat eine Schullaufbahnempfehlung für das Gymnasium. Er wurde für das Schuljahr 2014/2015 zur Aufnahme am Hegel-Gymnasium (Erstwunsch) angemeldet. Als Ersatzwunsch wurde das Geschwister-Scholl-Gymnasium angegeben.

3

Das Hegel-Gymnasium, das sich ein musisches und bilinguales Profil gegeben hat, wird vierzügig geführt. Eine der vier Klassen ist die Chorklasse. Diese wird aus den Schülern gebildet, die während des vierten Schuljahrgangs erfolgreich im Chor mitgearbeitet haben und über eine Schullaufbahnempfehlung für das Gymnasium verfügen; diese Schüler werden automatisch in die Chorklasse des fünften Schuljahrgangs des Hegel-Gymnasiums übernommen (vgl. www.hegel-gymnasium.de/europaschule/schulprogramm/schulprofil/musischer-zweig). Die vorgesehene Klassenstärke liegt bei 28 Schülern, die Aufnahmekapazität bei 112 Schülern (4 x 28). Zum Schuljahr 2013/2014 meldeten sich 143 Schüler an.

4

Am 8. April 2014 ließ die Antragsgegnerin das Aufnahmeverfahren durchführen. Dieser Vorgang ist in einem Protokoll vom selben Tag festgehalten worden. Darauf wird Bezug genommen. Daraus wird Nachtstehendes zitiert:

5

„Ablauf:

6

1. Gemäß Anlage 1, Punkt 6, sind vorab 37 Geschwisterkinder gesetzt (Anlage 2). Zwillingen/Geschwistern im gleichen Schuljahrgang wird jeweils ein Los zugeordnet: 3

7

2. Es werden zwei Töpfe mit Losen gebildet:

8

A) Topf mit den Namen aller angemeldeten Schüler

9

Es sind 143 Schüler am Hegel-Gymnasium angemeldet. Unter Berücksichtigung von Punkt 1 sind 140 Namen-Lose im Topf A.

10

B) Topf mit Nummern

11

Entsprechend der Anzahl der angemeldeten Schüler sind unter Berücksichtigung von Punkt 1 140 Nummern-Lose im Topf B.

12

3. Jedem Schüler wird eine Losnummer zugeordnet. Dazu wird gleichzeitig aus Topf A und Topf B jeweils ein Los gezogen und die Los-Nummer in die vorbereitete alphabetisch geordnete Namensliste eingetragen (Anlage 3).

13

Ergebnis:

14

1. Aufgenommen sind die Schüler mit den Los-Nummern 1 – 34 (Anlage 4). Los 34 sind Zwillinge, somit bleiben 12 Plätze für Härtefälle.

15

2. Die restlichen Los-Nummer 35 – 140 bilden die Warteliste (Anlage 5).“

16

Mit dem an die „Familie A.“ adressierten Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. April 2014 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass „zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Aufnahme“ am Hegel-Gymnasium erfolgen könne. In der Reihenfolge möglicher Nachrücker stehe der Antragsteller auf Rang 56. Ein Antrag auf Berücksichtigung als Härtefall könne bis zum 29. April 2014 gestellt werden. Der Ersatzwunsch, die Aufnahme am Geschwister-Scholl-Gymnasium, scheitere ebenfalls an der fehlenden Kapazität. werde einer Schule der gewünschten Schulform „Gymnasium“ zugeordnet, die noch über freie Plätze verfüge, nämlich der Außenstelle des Albert-Einstein-Gymnasiums, ..., … A-Stadt „(zukünftiges 4. kommunales Gymnasium)“.

17

Am 12. Mai 2014 hat der Antragsteller Klage (7 A 131/14 MD) erhoben.

18

Am 27. Juni 2014 hat er um vorläufigen Rechtsschutz (7 B 165/14 MD) nachgesucht. Er macht geltend, dass durchgeführte Losverfahren erweise sich als rechtswidrig. Die Durchführung des Auswahlverfahrens einschließlich der Bestimmung der Kapazitäten, ohne dass diese satzungsrechtlich festgelegt seien, sei verfassungswidrig. Insoweit werde auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts A-Stadt im Beschluss vom 8.8.2012, Aktenzeichen: 7 D 135/12 MD (gemeint ist: 7 B 135/12 MD) verwiesen. Ungeachtet dessen sei nicht erkennbar, dass die Aufnahme des Antragstellers am Hegel-Gymnasium an einer Kapazitätserschöpfung scheitere. Es werde zwar davon ausgegangen, dass maximal 112 Schülerinnen und Schüler am Hegel-Gymnasium aufgenommen werden könnten. Wie diese Kapazitätsgrenze jedoch ermittelt worden sei und ob sie im Einklang mit den Vorgaben der Aufnahmeverordnung vom 19.3.2014 stehe, sei nicht erkennbar. Die angegebene Zahl werde lediglich behauptet und erhalte nur scheinbar aufgrund der schriftlichen Zustimmung des Landesschulamtes eine Legitimation. Darüberhinaus sei kein rechtlicher Grund erkennbar, weshalb Schüler der sogenannten Chorklasse im Rahmen eines gesonderten Verfahrens aufgenommen würden. Weshalb hier eine zulässige Differenzierung getroffenen werden solle, er schließe sich nicht. Schließlich handele es sich auch beim Hegel-Gymnasium nicht um eine Schule mit inhaltlich besonderem Schwerpunkt. Auch die Plätze der so genannten Chorklasse seien zumindest beim Losverfahren als freie Plätze einzubeziehen.

19

Der Antragsteller beantragt,

20

die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig den Besuch der 5. Jahrgangsstufe des Hegel-Gymnasiums in der Landeshauptstadt A-Stadt ab dem Schuljahr 2014/2015 zu gestatten.

21

Die Antragsgegnerin beantragt,

22

den Antrag abzulehnen.

23

Sie verweist zur Begründung auf ihre Klageerwiderung im Verfahren 7 A 131/14 MD. Darin führt sie im Wesentlichen aus, das Auswahlverfahren sei unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes nach sachgerechten Kriterien durchgeführt worden. Zu den sachgerechten Kriterien gehörten „neben dem Zufallsprinzip zum Beispiel Geschwisterkinder, gesundheitliche Beeinträchtigungen und unzumutbare Schulwege“. Das Hegel-Gymnasium (die ehemalige Bismarck-Viktoria-Schule) sei nach 1990 entsprechend der neuen Schulstruktur als vierzügiges Gymnasium komplett saniert und 1996 beziehungsweise 1998 bezogen worden. Das Gebäude sei ein denkmalgeschützter Altbau. Am Standort würden insgesamt 52 Unterrichtsräume und drei Sporthallen vorgehalten. Diese teilten sich in 37 allgemeine Unterrichtsräume (AUR) und 15 Fachunterrichtsräume (FUR) auf. Die Raumgröße der einzelnen Unterrichtsräume variiere zwischen 50 und 60 m². Die Anzahl der Plätze je Klasse werde gemäß des Runderlasses des MK über die „Aufnahme an weiterführenden Schulen“ vom 25.11.2008 in der Fassung vom 11.1.2013 auf 28 Schüler beschränkt. Der Bedarf an Unterrichtsräumen (UR) für Gymnasien werde vom MK laut Handreichung zur Schulentwicklungsplanung (SEPL) vom 21.1.2000 wie folgt empfohlen:

24

Sek I (Klasse 5 bis 10) Raumfaktor pro Klasse 1,5 UR

25

Sek II (Klasse 11 bis 12) Raumfaktor pro Klasse 1,8 UR

26

Für ein vierzügiges Gymnasium würde sich damit einen Gesamtbedarf von 51 UR ergeben:

27

Sek I: 4 Klassen x 6 (Klassenstufen 5 bis 10) x 1,5 (Raumfaktor) = 36 UR

28

Sek II: 4 Klassen x 2 (Klassenstufen 11 bis 12) x 1,8 (Raumfaktor) = 15 UR

29

Bei 51 zur Verfügung stehenden Räumen ließen sich die Vorgaben zur Unterrichtsorganisation sowie die Stundentafel an einem Gymnasium uneingeschränkt umsetzen. Des Weiteren ergebe sich aus dem Schulprofil ein erhöhtes Stundenvolumen für jeweils eine Chorklasse und eine bilinguale Klasse in den Jahrgängen 5 bis 10. Die zusätzlichen Stunden seien im Schulprofil sowie im Erlass des MK zum bilingualen Unterricht im Gymnasium vom 23.4.1999 in der derzeit gültigen Fassung verankert. Aus den insgesamt 19 zusätzlichen Stunden lasse sich der erhöhte Bedarf eines weiteren Raumes ableiten. Die am Hegel-Gymnasium zur Verfügung stehenden 52 Unterrichtsräume und drei Sporthallen ermöglichten die Umsetzung der Unterrichtsarbeit, so dass in Abstimmung mit der Schulbehörde für das Schuljahr 2014/2015 maximal 112 Schüler am Hegel-Gymnasium aufgenommen würden. Das Landesschulamt habe dieser Kapazitätsfeststellung zugestimmt. Für das Hegel-Gymnasium hätten 143 Bewerbungen mit Erstwunsch bei einer Aufnahmekapazität von vier Klassen = 112 Plätze (davon Chorklasse = 28 Plätze) vorgelegen. Das Auswahlverfahren sei in Abstimmung mit der Schulbehörde am 8.4.2014 durchgeführt und protokolliert worden. Für sei das Los Nummer 90 gezogen worden. Dies entspreche auf der Nachrückerliste dem Rang 56. Im Ergebnis dieses Auswahlverfahrens sei jeweils die Möglichkeit der Zuordnung zum beantragten Ersatzwunsch geprüft worden. Sei die Zuordnung möglich gewesen, weil an der gewünschten Schule Aufnahmekapazität bestehe, sei sie entsprechend vorgenommen worden. Am Geschwister-Scholl-Gymnasium sei die Aufnahmekapazität von 112 Schülern bereits mit Erstwünschen erschöpft gewesen. Daher sei dem Sohn der Kläger – hier: dem Antragsteller – ein Platz an einer Schule der gewünschten Schulform Gymnasium zur Verfügung gestellt worden, die noch über Aufnahmekapazitäten verfüge, nämlich an der Außenstelle des Albert-Einstein-Gymnasiums. Mit Schreiben vom 28. April 2014 hätten die Kläger Widerspruch eingelegt. Dieses Schreiben sei mit Zustimmung der Kläger als Antrag auf Berücksichtigung als Härtefall zu den Akten genommen worden. Aufgrund der Angabe gesundheitlicher Gründe sei am 28. April 2014 beim Gesundheitsamt ein amtsärztliches Gutachten in Auftrag gegeben worden, das am 16.6.2014 eingegangen. Eine aus dem Gutachten schlussfolgernde Ablehnung des Antrages auf Berücksichtigung als Härtefall sei mit Bescheid vom 17.6.2014 erlassen worden.

30

Ergänzend wurde die „Handreichungen des Kultusministeriums zu Umfang und Ausgestaltung der Schulgrundstücke und Schulanlagen für allgemeinbildende und berufsbildende Schulen“ übersandt. Diesbezüglich führt die Antragsgegnerin aus, dass darin die Bemessungsgrundlagen des Raumbedarfs dargestellt seien, nämlich 2 m² je Platz für eine Gruppengröße von 28 Schülern. Des Weiteren sei in den Planungshinweisen des Kultusministeriums zur mittelfristigen Schulentwicklungsplanung vom 21.1.2000, überarbeitet 2003, der Bedarf an Unterrichtsräumen unter Berücksichtigung der Erfordernisse der jeweiligen Schulform dargestellt. Zwar enthalte der Runderlass des MK keine konkrete Angabe zur Berechnung der Kapazität. Diese Angabe sei jedoch der Verordnung zur Bildung von Anfangsklassen und zur Aufnahme an allgemeinbildenden Schulen zu entnehmen. Dort würden in § 4 die Festlegung der Kapazitätsgrenzen und Auswahlverfahren durch die Schulträger bestimmt. Dort werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die tatsächliche räumliche Situation, die Vorgaben zu Unterrichtsorganisation und das jeweilige pädagogische Konzept bei der Festlegung der Kapazitäten zu berücksichtigen seien. Diesen Vorgaben habe die Beklagte – hier: die Antragsgegnerin – entsprochen.

31

In der Anlage 1 zur „Regelung des Verfahrens zur Aufnahme von Schülern im 5. Schuljahrgang an das Hegel-Gymnasium zum Schuljahr 2014/15“ steht Folgendes:

32

„2. Am Hegel-Gymnasium ist die Aufnahmekapazität überschritten. Somit wird ein gesondertes Aufnahmeverfahren/Losverfahren durchgeführt. Für die Jahrgangsstufe 5 ist die festgelegte Aufnahmekapazität 4 Klassen x 28 Schüler = 112 Schüler/Plätze, davon eine Chorklasse. Die Schüler der Chorklasse werden durch die Schule im Rahmen eines gesonderten Verfahrens aufgenommen. 84 Plätze werden per Los vergeben. Die Aufnahmekommission fertigt hierüber ein Protokoll.

33

5. Ein Teil der verfügbaren Plätze wird an Geschwister von Schülern des Hegel-Gymnasiums in den Klassenstufen 5 - 12 vorab gesetzt. Zwillingen bzw. Geschwistern im gleichen Schuljahrgang wird ein Los zugeordnet.

34

6. 15% der Plätze (13 Plätze) werden für Härtefälle und für Schüler des Hegel-Gymnasiums reserviert, die Klasse 5 wiederholen werden. Als Härtefälle werden Schüler mit einer wesentlichen, insbesondere gesundheitlichen Beeinträchtigung anerkannt. …“

35

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Verfahrensakte 7 A 131/14 MD und den zu diesem Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgang.

II.

36

Der Antrag ist zulässig und in der Sache begründet.

37

Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

38

Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. den §§ 294, 920 Abs. 2 ZPO müssen der Anordnungsgrund und der Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht werden. Der Anordnungsgrund, die gesteigerte Eilbedürftigkeit, ist gegeben. Das Schuljahr 2014/2015 wird am 4. September 2014 beginnen. Mithin ist Eile geboten.

39

Der Anordnungsanspruch, der Anspruch auf (vorläufige) Aufnahme in die 5. Jahrgangsstufe des Hegel-Gymnasiums ist gegeben, weil – was die Kammer für das hier in Rede stehende Hegel-Gymnasium mit Beschluss vom 15.8.2013 – 7 B 195/13 MD – und für Gesamtschulen, die eine eigenständige Schulform bilden (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 c) SchulG LSA), bereits entschieden hat (Beschlüsse vom 30. Juli und 08. August 2012, 7 B 150/12 MD und 7 B 135/12 MD) – der Anspruch des Antragstellers auf gleichberechtigten Zugang zur Ausbildungsstätte (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) verletzt worden ist und diese Rechtsverletzung – unter Berücksichtigung des Standes des Auswahlverfahrens und der Rechte Dritter – sich nicht durch eine „mildere“ Maßnahme ausgleichen lässt.

40

In dem Beschluss der Kammer vom 08. August 2012 (7 B 135/12 MD), auf dessen Ausführungen sich die Kammer im Beschluss vom 15.8.2013 – 7 B 195/13 MD –, der ebenfalls die Aufnahme in die 5. Jahrgangsstufe des Hegel-Gymnasiums betraf, Bezug genommen hat, ist zum Kapazitätsausschöpfungsgebot Folgendes festgestellt worden:

41

„Das Kapazitätsrecht der Antragsgegnerin wird dem aus den Art. 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ableitbaren Kapazitätserschöpfungsgebot nicht gerecht. Es verfehlt diese verfassungsrechtlichen Vorgaben schon deshalb. weil die Antragsgegnerin von der landesrechtlichen Ermächtigung des § 41 Abs. 2a SchulG LSA keinen gesetzesförmigen Gebrauch gemacht hat.

42

Gemäß § 41 Abs. 2a Satz 1 SchulG LSA können Schulträger, die keine Schulbezirke nach § 86e oder keine Schuleinzugsbereiche nach Absatz 2 festlegen, mit Zustimmung der Schulbehörde für die einzelnen allgemeinbildenden Schulen Kapazitätsgrenzen festlegen. Gemäß § 41 Abs. 2a Satz 2 SchulG LSA sind dabei die Vorgaben der Schulentwicklungsplanung, der jeweilige Schulentwicklungsplan und die Notwendigkeiten der Unterrichts- und Erziehungsarbeit zugrunde zu legen.

43

Eine Festlegung von Kapazitätsgrenzen für die einzelnen allgemeinbildenden Schulen erfordert – was das Beispiel der für die Hochschulen geltenden Zulassungszahlenverordnung des Landes Sachsen-Anhalt zeigt – eine rechtssatzförmige Festsetzung, weil in das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte, das nicht nur ein Abwehr-, sondern auch ein Teilhaberecht ist, nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden darf (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Eine Festlegung von Kapazitätsgrenzen für die einzelnen allgemeinbildenden Schulen erfordert eine Satzung der Antragsgegnerin, weil § 41 Abs. 2a SchulG LSA keine Verordnungsermächtigung enthält. Eine solche Satzung fehlt. …

44

Aber nicht nur die Festlegung der Kapazitätsgrenzen bedarf einer gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Grundlage. Dasselbe gilt für das Auswahlverfahren, das notwendig wird, wenn die Höchstzahl durch die Bewerberzahl überschritten wird. Das Auswahlverfahren, das einer gerechten Verteilung der beschränkten Kapazitäten zu dienen bestimmt ist, bedarf ebenfalls einer gesetzlichen oder satz(ungs)rechtlich abgesicherten Grundlage, weil das Auswahlverfahren in das Grundrecht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte derjenigen Schüler eingreift, die nicht ausgewählt werden. Die Antragsgegnerin ist nur dort aufgerufen, das Auswahlverfahren durch (förmliche) Satzung zu gestalten, wo es nicht von dem zuständigen Landesgesetzgeber oder Verordnungsgeber (§§ 5a Abs. 7 Satz 1 und 35 Abs. 1 SchulG LSA) geregelt wird.

45

Das hier in Rede stehende Auswahlverfahren ist – in den wesentlichen Punkten – nicht kodifiziert. Das gilt zum Beispiel für das Geschwisterprivileg, für die kapazitätsrechtlichen Auswirkungen des „Gemeinsamen Unterrichts“ und für die - im Tatbestand erwähnte – Aufnahmereserve. Diese Verteilungskriterien sind nicht durch den Willen eines Gesetzgebers, Verordnungsgebers oder Satzungsgebers gedeckt. Das ist genauso zu beanstanden wie die fehlende rechtssatzförmige Festlegung von Kapazitätsgrenzen. Diese Defizite rechtfertigen die hier getroffene Entscheidung, zumal diese Entscheidung – in Ansehung der im Tatbestand erwähnten „Aufnahmereserve“ – eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Integrierten Gesamtschule „Willy Brandt“ bzw. eine Gefährdung des Grundrechts der bereits aufgenommenen Schüler nicht bewirken wird.“

46

Zwar ist das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 23. August 2013 – 3 M 268/13 – dem Hinweis der Antragsgegnerin beigetreten, dass hinsichtlich des Auswahlverfahrens und der Kapazitätsfestsetzung keine Befugnis der Antragsgegnerin zum Satzungserlass besteht, es hat jedoch offen gelassen, ob insofern eine Änderung des Schulgesetzes verfassungsrechtlich geboten sei. Soweit die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren hinsichtlich der Festlegung der Kapazität auf § 4 der Verordnung zur Bildung von Anfangsklassen und zur Aufnahme an allgemeinbildenden Schulen vom 19. März 2014 (GVBl. LSA 2014,92) verweist, ist festzustellen, dass auch dort keine nominelle Kapazitätsfestsetzung vorliegt. Insofern hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 23. August 2013 – 3 M 268/13 – ausgeführt, dass für den Fall, dass sich ein Schulträger darauf beruft, dass die Aufnahmekapazität an einer bestimmten Schule erschöpft sei, er anhand der in der Aufnahmeverordnung aufgeführten Kriterien darzulegen habe, dass die von ihm bestimmte Aufnahmekapazität – zahlenmäßig ableitbar – den Vorgaben der Aufnahmeverordnung entspricht. Dies gelte insbesondere für die Berücksichtigung der Vorgaben der Unterrichtsorganisation der einzelnen Schulformen sowie die Feststellung der Raumbedarfe nach § 4 Abs. 4 Satz 4 der Verordnung.

47

Ob im Hinblick auf das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte dies eine ausreichende Grundlage darstellt, um von einer Kapazitätserschöpfung am Hegel-Gymnasium auszugehen, kann hier offen und der Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, weil das in Rede stehende Auswahlverfahren den Grundsatz der Chancengleichheit, der sich hier im gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Bildungsanstalten ausdrückt, verletzt.

48

Die Bildung einer Chorklasse stellt keinen sachlichen Differenzierungsgrund dar, der dazu berechtigt, 28 Plätze aus der Verlosung der angegebenen Kapazität von 112 Schülern/Plätzen zu nehmen und vorab – automatisch – Schülern zuzuweisen, die während des vierten Schuljahrgangs erfolgreich im Chor mitgearbeitet haben und über eine Schullaufbahnempfehlung für das Gymnasium verfügen. Das Hegel-Gymnasium ist kein Fachgymnasium wie etwa das Sportgymnasium und stellt nicht eine Schule mit inhaltlich besonderem Schwerpunkt im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 3 SchulG LSA dar. Gegenwärtig sind lediglich acht Schulen als Schulen mit inhaltlichen Schwerpunkten in Sachsen-Anhalt vom Kultusministerium als oberster Schulbehörde (§ 82 Abs. 2 SchulG LSA) anerkannt; das Hegel-Gymnasium gehört nicht dazu. Nach Auffassung der Kammer ist es nicht zu beanstanden, wenn sich eine allgemeinbildende öffentliche Schule in interner Entscheidung ein pädagogisches Profil wie etwa das musische Profil gibt, nur darf dies keine Zugangshürde für die Aufnahme in die fünfte Klasse des Gymnasiums darstellen. Denn Sinn und Zweck einer öffentlichen Bildungsanstalt ist es nicht vornehmlich, die musische Förderung der Schüler durch Mitarbeit in einem Chor oder einem Orchester zum „Hauptzweck“ zu erheben, vielmehr ist eine allgemeinbildende öffentliche Schule verpflichtet, allen Schülern, auch denen, die keine musische Begabung haben, Zugang zur Bildungseinrichtung im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten und sodann eine möglichst umfassende Schulbildung zu gewähren. Dem wird das in Rede stehende Auswahlverfahren nicht gerecht, weil von der angegebenen Aufnahmekapazität von 112 Plätzen 28 Plätze für die Chorklasse vorab abgezogen wurden. Sodann wurden 37 Plätze für diejenigen Schüler abgezogen, die bereits ein Geschwisterkind am Hegel-Gymnasium haben sowie 13 Plätze, die für Härtefälle vorbehalten bleiben. Mithin wurden bei einer Kapazität von 112 Schülern lediglich 34 Lose gezogen (da Losnummer 34 auf Zwillinge entfiel, blieben 12 Plätze für Härtefälle vorbehalten). Eine Privilegierung profilierter Schüler des vierten Schuljahrgangs, die erfolgreich im Chor mitgearbeitet haben und über eine Schullaufbahnempfehlung zum Gymnasium verfügen, dergestalt, dass sie aus der nach Kapazitätserschöpfung stattfindenden Verlosung der Schulplätze herausgenommen und vorab gesetzt werden, verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz.

49

Nach alledem durfte dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Erfolg nicht versagt bleiben. Der Umstand, dass dem Antragsteller möglicherweise mehr gegeben wird, als er im Klageverfahren erstreiten könnte, rechtfertigt sich aus der Tatsache, dass eine Wiederholung des Auswahlverfahrens aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen unzumutbar ist.

50

Die Antragsgegnerin trägt gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.

51

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i. V. m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Ziffer 38.4 (Aufnahme in eine bestimmte Schule oder Schulform) sowie 1.5. des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (2013). Der Streitwert war auf den Wert des Hauptsacheverfahrens festzusetzen, da durch den Antragsteller faktisch die Vorwegnahme der Hauptsache begehrt wird (vgl. OVG LSA, Beschluss vom 23.8.2013 – 3 M 268/13 -).


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant
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published on 23/08/2013 00:00

Gründe 1 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Der Senat kann auf Bitten der Antragsgegnerin im Hinblick auf den Unterrichtsbeginn am 29. August 2013 vor Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist entscheiden. 2 Die mit der Beschwerdebegründung vorgebra
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published on 03/07/2017 00:00

Gründe 1 Der Antrag der Antragsteller, 2 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zu verpflichten, die Antragstellerin zu 1) vorläufig zum Schuljahr 2017/ 2018 in die Klassenstufe 5 der Kooperativen G
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.