Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 13. Feb. 2007 - A 11 K 11438/05

published on 13/02/2007 00:00
Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 13. Feb. 2007 - A 11 K 11438/05
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Tenor

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 31.08.2005 wird aufgehoben, soweit mit ihm nicht der Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Asylberechtigte abgelehnt wird. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfüllt sind.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin, nach eigenen Angaben russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit ohne Ausweispapiere, reiste, ebenfalls nach eigenen Angaben, am 26.04.2005 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl.
Bei ihrer Anhörung gab sie am 19.05.2005 im Wesentlichen an, in Georgien geboren zu sein und dort ihre Kindheit verbracht zu haben. 1982 sei sie mit ihrer Familie nach Grosny gezogen. Nach dem 1. Krieg habe sie an Meetings teilgenommen. Einmal sei sie mitgenommen worden. Im 2. Krieg sei ein Halbbruder umgekommen. Im August 1996 habe sie etwa zwei Wochen lang Verletzten in den Kellern des Krankenhauses geholfen, was den Föderalen nicht verborgen geblieben sein könne. Im August 2004 hätten sechs Föderale das Haus durchsucht und die Klägerin und die anderen anwesenden Familienmitglieder verhört. Sie hätten ihnen vorgeworfen, den Kämpfern zu helfen und sie aufgefordert, deren Aufenthalt mitzuteilen. Im September 2004 seien wieder 30 bis 40 Leute in das Haus ihres Cousins gekommen, wo sie sich gerade aufgehalten habe. Sie seien gezwungen worden, sich auf den Boden zu legen, und grob behandelt worden. Die Föderalen hätten das Haus durchsucht und den Anwesenden vorgeworfen, den Kämpfern zu helfen. Sie habe sich dann bis zu ihrer Ausreise bei verschiedenen Verwandten aufgehalten. Eine Cousine, ..., habe den Flüchtlingen geholfen und sei deshalb in Stari Atagi festgenommen und nach internationalen Proteste und Einschaltung einer nationalen Menschenrechtsorganisation nach ein paar Tagen wieder freigelassen worden. Sie selbst habe Angst gehabt, festgenommen zu werden, weil sie zu dieser Familie gehöre und an Demonstrationen teilgenommen habe. Im Jahr 1995 habe es viele Demonstrationen gegeben. Einmal sei sie bei einer solchen Demonstration festgenommen und nach Zahlung von 500 Dollar nach ein paar Stunden wieder freigelassen worden. Am 15.04.2005 sei sie auf Anraten ihrer Verwandten mit einem weißen Übergangsausweis mit dem Zug über Rostow/Don nach Moskau gefahren, von wo aus sie am 24.04.2005 mit einem Kleinbus weiter in die Bundesrepublik gefahren sei.
Mit Bescheid vom 31.08.2005 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag der Klägerin auf Anerkennung als Asylberechtigte ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen und drohte der Klägerin die Abschiebung in die Russische Föderation an. Das Vorbringen zu ihrem politischen Engagement in Tschetschenien habe die Klägerin nicht durch einen fundierten und nachvollziehbaren Sachvortrag glaubhaft gemacht. Es scheine daher nicht glaubwürdig, dass die Sicherheitskräfte nach einer Rückkehr an ihr ein herausgehobenes Interesse haben könnten. Vor diesem Hintergrund habe sie außerhalb Tschetscheniens und den umliegenden Republiken eine inländische Fluchtalternative.
Mit ihrer am 15.09.2005 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie habe bei der Anhörung wiederholt erfolglos darauf bestanden, dass diese in tschetschenischer Sprache erfolge, da sie die russische Sprache nicht so gut beherrsche. Zudem habe sie auf ihre gravierenden Gedächtnisprobleme hingewiesen. Mit ihrer Cousine ... und einer weiteren Freundin habe sie seit Anfang 1999 sehr häufig, d.h. ein- bis zweimal im Monat, tschetschenischen Kämpfern bei der Flucht nach Georgien geholfen. Das sei falsch protokolliert worden. Bei der ersten Hausdurchsuchung im August 2004 sei ihr dies vorgehalten worden. Nach der ersten Hausdurchsuchung sei auch ihre Cousine ... festgenommen worden, die nach ihrer Freilassung geflohen worden sei. Bei der zweiten Hausdurchsuchung habe man sie nicht identifizieren können, da sie einen anderen Namen angegeben und keinen Ausweis dabei gehabt habe. Etwa im August 2004 sei sie inhaftiert worden. Nach ihrer Freilassung habe sie nicht über ihre Inhaftierung sprechen können. Sie sei nicht über Moskau ausgereist, sondern Ende November 2004 aus Tschetschenien geflohen. Wie ein ärztlicher Befundbericht vom 04.04.2006 belege, leide sie an einer depressiven Verstimmung im Rahmen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie sei zuletzt im Jahr 2005 medikamentös behandelt worden. Sie beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 31.08.2005 zu verpflichten festzustellen, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfüllt, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die dem Gericht vorgelegte Verwaltungsakte und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 13.02.2007 verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
Das Gericht konnte in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten über die Klage verhandeln und entscheiden, denn die Beklagte wurde bei der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage ist nach dem erkennbaren Begehren der Klägerin (§ 88 VwGO) im Hauptantrag gerichtet auf Aufhebung des Bescheides mit Ausnahme von Ziff. 1 und Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben sind. Sie ist zulässig und begründet.
11 
Der Bescheid des Bundesamtes vom 31.08.2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit festgestellt wird, dass die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2); die Klägerin hat nach den Gegebenheiten zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylVfG) einen Anspruch auf die gegenteilige Feststellung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
12 
Gemäß § 60 Abs.1 AufenthG, bei dessen Auslegung nach Ablauf ihrer Umsetzungsfrist die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (ABl. v. 30.09.2004, L 304/12 - Qualifikationsrichtlinie -) zu berücksichtigen ist, darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBI. 1953 II S. 559 - GFK -) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem Zweck und nicht nach den subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, BVerfGE 80, 315 <344>; zur Motivation vgl. BVerwG, Urt. v. 19.05.1987, BVerwGE 77, 258). Werden nicht Leib, Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern andere Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und wirtschaftliche Betätigung, so sind nur solche Beeinträchtigungen asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaats aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, Beschl. v. 02.07.1980, BVerfGE 54, 341; BVerwG, Urt. v. 18.02.1986, BVerwGE 74, 31).
13 
Die Gefahr einer derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muss (BVerwG, Urt. v. 03.12.1985, NVwZ 1986, 760 m.w.N.). Eine Verfolgung droht bei der Ausreise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, wenn bei qualifizierender Betrachtungsweise die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (BVerwG, Urt. v. 14.12.1993, DVBl. 1994, 524, 525). Hat der Asylsuchende sein Heimatland unverfolgt verlassen, hat er nur dann einen Asylanspruch, wenn ihm aufgrund eines asylrechtlich erheblichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986, BVerfGE 74, 51 <64>; BVerwG, Urt. v. 20.11.1990, BVerwGE 87, 152). Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kann eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (BVerfG, Beschl. v. 02.07.1980, BVerfGE 54, 341; BVerwG, Urt. v. 25.09.1984, BVerwGE 70, 169). Dies setzt eine mehr als nur überwiegende Wahrscheinlichkeit voraus, dass es im Heimatstaat zu keinen Verfolgungsmaßnahmen kommen wird (BVerwG, Urt. v. 31.03.1981, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27). Nach diesem (herabgestuften) Maßstab wird andererseits nicht verlangt, dass die Gefahr erneuter Übergriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist eine Rückkehr unzumutbar, wenn über die theoretische Möglichkeit, Opfer eines Übergriffs zu werden, hinaus objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus reale Möglichkeit erscheinen lassen (BVerwG, Urt. v. 08.09.1992, NVwZ 1993, 191); es müssen mindestens ernsthafte Zweifel an der künftigen Sicherheit des Betroffenen vor erneuter Verfolgung bestehen (BVerwG, Urt. v. 01.10.1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 37). Dies entspricht auch Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie, wonach eine Vorverfolgung des Antragstellers einen ernsthaften Hinweis darauf darstellt, dass dessen Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von einer solchen Verfolgung bedroht wird.
14 
Der Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht gehalten, von sich aus umfassend die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse substantiiert und in sich schlüssig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen, so dass sein Vortrag insgesamt geeignet ist, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Urt. v. 08.05.1984, NVwZ 1985, 36) und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen festzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.1983, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es dagegen, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, Urt. v. 23.11.1982, BVerwGE 66, 237).
15 
Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das der Schutzsuchende mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsmöglichkeit vergleichbaren Lage befindet und deshalb seine eigene bisherige Verschonung von ausgrenzenden Rechtsgutbeeinträchtigungen als eher zufällig anzusehen ist (BVerfG, Beschl. v. 23.01.1991, BVerfGE 83, 216; BVerwG, Urt. v. 05.07.1994, BVerwGE 96, 200). Zu einer in diesem Sinne verfolgungsbetroffenen Gruppe gehören alle Personen, die der Verfolger für seine Verfolgungsmaßnahmen in den Blick nimmt; dies können entweder sämtliche Träger eines zur Verfolgung Anlass gebenden Merkmals - etwa einer bestimmten Ethnie oder Religion - sein oder nur diejenigen von ihnen, die zusätzlich (mindestens) ein weiteres Kriterium erfüllen, beispielsweise in einem bestimmten Gebiet leben oder ein bestimmtes Lebensalter aufweisen; solchenfalls handelt es sich um eine entsprechend – örtlich, sachlich oder persönlich - begrenzte Gruppenverfolgung (BVerwG, Urt. v. 09.09.1997, BVerwGE 105, 204). Kennzeichen einer "regionalen" oder "örtlich begrenzten" Gruppenverfolgung ist es, dass der unmittelbar oder mittelbar verfolgende Staat die gesamte, durch ein Kennzeichen oder mehrere Merkmale oder Umstände verbundene Gruppe im Blick hat, sie aber - als "mehrgesichtiger Staat" - beispielsweise aus Gründen politischer Opportunität nicht oder jedenfalls derzeit nicht landesweit verfolgt (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.09.1997, BVerwGE 105, 204 <207> m.w.N.; OVG NRW, Urt. v. 12.07.2005 - 11 A 2307/03.A).
16 
Die Annahme einer gruppengerichteten Verfolgung setzt eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung jedes einzelnen Gruppenmitglieds rechtfertigt; hierfür ist die Gefahr einer so großen Zahl von Eingriffshandlungen in relevante Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine bloße Vielzahl solcher Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Gebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und in quantitativer und qualitativer Hinsicht so um sich greifen, dass dort für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, Urt. v. 15.05.1990, BVerwGE 85, 139; Urt. v. 05.07.1994, BVerwGE 96, 200; Urt. v. 01.02.2007 – 1 C 24.06 -). Um zu beurteilen, ob die Verfolgungsdichte die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigt, müssen Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen auch zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23. 01.1991, BVerfGE 83, 216; BVerwG, Urt. v. 30.04.1996, BVerwGE 101, 123; Beschl. v. 23.12.2002, Buchholz 11 Art. 16a GG, Nr. 49). Allerdings reicht eine lediglich statistisch-quantitative Betrachtung nicht aus. Vielmehr ist die Verfolgungsprognose auch hier in qualifizierender wertender Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen, die die Schwere, Anzahl, Zeit und Häufigkeit der festgestellten einzelnen Verfolgungsschläge ebenso einbezieht wie die Größe der betroffenen Gruppe. Mithin bedarf es wie bei der Individualverfolgung letztlich einer wertenden Gesamtbetrachtung, weil auch insoweit die Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Heimatstaat das für die Beurteilung des Vorliegens einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr vorrangige qualitative Kriterium bildet (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1994, BVerwGE 96, 200). Der Feststellung der Verfolgungsdichte bedarf es nicht, wenn hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm bestehen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder bevorsteht. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn der Heimatstaat ethnische oder religiöse Minderheiten vernichten und ausrotten oder aus seinem Staatsgebiet vertreiben will. Die allgemeinen Anforderungen an eine hinreichend verlässliche Prognose müssen allerdings auch dann erfüllt sein. "Referenzfälle politischer Verfolgung" sowie ein "Klima allgemeiner moralischer, religiöser oder gesellschaftlicher Verachtung" sind auch dabei gewichtige Indizien für eine gegenwärtige Gefahr politischer Verfolgung (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1994, BVerwGE 96, 200).
17 
Wenn der Staat in einer Bürgerkriegssituation die effektive Gebietsgewalt in gewissen Teilbereichen des Konfliktgebietes innehat und dabei im Gegenzug zu den Aktionen des Bürgerkriegsgegners die am Konflikt nicht unmittelbar beteiligte Zivilbevölkerung durch Gegenterror unter den Druck brutaler Gewalt setzt, liegt ebenfalls politische Verfolgung vor (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.05.1993, NVwZ 1993, 1210 ). Eine solche Vorgehensweise in einer Bürgerkriegssituation kann sich als gruppengerichtete Verfolgung der der Gegenseite zugerechneten Zivilbevölkerung darstellen. Die Maßnahmen eines Staates, der faktisch die Rolle einer Bürgerkriegspartei einnimmt und in den umkämpften Bereichen seines Hoheitsgebietes nicht mehr als übergreifende, effektive Ordnungsmacht besteht, sind zwar dann keine politische Verfolgung im asylrechtlichen Sinne, wenn sie ein typisch militärisches Gepräge aufweisen und der Rückeroberung des Gebietes dienen, das zwar (noch) zum eigenen Staatsgebiet gehört, über das der Staat jedoch faktisch die Gebietsgewalt an den bekämpften Gegner verloren hat. Denn die Bekämpfung des Bürgerkriegsgegners durch staatliche Kräfte ist im Allgemeinen nicht politische Verfolgung. Führen allerdings die staatlichen Kräfte den Kampf in einer Weise, der auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten und nach asylerheblichen Merkmalen bestimmten Personen gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand mehr leisten wollen oder können oder an dem militärischen Geschehen nicht oder nicht mehr beteiligt sind, liegt politische Verfolgung vor. Dies gilt erst recht, wenn die staatlichen Maßnahmen in die Vernichtung oder Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität des aufständischen Bevölkerungsteils umschlagen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, BVerfGE 80, 315; BVerfG, Beschl. v. 09.12.1993, InfAuslR 1993, 105). Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung - wie für jede politische Verfolgung - ist ferner, dass die festgestellten asylrelevanten Maßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Wenn ein Staat einer ganzen Bevölkerungsgruppe pauschal zumindest eine Nähe zu separatistischen Aktivitäten oder gar generell deren Unterstützung unterstellt, so stellt sich auch die Frage, ob die Verfolgungsmaßnahmen - objektiv gesehen - auf die Volkszugehörigkeit gerichtet sind und an diese anknüpfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.12.1993, InfAuslR 1993, 105; BVerwG, Urt. v. 05.07.1994, BVerwGE 96, 200; Urt. v. 30.04.1996, BVerwGE 101, 123). Nach dieser Rechtsprechung setzt zwar auch die Annahme einer politischen Gruppenverfolgung durch "Gegenterror" im Bürgerkrieg grundsätzlich eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus. Die Feststellungen zur Verfolgungsdichte bei einem überschießenden militärischen Vorgehen, welches als Gegenterror qualifiziert werden kann, unterscheiden sich aber hinsichtlich der Qualität und Quantität der Verfolgungsschläge typischerweise nicht unerheblich von solchen zu einem Verfolgungsgeschehen, welches punktuell nur einzelne Mitglieder einer Gruppe betrifft. Mit Rücksicht hierauf kann die Feststellung einer Vielzahl von militärischen Angriffen auf die Zivilbevölkerung, der wahllosen Bombardierung von Zivilobjekten, oder von häufigen Bombardierungen mit zahlreichen Opfern die erforderliche Verfolgungsdichte aus tatrichterlicher Sicht eher belegen als etwa die Feststellung lediglich häufiger Übergriffe auf Einzelpersonen bei anderen Formen der Gruppenverfolgung ( BVerwG, Urt. v. 15.07.1997, ZAR 1998, 136).
18 
Gehört der zwar persönlich unverfolgt ausgereiste Ausländer einer Gruppe an, deren Mitglieder im Herkunftsstaat zumindest regional kollektiv verfolgt werden, ist ebenfalls der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzuwenden. Das gilt auch dann, wenn diese (regionale) Gefahr als objektiver Nachfluchttatbestand erst nach der Ausreise des Schutzsuchenden auftritt; denn für den Angehörigen einer solchen Gruppe hat sich das fragliche Land nachträglich als Verfolgerstaat erwiesen. Voraussetzung für die Anwendung des herabgestuften Prognosemaßstabs auf unverfolgt ausgereiste Ausländer ist freilich stets, dass der Betroffene tatsächlich alle Kriterien erfüllt, an die der Verfolgerstaat die Anwendung von Verfolgungsmaßnahmen knüpft, anderenfalls ist er von der kollektiven Verfolgung von vornherein nicht betroffen. Als unverfolgt Ausgereistem ist ihm die Rückkehr in die Heimat zuzumuten, wenn ihm dort nach dem allgemeinen Prognosemaßstab nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht (BVerwG, Urt. v. 09.09.1997, BVerwGE 105, 204 <208 f.>).
19 
Bisweilen erstreckt sich die politische Verfolgung nicht auf das ganze Land, sondern nur auf einen Landesteil, so dass der Betroffene in anderen Landesteilen Schutz finden kann. Eine solche Möglichkeit internen Schutzes (vgl. Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie) schließt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG aus. Für maßgeblich hält das Gericht dabei nach Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie nur interne Schutzmöglichkeiten im Zeitpunkt der Entscheidung, d.h. eine zum Zeitpunkt der nach Beginn der Gruppenverfolgung erfolgten Ausreise nicht wahrgenommene interne Schutzmöglichkeit schließt die Annahme einer Vorverfolgung nicht aus (s.a. Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 121). Von einer internen Schutzmöglichkeit ist auszugehen, sofern in einem Teil des Landes keine begründete Furcht vor Verfolgung besteht und von dem Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält (Art. 8 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie). Sie kommt mithin nur dort in Betracht, wo der Betroffene vor Verfolgung "hinreichend sicher" ist (BVerwG, Urt. v. 09.09.1997, BVerwGE 105, 204 <208>) und wo ihm keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, BVerfGE 80, 315 <343>). Die Einschränkung bei einer am Herkunftsort vergleichbaren Lage besteht nach Überzeugung des Gerichts auch unter Berücksichtigung von Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie. Zwar nimmt die Norm unmittelbar nur auf die Situation in den möglicherweise Schutz bietenden Gebieten Bezug. Ein Ausweichen auf einen verfolgungssicheren Landesteil kann vom Antragsteller aber auch dann i.S.v. Art. 8 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vernünftigerweise erwarten werden, wenn dort keine im Vergleich zur Situation am Herkunftsort neue existentielle Gefährdung droht (vgl. The House of Lords, Urt. v. 15.02.2006, zit. nach Dörig, Flüchtlingsschutz in Großbritannien, ZAR 2006, 272 <275 f.>). Zu diesen existentiellen Gefährdungen können vor allem die nicht mögliche Wahrung eines religiösen oder wirtschaftlichen Existenzminimums gehören (BVerwG, Urt. v. 15.05.1990, BVerwGE 85, 139). Es kommt darauf an, ob der Betroffene an dem Ort der internen Schutzalternative auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich Tod führt (BVerwG, Urt. v. 08.02.1989, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 104). Abzustellen ist dabei auf die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag (Art. 8 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie). So kann eine interne Schutzalternative beispielsweise zu verneinen sein, wenn für den Betroffenen dort wegen in seiner Person liegender Merkmale wie etwa Behinderung oder hohes Alter das wirtschaftliche Existenzminimum nicht gewährleistet ist. Sie kann auch dann zu verneinen sein, wenn der Ausländer am Ort der Schutzalternative keine Verwandten oder Freunde hat, bei denen er Obdach oder Unterstützung finden könnte, und ohne eine solche Unterstützung dort kein Leben über dem Existenzminimum möglich ist (BVerwG, Urt. v. 14.12.1993, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166).
20 
Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin aufgrund ihrer Angaben vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ihrer Angaben im Klageverfahren sowie aufgrund der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.
21 
Nach Auswertung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel geht das Gericht aber mit den Oberverwaltungsgerichten der Freien Hansestadt Bremen (Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A -; Urt. v. 30.03.2005 - 2 A 114/03.A; Urt. v. 23.03.2005 - 2 A 11603.A -) und des Landes Sachsen-Anhalt (Urt. v. 31.03.2006 - 2 L 40/06 -, aufgehoben durch BVerwG, Urt. v. 01.02.2007 - 1 C 24.06 -) und dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urt. v. 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A -, s. dazu BVerwG, Beschl. v. 05.01.2007 - 1 B 121/06 -; Hess. VGH, Urt. v. 02.02.2006 - 3 UE 3021/03.A -) und in Abweichung zu seiner früheren Kammerrechtsprechung (vgl. Urt. v. 10.03.2004 - A 11 12494/03 und A 11 12230/03 -) davon aus, dass tschetschenische Volkszugehörige seit Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges im September 1999 in Tschetschenien einer gegen tschetschenische Volkszugehörige als Gruppe gerichteten politischen Verfolgung ausgesetzt sind (s.a. OVG Schl.-H., Urt. v. 24.04.2003 - 1 LB 212/01 und 1 LB 213/01 - für den Entscheidungszeitpunkt; VG Berlin, Urt. v. 25.10.2006 - VG 33 X 83.02 – www.asyl.net; offen gelassen von VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.10.2006 - A 3 S 46/06 -; Bay. VGH, Urt. v. 19.06.2006 - 11 B 02.31598 -; Urt. v. 31.01.2005 - 11 B 02.31597 -; OVG NRW, Urt. v. 12.07.2005 - 11 A 2307/03.A -; OVG Schl.-H., Beschl. v. 31.07.2006 - 1 LB 124/05 -; Urt. v. 03.11.2005 - 1 LB 211/01 und 1 LB 259/01 -; OVG Saarl., Beschl. v. 29.05.2006 - 3 Q 1/06 -; Urt. v. 23.06.2005 - 2 R 17/03 -; OVG Nds., Beschl. v. 24.01.2006 - 13 LA 398/05 -; Beschl. v. 09.07.2003 - 13 LA 118/03 -; Beschl. v. 03.07.2003 - 13 LA 90/03 -; ablehnend nur Thür. OVG, Urt. v. 16.12.2004 - 3 KO 1003/04 -; OVG Nds., Beschl. v. 10.11.2005 - 13 LA 117/05 -).
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Eine Gruppenverfolgung tschetschenischer Volkszugehöriger in Tschetschenien seit Ausbruch des zweiten Krieges im September 1999 ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den ihm vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel. Danach stellt sich die Situation tschetschenischer Volkszugehöriger in Tschetschenien seit September 1999 wie folgt dar:
23 
Aus Anlass des Einfalls tschetschenischer Rebellengruppen in Dagestan und der Ausrufung eines islamischen Staates dort sowie Bombenattentaten in Moskau, die von Seiten der russischen Regierung tschetschenischen Rebellen zugeschrieben wurden, setzte die Führung der Russischen Föderation ab September 1999 Bodentruppen, Artillerie und Luftstreitkräfte in Tschetschenien mit dem erklärten Ziel ein, die tschetschenischen Rebellengruppen zu vernichten, die das Ziel der Unabhängigkeit Tschetscheniens und die Errichtung eines islamischen Staates anstrebten. Im Verlauf der Kämpfe brachte die russische Armee Anfang des Jahres 2000 Grosny und im Frühjahr des Jahres 2000 große Teile Tschetscheniens unter ihre Kontrolle. Die Rebellengruppen zogen sich in die südlichen Bergregionen zurück und begannen einen bis heute andauernden Guerillakrieg und terroristische Anschläge (vgl. Auswärtiges Amt , Ad hoc-Bericht v. 24.04.2001; Bundesamt, Der Tschetschenienkonflikt, Januar 2001; UNHCR, Stellungnahme Januar 2002). Die russische Armee ihrerseits ging unter dem Vorwand der Terroristenbekämpfung mit äußerster Brutalität auch gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien vor, die zum damaligen Zeitpunkt nach Schätzungen bereits im Wesentlichen aus tschetschenischen Volkszugehörigen bestand (vgl. UNHCR, Stellungnahme Januar 2002). Die russische Luftwaffe führte im Dauereinsatz Flächenbombardements gegen zahlreiche tschetschenische Städte und Ortschaften durch (amnesty international , RF: Tschetschenien, 22.12.1999; OVG Bremen, Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A - m.w.N.). Spitäler, Sanitätspersonal, andere Zivilisten und immer wieder Flüchtlingstrecks wurden vom Boden und aus der Luft durch russische Streitkräfte beschossen. Schon zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges kam es zu großen Fluchtbewegungen. Aufgrund des Einmarsches der russischen Armeeeinheiten und der Bombardierung der Städte flohen große Teile der Bevölkerung aus ihren Wohnorten in Tschetschenien. Die russische Armee hinderte die Flüchtlinge zum Teil bereits am Verlassen des Kampfgebietes, teilweise am Übertritt in die Nachbarrepubliken wie Inguschetien (AA, Ad hoc-Berichte v. 15.02.2000 und 15.11.2000). Dabei wurden auch Flüchtlingstrecks von der russischen Luftwaffe angegriffen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass von den zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges in Tschetschenien lebenden 450.000 Einwohnern 350.000 gewaltsam aus ihren Wohnorten vertrieben worden sind, davon 160.000 an andere Orte in Tschetschenien und die übrigen in andere Teile der Russischen Föderation und das Ausland (UNHCR, Stellungnahme Januar 2002). Die russischen Armeeeinheiten haben, wie schon im ersten Tschetschenienkrieg, an mehreren Orten in Tschetschenien sog. Filtrationslager eingerichtet. In diese Lager wurden wahllos tschetschenische Einwohner gebracht, wo nach den Erklärungen der russischen Stellen Terroristen aufgespürt werden sollten. In den Lagern wurden die tschetschenischen Volkszugehörigen durch russische Spezialkräfte systematisch misshandelt, vergewaltigt, gefoltert und getötet (ai, Stellungnahme v. 08.10.2001; Stellungnahme des Europäischen Parlaments zur Lage in Tschetschenien vom 08.03.2001). Der bis zum 31. März 2006 amtierende Menschenrechtskommissar des Europarates, Gil-Robles, konnte bei seinem Besuch in Tschetschenien zwar auch Haftanstalten besuchen, ihm wurden jedoch ausschließlich frisch gestrichene Zellen gezeigt und Gespräche mit Gefangenen nur in Anwesenheit von russischen Bewachern erlaubt. Die Foltervorwürfe konnten dadurch nicht widerlegt werden (vgl. AA, Lagebericht v. 22.05.2000). Auf der Suche nach Terroristen überfielen russische Militäreinheiten ganze Dörfer, nahmen deren Bewohner willkürlich fest und misshandelten sie (ai v. 20.02.2002 an VG Braunschweig). Gespräche mit Flüchtlingen in den Lagern Inguschetiens haben die Gräueltaten der russischen Armee bestätigt. Die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen waren gravierend. Es kam zu willkürlichen Racheakten an der Zivilbevölkerung. Bei einer Explosion auf einem belebten Markt in Grosny am 21.10.1999 kamen nach Augenzeugenberichten 140 Menschen ums Leben, 400 wurden zum Teil schwer verletzt. Widersprüchliche Angaben gibt es über die Täter und deren Motive. Recherchen von internationalen Menschenrechtsorganisationen (Human Rights Watch, Bericht v. 20.01.2000) und Äußerungen von Angehörigen russischer Spezialkräfte legen die Vermutung sehr nahe, dass es sich bei dieser Tat um eine „Sonderkommandoaktion" russischer Spezialkräfte handelte, die auf dem Marktplatz Waffen und Sprengstoff tschetschenischer Rebellen vermuteten. Frauen berichteten gegenüber Vertreterinnen von internationalen Hilfsorganisationen von Vergewaltigungen seitens russischer Soldaten bei der Eroberung von Ortschaften in Tschetschenien. Bei den Massakern russischer Verbände in Alkhan-Yurt südwestlich von Grosny im Dezember 1999 und in den Bezirken Grosnys Novje Aldi und Staropromyslowskij kam es zu Massenexekutionen von über 130 Zivilisten und darüber hinaus zu Vergewaltigungen, Plünderungen und Brandstiftungen. Anders als die meisten Übergriffe, über die berichtet wurde, war das Massaker in Alkhan-Yurt Gegenstand einer russischen Untersuchung, die allerdings nicht in ein Strafverfahren einmündete (AA, Ad hoc-Bericht v. 15.11.2000, Lagebericht v. 22.05.2000).
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Auch nach dem von Präsident Putin erklärten Ende des zweiten Tschetschenienkriegs im Jahr 2000 oder dem Beginn des politischen Prozesses im Jahr 2003 änderte sich die Vorgehensweise gegen die tschetschenische Zivilbevölkerung nicht grundlegend. Gezielt und systematisch durchgeführte Menschenrechtsverletzungen an Zivilisten durch russische Streitkräfte - Folter, Misshandlungen, Plünderungen, extralegale Verhaftungen und willkürliche Tötungen sowie „Verschwindenlassen“ vor allem während sog. „Säuberungsaktionen“ und in Hafteinrichtungen - hielten nach den Berichten internationaler und russischer Menschenrechtsorganisationen an und stellten nach wie vor eine reale Bedrohung für die Bevölkerung Tschetscheniens dar (ai, Stellungnahme v. 08.10.2001). Bestand der Verdacht, dass sich in einem Dorf Rebellen versteckt halten, fanden Säuberungsaktionen durch russische Soldaten statt. Die Männer wurden auf körperliche Spuren von Kampfhandlungen untersucht, die eroberten Häuser geplündert und in Brand gesteckt, oftmals kam es zu Gewaltanwendungen gegenüber der Bevölkerung, zahllose tschetschenische Frauen wurden von russischen Soldaten vergewaltigt, es wurden willkürlich Zivilisten verhaftet (vgl. Bundesamt, Der Tschetschenienkonflikt, Januar 2001). Amnesty international berichtet (Stellungnahme v. 08.10.2001) über mehrere Operationen russischer Soldaten gegen tschetschenische Zivilisten im Juni/Juli 2001 in verschiedenen Dörfern, in denen Tschetschenen zusammengetrieben, geschlagen, misshandelt, gefoltert, gequält und einige Zeit festgehalten worden seien, wobei mehrere Inhaftierte anschließend verschwunden blieben. Zwar habe der Kommandant der Streitkräfte im Nordkaukasus am 11.07.2001 öffentlich eingeräumt, dass bei den Razzien in Srnowodosk und Assinowskaja in großem Umfang Verbrechen gegen Zivilisten begangen worden seien und es habe der Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation zwei Ermittlungsteams nach Tschetschenien entsandt, um die Aktivitäten des Militärs untersuchen zu lassen. Dennoch sei es danach weiter zu „Säuberungsaktionen“ und schweren Menschenrechtsverletzungen an Zivilisten durch Angehörige der russischen Armee gekommen. Auch im August und im September 2001 habe amnesty international Berichte von „Säuberungsaktionen“ in Tschetschenien erhalten. Kriegsverbrechen und Massaker blieben ungesühnt, da die russische Führung kein Interesse an einer Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung zeigte (Bundesamt, Der Tschetschenienkonflikt, Januar 2001). Nach den Berichten der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch haben die russischen Streitkräfte Zehntausende Tschetschenen inhaftiert. Basierend auf den Aussagen ehemaliger Insassen der Haftanstalten von Tschernokosowa sowie von weiteren Haftanstalten in Tschetschenien (in Tolstoy-Yurt, Chankala und Urs-Martan ) als auch in der Provinz Stavropol und in Mosdok stellte Human Rights Watch in seinem Worldreport 2001 fest, dass seit Beginn des bewaffneten Konflikts im Oktober 1999 Tausende Tschetschenen an Kontrollposten sowie anlässlich von Eroberungen und Razzien von russischen Organen festgenommen worden seien. Die Verhaftungen seien zumeist mit fadenscheiniger Begründung erfolgt. Viele seien inhaftiert worden, weil sie nicht an ihrer offiziell registrierten Adresse vorgefunden worden seien, weil ihre Dokumente unvollständig gewesen seien und weil sie den gleichen Nachnamen wie ein Rebellenführer getragen hätten, weil ihr ursprünglich gesuchter Verwandter abwesend gewesen sei oder weil sie ausgesehen hätten wie Kämpfer. Während der Haft seien Männer und Frauen z. T. zu Tode geschlagen und vergewaltigt worden. Oft wären sie nur gegen Lösegeldzahlung freigekommen. Die Täter könnten damit rechnen, dass ihnen keine Strafen drohten. Unabhängige Beobachter seien sich darin einig, dass die von der russischen Regierung eingesetzten Organe zu eingehenden und unparteiischen Untersuchungen aller Menschenrechtsverletzungen und der Verurteilung der Täter bisher versagt hätten (vgl. Nachw. bei OVG Bremen, Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A -). Der Verbleib von vielen in „Filtrationslagern“ und sonstigen teils provisorischen und geheimen Hafteinrichtungen (Eisenbahnwagen, Erdlöcher in der Nähe von Militärstützpunkten) inhaftierten Personen bleibe ungeklärt. Jüngste Schätzungen über die nach Festnahmen durch russische Kräfte „verschwundenen“ Personen variierten zwischen 400 Personen, einer von offizieller russischer Seite genannten Zahl, und 18.000 Personen, einer vom Europarat genannten Zahl. Es sei erforderlich darauf hinzuweisen, dass auch in Hafteinrichtungen und „Filtrationslagern“ immer wieder Vergewaltigungen durch einen oder mehrere Täter stattfänden. Diesen Vergewaltigungen fielen auch Kinder und Jugendliche zum Opfer. An den Grenzkontrollstellen komme es regelmäßig und willkürlich zu Menschenrechtsverletzungen. Flüchtlinge, Personen, die regelmäßig zwischen den Regionen hin und her reisten, und Tschetschenen, die aus Inguschetien kommend die Grenze überschreiten wollten, um in Tschetschenien nach Verwandten zu suchen, würden von den russischen Soldaten zusammengeschlagen, angeschossen oder erschossen (ai, Ad hoc-Bericht v. 24.04.2001; OVG Bremen, Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A - m.w.N.).
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In der Folge der Geiselnahme im Moskauer Musiktheater „Nord-Ost" (Oktober 2002) hatte der russische Verteidigungsminister umgehend breit angelegte, harte „Säuberungsoperationen" in ganz Tschetschenien angekündigt. Es wurden systematisch Ortschaft für Ortschaft von bewaffneten Kräften umstellt und durchsucht. Wenige Tage nach Beginn der Operation wurden Argun, Berkart-Yurt sowie zahlreiche kleinere Ortschaften in den Bezirken Grosny, Schalinskij und Wedenskij von Sicherheitskräften umstellt, durchsucht und bereits über 5.000 „Verdächtige" zeitweise interniert. Nach welchen Kriterien die vereinigten Kräftegruppierungen diese Internierung vornahmen, ist nicht bekannt. Es gab Hinweise auf insgesamt 60 parallel ablaufende Operationen in 45 Ortschaften (AA, Lagebericht 30.08.2005). Am 09.04.2004 wurden in der Nähe von Sershen-Jurt im Bezirk Schali/Tschetschenien die Leichen von neun Tschetschenen gefunden, die Folterspuren und Schussverletzungen aufwiesen. Acht der Männer waren nach einer gezielten "Säuberungsaktion" von Sicherheitskräften in den frühen Morgenstunden des 27.03.2004, der neunte in der Nacht zum 02.04.2004 spurlos "verschwunden". Am 04.06.2005 wurden bei einer von ca. 200-400 Sicherheitskräften im tschetschenischen Dorf Borozdinovskaja durchgeführten Säuberungsaktion elf Dorfbewohner wegen angeblicher Unterstützung von Rebellen festgenommen. Vier Häuser wurden niedergebrannt. In einem dieser Häuser wurde später die Leiche eines Dorfbewohners gefunden (AA, Lagebericht v. 15.02.2006). Am 18.04.2005 kündigten die Sicherheitsbehörden den Beginn einer groß angelegten Spezialoperation mit 2000 Mann in den Bergen des Distrikts Vedeno an. Nachdem wiederholt Hubschrauber in der Nähe von Militärstützpunkten abgeschossen wurden, wurden nach der Moskauer Geiselnahme in Tschetschenien - ohne Koordination mit zivilen Verwaltungsstellen - Häuser gesprengt, die möglicherweise Deckung für den Abschuss von tragbaren Flugabwehrraketen bilden könnten. Tschetschenen, die in diesen Häusern lebten, wurden als Unterstützer von „Terroristen" verhaftet, weil sie nicht aktiv an der Verhinderung von Anschlägen mitgewirkt hätten (vgl. AA, Lagebericht v. 30.08.2005). Menschenrechtler kritisieren, dass die Behörden wahllos Flüchtlinge unter Druck gesetzt und kriminalisiert hätten (AA, Lagebericht v. 15.02.2006).
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Mit der Wahl eine tschetschenischen Parlaments am 27.11.2005 ist für Moskau der 2003 begonnene „politische Prozess“ zur Beilegung des Tschetschenienkonflikts abgeschlossen; Präsident Putin erklärte bei seiner Jahrespressekonferenz am 31.01.2006 die „antiterroristische Operation“ zum wiederholten Male für beendet (AA, Lagebericht v. 18.08.2006). Gleichwohl ist nach vor die Sicherheit der Zivilbevölkerung in Tschetschenien nicht gewährleistet. Der Konflikt ist nicht gelöst, sondern lediglich „tschetschenisiert“: Die russischen Streitkräfte überlassen das Feld immer mehr ihren tschetschenischen Verbündeten. Vor allem die Truppen des Vizepräsidenten Ramsan Kadyrow, die sog. Kadyrowski , haben sich einen zweifelhaften Ruf zugelegt (Ammann , Tschetschenien, 07.11.2005). Sie sind von der Bevölkerung noch stärker gefürchtet als die russischen Sicherheitskräfte (SFH v. 24.05.2004). Sie dürften inzwischen die föderalen Truppen als Hauptverantwortliche für Verschleppungen abgelöst haben (so Human Rights Watch, vgl. AA, Lagebericht v. 18.08.2006). Laut Memorial (Zur Situation der Bürger Tschetscheniens in der Russischen Föderation, Juni 2004 bis Juni 2005) finden deren Einsätze mit Unterstützung, Mitwirkung oder zumindest Billigung der föderalen Truppen statt. In den Gebieten, in denen sich russische Truppen aufhalten (dies betrifft mit Ausnahme der schwer zugänglichen Gebirgsregionen das gesamte Territorium der Teilrepublik), leidet die Bevölkerung einerseits unter den ständigen Razzien, „Säuberungsaktionen“, Plünderungen und Übergriffen durch russische Soldaten und Angehörige der Truppen von Ramsan Kadyrow und andererseits unter Guerillaaktivitäten und Geiselnahmen der Rebellen (AA, Lagebericht v. 15.02.2006; s.a. Ammann , Tschetschenien, 07.11.2005). Zu den erheblichen Menschenrechtsverletzungen durch russische und pro-russische tschetschenische Sicherheitskräfte zählen insbesondere willkürliche Festnahmen, Entführungen, Misshandlungen, Vergewaltigungen, Sachbeschädigungen und Diebstähle (AA, Lagebericht v. 18.08.2006). An die Stelle flächendeckender "Säuberungsaktionen" sind gezielte "Säuberungsaktionen" getreten. Angaben von russischer Seite, dass die fortgesetzten Entführungen ausschließlich auf das Konto von als Soldaten verkleideten Rebellen oder der persönlichen Sicherheitskräfte des Leiters der tschetschenischen Verwaltung Kadyrow gingen, sind unglaubwürdig. Fest steht, dass die Opfer häufig nicht erkennen können, wer die Täter sind (vgl. auch Hess. VGH, Urt. v. 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A -; OVG Sachs.-Anh., Urt. v. 31.03.2006 - 2 L 40/06 -; Memorial, Menschen aus Tschetschenien in der RF Juli 2005 - Juli 2006). Massive Menschenrechtsverletzungen durch russische und pro russische tschetschenische Sicherheitskräfte räumen auch offizielle russische Vertreter ein, wenn auch mit Hinweis auf Verbesserungen. Diesen Eindruck teilen die Nichtregierungsorganisationen nicht. Ihren Angaben zufolge ist die Zahl von Rechtsverletzungen (willkürliche Festnahme, Entführungen, Verschwinden von Menschen, Misshandlungen, Vergewaltigungen, Sachbeschädigungen, Diebstähle) jedenfalls nicht deutlich gesunken (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A -). Bedenklich ist weiterhin - so die Nichtregierungsorganisationen, kritische Beobachter und Presseberichte - die sich fortsetzende weitgehende Straflosigkeit nach Übergriffen durch die Sicherheitskräfte (vgl. AA, Lagerberichte v. 30.08.2005 und 15.02.2006 m.w.N.). Zahlreich sind nach wie vor Fälle des "Verschwindenlassens" von Zivilisten (AA, Lagebericht v. 18.08.2006). Die Menschenrechtsorganisation Memorial dokumentierte 447 Entführungsfälle im Jahr 2004 (Memorial, Menschen aus Tschetschenien in der RF Juli 2005 - Juli 2006, S. 37) Behördenvertreter und Politiker Tschetscheniens gehen für den gleichen Zeitraum von 175, 281 bzw. 500 Entführungsopfern aus (AA, Lagebericht 30.08.2005). Im Jahr 2005 wurden nach Memorial 317 Menschen entführt, von denen 126 befreit, 23 getötet, 15 in Untersuchungshaft und 153 immer noch vermisst seien. Von Januar bis Mai 2006 ist es nach Memorial zu weiteren 103 Entführungen gekommen, von den Entführten seien 50 befreit und sechs getötet worden. 38 seien noch verschwunden. Aufgrund der Tatsache, dass Memorial nur etwa 25 bis 30 % des tschetschenischen Territoriums beobachtet, dürfte die tatsächliche Zahl wesentlich höher sein (AA, Lagebericht v. 18.08.2006). Seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges im Jahr 1999 seien insgesamt etwa 5.000 Personen verschwunden. Entführungen werden sowohl den russischen und den pro russischen tschetschenischen Truppen als auch den Rebellen angelastet. Eine Liste der Menschenrechtsorganisation „Mütter Tschetscheniens“, deren Erstellung im Rahmen eines Menschenrechtsprojektes durch das Auswärtige Amt gefördert wurde, dokumentiert die Fälle von 451 seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges (1999) spurlos verschwundenen Menschen und schaltet russische und tschetschenische Zivil- und Militärbehörden ein. Auf keine der Anfragen an die Behörden hat es bisher einen positiven Bescheid gegeben, in keinem Fall ist es bisher gelungen, eine vermisste Person lebend wiederzufinden. Menschenrechtsorganisationen wie Memorial oder die Moskauer Helsinkigruppe gehen von monatlich 50 bis 80 bei „Säuberungen“ verschwundenen Personen aus (vgl. AA, Lagebericht 30.08.2005).
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Aus alledem ergibt sich, dass die russische Armee und die mit ihr verbundenen pro-russischen tschetschenischen Kräfte seit September 1999 den Bürgerkrieg gegen die tschetschenischen Separatisten in einer Weise führen, die sich als Gegenterror gegen die dort lebende tschetschenische Zivilbevölkerung darstellt. Angesichts der oben geschilderten Sachlage geht das Gericht davon aus, dass der russische Staat seit dem zweiten Tschetschenienkrieg die ganze Bevölkerungsgruppe der Tschetschenen pauschal verdächtigt, die Rebellen zu unterstützen und sie - objektiv gesehen - nur deswegen und ohne Feststellung einer konkreten Beteiligung an separatistischen Aktivitäten mit Mitteln bekämpft, die über die erforderliche staatliche Gegenwehr zur Rückeroberung bzw. Behauptung der effektiven Gebietsgewalt und Wiederherstellung der staatlichen Friedensordnung hinausgehen, so dass sich dies als eine sowohl an die vermutete politische Überzeugung als auch an die Ethnie anknüpfende Verfolgung der gesamten Volksgruppe der Tschetschenen darstellt. Die erkennbare Gerichtetheit der Maßnahmen der russischen Streitkräfte und der mit ihnen verbundenen tschetschenischen Kräfte gegen die tschetschenische Zivilbevölkerung hat die Regierung der Russischen Föderation zumindest stillschweigend hingenommen, weshalb ihr diese Maßnahmen zuzurechnen sind. Der russische Staat lässt es zu, dass seine Militärkräfte auf eine die Zivilbevölkerung in ihrer Gesamtheit asylrechtlich relevanten Übergriffen aussetzenden Art und Weise operieren.
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Angesichts des in vielen Einzelheiten dokumentierten Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien und der dabei erfolgenden massenhaften und massiven Verletzung asylrechtlich geschützter Rechtsgüter ist davon auszugehen, dass tschetschenische Volkszugehörige in Tschetschenien unabhängig davon, ob bei ihnen der konkrete Verdacht der Unterstützung von separatistischen Gruppierungen bestand, unmittelbar und jederzeit damit rechnen mussten und müssen, selbst Opfer der Übergriffe der russischen Armeeeinheiten oder der verbündeten tschetschenischen Kräfte zu werden. Dabei hat das OVG Bremen (Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A -) zutreffend darauf hingewiesen, dass die Zahl der von den asylerheblichen Eingriffen der genannten Art in Tschetschenien Betroffenen nicht exakt beziffert werden kann. Aufgrund der weitgehenden Behinderung einer unabhängigen Berichterstattung über die Situation in Tschetschenien durch die russische Behörden seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges es nur sehr eingeschränkt möglich ist, zuverlässige und verifizierbare Informationen aus und über Tschetschenien zu erhalten (AA, Ad hoc-Bericht v. 27.11.2002), so dass die in den bezeichneten Berichten mitgeteilten zahlreichen Referenzfälle das wirkliche Ausmaß des Verfolgungsgeschehens in Tschetschenien nicht abschließend wiederzugeben vermögen und die Dunkelziffer über weitere asylerhebliche Verfolgungsfälle beträchtlich ist. Das Gericht geht davon aus, dass eine Vielzahl weiterer Fälle aufgrund der Beschränkungen in der Berichterstattung und der von Memorial beobachteten Zurückhaltung vieler Betroffener, Menschenrechtsorganisationen von Übergriffen zu berichten (Menschen aus Tschetschenien in der RF Juli 2005 - Juli 2006, S. 37), keinen Eingang in die Erkenntnismaterialien gefunden hat. Die demnach anzunehmende Intensität und Häufigkeit der Verfolgungshandlungen rechtfertigen auch in Bezug auf die Größe der betroffenen Gruppe die Annahme einer Gruppenverfolgung. Bei der Volkszählung 1998 wurden in der noch ungeteilten Republik 734.000 Tschetschenen gezählt (UNHCR, Stellungnahme Januar 2002). Anfang 2002 lebten wegen des nur durch eine dreijährige Pause unterbrochenen jahrelangen Krieges in Tschetschenien schon aus der Zeit vor dem neuerlichen Tschetschenienkrieg ca. 600.000 der insgesamt 1.000.000 Tschetschenen nicht in Tschetschenien, sondern in anderen russischen Regionen bzw. GUS-Staaten (vgl. AA, Ad hoc-Bericht vom 07.05.2002). Die Volkszählung im Oktober 2002 ergab nach offiziellen Angaben zwar eine Zahl von über 1.000.000 Tschetschenen in Tschetschenien, der aber nicht gefolgt werden kann, nachdem unabhängige Beobachter und Nichtregierungsorganisationen diesem Ergebnis sehr kritisch gegenüberstehen und teilweise von einer Mehrfachregistrierung von Personen ausgehen, deren Gründe in finanziellen Anreizen der Registrierung und in der Furcht vor Säuberungsaktionen bei einer zu geringer Zahl von Tschetschenen in Tschetschenien liegen könnten. Vorherige Schätzungen waren von einer durch Flüchtlinge, Auswanderung und Kriegsopfer erheblich gesunkenen Einwohnerzahl für Tschetschenien ausgegangen und hatten zwischen 450.000 bis 800.000 Tschetschenen in Tschetschenien geschwankt (vgl. AA, Lageberichte v. 27.11.2002, 16.02.2004, 13.12.2004, 30.08.2005, 15.02.2006; OVG Bremen, Urt. v. 23.03.2005 - 2 A 11603.A -). Nach der geschätzten Bevölkerungsentwicklung in Tschetschenien und unter Abzug der von den Eingriffen nicht betroffenen jüngeren Kinder dürfte sich die Zahl der potentiell Betroffenen nunmehr auf ca. 400.000 Personen belaufen (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A -; Urt. v. 23.03.2005 - 2 A 11603.A -; OVG Sachs.-Anh., Urt. v. 31.03.2006 - 2 L 40/06 -; Hess. VGH, Urt. v. 02.02.2006 - 3 UE 3021/03.A -).
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Dies alles rechtfertigt die Annahme einer andauernden Gruppenverfolgung der tschetschenischen Zivilbevölkerung in der Teilrepublik Tschetschenien.
30 
Es kann dahinstehen, ob der Klägerin im Zeitpunkt ihrer Ausreise eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stand, da sie zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht auf interne Schutzmöglichkeiten in anderen Gebieten der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens verwiesen werden kann.
31 
Nach den allgemeinen Gegebenheiten in den als interne Schutzalternativen in Frage kommenden Gebieten und den persönlichen Umständen der Klägerin kann es von dieser nicht vernünftigerweise erwartet werden, sich in diese Gebiete zu begeben, da ihr dort andere existentielle Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen und die in Tschetschenien so nicht bestünden.
32 
Die Klägerin kann von vornherein nicht auf interne Schutzmöglichkeiten im Nordkaukasus verwiesen werden. Der ungelöste Tschetschenienkonflikt greift immer mehr auf die Nachbarrepubliken im Nordkaukasus über und destabilisiert inzwischen die gesamte Region. Nach Tschetschenien am meisten betroffen sind Inguschetien und Dagestan. In Dagestan finden verstärkt seit Jahresbeginn 2005 nahezu täglich Sprengstoffanschläge und Schießereien mit Toten und Verletzten statt. Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen und unabhängigen Beobachtern verüben dagestanische Sicherheitskräfte schwere Menschenrechtsverletzungen allen voran willkürliche Festnahmen und Folter. In Inguschetien ist dieselbe Tendenz zu beobachten. Die Sicherheitslage dort wird inzwischen von internationalen Organisationen (u. a. den Vereinten Nationen) als ebenso brisant wie in Tschetschenien eingeschätzt. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen kommt es in Inguschetien zu schweren Menschenrechtsverletzungen, verübt durch russische wie einheimische Sicherheitskräfte und tschetschenische Rebellen, denen sich immer mehr Inguschen anschließen. Die Geiselnahme von Beslan 2004 und die Kämpfe in Naltschik im September 2005 zeigen, dass die vormals eher ruhigen Republiken wie Kabardino-Balkarien und Nordossetien zunehmend in die Gewaltspirale einbezogen werden. Urheber der Anschläge sind verschiedene untereinander vernetzte islamische Gruppierungen. Der von russischen und einheimischen Sicherheitskräften geführte Kampf gegen den Terrorismus nimmt nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen immer brutalere Formen an. Willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen, Folter und Mord an „Terrorverdächtigen“ sind nach übereinstimmenden Angaben aller Beobachter im gesamten Nordkaukasus an der Tagesordnung (vgl. zu allem AA, Lagebericht v. 15.02.2006).
33 
Die übrigen Gebiete in der Russischen Föderation sind für die Klägerin ebenfalls keine zumutbaren Zufluchtsgebiete, da sie dort aufgrund ihrer persönlichen Umstände nicht in der Lage wäre, innerhalb eines absehbaren Zeitraums eine Registrierung zu erlangen, und ohne eine solche Registrierung existentiellen Gefahren ausgesetzt wäre.
34 
Tschetschenen aus Tschetschenien steht wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der Freizügigkeit, der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthaltsrechts in der Russischen Föderation zu (AA, Lagebericht v. 15.02.2006). Durch das Föderationsgesetz Nr. 52421 vom 25.06.1993 wurde ein Registrierungssystem eingeführt, bei dem die Bürger den örtlichen Dienststellen des Innenministeriums ihren Wohnort (sog. „dauerhafte Registrierung“) oder falls davon abweichend ihren Aufenthaltsort (sog. „vorübergehende Registrierung“) melden, im Gegensatz zu dem früher geltenden „Propiska“-System, das die Polizeibehörden ermächtigte, den Bürgern den Aufenthalt oder die Niederlassung an einem bestimmten Ort zu gestatten oder zu verwehren (UNHCR, Auskunft v. 29.10.2003; AA, Auskunft v. 12.11.2003, jew. an den Bay. VGH). Nur wer die Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen (vgl. AA, Lagebericht v. 15.02.2006). Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt, und die Registrierung am Wohnort ist Voraussetzung für den Zugang zur Sozialhilfe, zu staatlich gefördertem Wohnraum, zum kostenlosen Gesundheitssystem, zu den Bildungseinrichtungen und zum legalen Arbeitsmarkt (vgl. AA, Lagebericht v. 30.08.2005; UNHCR, Auskunft v. 29.10.2003 an den Bay. VGH). Wer nicht registriert ist, läuft Gefahr, verhaftet oder mit einer Geldstrafe belegt zu werden. Personen, denen die Registrierung verwehrt wird, versuchen ihr Überleben unter Vorenthaltung elementarer sozialer Rechte sicherzustellen. Sie sind bei Kontrollen zudem der Willkür staatlicher Bediensteter ausgeliefert (UNHCR, Auskunft v. 29.10.2003 an den Bay. VGH) und daher auf ein Leben in der Illegalität verwiesen.
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An vielen Orten ist der legale Zuzug von Personen aus den südlichen Republiken der Russischen Föderation durch restriktive örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken stark erschwert. Diese Zuzugsbeschränkungen gelten unabhängig von der Volkszugehörigkeit, wirken sich jedoch im Zusammenhang mit antikaukasischer Stimmung stark auf die Möglichkeit rückgeführter Tschetschenen aus, sich legal dort niederzulassen. Tschetschenen haben erhebliche Schwierigkeiten, außerhalb Tschetscheniens eine offizielle Registrierung zu erhalten. In einem Sonderbericht vom Oktober 2000 kritisierte der Ombudsmann der Russischen Föderation die regionalen Vorschriften, die im Widerspruch zu den nationalen Vorschriften stehen, sowie rechtswidrige Vollzugspraktiken. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen berichten, dass Tschetschenen häufig die Registrierung verweigert wird. Während in bestimmten Orten und Regionen eine Registrierung für Tschetschenien nur unter ganz besonders erschwerten Bedingungen möglich ist - abgesehen von den bereits als Schutzalternative ausgeschlossenen Gegenden sind dies insbesondere Moskau, St. Petersburg und die Regionen Krasnodar und Stawropol (vgl. Hess. VGH, Urt. v. 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A) - ist eine Registrierung in anderen Gebieten abhängig von der individuellen Durchsetzungsfähigkeit und den Möglichkeiten des Schutzsuchenden sowie seiner persönlichen Beziehungen und Anknüpfungspunkte außerhalb der tschetschenischen Republik im Einzelfall auch durchsetzbar. Dies rechtfertigt es nicht, ohne weiteres das Bestehen einer inländischen Schutzalternative für jeden tschetschenischen Asylsuchenden zu bejahen. Eine solche inländische Schutzalternative kann auch nicht mit dem pauschalen Hinweis angenommen werden, dass - entgegen der Einschätzung von Memorial, wonach die Registrierung für Tschetschenen immer ein großes Problem ist (Menschen aus Tschetschenien in der RF Juli 2005 - Juli 2006, S. 27) - in nicht näher zu bezeichnenden anderen Gebieten der Russischen Föderation möglicherweise eine Registrierung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen problemlos zu erlangen ist, denn grundsätzlich kann von einer in ihrer Heimatregion verfolgten Person nicht verlangt werden, in ihrem Herkunftsland ohne weitere Orientierung "herumzuvagabundieren", bis sie schließlich, ggfs. nach mehreren erfolglosen Versuchen, einen sicheren Ort ausfindig macht (so zutreffend Hess. VGH, Urt. v. 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A). Es ist vielmehr im Einzelfall zu klären, ob davon ausgegangen werden kann, dass der Betroffene trotz zu erwartender Schwierigkeiten auch in den übrigen Landesteilen der Russischen Föderation bei der Registrierung sich innerhalb eines ihm nach seiner individuellen Situation zuzumutenden Zeitraums erfolgreich gegen unrechtmäßige Behinderungen wird zur Wehr setzen können. Selbst wenn hiervon im Einzelfall nicht auszugehen ist, steht dies der Annahme interner Schutzmöglichkeiten nur dann entgegen, wenn ein Leben in der Illegalität von dem Betroffenen nicht vernünftigerweise erwartet werden kann, weil es mit existentiellen Gefahren verbunden wäre. Besonderes Gewicht kommt hinsichtlich beider Fragestellungen regelmäßig den vorhandenen Beziehungen des Schutzsuchenden zu außerhalb von Tschetschenien innerhalb der Russischen Föderation lebenden Personen, seinen persönlichen Fähigkeiten, seiner individuellen familiären Situation und seinen finanziellen Mitteln zu (vgl. AA, Lagebericht v. 30.08.2005).
36 
Nach diesen Maßstäben ist davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen Umstände ohne eine Registrierung nur vorübergehend in den Gebieten der Russischen Föderation außerhalb von Tschetschenien existieren kann. Nach ihren glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin keine Angehörige in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens, auf deren Hilfe sie zurückgreifen könnte. Es gibt auch keinen allgemeingültigen Erfahrungssatz, wonach tschetschenische Landsleute in der Diaspora einander helfen, auch wenn sie nicht miteinander bekannt oder verwandt sind. Auch sonstige Anknüpfungspunkte der Klägerin zu diesen Gebieten sind nicht erkennbar. Die Klägerin hat nie außerhalb ihres Familienverbandes und nie in anderen Gebieten der Russischen Föderation gelebt. Gänzlich auf sich allein gestellt vermag sie zur Überzeugung der Kammer ohne die mit einer Registrierung verbundenen elementaren sozialen Rechte nicht auf längere Sicht ihr Existenzminimum zu sichern.
37 
Eine solche Registrierung kann die Klägerin nicht erlangen, da es ihr bereits nicht zuzumuten ist, sich einen für eine Registrierung unabdingbaren gültigen russischen Inlandspass zu beschaffen, den sie zur Überzeugung der Kammer nicht besitzt. Auf die Frage, ob sich die Klägerin sodann innerhalb einer ihr individuell zumutbaren Zeit erfolgreich gegen eine unrechtmäßige Verwehrung einer Registrierung zur Wehr setzen können wird, kommt es daher nicht an.
38 
Der Umtausch der alten sowjetischen Inlandspässe, deren Gültigkeit ursprünglich bis zum 31.12.2003 begrenzt war, verlief so zögerlich, dass die Umtauschfrist durch Verordnung der russischen Regierung nochmals bis zum 30.06.2004 verlängert wurde. Für diejenigen russischen Staatsangehörigen, die seit dem 01.07.2004 kein gültiges Personaldokument vorweisen können, gelten die üblichen Vorschriften: Sie müssen eine Geldstrafe zahlen, erhalten ein vorläufiges Personaldokument und müssen bei dem für sie zuständigen Meldeamt die Ausstellung eines neuen Inlandspasses beantragen (vgl. AA, Lagebericht v. 15.02.2006). Nach Aufhebung des Befehls des Innenministeriums Nr. 347 vom 24. Mai 2003, nach dem es Tschetschenen, die sich außerhalb Tschetscheniens aufhielten, möglich war, ihren Inlandspass auch am Ort des vorübergehenden Aufenthaltes umzutauschen, ist dieser Personenkreis nunmehr wieder gezwungen, an den registrierten Wohnort zurückzukehren, um Passpapiere zu erhalten (vgl. AA, Auskunft v. 22.11.2005 an das VG Berlin). Nicht offiziell mit ständigem Wohnsitz im Ausland lebende russische Staatsangehörige müssen daher an ihren registrierten Wohnort zurückkehren, der sich selbst nach jahrelanger Abwesenheit nicht ändert, da es in der Russischen Föderation keine Abmeldung von Amts wegen gibt.
39 
Von der Klägerin kann vernünftigerweise nicht erwartet werden, auch nur vorübergehend zum Zwecke der Passbeschaffung nach Tschetschenien zurückzukehren, da jedenfalls aufgrund individueller Umstände nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen werden kann, dass sie dort asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sein wird. Es kommt mithin nicht darauf an, ob unabhängig von Besonderheiten des Einzelfalls tschetschenischen Volkszugehörigen generell eine kurzzeitige Rückkehr nach Tschetschenien gegenwärtig nicht zuzumuten ist (so Hess. VGH, Urt. v. 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A -; OVG Sachs.-Anh., Urt. v. 31.03.2006 - 2 L 40/06 -; a.A. Bay. VGH, Urt. v. 19.06.2006 - 11 B 02.31598 -; OVG Schl.-H., Beschl. v. 31.07.2006 - 1 LB 124/05 -). Der Erlass Nr. 828 sieht eine maximale Bearbeitungsdauer von zehn Tagen für die Ausstellung eines Inlandspasses vor, die auch in Tschetschenien regelmäßig eingehalten wird. Da die Ausstellung eines Rückreisedokuments für passlose russische Staatsangehörige eine Identitätsprüfung durch die russischen Innenbehörden voraussetzt, ist davon auszugehen, dass bei der Beantragung des Inlandspasses in Tschetschenien die für die Ausstellung eines Inlandspasses benötigten Unterlagen vorliegen (AA, Auskunft v. 03.03.2006 an den Bay. VGH).
40 
Trotz der demnach nur geringen Zeit, die die Klägerin in Tschetschenien verbringen müsste, und die sie durch eine zwischenzeitliche Ausreise weiter verkürzen könnte, ist der Klägerin die Passbeschaffung nicht zumutbar. Die Sicherheitslage in Tschetschenien ist nicht nur im Hinblick auf die dargestellten Übergriffe russischer und pro-russischer tschetschenischer Sicherheitskräfte besorgniserregend. Die tschetschenische Zivilbevölkerung ist darüber hinaus Übergriffen durch die in Tschetschenien ansässigen Rebellengruppen oder sonstige marodierende Banden ausgesetzt. Selbst wenn man gleichwohl annehmen wollte, während eines derart kurzen Aufenthalts in Tschetschenien bestünde lediglich die theoretische, nicht aber die reale Möglichkeit, Opfer eines Übergriffs zu werden, sind vorliegend objektive Anhaltspunkte gegeben, die einen Übergriff auf die Klägerin als nicht ganz entfernt, sondern als durchaus reale Möglichkeit erscheinen lassen.
41 
Dies ergibt sich allerdings nicht aus der von der Zeugin geschilderten Tätigkeit der Klägerin in der 5. Klinik nach 1996 bis zum Jahr 2000. Das Gericht konnte nach den nur detailarmen Ausführungen der Zeugin nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Klägerin tatsächlich in dieser Zeit Verwundeten geholfen hat, zumal eine solche Tätigkeit von der Klägerin selbst nicht behauptet wurde. Zudem ist nicht erkennbar, warum eine solche ausschließlich Zivilisten zuteil werdende medizinische Hilfe durch die Klägerin sie in eine besondere Gefahr bringen sollte, Übergriffen seitens der russischen oder pro-russischen Milizen oder seitens der Rebellen ausgesetzt zu sein. Die Klägerin hat auch nicht glaubhaft dargetan, Flüchtlingen geholfen und sich deshalb einer besonderen Gefahr ausgesetzt zu haben. Eine solche Betätigung hat die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt nicht geschildert. Selbst wenn es bei der Anhörung, wie die Klägerin behauptet, Verständigungsprobleme gegeben haben sollte, könnte dies möglicherweise einzelne Unrichtigkeiten erklären, nicht aber, dass ein solches Geschehen gänzlich unerwähnt bleibt. Auch in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin nur auf Nachfrage geschildert, "nach 1996 einige Male" Flüchtlingen geholfen zu haben, nach Georgien zu gelangen. Nach alledem kann offenbleiben, ob die behauptete Betätigung relevant für eine Gefährdung der Klägerin in Tschetschenien wäre.
42 
Eine erhöhte Gefährdung der Klägerin ergibt sich aber aus ihrer familiären Herkunft. Ohne dass es auf die genauen verwandtschaftlichen Beziehungen ankäme, besteht die begründete Besorgnis, dass die Klägerin bereits wegen der Namensgleichheit mit ihrer "Cousine" ... ein erhöhtes Risiko trägt, Opfer eines Übergriffs zu werden. ... arbeitete nach den Auskünften von Memorial für eine humanitäre Flüchtlingshilfsorganisation, wurde am 09.01.2004 entführt und nach Protestaktionen am 12.01.2004 mit verbundenen Händen und einem Sack über dem Kopf in der Stadt Argun freigelassen (Bewohner Tschetscheniens in der RF, Juni 2003 - Mai 2004, S. 81 f.). Nach dem Vorbringen der Klägerin vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung ist auch davon auszugehen, dass russische Streitkräfte die Familie der Klägerin insgesamt der Unterstützung separatistischer Gruppierungen verdächtigen. Insoweit hält das Gericht das Vorbringen der Klägerin zu den Vorfällen im August und September 2004 für glaubhaft. Ob die russischen Milizen dabei der Klägerin die von ihr geschilderten Vorhaltungen gemacht, sie mitgenommen und misshandelt haben, kann dahingestellt bleiben.
43 
Neben dem aufgrund dieser Umstände erhöhten Risiko der Klägerin, im Falle einer auch nur kurzzeitigen Rückkehr nach Tschetschenien Übergriffen russischer oder pro-russischer tschetschenischer Streitkräfte ausgesetzt zu sein, ist der Klägerin zur Überzeugung der Kammer ein vorübergehender Aufenthalt in Tschetschenien auch aufgrund ihrer Erlebnisse im Jahr 1996 nicht zuzumuten. Die Klägerin hat glaubhaft geschildert, im Jahr 1996, in welchem ihr Bruder an seinen kriegsbedingten Verletzungen gestorben und auch ihr Vater bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen sei, für nicht ganz zwei Wochen in den Kellern des 5. Hospitals Verwundete versorgt zu haben. Die Art und Weise der Schilderung in der mündlichen Verhandlung, insbesondere die mit ihr unverkennbar verbundene emotionale Belastung der Klägerin, die auch dem Protokoll der Anhörung vor dem Bundesamt zu entnehmen ist, gibt dem Gericht die Gewissheit, dass eine Konfrontation mit den Ereignissen im Jahr 1996, die bei einer Rückkehr der Klägerin nach Tschetschenien unausweichlich wäre, die Klägerin in ihrer psychischen Gesundheit derart unzumutbar beeinträchtigen würde, dass eine Rückkehr von ihr gegenwärtig nicht vernünftigerweise erwartet werden kann. Für diese Einschätzung bedarf das Gericht, das sich durch den vorgelegten ärztlichen Befundbericht vom 04.04.2006 bestätigt sieht, nicht der Hinzuziehung weiteren medizinischen Sachverstandes.
44 
Die existenziellen Gefährdungen, denen die Klägerin derzeit in den übrigen Gebieten der Russischen Föderation ausgesetzt wäre, bestünden so für die Klägerin in Tschetschenien nicht. Die Bevölkerung in Tschetschenien lebt zwar gegenwärtig unter sehr schweren Bedingungen. Die Grundversorgung insbesondere in Grosny mit Nahrungsmitteln ist äußerst mangelhaft. Die Lieferung von Nahrungsmitteln durch internationale Hilfsorganisationen in das Krisengebiet ist nur sehr begrenzt und punktuell möglich. Die Infrastruktur (Strom, fließendes Wasser, Heizung etc.) und das Gesundheitssystem waren nahezu vollständig zusammengebrochen, doch zeigen Wiederaufbauprogramme und die geleisteten Kompensationszahlungen erste zaghafte Erfolge. Missmanagement und Korruption verhindern allerdings in vielen Fällen, dass die Gelder für die vorgesehenen Projekte verwendet werden. Etwa 50 % des Wohnraumes ist seit dem ersten Krieg (1994 bis 1996) in Tschetschenien zerstört. Die Arbeitslosigkeit beträgt nach der offiziellen Statistik 80 % (russischer Durchschnitt: 7,5 % im November 2005). Das reale pro-Kopf-Einkommen ist in Tschetschenien sehr niedrig. Es beträgt nach den offiziellen Statistiken etwa 1/10 des Einkommens in Moskau. Haupteinkommensquelle ist der Handel. Andere legale Einkommensmöglichkeiten gibt es kaum. Die medizinische Grundversorgung in Tschetschenien ist unzureichend. Durch den Krieg waren medizinische Einrichtungen in Tschetschenien weitgehend nicht mehr funktionsträchtig. Der Wiederaufbau verläuft zwar schleppend, doch gibt es dank internationaler Hilfe Fortschritte bei der personellen, technischen und materiellen Ausstattung in einigen Krankenhäusern, die eine bessere medizinische Grundversorgung gewährleisten (AA, Lagebericht v. 15.02.2006). Trotz dieser im Verhältnis zu anderen Regionen der Russischen Föderation weitaus schlechteren ökonomischen Lage in Tschetschenien wären die Möglichkeiten zum physischen Überleben für die Klägerin bei einer Rückkehr dorthin vergleichsweise besser, weil ihr in ihrem Herkunftsgebiet das unabdingbare soziale Beziehungsgeflecht zur Verfügung stünde, das ihr zum Überleben ohne Registrierung in der übrigen Russischen Föderation fehlt. In Tschetschenien könnte die Klägerin in ihr früheres familiäres Umfeld zurückkehren. Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sie in Grosny bei ihrer Stiefmutter, ihren zahlreichen Geschwistern oder ihrer Cousine Aufnahme finden würde. Mit Unterstützung dieses Familienverbandes wäre sie zur Überzeugung der Kammer in der Lage, ihr Existenzminimum in Tschetschenien zu sichern.
45 
Nach allem sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für die Klägerin gegeben.
46 
Besteht somit kein Anlass für eine Entscheidung über das Vorliegen weiterer ausländerrechtlicher Abschiebungshindernisse (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG), ist auch die Entscheidung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 3), aufzuheben. Zwar spricht der Wortlaut des Gesetzes für ein Ermessen der Behörde, von einer Entscheidung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG abzusehen. Indes muss Berücksichtigung finden, dass bei einer Asylanerkennung oder dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG eine Bejahung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht geeignet ist, dem Ausländer im Verhältnis zu den für ihn positiven Entscheidungen in Bezug auf seine Anerkennung und die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG irgendeinen Vorteil zu bringen. Von daher ist regelmäßig das Ermessen der Beklagten in den Fällen des § 31 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylVfG dahin reduziert, dass aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung von einer Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG abzusehen ist. Schließlich ist auch die Abschiebungsandrohung (Ziff. 4) aufzuheben. Sie ist rechtswidrig, da sie die Russische Föderation nicht als den Staat bezeichnet, in den die Klägerin nicht abgeschoben werden darf (vgl. § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, § 60 Abs. X Satz 2 AufenthG). Eine auf die Benennung der Russischen Föderation als Zielstaat einer Abschiebung beschränkte Teilaufhebung der Abschiebungsandrohung kommt daher nicht in Betracht.
47 
Über den gestellten Hilfsantrag bedarf es keiner Entscheidung mehr.
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b Abs. 1 AsylVfG).

Gründe

 
Das Gericht konnte in Abwesenheit eines Vertreters der Beklagten über die Klage verhandeln und entscheiden, denn die Beklagte wurde bei der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
10 
Die Klage ist nach dem erkennbaren Begehren der Klägerin (§ 88 VwGO) im Hauptantrag gerichtet auf Aufhebung des Bescheides mit Ausnahme von Ziff. 1 und Verpflichtung der Beklagten festzustellen, dass die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG gegeben sind. Sie ist zulässig und begründet.
11 
Der Bescheid des Bundesamtes vom 31.08.2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit festgestellt wird, dass die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2); die Klägerin hat nach den Gegebenheiten zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylVfG) einen Anspruch auf die gegenteilige Feststellung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
12 
Gemäß § 60 Abs.1 AufenthG, bei dessen Auslegung nach Ablauf ihrer Umsetzungsfrist die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 (ABl. v. 30.09.2004, L 304/12 - Qualifikationsrichtlinie -) zu berücksichtigen ist, darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBI. 1953 II S. 559 - GFK -) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Diese spezifische Zielrichtung ist anhand des inhaltlichen Charakters der Verfolgung nach deren erkennbarem Zweck und nicht nach den subjektiven Motiven des Verfolgenden zu ermitteln (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, BVerfGE 80, 315 <344>; zur Motivation vgl. BVerwG, Urt. v. 19.05.1987, BVerwGE 77, 258). Werden nicht Leib, Leben oder physische Freiheit gefährdet, sondern andere Grundfreiheiten wie etwa die Religionsausübung oder die berufliche und wirtschaftliche Betätigung, so sind nur solche Beeinträchtigungen asylrelevant, die nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen und über das hinausgehen, was die Bewohner des Heimatstaats aufgrund des dort herrschenden Systems allgemein hinzunehmen haben (BVerfG, Beschl. v. 02.07.1980, BVerfGE 54, 341; BVerwG, Urt. v. 18.02.1986, BVerwGE 74, 31).
13 
Die Gefahr einer derartigen Verfolgung ist gegeben, wenn dem Asylsuchenden bei verständiger Würdigung aller Umstände seines Falles politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, wobei die insoweit erforderliche Zukunftsprognose auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abgestellt und auf einen absehbaren Zeitraum ausgerichtet sein muss (BVerwG, Urt. v. 03.12.1985, NVwZ 1986, 760 m.w.N.). Eine Verfolgung droht bei der Ausreise mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, wenn bei qualifizierender Betrachtungsweise die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (BVerwG, Urt. v. 14.12.1993, DVBl. 1994, 524, 525). Hat der Asylsuchende sein Heimatland unverfolgt verlassen, hat er nur dann einen Asylanspruch, wenn ihm aufgrund eines asylrechtlich erheblichen Nachfluchttatbestandes politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht (BVerfG, Beschl. v. 26.11.1986, BVerfGE 74, 51 <64>; BVerwG, Urt. v. 20.11.1990, BVerwGE 87, 152). Einem Asylbewerber, der bereits einmal politisch verfolgt war, kann eine Rückkehr in seine Heimat nur zugemutet werden, wenn die Wiederholung von Verfolgungsmaßnahmen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist (BVerfG, Beschl. v. 02.07.1980, BVerfGE 54, 341; BVerwG, Urt. v. 25.09.1984, BVerwGE 70, 169). Dies setzt eine mehr als nur überwiegende Wahrscheinlichkeit voraus, dass es im Heimatstaat zu keinen Verfolgungsmaßnahmen kommen wird (BVerwG, Urt. v. 31.03.1981, Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27). Nach diesem (herabgestuften) Maßstab wird andererseits nicht verlangt, dass die Gefahr erneuter Übergriffe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Vielmehr ist eine Rückkehr unzumutbar, wenn über die theoretische Möglichkeit, Opfer eines Übergriffs zu werden, hinaus objektive Anhaltspunkte einen Übergriff als nicht ganz entfernt und damit als durchaus reale Möglichkeit erscheinen lassen (BVerwG, Urt. v. 08.09.1992, NVwZ 1993, 191); es müssen mindestens ernsthafte Zweifel an der künftigen Sicherheit des Betroffenen vor erneuter Verfolgung bestehen (BVerwG, Urt. v. 01.10.1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 37). Dies entspricht auch Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie, wonach eine Vorverfolgung des Antragstellers einen ernsthaften Hinweis darauf darstellt, dass dessen Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von einer solchen Verfolgung bedroht wird.
14 
Der Asylbewerber ist aufgrund der ihm obliegenden prozessualen Mitwirkungspflicht gehalten, von sich aus umfassend die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse substantiiert und in sich schlüssig zu schildern sowie eventuelle Widersprüche zu seinem Vorbringen in früheren Verfahrensstadien nachvollziehbar aufzulösen, so dass sein Vortrag insgesamt geeignet ist, den Asylanspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Urt. v. 08.05.1984, NVwZ 1985, 36) und insbesondere auch den politischen Charakter der Verfolgungsmaßnahmen festzustellen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.03.1983, Buchholz 402.24 Nr. 44 zu § 28 AuslG). Bei der Darstellung der allgemeinen Umstände im Herkunftsland genügt es dagegen, dass die vorgetragenen Tatsachen die nicht entfernt liegende Möglichkeit politischer Verfolgung ergeben (BVerwG, Urt. v. 23.11.1982, BVerwGE 66, 237).
15 
Die Gefahr eigener politischer Verfolgung kann sich auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das der Schutzsuchende mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsmöglichkeit vergleichbaren Lage befindet und deshalb seine eigene bisherige Verschonung von ausgrenzenden Rechtsgutbeeinträchtigungen als eher zufällig anzusehen ist (BVerfG, Beschl. v. 23.01.1991, BVerfGE 83, 216; BVerwG, Urt. v. 05.07.1994, BVerwGE 96, 200). Zu einer in diesem Sinne verfolgungsbetroffenen Gruppe gehören alle Personen, die der Verfolger für seine Verfolgungsmaßnahmen in den Blick nimmt; dies können entweder sämtliche Träger eines zur Verfolgung Anlass gebenden Merkmals - etwa einer bestimmten Ethnie oder Religion - sein oder nur diejenigen von ihnen, die zusätzlich (mindestens) ein weiteres Kriterium erfüllen, beispielsweise in einem bestimmten Gebiet leben oder ein bestimmtes Lebensalter aufweisen; solchenfalls handelt es sich um eine entsprechend – örtlich, sachlich oder persönlich - begrenzte Gruppenverfolgung (BVerwG, Urt. v. 09.09.1997, BVerwGE 105, 204). Kennzeichen einer "regionalen" oder "örtlich begrenzten" Gruppenverfolgung ist es, dass der unmittelbar oder mittelbar verfolgende Staat die gesamte, durch ein Kennzeichen oder mehrere Merkmale oder Umstände verbundene Gruppe im Blick hat, sie aber - als "mehrgesichtiger Staat" - beispielsweise aus Gründen politischer Opportunität nicht oder jedenfalls derzeit nicht landesweit verfolgt (vgl. BVerwG, Urt. v. 09.09.1997, BVerwGE 105, 204 <207> m.w.N.; OVG NRW, Urt. v. 12.07.2005 - 11 A 2307/03.A).
16 
Die Annahme einer gruppengerichteten Verfolgung setzt eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung jedes einzelnen Gruppenmitglieds rechtfertigt; hierfür ist die Gefahr einer so großen Zahl von Eingriffshandlungen in relevante Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine bloße Vielzahl solcher Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Gebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und in quantitativer und qualitativer Hinsicht so um sich greifen, dass dort für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (BVerwG, Urt. v. 15.05.1990, BVerwGE 85, 139; Urt. v. 05.07.1994, BVerwGE 96, 200; Urt. v. 01.02.2007 – 1 C 24.06 -). Um zu beurteilen, ob die Verfolgungsdichte die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigt, müssen Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen auch zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23. 01.1991, BVerfGE 83, 216; BVerwG, Urt. v. 30.04.1996, BVerwGE 101, 123; Beschl. v. 23.12.2002, Buchholz 11 Art. 16a GG, Nr. 49). Allerdings reicht eine lediglich statistisch-quantitative Betrachtung nicht aus. Vielmehr ist die Verfolgungsprognose auch hier in qualifizierender wertender Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen, die die Schwere, Anzahl, Zeit und Häufigkeit der festgestellten einzelnen Verfolgungsschläge ebenso einbezieht wie die Größe der betroffenen Gruppe. Mithin bedarf es wie bei der Individualverfolgung letztlich einer wertenden Gesamtbetrachtung, weil auch insoweit die Zumutbarkeit einer Rückkehr in den Heimatstaat das für die Beurteilung des Vorliegens einer beachtlich wahrscheinlichen Verfolgungsgefahr vorrangige qualitative Kriterium bildet (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1994, BVerwGE 96, 200). Der Feststellung der Verfolgungsdichte bedarf es nicht, wenn hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm bestehen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder bevorsteht. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn der Heimatstaat ethnische oder religiöse Minderheiten vernichten und ausrotten oder aus seinem Staatsgebiet vertreiben will. Die allgemeinen Anforderungen an eine hinreichend verlässliche Prognose müssen allerdings auch dann erfüllt sein. "Referenzfälle politischer Verfolgung" sowie ein "Klima allgemeiner moralischer, religiöser oder gesellschaftlicher Verachtung" sind auch dabei gewichtige Indizien für eine gegenwärtige Gefahr politischer Verfolgung (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1994, BVerwGE 96, 200).
17 
Wenn der Staat in einer Bürgerkriegssituation die effektive Gebietsgewalt in gewissen Teilbereichen des Konfliktgebietes innehat und dabei im Gegenzug zu den Aktionen des Bürgerkriegsgegners die am Konflikt nicht unmittelbar beteiligte Zivilbevölkerung durch Gegenterror unter den Druck brutaler Gewalt setzt, liegt ebenfalls politische Verfolgung vor (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.05.1993, NVwZ 1993, 1210 ). Eine solche Vorgehensweise in einer Bürgerkriegssituation kann sich als gruppengerichtete Verfolgung der der Gegenseite zugerechneten Zivilbevölkerung darstellen. Die Maßnahmen eines Staates, der faktisch die Rolle einer Bürgerkriegspartei einnimmt und in den umkämpften Bereichen seines Hoheitsgebietes nicht mehr als übergreifende, effektive Ordnungsmacht besteht, sind zwar dann keine politische Verfolgung im asylrechtlichen Sinne, wenn sie ein typisch militärisches Gepräge aufweisen und der Rückeroberung des Gebietes dienen, das zwar (noch) zum eigenen Staatsgebiet gehört, über das der Staat jedoch faktisch die Gebietsgewalt an den bekämpften Gegner verloren hat. Denn die Bekämpfung des Bürgerkriegsgegners durch staatliche Kräfte ist im Allgemeinen nicht politische Verfolgung. Führen allerdings die staatlichen Kräfte den Kampf in einer Weise, der auf die physische Vernichtung von auf der Gegenseite stehenden oder ihr zugerechneten und nach asylerheblichen Merkmalen bestimmten Personen gerichtet ist, obwohl diese keinen Widerstand mehr leisten wollen oder können oder an dem militärischen Geschehen nicht oder nicht mehr beteiligt sind, liegt politische Verfolgung vor. Dies gilt erst recht, wenn die staatlichen Maßnahmen in die Vernichtung oder Zerstörung der ethnischen, kulturellen oder religiösen Identität des aufständischen Bevölkerungsteils umschlagen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, BVerfGE 80, 315; BVerfG, Beschl. v. 09.12.1993, InfAuslR 1993, 105). Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung - wie für jede politische Verfolgung - ist ferner, dass die festgestellten asylrelevanten Maßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Wenn ein Staat einer ganzen Bevölkerungsgruppe pauschal zumindest eine Nähe zu separatistischen Aktivitäten oder gar generell deren Unterstützung unterstellt, so stellt sich auch die Frage, ob die Verfolgungsmaßnahmen - objektiv gesehen - auf die Volkszugehörigkeit gerichtet sind und an diese anknüpfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.12.1993, InfAuslR 1993, 105; BVerwG, Urt. v. 05.07.1994, BVerwGE 96, 200; Urt. v. 30.04.1996, BVerwGE 101, 123). Nach dieser Rechtsprechung setzt zwar auch die Annahme einer politischen Gruppenverfolgung durch "Gegenterror" im Bürgerkrieg grundsätzlich eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus. Die Feststellungen zur Verfolgungsdichte bei einem überschießenden militärischen Vorgehen, welches als Gegenterror qualifiziert werden kann, unterscheiden sich aber hinsichtlich der Qualität und Quantität der Verfolgungsschläge typischerweise nicht unerheblich von solchen zu einem Verfolgungsgeschehen, welches punktuell nur einzelne Mitglieder einer Gruppe betrifft. Mit Rücksicht hierauf kann die Feststellung einer Vielzahl von militärischen Angriffen auf die Zivilbevölkerung, der wahllosen Bombardierung von Zivilobjekten, oder von häufigen Bombardierungen mit zahlreichen Opfern die erforderliche Verfolgungsdichte aus tatrichterlicher Sicht eher belegen als etwa die Feststellung lediglich häufiger Übergriffe auf Einzelpersonen bei anderen Formen der Gruppenverfolgung ( BVerwG, Urt. v. 15.07.1997, ZAR 1998, 136).
18 
Gehört der zwar persönlich unverfolgt ausgereiste Ausländer einer Gruppe an, deren Mitglieder im Herkunftsstaat zumindest regional kollektiv verfolgt werden, ist ebenfalls der herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzuwenden. Das gilt auch dann, wenn diese (regionale) Gefahr als objektiver Nachfluchttatbestand erst nach der Ausreise des Schutzsuchenden auftritt; denn für den Angehörigen einer solchen Gruppe hat sich das fragliche Land nachträglich als Verfolgerstaat erwiesen. Voraussetzung für die Anwendung des herabgestuften Prognosemaßstabs auf unverfolgt ausgereiste Ausländer ist freilich stets, dass der Betroffene tatsächlich alle Kriterien erfüllt, an die der Verfolgerstaat die Anwendung von Verfolgungsmaßnahmen knüpft, anderenfalls ist er von der kollektiven Verfolgung von vornherein nicht betroffen. Als unverfolgt Ausgereistem ist ihm die Rückkehr in die Heimat zuzumuten, wenn ihm dort nach dem allgemeinen Prognosemaßstab nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht (BVerwG, Urt. v. 09.09.1997, BVerwGE 105, 204 <208 f.>).
19 
Bisweilen erstreckt sich die politische Verfolgung nicht auf das ganze Land, sondern nur auf einen Landesteil, so dass der Betroffene in anderen Landesteilen Schutz finden kann. Eine solche Möglichkeit internen Schutzes (vgl. Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie) schließt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG aus. Für maßgeblich hält das Gericht dabei nach Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie nur interne Schutzmöglichkeiten im Zeitpunkt der Entscheidung, d.h. eine zum Zeitpunkt der nach Beginn der Gruppenverfolgung erfolgten Ausreise nicht wahrgenommene interne Schutzmöglichkeit schließt die Annahme einer Vorverfolgung nicht aus (s.a. Marx, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl., § 7 Rdnr. 121). Von einer internen Schutzmöglichkeit ist auszugehen, sofern in einem Teil des Landes keine begründete Furcht vor Verfolgung besteht und von dem Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält (Art. 8 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie). Sie kommt mithin nur dort in Betracht, wo der Betroffene vor Verfolgung "hinreichend sicher" ist (BVerwG, Urt. v. 09.09.1997, BVerwGE 105, 204 <208>) und wo ihm keine anderen Nachteile und Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen, sofern diese existentielle Gefährdung am Herkunftsort so nicht bestünde (BVerfG, Beschl. v. 10.07.1989, BVerfGE 80, 315 <343>). Die Einschränkung bei einer am Herkunftsort vergleichbaren Lage besteht nach Überzeugung des Gerichts auch unter Berücksichtigung von Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie. Zwar nimmt die Norm unmittelbar nur auf die Situation in den möglicherweise Schutz bietenden Gebieten Bezug. Ein Ausweichen auf einen verfolgungssicheren Landesteil kann vom Antragsteller aber auch dann i.S.v. Art. 8 Abs. 1 der Qualifikationsrichtlinie vernünftigerweise erwarten werden, wenn dort keine im Vergleich zur Situation am Herkunftsort neue existentielle Gefährdung droht (vgl. The House of Lords, Urt. v. 15.02.2006, zit. nach Dörig, Flüchtlingsschutz in Großbritannien, ZAR 2006, 272 <275 f.>). Zu diesen existentiellen Gefährdungen können vor allem die nicht mögliche Wahrung eines religiösen oder wirtschaftlichen Existenzminimums gehören (BVerwG, Urt. v. 15.05.1990, BVerwGE 85, 139). Es kommt darauf an, ob der Betroffene an dem Ort der internen Schutzalternative auf Dauer ein Leben unter dem Existenzminimum zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich Tod führt (BVerwG, Urt. v. 08.02.1989, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 104). Abzustellen ist dabei auf die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers zum Zeitpunkt der Entscheidung über seinen Antrag (Art. 8 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie). So kann eine interne Schutzalternative beispielsweise zu verneinen sein, wenn für den Betroffenen dort wegen in seiner Person liegender Merkmale wie etwa Behinderung oder hohes Alter das wirtschaftliche Existenzminimum nicht gewährleistet ist. Sie kann auch dann zu verneinen sein, wenn der Ausländer am Ort der Schutzalternative keine Verwandten oder Freunde hat, bei denen er Obdach oder Unterstützung finden könnte, und ohne eine solche Unterstützung dort kein Leben über dem Existenzminimum möglich ist (BVerwG, Urt. v. 14.12.1993, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 166).
20 
Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin aufgrund ihrer Angaben vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, ihrer Angaben im Klageverfahren sowie aufgrund der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.
21 
Nach Auswertung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel geht das Gericht aber mit den Oberverwaltungsgerichten der Freien Hansestadt Bremen (Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A -; Urt. v. 30.03.2005 - 2 A 114/03.A; Urt. v. 23.03.2005 - 2 A 11603.A -) und des Landes Sachsen-Anhalt (Urt. v. 31.03.2006 - 2 L 40/06 -, aufgehoben durch BVerwG, Urt. v. 01.02.2007 - 1 C 24.06 -) und dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urt. v. 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A -, s. dazu BVerwG, Beschl. v. 05.01.2007 - 1 B 121/06 -; Hess. VGH, Urt. v. 02.02.2006 - 3 UE 3021/03.A -) und in Abweichung zu seiner früheren Kammerrechtsprechung (vgl. Urt. v. 10.03.2004 - A 11 12494/03 und A 11 12230/03 -) davon aus, dass tschetschenische Volkszugehörige seit Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges im September 1999 in Tschetschenien einer gegen tschetschenische Volkszugehörige als Gruppe gerichteten politischen Verfolgung ausgesetzt sind (s.a. OVG Schl.-H., Urt. v. 24.04.2003 - 1 LB 212/01 und 1 LB 213/01 - für den Entscheidungszeitpunkt; VG Berlin, Urt. v. 25.10.2006 - VG 33 X 83.02 – www.asyl.net; offen gelassen von VGH Bad.-Württ., Urt. v. 25.10.2006 - A 3 S 46/06 -; Bay. VGH, Urt. v. 19.06.2006 - 11 B 02.31598 -; Urt. v. 31.01.2005 - 11 B 02.31597 -; OVG NRW, Urt. v. 12.07.2005 - 11 A 2307/03.A -; OVG Schl.-H., Beschl. v. 31.07.2006 - 1 LB 124/05 -; Urt. v. 03.11.2005 - 1 LB 211/01 und 1 LB 259/01 -; OVG Saarl., Beschl. v. 29.05.2006 - 3 Q 1/06 -; Urt. v. 23.06.2005 - 2 R 17/03 -; OVG Nds., Beschl. v. 24.01.2006 - 13 LA 398/05 -; Beschl. v. 09.07.2003 - 13 LA 118/03 -; Beschl. v. 03.07.2003 - 13 LA 90/03 -; ablehnend nur Thür. OVG, Urt. v. 16.12.2004 - 3 KO 1003/04 -; OVG Nds., Beschl. v. 10.11.2005 - 13 LA 117/05 -).
22 
Eine Gruppenverfolgung tschetschenischer Volkszugehöriger in Tschetschenien seit Ausbruch des zweiten Krieges im September 1999 ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den ihm vorliegenden und in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel. Danach stellt sich die Situation tschetschenischer Volkszugehöriger in Tschetschenien seit September 1999 wie folgt dar:
23 
Aus Anlass des Einfalls tschetschenischer Rebellengruppen in Dagestan und der Ausrufung eines islamischen Staates dort sowie Bombenattentaten in Moskau, die von Seiten der russischen Regierung tschetschenischen Rebellen zugeschrieben wurden, setzte die Führung der Russischen Föderation ab September 1999 Bodentruppen, Artillerie und Luftstreitkräfte in Tschetschenien mit dem erklärten Ziel ein, die tschetschenischen Rebellengruppen zu vernichten, die das Ziel der Unabhängigkeit Tschetscheniens und die Errichtung eines islamischen Staates anstrebten. Im Verlauf der Kämpfe brachte die russische Armee Anfang des Jahres 2000 Grosny und im Frühjahr des Jahres 2000 große Teile Tschetscheniens unter ihre Kontrolle. Die Rebellengruppen zogen sich in die südlichen Bergregionen zurück und begannen einen bis heute andauernden Guerillakrieg und terroristische Anschläge (vgl. Auswärtiges Amt , Ad hoc-Bericht v. 24.04.2001; Bundesamt, Der Tschetschenienkonflikt, Januar 2001; UNHCR, Stellungnahme Januar 2002). Die russische Armee ihrerseits ging unter dem Vorwand der Terroristenbekämpfung mit äußerster Brutalität auch gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien vor, die zum damaligen Zeitpunkt nach Schätzungen bereits im Wesentlichen aus tschetschenischen Volkszugehörigen bestand (vgl. UNHCR, Stellungnahme Januar 2002). Die russische Luftwaffe führte im Dauereinsatz Flächenbombardements gegen zahlreiche tschetschenische Städte und Ortschaften durch (amnesty international , RF: Tschetschenien, 22.12.1999; OVG Bremen, Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A - m.w.N.). Spitäler, Sanitätspersonal, andere Zivilisten und immer wieder Flüchtlingstrecks wurden vom Boden und aus der Luft durch russische Streitkräfte beschossen. Schon zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges kam es zu großen Fluchtbewegungen. Aufgrund des Einmarsches der russischen Armeeeinheiten und der Bombardierung der Städte flohen große Teile der Bevölkerung aus ihren Wohnorten in Tschetschenien. Die russische Armee hinderte die Flüchtlinge zum Teil bereits am Verlassen des Kampfgebietes, teilweise am Übertritt in die Nachbarrepubliken wie Inguschetien (AA, Ad hoc-Berichte v. 15.02.2000 und 15.11.2000). Dabei wurden auch Flüchtlingstrecks von der russischen Luftwaffe angegriffen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass von den zu Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges in Tschetschenien lebenden 450.000 Einwohnern 350.000 gewaltsam aus ihren Wohnorten vertrieben worden sind, davon 160.000 an andere Orte in Tschetschenien und die übrigen in andere Teile der Russischen Föderation und das Ausland (UNHCR, Stellungnahme Januar 2002). Die russischen Armeeeinheiten haben, wie schon im ersten Tschetschenienkrieg, an mehreren Orten in Tschetschenien sog. Filtrationslager eingerichtet. In diese Lager wurden wahllos tschetschenische Einwohner gebracht, wo nach den Erklärungen der russischen Stellen Terroristen aufgespürt werden sollten. In den Lagern wurden die tschetschenischen Volkszugehörigen durch russische Spezialkräfte systematisch misshandelt, vergewaltigt, gefoltert und getötet (ai, Stellungnahme v. 08.10.2001; Stellungnahme des Europäischen Parlaments zur Lage in Tschetschenien vom 08.03.2001). Der bis zum 31. März 2006 amtierende Menschenrechtskommissar des Europarates, Gil-Robles, konnte bei seinem Besuch in Tschetschenien zwar auch Haftanstalten besuchen, ihm wurden jedoch ausschließlich frisch gestrichene Zellen gezeigt und Gespräche mit Gefangenen nur in Anwesenheit von russischen Bewachern erlaubt. Die Foltervorwürfe konnten dadurch nicht widerlegt werden (vgl. AA, Lagebericht v. 22.05.2000). Auf der Suche nach Terroristen überfielen russische Militäreinheiten ganze Dörfer, nahmen deren Bewohner willkürlich fest und misshandelten sie (ai v. 20.02.2002 an VG Braunschweig). Gespräche mit Flüchtlingen in den Lagern Inguschetiens haben die Gräueltaten der russischen Armee bestätigt. Die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen waren gravierend. Es kam zu willkürlichen Racheakten an der Zivilbevölkerung. Bei einer Explosion auf einem belebten Markt in Grosny am 21.10.1999 kamen nach Augenzeugenberichten 140 Menschen ums Leben, 400 wurden zum Teil schwer verletzt. Widersprüchliche Angaben gibt es über die Täter und deren Motive. Recherchen von internationalen Menschenrechtsorganisationen (Human Rights Watch, Bericht v. 20.01.2000) und Äußerungen von Angehörigen russischer Spezialkräfte legen die Vermutung sehr nahe, dass es sich bei dieser Tat um eine „Sonderkommandoaktion" russischer Spezialkräfte handelte, die auf dem Marktplatz Waffen und Sprengstoff tschetschenischer Rebellen vermuteten. Frauen berichteten gegenüber Vertreterinnen von internationalen Hilfsorganisationen von Vergewaltigungen seitens russischer Soldaten bei der Eroberung von Ortschaften in Tschetschenien. Bei den Massakern russischer Verbände in Alkhan-Yurt südwestlich von Grosny im Dezember 1999 und in den Bezirken Grosnys Novje Aldi und Staropromyslowskij kam es zu Massenexekutionen von über 130 Zivilisten und darüber hinaus zu Vergewaltigungen, Plünderungen und Brandstiftungen. Anders als die meisten Übergriffe, über die berichtet wurde, war das Massaker in Alkhan-Yurt Gegenstand einer russischen Untersuchung, die allerdings nicht in ein Strafverfahren einmündete (AA, Ad hoc-Bericht v. 15.11.2000, Lagebericht v. 22.05.2000).
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Auch nach dem von Präsident Putin erklärten Ende des zweiten Tschetschenienkriegs im Jahr 2000 oder dem Beginn des politischen Prozesses im Jahr 2003 änderte sich die Vorgehensweise gegen die tschetschenische Zivilbevölkerung nicht grundlegend. Gezielt und systematisch durchgeführte Menschenrechtsverletzungen an Zivilisten durch russische Streitkräfte - Folter, Misshandlungen, Plünderungen, extralegale Verhaftungen und willkürliche Tötungen sowie „Verschwindenlassen“ vor allem während sog. „Säuberungsaktionen“ und in Hafteinrichtungen - hielten nach den Berichten internationaler und russischer Menschenrechtsorganisationen an und stellten nach wie vor eine reale Bedrohung für die Bevölkerung Tschetscheniens dar (ai, Stellungnahme v. 08.10.2001). Bestand der Verdacht, dass sich in einem Dorf Rebellen versteckt halten, fanden Säuberungsaktionen durch russische Soldaten statt. Die Männer wurden auf körperliche Spuren von Kampfhandlungen untersucht, die eroberten Häuser geplündert und in Brand gesteckt, oftmals kam es zu Gewaltanwendungen gegenüber der Bevölkerung, zahllose tschetschenische Frauen wurden von russischen Soldaten vergewaltigt, es wurden willkürlich Zivilisten verhaftet (vgl. Bundesamt, Der Tschetschenienkonflikt, Januar 2001). Amnesty international berichtet (Stellungnahme v. 08.10.2001) über mehrere Operationen russischer Soldaten gegen tschetschenische Zivilisten im Juni/Juli 2001 in verschiedenen Dörfern, in denen Tschetschenen zusammengetrieben, geschlagen, misshandelt, gefoltert, gequält und einige Zeit festgehalten worden seien, wobei mehrere Inhaftierte anschließend verschwunden blieben. Zwar habe der Kommandant der Streitkräfte im Nordkaukasus am 11.07.2001 öffentlich eingeräumt, dass bei den Razzien in Srnowodosk und Assinowskaja in großem Umfang Verbrechen gegen Zivilisten begangen worden seien und es habe der Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation zwei Ermittlungsteams nach Tschetschenien entsandt, um die Aktivitäten des Militärs untersuchen zu lassen. Dennoch sei es danach weiter zu „Säuberungsaktionen“ und schweren Menschenrechtsverletzungen an Zivilisten durch Angehörige der russischen Armee gekommen. Auch im August und im September 2001 habe amnesty international Berichte von „Säuberungsaktionen“ in Tschetschenien erhalten. Kriegsverbrechen und Massaker blieben ungesühnt, da die russische Führung kein Interesse an einer Aufklärung und strafrechtlichen Verfolgung zeigte (Bundesamt, Der Tschetschenienkonflikt, Januar 2001). Nach den Berichten der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch haben die russischen Streitkräfte Zehntausende Tschetschenen inhaftiert. Basierend auf den Aussagen ehemaliger Insassen der Haftanstalten von Tschernokosowa sowie von weiteren Haftanstalten in Tschetschenien (in Tolstoy-Yurt, Chankala und Urs-Martan ) als auch in der Provinz Stavropol und in Mosdok stellte Human Rights Watch in seinem Worldreport 2001 fest, dass seit Beginn des bewaffneten Konflikts im Oktober 1999 Tausende Tschetschenen an Kontrollposten sowie anlässlich von Eroberungen und Razzien von russischen Organen festgenommen worden seien. Die Verhaftungen seien zumeist mit fadenscheiniger Begründung erfolgt. Viele seien inhaftiert worden, weil sie nicht an ihrer offiziell registrierten Adresse vorgefunden worden seien, weil ihre Dokumente unvollständig gewesen seien und weil sie den gleichen Nachnamen wie ein Rebellenführer getragen hätten, weil ihr ursprünglich gesuchter Verwandter abwesend gewesen sei oder weil sie ausgesehen hätten wie Kämpfer. Während der Haft seien Männer und Frauen z. T. zu Tode geschlagen und vergewaltigt worden. Oft wären sie nur gegen Lösegeldzahlung freigekommen. Die Täter könnten damit rechnen, dass ihnen keine Strafen drohten. Unabhängige Beobachter seien sich darin einig, dass die von der russischen Regierung eingesetzten Organe zu eingehenden und unparteiischen Untersuchungen aller Menschenrechtsverletzungen und der Verurteilung der Täter bisher versagt hätten (vgl. Nachw. bei OVG Bremen, Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A -). Der Verbleib von vielen in „Filtrationslagern“ und sonstigen teils provisorischen und geheimen Hafteinrichtungen (Eisenbahnwagen, Erdlöcher in der Nähe von Militärstützpunkten) inhaftierten Personen bleibe ungeklärt. Jüngste Schätzungen über die nach Festnahmen durch russische Kräfte „verschwundenen“ Personen variierten zwischen 400 Personen, einer von offizieller russischer Seite genannten Zahl, und 18.000 Personen, einer vom Europarat genannten Zahl. Es sei erforderlich darauf hinzuweisen, dass auch in Hafteinrichtungen und „Filtrationslagern“ immer wieder Vergewaltigungen durch einen oder mehrere Täter stattfänden. Diesen Vergewaltigungen fielen auch Kinder und Jugendliche zum Opfer. An den Grenzkontrollstellen komme es regelmäßig und willkürlich zu Menschenrechtsverletzungen. Flüchtlinge, Personen, die regelmäßig zwischen den Regionen hin und her reisten, und Tschetschenen, die aus Inguschetien kommend die Grenze überschreiten wollten, um in Tschetschenien nach Verwandten zu suchen, würden von den russischen Soldaten zusammengeschlagen, angeschossen oder erschossen (ai, Ad hoc-Bericht v. 24.04.2001; OVG Bremen, Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A - m.w.N.).
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In der Folge der Geiselnahme im Moskauer Musiktheater „Nord-Ost" (Oktober 2002) hatte der russische Verteidigungsminister umgehend breit angelegte, harte „Säuberungsoperationen" in ganz Tschetschenien angekündigt. Es wurden systematisch Ortschaft für Ortschaft von bewaffneten Kräften umstellt und durchsucht. Wenige Tage nach Beginn der Operation wurden Argun, Berkart-Yurt sowie zahlreiche kleinere Ortschaften in den Bezirken Grosny, Schalinskij und Wedenskij von Sicherheitskräften umstellt, durchsucht und bereits über 5.000 „Verdächtige" zeitweise interniert. Nach welchen Kriterien die vereinigten Kräftegruppierungen diese Internierung vornahmen, ist nicht bekannt. Es gab Hinweise auf insgesamt 60 parallel ablaufende Operationen in 45 Ortschaften (AA, Lagebericht 30.08.2005). Am 09.04.2004 wurden in der Nähe von Sershen-Jurt im Bezirk Schali/Tschetschenien die Leichen von neun Tschetschenen gefunden, die Folterspuren und Schussverletzungen aufwiesen. Acht der Männer waren nach einer gezielten "Säuberungsaktion" von Sicherheitskräften in den frühen Morgenstunden des 27.03.2004, der neunte in der Nacht zum 02.04.2004 spurlos "verschwunden". Am 04.06.2005 wurden bei einer von ca. 200-400 Sicherheitskräften im tschetschenischen Dorf Borozdinovskaja durchgeführten Säuberungsaktion elf Dorfbewohner wegen angeblicher Unterstützung von Rebellen festgenommen. Vier Häuser wurden niedergebrannt. In einem dieser Häuser wurde später die Leiche eines Dorfbewohners gefunden (AA, Lagebericht v. 15.02.2006). Am 18.04.2005 kündigten die Sicherheitsbehörden den Beginn einer groß angelegten Spezialoperation mit 2000 Mann in den Bergen des Distrikts Vedeno an. Nachdem wiederholt Hubschrauber in der Nähe von Militärstützpunkten abgeschossen wurden, wurden nach der Moskauer Geiselnahme in Tschetschenien - ohne Koordination mit zivilen Verwaltungsstellen - Häuser gesprengt, die möglicherweise Deckung für den Abschuss von tragbaren Flugabwehrraketen bilden könnten. Tschetschenen, die in diesen Häusern lebten, wurden als Unterstützer von „Terroristen" verhaftet, weil sie nicht aktiv an der Verhinderung von Anschlägen mitgewirkt hätten (vgl. AA, Lagebericht v. 30.08.2005). Menschenrechtler kritisieren, dass die Behörden wahllos Flüchtlinge unter Druck gesetzt und kriminalisiert hätten (AA, Lagebericht v. 15.02.2006).
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Mit der Wahl eine tschetschenischen Parlaments am 27.11.2005 ist für Moskau der 2003 begonnene „politische Prozess“ zur Beilegung des Tschetschenienkonflikts abgeschlossen; Präsident Putin erklärte bei seiner Jahrespressekonferenz am 31.01.2006 die „antiterroristische Operation“ zum wiederholten Male für beendet (AA, Lagebericht v. 18.08.2006). Gleichwohl ist nach vor die Sicherheit der Zivilbevölkerung in Tschetschenien nicht gewährleistet. Der Konflikt ist nicht gelöst, sondern lediglich „tschetschenisiert“: Die russischen Streitkräfte überlassen das Feld immer mehr ihren tschetschenischen Verbündeten. Vor allem die Truppen des Vizepräsidenten Ramsan Kadyrow, die sog. Kadyrowski , haben sich einen zweifelhaften Ruf zugelegt (Ammann , Tschetschenien, 07.11.2005). Sie sind von der Bevölkerung noch stärker gefürchtet als die russischen Sicherheitskräfte (SFH v. 24.05.2004). Sie dürften inzwischen die föderalen Truppen als Hauptverantwortliche für Verschleppungen abgelöst haben (so Human Rights Watch, vgl. AA, Lagebericht v. 18.08.2006). Laut Memorial (Zur Situation der Bürger Tschetscheniens in der Russischen Föderation, Juni 2004 bis Juni 2005) finden deren Einsätze mit Unterstützung, Mitwirkung oder zumindest Billigung der föderalen Truppen statt. In den Gebieten, in denen sich russische Truppen aufhalten (dies betrifft mit Ausnahme der schwer zugänglichen Gebirgsregionen das gesamte Territorium der Teilrepublik), leidet die Bevölkerung einerseits unter den ständigen Razzien, „Säuberungsaktionen“, Plünderungen und Übergriffen durch russische Soldaten und Angehörige der Truppen von Ramsan Kadyrow und andererseits unter Guerillaaktivitäten und Geiselnahmen der Rebellen (AA, Lagebericht v. 15.02.2006; s.a. Ammann , Tschetschenien, 07.11.2005). Zu den erheblichen Menschenrechtsverletzungen durch russische und pro-russische tschetschenische Sicherheitskräfte zählen insbesondere willkürliche Festnahmen, Entführungen, Misshandlungen, Vergewaltigungen, Sachbeschädigungen und Diebstähle (AA, Lagebericht v. 18.08.2006). An die Stelle flächendeckender "Säuberungsaktionen" sind gezielte "Säuberungsaktionen" getreten. Angaben von russischer Seite, dass die fortgesetzten Entführungen ausschließlich auf das Konto von als Soldaten verkleideten Rebellen oder der persönlichen Sicherheitskräfte des Leiters der tschetschenischen Verwaltung Kadyrow gingen, sind unglaubwürdig. Fest steht, dass die Opfer häufig nicht erkennen können, wer die Täter sind (vgl. auch Hess. VGH, Urt. v. 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A -; OVG Sachs.-Anh., Urt. v. 31.03.2006 - 2 L 40/06 -; Memorial, Menschen aus Tschetschenien in der RF Juli 2005 - Juli 2006). Massive Menschenrechtsverletzungen durch russische und pro russische tschetschenische Sicherheitskräfte räumen auch offizielle russische Vertreter ein, wenn auch mit Hinweis auf Verbesserungen. Diesen Eindruck teilen die Nichtregierungsorganisationen nicht. Ihren Angaben zufolge ist die Zahl von Rechtsverletzungen (willkürliche Festnahme, Entführungen, Verschwinden von Menschen, Misshandlungen, Vergewaltigungen, Sachbeschädigungen, Diebstähle) jedenfalls nicht deutlich gesunken (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A -). Bedenklich ist weiterhin - so die Nichtregierungsorganisationen, kritische Beobachter und Presseberichte - die sich fortsetzende weitgehende Straflosigkeit nach Übergriffen durch die Sicherheitskräfte (vgl. AA, Lagerberichte v. 30.08.2005 und 15.02.2006 m.w.N.). Zahlreich sind nach wie vor Fälle des "Verschwindenlassens" von Zivilisten (AA, Lagebericht v. 18.08.2006). Die Menschenrechtsorganisation Memorial dokumentierte 447 Entführungsfälle im Jahr 2004 (Memorial, Menschen aus Tschetschenien in der RF Juli 2005 - Juli 2006, S. 37) Behördenvertreter und Politiker Tschetscheniens gehen für den gleichen Zeitraum von 175, 281 bzw. 500 Entführungsopfern aus (AA, Lagebericht 30.08.2005). Im Jahr 2005 wurden nach Memorial 317 Menschen entführt, von denen 126 befreit, 23 getötet, 15 in Untersuchungshaft und 153 immer noch vermisst seien. Von Januar bis Mai 2006 ist es nach Memorial zu weiteren 103 Entführungen gekommen, von den Entführten seien 50 befreit und sechs getötet worden. 38 seien noch verschwunden. Aufgrund der Tatsache, dass Memorial nur etwa 25 bis 30 % des tschetschenischen Territoriums beobachtet, dürfte die tatsächliche Zahl wesentlich höher sein (AA, Lagebericht v. 18.08.2006). Seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges im Jahr 1999 seien insgesamt etwa 5.000 Personen verschwunden. Entführungen werden sowohl den russischen und den pro russischen tschetschenischen Truppen als auch den Rebellen angelastet. Eine Liste der Menschenrechtsorganisation „Mütter Tschetscheniens“, deren Erstellung im Rahmen eines Menschenrechtsprojektes durch das Auswärtige Amt gefördert wurde, dokumentiert die Fälle von 451 seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges (1999) spurlos verschwundenen Menschen und schaltet russische und tschetschenische Zivil- und Militärbehörden ein. Auf keine der Anfragen an die Behörden hat es bisher einen positiven Bescheid gegeben, in keinem Fall ist es bisher gelungen, eine vermisste Person lebend wiederzufinden. Menschenrechtsorganisationen wie Memorial oder die Moskauer Helsinkigruppe gehen von monatlich 50 bis 80 bei „Säuberungen“ verschwundenen Personen aus (vgl. AA, Lagebericht 30.08.2005).
27 
Aus alledem ergibt sich, dass die russische Armee und die mit ihr verbundenen pro-russischen tschetschenischen Kräfte seit September 1999 den Bürgerkrieg gegen die tschetschenischen Separatisten in einer Weise führen, die sich als Gegenterror gegen die dort lebende tschetschenische Zivilbevölkerung darstellt. Angesichts der oben geschilderten Sachlage geht das Gericht davon aus, dass der russische Staat seit dem zweiten Tschetschenienkrieg die ganze Bevölkerungsgruppe der Tschetschenen pauschal verdächtigt, die Rebellen zu unterstützen und sie - objektiv gesehen - nur deswegen und ohne Feststellung einer konkreten Beteiligung an separatistischen Aktivitäten mit Mitteln bekämpft, die über die erforderliche staatliche Gegenwehr zur Rückeroberung bzw. Behauptung der effektiven Gebietsgewalt und Wiederherstellung der staatlichen Friedensordnung hinausgehen, so dass sich dies als eine sowohl an die vermutete politische Überzeugung als auch an die Ethnie anknüpfende Verfolgung der gesamten Volksgruppe der Tschetschenen darstellt. Die erkennbare Gerichtetheit der Maßnahmen der russischen Streitkräfte und der mit ihnen verbundenen tschetschenischen Kräfte gegen die tschetschenische Zivilbevölkerung hat die Regierung der Russischen Föderation zumindest stillschweigend hingenommen, weshalb ihr diese Maßnahmen zuzurechnen sind. Der russische Staat lässt es zu, dass seine Militärkräfte auf eine die Zivilbevölkerung in ihrer Gesamtheit asylrechtlich relevanten Übergriffen aussetzenden Art und Weise operieren.
28 
Angesichts des in vielen Einzelheiten dokumentierten Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung in Tschetschenien und der dabei erfolgenden massenhaften und massiven Verletzung asylrechtlich geschützter Rechtsgüter ist davon auszugehen, dass tschetschenische Volkszugehörige in Tschetschenien unabhängig davon, ob bei ihnen der konkrete Verdacht der Unterstützung von separatistischen Gruppierungen bestand, unmittelbar und jederzeit damit rechnen mussten und müssen, selbst Opfer der Übergriffe der russischen Armeeeinheiten oder der verbündeten tschetschenischen Kräfte zu werden. Dabei hat das OVG Bremen (Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A -) zutreffend darauf hingewiesen, dass die Zahl der von den asylerheblichen Eingriffen der genannten Art in Tschetschenien Betroffenen nicht exakt beziffert werden kann. Aufgrund der weitgehenden Behinderung einer unabhängigen Berichterstattung über die Situation in Tschetschenien durch die russische Behörden seit Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges es nur sehr eingeschränkt möglich ist, zuverlässige und verifizierbare Informationen aus und über Tschetschenien zu erhalten (AA, Ad hoc-Bericht v. 27.11.2002), so dass die in den bezeichneten Berichten mitgeteilten zahlreichen Referenzfälle das wirkliche Ausmaß des Verfolgungsgeschehens in Tschetschenien nicht abschließend wiederzugeben vermögen und die Dunkelziffer über weitere asylerhebliche Verfolgungsfälle beträchtlich ist. Das Gericht geht davon aus, dass eine Vielzahl weiterer Fälle aufgrund der Beschränkungen in der Berichterstattung und der von Memorial beobachteten Zurückhaltung vieler Betroffener, Menschenrechtsorganisationen von Übergriffen zu berichten (Menschen aus Tschetschenien in der RF Juli 2005 - Juli 2006, S. 37), keinen Eingang in die Erkenntnismaterialien gefunden hat. Die demnach anzunehmende Intensität und Häufigkeit der Verfolgungshandlungen rechtfertigen auch in Bezug auf die Größe der betroffenen Gruppe die Annahme einer Gruppenverfolgung. Bei der Volkszählung 1998 wurden in der noch ungeteilten Republik 734.000 Tschetschenen gezählt (UNHCR, Stellungnahme Januar 2002). Anfang 2002 lebten wegen des nur durch eine dreijährige Pause unterbrochenen jahrelangen Krieges in Tschetschenien schon aus der Zeit vor dem neuerlichen Tschetschenienkrieg ca. 600.000 der insgesamt 1.000.000 Tschetschenen nicht in Tschetschenien, sondern in anderen russischen Regionen bzw. GUS-Staaten (vgl. AA, Ad hoc-Bericht vom 07.05.2002). Die Volkszählung im Oktober 2002 ergab nach offiziellen Angaben zwar eine Zahl von über 1.000.000 Tschetschenen in Tschetschenien, der aber nicht gefolgt werden kann, nachdem unabhängige Beobachter und Nichtregierungsorganisationen diesem Ergebnis sehr kritisch gegenüberstehen und teilweise von einer Mehrfachregistrierung von Personen ausgehen, deren Gründe in finanziellen Anreizen der Registrierung und in der Furcht vor Säuberungsaktionen bei einer zu geringer Zahl von Tschetschenen in Tschetschenien liegen könnten. Vorherige Schätzungen waren von einer durch Flüchtlinge, Auswanderung und Kriegsopfer erheblich gesunkenen Einwohnerzahl für Tschetschenien ausgegangen und hatten zwischen 450.000 bis 800.000 Tschetschenen in Tschetschenien geschwankt (vgl. AA, Lageberichte v. 27.11.2002, 16.02.2004, 13.12.2004, 30.08.2005, 15.02.2006; OVG Bremen, Urt. v. 23.03.2005 - 2 A 11603.A -). Nach der geschätzten Bevölkerungsentwicklung in Tschetschenien und unter Abzug der von den Eingriffen nicht betroffenen jüngeren Kinder dürfte sich die Zahl der potentiell Betroffenen nunmehr auf ca. 400.000 Personen belaufen (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 31.05.2006 - 2 A 112/06.A -; Urt. v. 23.03.2005 - 2 A 11603.A -; OVG Sachs.-Anh., Urt. v. 31.03.2006 - 2 L 40/06 -; Hess. VGH, Urt. v. 02.02.2006 - 3 UE 3021/03.A -).
29 
Dies alles rechtfertigt die Annahme einer andauernden Gruppenverfolgung der tschetschenischen Zivilbevölkerung in der Teilrepublik Tschetschenien.
30 
Es kann dahinstehen, ob der Klägerin im Zeitpunkt ihrer Ausreise eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stand, da sie zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht auf interne Schutzmöglichkeiten in anderen Gebieten der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens verwiesen werden kann.
31 
Nach den allgemeinen Gegebenheiten in den als interne Schutzalternativen in Frage kommenden Gebieten und den persönlichen Umständen der Klägerin kann es von dieser nicht vernünftigerweise erwartet werden, sich in diese Gebiete zu begeben, da ihr dort andere existentielle Gefahren drohen, die nach ihrer Intensität und Schwere einer asylerheblichen Rechtsgutbeeinträchtigung aus politischen Gründen gleichkommen und die in Tschetschenien so nicht bestünden.
32 
Die Klägerin kann von vornherein nicht auf interne Schutzmöglichkeiten im Nordkaukasus verwiesen werden. Der ungelöste Tschetschenienkonflikt greift immer mehr auf die Nachbarrepubliken im Nordkaukasus über und destabilisiert inzwischen die gesamte Region. Nach Tschetschenien am meisten betroffen sind Inguschetien und Dagestan. In Dagestan finden verstärkt seit Jahresbeginn 2005 nahezu täglich Sprengstoffanschläge und Schießereien mit Toten und Verletzten statt. Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen und unabhängigen Beobachtern verüben dagestanische Sicherheitskräfte schwere Menschenrechtsverletzungen allen voran willkürliche Festnahmen und Folter. In Inguschetien ist dieselbe Tendenz zu beobachten. Die Sicherheitslage dort wird inzwischen von internationalen Organisationen (u. a. den Vereinten Nationen) als ebenso brisant wie in Tschetschenien eingeschätzt. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen kommt es in Inguschetien zu schweren Menschenrechtsverletzungen, verübt durch russische wie einheimische Sicherheitskräfte und tschetschenische Rebellen, denen sich immer mehr Inguschen anschließen. Die Geiselnahme von Beslan 2004 und die Kämpfe in Naltschik im September 2005 zeigen, dass die vormals eher ruhigen Republiken wie Kabardino-Balkarien und Nordossetien zunehmend in die Gewaltspirale einbezogen werden. Urheber der Anschläge sind verschiedene untereinander vernetzte islamische Gruppierungen. Der von russischen und einheimischen Sicherheitskräften geführte Kampf gegen den Terrorismus nimmt nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen immer brutalere Formen an. Willkürliche Verhaftungen, Verschwindenlassen, Folter und Mord an „Terrorverdächtigen“ sind nach übereinstimmenden Angaben aller Beobachter im gesamten Nordkaukasus an der Tagesordnung (vgl. zu allem AA, Lagebericht v. 15.02.2006).
33 
Die übrigen Gebiete in der Russischen Föderation sind für die Klägerin ebenfalls keine zumutbaren Zufluchtsgebiete, da sie dort aufgrund ihrer persönlichen Umstände nicht in der Lage wäre, innerhalb eines absehbaren Zeitraums eine Registrierung zu erlangen, und ohne eine solche Registrierung existentiellen Gefahren ausgesetzt wäre.
34 
Tschetschenen aus Tschetschenien steht wie allen russischen Staatsbürgern das in der Verfassung verankerte Recht der Freizügigkeit, der freien Wahl des Wohnsitzes und des Aufenthaltsrechts in der Russischen Föderation zu (AA, Lagebericht v. 15.02.2006). Durch das Föderationsgesetz Nr. 52421 vom 25.06.1993 wurde ein Registrierungssystem eingeführt, bei dem die Bürger den örtlichen Dienststellen des Innenministeriums ihren Wohnort (sog. „dauerhafte Registrierung“) oder falls davon abweichend ihren Aufenthaltsort (sog. „vorübergehende Registrierung“) melden, im Gegensatz zu dem früher geltenden „Propiska“-System, das die Polizeibehörden ermächtigte, den Bürgern den Aufenthalt oder die Niederlassung an einem bestimmten Ort zu gestatten oder zu verwehren (UNHCR, Auskunft v. 29.10.2003; AA, Auskunft v. 12.11.2003, jew. an den Bay. VGH). Nur wer die Bescheinigung seines Vermieters vorweist, kann sich registrieren lassen (vgl. AA, Lagebericht v. 15.02.2006). Die Registrierung legalisiert den Aufenthalt, und die Registrierung am Wohnort ist Voraussetzung für den Zugang zur Sozialhilfe, zu staatlich gefördertem Wohnraum, zum kostenlosen Gesundheitssystem, zu den Bildungseinrichtungen und zum legalen Arbeitsmarkt (vgl. AA, Lagebericht v. 30.08.2005; UNHCR, Auskunft v. 29.10.2003 an den Bay. VGH). Wer nicht registriert ist, läuft Gefahr, verhaftet oder mit einer Geldstrafe belegt zu werden. Personen, denen die Registrierung verwehrt wird, versuchen ihr Überleben unter Vorenthaltung elementarer sozialer Rechte sicherzustellen. Sie sind bei Kontrollen zudem der Willkür staatlicher Bediensteter ausgeliefert (UNHCR, Auskunft v. 29.10.2003 an den Bay. VGH) und daher auf ein Leben in der Illegalität verwiesen.
35 
An vielen Orten ist der legale Zuzug von Personen aus den südlichen Republiken der Russischen Föderation durch restriktive örtliche Vorschriften oder Verwaltungspraktiken stark erschwert. Diese Zuzugsbeschränkungen gelten unabhängig von der Volkszugehörigkeit, wirken sich jedoch im Zusammenhang mit antikaukasischer Stimmung stark auf die Möglichkeit rückgeführter Tschetschenen aus, sich legal dort niederzulassen. Tschetschenen haben erhebliche Schwierigkeiten, außerhalb Tschetscheniens eine offizielle Registrierung zu erhalten. In einem Sonderbericht vom Oktober 2000 kritisierte der Ombudsmann der Russischen Föderation die regionalen Vorschriften, die im Widerspruch zu den nationalen Vorschriften stehen, sowie rechtswidrige Vollzugspraktiken. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen berichten, dass Tschetschenen häufig die Registrierung verweigert wird. Während in bestimmten Orten und Regionen eine Registrierung für Tschetschenien nur unter ganz besonders erschwerten Bedingungen möglich ist - abgesehen von den bereits als Schutzalternative ausgeschlossenen Gegenden sind dies insbesondere Moskau, St. Petersburg und die Regionen Krasnodar und Stawropol (vgl. Hess. VGH, Urt. v. 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A) - ist eine Registrierung in anderen Gebieten abhängig von der individuellen Durchsetzungsfähigkeit und den Möglichkeiten des Schutzsuchenden sowie seiner persönlichen Beziehungen und Anknüpfungspunkte außerhalb der tschetschenischen Republik im Einzelfall auch durchsetzbar. Dies rechtfertigt es nicht, ohne weiteres das Bestehen einer inländischen Schutzalternative für jeden tschetschenischen Asylsuchenden zu bejahen. Eine solche inländische Schutzalternative kann auch nicht mit dem pauschalen Hinweis angenommen werden, dass - entgegen der Einschätzung von Memorial, wonach die Registrierung für Tschetschenen immer ein großes Problem ist (Menschen aus Tschetschenien in der RF Juli 2005 - Juli 2006, S. 27) - in nicht näher zu bezeichnenden anderen Gebieten der Russischen Föderation möglicherweise eine Registrierung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen problemlos zu erlangen ist, denn grundsätzlich kann von einer in ihrer Heimatregion verfolgten Person nicht verlangt werden, in ihrem Herkunftsland ohne weitere Orientierung "herumzuvagabundieren", bis sie schließlich, ggfs. nach mehreren erfolglosen Versuchen, einen sicheren Ort ausfindig macht (so zutreffend Hess. VGH, Urt. v. 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A). Es ist vielmehr im Einzelfall zu klären, ob davon ausgegangen werden kann, dass der Betroffene trotz zu erwartender Schwierigkeiten auch in den übrigen Landesteilen der Russischen Föderation bei der Registrierung sich innerhalb eines ihm nach seiner individuellen Situation zuzumutenden Zeitraums erfolgreich gegen unrechtmäßige Behinderungen wird zur Wehr setzen können. Selbst wenn hiervon im Einzelfall nicht auszugehen ist, steht dies der Annahme interner Schutzmöglichkeiten nur dann entgegen, wenn ein Leben in der Illegalität von dem Betroffenen nicht vernünftigerweise erwartet werden kann, weil es mit existentiellen Gefahren verbunden wäre. Besonderes Gewicht kommt hinsichtlich beider Fragestellungen regelmäßig den vorhandenen Beziehungen des Schutzsuchenden zu außerhalb von Tschetschenien innerhalb der Russischen Föderation lebenden Personen, seinen persönlichen Fähigkeiten, seiner individuellen familiären Situation und seinen finanziellen Mitteln zu (vgl. AA, Lagebericht v. 30.08.2005).
36 
Nach diesen Maßstäben ist davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund ihrer persönlichen Umstände ohne eine Registrierung nur vorübergehend in den Gebieten der Russischen Föderation außerhalb von Tschetschenien existieren kann. Nach ihren glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin keine Angehörige in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens, auf deren Hilfe sie zurückgreifen könnte. Es gibt auch keinen allgemeingültigen Erfahrungssatz, wonach tschetschenische Landsleute in der Diaspora einander helfen, auch wenn sie nicht miteinander bekannt oder verwandt sind. Auch sonstige Anknüpfungspunkte der Klägerin zu diesen Gebieten sind nicht erkennbar. Die Klägerin hat nie außerhalb ihres Familienverbandes und nie in anderen Gebieten der Russischen Föderation gelebt. Gänzlich auf sich allein gestellt vermag sie zur Überzeugung der Kammer ohne die mit einer Registrierung verbundenen elementaren sozialen Rechte nicht auf längere Sicht ihr Existenzminimum zu sichern.
37 
Eine solche Registrierung kann die Klägerin nicht erlangen, da es ihr bereits nicht zuzumuten ist, sich einen für eine Registrierung unabdingbaren gültigen russischen Inlandspass zu beschaffen, den sie zur Überzeugung der Kammer nicht besitzt. Auf die Frage, ob sich die Klägerin sodann innerhalb einer ihr individuell zumutbaren Zeit erfolgreich gegen eine unrechtmäßige Verwehrung einer Registrierung zur Wehr setzen können wird, kommt es daher nicht an.
38 
Der Umtausch der alten sowjetischen Inlandspässe, deren Gültigkeit ursprünglich bis zum 31.12.2003 begrenzt war, verlief so zögerlich, dass die Umtauschfrist durch Verordnung der russischen Regierung nochmals bis zum 30.06.2004 verlängert wurde. Für diejenigen russischen Staatsangehörigen, die seit dem 01.07.2004 kein gültiges Personaldokument vorweisen können, gelten die üblichen Vorschriften: Sie müssen eine Geldstrafe zahlen, erhalten ein vorläufiges Personaldokument und müssen bei dem für sie zuständigen Meldeamt die Ausstellung eines neuen Inlandspasses beantragen (vgl. AA, Lagebericht v. 15.02.2006). Nach Aufhebung des Befehls des Innenministeriums Nr. 347 vom 24. Mai 2003, nach dem es Tschetschenen, die sich außerhalb Tschetscheniens aufhielten, möglich war, ihren Inlandspass auch am Ort des vorübergehenden Aufenthaltes umzutauschen, ist dieser Personenkreis nunmehr wieder gezwungen, an den registrierten Wohnort zurückzukehren, um Passpapiere zu erhalten (vgl. AA, Auskunft v. 22.11.2005 an das VG Berlin). Nicht offiziell mit ständigem Wohnsitz im Ausland lebende russische Staatsangehörige müssen daher an ihren registrierten Wohnort zurückkehren, der sich selbst nach jahrelanger Abwesenheit nicht ändert, da es in der Russischen Föderation keine Abmeldung von Amts wegen gibt.
39 
Von der Klägerin kann vernünftigerweise nicht erwartet werden, auch nur vorübergehend zum Zwecke der Passbeschaffung nach Tschetschenien zurückzukehren, da jedenfalls aufgrund individueller Umstände nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen werden kann, dass sie dort asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt sein wird. Es kommt mithin nicht darauf an, ob unabhängig von Besonderheiten des Einzelfalls tschetschenischen Volkszugehörigen generell eine kurzzeitige Rückkehr nach Tschetschenien gegenwärtig nicht zuzumuten ist (so Hess. VGH, Urt. v. 18.05.2006 - 3 UE 177/04.A -; OVG Sachs.-Anh., Urt. v. 31.03.2006 - 2 L 40/06 -; a.A. Bay. VGH, Urt. v. 19.06.2006 - 11 B 02.31598 -; OVG Schl.-H., Beschl. v. 31.07.2006 - 1 LB 124/05 -). Der Erlass Nr. 828 sieht eine maximale Bearbeitungsdauer von zehn Tagen für die Ausstellung eines Inlandspasses vor, die auch in Tschetschenien regelmäßig eingehalten wird. Da die Ausstellung eines Rückreisedokuments für passlose russische Staatsangehörige eine Identitätsprüfung durch die russischen Innenbehörden voraussetzt, ist davon auszugehen, dass bei der Beantragung des Inlandspasses in Tschetschenien die für die Ausstellung eines Inlandspasses benötigten Unterlagen vorliegen (AA, Auskunft v. 03.03.2006 an den Bay. VGH).
40 
Trotz der demnach nur geringen Zeit, die die Klägerin in Tschetschenien verbringen müsste, und die sie durch eine zwischenzeitliche Ausreise weiter verkürzen könnte, ist der Klägerin die Passbeschaffung nicht zumutbar. Die Sicherheitslage in Tschetschenien ist nicht nur im Hinblick auf die dargestellten Übergriffe russischer und pro-russischer tschetschenischer Sicherheitskräfte besorgniserregend. Die tschetschenische Zivilbevölkerung ist darüber hinaus Übergriffen durch die in Tschetschenien ansässigen Rebellengruppen oder sonstige marodierende Banden ausgesetzt. Selbst wenn man gleichwohl annehmen wollte, während eines derart kurzen Aufenthalts in Tschetschenien bestünde lediglich die theoretische, nicht aber die reale Möglichkeit, Opfer eines Übergriffs zu werden, sind vorliegend objektive Anhaltspunkte gegeben, die einen Übergriff auf die Klägerin als nicht ganz entfernt, sondern als durchaus reale Möglichkeit erscheinen lassen.
41 
Dies ergibt sich allerdings nicht aus der von der Zeugin geschilderten Tätigkeit der Klägerin in der 5. Klinik nach 1996 bis zum Jahr 2000. Das Gericht konnte nach den nur detailarmen Ausführungen der Zeugin nicht die Überzeugung gewinnen, dass die Klägerin tatsächlich in dieser Zeit Verwundeten geholfen hat, zumal eine solche Tätigkeit von der Klägerin selbst nicht behauptet wurde. Zudem ist nicht erkennbar, warum eine solche ausschließlich Zivilisten zuteil werdende medizinische Hilfe durch die Klägerin sie in eine besondere Gefahr bringen sollte, Übergriffen seitens der russischen oder pro-russischen Milizen oder seitens der Rebellen ausgesetzt zu sein. Die Klägerin hat auch nicht glaubhaft dargetan, Flüchtlingen geholfen und sich deshalb einer besonderen Gefahr ausgesetzt zu haben. Eine solche Betätigung hat die Klägerin bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt nicht geschildert. Selbst wenn es bei der Anhörung, wie die Klägerin behauptet, Verständigungsprobleme gegeben haben sollte, könnte dies möglicherweise einzelne Unrichtigkeiten erklären, nicht aber, dass ein solches Geschehen gänzlich unerwähnt bleibt. Auch in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin nur auf Nachfrage geschildert, "nach 1996 einige Male" Flüchtlingen geholfen zu haben, nach Georgien zu gelangen. Nach alledem kann offenbleiben, ob die behauptete Betätigung relevant für eine Gefährdung der Klägerin in Tschetschenien wäre.
42 
Eine erhöhte Gefährdung der Klägerin ergibt sich aber aus ihrer familiären Herkunft. Ohne dass es auf die genauen verwandtschaftlichen Beziehungen ankäme, besteht die begründete Besorgnis, dass die Klägerin bereits wegen der Namensgleichheit mit ihrer "Cousine" ... ein erhöhtes Risiko trägt, Opfer eines Übergriffs zu werden. ... arbeitete nach den Auskünften von Memorial für eine humanitäre Flüchtlingshilfsorganisation, wurde am 09.01.2004 entführt und nach Protestaktionen am 12.01.2004 mit verbundenen Händen und einem Sack über dem Kopf in der Stadt Argun freigelassen (Bewohner Tschetscheniens in der RF, Juni 2003 - Mai 2004, S. 81 f.). Nach dem Vorbringen der Klägerin vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung ist auch davon auszugehen, dass russische Streitkräfte die Familie der Klägerin insgesamt der Unterstützung separatistischer Gruppierungen verdächtigen. Insoweit hält das Gericht das Vorbringen der Klägerin zu den Vorfällen im August und September 2004 für glaubhaft. Ob die russischen Milizen dabei der Klägerin die von ihr geschilderten Vorhaltungen gemacht, sie mitgenommen und misshandelt haben, kann dahingestellt bleiben.
43 
Neben dem aufgrund dieser Umstände erhöhten Risiko der Klägerin, im Falle einer auch nur kurzzeitigen Rückkehr nach Tschetschenien Übergriffen russischer oder pro-russischer tschetschenischer Streitkräfte ausgesetzt zu sein, ist der Klägerin zur Überzeugung der Kammer ein vorübergehender Aufenthalt in Tschetschenien auch aufgrund ihrer Erlebnisse im Jahr 1996 nicht zuzumuten. Die Klägerin hat glaubhaft geschildert, im Jahr 1996, in welchem ihr Bruder an seinen kriegsbedingten Verletzungen gestorben und auch ihr Vater bei einem Bombenangriff ums Leben gekommen sei, für nicht ganz zwei Wochen in den Kellern des 5. Hospitals Verwundete versorgt zu haben. Die Art und Weise der Schilderung in der mündlichen Verhandlung, insbesondere die mit ihr unverkennbar verbundene emotionale Belastung der Klägerin, die auch dem Protokoll der Anhörung vor dem Bundesamt zu entnehmen ist, gibt dem Gericht die Gewissheit, dass eine Konfrontation mit den Ereignissen im Jahr 1996, die bei einer Rückkehr der Klägerin nach Tschetschenien unausweichlich wäre, die Klägerin in ihrer psychischen Gesundheit derart unzumutbar beeinträchtigen würde, dass eine Rückkehr von ihr gegenwärtig nicht vernünftigerweise erwartet werden kann. Für diese Einschätzung bedarf das Gericht, das sich durch den vorgelegten ärztlichen Befundbericht vom 04.04.2006 bestätigt sieht, nicht der Hinzuziehung weiteren medizinischen Sachverstandes.
44 
Die existenziellen Gefährdungen, denen die Klägerin derzeit in den übrigen Gebieten der Russischen Föderation ausgesetzt wäre, bestünden so für die Klägerin in Tschetschenien nicht. Die Bevölkerung in Tschetschenien lebt zwar gegenwärtig unter sehr schweren Bedingungen. Die Grundversorgung insbesondere in Grosny mit Nahrungsmitteln ist äußerst mangelhaft. Die Lieferung von Nahrungsmitteln durch internationale Hilfsorganisationen in das Krisengebiet ist nur sehr begrenzt und punktuell möglich. Die Infrastruktur (Strom, fließendes Wasser, Heizung etc.) und das Gesundheitssystem waren nahezu vollständig zusammengebrochen, doch zeigen Wiederaufbauprogramme und die geleisteten Kompensationszahlungen erste zaghafte Erfolge. Missmanagement und Korruption verhindern allerdings in vielen Fällen, dass die Gelder für die vorgesehenen Projekte verwendet werden. Etwa 50 % des Wohnraumes ist seit dem ersten Krieg (1994 bis 1996) in Tschetschenien zerstört. Die Arbeitslosigkeit beträgt nach der offiziellen Statistik 80 % (russischer Durchschnitt: 7,5 % im November 2005). Das reale pro-Kopf-Einkommen ist in Tschetschenien sehr niedrig. Es beträgt nach den offiziellen Statistiken etwa 1/10 des Einkommens in Moskau. Haupteinkommensquelle ist der Handel. Andere legale Einkommensmöglichkeiten gibt es kaum. Die medizinische Grundversorgung in Tschetschenien ist unzureichend. Durch den Krieg waren medizinische Einrichtungen in Tschetschenien weitgehend nicht mehr funktionsträchtig. Der Wiederaufbau verläuft zwar schleppend, doch gibt es dank internationaler Hilfe Fortschritte bei der personellen, technischen und materiellen Ausstattung in einigen Krankenhäusern, die eine bessere medizinische Grundversorgung gewährleisten (AA, Lagebericht v. 15.02.2006). Trotz dieser im Verhältnis zu anderen Regionen der Russischen Föderation weitaus schlechteren ökonomischen Lage in Tschetschenien wären die Möglichkeiten zum physischen Überleben für die Klägerin bei einer Rückkehr dorthin vergleichsweise besser, weil ihr in ihrem Herkunftsgebiet das unabdingbare soziale Beziehungsgeflecht zur Verfügung stünde, das ihr zum Überleben ohne Registrierung in der übrigen Russischen Föderation fehlt. In Tschetschenien könnte die Klägerin in ihr früheres familiäres Umfeld zurückkehren. Es kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sie in Grosny bei ihrer Stiefmutter, ihren zahlreichen Geschwistern oder ihrer Cousine Aufnahme finden würde. Mit Unterstützung dieses Familienverbandes wäre sie zur Überzeugung der Kammer in der Lage, ihr Existenzminimum in Tschetschenien zu sichern.
45 
Nach allem sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für die Klägerin gegeben.
46 
Besteht somit kein Anlass für eine Entscheidung über das Vorliegen weiterer ausländerrechtlicher Abschiebungshindernisse (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG), ist auch die Entscheidung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 3), aufzuheben. Zwar spricht der Wortlaut des Gesetzes für ein Ermessen der Behörde, von einer Entscheidung zu § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG abzusehen. Indes muss Berücksichtigung finden, dass bei einer Asylanerkennung oder dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG eine Bejahung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht geeignet ist, dem Ausländer im Verhältnis zu den für ihn positiven Entscheidungen in Bezug auf seine Anerkennung und die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG irgendeinen Vorteil zu bringen. Von daher ist regelmäßig das Ermessen der Beklagten in den Fällen des § 31 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylVfG dahin reduziert, dass aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung von einer Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 bis 7 AufenthG abzusehen ist. Schließlich ist auch die Abschiebungsandrohung (Ziff. 4) aufzuheben. Sie ist rechtswidrig, da sie die Russische Föderation nicht als den Staat bezeichnet, in den die Klägerin nicht abgeschoben werden darf (vgl. § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, § 60 Abs. X Satz 2 AufenthG). Eine auf die Benennung der Russischen Föderation als Zielstaat einer Abschiebung beschränkte Teilaufhebung der Abschiebungsandrohung kommt daher nicht in Betracht.
47 
Über den gestellten Hilfsantrag bedarf es keiner Entscheidung mehr.
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b Abs. 1 AsylVfG).
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Aufenthaltsgesetz - AufenthG
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Aufenthaltsgesetz - AufenthG
4 Referenzen - Urteile
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published on 25/10/2006 00:00

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 05. Oktober 2005 - A 11 K 11032/05 - geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Recht
published on 29/05/2006 00:00

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 12 K 117/04.A – wird zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten
published on 23/06/2005 00:00

Tenor Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger. Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand Die eige
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 28/02/2013 00:00

Tatbestand 1 Der am 14.1.19.. in N. geborene Kläger zu 1. ist russischer Staatsangehöriger und tschetschenischer Volkszugehöriger aus Tschetschenien. Der Kläger reiste zusammen mit den Klägern des Verfahrens 3 A 78/13 MD als Familie am 21.11.2011
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Annotations

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.