Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 11. Nov. 2016 - 8 L 2140/16
Tenor
1. Die Anträge werden abgelehnt.Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 23.602,81 € festgesetzt.
1
Gründe
2Die sinngemäß gestellten Anträge,
3festzustellen, dass die Anfechtungsklage 8 K 7948/16 des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. August 2016 in der Fassung des Bescheides vom 19. September 2016 hinsichtlich der Aufforderung zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 47.205,62 € aufschiebende Wirkung hat,
4hilfsweise,
5die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage 8 K 7948/16 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. August 2016 in der Fassung des Bescheides vom 19. September 2016 hinsichtlich der Aufforderung zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 47.205,62 € anzuordnen,
6haben keinen Erfolg.
7Die Kammer hat den Antrag des Antragstellers in der ersichtlichen Weise ausgelegt. Die Auslegung war geboten, nachdem die Antragsgegnerin mit dem an den Antragsteller gerichteten Schreiben vom 19. September 2016 die Gründe für die Ausübung ihres Ermessens nachträglich außerhalb des Gerichtsverfahrens dargelegt und damit ihren Bescheid vom 24. August 2016 förmlich ergänzt hat. Die Kammer geht davon aus, dass der Antragsteller den geänderten Bescheid zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat, weil er sich mit Schriftsatz vom 21. September 2016 mit den Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin auseinandergesetzt hat.
8- I.
Der Hauptantrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
10In den Fällen, in denen wie im vorliegenden Fall zwischen den Beteiligten streitig ist, ob eine Klage aufschiebende Wirkung hat, kann das Gericht in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO feststellen, dass dem eingelegten Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung zukommt,
11Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 28. Mai 2013 – 5 B 1476/12 –, juris.
12Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat eine Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung allerdings in den Fällen, in denen Landesrecht dies durch Landesgesetz vorschreibt. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier gegeben. Dabei kann im vorliegenden Fall die Beantwortung der Frage dahinstehen, ob sich die sofortige Vollziehbarkeit der Leistungsaufforderung im Bescheid vom 24. August 2016 bereits aus § 112 Justizgesetz Nordrhein-Westfalen (JustG NRW), aus einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des § 59 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW (VwVG NRW) ergibt.
13Nach § 112 JustG NRW haben Rechtsbehelfe, die sich gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden und der Vollzugsbehördenin der Verwaltungsvollstreckung richten, keine aufschiebende Wirkung. Bereits der Wortlaut der Vorschrift und der Umstand, dass die Anforderung der Kosten während der Vollstreckung auch einen gewissen Beugecharakter hat (vgl. § 59 Abs. 2 Satz 3 VwVG NRW), könnten dafür sprechen, dass es sich bei der vorläufigen Anforderung der Kosten der Ersatzvornahme um eine Vollstreckungsmaßnahme in diesem Sinne handelt,
14vgl. zur Vollziehbarkeit eines auf die vorläufige Geltendmachung der Kosten der Ersatzvornahme gerichteten Leistungsbescheides kraft Gesetzes: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25. Februar 2009 – 2 CS 07.1702 –, juris (offen gelassen); OVG NRW, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 13 B 663/10 – und VG Gera, Beschluss vom 22. März 2005 – 2 E 253/05.GE –, beide juris (bejahend); OVG NRW, Beschluss vom 28. Juli 1982 – 7 B 1303/80 –, NJW 1983, 1441 (verneinend).
15Im vorliegenden Fall kommt es auf die Beantwortung dieser Frage allerdings nicht an. Denn die sofortige Vollziehbarkeit des Leistungsbescheides folgt jedenfalls aus § 59 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW (in ggf. analoger Anwendung).
16Nach dieser Vorschrift sind Kostenanforderungen, mit denen die Kosten der Ersatzvornahme geltend gemacht werden, sofort vollziehbar. Ob die Regelung – worüber die Beteiligten streiten – unmittelbar auch den Fall erfasst, dass die Behörde eine „Vorausleistung“ verlangt, lässt sich der Vorschrift nicht eindeutig entnehmen. Sollte dieser Fall in der Vorschrift nicht geregelt sein, wäre die Vorschrift aber jedenfalls entsprechend anwendbar.Hinsichtlich einer unmittelbaren Anwendung ergeben sich Zweifel aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung der Regelung. Die Vollzugsregelung findet sich (schon) in § 59 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW, während (erst) in Abs. 2 der Vorschrift die „Vorausleistung“ geregelt ist. Zudem spricht die Vorschrift undifferenziert von „Kostenanforderungen“. Beides könnte gegen eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift auf Bescheide sprechen, mit denen „Vorausleistungen“ geltend gemacht werden. Auch die Begründung des Gesetzentwurfes der Landesregierung (Landtag Nordrhein-Westfalen, Gesetzentwurf der Landesregierung vom 27. April 2016, Drs. 16/11845, Seite 34 f.) ist insoweit nicht eindeutig. Denn zum einen wird dort auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zu der Kostenanforderung nach bereits durchgeführter Ersatzvornahme Bezug genommen („... Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG NRW tritt durch die Einlegung von Widerspruch bzw. Anfechtungsklage bei der Anforderung von Kosten einer „bereits durchgeführten“ Ersatzvornahme der Suspensiveffekt ein...). Zum anderen wird in der Begründung klargestellt, dass es einer „umfassenden“ sofortigen Vollziehbarkeit der Ersatzvornahmekosten im Interesse eines stringenten und wirkungsvollen Verwaltungszwangs „insgesamt“ bedürfe. Dies spricht eher für die Annahme, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass es einer Vollzugsregelung hinsichtlich der „Vorausleistung“ nicht mehr bedurfte, weil schon in der Vergangenheit entsprechende Bescheide auch ohne eine Regelung in § 59 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW sofort vollziehbar waren,
17so OVG NRW, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 13 B 663/10 –, juris.
18Geht man mit dem Antragsteller davon aus, dass Bescheide über die „Vorausleistung“ weder nach § 112 JustG NRW noch nach § 59 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind, ist die Vorschrift des § 59 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW aber jedenfalls entsprechend anzuwenden. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass es sich um eine planwidrige Regelungslücke im Gesetz handelt, die wegen der Gleichheit von Normzweck und Interessenlage eine entsprechende Anwendung des § 59 Abs. 1 Satz 2 VwVG NRW rechtfertigt. Denn ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfes, die sich der Gesetzgeber zu eigen gemacht hat, ist anzunehmen, dass dieser im Interesse der Entlastung der kommunalen Haushalte jedenfalls auch die sofortige Vollziehbarkeit der „Vorausleistungsbescheide“ wollte („umfassende“ sofortige Vollziehbarkeit der Ersatzvornahmekosten im Interesse eines stringenten und wirkungsvollen Verwaltungszwangs „insgesamt“).
19II.
20Der Hilfsantrag ist ebenfalls zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
21Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht zu treffende Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, vorerst von der sofortigen Vollziehung des Bescheides vom 24. August 2016 in der Gestalt des „Nachtrages“ vom 19. September 2016 verschont zu bleiben und dem öffentlichen Interesse an der sofortiger Vollziehung geht zu Lasten des Antragstellers aus.Zwar bestehen erhebliche Bedenken, ob der Bescheid vom 24. August 2016 in der Gestalt des „Nachtrages“ vom 19. September 2016 derzeit in formeller Hinsicht rechtmäßig ist, da vieles für einen Anhörungsmangel spricht (nachfolgend unter 1.) und eine Anhörung möglicherweise nicht entbehrlich war (nachfolgend unter 2.). Die Beantwortung dieser Frage kann jedoch hier im Eilverfahren auf sich beruhen, weil auch bei einer formellen Rechtswidrigkeit des Bescheides eine Gesamtabwägung der Interessen der Beteiligten stattzufinden hat,
22vgl. dazu: OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Juni 2016 – 20 B 1408/15 – und vom 29. Oktober 2010 – 7 B 1293/10 –, beide juris; VG Köln, Beschluss vom 21. November 2013 – 23 L 1614/13 –, juris,
23und diese zu Lasten des Antragstellers ausgeht (nachfolgend unter 3.).
241.
25Hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Anhörung bestehen Bedenken, weil sich der Ordnungsverfügung vom 4. August 2016 (Seite 4 Mitte) wegen der sehr missverständlichen Formulierung möglicherweise nicht deutlich genug entnehmen lässt, ob dem Antragssteller auch die vorläufige Geltendmachung der Kosten der Ersatzvornahme in Aussicht gestellt wurde und er Gelegenheit erhalten sollte, sich dazu zu äußern. Sollte darin ein Anhörungsmangel liegen, wäre er durch das Wechseln der Schriftsätze im gerichtlichen Verfahren nicht geheilt (vgl. zur Heilungsmöglichkeit und der zeitlichen Komponente § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW). Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stellen keine nachträgliche Anhörung im Sinne dieser Regelung dar,
26vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 14.09 –, juris Rn. 37; VG Köln, Beschlüsse vom 10. Juni 2016 – 2 L 1110/16 –, juris Rn. 49 und vom 28. Juli 2015 – 23 L 1725/15 –, n.v.; Kopp/Ramsauer, VwVfG. § 45 Rn. 26; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 74 m.w.N.; a.A. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juni 2010 – 10 B 270/10 –, juris Rn. 7 ff, vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 –, juris Rn. 14, vom 20. Januar 2015 – 15 A 2382/13 –, juris Rn. 7, vom 21. März 2016 – 7 B 1069/15 –, juris Rn. 10; offengelassen: OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2010 – 7 B 1293/10 – juris Rn. 13.
272.
28Zweifelhaft ist auch, ob eine Anhörung wegen der im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG NRW entbehrlich war, weil es sich bei der Leistungsaufforderung nach § 112 JustG NRW um eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung handelt (zum Meinungsstand s.o.).
293.
30Auf beide Gesichtspunkte kommt es hier nicht an, denn der Antrag hat auch bei einem Anhörungsmangel des Antragstellers keinen Erfolg, weil die Gesamtabwägung zu Lasten des Antragstellers ausgeht.Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Anhörung (außerhalb des gerichtlichen Verfahrens) bis zum Abschluss der ersten Instanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann (§§ 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW). Zum anderen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Aufforderung zur vorläufigen Zahlung der Kosten der Ersatzvornahme in materieller Hinsicht rechtmäßig ist. Rechtsgrundlage für die Kostenforderung ist § 59 Abs. 2 Satz 1 VwVG NRW. Danach kann die Behörde bestimmen, dass der Betroffene die voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme im Voraus zu zahlen hat.
31Das ihr in der Vorschrift eingeräumte Ermessen hat die Antragsgegnerin (jedenfalls inzwischen) ordnungsgemäß ausgeübt (vgl. § 114 Abs. 1 VwGO). Zwar spricht vieles dafür, dass die Antragsgegnerin ihr Ermessen bei Erlass des Bescheides nicht ordnungsgemäß betätigt hat. Weder dem Bescheid, noch dem Verwaltungsvorgang oder den sonstigen Umständen ist zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin überhaupt erkannt hat, dass ihr hinsichtlich des Verlangens der Vorauszahlung Ermessen zusteht. Der hieraus folgende anfängliche Mangel ist inzwischen jedoch geheilt. Eine Heilung kommt zwar nicht nach § 114 Satz 2 VwGO in Betracht, wonach die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen kann. Denn diese Vorschrift erlaubt nur ein Ergänzung von Ermessenerwägungen, nicht aber deren vollständige Nachholung oder Auswechslung, da eine (bloße) Ergänzung zumindest eine bereits vorhandene Ermessensentscheidung voraussetzt,
32vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. April 2010 – 9 B 42/10 –, juris.
33Die Vorschrift schließt aber nicht die Möglichkeit aus, außergerichtlich den Ausgangsbescheid aufzuheben oder unter Beibehaltung des Tenors die notwendigen Ermessenserwägungen nachzuschieben oder auszuwechseln. Bei dem "Nachschieben" ursprünglich nicht angestellter Ermessenserwägung handelt es sich nicht nur um eine bloße Aufbesserung der Gründe, sondern um eine nachträgliche inhaltliche Änderung des erlassenen Verwaltungsakts. Denn behördliche Ermessenserwägungen sind nicht nur Teil der Begründung der Entscheidung, sondern Teil der Entscheidung selbst,
34vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1990 – 8 C 48/88 –, juris.
35Ein damit zulässiges Nachschieben von Ermessenserwägungen hat hier mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 19. September 2016 stattgefunden. In diesem Schreiben hat die Antragsgegnerin die Gründe für die Ausübung ihres Ermessens nachträglich genannt, dies als „Nachtrag“ zum Bescheid vom 24. August 2016 bezeichnet, das Schreiben vom 19. September 2016 mit einer Rechtmittelbelehrung versehen und dem Prozessbevollmächtigten des Antragsstellers gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
36Die Ermessensentscheidung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten (§ 40 VwVfG NRW). Die Vorschrift des § 59 Abs. 2 VwVG NRW dient ersichtlich dazu, die Vollzugsbehörde in die Lage zu versetzen, die Ersatzvornahme ohne Inanspruchnahme öffentlicher Haushaltsmittel durchzuführen. Deshalb ist es schon vom Grundsatz her nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller aufgefordert hat, im Vorhinein zu zahlen, um ihren Haushalt nicht mit den Kosten der Ersatzvornahme belasten zu müssen. Zudem hat die Antragsgegnerin nachvollziehbar dargelegt, sich in einer schwierigen Haushaltslage zu befinden. Vor diesem Hintergrund kommt dem Einwand des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe in ihre Überlegungen eine Hinterlegung des geltend gemachten Betrages auf einem Treuhandkonto einbeziehen müssen, keine Bedeutung zu. Denn eine Hinterlegung hätte eine Belastung des Haushalts der Antragsgegnerin nicht verhindert.
37Die Geltendmachung des Betrages ist auch nicht unverhältnismäßig. Der vom Antragsteller in diesem Zusammenhang vorgebrachte Einwand, die Antragsgegnerin habe den Hangrutsch verursacht und es sei deshalb unverhältnismäßig, ihn mit den Kosten der Ersatzvornahme zu belasten und eine Vorauszahlung zu verlangen, verhilft dem Antrag nicht zum Erfolg. Dieser Einwand betrifft die Störereigenschaft des Antragstellers und die Frage der Störerauswahl und damit allein die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist. Zudem hat die Kammer in dem gegen die Vollziehung der Grundverfügung gerichteten Eilverfahren (8 L 1982/16) im Beschluss 5. September 2016 ausgeführt, dass die Inanspruchnahme des Antragstellers als Eigentümer und damit als Zustandsstörer und die Störerauswahl nicht ermessensfehlerhaft seien.
38Schließlich ist die Belastung des Antragstellers mit der Vorausleistung auch nicht deshalb unzumutbar, weil sich nach Durchführung der Ersatzvornahme ergeben könnte, dass deren Kosten tatsächlich geringer als von der Antragsgegnerin angenommen waren. Denn die Vorausleistung ist nur als Vorschuss zu verstehen, nach durchgeführter Ersatzvornahme hat noch eine Abrechnung stattfinden, die die tatsächlich entstandenen Kosten zu berücksichtigen hat.
39Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
40Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. 52 Abs. 1 GKG. Wegen der Vorläufigkeit der Entscheidung hat die Kammer den Streitwert des Hauptsacheverfahrens halbiert.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 11. Nov. 2016 - 8 L 2140/16
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 4495/16 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. April 2016 (Az.: 00/000/0000/2016) wird wiederhergestellt bzw. hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung angeordnet.Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. |
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Gründe
2Der sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 4495/16 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. April 2016 (Az.: 00/000/0000/2016) wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung anzuordnen,
4hat Erfolg.
5Die im Verfahren § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO vom Gericht zu treffende Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, vorerst von der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 29. April 2016 verschont zu bleiben und dem öffentlichen Interesse an deren sofortiger Vollziehbarkeit fallen vorliegend zulasten der Antragsgegnerin aus. An der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung besteht vorliegend kein überwiegendes Interesse.
6Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. April 2016 (Az.: 00/000/0000/2016) ist gegenwärtig mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Die Klage des Antragstellers hätte nach derzeitigem Stand mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg.
71. Nach derzeitigen Sachstand geht das Gericht davon aus, dass es sich bei der Untersagung der Bauarbeiten unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung und Zwangsmittelandrohung vom 29. April 2016 entgegen der Begründung im Bescheid nicht lediglich um die schriftliche Bestätigung einer am 26. April 2016 anlässlich einer Ortsbesichtigung ausgesprochenen mündlichen Untersagung von weiteren Bauarbeiten auf der Baustelle (vgl. § 37 Abs. 2 S. 2 VwVfG NRW) handelt, sondern vielmehr um die eigentliche Ordnungsverfügung selbst. Zwar können Verwaltungsakte gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 VwVfG NRW mündlich erlassen werden. Die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts setzt allerdings seine Bekanntgabe voraus. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird.
8An der wirksamen Bekanntgabe einer Ordnungsverfügung vom 26. April 2016 gegenüber dem Antragsteller bestehen nach derzeitiger Sachlage erhebliche Zweifel. Weder ergibt sich aus dem Schriftverkehr der Beteiligten noch aus dem Verwaltungsvorgang, wem gegenüber die Ordnungsverfügung am 26. April 2016 erlassen worden sein soll. Insbesondere folgt dies nicht aus dem als solchen bezeichneten Bauüberwachungsbogen vom 29. April 2016 (Bl. 15 VV) im lückenhaft geführten Verwaltungsvorgang. Der Verfasser C. benennt im Bauüberwachungsbogen weder die bei der Besichtigung anwesenden Personen noch den Adressaten der noch vor Ort ausgesprochenen Stilllegungsverfügung. Die beigefügten Lichtbilder (Bl. 16 ff. VV) zeigen, dass sich zahlreiche Personen auf dem Ponton befunden haben. Diese bestehenden Unklarheiten gehen zu Lasten der Antragsgegnerin.
92. Die demgemäß mit hoher Wahrscheinlichkeit erst am 29. April 2016 erlassene streitgegenständliche Ordnungsverfügung ist nach der Auffassung der Kammer formell rechtswidrig.
10a. Die Antragsgegnerin hat ihre Zuständigkeit zu Recht angenommen. Gemäß § 62 BauO NRW ist für den Vollzug dieses Gesetzes sowie anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften für die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung, die Instandhaltung und den Abbruch baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 (dazu aa.) die untere Bauaufsichtsbehörde zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist (dazu bb.).
11aa. Bei der auf dem Ponton zu errichtenden Anlage dürfte es sich um die Errichtung einer baulichen Anlage handeln, die der Bauordnung Nordrhein-Westfalens (BauO NRW) unterfällt.
12Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 BauO NRW sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 BauO NRW besteht eine Verbindung mit dem Erdboden auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Erdboden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden.
13Laut der vom Architekten des Antragstellers vorgelegten Unterlagen soll auf dem Ponton ein eingeschossiges Objekt mit einem begehbaren Dach errichtet werden, das - in einem ersten Kubus - sowohl das Clubheim des Antragstellers nebst zugeordneter Toilettenanlage und kleiner Küche für die Bewirtung von Clubmitgliedern sowie Gäste als auch - in einem zweiten Kubus - Sanitäreinrichtungen für die Hafennutzer beinhalten soll.
14Diese Aufbauten sind aus Bauprodukten hergestellt. Obwohl die Anlage auf einem im Wasser schwimmenden Ponton errichtet wird und sich damit nicht unmittelbar auf dem Erdboden befindet, ist sie mit diesem verbunden. Dabei bedarf es an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob eine solche Verbindung bereits gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BauO NRW aufgrund des Ruhens durch eigene Schwere auf dem Erdboden besteht. Dies wird in der Rechtsprechung und Literatur schon dann angenommen, sofern leichtbewegliche Gegenstände mit dem Erdboden verankert werden,
15Johlen, in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage, § 2 Rn. 45; OVG Mecklenburg, Urteil vom 15. Juli 2015 – 3 L 62/10 –, juris (Rn. 47 [Holzkogge]); VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. April 2012 – 8 A 45/11 –, juris (Rn. 37 [Ponton mit Aufbauten, die Wohnhaus entsprechen]). Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31. August 1973 - IV C 33.71 –, juris ([Wohnboot als bauliche Anlage im Bauplanungsrecht]); BVerwG, Beschluss vom 13. März 1973 – IV B 8.72 –, jurion (Rn. 5 [Wohnfloß als bauliche Anlage]); OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Oktober 1973 – III A 59/73 -, juris (Wohnboot als bauliche Anlage),
16wozu im baurechtlichen Sinne auch das Gewässerbett zählt.
17Erbguth / Schubert, JURA 2006, 454 (455) m.N.; inzident auch: VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. April 2012 – 8 A 45/11 –, juris (Rn. 37).
18Aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt sich, dass eine solche Befestigung des Pontons (und damit auch der auf ihm befindlichen Aufbauten) – wenn auch derzeit angeblich in unzureichender Form – besteht.
19Davon losgelöst besteht die Verbindung mit dem Erdboden jedenfalls dadurch, dass es sich um eine Anlage handelt, die überwiegend ortsfest benutzt wird, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BauO NRW,
20vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 1971 – II 321/70 -, juris (Wohnfloß); VGH Hessen, Beschluss vom 14. April 1986 – 4 TH 449/86 -, jurion (Rn. 19 [fahruntaugliches Restaurantschiff]); VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. April 2012 – 8 A 45/11 –, juris (Rn. 38 ff.).
21Auch bei § 2 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BauO NRW ist der Umstand, dass die Anlage auf dem Wasser schwimmt, unbeachtlich,
22vgl. VGH Hessen, Beschluss vom 14. April 1986 – 4 TH 449/86 -, jurion (Rn. 19 m.w.N.).
23Durch die geplante Nutzung der auf dem Ponton zu errichtenden Aufbauten ist evident, dass deren Ortsveränderung nicht erfolgen wird. Vielmehr soll das Clubhaus nebst Gastronomie und Toiletten sogar ausschließlich ortsfest benutzt werden.
24Der Einordnung als bauliche Anlage im Sinne der BauO NRW steht auch nicht entgegen, dass andere Landesbauordnungen schwimmende Anlagen ausdrücklich dem Anwendungsbereich der Landesbauordnung entnehmen (so z.B. § 1 Abs. 2 Nr. 7 BauO Hamburg) oder einbeziehen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6 BauO Rheinland-Pfalz). Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat sich insoweit für die dargelegte Regelung entschieden, so dass die Argumentation des Antragstellers, schwimmende Anlagen würden aufgrund einer fehlenden klarstellenden Regelung der nordrhein-westfälischen Bauordnung unterfallen, nicht verfängt.
25Auch die von dem Antragsteller zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs,
26Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. Oktober 2011, II R 27/10,
27wonach eine auf dem Wasser schwimmende Anlage mangels fester Verbindung mit Grund und Boden und wegen fehlender Standfestigkeit bewertungsrechtlich kein Gebäude sei, steht der hiesigen Einordnung als bauliche Anlage im Sinne der Landesbauordnung nicht entgegen. Dieser Entscheidung lag eine bewertungsrechtliche Problematik nach dem BewG zu Grunde. Das Gericht merkt zudem an, dass die auf dem Ponton geplanten Aufbauten auch dem Gebäudebegriff des § 2 Abs. 2 BauO NRW unterfallen dürften.
28Ferner findet kein Ausschluss nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BauO NRW statt, da die geplanten Aufbauten auch keine Anlagen des öffentlichen Verkehrs darstellen. Vorliegend sollen die baulichen Anlagen nicht die Nutzbarkeit der Wasserwege als solches betreffen, sondern wie ein am Festland befindliches Gebäude unter anderem Gastronomie beinhalten und in Teilen dem Publikumsverkehr zur Verfügung stehen.
29bb. Der Zuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde stehen auch keine anderen Bestimmungen entgegen, § 62 BauO NRW. Selbst für den Fall, dass neben dem Bauordnungsrecht aufgrund der Tatsache, dass sich die bauliche Anlage auf einem im Wasser schwimmenden Ponton befindet, auch Vorschriften des Wasserrechts Anwendung finden würden, hätte dies nicht zur Folge, dass die Anwendbarkeit der Vorschriften der Landesbauordnung ausgeschlossen wären,
30vgl. nur die Wertung des § 99 Abs. 3 LWG NRW sowie VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. April 2012 – 8 A 45/11 –, juris (Rn. 26 ff.).
31Auch die Hauptzuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde bliebe davon unberührt,
32vgl. VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. April 2012 – 8 A 45/11 –, juris (Rn. 31); Wallbaum in: Queitsch / Koll-Sarfeld / Wallbaum, Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, § 116 LWG Rn. 1.
33b. Die Stilllegungsverfügung der nach § 62 BauO NRW zuständigen Antragsgegnerin ist allerdings mangels vorheriger Anhörung derzeit in formeller Hinsicht rechtswidrig.
34Nach § 28 Abs. 1 VwVfG ist vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dem einfachgesetzlich geregelten, aber auch verfassungsrechtlich gebotenen Anhörungserfordernis kommt bei der Durchführung eines bauaufsichtsbehördlichen Verwaltungsverfahrens, das in dem Erlass einer Bauordnungsverfügung münden soll, schon mit Blick auf die sachgemäße Ausübung des bauaufsichtlichen Ermessens eine erhebliche Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr, als dass § 110 Abs. 1 JustG NRW von der Nachprüfung eines Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nach § 68 VwGO grundsätzlich absieht. Unterbleibt nun die an sich vorgeschriebene Anhörung, hat der von der Maßnahme Betroffene daher keine Gelegenheit mehr, etwaige Einwände im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens gegenüber der Behörde vorzutragen, sondern muss unmittelbar den Rechtsweg beschreiten. Auch wenn die zu unterlassende Anhörung unter bestimmten Voraussetzungen mit fehlerbehebender Wirkung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Klageverfahrens nachgeholt werden kann, stellt die fehlende Anhörung jedenfalls einen Verfahrensfehler dar. Zudem kann sich dadurch womöglich die Akzeptanz des Verwaltungshandelns verringern und dessen Fehleranfälligkeit erhöhen.
35So bereits der Beschluss der erkennenden Kammer vom 04. September 2015 - 2 L 1962/15 -, m.w.N.
36aa. Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin den Antragsteller vor Erlass der Ordnungsverfügung nicht angehört. Eine Anhörung kann insbesondere auch nicht in dem Schriftsatz des Antragstellers vom 27. April 2016 (Bl. 7 VV) gesehen werden. Auch wenn eine Anhörung nicht den ausdrücklichen Hinweis erfordert, dass der Betroffene sich äußern kann,
37OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. März 2010 – 4 LC 281/08 –, juris (Rn. 28),
38muss dem Betroffenen gleichwohl zweifelsfrei erkennbar sein, dass ihm die Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme in angemessener Frist einräumt,
39OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. März 2010 – 4 LC 281/08 –, juris (Rn. 28); vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 44.
40Daran fehlt es nach summarischer Prüfung vorliegend bereits. Zum einen gingen die Beteiligten davon aus, dass die Ordnungsverfügung bereits am 26. April 2016 erlassen worden sei. Es ist ferner nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller überhaupt (noch) rechtliches Gehör gewähren wollte. Gemäß dem Vorstehenden ist auch ungeklärt, wem die Antragsgegnerin am 26. April 2016 welche Informationen mitgeteilt hat. Die Behörde ist jedoch verpflichtet, dem Adressaten des Verwaltungsaktes die entscheidungserheblichen Tatsachen, auf die es nach der rechtlichen Einschätzung der entscheidenden Behörde bei Erlass des Verwaltungsakts ankommt, mitzuteilen,
41vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 34 m.w.N.
42Schließlich lässt sich weder aus dem Bescheid vom 29. April 2016 noch den Verwaltungsvorgängen im Ansatz erkennen, dass die – auf Seiten des Antragstellers mit Schreiben vom 27. April 2016 auf augenscheinlich unsicherer Tatsachengrundlage vorgetragenen Einwände – im Verwaltungsverfahren noch Berücksichtigung gefunden hätten.
43bb. Auch das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands von der Anhörungspflicht (§ 28 Abs. 2 VwVfG NRW) ist nicht ersichtlich, denn es fehlt einerseits schon an der nach § 28 Abs. 2 VwVfG NRW zu treffenden Ermessensentscheidung („ […] kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist […]“). Im Bescheid vom 29. April 2016 hat die Antragsgegnerin keine dahingehenden Erwägungen angestellt. Auch der beigezogene Verwaltungsvorgang lässt diesbezügliche Erwägungen nicht im Ansatz erkennen.
44Losgelöst von der fehlenden Ermessensausübung fehlt es zudem auch an den Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwVfG NRW. Der – vorliegend einzig zu erwägende – Fall des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW, wonach eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse das Absehen von einer Anhörung für notwendig erscheinen lassen kann, ist nicht gegeben. Gefahr im Verzug setzt voraus, dass durch eine vorherige – eventuell sogar nur mündlich oder telefonisch durchzuführende – Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass der Zweck der zu treffenden Regelung nicht erreicht würde,
45vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 51 m.w.N.
46Anhaltspunkte für eine derart akute Gefahrenlage sind aus den insgesamt lückenhaften und schlecht nachvollziehbaren Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin weder ersichtlich noch vorgetragen. Auch ist nicht erkennbar, dass eine Frist von beispielsweise wenigen Stunden den baurechtswidrigen Zustand verfestigt hätte.
47Ebenso wenig ist nach Aktenlage ein öffentliches Interesse erkennbar, aufgrund dessen eine sofortige Entscheidung notwendig erschienen wäre. Dieser Ausnahmetatbestand ist nur erfüllt, wenn die vorherige Anhörung die mit der Maßnahme verbundene Wahrung übergeordneter dringender öffentlicher Interessen ganz oder zum wesentlichen Teil vereiteln würde,
48vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 53 m.w.N.
49Es ist weder in der Verfügung vom 29. April 2016 nachvollziehbar dargelegt noch erkennbar, dass in dem Zeitraum zwischen der Ortsbesichtigung am 26. April 2016 und dem Erlass der Stilllegungsverfügung vom 29. April 2016 eine Anhörung des Antragstellers die effektive Gefahrenabwehr beeinträchtigt hätte.
50cc. Die fehlende Anhörung ist nicht während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit heilender Wirkung (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW)nachgeholt worden. Zu den Anforderungen an die Nachholung einer fehlenden Anhörung hat die erkennende Kammer in ihrem Beschluss vom 04. September 2015 (Az.: 2 L 1962/15) ausgeführt:
51„Nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 VwVfG NRW nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG NRW können Handlungen nach Absatz 1 bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Eine Heilung in diesem Sinne tritt nur dann ein, wenn die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Das setzt voraus, dass der Betroffene - nachträglich in einem eigenständigen Verfahren – eine vollwertige Gelegenheit zur Stellungnahme erhält und die Behörde die vorgebrachten Argumente zum Anlass nimmt, die ohne vorherige Anhörung getroffene Entscheidung kritisch zu überdenken. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stellen demgegenüber keine nachträgliche Anhörung im Sinne dieser Regelung dar,
52vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 14.09 -, BVerwGE 137, 199 und juris Rn. 37 zu § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 HVwVfG; Kopp/Ramsauer, VwVfG. § 45 Rn. 26; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 74 m.w.N.; a.A. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juni 2010 – 10 B 270/10 -, juris Rn. 7 ff, vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 -, juris Rn. 14 und vom 20. Januar 2015 – 15 A 2382/13 -, juris Rn. 7; offen gelassen: OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2010 – 7 B 1293/10 – juris Rn. 13.“
53An dieser Rechtsprechung hält die Kammer auch nach Erlass der im anschließenden Beschwerdeverfahren ergangenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalens,
54OVG NRW, Beschluss vom 21. März 2016 – 7 B 1069/15,
55fest. In diesem Beschluss hat der Senat die von der Kammer getroffene Annahme eines Anhörungsmangels letztlich mit der Argumentation abgelehnt, es spreche Überwiegendes dafür, dass sich aus der Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin ergebe, dass der Antragsteller hinreichende Gelegenheit hatte, zu den maßgeblichen Fragen Stellung zu nehmen. Abgesehen davon sei bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass eine hinreiche Anhörung jedenfalls im gerichtlichen Verfahren nachgeholt worden sei.
56Die Ausführungen des Senats überzeugen das erkennende Gericht nicht, denn sie gehen auf die von der Kammer ausführlich dargelegte Bedeutung des Anhörungserfordernisses nicht ansatzweise ein. Insbesondere ist seitens des erkennenden Senats eine Auseinandersetzung mit der von der Kammer zitierten und von ihr zu Grunde gelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht erfolgt. Die Bezugnahme des Senats auf die Rechtsprechung des 15. Senats,
57OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2015 – 15 A 2382/13 -, juris,
58vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Denn diese zum Kommunalabgabengesetz NRW ergangene Entscheidung nimmt ihrerseits Bezug auf einen Beschluss des 15. Senats,
59Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01. Juni 2012 – 15 A 48/12 –, juris,
60in dem dieser ausführt, es sei
61„nicht notwendig, dass der Betroffene während eines anhängigen Gerichtsverfahrens die Möglichkeit zur Stellungnahme auf der Ebene eines parallel geführten Verwaltungsverfahrens erhält [...]. Die vom Bundesverwaltungsgericht demgegenüber in den 80-er Jahren vertretene gegenteilige Auffassung, ein Anhörungsmangel könne nur außerhalb des gerichtlichen Verfahrens in einem Verwaltungsverfahren behoben werden, [...] betrifft die Altfassung der Bestimmung des § 45 Abs. 2 VwVfG des Bundes und die dieser Regelung angepassten Landesgesetze, wonach eine unterbliebene Anhörung nur bis zur Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage nachholbar war. Sie steht daher nicht im Widerspruch zu einer Heilungsmöglichkeit im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren nach § 45 Abs. 2 VwVfG NRW. n. F.“
62Durch die Bezugnahme auf diese Entscheidung berücksichtigt das Oberverwaltungsgericht nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung auch nach Änderung des § 45 VwVfG in der Bundesfassung (und den Landesfassungen) aufrecht erhalten und bestätigt hat und für die Annahme einer Heilung nach unterbliebener Anhörung weiterhin fordert, dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stellen demnach keine nachträgliche Anhörung im Sinne dieser Regelung dar,
63vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 14.09 -, juris (Rn. 37 zu dem wortlautgleichen § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG Hessen); BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16/11 -, juris (Rn. 18).
64Insoweit ist der einfache Austausch von Sachinformationen im Gerichtsverfahren für eine Heilung des Anhörungsmangels gerade nicht ausreichend.
65Die dargetane Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts begründet des Weiteren die Gefahr, dass eine Behörde – losgelöst vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwVfG NRW – in von ihr als eilbedürftig empfundenen Fällen von einer Anhörung absieht, da sie auf eine Heilung durch Stellungnahme im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertrauen kann. Dass durch ein solches Verständnis das nach weitgehender Abschaffung des Widerspruchverfahrens nun besonderer Bedeutung zukommendem Anhörungserfordernis weitgehend unterlaufen werden würde, hat die Kammer in ihrem Beschluss vom 04. September 2015 bereits ausführlich dargelegt. Hieran hält die Kammer fest.
66Nach den vorstehend genannten und von der Kammer angewandten Grundsätzen ist die fehlende Anhörung des Antragstellers derzeit noch nicht nachgeholt worden. Weder ist die Nachholung der Anhörung in dem Schreiben vom 27. April 2016 (Bl. 7 VV) zu sehen, noch konnte sie aufgrund der vorstehend genannten Grundsätze durch bloße Stellungnahme während des Gerichtsverfahrens nachgeholt werden.
67dd. Die fehlende Anhörung des Antragstellers ist auch nicht gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, weil offensichtlich wäre, dass sie die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die strengen Voraussetzungen des § 46 VwVfG NRW sind vorliegend nicht erfüllt. Danach ist zum einen erforderlich, dass jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass bei der Einhaltung der Verfahrensvorschrift (hier: Anhörungserfordernis) die Entscheidung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen anders hätte ausfallen können,
68vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 25 f.; noch zur vorherigen Fassung des § 46 VwVfG NRW: OVG NRW, Urteil vom 13. Oktober 1988 – 11 A 2734/86 -, juris Rn. 11.
69Zum Zweiten muss es sogar offensichtlich sein, dass auch eine Anhörung des Antragstellers die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte. Dafür müsste jeder vernünftige Zweifel ausgeschlossen sein, dass es bei Vermeidung des Fehlers zur selben Entscheidung in der Sache gekommen wäre,
70vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 37; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 73 ff.
71Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Antragsteller trägt unter Berufung auf die oben genannte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie auf Landesbauordnungen anderer Bundesländer Gesichtspunkte vor, die zwar gegebenenfalls kein Absehen von einer Ordnungsverfügung denkbar erscheinen lassen, bei summarischer Prüfung im Fall ihrer Berücksichtigung wohl aber Auswirkungen auf die Gestalt derselben gehabt haben könnten.
72c. Die Zwangsgeldandrohung zu dieser Ordnungsverfügung kann, da es aus den angeführten Gründen nach summarischer Prüfung derzeit an einer rechtmäßigen Grundverfügung fehlt, keinen Bestand haben, so dass diesbezüglich die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist.
73Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
74Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. In Anwendung von Ziffer 12 a) des Streitwertkataloges der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (BauR 2003, 1883) war der Streitwert des Hauptsacheverfahrens zu halbieren.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines für sofort vollziehbar erklärten Hausverbotes vom 6. Dezember 2013, welches der Antragsgegner der Antragstellerin – befristet bis zum 31. Dezember 2014 – unter Hinweis darauf erteilt hat, dass es dann nicht gilt, wenn sie das Jobcenter S. -T. auf Aufforderung betreten müsse; ferner könne sie – die Antragstellerin – im Einzelfall einen Antrag auf Ausnahme stellen. Hiergegen hat die Antragstellerin am 16. Dezember 2013 Klage beim Verwaltungsgericht Köln (26 K 7793/13) erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig hat sie sinngemäß beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage 26 K 7793/13 gegen das Hausverbot vom 6. Dezember 2013 wiederherzustellen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt.
3Hiergegen richtet sich die zulässige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren erstinstanzlich gestellten Antrag weiterverfolgt. Mit den im Beschwerdeverfahren vorgebrachten, allein zu prüfenden Erwägungen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) hat die Beschwerde allerdings keinen Erfolg.
4Rechtsgrundlage für das Hausverbot vom 6. Dezember 2013 ist die Sachkompetenz des Antragsgegners zur Erfüllung der ihm übertragenen Verwaltungsaufgaben. Das Hausrecht ist notwendiger Annex dieser Sachkompetenz. Der Träger öffentlicher Gewalt, der die Erfüllung einer bestimmten Sachaufgabe im Rahmen der öffentlichen Verwaltung – wie hier der Antragsgegner – zugewiesen erhält, muss und kann selbst bestimmen, wem der Zutritt zum räumlichen Bereich zu gestatten und wem der Zutritt zu versagen ist, wenn eine ordnungsgemäße Tätigkeit im Rahmen des Widmungszwecks gefährdet oder gestört wird.
5OVG NRW, Beschluss vom 14. Oktober 1988 ‑ 15 A 188/86 -, NWVBl. 1989, 91.
6Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Widmungszweck des Jobcenters S. -T. ist darauf ausgerichtet, in seinem Zuständigkeitsbereich die Bezieher von Arbeitslosengeld II zu betreuen. Diese Zielsetzung hat zur Grundvoraussetzung, dass ein ordnungsgemäßer Betrieb des Jobcenters und insbesondere die Sicherheit seiner Besucher und der im Jobcenter tätigen Mitarbeiter gewährleistet ist. Deren Sicherheit ist – auch unter Berücksichtigung der Pflicht des Hausrechtsinhabers, mit aus seiner Sicht schwierigen Besuchern zurechtkommen und ihnen grundsätzlich das ungehinderte Vortragen ihrer Anliegen ermöglichen zu müssen - durch die Antragstellerin im schweren Maße beeinträchtigt. Dies hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausführlich dargelegt, worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts hat die Antragstellerin inhaltlich nichts Substantielles vorgetragen.
7Sie macht allerdings Folgendes geltend: Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht tragfähig. Dessen ungeachtet sei das vorliegend streitige Hausverbot schon deshalb formell rechtswidrig, weil sie – die Antragstellerin – vor seinem Erlass nicht angehört worden sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auch keine Heilung eingetreten. Die fehlende Anhörung könne nicht dadurch ersetzt werden, dass der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2013 nach erneuter Prüfung an dem Hausverbot festgehalten habe. Wie könne ohne Kenntnis der Gegenargumente die Anhörung nachgeholt werden? Die vom Verwaltungsgericht zitierte Entscheidung des Senats vom 1. Juni 2012 (15 A 48/12) trage den angegriffenen Bescheid im Hinblick auf die fehlende Anhörung nicht. Zum einen setze sich das Oberverwaltungsgericht in dem vorgenannten Beschluss mit der Nachholung einer rechtswidrig unterbliebenen Anhörung in einem Klageverfahren und nicht in einem Eilverfahren auseinander. Außerdem sei in dem dem Beschluss vom 1. Juni 2012 zugrunde liegenden Sachverhalt die Anhörung nachgeholt und damit geheilt worden, was hier nicht der Fall sei. Dem Antragsgegner habe keine Stellungnahme von ihr – der Antragstellerin – zur Verfügung gestanden, so dass er ihre Argumente gar nicht habe prüfen können; sie seien ihm nicht bekannt gewesen. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht nicht anerkannt, dass sie die E-Mails, die das Hausverbot ausgelöst hätten, nur versehentlich an den Antragsgegner geschickt habe. Für diesen seien die E-Mails nicht bestimmt gewesen. Alleiniger Empfänger habe ihr Prozessbevollmächtigter sein sollen. Die Korrespondenz zwischen diesem und ihr sei aber unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besonders geschützt. Der E-Mail-Verkehr mit ihrem Prozessbevollmächtigten dürfe daher nicht zur Begründung des Hausverbots herangezogen werden.
8Diese Darlegungen der Antragstellerin rechtfertigen es nicht, den angegriffenen Beschluss zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihrer beim Verwaltungsgericht Köln gegen das Hausverbot erhobenen Klage vom 16. Dezember 2013 wiederherzustellen. Im Einzelnen:
9Entgegen der Auffassung der Antragstellerin genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Hausverbots den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach muss das besondere Interesse an der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordneten sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich begründet werden. Die schriftliche Begründung muss in nachvollziehbarer Weise die Erwägungen erkennen lassen, die die Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung veranlasst haben. Dabei ist die Behörde verpflichtet, abgestellt auf den konkreten Fall das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sowie die Ermessenserwägungen, die sie zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben, darzulegen. Formelhafte und pauschale Begründungen oder Wendungen, mit denen lediglich der Gesetzestext wiederholt wird, reichen nicht aus.
10Puttler, in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage, München 2010, § 80 Rn. 97 m. w. N.
11Diesen Anforderungen wird die seitens des Antragsgegners für den Sofortvollzug angegebene – sehr knappe - Begründung noch gerecht. Diese erschöpft sich namentlich nicht in formelhaften und abstrakten Angaben. So führt der Antragsgegner zunächst die besondere Schutzbedürftigkeit seiner Beschäftigten vor Bedrohungen an, von der er zu Recht annehmen darf, dass sie keinen Aufschub duldet. Dabei stellt der Antragsgegner zugleich auf den vorliegenden Einzelfall ab, wenn er in der Begründung des Sofortvollzugs gerade auf die Bedrohungen durch die Antragstellerin abhebt.
12Die Antragstellerin geht auch Fehl in der Annahme, das Hausverbot sei bereits deshalb formell rechtswidrig, weil sie vor seinem Erlass nicht nach § 24 Abs. 1 SGB X angehört worden sei.
13Hieraus folgt schon deshalb nicht die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Hausverbots, weil es vor dessen Ausspruch einer Anhörung der Antragstellerin gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X nicht bedurfte. Nach dieser Vorschrift kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Von dieser Ermächtigung hat der Antragsgegner ermessensfehlerfrei Gebrauch gemacht, wenn er in seinem Bescheid vom 6. Dezember 2013 ausführt: „Das Hausverbot wird ohne vorherige Androhung ausgesprochen, da ich die Gefahr eines tätlichen Angriffs ihrerseits auf meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zulassen kann.“ Der Antragsgegner hat richtig angenommen, dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X vorlagen, da die von ihm angeführten E-Mails der Antragstellerin offenlegen, dass sie Gewaltgedanken in Bezug auf Mitarbeiter des Antragsgegners hegte, die ein sofortiges Handeln zum Schutz der Betroffenen erforderten.
14Aber auch dann, wenn man annehmen wollte, die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X hätten nicht vorgelegen, erwiese sich das Hausverbot nicht als formell rechtswidrig. Denn die fehlende Anhörung wäre dann gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt worden. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2013 nach erneuter Prüfung an dem Hausverbot vom 6. Dezember 2013 festgehalten und damit die Anhörung nachgeholt.
15Der Wortlaut des § 41 Abs. 2 SGB X, wonach u. a. eine unterbliebene Anhörung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann, lässt sowohl eine Heilung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens als auch eine solche im Gerichtsverfahren zu. Entscheidend ist, dass die nachgeholte Anhörung die ihr zukommende Funktion im Rahmen des behördlichen Entscheidungsprozesses erfüllen kann. Hierzu ist es nicht notwendig, dass der Betroffene während eines anhängigen Gerichtsverfahrens die Möglichkeit zur Stellungnahme auf der Ebene eines parallel geführten Verwaltungsverfahrens erhält. Die Heilung kann vielmehr auch in einem Austausch von Sachäußerungen in einem gerichtlichen Verfahren bestehen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Behörde den Vortrag des Betroffenen zum Anlass nimmt, ihre Entscheidung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und zu erwägen, ob sie unter Berücksichtigung der nunmehr vorgebrachten Tatsachen und rechtlichen Erwägungen an ihrer Entscheidung mit diesem konkreten Inhalt festhalten will und das Ergebnis der Überprüfung mitteilt.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Juni 2012 ‑ 15 A 48/12 -, NWVBl. 2013, 37 ff., und vom 14. Juni 2010 ‑ 10 B 270/10; OVG Nds., Beschluss vom 31. Januar 2002 ‑ 1 MA 4216/01 -, BRS 65 Nr. 203; Hessischer VGH, Beschluss vom 20. Mai 1988 ‑ 4 TH 3616/87 ‑, NVwZ-RR 1989, 113 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 26. Januar 2009 ‑ 3 CS 09.46 -, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 3. Mai 2005 ‑ 4 M 37/05 -, juris; a. A.: Kopp/Schenke, VwVfG, § 45 Rn.27 und 42; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 86 ff.; Knack/Henneke, VwVfG, § 45 Rn. 29 f.
17Das ist – anders als die Antragstellerin meint – im gerichtlichen Verfahren geschehen. In diesem hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2013 in Kenntnis und Würdigung der von der Antragstellerin mit ihrem klage- und verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom 15. Dezember 2013 gegen die Rechtmäßigkeit des Hausverbotsbescheids vom 6. Dezember 2013 vorgetragenen Argumente an dem Hausverbot nach erneuter Prüfung festgehalten, was er durch den angekündigten Klageabweisungsantrag und den Antrag auf Ablehnung der von der Antragstellerin begehrten Vollziehungsaussetzung zum Ausdruck gebracht hat.
18Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, die Stellungnahme vom 18. Dezember 2013 sei ausschließlich im Eilverfahren erfolgt, in dem eine Anhörung nicht nachgeholt werden könne, führt dies zu keiner anderen Beurteilung ihrer Beschwerde. Zum einen trifft es nicht zu, dass die Stellungnahme des Antragsgegners vom 18. Dezember 2013 ausschließlich im Eilverfahren abgegeben worden ist. Die Stellungnahme betrifft ersichtlich sowohl das Klage- als auch das Eilverfahren. Dessen ungeachtet ist aber auch die Nachholung einer Anhörung im Eilverfahren möglich und zulässig. So sind verschiedene Spruchkörper des beschließenden Gerichts, denen der Senat folgt, auch in der Vergangenheit von der Heilung einer vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts unterlassenen Anhörung ausgegangen, wenn der Betroffene – wie vorliegend - in dem beim Verwaltungsgericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung Gelegenheit gehabt hat, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern und der Antragsgegner sich – wie hier – in seiner Antragserwiderung mit den vorgetragenen Argumenten zumindest sachgedanklich auseinandergesetzt hat.
19Vgl. die Nachweise bei OVG NRW, Beschluss vom 14. Juni 2010 – 10 B 270/10 –, juris Rn. 9.
20Schließlich begegnet das Hausverbot auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil der Antragsgegner dieses auf Informationen gestützt hat, die aus der Korrespondenz zwischen der Antragstellerin und ihrem Prozessbevollmächtigten stammen. Bezüglich dieser Informationen besteht im vorliegenden Fall kein Verwertungsverbot. Der Antragsgegner durfte sie zur Kenntnis nehmen und das Hausverbot auf die aus den E-Mails der Antragstellerin gewonnenen Erkenntnisse stützen. Denn die fraglichen Informationen sind ihm durch die Antragstellerin selbst zur Verfügung gestellt worden. Ob dies absichtlich oder versehentlich geschehen ist, ist unerheblich. Entscheidend ist hier, dass der Antragsgegner die Informationen nicht (rechtswidrig) erhoben und er nicht unzulässigerweise in das geschützte Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant eingegriffen hat. Vor diesem Hintergrund war er sogar gehalten, die ihm durch die Antragstellerin zur Kenntnis gebrachten Informationen zu verwerten und in seine Entscheidung betreffend die Erteilung eines Hausverbotes einfließen zu lassen, um so Gefahren insbesondere für seine Beschäftigten abzuwenden und seiner Fürsorgepflicht diesen gegenüber zu genügen.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Zu den von der Antragstellerin zu tragenden Kosten des Beschwerdeverfahrens gehören auch die Gerichtskosten. § 188 Satz 2 VwGO findet keine Anwendung, da es sich bei Streitigkeiten über ein Hausverbot, das für die Räume eines Jobcenters gegenüber einem Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erlassen wird, nicht um Angelegenheiten der Fürsorge im Sinne des Satzes 1 der Vorschrift handelt.
22OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2013 ‑ 16 B 445/13 -.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 447 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.868,06 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt worden. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; I.) noch kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; II.) noch liegt ein die Zulassung der Berufung erfordernder Verfahrensmangel vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; III.).
3I. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Dies ist nur der Fall, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wobei es zur Darlegung (§ 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO) dieses Berufungszulassungsgrundes ausreicht, wenn die Begründung einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 ‑ 15 A 2914/09 -, vom 25. September 2008 ‑ 15 A 3231/07 -, vom 9. September 2008 ‑ 15 A 1791/07 ‑ und vom 28. August 2008 - 15 A 1702/07 ‑.
5Für die Darlegung dieses Berufungszulassungsgrundes ist somit erforderlich, dass konkrete tatsächliche oder rechtliche Feststellungen im angefochtenen Urteil aus ebenso konkret dargelegten Gründen als (inhaltlich) ernstlich zweifelhaft dargestellt werden.
6Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 ‑ 15 A 2914/09 - und vom 2. November 1999 ‑ 15 A 4406/99 -.
7Davon ausgehend sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht ersichtlich. Im Einzelnen:
81.) Die Auffassung des Klägers, der Beitragsbescheid sei bereits mangels notwendiger Anhörung rechtswidrig, trifft nicht zu. Dabei kann offen bleiben, ob im vorliegenden Verfahren – wie die Beklagte meint – von der Anhörung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) KAG NRW i. V. m. § 91 Abs. 2 Nr. 4 AO abgesehen werden konnte. Denn selbst wenn man von einer rechtswidrig unterbliebenen Anhörung vor Erlass des streitigen Bescheides ausgeht, kann dieser Verfahrensmangel im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG NRW i. V. m. § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO nachgeholt und geheilt werden. Dabei kann die Heilung – wie auch hier ausweislich der Gerichtsakte geschehen – durch Austausch von Sachäußerungen im Klageverfahren erfolgen.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2012 – 15 A 48/12 -, NWVBl. 2013, 37 ff.
10Sofern der Kläger in diesem Zusammenhang noch eine unterbliebene Benachrichtigung der Anlieger über die Ausbaumaßnahme rügen will, führt auch dieser Einwand nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils. Es steht der Entstehung der Beitragspflicht generell nicht entgegen, dass die Anlieger über die beabsichtigte beitragspflichtige Ausbaumaßnahme nicht informiert oder sie gar befragt worden sind, da dies keine Voraussetzung hierfür ist.
11Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 8. Auflage, Bonn 2013, Rn. 618.
122.) Die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe ursprünglich nicht den Willen gehabt, irgendwelche Kosten gegenüber den Anliegern abzurechnen, weil es sich um ein (teures) Pilotprojekt gehandelt habe, begründet ebenfalls keine Richtigkeitszweifel.
13Der Kläger verkennt, dass die Beklagte in aller Regel eine Beitragserhebungspflicht trifft, deren inhaltliche Reichweite weit zu fassen ist, so dass vom Grundsatz her kein Raum für einen Verzicht auf den Straßenbaubeitrag besteht. Allenfalls in besonderen, als atypisch anzusehenden Fallgestaltungen kann ein Abweichen von der Beitragserhebungspflicht gerechtfertigt sein.
14Vgl. Dietzel/Kallerhoff, a. a. O., Rn. 9 m. w. N.
15Ein solcher atypischer Fall liegt hier auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte den Ausbau der Beleuchtungslage selbst als Pilotprojekt bezeichnet hat, nicht vor. Eine Gemeinde kann zwar dazu berechtigt sein, von einer Beitragserhebung ausnahmsweise abzusehen, wenn bei der Durchführung einer nach ihrer Konzeption neuartigen straßenbaulichen Maßnahme, deren wirtschaftliche Vorteile für die Anlieger nicht ohne Weiteres erkennbar sind, die betroffenen Einwohner nicht bereits im Zeitpunkt der Planung des Vorhabens auf eine etwaige Beitragspflicht hingewiesen worden sind.
16Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. August 1985 – 15 A 1904/84 -, KStZ 1985, 234.
17Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Es stellt sich schon die Frage, ob es sich bei dem hier vorgenommenen Ausbau der Beleuchtungsanlage um eine „ihrer Konzeption nach neuartige straßenbauliche Maßnahme“ handelt. Jedenfalls liegen die mit dem Ausbau der Beleuchtungsanlage verbundenen wirtschaftlichen Vorteile für die Anlieger mit Blick auf die erzielte Verbesserung der Beleuchtungssituation (siehe dazu unten I. 7.) bei objektiver Betrachtungsweise auf der Hand, so dass die Beklagte rechtsfehlerfrei von einer Beitragserhebungspflicht ausgehen durfte und musste. Sie war damit schon vom Ansatz her nicht berechtigt, von der Erhebung des hier streitigen Straßenbaubeitrags abzusehen.
183.) Auch der Einwand des Klägers, die Beklagte rechne Kosten ab, die für die heute installierte Anlage nicht angefallen seien, führt nicht zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Kläger trägt insoweit im Kern vor: Die Beklagte rechne vorliegend die Aufstellung von konventionellen Beleuchtungskörpern ab. Tatsächlich seien diese konventionellen Beleuchtungskörper nur als Interimslösung für einige Wochen montiert worden, um zu einem späteren Zeitpunkt die noch nicht gelieferten LED-Beleuchtungskörper zu installieren. Die Abrechnung von „Verbesserungsmaßnahmen“, die nicht mit den dauerhaft vorhandenen Anlagen korrespondierten, aus denen erst die von § 8 KAG NRW vorausgesetzte Verbesserung nachhaltig entstehe, sei nicht durch § 8 KAG NRW gedeckt. Zumindest fehle es an einer „Vergütung“ für die demontierten Beleuchtungskörper.
19Diese Erwägungen greifen nicht durch. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte der Berechnung des Straßenbaubeitrags die nur als Interimslösung angebrachten Beleuchtungskörper zugrunde gelegt hat, die zwischenzeitlich durch die LED-Beleuchtungskörper ersetzt worden sind. Hieraus ist dem Kläger aber im Ergebnis kein Rechtsnachteil entstanden. Denn die nunmehr installierten, zur Verbesserung im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW führenden LED-Beleuchtungskörper sind viel teurer als die abgerechneten konventionellen Beleuchtungskörper; die Kosten der teureren Beleuchtungskörper sind aber in die Beitragsberechnung nicht eingeflossen.
204.) Der Kläger trägt ferner vor, dass die jetzt angebrachten Beleuchtungskörper auf jeden Fall überdimensioniert seien und gedimmt werden müssten. Vor diesem Hintergrund liege eine Verletzung des Kostenüberschreitungsverbotes vor. Auch dieses Vorbringen begründet keine Richtigkeitszweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es liegt schon deshalb keine Verletzung des Grundsatzes der Erforderlichkeit vor, weil die jetzt angebrachten LED-Beleuchtungskörper, in denen die „Überdimensionierung“ ihre Ursache findet, gegenüber dem Kläger im Rahmen der Beitragserhebung nicht abgerechnet worden sind.
215.) Das Vorbringen, § 11 des neuen Beleuchtungsvertrages zwischen der Beklagten und den Stadtwerken, wonach eine Vergütung für entsorgte Anlagenteile zu zahlen ist, sei zu seinen Lasten nicht angewandt worden, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung. Die vom Kläger geforderte Anrechnung scheidet hier schon deshalb aus, weil im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht Ende 2007 der vom Kläger in Bezug genommene Vertrag noch nicht galt. Denn der „Vertrag über die Öffentliche Beleuchtung E. zwischen der Stadt E. und den Stadtwerken E. AG“ ist gemäß seiner Regelung in § 31 für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2018 geschlossen worden.
226.) Die Berufung ist auch nicht mit Blick auf das Vorbringen des Klägers zur angeblichen Vergaberechtswidrigkeit der „gesamten Maßnahme“ wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zuzulassen. Eine Vergaberechtswidrigkeit stellt die Erforderlichkeit des Aufwandes nicht in Frage. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Vergaberechtswidrigkeit zu einem erhöhten Aufwand geführt hat, weil statt des wirtschaftlichsten Angebots ein solches zu einem unangemessenen Preis zum Zuge gekommen ist.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Februar 2008 – 15 A 2568/05 -, NVwZ-RR 2008, 442.
24Dafür ist hier jedoch weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
257.) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung ergeben sich ferner nicht daraus, dass der Kläger, der die Richtigkeit der in den Akten befindlichen Beleuchtungsmesswerte bestreitet, das Vorliegen einer Verbesserungsmaßnahme in Abrede stellt. Das Verwaltungsgericht ist unter nicht zu beanstandender Auswertung der Verwaltungsvorgänge (einschließlich eines Vorher-Nachher-Vergleichs) zu der rechtlich zutreffenden Annahme gelangt, dass hier eine verkehrstechnische Verbesserung der Straßenbeleuchtung vorliegt, ohne dass der Kläger hiergegen Substantielles eingewandt hat.
268.) Des Weiteren kann der Kläger seinen Zulassungsantrag nicht mit Erfolg auf das Argument stützen, die Beklagte habe entgegen § 10 des „Vertrages über die öffentliche Beleuchtung E. zwischen der Stadt E. und den Stadtwerken E. AG für den Zeitraum vom 1.4.1999 bis 31.12.2008“ die in Rede stehende Ausbaumaßnahme nicht gesondert ausgeschrieben, weshalb das angegriffene Urteil keinen Bestand haben könne. Es ist schon fraglich, ob es sich vorliegend um eine Baumaßnahme von „besonderer Bedeutung und/oder außergewöhnlichem Umfang“ im Sinne der zitierten Vertragsregelung handelt. Dessen ungeachtet gilt auch in diesem Zusammenhang (vgl. schon oben I. 6.), dass eine gebotene aber unterlassene (gesonderte) Ausschreibung nur dann die Erforderlichkeit des Aufwandes in Frage stellt, wenn der Verzicht auf die Ausschreibung zu einem erhöhten Aufwand geführt hat, weil statt des wirtschaftlichsten Angebots ein solches zu einem unangemessenen Preis zum Zuge kommt. Hierfür ist – wie bereits oben ausgeführt – im vorliegenden Verfahren weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
27II.) Die Berufung ist weiterhin nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedürfte, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat.
28OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2007 - 15 A 1279/07 -.
29Der Kläger ist der Auffassung, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil „im vorliegenden Fall … ein Betrag für eine Beleuchtungsanlage als Verbesserung abgerechnet (wurde), die tatsächlich nur kurze Zeit an dem streitgegenständlichen Grundstück montiert war.“ Darüber hinaus sei klärungsbedürftig, „inwieweit der Wille, eine Anlage als Pilotprojekt zu betreiben, dafür entscheidend ist, ob zu einem späteren Zeitpunkt dennoch Beiträge nach § 8 KAG abgerechnet werden können.“
30Aus diesen „Fragen“ ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Es mangelt schon an einer hinreichenden Darlegung der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Dessen ungeachtet kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu.
31Das Vorliegen einer beitragsfähigen Verbesserung ist durch eine deutliche Steigerung der Beleuchtungsstärke infolge des Ausbaus der Beleuchtungsanlage eingetreten (s. o.). Dass in die Berechnung des Beitrags nur die Kosten für die – später wieder entfernte - Interimslösung eingestellt worden sind, macht die Beitragserhebung nicht rechtswidrig. So ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beklagten die Kosten für die Interimslösung tatsächlich entstanden sind. Entscheidend ist aber, dass die Kosten für die dauerhaft errichteten LED-Leuchten nicht in die Beitragserhebung eingestellt worden sind, so dass dem Kläger im Ergebnis kein Rechtsnachteil entstanden ist.
32Wenn der Kläger darüber hinaus an dieser Stelle erneut aus der Bezeichnung „Pilotprojekt“ ableiten will, dass die abgerechnete Maßnahme nicht beitragsfähig sein soll, geht dieser Einwand aus den bereits oben genannten Gründen ins Leere (vgl. I. 2.).
33III.) Schließlich liegt auch kein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Namentlich ist der Kläger nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen worden (vgl. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Entgegen den Darlegungen des Klägers ist der Rechtsstreit mit dem den Beteiligten übersandten Beschluss vom 24. Juli 2013 auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden. Für den am 18. Juli 2013 durchgeführten Erörterungstermin hat es eines solchen Übertragungsbeschlusses mit Blick auf die Bestimmung in § 87 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht bedurft. Wenn der Kläger darüber hinaus rügt, dass der Vorsitzende der erkennenden Kammer im Erörterungstermin, vor allem aber im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht zur Vertretung der als Einzelrichterin zuständigen Berichterstatterin befugt gewesen sei, weil für das Bestehen eines Vertretungsfalles nichts ersichtlich sei, führt auch dies nicht zur Zulassung der Berufung. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Einzelrichterin nicht krank war und ein Vertretungsfall nicht vorlag. An der Beachtung der Vorgabe des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bestehen keine Zweifel.
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlagen in §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Der angegriffene Beschluss wird geändert. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat Erfolg.
3Die mit der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe führen zur Änderung der angefochtenen Entscheidung, mit der das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügungen der Antragsgegnerin vom 30.6. 2015 und 27.7.2015 wiederhergestellt bzw. hinsichtlich der Zwangsgeldandrohungen angeordnet hat. Entgegen der erstinstanzlichen Einschätzung fällt die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.
4Die Klage wird in der Hauptsache summarischer Beurteilung zufolge erfolglos bleiben.
5Die Verfügung vom 30.6.2015 ist voraussichtlich rechtmäßig. Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der Stilllegung der Baustelle W. Straße 266 zu Recht auf die formelle Illegalität des Vorhabens gestützt. Summarischer Prüfung zufolge ist davon auszugehen, dass das Vorhaben des Antragstellers nicht über die gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW erforderliche Baugenehmigung verfügt. Hierzu hat bereits das Verwaltungsgericht näher ausgeführt, dass es nicht - wie der Antragsteller meint - lediglich um genehmigungsfreie Maßnahmen geht (vgl. Seite 10, erster Absatz des Beschlusses vom 4.9.2015). Eine Stilllegungsverfügung kann ebenso wie eine Nutzungsuntersagung in aller Regel ‑ und so auch hier ‑ allein auf die formelle Illegalität einer baulichen Nutzung gestützt werden. Eine auf die formelle Illegalität gestützte Stilllegungsverfügung stellt sich zwar dann als unverhältnismäßig dar, wenn der erforderliche Bauantrag gestellt, dieser nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig ist und der Erteilung der Baugenehmigung auch sonst keine Hindernisse entgegenstehen.
6Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 11.9.2012 ‑ 7 B 874/12 -.
7Ein solcher Sachverhalt ist hier indes weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
8Dass die Stilllegungsanordnung mit Blick auf § 15 Abs. 3 OBG NRW unverhältnismäßig sein könnte, wie der Antragsteller geltend macht, vermag der Senat ebenso wenig zu erkennen. Ungeachtet der Frage, wann die Decke im Erdgeschoss eingezogen worden ist, konnte die Anordnung auf das Vorhaben als Gesamtbaumaßnahme bezogen werden, ohne nach einzelnen genehmigungsfreien bzw. abgeschlossenen Arbeiten zu differenzieren.
9Aus den von der Antragsgegnerin aufgezeigten Gründen teilt der Senat nicht die erstinstanzliche Einschätzung, die Verfügung vom 30.6.2015 sei nicht wirksam zugestellt worden. Die Verfügung wurde mit Wirkung für den Antragsteller summarischer Prüfung zufolge jedenfalls auf der Grundlage einer Vollmacht den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt. Der Senat geht davon aus, dass die mit Schriftsatz vom 17.3.2015 übersandte Vollmacht vom 14.3.2015 mit dem Betreff „in Sachen C. jun., K. ./.Stadt L. wegen Bebauung Grundstück W. Straße 268/266 L. “ auch die hier in Rede stehende Angelegenheit umfasste. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegnerin rechtzeitig der behauptete Widerruf der Vollmacht mitgeteilt worden wäre, sind nicht ersichtlich. Danach bietet auch die in der Verfügung enthaltene Zwangsgeldandrohung keinen Anlass zur Beanstandung.
10Hinsichtlich der Verfügung vom 27.7.2015 spricht ebenfalls Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit der Stilllegungsanordnung der Antragsgegnerin.
11Der Senat teilt nicht die Einschätzung, die Verfügung leide an einem formellen Mangel, weil der Antragsteller nicht angehört worden sei. Dies ergibt sich aus den Darlegungen der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung, nach denen Überwiegendes dafür spricht, dass der Antragsteller hinreichende Gelegenheit hatte, zu den maßgeblichen Fragen Stellung zu nehmen. Abgesehen davon ist summarischer Prüfung zufolge davon auszugehen, dass eine hinreichende Anhörung jedenfalls im gerichtlichen Verfahren nachgeholt worden ist.
12Vgl. zur Nachholung einer Anhörung durch Austausch von Sachäußerungen zu den maßgeblichen Fragen in einem gerichtlichen Verfahren: OVG NRW, Beschluss vom 20.1.2015 - 15 A 2382/13 -, KStZ 2015, 78 = juris, m. w. Nachw.
13Auch in Bezug auf die Zwangsgeldandrohung bietet die Verfügung vom 27.7.2015 voraussichtlich keinen Anlass zur Beanstandung.
14Anhaltspunkte dafür, dass das Interesse des Antragstellers, vom Vollzug der nach den vorstehenden Ausführungen voraussichtlich rechtmäßigen Stilllegungsanordnungen verschont zu bleiben, gegenüber dem hier gegebenen besonderen Vollziehungsinteresse überwiegen könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
16Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
17Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
Gründe
- 1
-
Die Beschwerde ist unbegründet.
- 2
-
Eine Zulassung der Revision wegen der von der Beschwerde allein geltend gemachten grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) kommt nicht in Betracht.
- 3
-
Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Beklagte einen unanfechtbar gewordenen Erschließungsbeitragsbescheid gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 3 b) NKAG i.V.m. § 130 Abs. 1 AO nur teilweise, nämlich nur hinsichtlich bestimmter, in einem anderen Verwaltungsstreitverfahren vom Verwaltungsgericht beanstandeter Kostenrechnungen aufgehoben hat. Die auf Neubescheidung (mit dem Ziel einer weitergehenden Aufhebung des Ursprungsbescheides) gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Entscheidung der Beklagten aufgrund im Berufungsverfahren vorgetragener ergänzender Ermessungserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO, § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG für rechtmäßig erachtet und dem Kläger die Kosten (auch) des (Berufungs-)Verfahrens auferlegt. Vor diesem Hintergrund hält die Beschwerde für klärungsbedürftig, ob ein solches - nach ihrer Ansicht - "uneingeschränktes und folgenloses" Nachschieben von Ermessenserwägungen auch dann mit einer für den Kläger negativen Kostenfolge zulässig ist, wenn ein Widerspruchsverfahren gesetzlich nicht vorgesehen ist. Dies sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar.
- 4
-
Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist damit nicht dargetan. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bereits geklärt, dass die Ergänzung von Ermessenserwägungen durch die Behörde gemäß § 114 Satz 2 VwGO, sofern im einschlägigen materiellen Recht und Verwaltungsverfahrensrecht dafür eine Rechtsgrundlage eröffnet ist, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt (Urteil vom 5. Mai 1998 - BVerwG 1 C 17.97 - BVerwGE 106, 351 <363 ff.>; vgl. auch Eyermann/Rennert, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 114 Rn. 85 m.w.N.). Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist damit kein "uneingeschränktes" Nachschieben von Ermessenserwägungen eröffnet, insbesondere nicht deren vollständige Nachholung oder Auswechslung, sondern nur die Ergänzung einer zumindest ansatzweise bereits vorhandenen Ermessensentscheidung (Urteile vom 5. Mai 1998 a.a.O. S. 365 und vom 17. Juli 1998 - BVerwG 5 C 14.97 - BVerwGE 107, 164 <169>).
- 5
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Die Beschwerde legt weder dar noch ist sonst ersichtlich, weshalb der (teilweise) Wegfall des Widerspruchsverfahrens in einigen Bundesländern an dieser Beurteilung etwas geändert haben soll. Diese Entscheidung einiger Landesgesetzgeber hat zwar zur Folge, dass mit dem Widerspruchsverfahren eine einfache und auch unter Kostengesichtspunkten günstige Möglichkeit der Selbstkorrektur und Fehlerbehebung durch die Verwaltung entfällt und der Bürger regelmäßig - sofern nicht noch während der Klagefrist eine Fehlerkorrektur erfolgt - regelmäßig gezwungen ist, sogleich das Gericht anzurufen. An der grundsätzlichen Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang eine Heilung von Mängeln des angefochtenen Verwaltungsaktes auch noch im gerichtlichen Verfahren zulässig ist, ändert dies nichts.
- 6
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Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist das hiernach grundsätzlich zulässige Ergänzen von Ermessenserwägungen auch mit Blick auf die zu treffende Kostenentscheidung gemäß §§ 154 ff. VwGO unbedenklich. Denn ein Kläger hat die Möglichkeit, wenn er die ergänzenden Ermessenserwägungen als tragfähig anerkennt, auf diese geänderte Prozesssituation dadurch zu reagieren, dass er das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt mit der Folge, dass - sofern die Behörde sich dem anschließt - im Rahmen der dann gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung berücksichtigt werden kann, ob das Klagebegehren bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses begründet gewesen wäre, und dementsprechend die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise dem Beklagten auferlegt werden können (vgl. Urteil vom 5. Mai 1998 a.a.O. S. 365; siehe auch Urteil vom 28. November 1975 - BVerwG 4 C 45.74 - BVerwGE 50, 2 <10 f.> sowie Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl. 2007, § 19 Rn. 34, jeweils zur nachträglichen Heilung von Beitragsbescheiden nach ursprünglich vorhandenen Satzungsmängeln).
- 7
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Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass eine unzureichende Begründung eines Verwaltungsaktes nur "in besonders gelagerten Einzelfällen" für das Gericht Anlass zur Anwendung von § 155 Abs. 4 VwGO geben kann (Urteil vom 26. Juni 1980 - BVerwG 2 C 8.78 - BVerwGE 60, 245 <252>; Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 155 Rn. 98 ff.; Eyermann/Rennert a.a.O. § 155 Rn. 13 m.w.N.). Es ist regelmäßig Sache des Klägers, vor Klageerhebung seine Erfolgsaussichten einzuschätzen. Er muss insbesondere einkalkulieren, dass Verfahrensfehler noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (u.a.) nach Maßgabe von § 45 Abs. 1 und 2 geheilt werden bzw. nach § 46 VwVfG unbeachtlich bleiben können und seine Klage deshalb ggfs. nicht erfolgreich sein wird. Dazu gehört auch, dass Ermessenserwägungen noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzt werden mit der in § 114 Satz 2 VwGO geregelten prozessualen Konsequenz, dass dadurch einer zunächst begründeten Klage die Grundlage entzogen wird (Neumann a.a.O. Rn. 100).
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Hiernach hätte auch dem Kläger im Streitfall die Möglichkeit offen gestanden, durch eine Erledigungserklärung seine Kostentragungspflicht abzuwenden oder zu verringern. Dass er dies nicht getan, sondern seine Klage auch in Ansehung der ergänzten Ermessenserwägungen aufrecht erhalten hat, ist seine prozessuale Entscheidung. Ob das Oberverwaltungsgericht im Streitfall Anlass gehabt hätte, § 155 Abs. 4 VwGO anzuwenden, ist eine Frage der Rechtsanwendung im Einzelfall. Eine (unterstellte) fehlerhafte Rechtsanwendung allein kann einen grundsätzlichen Klärungsbedarf nicht begründen (Beschluss vom 19. August 1997- BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO
Nr. 26 S. 14).
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.