Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 28. Feb. 2013 - 3 A 335/11

ECLI: ECLI:DE:VGMAGDE:2013:0228.3A335.11.0A
published on 28/02/2013 00:00
Verwaltungsgericht Magdeburg Urteil, 28. Feb. 2013 - 3 A 335/11
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Gericht

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Tatbestand

1

Der am 14.1.19.. in N. geborene Kläger zu 1. ist russischer Staatsangehöriger und tschetschenischer Volkszugehöriger aus Tschetschenien. Der Kläger reiste zusammen mit den Klägern des Verfahrens 3 A 78/13 MD als Familie am 21.11.2011 illegal mit Hilfe eines bezahlten Schleppers für 3.000,- $ auf dem Landweg aus Polen nach Deutschland ein, meldete sich am 25.5.2011 in B-Stadt als asylsuchend und stellte am 31.5.2011 beim Bundesamt einen Asylantrag. Im Termin zur persönlichen Anhörung am 8.6.2011 trug der Kläger folgendes zur Begründung vor:

2

Er habe seine Heiratsurkunde vom 11.5.2011 (Bl. 58 der Beiakte) mitgebracht. Dort sei die am 4.1.2008 (Bl. 43 der Beiakte) nach muslimischem Ritus ohne Urkunde geschlossene Ehe registriert worden. Außerdem habe er die Geburtsurkunde des Klägers zu 2. des Verfahrens 3 A 78/13 MD dabei. Sein Reisepass sei ihm an der weißrussisch-polnischen Grenze abgenommen worden. Er habe bis zur Ausreise am 17.5.2011 mit seiner Ehefrau und ihrem Kind in G. gelebt. In seiner Heimat lebten noch seine Mutter und 2 Schwestern mit Familien. Seit 2000 sei er arbeitslos. Die Eigentumswohnung seiner Frau habe er eine Woche vor der am 17.5.2011 erfolgten Ausreise mit Hilfe seiner Cousins an eine Freundin oder Bekannte seiner Frau verkauft. Die letzten 9 Jahre habe er illegal zu Hause gelebt. Seinen Reisepass habe er 2008 für 400 $ gekauft. Zu Behörden habe er nicht gehen können. Seinen Inlandspass, in dem seine Eheschließung vermerkt sei, habe er bei seinen Eltern hinterlegt. Den Inlandspass habe er auch nur über Bekannte erhalten. Er sei unter seiner eigenen Adresse in G. polizeilich gemeldet (registriert) gewesen. Seit der Heirat habe er nur einige Zeit in der Eigentumswohnung seiner Frau verbracht. Gelebt habe er von je her immer in G.. Das richtige Eheschließungsdatum sei der 4.1.2009. Davor sei er nacheinander bereits 3 Mal verheiratet gewesen. 1982 habe er ein Studium mit dem Diplom als …-Ingenieur abgeschlossen. Er habe in Russland eine gute Stelle gehabt. Bis 1992 habe er in Russland im Gebiet P. gelebt und sei dann, als Dudajew an die Macht gekommen und die Sowjetunion zerfallen sei, nach Tschetschenien gegangen. Bis … habe er in Tschetschenien beim Zoll gearbeitet. Als am 1.12.1994 der Krieg ausgebrochen sei, habe er auf Seiten von Dudajew daran teilgenommen. Danach habe er bis 1… in der Stadtadministration in G. gearbeitet. Der Bürgermeister von G. habe ihm die Stelle besorgt. 1992-96 sei er Mitglied in einer Volksdemokratischen Partei gewesen, die damals von seinem Verwandten geleitet worden sei. Nach Dudajews Tod sei sein Verwandter kurzzeitig … von Tschetschenien gewesen. 1…-… habe er, der Kläger, beim Personenschutz eines damaligen Ministers im Sicherheitsdienst gearbeitet. Im 2. Krieg habe er 1999 bis Ende 2002 wieder an militärischen Aktionen teilgenommen, und zwar auf seiten Maschadows. Damals habe er gegen die Wahhabiten gekämpft. Bei einer Aktion sei er verwundet worden. Daher sei er gezwungen gewesen, seine Beteiligung an Militäraktionen zu beenden. Er sei aus den Bergen herausgetragen und zu seinen Verwandten gebracht worden. Diese hätten ihn nach N. in Kabardino-Balkarien geschickt. Dort sei er bis … in medizinischer Behandlung gewesen. Dann sei er nach Tschetschenien zurückgekehrt. Er habe dann auch nicht mehr kämpfen wollen, auf keiner Seite. Nach seiner Rückkehr aus N. sei er von einem russischen Sonderkommando festgenommen und gefoltert worden. Sie hätten Informationen haben wollen, wo er gekämpft habe. Er sei 10 Tage festgehalten und misshandelt worden. Als sie vermutet hätten, er sei tot, sei er irgendwo ausgesetzt worden. Seither hätten ihn immer seine Verwandten mit Geld unterstützt, und er habe 9 Jahre nicht mehr gearbeitet. … habe ihn die Abteilung für organisierte Kriminalität in Tschetschenien festgenommen. Er sei 2 Wochen gefoltert und gedemütigt worden. Er habe unter schändlichen Drohungen ein geheimes Waffenlager verraten, habe aber gewusst, dass dort keine Waffen mehr gelagert seien. Danach sei man richtig wütend auf ihn gewesen und habe ihn immer wieder gefoltert. Seine Verwandtschaft habe dann Geld gesammelt und ihn freigekauft. Ein 3. Vorfall sei am … gewesen. In der Nacht seien maskierte Angehörige der Einheit Nr. 50 zu ihm gekommen. Seine damalige Ehefrau habe sich dazwischengestellt und sei von den Soldaten in den Bauch getreten und getötet worden. Die Soldaten hätten Informationen von ihm haben wollen. Ein weiterer Grund sei gewesen, dass er ein Verwandter des Z. A. sei, der kurzzeitig tschetschenischer … gewesen sei. Man habe ihn wiederum 10 Tage festgehalten, bedroht und gefoltert, bis er sein geheimes Waffenlager preisgegeben habe, eine Grube am Rande des Dorfes, in der sich Granaten und Kriegsgeräte befunden hätten. Danach sei er freigelassen worden. Bis April 2011 sei ihm dann nichts mehr zugestoßen. Eine frühere Ehefrau von ihm sei 1999/2000 …. ausgewandert und habe neu geheiratet. Ihr gemeinsamer Sohn sei noch bis … bei ihm, d.h. eigentlich bei seiner, des Klägers, Mutter geblieben und dann seiner Mutter … gefolgt, nachdem ihm jemand eine Waffe an den Kopf gehalten und nach ihm, dem Kläger, gefragt habe. Am 21./22.4.2011, als er einmal bei seiner Ehefrau gewesen sei, seien in der Nacht bewaffnete Leute von der Einheit SEWER des Innenministeriums zu ihm gekommen. Sie hätten ihn zum Hauptgebäude der Sewer-Einheit gebracht. Sie hätten ihn gefoltert. Er habe zu seinen alten Kameraden gehen und Informationen weiterleiten sollen. Er habe einige Papiere unterschrieben, um freigelassen zu werden. In Tschetschenien gebe es ein ganzes Netz von Informanten und Spitzeln. Seine Ehefrau sei in den 2 ½ Jahren ihrer Ehe bereits mehrfach seinetwegen behelligt worden. Viele seiner ehemaligen Kameraden arbeiteten als Spitzel. Es gebe auch Wahhabiten, die zu Kadyrow übergelaufen seien, und es gebe illegalen Handel mit Kinderorganen, die in den Westen verkauft würden. Nicht nur von ihm würden die ihm angesonnenen Dinge verlangt. In Tschetschenien werde kolossal Druck ausgeübt, um für „diese Strukturen“ zu arbeiten. Er habe versucht, nach Russland auszuweichen. Aber dort werde man als Tschetschene sofort für einen Terroristen gehalten, bekomme keine Registrierung und keine Stelle. Er wolle nicht zurückkehren und sehe dort auch für seinen Sohn keine Zukunft.

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Die Klägerin des Verfahrens 3 A 78/12 MD gab an: Sie habe sich nicht politisch betätigt und selbst keine Probleme in Tschetschenien gehabt. Sie habe ihre Heiratsurkunde vom 11.5.2011 mitgebracht. Dort sei die am 4.1.2008 (Bl. 37 der Beiakte) nach muslimischem Ritus ohne Urkunde geschlossene Ehe registriert worden. Außerdem habe sie die Geburtsurkunde ihres Sohnes dabei. Ihr Reisepass, in dem auch das Kind eingetragen gewesen sei, sei ihr an der weißrussisch-polnischen Grenze abgenommen worden. Ihren Inlandspass habe sie zu Hause gelassen, d.h. bei ihren Eltern. Sie habe bis zur Ausreise am 17.5.2011 mit dem Kläger und ihrem Kind in G. gelebt. In ihrer Heimat lebten noch ihre Eltern, … Brüder mit Familien und … Schwestern. Sie seien am 25.5.2011 in B-Stadt angekommen. Von B-Stadt aus seien sie mit dem Taxi nach Halberstadt gefahren. Ihre Verwandtschaft aus R… und M… habe ihnen bei der Ausreise bzw. Finanzierung geholfen. Mitte April 2011 hätten sie ihre Eigentumswohnung in G. verkauft, in der sie mit dem Kläger seit der Hochzeit 3 Jahre lang gewohnt habe. Das richtige Heiratsdatum sei 4.1.2009. Den Reisepass habe sie im Februar 2011 beantragt und im März 2011 erhalten. Der Kläger sei ein Einzelkind. Seine Mutter habe deshalb die Familie finanziell unterstützt. Sie müsse ehrlich sagen, dass sie zum Überleben nur das staatliche Kindergeld gehabt hätten. Zwei Schwestern des Klägers lebten in Tschetschenien. In R… und M… hätten sie keine Verwandten. Ihre Verwandten hätten ihnen nur auf der Reise von G. nach R. geholfen. Ausgereist seien sie, weil der Kläger im April 2011 festgenommen worden sei. Sie seien des öfteren des Nachts maskiert gekommen. Eine ganze Woche habe sie nicht gewusst, wo er sei. Am 28.4.2011 hätten sie ihn frühmorgens auf einem Feld ausgesetzt. Er sei zu Fuß zu Verwandten nach … gelaufen. Von den Verwandten habe sie gehört, dass er freigekommen sei. Zuvor sei er schon mehrfach festgenommen worden, nach dem 13.1.2011. Begonnen habe das im Januar 2009. Bis Frühjahr 2009 hätten sie Ruhe gehabt. Es sei im Juni 2009, kurz vor der Geburt ihres Sohnes gewesen. Im Juli hätten sie von seiner neuen Adresse erfahren. Seither sei er ständig auf der Flucht gewesen. Und bei ihr sei sehr oft nach ihm gesucht worden. Die Maskierten hätten ihn geschlagen und drangsaliert und ihm eine Mitarbeit angeboten. Er habe sagen sollen, wo die Kämpfer seien. Damit seien wohl Wahhabiten gemeint. Der Kläger habe zu Hause nicht übernachtet. Die meiste Zeit sei er immer auf der Flucht gewesen. Aber an diesem Tag, dem 21. oder 22. April, habe er sie besucht. Und so habe sie sich entschieden, die Wohnung zu verkaufen. Der Kläger habe 1993/94 auf Seiten Maschadows als Kämpfer am 1. Krieg teilgenommen. Irgendwie sei er bei Maschadow gewesen. Und sie habe gehört, dass er einen weit entfernten Verwandten gehabt habe, der mit Familiennamen genauso heiße wie ihr Mann. Dieser sei bei irgendeiner Behörde ein Funktionär. Mit diesem Verwandten verstehe der Kläger sich nicht gut. Sie hoffe auf Sicherheit für ihren Sohn, und dass sie zusammenbleiben könnten. Zurückkehren wolle sie nicht.

4

Mit Bescheid vom 4.10.2011 lehnte die Beklagte den Asylantrag für alle drei Personen verbunden mit einer fristgebundenen Abschiebungsandrohung hinsichtlich einer möglichen Abschiebung in die Russische Föderation ab und stellte fest, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 2-7 AufenthG lägen nicht vor. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragsteller hätten eine Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Ihr Vorbringen sei vage, detailarm, unsubstantiiert und realitätsfremd. Sie hätten ihre Identität nicht belegt; der Name des Klägers sei in der Geburtsurkunde seines angeblichen Sohnes nicht eingetragen. Sie seien nicht ins Blickfeld der russischen Sicherheitskräfte geraten. S… A… sei Vize… unter … gewesen und nie als offizieller … nach … ernannt worden. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Bescheid verwiesen. Der Bescheid wurde am 7.10.2011 an den Kläger abgesandt.

5

Am 10.10.2011 haben der Kläger und die Kläger des Verfahrens 3 A 78/13 MD Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren unter Wiederholung und Vertiefung des bisherigen Vorbringens und Ausführungen über die allgemeine Lage in ihrer Heimat weiterverfolgen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird gem. § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Schriftsätze vom 23.10.2011, 4.4.2012, 18.4.2012, 1.6.2012, 30.7.2012, 13.11.2012 und das Terminsprotokoll verwiesen. Das Gericht hat durch Beschluss vom 28.2.2013 das Verfahren bezüglich des Kindes M. M. und seiner Mutter abgetrennt.

6

Der Kläger trägt vor: Er habe nicht ausschließlich gegen die Wahhabiten gekämpft, sondern im 2. Tschetschenienkrieg gegen die russischen Besatzer. 2004 habe ihn die berüchtigte 6. Abteilung, die dem Innenministerium der Russischen Föderation unterstellt sei, festgenommen. Bei der Einheit Nr. 50, die ihn 2008 festgenommen habe, handele es sich um ein Regiment (Übersetzungsfehler). Nach seiner Freilassung im April 2011, weil er sich zur Zusammenarbeit mit den Behörden verpflichtet habe, habe er sich bis zur Ausreise am 17.5.2011 bei seinen Verwandten in S… aufgehalten. Er habe keineswegs detailarm und realitätsfremd vorgetragen. Zu seinem entfernten Verwandten S. habe er kaum persönlichen Kontakt gehabt. Dennoch gebe es eine familiäre Loyalität, die auch für die tschetschenische Außenwelt von Bedeutung sei. A. sei nach D. Tod von April 19.. bis zur Wahl … … gewesen (vgl. Hassel, Der Krieg im Schatten, Rußland und Tschetschenien, Verlag Suhrkamp, 2003, Zeittafel S. 240, Bl. 30 der Gerichtsakte). Der Besitz von Waffen sei in Tschetschenien derart alltäglich, dass dies, auch wenn das im Widerspruch zum russischen Recht stehe, gerade kein Haftgrund sei. Die Geburtsurkunde des Kindes sei auf der Grundlage der Geburtsbescheinigung des Krankenhauses ausgefertigt worden. Bei der Ausstellung der Urkunde sei geschlampt worden. Der Vatersname I. sei dort richtig angegeben worden. Aus der Geburtsurkunde könnten keine Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit abgeleitet werden. Er sei insoweit bereit, sich einem Vaterschaftstest zu unterziehen. Der Familienname der Mutter werde immer in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen, wenn der Vater bei der Geburt nicht anwesend sei. In Tschetschenien mache es keinerlei Probleme, bei späteren Personaldokumenten den Familiennamen des Vaters aufzunehmen. Er, der Kläger, sei wegen PTBS und Depressivität auf psychotherapeutische Behandlung angewiesen, wie ihm ärztliche Stellungnahmen bescheinigten. Bei einer Abschiebung sei eine Retraumatisierung oder ein Suizid sehr wahrscheinlich. Der Tod seiner schwangeren Ehefrau im Jahr 2008 sei ein in ganz Tschetschenien sehr bekannter Skandal gewesen. Es habe eine große Zahl von Zeugen gegeben, und auch die Autonummern der Militärfahrzeuge seien identifiziert worden. Seine Verwandten hätten nach ihm, dem Kläger, gesucht. Die Militärs hätten wohl ebenfalls unter Druck gestanden und ihn vielleicht auch deshalb freigelassen. Er habe ihnen sein eigenes Waffenarsenal verraten und die Waffen auch übergeben, um freizukommen. Es habe sich um ein Maschinengewehr, Patronen, eine Pistole und etwa 10 Granaten gehandelt. Der Tod seiner damaligen Ehefrau habe auch Menschenrechtsorganisationen beschäftigt. Diese hätten versucht, seine Mutter davon zu überzeugen, Strafanzeige zu erstatten, gerade weil es sich um einen dokumentierten Vorfall gehandelt habe. Leider habe sie sich nicht dazu entschließen können. Wenn er, der Kläger, seiner unterzeichneten Verpflichtung zur Kollaboration nicht nachkomme, müsse er mit einem Strafverfahren wegen Unterstützung terroristischer Handlungen rechnen. Damit habe man ihm bereits während seiner Inhaftierung 2008 gedroht, als jedoch die Freilassung gelungen sei, weil ein großes, auch über die tschetschenischen Grenzen hinausgehendes öffentliches Interesse gedroht habe und er seine Waffen übergeben habe. Er, der Kläger, habe ein größeres Detailwissen über die Aktivitäten von S.; er wisse definitiv, dass sein Verwandter niemals direkte Verhandlungen mit J. geführt habe. Er sei lediglich als Begleiter M. zur Unterschrift des Vertrages nach M. gereist, der von anderen Personen aus dem Umkreis von J. und M. ausgehandelt worden sei. Über die Verwandtschaft könnten Zeugen benannt werden. Er, der Kläger, fürchte allerdings nicht politische Verfolgung wegen seiner Verwandtschaft mit S., sondern weil er sich der Zusammenarbeit mit den Kadyrovcy entzogen habe. Die Verwandtschaft zu S. sei insofern relevant, als er dadurch zusätzlich das Interesse der Behörden auf sich gezogen habe. Seine Situation sei dadurch charakterisiert, dass er trotz seiner Verwandtschaft mit S. bis zum Jahr 2011 in Tschetschenien habe leben können, aber wegen seiner Verwandtschaft mit A. und insbesondere auch wegen seiner eigenen Tätigkeit unter Maschadow bis zu diesem Zeitpunkt immer wieder mit asylrechtlich relevanten Verfolgungsmaßnahmen überzogen worden sei. Der ehemalige … der „Tschetschenischen Republik Itschkeria“, …, der ehemalige Minister und … der „Tschetschenischen Republik Itschkeria“ … und der ehemalige Minister der „Tschetschenischen Republik Itschkeria“ …, die heute in B-Stadt lebten und die … Gesellschaft leiteten, hätten ihm am 5.11.2012 die Richtigkeit seines Asylvortrags schriftlich bestätigt (Bl. 67 der Gerichtsakte). Alle drei kennten ihn, den Kläger, aus Tschetschenien persönlich. Ein Verfahrensmangel liege darin, dass der Bescheid der Beklagten von einer Mitarbeiterin erstellt worden sei, die nicht die Anhörung durchgeführt habe, obwohl es entscheidend auf den persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit ankomme.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 4.10.2011 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG festzustellen, hilfsweise,

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dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 2-7 AufenthG vorliegen,

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hilfsweise,

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die im Schriftsatz vom 13.11.2012 benannten Zeugen darüber zu vernehmen, dass er, der Kläger,

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aus dem Dorf S… stamme, mit S. verwandt sei, im 1. Tschetschenienkrieg unter A. gekämpft habe und sein Kommandeur A. gewesen sei, nach dem Krieg unter dem Bürgermeister L. und von 1998-99 im Sicherheitsdienst des Innenministeriums unter dem Vorgesetzten T. gearbeitet habe, im 2. Tschetschenienkrieg unter A. gekämpft habe, Kriegsverletzungen erlitten habe, in N. in einem Versteck medizinisch behandelt worden sei und dass seine schwangere 1. Frau, M., am ...2008 infolge von Misshandlungen verstorben sei.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie bezieht sich zur Begründung auf den ergangenen Bescheid und tritt dem Asylvorbringen aus individuellen Gründen in ihren Schriftsätzen vom 30.4.2012, 16.7.2012 und 23.11.2012 entgegen. Wie in dem vorgelegten Buchauszug richtig dargelegt, sei S. A. von der russischen Regierung als … eingesetzt worden, jedoch nie von den Tschetschenen als Nachfolger … anerkannt worden. Der Kläger stehe nicht im besonderen Verfolgungsinteresse der russischen Sicherheitskräfte in Tschetschenien und schon gar nicht landesweit.

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Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der durch Hinweis des Gerichts in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel zur politischen Situation in der Russischen Föderation Bezug genommen. Die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.

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Der Kläger hat einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der diesem Anspruch entgegenstehende Bescheid der Beklagten war daher teilweise aufzuheben und die aus dem Tenor ersichtliche Entscheidung zu treffen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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§ 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG verbietet die Abschiebung eines Ausländers in einen Staat, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Davon ist im Fall des Klägers hier auszugehen.

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Nach Auffassung des Gerichts ist der Kläger zum gegenwärtigen Zeitpunkt, auf welchen unter Berücksichtigung des § 77 Abs. 1 AsylVfG abzustellen ist, im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht hinreichend sicher vor politischer Verfolgung i.S.v. § 60 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger ist tschetschenischer Volkszugehöriger. Er ist nach seinem durchgängigen Vorbringen in Tschetschenien geboren, hat dort seit den 90er Jahren bis zu seiner Flucht gelebt und hat sich während beider Tschetschenienkriege als Kämpfer, in der Zeit dazwischen in ziviler Stellung und bis zu seinem Untertauchen nach der Kriegsverletzung aktiv für die tschetschenische Sache eingesetzt und ist aufgrund dessen vom heutigen, in den letzten 10 Jahren vorherrschenden System in Tschetschenien mehrfach in menschenrechtswidriger Weise misshandelt worden. Ihm droht in Tschetschenien und dem restlichen Gebiet der Russischen Föderation derzeit politische Verfolgung. Eine zumutbare inländische Fluchtalternative kann er nicht in Anspruch nehmen.

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Entgegen der Ansicht des Klägers ist der ergangene Bundesamtsbescheid nicht bereits wegen eines behaupteten formellen Fehlers aufzuheben. Das Gericht teilt für den hier konkret vorliegenden Fall insoweit nicht die vereinzelt gebliebenen Rechtsauffassungen des VG Frankfurt/Oder (Beschl. v. 23.3.2000, AuAS 2000, 126) und des VG Lüneburg (Beschl. v. 5.8.2009 - 6 B 25/09 -), wonach bereits die verfahrensrechtliche Trennung zwischen Anhörung und Entscheidung verfahrensfehlerhaft sei. Im Fall des VG Frankfurt lag dieser Bewertung zugrunde, dass Unterlagen (Videocassette, Fotos) fehlten, ein Schriftsatz nicht zur Akte gelangt war und Vortrag nicht in die Würdigung einbezogen wurde. Im Fall des VG Lüneburg ist das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts allein auf das Vorbringen des dortigen Antragstellers gestützt worden, er stamme aus Kirkuk, was wahrheitswidrig sei, weil er zweifelsfrei aus dem kurdisch verwalteten Gebiet Arbil stamme. Die Glaubwürdigkeitsbewertung des Bundesamts im vorliegenden Fall unterliegt derartigen Zweifeln nicht.

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Auch für das Gericht fällt auf, dass kein im Ganzen lückenlos widerspruchsfreier und in allen Details in sich stimmiger Asylvortrag gegeben ist. Insbesondere die Angaben des Klägers und der Klägerin des Verfahrens 3 A 78/13 MD weichen teils beträchtlich voneinander ab. Hierzu gehört zuvörderst das angebliche Heiratsdatum, das von beiden Partnern mit „4.1.2008“ angegeben wurde. Zwar haben es beide im späteren Verlauf der Anhörung auf den „4.1.2009“ vermeintlich korrigiert, ohne jedoch ihr Vorbringen zu ändern, sie hätten 3 Jahre lang ehelich vor der im Mai 2011 erfolgten Ausreise zusammengelebt. Warum ihnen vor dem 11.5.2011 keine Eheschließungspapiere vorgelegen hätten, vermochten die Partner nicht schlüssig zu erklären. Bezüglich der vorgelegten standesamtlichen Eheurkunde vom 11.5.2011 verbleiben beim Kläger daher auch deshalb Glaubwürdigkeitsmängel, als er selbst erklärt hat, er habe bereits zwei Mal offizielle Identitätsdokumente „gekauft“, nämlich seinen Reisepass und seinen Inlandspass. Unschlüssig ist auch das Vorbringen, es sei völlig unproblematisch, im Nachhinein den Kindesnamen auf den Vatersnamen zu ändern oder diesen in einer behördlichen Urkunde ändern zu lassen, wenn gerade hiervon jedoch abgesehen wurde. Widersprüchlich ist das Vorbringen der Klägerin des Verfahrens 3 A 78/13 MD, der Kläger sei Einzelkind, weshalb ihnen seine Mutter beim Lebensunterhalt geholfen habe, und kurz darauf, er habe 2 Schwestern. Völlig widersprüchlich sind auch ihre Ausführungen dazu, wann die behaupteten Nachstellungen ihr gegenüber begonnen hätten (Januar/ Frühjahr/ Juni 2009/ vor der Geburt ihres Sohnes im September 2009).

23

Unsubstantiiert bleibt der Vortrag des Klägers, seine frühere (im gestellten Hilfsbeweisantrag als „erste“ Ehefrau bezeichnete) Frau (die nicht die 2000 …. ausgewanderte Ehefrau sein kann) sei am ...2008 von maskierten russischen Militärs getötet worden. Der Name der Frau „M.“ wird vom Kläger selbst nicht angegeben, sondern erscheint erstmals im von ihm vorgelegten Bestätigungsschreiben seiner Landsleute von der … Gesellschaft. Obwohl der Kläger ausgeführt hat, die Tötung habe in seiner Heimat viel öffentliches Aufsehen erregt, sei von Menschenrechtsorganisationen aufgegriffen worden, sei überall bekannt gewesen und habe durch den dadurch verursachten Druck mit zu seiner Freilassung nach der Verhaftungsaktion am ...2008 beigetragen, hat er dazu nicht einen einzigen Beleg beigebracht oder eine Quelle benannt. Eine Internetrecherche nach dem Namen der Frau blieb ohne Ergebnis. Der Jahresbericht 2009 amnesty international (S. 379 ff.), in dem namentlich Einzelfälle willkürlicher Tötungen bei russischen Polizei- und Militäraktionen in Tschetschenien aufgeführt sind, enthält hierauf ebenfalls keinen Hinweis. Die insoweit gegebene Bestätigung der … Gesellschaft vom 5.11.2012, dass „der Tod der schwangeren Frau A., M., am ...2008 durch Misshandlungen … in Tschetschenien bekannt“ sei, wäre insoweit ein ungeeignetes Beweismittel und lässt erst recht nicht erkennen, dass die Unterzeichner Kenntnisse aus erster Hand beitragen könnten.

24

Zweifel bezüglich seines berühmten Verwandten vermochte der Kläger nicht auszuräumen. Weder er selbst noch die Unterzeichner des Schreibens vom 5.11.2012 (Bl. 67 der Gerichtsakte) bezeichnen das genaue Verwandtschaftsverhältnis. Die Schreibweise des Namens (… usw.) variiert erheblich, was sich nicht immer mit der Wiedergabe eines russischen Namens in lateinischen Buchstaben erklären lässt. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass die Ausführungen der Beklagten im ergangenen Bescheid (S. 9), Z. sei „nie als offizieller … nach D. ernannt worden“, zumindest missverständlich sind. Die Beklagte hat später eingeräumt, dass Z. nach D. bis zur Wahl M. amtierender … war. … ist als vormaliger … nach … Ermordung im April … von den Russen eingesetzt worden und blieb als Unterlegener bei der Wahl … nur für eine Übergangszeit bis zum Februar … im Amt. Dass er selbst … getötet wurde, erwähnte bei seiner Anhörung weder der Kläger noch die Klägerin des Verfahrens 3 A 78/13 MD, die am 8.6.2011 angab, ihr Mann verstehe sich mit seinem genannten Verwandten nicht gut. Ein schlüssiges Vorbringen dazu, dass der Kläger etwa wegen dieses angeblichen Verwandten bzw. dessen Einsatz für die tschetschenische Sache festgenommen und gefoltert oder sonst verfolgt worden sei, ist der Kläger schuldig geblieben, zumal die Verbreitung des Namens A. (oder ähnlich) in Tschetschenien nicht eben selten ist.

25

Wenngleich das Gericht die aufgezeigten Merkwürdigkeiten nicht verkennt, liegen sie doch eher am Rande des im Kern ausführlich, substantiiert und insbesondere aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung hinterlassen hat, glaubhaft geschilderten Verfolgungsschicksals. Zu diesem Kern zählen die folgenden Fakten, die vom Kläger durchgängig und schlüssig als Fluchtgründe geschildert worden sind:

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- seine Teilnahme als Kämpfer gegen Wahhabiten und Russen im 1. und 2. Tschetschenienkrieg auf seiten Dudajews und Maschadows

27

- sein Ausscheiden aus den Kämpfen nach erlittener Verwundung

28

- nach Rückkehr aus der Krankenbehandlung in N. 2003 Festnahme und Folterung durch ein russisches Sonderkommando, um Informationen über die Kämpfe(r) preiszugeben

29

- 2004 und 2008 weitere Festnahmen und Foltern im Zusammenhang mit auszuliefernden Waffen

30

- 21./22.4.2011 Verschleppung und Folter durch die Einheit Sewer mit dem Ziel der Anwerbung als Spitzel gegen (ehemalige) Kämpfer.

31

Der Kläger erweist sich zur Auffassung des Gerichts durch seine Erklärungen als politisch denkender und für ihre nationale Sache eingestellter Tschetschene. Als studierter Ingenieur und in der tschetschenischen Verwaltung Tätiger (1992-94 beim …, 1996/97 Stadtverwaltung G., 1998/99 Personenschutz beim …) sowie waffenerprobter Konfliktteilnehmer verfügte der Kläger über Kenntnisse, die für die in Tschetschenien herrschenden Machthaber von erheblichem Interesse sind. Bereits die aus konkretem Anlass erfolgte 1. Festnahme 2003 lässt mit drastischen Schilderungen der durchgemachten Torturen nachvollziehbar erscheinen, dass der Kläger es seither vorzog, im Untergrund zu leben. Dabei vermag das Bundesamt dem Kläger nicht entgegenzuhalten, die Folterer wüssten, ob jemand tot sei oder nicht und hätten nicht, als sie geglaubt hätten, er sei tot, von ihm abgelassen und ihn irgendwo ausgesetzt. Das Ausmaß der Gewalt in Tschetschenien sowohl seitens der russischen als auch der tschetschenischen Militäreinheiten als auch der Rebellengruppen charakterisiert sich dadurch, dass das Leben nichts zählt und niemand fürchtet, für die begangenen Gräuel zur Rechenschaft gezogen zu werden. Die im einzelnen geschilderten psychischen und körperlichen Foltermethoden decken sich mit Berichten über die Lage in Tschetschenien, gehen aber beim Kläger auch darüber hinaus. Soweit der Kläger als Moslem hierbei von sich aus auch auf besondere Schambereiche und Ehrbegriffe abzielende Misshandlungen eingegangen ist, macht ihn dies nach Auffassung des Gerichts zusätzlich glaubwürdig. Sein Vortrag erschöpft sich mithin keineswegs im Aufzählen selbst nicht erlebter, gängiger Misshandlungsmethoden. Gegen seine Glaubwürdigkeit spricht nach Auffassung des Gerichts nicht, dass er letztlich angab, die Folterer hätten sich 2004, 2008 und 2011 schließlich doch mit Freikaufsgeld, Waffenauslieferung und einer Informanten-Verpflichtungserklärung zufriedengegeben. All dies widerspricht nicht per se der in Tschetschenien herrschenden Interessenlage.

32

Der Kläger hat hinreichend deutlich gemacht, dass er ins Visier der tschetschenischen Machthaber geraten ist. Er gehört damit einer typischen Risikogruppe (vgl. Hess. VGH, Urt. v. 24.4.2008 - 3 UE 410/06.A -, zit. nach juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 5.12.2011 - 2 L 136/11-, Beschl. v. 1.3.2012 - 2 L 170/11 -) an, deren Mitglieder bei einer Rückkehr in die Russische Föderation nicht hinreichend sicher sind vor schwersten Menschenrechtsverletzungen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 26.7.2012 - 2 L 68/10 -). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 6.7.2012 (S. 14 ff.) ist die Sicherheitslage in Tschetschenien weiterhin schlecht. Es gebe täglich gewaltsame Vorfälle mit Toten und zahlreichen Verletzten. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt drehe sich weiter. Es herrsche ein Klima der Straflosigkeit bei schwersten Gesetzesbrüchen der Sicherheitskräfte. Korruption und harte Repressionen seien an der Tagesordnung. Bei Verfolgten handele es sich keineswegs immer um Aufständische, und häufig werde mit ihnen einfach kurzer Prozess gemacht.

33

Der Kläger hat vor dem Hintergrund der feststehenden Tatsache, dass Opfer häufig nicht erkennen können, wer die Täter sind (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 13.2.2007 - A 11 K 11438/05 -, Rn. 26), geschildert, dass er wiederholt gesucht und aufgespürt worden sei. Auch sind Verschleppungen von Personen, die verdächtigt werden, Kontakte zu Rebellen bzw. separatistischen oder terroristischen Kreisen zu unterhalten, in Tschetschenien an der Tagesordnung (vgl. SZ v. 2.2.2005: Maschadow-Clan entführt; FR v. 1.9.2006: Elina Ersenojeva gekidnappt). Als besonders rückkehrgefährdet werden dabei sowohl vom UNHCR als auch von Menschenrechtsorganisationen u.a. Asylsuchende angesehen, die möglicherweise für ihre vor der Flucht erfolgte Unterstützung der Rebellentruppen strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnten (vgl. HessVGH, Urt. v. 24.4.2008 - 3 UE 410/06.A -, Rn. 61, 65 m.w.N., zit. nach juris). Das trifft aufgrund seiner Bildung und seiner Fachkenntnisse auf den Kläger zu.

34

Auch hierbei entspricht es der Erkenntnislage, dass die russischen Sicherheitskräfte mit allen – auch überzogenen – Mitteln gegen vermutete Terrorverdächtige und ihre Helfer vorgehen (vgl. NZZ v. 6.2.2007: Hearing ausländischer Juristen in Moskau - Kritik an Russlands Terrorbekämpfung). Der Kläger ist damit nach seiner überzeugenden Einlassung für den Fall seiner Abschiebung in die Russische Föderation nicht hinreichend sicher vor einer ihm drohenden illegalen Festnahme (vgl. NZZ v. 11.5.2007: EGMR – Russland verurteilt wegen gewaltsamen Todes eines Tschetschenen nach illegaler Festnahme), fingierten bzw. gefälschten Beweisen (vgl. AA, Lageberichte v. 18.8.2006, S. 10, und v. 17.3.2007, S. 12) sowie Folter (vgl. AA, Lagebericht v. 17.3.2007, S. 25; NZZ v. 14.11.2006: Human Rights Watch – neue Berichte über Folter; FR v. 27.11.2006: UN-Ausschuss wirft Russland Folter vor). Überdies besteht für den Kläger in Anbetracht der grassierenden Willkür in seiner Heimat keine hinreichende Sicherheit davor, dass man ihn - wie zahlreiche tschetschenische Volkszugehörige, die in das Fadenkreuz der Terrorbekämpfung gelangt sind - ohne reguläre Inhaftierung verschwinden lässt (vgl. Die Zeit v. 22.3.2005: Die „verschwundenen“ Tschetschenen; FR v. 3.3.2007: Wahlfarce in Tschetschenien – Tausende Verschwundene). Da er überdies nach seinen plausiblen Erklärungen bei seiner zweiten Verhaftung 2004 schwer geschlagen und gefoltert wurde, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass diese menschenrechtswidrige Behandlung allein deshalb erfolgt sein soll, um seine Angehörigen zum Freikauf zu veranlassen und den Milizangehörigen zu Geldeinnahmen zu verhelfen, wie der Bundesamtsbescheid mutmaßt. Bei dieser Sachlage kommt dem Kläger zugute, dass er ohne Übertreibungen vorträgt, er sei bei seiner letzten Verhaftung nicht derart malträtiert worden. In diesem Zusammenhang ist ohne Belang, ob der Kläger auch auf einer Fahndungsliste steht.

35

Der Kläger kann auch nicht auf eine hinreichend sichere inländische Fluchtalternative verwiesen werden, weil diese für ihn im vorliegenden Einzelfall (zur generellen Situation vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 16.1.2007 - 13 LA 67/06 -; OVG NRW, Urt. v. 12.7.2005 - 11 A 2307/03.A -; BayVGH, Urt. v. 24.4.2007 - 11 B 03.30133 -) nicht besteht. Ist der Kläger nämlich, wie dargelegt, namentlich im Zusammenhang mit seinen Festnahmen identifiziert worden, bestünden die oben aufgezeigten Gefahren für ihn auch bei einer Abschiebung nach Moskau oder einer - die Möglichkeit hierzu einmal unterstellt - Rückkehr in andere, etwa südrussische oder kaukasische Regionen, in denen größere tschetschenische Bevölkerungsanteile bestehen. Der Kläger würde aufgrund des „langen Arms des Regimes von Ramsan Kadyrow“ (so Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 6.7.2012, S. 18) unweigerlich erneut in das Blickfeld der Sicherheitskräfte in der Russischen Föderation gelangen. Ein interner Schutz i.S.v. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates v. 29.4.2004 (ABl. der EU v. 30.9.2004, L 304/12) kommt dem Kläger unter diesen Umständen nicht zugute, denn eine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht aufgrund der Erkenntnislage für den Kläger auch in den übrigen Gebieten der Russischen Föderation (vgl. BayVGH, Urt. v. 15.10.2007 - 11 B 06.30875 -; HessVGH, Urt. v. 24.4.2008 - 3 UE 410/06.A -, jew. zit. nach juris).

36

Angesichts des nach Auffassung des Gerichtes bestehenden Anspruchs i.S.v. § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG war der streitbefangene Bescheid der Beklagten teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation vorliegen, ohne dass es noch auf den Hilfsantrag des Klägers ankommt.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1 AsylVfG.

38

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur
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published on 26/07/2012 00:00

Tatbestand 1 Der am (…) 1978 geborene Kläger ist russischer Staatsangehöriger und nach eigenen Angaben tschetschenischer Volkszugehörigkeit. Am 04.11.2002 beantragte er seine Anerkennung als Asylberechtigter. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung
published on 13/02/2007 00:00

Tenor 1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31.08.2005 wird aufgehoben, soweit mit ihm nicht der Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt wird. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass d
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.