Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 10. Juni 2016 - 2 L 1110/16
Tenor
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 4495/16 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. April 2016 (Az.: 00/000/0000/2016) wird wiederhergestellt bzw. hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung angeordnet.Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin. |
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Gründe
2Der sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 4495/16 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. April 2016 (Az.: 00/000/0000/2016) wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung anzuordnen,
4hat Erfolg.
5Die im Verfahren § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO vom Gericht zu treffende Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, vorerst von der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 29. April 2016 verschont zu bleiben und dem öffentlichen Interesse an deren sofortiger Vollziehbarkeit fallen vorliegend zulasten der Antragsgegnerin aus. An der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung besteht vorliegend kein überwiegendes Interesse.
6Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 29. April 2016 (Az.: 00/000/0000/2016) ist gegenwärtig mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig. Die Klage des Antragstellers hätte nach derzeitigem Stand mit großer Wahrscheinlichkeit Erfolg.
71. Nach derzeitigen Sachstand geht das Gericht davon aus, dass es sich bei der Untersagung der Bauarbeiten unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung und Zwangsmittelandrohung vom 29. April 2016 entgegen der Begründung im Bescheid nicht lediglich um die schriftliche Bestätigung einer am 26. April 2016 anlässlich einer Ortsbesichtigung ausgesprochenen mündlichen Untersagung von weiteren Bauarbeiten auf der Baustelle (vgl. § 37 Abs. 2 S. 2 VwVfG NRW) handelt, sondern vielmehr um die eigentliche Ordnungsverfügung selbst. Zwar können Verwaltungsakte gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 Var. 3 VwVfG NRW mündlich erlassen werden. Die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts setzt allerdings seine Bekanntgabe voraus. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird.
8An der wirksamen Bekanntgabe einer Ordnungsverfügung vom 26. April 2016 gegenüber dem Antragsteller bestehen nach derzeitiger Sachlage erhebliche Zweifel. Weder ergibt sich aus dem Schriftverkehr der Beteiligten noch aus dem Verwaltungsvorgang, wem gegenüber die Ordnungsverfügung am 26. April 2016 erlassen worden sein soll. Insbesondere folgt dies nicht aus dem als solchen bezeichneten Bauüberwachungsbogen vom 29. April 2016 (Bl. 15 VV) im lückenhaft geführten Verwaltungsvorgang. Der Verfasser C. benennt im Bauüberwachungsbogen weder die bei der Besichtigung anwesenden Personen noch den Adressaten der noch vor Ort ausgesprochenen Stilllegungsverfügung. Die beigefügten Lichtbilder (Bl. 16 ff. VV) zeigen, dass sich zahlreiche Personen auf dem Ponton befunden haben. Diese bestehenden Unklarheiten gehen zu Lasten der Antragsgegnerin.
92. Die demgemäß mit hoher Wahrscheinlichkeit erst am 29. April 2016 erlassene streitgegenständliche Ordnungsverfügung ist nach der Auffassung der Kammer formell rechtswidrig.
10a. Die Antragsgegnerin hat ihre Zuständigkeit zu Recht angenommen. Gemäß § 62 BauO NRW ist für den Vollzug dieses Gesetzes sowie anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften für die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung, die Instandhaltung und den Abbruch baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 (dazu aa.) die untere Bauaufsichtsbehörde zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist (dazu bb.).
11aa. Bei der auf dem Ponton zu errichtenden Anlage dürfte es sich um die Errichtung einer baulichen Anlage handeln, die der Bauordnung Nordrhein-Westfalens (BauO NRW) unterfällt.
12Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 BauO NRW sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Nach § 2 Abs. 1 S. 2 BauO NRW besteht eine Verbindung mit dem Erdboden auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Erdboden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden.
13Laut der vom Architekten des Antragstellers vorgelegten Unterlagen soll auf dem Ponton ein eingeschossiges Objekt mit einem begehbaren Dach errichtet werden, das - in einem ersten Kubus - sowohl das Clubheim des Antragstellers nebst zugeordneter Toilettenanlage und kleiner Küche für die Bewirtung von Clubmitgliedern sowie Gäste als auch - in einem zweiten Kubus - Sanitäreinrichtungen für die Hafennutzer beinhalten soll.
14Diese Aufbauten sind aus Bauprodukten hergestellt. Obwohl die Anlage auf einem im Wasser schwimmenden Ponton errichtet wird und sich damit nicht unmittelbar auf dem Erdboden befindet, ist sie mit diesem verbunden. Dabei bedarf es an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob eine solche Verbindung bereits gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BauO NRW aufgrund des Ruhens durch eigene Schwere auf dem Erdboden besteht. Dies wird in der Rechtsprechung und Literatur schon dann angenommen, sofern leichtbewegliche Gegenstände mit dem Erdboden verankert werden,
15Johlen, in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Auflage, § 2 Rn. 45; OVG Mecklenburg, Urteil vom 15. Juli 2015 – 3 L 62/10 –, juris (Rn. 47 [Holzkogge]); VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. April 2012 – 8 A 45/11 –, juris (Rn. 37 [Ponton mit Aufbauten, die Wohnhaus entsprechen]). Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31. August 1973 - IV C 33.71 –, juris ([Wohnboot als bauliche Anlage im Bauplanungsrecht]); BVerwG, Beschluss vom 13. März 1973 – IV B 8.72 –, jurion (Rn. 5 [Wohnfloß als bauliche Anlage]); OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Oktober 1973 – III A 59/73 -, juris (Wohnboot als bauliche Anlage),
16wozu im baurechtlichen Sinne auch das Gewässerbett zählt.
17Erbguth / Schubert, JURA 2006, 454 (455) m.N.; inzident auch: VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. April 2012 – 8 A 45/11 –, juris (Rn. 37).
18Aus dem Vortrag des Antragstellers ergibt sich, dass eine solche Befestigung des Pontons (und damit auch der auf ihm befindlichen Aufbauten) – wenn auch derzeit angeblich in unzureichender Form – besteht.
19Davon losgelöst besteht die Verbindung mit dem Erdboden jedenfalls dadurch, dass es sich um eine Anlage handelt, die überwiegend ortsfest benutzt wird, vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BauO NRW,
20vgl. dazu auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 1971 – II 321/70 -, juris (Wohnfloß); VGH Hessen, Beschluss vom 14. April 1986 – 4 TH 449/86 -, jurion (Rn. 19 [fahruntaugliches Restaurantschiff]); VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. April 2012 – 8 A 45/11 –, juris (Rn. 38 ff.).
21Auch bei § 2 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 BauO NRW ist der Umstand, dass die Anlage auf dem Wasser schwimmt, unbeachtlich,
22vgl. VGH Hessen, Beschluss vom 14. April 1986 – 4 TH 449/86 -, jurion (Rn. 19 m.w.N.).
23Durch die geplante Nutzung der auf dem Ponton zu errichtenden Aufbauten ist evident, dass deren Ortsveränderung nicht erfolgen wird. Vielmehr soll das Clubhaus nebst Gastronomie und Toiletten sogar ausschließlich ortsfest benutzt werden.
24Der Einordnung als bauliche Anlage im Sinne der BauO NRW steht auch nicht entgegen, dass andere Landesbauordnungen schwimmende Anlagen ausdrücklich dem Anwendungsbereich der Landesbauordnung entnehmen (so z.B. § 1 Abs. 2 Nr. 7 BauO Hamburg) oder einbeziehen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6 BauO Rheinland-Pfalz). Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber hat sich insoweit für die dargelegte Regelung entschieden, so dass die Argumentation des Antragstellers, schwimmende Anlagen würden aufgrund einer fehlenden klarstellenden Regelung der nordrhein-westfälischen Bauordnung unterfallen, nicht verfängt.
25Auch die von dem Antragsteller zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs,
26Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. Oktober 2011, II R 27/10,
27wonach eine auf dem Wasser schwimmende Anlage mangels fester Verbindung mit Grund und Boden und wegen fehlender Standfestigkeit bewertungsrechtlich kein Gebäude sei, steht der hiesigen Einordnung als bauliche Anlage im Sinne der Landesbauordnung nicht entgegen. Dieser Entscheidung lag eine bewertungsrechtliche Problematik nach dem BewG zu Grunde. Das Gericht merkt zudem an, dass die auf dem Ponton geplanten Aufbauten auch dem Gebäudebegriff des § 2 Abs. 2 BauO NRW unterfallen dürften.
28Ferner findet kein Ausschluss nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BauO NRW statt, da die geplanten Aufbauten auch keine Anlagen des öffentlichen Verkehrs darstellen. Vorliegend sollen die baulichen Anlagen nicht die Nutzbarkeit der Wasserwege als solches betreffen, sondern wie ein am Festland befindliches Gebäude unter anderem Gastronomie beinhalten und in Teilen dem Publikumsverkehr zur Verfügung stehen.
29bb. Der Zuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde stehen auch keine anderen Bestimmungen entgegen, § 62 BauO NRW. Selbst für den Fall, dass neben dem Bauordnungsrecht aufgrund der Tatsache, dass sich die bauliche Anlage auf einem im Wasser schwimmenden Ponton befindet, auch Vorschriften des Wasserrechts Anwendung finden würden, hätte dies nicht zur Folge, dass die Anwendbarkeit der Vorschriften der Landesbauordnung ausgeschlossen wären,
30vgl. nur die Wertung des § 99 Abs. 3 LWG NRW sowie VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. April 2012 – 8 A 45/11 –, juris (Rn. 26 ff.).
31Auch die Hauptzuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde bliebe davon unberührt,
32vgl. VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 30. April 2012 – 8 A 45/11 –, juris (Rn. 31); Wallbaum in: Queitsch / Koll-Sarfeld / Wallbaum, Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen, § 116 LWG Rn. 1.
33b. Die Stilllegungsverfügung der nach § 62 BauO NRW zuständigen Antragsgegnerin ist allerdings mangels vorheriger Anhörung derzeit in formeller Hinsicht rechtswidrig.
34Nach § 28 Abs. 1 VwVfG ist vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dem einfachgesetzlich geregelten, aber auch verfassungsrechtlich gebotenen Anhörungserfordernis kommt bei der Durchführung eines bauaufsichtsbehördlichen Verwaltungsverfahrens, das in dem Erlass einer Bauordnungsverfügung münden soll, schon mit Blick auf die sachgemäße Ausübung des bauaufsichtlichen Ermessens eine erhebliche Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr, als dass § 110 Abs. 1 JustG NRW von der Nachprüfung eines Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nach § 68 VwGO grundsätzlich absieht. Unterbleibt nun die an sich vorgeschriebene Anhörung, hat der von der Maßnahme Betroffene daher keine Gelegenheit mehr, etwaige Einwände im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens gegenüber der Behörde vorzutragen, sondern muss unmittelbar den Rechtsweg beschreiten. Auch wenn die zu unterlassende Anhörung unter bestimmten Voraussetzungen mit fehlerbehebender Wirkung bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Klageverfahrens nachgeholt werden kann, stellt die fehlende Anhörung jedenfalls einen Verfahrensfehler dar. Zudem kann sich dadurch womöglich die Akzeptanz des Verwaltungshandelns verringern und dessen Fehleranfälligkeit erhöhen.
35So bereits der Beschluss der erkennenden Kammer vom 04. September 2015 - 2 L 1962/15 -, m.w.N.
36aa. Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin den Antragsteller vor Erlass der Ordnungsverfügung nicht angehört. Eine Anhörung kann insbesondere auch nicht in dem Schriftsatz des Antragstellers vom 27. April 2016 (Bl. 7 VV) gesehen werden. Auch wenn eine Anhörung nicht den ausdrücklichen Hinweis erfordert, dass der Betroffene sich äußern kann,
37OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. März 2010 – 4 LC 281/08 –, juris (Rn. 28),
38muss dem Betroffenen gleichwohl zweifelsfrei erkennbar sein, dass ihm die Behörde Gelegenheit zur Stellungnahme in angemessener Frist einräumt,
39OVG Lüneburg, Beschluss vom 31. März 2010 – 4 LC 281/08 –, juris (Rn. 28); vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 44.
40Daran fehlt es nach summarischer Prüfung vorliegend bereits. Zum einen gingen die Beteiligten davon aus, dass die Ordnungsverfügung bereits am 26. April 2016 erlassen worden sei. Es ist ferner nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller überhaupt (noch) rechtliches Gehör gewähren wollte. Gemäß dem Vorstehenden ist auch ungeklärt, wem die Antragsgegnerin am 26. April 2016 welche Informationen mitgeteilt hat. Die Behörde ist jedoch verpflichtet, dem Adressaten des Verwaltungsaktes die entscheidungserheblichen Tatsachen, auf die es nach der rechtlichen Einschätzung der entscheidenden Behörde bei Erlass des Verwaltungsakts ankommt, mitzuteilen,
41vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 34 m.w.N.
42Schließlich lässt sich weder aus dem Bescheid vom 29. April 2016 noch den Verwaltungsvorgängen im Ansatz erkennen, dass die – auf Seiten des Antragstellers mit Schreiben vom 27. April 2016 auf augenscheinlich unsicherer Tatsachengrundlage vorgetragenen Einwände – im Verwaltungsverfahren noch Berücksichtigung gefunden hätten.
43bb. Auch das Vorliegen eines Ausnahmetatbestands von der Anhörungspflicht (§ 28 Abs. 2 VwVfG NRW) ist nicht ersichtlich, denn es fehlt einerseits schon an der nach § 28 Abs. 2 VwVfG NRW zu treffenden Ermessensentscheidung („ […] kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist […]“). Im Bescheid vom 29. April 2016 hat die Antragsgegnerin keine dahingehenden Erwägungen angestellt. Auch der beigezogene Verwaltungsvorgang lässt diesbezügliche Erwägungen nicht im Ansatz erkennen.
44Losgelöst von der fehlenden Ermessensausübung fehlt es zudem auch an den Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwVfG NRW. Der – vorliegend einzig zu erwägende – Fall des § 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG NRW, wonach eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse das Absehen von einer Anhörung für notwendig erscheinen lassen kann, ist nicht gegeben. Gefahr im Verzug setzt voraus, dass durch eine vorherige – eventuell sogar nur mündlich oder telefonisch durchzuführende – Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass der Zweck der zu treffenden Regelung nicht erreicht würde,
45vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 51 m.w.N.
46Anhaltspunkte für eine derart akute Gefahrenlage sind aus den insgesamt lückenhaften und schlecht nachvollziehbaren Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin weder ersichtlich noch vorgetragen. Auch ist nicht erkennbar, dass eine Frist von beispielsweise wenigen Stunden den baurechtswidrigen Zustand verfestigt hätte.
47Ebenso wenig ist nach Aktenlage ein öffentliches Interesse erkennbar, aufgrund dessen eine sofortige Entscheidung notwendig erschienen wäre. Dieser Ausnahmetatbestand ist nur erfüllt, wenn die vorherige Anhörung die mit der Maßnahme verbundene Wahrung übergeordneter dringender öffentlicher Interessen ganz oder zum wesentlichen Teil vereiteln würde,
48vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 53 m.w.N.
49Es ist weder in der Verfügung vom 29. April 2016 nachvollziehbar dargelegt noch erkennbar, dass in dem Zeitraum zwischen der Ortsbesichtigung am 26. April 2016 und dem Erlass der Stilllegungsverfügung vom 29. April 2016 eine Anhörung des Antragstellers die effektive Gefahrenabwehr beeinträchtigt hätte.
50cc. Die fehlende Anhörung ist nicht während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit heilender Wirkung (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG NRW)nachgeholt worden. Zu den Anforderungen an die Nachholung einer fehlenden Anhörung hat die erkennende Kammer in ihrem Beschluss vom 04. September 2015 (Az.: 2 L 1962/15) ausgeführt:
51„Nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG NRW ist eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 VwVfG NRW nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird. Gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG NRW können Handlungen nach Absatz 1 bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. Eine Heilung in diesem Sinne tritt nur dann ein, wenn die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Das setzt voraus, dass der Betroffene - nachträglich in einem eigenständigen Verfahren – eine vollwertige Gelegenheit zur Stellungnahme erhält und die Behörde die vorgebrachten Argumente zum Anlass nimmt, die ohne vorherige Anhörung getroffene Entscheidung kritisch zu überdenken. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stellen demgegenüber keine nachträgliche Anhörung im Sinne dieser Regelung dar,
52vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 14.09 -, BVerwGE 137, 199 und juris Rn. 37 zu § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 HVwVfG; Kopp/Ramsauer, VwVfG. § 45 Rn. 26; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 74 m.w.N.; a.A. OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juni 2010 – 10 B 270/10 -, juris Rn. 7 ff, vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 -, juris Rn. 14 und vom 20. Januar 2015 – 15 A 2382/13 -, juris Rn. 7; offen gelassen: OVG NRW, Beschluss vom 29. Oktober 2010 – 7 B 1293/10 – juris Rn. 13.“
53An dieser Rechtsprechung hält die Kammer auch nach Erlass der im anschließenden Beschwerdeverfahren ergangenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalens,
54OVG NRW, Beschluss vom 21. März 2016 – 7 B 1069/15,
55fest. In diesem Beschluss hat der Senat die von der Kammer getroffene Annahme eines Anhörungsmangels letztlich mit der Argumentation abgelehnt, es spreche Überwiegendes dafür, dass sich aus der Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin ergebe, dass der Antragsteller hinreichende Gelegenheit hatte, zu den maßgeblichen Fragen Stellung zu nehmen. Abgesehen davon sei bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass eine hinreiche Anhörung jedenfalls im gerichtlichen Verfahren nachgeholt worden sei.
56Die Ausführungen des Senats überzeugen das erkennende Gericht nicht, denn sie gehen auf die von der Kammer ausführlich dargelegte Bedeutung des Anhörungserfordernisses nicht ansatzweise ein. Insbesondere ist seitens des erkennenden Senats eine Auseinandersetzung mit der von der Kammer zitierten und von ihr zu Grunde gelegten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht erfolgt. Die Bezugnahme des Senats auf die Rechtsprechung des 15. Senats,
57OVG NRW, Beschluss vom 20. Januar 2015 – 15 A 2382/13 -, juris,
58vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Denn diese zum Kommunalabgabengesetz NRW ergangene Entscheidung nimmt ihrerseits Bezug auf einen Beschluss des 15. Senats,
59Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01. Juni 2012 – 15 A 48/12 –, juris,
60in dem dieser ausführt, es sei
61„nicht notwendig, dass der Betroffene während eines anhängigen Gerichtsverfahrens die Möglichkeit zur Stellungnahme auf der Ebene eines parallel geführten Verwaltungsverfahrens erhält [...]. Die vom Bundesverwaltungsgericht demgegenüber in den 80-er Jahren vertretene gegenteilige Auffassung, ein Anhörungsmangel könne nur außerhalb des gerichtlichen Verfahrens in einem Verwaltungsverfahren behoben werden, [...] betrifft die Altfassung der Bestimmung des § 45 Abs. 2 VwVfG des Bundes und die dieser Regelung angepassten Landesgesetze, wonach eine unterbliebene Anhörung nur bis zur Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage nachholbar war. Sie steht daher nicht im Widerspruch zu einer Heilungsmöglichkeit im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren nach § 45 Abs. 2 VwVfG NRW. n. F.“
62Durch die Bezugnahme auf diese Entscheidung berücksichtigt das Oberverwaltungsgericht nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung auch nach Änderung des § 45 VwVfG in der Bundesfassung (und den Landesfassungen) aufrecht erhalten und bestätigt hat und für die Annahme einer Heilung nach unterbliebener Anhörung weiterhin fordert, dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren stellen demnach keine nachträgliche Anhörung im Sinne dieser Regelung dar,
63vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 C 14.09 -, juris (Rn. 37 zu dem wortlautgleichen § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG Hessen); BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16/11 -, juris (Rn. 18).
64Insoweit ist der einfache Austausch von Sachinformationen im Gerichtsverfahren für eine Heilung des Anhörungsmangels gerade nicht ausreichend.
65Die dargetane Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts begründet des Weiteren die Gefahr, dass eine Behörde – losgelöst vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwVfG NRW – in von ihr als eilbedürftig empfundenen Fällen von einer Anhörung absieht, da sie auf eine Heilung durch Stellungnahme im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertrauen kann. Dass durch ein solches Verständnis das nach weitgehender Abschaffung des Widerspruchverfahrens nun besonderer Bedeutung zukommendem Anhörungserfordernis weitgehend unterlaufen werden würde, hat die Kammer in ihrem Beschluss vom 04. September 2015 bereits ausführlich dargelegt. Hieran hält die Kammer fest.
66Nach den vorstehend genannten und von der Kammer angewandten Grundsätzen ist die fehlende Anhörung des Antragstellers derzeit noch nicht nachgeholt worden. Weder ist die Nachholung der Anhörung in dem Schreiben vom 27. April 2016 (Bl. 7 VV) zu sehen, noch konnte sie aufgrund der vorstehend genannten Grundsätze durch bloße Stellungnahme während des Gerichtsverfahrens nachgeholt werden.
67dd. Die fehlende Anhörung des Antragstellers ist auch nicht gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, weil offensichtlich wäre, dass sie die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Die strengen Voraussetzungen des § 46 VwVfG NRW sind vorliegend nicht erfüllt. Danach ist zum einen erforderlich, dass jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass bei der Einhaltung der Verfahrensvorschrift (hier: Anhörungserfordernis) die Entscheidung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen anders hätte ausfallen können,
68vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 25 f.; noch zur vorherigen Fassung des § 46 VwVfG NRW: OVG NRW, Urteil vom 13. Oktober 1988 – 11 A 2734/86 -, juris Rn. 11.
69Zum Zweiten muss es sogar offensichtlich sein, dass auch eine Anhörung des Antragstellers die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hätte. Dafür müsste jeder vernünftige Zweifel ausgeschlossen sein, dass es bei Vermeidung des Fehlers zur selben Entscheidung in der Sache gekommen wäre,
70vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 46 Rn. 37; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 73 ff.
71Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Antragsteller trägt unter Berufung auf die oben genannte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie auf Landesbauordnungen anderer Bundesländer Gesichtspunkte vor, die zwar gegebenenfalls kein Absehen von einer Ordnungsverfügung denkbar erscheinen lassen, bei summarischer Prüfung im Fall ihrer Berücksichtigung wohl aber Auswirkungen auf die Gestalt derselben gehabt haben könnten.
72c. Die Zwangsgeldandrohung zu dieser Ordnungsverfügung kann, da es aus den angeführten Gründen nach summarischer Prüfung derzeit an einer rechtmäßigen Grundverfügung fehlt, keinen Bestand haben, so dass diesbezüglich die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen ist.
73Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
74Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG. In Anwendung von Ziffer 12 a) des Streitwertkataloges der Bausenate des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (BauR 2003, 1883) war der Streitwert des Hauptsacheverfahrens zu halbieren.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 10. Juni 2016 - 2 L 1110/16
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Ein Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
(2) Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden. Ein mündlicher Verwaltungsakt ist schriftlich oder elektronisch zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt. Ein elektronischer Verwaltungsakt ist unter denselben Voraussetzungen schriftlich zu bestätigen; § 3a Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung.
(3) Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt muss die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Wird für einen Verwaltungsakt, für den durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet ist, die elektronische Form verwendet, muss auch das der Signatur zugrunde liegende qualifizierte Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die erlassende Behörde erkennen lassen. Im Fall des § 3a Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 muss die Bestätigung nach § 5 Absatz 5 des De-Mail-Gesetzes die erlassende Behörde als Nutzer des De-Mail-Kontos erkennen lassen.
(4) Für einen Verwaltungsakt kann für die nach § 3a Abs. 2 erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden.
(5) Bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, können abweichend von Absatz 3 Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen. Zur Inhaltsangabe können Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn derjenige, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, auf Grund der dazu gegebenen Erläuterungen den Inhalt des Verwaltungsaktes eindeutig erkennen kann.
(6) Einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt, der der Anfechtung unterliegt, ist eine Erklärung beizufügen, durch die der Beteiligte über den Rechtsbehelf, der gegen den Verwaltungsakt gegeben ist, über die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf einzulegen ist, den Sitz und über die einzuhaltende Frist belehrt wird (Rechtsbehelfsbelehrung). Die Rechtsbehelfsbelehrung ist auch der schriftlichen oder elektronischen Bestätigung eines Verwaltungsaktes und der Bescheinigung nach § 42a Absatz 3 beizufügen.
(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, so kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.
(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder in das Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten kann ein elektronischer Verwaltungsakt dadurch bekannt gegeben werden, dass er vom Beteiligten oder von seinem Bevollmächtigten über öffentlich zugängliche Netze abgerufen wird. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Der Verwaltungsakt gilt am Tag nach dem Abruf als bekannt gegeben. Wird der Verwaltungsakt nicht innerhalb von zehn Tagen nach Absendung einer Benachrichtigung über die Bereitstellung abgerufen, wird diese beendet. In diesem Fall ist die Bekanntgabe nicht bewirkt; die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.
(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.
(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.
(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 11. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin wendet sich gegen eine Bauordnungsverfügung, mit der ihr u.a. die Entfernung einer sog. Holzkogge von ihrem festen Liegeplatz am Ufer des Schweriner Sees aufgegeben wurde.
- 2
Die sog. Holzkogge der Klägerin liegt seit dem Jahr 2000 an einem Anleger, der von dem Grundstück C. in Schwerin in den Schweriner See reicht. Auf dem Schiff befinden sich Büroräume für das am Standort betriebene Fahrgastschifffahrtsunternehmen der Klägerin sowie Lagerräume für das am Ufer befindliche Restaurant „D.“. Es handelt sich um ein früheres Ausflugsschiff, das durch eine Holzverkleidung und Holzmasten bzw. Aufbauten zum jetzigen Erscheinungsbild umgestaltet wurde. Der Anleger ist Teil einer Steganlage mit fünf Stegen, für die eine strom- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung und eine wasserrechtliche Genehmigung erteilt wurden.
- 3
Für das Gebäude am Ufer („Pavillon für die Abfertigung der Schiffe der A. mit Gastronomiebereich“) liegen ein Bauvorbescheid vom 13.10.1998, eine Baugenehmigung vom 23.02.1999 und eine Nachtragsgenehmigung vom 14.01.2000 vor, zu denen jeweils der Beigeladene sein Einvernehmen erteilte. Gegen einen zunächst geplanten größeren Baukörper waren denkmalpflegerische Einwendungen erhoben worden mit der Begründung, dass ein größerer Baukörper eine Beeinträchtigung dieses Bereichs mit seinen bemerkenswerten Sichtachsen darstelle.
- 4
Nach wiederholter Anhörung gab die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 08.09.2008, zugestellt am 10.09.2008, die vollständige und ersatzlose Beseitigung der sog. Holzkogge sowie eines weiteren sog. Büroschiffes auf, ordnete die sofortige Vollziehung an und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 EUR an. Zur Begründung wurde ausgeführt: Es handele sich wegen der ortsfesten Benutzung um eine bauliche Anlage. Die Vorschriften der Landesbauordnung seien anwendbar; § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V gelte nicht. Die Ausnahme vom Geltungsbereich der Landesbauordnung beschränke sich auf Orte, an denen bereits eine gewisse Prägung durch eine Hafenanlage vorhanden sei. Werde ein Schiff dauerhaft an einem Steg vertäut, sei § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V nicht einschlägig. Ein Hafen sei beim Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg weder beantragt noch genehmigt worden. Wasserverkehrsrechtliche Regelungen seien für die Schlossbucht nicht getroffen worden. Auch im Falle der Herausnahme aus dem Geltungsbereich der Landesbauordnung gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V seien die Bauaufsichtsbehörden zum Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände verpflichtet, wenn es um bauliche Anlagen gehe, die ausschließlich eine Funktion als solche hätten und dabei lediglich das Medium Wasser als Grundstück nutzten. Auch auf einer gewidmeten Bundeswasserstraße reiche das Fachplanungsprivileg nur so weit, wie dies zur Erfüllung der Fachaufgabe erforderlich sei. Die Holzkogge sei im Außenbereich unzulässig, da sie die öffentlichen Belange des Orts- und Landschaftsbildes beeinträchtige und eine ungeordnete Zersiedlung befürchten lasse. Zudem stünden denkmalrechtliche Belange entgegen, weil die wichtigen historisch gewachsenen Sichtbeziehungen zum bzw. vom Schloß, Marstall und Alten Garten sowie zwischen diesen Baudenkmalen und geschützten Freiflächen zum Teil deutlich gestört würden. Aus denkmalpflegerischer Sicht könne eine Genehmigung daher nicht erteilt werden. Ein milderes Mittel zur Wiederherstellung baurechtmäßiger Zustände sei nicht ersichtlich. Ein Substanzverlust sei mit der Entfernung der Schiffe nicht verbunden. Das Interesse der Klägerin am Weiterbestehen des baurechtswidrigen Zustandes sei nicht schutzwürdig; ferner müsse eine negative Vorbildwirkung verhindert werden.
- 5
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2009, zugestellt am 06.08.2009, als unbegründet zurück und führte u.a. aus: § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V sei nicht einschlägig, weil es sich nicht um einen Hafen im Sinne von § 8 Abs. 1 Wasserverkehrsgesetz M-V handele, sondern um eine Anlegestelle. Das Vorhaben sei formell rechtswidrig, weil eine Baugenehmigung nicht vorliege. Es sei ferner materiell-rechtlich unzulässig. Dies ergebe sich auch aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Das Vorhaben widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplans, der für den fraglichen Bereich Wasserflächen ausweise, während das Vorhaben der Klägerin gewerblichen Zwecken diene. Ferner stünden dem Vorhaben Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes entgegen. In den Ausführungen hierzu wird der objektübergreifende räumliche Zusammenhang betont, in dem die einzelnen Denkmale in der Umgebung stünden. Zu dem Ensemble, das die Kriterien für eine Ausweisung eines Denkmalbereichs erfüllen würde, gehörten auch die Frei- und Wasserflächen. Die Wahrnehmung des Erscheinungsbildes erfolge von allen einem Betrachter zugänglichen Standorten, die eine Sicht auf die gesamte flächenhafte Überlieferung oder auf Ausschnitte von ihr ermöglichen. Von einem Großteil dieser Standorte aus seien die ständig vertäuten Schiffe im Blickfeld und störten - anders als an- und ablegende Schiffe - das Gesamtbild erheblich und auf Dauer. Bereits durch die Errichtung des Restaurantgebäudes sei es zu einer Störung des Denkmalensembles gekommen. Diese Störung müsse einmalig bleiben und rechtfertige keine weiteren Störungen. Dass ohne die beiden Schiffe weder das Restaurant noch die Fahrgastschifffahrt weiter betrieben werden könnten, treffe nicht zu. Das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung ordnungsgemäßer Zustände überwiege auch auf Grund der besonderen Bedeutung der Denkmäler für das Stadtbild der Landeshauptstadt Schwerin.
- 6
Die Klägerin hat am 04.09.2009 Klage erhoben. Sie hat beantragt,
- 7
die Verfügung der Beklagten vom 08.09.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009 aufzuheben.
- 8
Die Beklagte hat beantragt,
- 9
die Klage abzuweisen.
- 10
Das ursprünglich ebenfalls geführte vorläufigen Rechtsschutzverfahren 2 B 575/08 wurde eingestellt, nachdem die Beklagte die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben hatte.
- 11
Mit Urteil vom 11.02.2010 hat das Verwaltungsgericht Schwerin der Klage hinsichtlich des sog. Büroschiffes stattgegeben, hinsichtlich der sog. Holzkogge jedoch die Klage abgewiesen, und hierzu ausgeführt:
- 12
Die Anwendung bauordnungsrechtlicher Vorschriften sei nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V ausgeschlossen, weil ein Hafen im Sinne dieser Vorschrift nicht vorliege. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift sei ein Hafen im Rechtssinn gemeint, der als solcher von dem zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamt genehmigt worden sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass wasserverkehrsrechtliche Regelungen getroffen sein müssten, was bei einem natürlichen Hafen grundsätzlich nicht der Fall sei. Ferner dürften für einen Hafen im Rechtssinn in der Regel etwa Hafenanlagen, Hafenbecken und Hafenordnung erforderlich sein. Bei der Schweriner Schlossbucht handele es sich im Übrigen bereits historisch nicht um einen natürlichen Hafen.
- 13
Rechtsgrundlage der Beseitigungsanordnung sei § 80 Abs. 1 LBauO M-V. Bei der sog. Holzkogge handele es sich um eine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V und auch im Sinne des § 29 BauGB, weil durch das Schiff und seine Funktion als ortsfeste Büro- und Lagerstätte das Bedürfnis nach einer verbindlichen Bauleitplanung hervorgerufen werde. Dies ergebe sich vor allem aus der exponierten Lage in der Schweriner Schlossbucht in unmittelbarer Nähe des aus Schloss, Theater, Marstall, altem Garten und den Villen an der Werderstraße bestehenden denkmalgeschützten Ensembles, so dass gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB im Rahmen einer Bauleitplanung zu berücksichtigende Belange berührt würden.
- 14
Die sog. Holzkogge sei formell illegal, weil es an der gemäß § 59 Abs. 1 LBauO M-V erforderlichen Baugenehmigung fehle. Sie sei auch materiell illegal, weil ihr der denkmalrechtliche Umgebungsschutz nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 DSchG M-V in Bezug auf die denkmalgeschützten Gebäude Schloss, Theater, Alter Garten, Marstall und die Gebäude an der Werderstraße entgegen stehe. Die sog. Holzkogge führe zu einer deutlich wahrnehmbaren Beeinträchtigung mit negativen Auswirkungen auf den Gesamteindruck des Denkmalensembles. Die Holzkogge sei nach ihrem äußeren Erscheinungsbild in der Umgebung der genannten Denkmale ohne Vorbild. Die deutlich wahrnehmbare negative Auswirkung betreffe insbesondere die Blickverbindung zwischen den Bereichen Werderstraße/Marstall und Schloss. Die Kogge hebe sich von den übrigen Schiffen der A. nach Farbgebung, Größe und Stil deutlich hervor. Der Unterschied zur Umgebung sei unmittelbar und in auffallender Weise sichtbar. Insbesondere habe sie ihrer Gestaltung nach in historischer Hinsicht keinerlei Bezug zu den zueinander in Beziehung stehenden Baudenkmalen Schloss, Theater, Alter Garten, Marstall und Villen an der Werderstraße, die für das Stadtbild Schwerins als Residenzstadt des 19. Jahrhunderts prägend seien. Sie wirke funktionslos, historisch, ästhetisch und funktional als Fremdkörper inmitten der Ausflugsschiffe der Klägerin und zudem in der Sichtachse zum Schloss deplatziert. Aus diesen Gründen sei das Vorhaben auch bauplanungsrechtlich unzulässig, weil es sich um ein Außenbereichsvorhaben handele, das Belange des Denkmalschutzes beeinträchtige, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB.
- 15
Die Klägerin hat gegen das am 05.03.2010 zugestellte Urteil am 01.04.2010 die Zulassung der Berufung beantragt und den Antrag am 05.05.2010 begründet.
- 16
Nachdem der Senat mit Beschluss vom 27.10.2010, zugestellt am 11.11.2010, die Berufung zugelassen hatte, hat die Klägerin die Berufung am Montag, den 13.12.2010 begründet. Sie trägt vor:
- 17
Die Ordnungsverfügung könne nicht auf § 80 Abs. 1 LBauO M-V gestützt werden. Die Vorschriften der Landesbauordnung seien gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V nicht anwendbar, weil es sich um ein Schiff in einem Hafen handele. Maßgeblich sei nur, dass sich der Bereich von den angrenzenden Gewässerteilen abhebe und den anlegenden Schiffen gesteigerten Schutz gewähre. Auf die Größe oder darauf, ob der Hafen von einem oder mehreren Anliegern genutzt werde, komme es nicht an. Vorliegend bestehe die von der Klägerin genutzte Hafenanlage in dieser Form seit vielen Jahren. Sie verfüge über einen festen und zur Umgebung abgegrenzten Hafenbereich mit natürlichem Hafenbecken, fester Hafenmauer und festen Anlegestegen, die dem sicheren Aufenthalt der Schiffe dienten. Die Anlage habe nicht lediglich einen Haltestellencharakter. Sie liege in einer natürlichen Bucht des Gewässers, die sich als Hafenbecken darstelle und zusätzlichen Schutz für die anlegenden Schiffe gewährleiste. Eine Nutzung der Schlossbucht als Hafen bzw. Stützpunkt für die Schifffahrt auf dem Schweriner See sei seit dem 19. Jahrhundert belegt.
- 18
Soweit das Verwaltungsgericht eine Genehmigung durch das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt verlange, ergebe sich dies weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V. Ob ein Hafen vorliege, könne nicht vom Verhalten der zuständigen Behörde abhängen, nämlich davon ob diese wasserverkehrsrechtliche Regelungen treffe oder nicht. Im übrigen gälten wasserverkehrsrechtliche Regelungen für die Schlossbucht im Schweriner See bereits deshalb, weil es sich dabei um eine Bundeswasserstraße handele, für die die Vorschriften des Bundeswasserstraßengesetzes anzuwenden seien. Einer Hafenordnung bedürfe es nicht.
- 19
Im Übrigen sei die angefochtene Ordnungsverfügung auch dann rechtswidrig, wenn die Landesbauordnung anwendbar sei. Eine formelle Illegalität sei zu verneinen. Das Schiff bedürfe keiner Baugenehmigung, weil es sich nicht um eine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V handele.
- 20
Auch eine bauliche Anlage im Sinne des § 29 BauGB liege nicht vor. Eine planungsrechtliche Relevanz sei nicht gegeben, weil die Fläche einer Bundeswasserstraße einer Beplanung durch Bebauungsplan nicht zugänglich sei.
- 21
Der Genehmigungsfähigkeit stünden öffentliche Belange nicht entgegen. Dies gelte insbesondere für solche des Denkmalschutzes. Von dem Schiff gehe keine erheblich wahrnehmbare Beeinträchtigung mit negativen Auswirkungen auf den Gesamteindruck eines Denkmalensembles aus. Es handele sich um ein ganz normales Schiff, das in seiner äußeren Gestaltung aufgrund seiner historischen Form geringfügig von den anderen Schiffen abweiche. Dass sich auf dem See Schiffe befänden, könne nicht verwundern. Die streitgegenständliche Kogge weise keine besondere Höhe auf. Die Sichtbeziehung zwischen den Baudenkmalen sei insofern, wenn überhaupt, allenfalls minimal beeinträchtigt. Aufgrund ihrer vertieften Lage im Wasser seien die Schiffe nur sehr eingeschränkt und nur von ausgewählten Standorten wahrnehmbar. Sowohl das Schloss als auch das Theater, das Museum und der Marstall überragten die Schiffe aus jeder Perspektive deutlich; sie blieben damit deutlich sichtbar. Das neue mehrstöckige IHK-Gebäude gegenüber Schloss und Schlossgarten, das die Beklagte gleichwohl genehmigt habe, führe zu einer erheblich größeren Beeinträchtigung des Denkmalensembles.
- 22
Die Klägerin beantragt,
- 23
das Urteil des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 11. Februar 2010 teilweise zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 08. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2009 insgesamt aufzuheben.
- 24
Die Beklagte beantragt,
- 25
die Berufung zurückzuweisen.
- 26
Sie trägt vor: Die Landesbauordnung sei anzuwenden. Die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V greife nicht ein. Die Vorschrift setze nach ihrer Systematik wasserverkehrsrechtliche Regelungen voraus, die sich gerade auf einen Hafen bezögen, der als solcher einem gesonderten (Hafen-)Rechtsregime unterliege. Nur dann könne eine Konkurrenz zur Landesbauordnung bestehen. Hingegen könne es für den Ausschluss der Geltung der Landesbauordnung nicht ausreichen, dass der fragliche Bereich zum Schweriner See als Bundeswasserstraße gehöre, für die insgesamt im Bundeswasserstraßengesetz wasserverkehrsrechtliche Regelungen getroffen seien. Denn spezielle Regelungen, die die Schlossbucht gerade als Hafen vom Rest der Bundeswasserstraße unterscheiden würden, treffe das Gesetz nicht.
- 27
Die Frage, ob es sich bei der Schweriner Schlossbucht um einen natürlichen Hafen handele, sei nicht relevant, weil § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V nicht etwa alle natürlichen Häfen vom Geltungsbereich der Landesbauordnung ausnehme. Anderenfalls wären alle Bereiche des Schweriner Sees, die als natürliche Häfen betrachtet werden könnten, der Anwendung der Landesbauordnung entzogen, mit der Folge, dass dort jeweils ortsfeste Schiffe angelegt werden könnten, ohne dass es eine Möglichkeit gebe hiergegen baurechtlich einzuschreiten. Dies könne nicht richtig sein und widerspreche der ausdrücklichen Intention des Gesetzgebers, der in § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V - als Ausnahme von der Ausnahme - eine Geltung der Landesbauordnung für schwimmende Häuser vorsehe. Zwischen einem schwimmenden Haus und einem ortsfesten Schiff bestehe aus bauordnungsrechtlicher Sicht kein Unterschied.
- 28
Die Beklagte trägt ferner ausführlich zur denkmalrechtlichen Bewertung des Vorhabens vor, insbesondere zu den Gesichtspunkten des Umgebungsschutzes und der Auswirkungen des Vorhabens auf diesen.
- 29
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
- 30
Der Senat hat durch Augenschein Beweis erhoben über die Sicht-, Funktions- und Strukturbeziehungen zwischen der Marstallinsel, der Villenbebauung an der Werderstraße von der Marstallinsel bis zur Schlossinsel, und der Schlossinsel, einschließlich der Bebauung auf den beiden Inseln.
- 31
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 32
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Die Bauordnungsverfügung der Beklagten vom 08.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2009, die nur noch hinsichtlich der sog. Holzkogge Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
- 33
Rechtsgrundlage der Beseitigungsverfügung ist § 80 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
- 34
1. Der Anwendungsbereich der Landesbauordnung ist nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V ausgeschlossen. Danach gilt die Landesbauordnung nicht für Schiffe und andere schwimmende Anlagen in Häfen, für die wasserverkehrsrechtliche Regelungen getroffen sind, ausgenommen schwimmende Häuser. Diese Regelung greift vorliegend nicht ein.
- 35
Bei der sog. Holzkogge handelt es nicht um ein schwimmendes Haus, weil dies eine bauliche Anlage voraussetzen würde, die nicht zur Fortbewegung geeignet und bestimmt ist, sondern ausschließlich einer ortsfesten Nutzung auf dem Wasser dient.
- 36
Die Ausnahme des § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V vom Anwendungsbereich der Landesbauordnung für Schiffe und andere schwimmende Anlagen in Häfen, für die wasserverkehrsrechtliche Regelungen getroffen sind, greift jedoch mangels Vorliegens dieser Voraussetzungen nicht ein.
- 37
Die Ausnahme betrifft gerade solche Schiffe oder schwimmenden Anlagen, die ortsfest genutzt werden. Denn Schiffe, die dem See- oder Wasserverkehr dienen, wurden schon immer von der Landesbauordnung nicht erfasst (vgl. zu der entsprechenden Vorschrift in Schleswig-Holstein Domning/Müller/Suttkus Landesbauordnung Schleswig-Holstein Stand 10/2007 § 1 Rn. 43). Auch die Begründung des Gesetzentwurfs zur Landesbauordnung in der Fassung vom 18.04.2006 (GVOBl. M-V S. 102), in die erstmals die Rückausnahme für schwimmende Häuser aufgenommen wurde, geht davon aus, dass die Ausnahme des § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V Schiffe betrifft, die dazu bestimmt sind, überwiegend ortsfest benutzt zu werden (LT-Drucks. 4/1810 S. 96). Entgegen der Auffassung der Beklagten kann deshalb die in § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V vorgesehene Rückausnahme für schwimmende Häuser nicht als Argument dafür herangezogen werden, dass die Landesbauordnung immer dann gelten soll, wenn es um ortsfeste Nutzungen geht und nicht um Schiffe als Verkehrsmittel.
- 38
Es sprechen jedoch erhebliche Gründe dafür, dass die sog. Holzkogge nicht in einem Hafen i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V liegt.
- 39
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist Hafen ein meist ausgebauter Liegeplatz für Schiffe in geschützter Lage. Rechtlich kann als Hafen ein Gewässerteil verstanden werden, der sich von den angrenzenden Gewässerteilen dadurch abhebt, dass er durch seine natürliche oder künstliche Ausgestaltung den sich dort aufhaltenden Wasserfahrzeugen gesteigerten Schutz gewährt (vgl. BGH U. v. 06.12.1984 - III ZR 147/83 - BGHZ 93, 113 = Juris Rn. 32 mwN, zum Bundeswasserstraßengesetz). Vorliegend bestehen bereits auf der Grundlage dieser Begriffsbestimmung erhebliche Zweifel, ob ein Hafen vorliegt. Denn die Nutzung als Liegeplatz für Schiffe betrifft nicht die gesamte Schlossbucht als denjenigen Gewässerteil, der potentiell durch seine natürliche Ausgestaltung sich dort aufhaltenden Wasserfahrzeugen gesteigerten Schutz gewähren kann, sondern nur einen Teil dieses Bereichs. Nicht jede Anlegestelle in irgendeinem Teil der - entsprechenden natürlichen Schutz bietenden - Bucht eines Gewässers dürfte aber ein (Natur-)Hafen sein. Ebenso wenig dürfte jede solche Bucht insgesamt als Hafen angesehen werden können.
- 40
Sinn und Zweck der Vorschrift unter Rückgriff auf die Begründung des Gesetzentwurfs sprechen ferner dafür, dass ein Hafen im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V nur ein ausdrücklich durch behördliche Entscheidung genehmigter oder gewidmeter Hafen ist (vgl. Domning/Müller/Suttkus aaO Rn. 40 mwN).
- 41
Die Begründung des Gesetzentwurfs zu der erstmals in der Landesbauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 06.05.1998 (GVOBl. M-V S. 468) enthaltenen Vorschrift, in der die Rückausnahme für schwimmende Häuser noch nicht enthalten war, spricht von „vom Wasserverkehrsrecht erfassten Häfen“ und nimmt nach den weiteren Erläuterungen auf das Wasserverkehrsrecht des Landes mit seinen spezifischen Regelungen für Häfen Bezug (LT-Drucks. 2/3272). Ausdrücklich genannt wird § 8 Abs. 1 Wasserverkehrsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1993 (GVOBl. M-V S. 155) (heute: § 8 Abs. 1 des Gesetzes über die Nutzung der Gewässer für den Verkehr und die Sicherheit in den Häfen - Wasserverkehrs- und Hafensicherheitsgesetz - WVHaSiG M-V - vom 10.07.2008, GVOBl. M-V S. 296, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.05.2011, GVOBl. M-V S. 323). Diese Vorschrift regelt die Pflichten des Betreibers eines Hafens. Ferner wird in der Begründung des Gesetzentwurfs die Zuständigkeit der Hafenbehörde angesprochen, die sich aktuell aus § 3 Hafenverordnung vom 17.05.2006 (GVOBl. S. 355 - HafenVO) ergibt. Nach § 1 Abs. 3 HafenVO umfasst das Gebiet eines Hafens die Land- und Wasserflächen innerhalb der gekennzeichneten und öffentlich bekannt gemachten Hafengrenzen (Satz 1); die Grenzen des Hafengebietes und Änderungen dieser Grenzen sind von den Hafenbehörden zu kennzeichnen und bekannt zu machen (Satz 2). Die §§ 6 ff. HafenVO regeln sodann bestimmte Aspekte des Verhaltens im Hafengebiet und der Benutzung der Hafenanlagen. Die Einzelheiten kann die Hafenbehörde durch allgemeine Anordnungen (Hafennutzungsordnungen) oder durch Einzelverfügung regeln.
- 42
Die Errichtung und der Betrieb eines Hafens im Sinne des Wasserverkehrsrechts bedürfen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 WVHaSiG M-V der Genehmigung. Dies spricht dafür, dass die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V nach dieser Vorschrift genehmigte Häfen im Blick hat, bzw. solche, die nach den Vorschriften des Bundeswasserstraßengesetzes genehmigt oder gewidmet sind. Hierfür spricht auch der Zweck der Regelung, eine Abgrenzung der Anwendungsbereiche verschiedener Gesetze und der Zuständigkeiten verschiedener Behörden zu erreichen. Dies verlangt eine leichte Erkennbarkeit der Zuordnung und Handhabbarkeit der Abgrenzungskriterien. Ohne eine behördliche Entscheidung über die Errichtung bzw. den Betrieb eines Hafens einschließlich der Abgrenzung des Hafengebietes wäre dies nicht gewährleistet.
- 43
Jedenfalls ist vorliegend die weitere Voraussetzung des § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V nicht erfüllt, dass wasserverkehrsrechtliche Regelungen getroffen sind. Zweck der Vorschrift ist, ein rechtliches Doppelregime für Anlagen in Häfen zu vermeiden. Bestehen diesbezüglich wasserverkehrsrechtliche Regelungen, so soll die Landesbauordnung keine Anwendung finden. Gemeint sind also zunächst wasserverkehrsrechtliche Regelungen, die nicht allgemein alle Gewässer betreffen, sondern spezifische Regelungen, die gerade das Gebiet des Hafens betreffen. Soweit vertreten wird, jeder Naturhafen sei immer auch gleichzeitig im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V ein solcher, für den wasserverkehrsrechtliche Regelungen getroffen sind, weil auf allen Gewässern wasserverkehrsrechtliche Vorschriften entweder des Wasserverkehrsgesetzes des Landes M-V oder des Bundeswasserstraßengesetzes gälten (so Erbguth/Schubert, BauR 2006, 454, 457), trifft dies nicht zu. Die Vorschrift würde damit so verstanden, als ob sie eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der Landesbauordnung für Schiffe und andere schwimmende Anlagen auf Gewässern regeln würde. Sowohl der Begriff des Hafens als auch der der wasserverkehrsrechtlichen Regelungen wären dann überflüssig. Bereits nach dem Wortlaut kommt dieses Verständnis daher nicht in Betracht. Der Vorschrift würde ferner eine Reichweite zugeschrieben, die ihr nach der Gesetzesbegründung nicht zukommen soll. Denn dort heißt es ausdrücklich: „Schiffe und schwimmende Anlagen ..., die außerhalb eines solchen Hafens überwiegend ortsfest benutzt werden, bleiben im Geltungsbereich der Landesbauordnung ...“ (LT-Drucks. 2/3272, S. 35).
- 44
Nach Auffassung des Senats setzt § 1 Abs. 2 Nr. 6 LBauO M-V ferner Regelungen voraus, die sich - gewissermaßen konkurrierend mit den Vorschriften der Landesbauordnung - mit der Frage der Zulässigkeit ortsfester Anlagen überhaupt befassen. Dies ist hier nicht der Fall. Hafenspezifische wasserverkehrsrechtliche Regelungen nach dem Bundeswasserstraßenrecht gelten für den fraglichen Bereich nicht. Allerdings ist die Schlossbucht des Schweriner Sees Teil einer Bundeswasserstraße (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 WaStrG iVm Anlage 1 Nr. 35: „Müritz-Elde-Wasserstraße [Mecklenburgische Oberseen (Müritz, Kölpinsee, Fleesensee, Malchower See, Petersdorfer See, Plauer See), Elde-Seitenkanal] mit Verbindungskanal Elde-Dreieck, Stör-Wasserstraße [Schweriner See, Störkanal] nebst Ziegelsee“). Das Bundeswasserstraßengesetz enthält jedoch keine allgemeinen hafenspezifischen wasserverkehrsrechtlichen Regelungen. Für die Schlossbucht des Schweriner Sees ist auch keine Genehmigung für einen Hafen erteilt worden. Die Antragstellerin hat lediglich eine strom- und schifffahrtspolizeiliche Genehmigung des Wasser- und Schifffahrtsamtes Lauenburg für eine Anlegestelle für Fahrgastschiffe in Gestalt einer Steganlage mit fünf Anlegestegen erhalten.
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Was die landesrechtlichen Vorschriften des Wasserverkehrsrechts angeht, gilt das Gesetz über die Nutzung der Gewässer für den Verkehr und die Sicherheit in den Häfen (Wasserverkehrs- und Hafensicherheitsgesetz - WVHaSiG M-V) vom 10.07.2008 für Gewässer im Land Mecklenburg-Vorpommern nur, soweit diese keine Bundeswasserstraßen im Sinne des Bundeswasserstraßengesetzes sind, § 1 Nr. 1 WVHaSiG M-V; für Anlege- und Umschlagstellen und für Häfen und deren Zufahrten gilt es nur, soweit diese nicht der Unterhaltung nach dem Bundeswasserstraßengesetz unterliegen, § 1 Nr. 2 WVHaSiG M-V. Spezifische Regelungen über die Zulässigkeit von Anlagen der hier in Rede stehenden Art enthalten die Vorschriften nicht. Regelungen der Hafenbehörde über die Benutzung eines Hafengebietes und von Hafenanlagen, wie § 8 HafenVO M-V sie vorsieht, liegen nicht vor.
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Nichts anderes folgt für den konkreten Fall aus dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreiben vom 16.06.2014, in dem die Beklagte sich – lediglich abstrakt – als Hafenbehörde bezeichnet.
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2. Bei der sog. Holzkogge handelt es sich um eine bauliche Anlage i.S.d. § 2 Abs. 1 LBauO M-V. Allerdings sind ortsfest benutzte Schiffe in der konkreten Auflistung des § 2 Abs. 1 Satz 2 LBauO M-V - anders als z.B. in § 2 Abs. 1 Satz 2 LBauO Rheinland-Pfalz - nicht ausdrücklich genannt. Jedoch sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V erfüllt. Danach sind bauliche Anlagen mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen; eine Verbindung mit dem Boden besteht auch dann, wenn die Anlage durch eigene Schwere auf dem Boden ruht oder auf ortsfesten Bahnen begrenzt beweglich ist oder wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden. Vorliegend ist die Holzkogge aus Bauprodukten hergestellt; sie ist über die Befestigung an dem im Erdboden gegründeten Anlegesteg (Vertäuung) mit dem Erdboden verbunden und im übrigen dazu bestimmt überwiegend ortsfest benutzt zu werden. Entsprechend hat das hiesige Gericht bereits in einem naturschutzrechtlichen Verfahren ein nur in den Sommermonaten ortsfest genutztes Hausboot als bauliche Anlage beurteilt (OVG Greifswald B. v. 26.04.2001 - 1 M 107/00 - Juris Rn. 7). Ebenso ist in der Rechtsprechung ein Fahrgastschiff, das ortsfest an einem Landungssteg liegt und als Gaststätte benutzt wird, als bauliche Anlage angesehen worden (VGH Kassel B. v. 14.04.1986 - 4 TH 449/86 - BRS 46 Nr. 130 = Juris Rn. 27 mwN; zustimmend Heintz in Gädtke ua BauO NRW 11. Aufl. 2008 § 2 Rn. 53; vgl. a. Dürr/Sauthoff Baurecht M-V 2006 Rn. 867), ferner ein Ponton mit Aufbauten, die einem Wohnhaus bzw. Ferienhaus entsprechen (vgl. VG Schleswig U. v. 30.04.2012 - 8 A 45/11 - NordÖR 2012, 454 = Juris Rn. 35 ff.).
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3. Die Anlage widerspricht öffentlich-rechtlichen Vorschriften zunächst deshalb, weil sie formell illegal ist, d.h. es an der erforderlichen Baugenehmigung fehlt. Auf diesen Gesichtspunkt hat die Beklagte die Beseitigungsanordnung im Widerspruchsbescheid -jedenfalls auch - gestützt. Die Errichtung der Anlage bedarf gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V der Baugenehmigung, wenn in den §§ 60 bis 62, 76 und 77 nichts anderes bestimmt ist. Dies ist hier der Fall.
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§ 60 Abs. 1 Nr. 1 LBauO M-V ist nicht einschlägig. Danach bedürfen nach wasserrechtlichen Rechtsvorschriften zulassungsbedürftige Anlagen, die dem Ausbau, der Unterhaltung oder der Nutzung eines Gewässers dienen oder als solche gelten, ausgenommen Gebäude, die Sonderbauten sind, keiner Baugenehmigung. Um eine die Erlaubnispflicht gemäß § 8 Abs. 1 WHG auslösende Benutzung im Sinne des Wasserrechts geht es vorliegend nicht. Einer der Fälle des § 9 WHG liegt nicht vor. Insbesondere handelt es sich nicht um ein „Einbringen von Stoffen in Gewässer“ gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG (vgl. VGH Mannheim U. v. 21.10.1971 - II 260/68 - Kurztext in Juris - zum Festlegen von Wohnbooten; vgl. Czychowski/Reinhardt WHG 11. Aufl. 2014 §§ 9 Rn. 31; Kotulla WHG 2. Aufl. 2011 § 9 Rn. 18 mwN; Berendes u.a. WHG § 9 Rn. 35 ff., 43; Breuer Öffentliches und privates Wasserrecht 3. Aufl. 2004 Rn. 223; a.A. Knopp in Sieder u.a. WHG Stand 01.09.2014 § 9 Rn. 39). Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 LWaG M-V sind ebenfalls nicht erfüllt. § 82 LWaG betrifft nur die Errichtung wasserrechtlich zulassungsfreier baulicher Anlagen und regelt lediglich eine Anzeigepflicht.
- 50
Auch ein Fall der Verfahrensfreiheit nach § 61 LBauO M-V ist nicht gegeben. An und in Gewässern sind lediglich Stege ohne Aufbauten verfahrensfrei gestellt, § 61 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. f LBauO M-V; im Übrigen ist in § 61 Abs. 1 Nr. 9 LBauO M-V nur von „Anlagen in Gärten und zur Freizeitgestaltung“ die Rede.
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4. Die Anlage widerspricht weiterhin öffentlich-rechtlichen Vorschriften des (materiellen) Denkmalschutzrechts.
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a) Öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 80 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V sind auch solche des Denkmalschutzrechts. Eine Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde besteht für den Vollzug der Landesbauordnung sowie anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften für (u.a.) die Errichtung und Nutzung von Anlagen, „soweit nichts anderes bestimmt ist“, § 57 Abs. 2 Satz 1 LBauO M-V. Gemäß § 58 Abs. 1 Satz 1 LBauO M-V haben die Bauaufsichtsbehörden u.a. bei der Errichtung und Nutzung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Danach kann ein bauordnungsbehördliches Einschreiten auch auf einen Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften gestützt werden, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind (vgl. § 64 Satz 1 Nr. 3 LBauO M-V). Dies ist bei den Vorschriften des Denkmalschutzrechts der Fall, die gemäß § 7 Abs. 6 DSchG M-V im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind.
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b) Das Vorhaben verstößt gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 DSchG M-V. Danach bedarf der Genehmigung der unteren Denkmalschutzbehörde, wer in der Umgebung von Denkmalen Maßnahmen durchführen will, wenn hierdurch das Erscheinungsbild oder die Substanz des Denkmals erheblich beeinträchtigt wird. Ist die Maßnahme baugenehmigungspflichtig, so ersetzt die Baugenehmigung die denkmalschutzrechtliche Genehmigung, § 7 Abs. 6 Satz 1 DSchG M-V; sie bedarf des Einvernehmens des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege als Denkmalfachbehörde, § 7 Abs. 6 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 1 DSchG M-V. Die Genehmigung kann gem. § 7 Abs. 4 DSchG M-V versagt werden, wenn und soweit gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen. Dies ist hier der Fall.
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Die streitgegenständliche sog. Holzkogge führt zu einer gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 DSchG M-V unter dem Gesichtspunkt des Umgebungsschutzes relevanten erheblichen Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes des Denkmals „Schweriner Schloss“, der gemäß § 7 Abs. 4 DSchG M-V gewichtige Gründe des Denkmalschutzes entgegenstehen. Gemäß § 2 Abs. 1 DSchG M-V sind Denkmale Sachen, Mehrheiten von Sachen und Teile von Sachen, an deren Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht, wenn die Sachen bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlungen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sind und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, geschichtliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen. Maßgeblich ist das Urteil eines sachverständigen Betrachters, wobei das entsprechende Fachwissen durch das Landesamt für Denkmalpflege als Denkmalfachbehörde vermittelt wird (vgl. OVG Lüneburg U. v. 23.08.2012 - 12 LB 170/11 - NuR 2013, 47, 52). Soweit es um den Schutz des Erscheinungsbildes des Denkmals mit Blick auf Maßnahmen in seiner Umgebung geht, muss die Beziehung des Denkmals zu seiner Umgebung für das Denkmal von Bedeutung sein (vgl. OVG Berlin-Brandenburg B. v. 28.09.2012 - OVG 10 S 21.12 - BRS 79 Nr. 214 = Juris Rn. 9; OVG Lüneburg U. v. 23.08.2012 - 12 LB 170/11 - NuR 2013, 47, 52; OVG Münster U. v. 08.03.2012 - 10 A 2037/11 - NWVBl 2012, 381 = Juris Rn. 68). Allein dass der Anblick des Denkmals als Objekt aus irgendeiner Perspektive nur noch eingeschränkt möglich ist oder dieses nur noch zusammen mit einer veränderten Umgebung wahrgenommen werden kann, reicht nicht aus. Der Umgebungsschutz eines Denkmals verlangt nicht, dass sich neue Vorhaben in der Umgebung eines Denkmals völlig an dieses anpassen müssten oder anderenfalls zu unterbleiben hätten. Sie müssen sich aber in dem Sinne an dem Denkmal messen lassen, dass sie es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen oder es an der gebotenen Achtung gegenüber den im Denkmal verkörperten Werten fehlen lassen dürften (vgl. OVG Hamburg B. v. 22.10.2013 – 2 Bs 283/13 – DVBl. 2014, 115 = Juris Rn. 5; VGH München U. v. 25.06.2013 - 22 B 11.701 - Juris Rn. 32; OVG Berlin-Brandenburg B. v. 28.09.2012 – OVG 10 S 21/12 – BRS 79 Nr. 214 = Juris Rn. 8; OVG Lüneburg U. v. 23.08.2012 - 12 LB 170/11 - NuR 2013, 47, 51f).
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Das Schweriner Schloss ist ein Denkmal von herausragender Bedeutung. Für seinen Denkmalwert sind auch städtebauliche Gründe maßgeblich. Das Schloss ist Kern des Residenzensembles Schwerin, das mit Beschluss der Kultusminister der Länder vom 12.06.2014 auf die deutsche Vorschlagsliste für das UNESCO-Weltkulturerbe (sog. tentative list) gesetzt worden ist. In der Begründung hierzu heißt es, das Residenzensemble Schwerin bilde in Gesamtbild und Erhaltung ein herausragendes Bespiel für die letzte Blüte höfischer Kultur im 19. Jahrhundert und stehe beispielhaft für die Repräsentation deutscher Kleinstaaten. Zu dem Residenzensemble gehören danach u.a. auch der Schlossgarten, das Hoftheater und das Museum am Alten Garten als Residenzplatz, der Marstall und die Villen an der Werderstraße im Bereich zwischen Marstall und Theater. Die Begründung der Weltkulturerbe-Bewerbung führt insoweit weiter aus, das Schloss reagiere mit seinen Fassaden als allansichtige Architektur auf das Umfeld und vermittele architektonisch zwischen Residenzstadt und Naturraum. Die Umgebung sei im 19. Jahrhundert durch Wege entlang der Ufer so erschlossen worden, dass sich ähnlich Landschaftsgemälden immer neue pittoreske Ausblicke auf das Schloss als Herrschaftszentrum ergäben. Das stadtseitige Seeufer mit Altem Garten und Marstall sei durch Staatsbauten, vornehme Villen und Promenaden auf das Wasser orientiert worden. Diese im 19. Jahrhundert geschaffene einzigartige Situation sei bis heute nacherlebbar und unterstreiche den romantischen Charakter des Ensembles. Die Verbindung aus Architektur, Natur und Wasser sei in dieser Qualität einmalig in Europa und in der Welt.
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Die sog. Holzkogge der Klägerin führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Umgebungsschutzes des Schlosses, und gewichtige Gründe des Denkmalschutzes stehen deren Verbleib am Anleger entgegen, weil sie die Sichtbarkeit des Schlosses von der Uferpromenade und die Sichtbeziehungen vom Schloss zu anderen Denkmalen des Residenzensembles, insbesondere dem Marstall beeinträchtigt. Der Senat hat bei der Beweisaufnahme durch Augenschein insbesondere festgestellt, dass von der - etwa einen Meter tiefer als die Straße gelegenen - Anlegestelle im Bereich des Steges Nr. 3/4 die Schlossinsel und das Schloss teilweise von der sog. Holzkogge und deren Aufbauten verdeckt werden. Anders als von dem Steg Nr. 5/6 aus waren die Gartenanlagen auf der Schlossinsel mit einem Rosenpavillon, der Bastion mit einem steinernen Pavillon sowie eine in das Wasser gebaute Grotte aus Feldsteinen nicht zu erkennen. Der Senat hat ferner festgestellt, dass vom Marstall her entlang der Uferpromenade kommend die Sicht auf das Schloss durch die Aufbauten der sog. Holzkogge mit Planen, die ein nicht begehbares Deck umschließen, und deren Masten einschließlich der sog. Krähennester beeinträchtigt ist. Die Aufbauten verdecken teilweise die Renaissance-Kapelle am Schloss, der – wie in der Begründung der Weltkulturerbe-Bewerbung näher ausgeführt ist – eine besondere kulturhistorische Bedeutung zukommt. Die Querstreben der Masten sind auf der Höhe der Wimperge der Kapelle zu sehen. Dabei stellt die Wegstrecke vom Marstall kommend nach den Erläuterungen der Vertreterin des Beigeladenen eine bedeutsame Wegeverbindung zum Schloss hin dar, die deshalb auch für die Sichtbarkeit des Schlosses und der Schlossinsel insgesamt von entsprechender Bedeutung ist.
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Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass an der Anlegestelle stets auch andere Fahrgastschiffe in der Sichtachse zum Schloss lägen, begründen diese keine vergleichbare Beeinträchtigung der Sichtbeziehungen. Fahrgastschiffe, die auch als solche genutzt werden, liegen nur zeitweise am Anleger und sind im Übrigen in Bewegung. Fahrende Schiffe gehören optisch zum See; historisch wird auch eine Fahrgastschifffahrt auf dem See und konkret im Bereich der Schlossbucht bereits seit dem 19. Jahrhundert betrieben. Hinzu kommt die besondere optische Dominanz der sog. Holzkogge durch ihre Höhe und die spezielle Art der Aufbauten. Auch ein etwaiger Verbleib des sog. Büroschiffes, hinsichtlich dessen das Verwaltungsgericht die Beseitigungsverfügung der Beklagten aufgehoben hat, und gegen das die Beklagte zwischenzeitlich nicht erneut eingeschritten ist, lässt die Schutzwürdigkeit des Schlosses gegen die (zusätzliche) Störung von Sichtbeziehungen durch ein (weiteres) ortsfestes Schiff – zumal ein optisch besonders dominantes - nicht entfallen. Was das am Ufer vorhandene und mit Zustimmung des Beigeladenen errichtete Gebäude des Restaurant „D.“ angeht, gilt Entsprechendes. Erst recht kommt es auf naturgemäß vorübergehende Blickbeeinträchtigungen durch Bauarbeiten am Schloss nicht an. Der Baumbestand auf der Schlossinsel gehört zu der historischen Anlage, so dass der Umstand, dass auch dieser die Fassade des Schlosses teilweise verdeckt, nicht als Argument gegen die Schutzwürdigkeit von Ansichten und Sichtbeziehungen angeführt werden kann. Soweit die Klägerin zu dem neu errichteten IHK-Gebäude vorträgt, liegt dieses weiter westlich an der Graf-Schack-Allee und damit nicht im Bereich des Residenzensembles.
- 58
Hinzu kommt nach den Erläuterungen der Vertreterin des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung eine Beeinträchtigung des Umgebungsschutzes des Schweriner Schlosses unter einem strukturellen bzw. funktionellen Aspekt, nämlich weil es sich bei der sog. Holzkogge historisch um einen Fremdkörper handelt, d.h. ein Element, das in den historischen Kontext nicht hineingehört. Eine Kogge ging historisch auf „große Fahrt“ und befuhr nicht einen Binnensee; entsprechende Dreimaster – im Übrigen mit nur einem statt wie hier drei sog. Krähennestern – sind dem 17./18. Jahrhundert zuzuordnen und nicht dem 19. Jahrhundert, in dem die Denkmale des Residenzensembles Schwerin entstanden sind.
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5. Ob das Vorhaben auch gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften des (materiellen) Bauplanungsrechts verstößt, kann letztlich offen bleiben.
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a) Ein Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB liegt vor. Die für den Vorhabenbegriff erforderliche bodenrechtliche Relevanz der streitigen Anlage ist zu bejahen. Sie kann die Belange von Freizeit und Erholung berühren (§ 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB), ferner die Belange des Denkmalschutzes und die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) sowie die Belange des Umweltschutzes (§ 1 Abs. 1 Nr. 7 BauGB). Soweit die bodenrechtliche Relevanz auch die Möglichkeit einer kommunalen Planung voraussetzt, ist diese zu bejahen. Eine kommunale Planung kann auch Wasserflächen einbeziehen, § 5 Abs. 2 Nr. 7 sowie § 9 Abs. 1 Nr. 16 BauGB. Auch soweit es sich dabei um Bundeswasserstraßen handelt, ist dies nicht auf Grund des fachplanungsrechtlichen Vorrangs des Bundeswasserstraßenrechts ausgeschlossen. § 13 Abs. 3 WaStrG regelt - ebenso wie § 16 Abs. 3 Satz 3 FStrG - lediglich einen Vorrang der Bundesplanung vor der Ortsplanung. Durch die kommunale Planung dürfen also lediglich keine Widersprüche zu der besonderen Zweckbestimmung der dem Bundeswasserstraßenrecht unterliegenden Flächen entstehen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg U. v. 20.09.2006 - 2 A 10.05 - Juris Rn. 41; OVG Schleswig U. v. 01.04.2004 - 1 KN 17/03 - NordÖR 2004, 488 = Juris Rn. 34 sowie U. v. 25.06.1993 - 1 L 129/91 - Juris Rn. 45; VG Schleswig U. v. 30.04.2012 - 8 A 45/11 - NordÖR 2012, 454 = Juris Rn. 52 ff. mwN). Diese Auffassung zum Verhältnis von Fachplanung und Ortsplanung entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 16.12.1988 - 4 C 48.86 - BVerwGE 81, 11 = Juris Rn. 27 ff.). Die gegenteilige Aussage in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.07.1974 - IV C 76.71 (DÖV 1974, 814 = Juris Rn. 28) beruhte wohl auf einer früheren Gesetzeslage und ist überholt (vgl. ausführlich VG Schleswig U. v. 30.04.2012 - 8 A 45/11 - aaO Rn. 54 ff. mwN auch zur Gegenmeinung in Rn. 59; Söfker in Ernst ua BauGB § 9 Rn. 129; Gaentzsch in Berliner Kommentar zum BauGB § 9 Rn. 45; s. ferner OVG Schleswig U. v. 25.06.1993 - 1 L 129/91 - aaO).
- 61
b) Ob das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist, weil es sich um ein Vorhaben im Außenbereich handelt, das nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert ist und auch nicht nach § 35 Abs. 2 BauGB im Einzelfall zugelassen werden kann, weil es den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB, bzw. gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB zum einen die natürliche Eigenart der Landschaft oder zum anderen Belange des Denkmalschutzes - im Sinne des Mindestmaßes an bundesrechtlich eigenständigem, von landesrechtlicher Regelung unabhängigem Denkmalschutz (vgl. BVerwG U. v. 21.04.2009 – 4 C 3/08 – BVerwGE 133, 347 = Juris Rn. 21; Roeser in Berliner Kommentar § 35 Rn. 75) – beeinträchtigt, bedarf danach keiner Entscheidung mehr. Entsprechendes gilt im Hinblick auf eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB. Auch wenn das Schiff nicht am Kopfende eines Steges angeordnet ist und dadurch in den Schweriner See hinausragt, sondern seitlich zwischen den Stegen liegt, dürften allerdings erhebliche Gründe dafür sprechen, dass das Vorhaben zumindest die unerwünschte Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lässt, weil die ortsfeste Nutzung zu gewerblichen Zwecken durch ihren Vorbildcharakter eine weitere Zersiedlung einleiten würde (vgl. BVerwG U. v. 19.04.2012 – 4 C 10.11 – NVwZ 2012, 570 = Juris Rn. 21 ff.). Im Übrigen dürfte das Vorhaben sich nach der Art der baulichen Nutzung in diesem Bereich auch nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, wenn der Bereich der Steganlagen noch als zum im Zusammenhang bebauten Ortsteil gehörig zu beurteilen sein sollte.
- 62
6. Die Ermessensausübung ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat sich in Ausgangsbescheid und Widerspruchsbescheid mit den von der Klägerin geltend gemachten Belangen auseinandergesetzt. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Behebung des rechtswidrigen Zustandes ist nach der Rechtsprechung des Senats im Sinne eines intendierten Ermessens geboten. Ein milderes Mittel als die Anordnung der Beseitigung ist nicht ersichtlich. Die sog. Holzkogge an einem anderen Steg festzulegen, würde die Sicht auf Schlossinsel und Schloss von anderen Standorten an der Uferpromenade - innerhalb des Residenzensembles - beeinträchtigen; die funktionelle Beeinträchtigung des Umgebungsschutzes des Schlosses bliebe dieselbe. Zudem könnte der Verstoß gegen Bauplanungsrecht dadurch nicht ausgeräumt werden.
- 63
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
- 64
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 65
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat auf einem im Randgebiet des Hamburger Hafens liegenden schiffbaren Kanal eine aus drei Schwimmkörpern ("Terrasse", "Lounge" und "Conference") und einem Pfahlbau ("Foyer") bestehende und als gastronomisches Event- und Konferenzzentrum genutzte Anlage errichtet. Für diese ca. 450 qm große Anlage ist der Klägerin durch die zuständige Wasserbehörde eine Sondernutzungsgenehmigung als sog. Lieger i.S. des § 2 Nr. 12 der Hamburger Hafenverkehrsordnung --HfVerkO HA-- vom 12. Juli 1979 (HmbGVBl. 1979, 227) erteilt worden. Die Anlage ist durch bewegliche Versorgungsleitungen mit dem Festland verbunden.
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Der Pfahlbau, dessen Pfähle unter dem Wasser im Kanalgrund stehen, dient dem Hauptzugang zu den beiderseits liegenden Schwimmkörpern. Er ist überdacht und mit Wandkonstruktionen zur Kanalmitte sowie zur Eingangs- und Uferseite hin versehen und mit den Schwimmkörpern durch selbstnivellierende Treppenanlagen verbunden. Der Hauptzugang vom Kai zum Pfahlbau erfolgt über eine unbewegliche und fest montierte offene Brücke ("Gangway").
- 3
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Die beidseitig neben dem Pfahlbau liegenden Schwimmkörper "Lounge" und "Conference" sind Stahlbeton-Konstruktionen mit gedeckten Aufbauten; sie erhalten ihren Auftrieb durch nach unten zugängliche Rümpfe.
- 4
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Der Schwimmkörper "Terrasse" ist mit dem Schwimmkörper "Lounge" durch einen beweglichen Übergang und ferner mit dem Kanalufer durch eine bewegliche Gangway verbunden. Er ist ein Stahlponton mit nach innen geschlossenen Hohlräumen und auf seiner Oberseite als eine mit Windschutz und Geländer eingefasste Plattform gestaltet.
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Die Befestigung der Schwimmkörper erfolgt, zusätzlich zu derjenigen am Pfahlbau, durch weitere Befestigungen an sog. "Dalben" (d.h. in den Hafengrund eingerammten Pfählen) sowie durch Dalbenschlösser, so dass den Schwimmkörpern nur eine durch Wasserstand, Wellen, Gewichtsbelastung und Winddruck bedingte vertikale, nicht jedoch eine horizontale Positionsänderung möglich ist.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stellte mit Bescheid vom 24. März 2009 den Einheitswert für die Anlage als Geschäftsgrundstück --Gebäude auf fremdem Grund und Boden-- auf den 1. Januar 2009 auf 148.939 € fest, wobei es eine Wertzahl von 80 % für übrige Geschäftsgrundstücke/ Nachkriegsbauten zugrunde legte. Für den Pfahlbau ermittelte das FA einen Gebäudesachwert von 11.475 DM und den Wert der zum Pfahlbau führenden unbeweglichen Gangway mit 1.050 DM. Der Einspruch blieb erfolglos.
- 7
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt, wobei es die Gebäudeeigenschaft lediglich für den Pfahlbau bejahte. Dessen Einheitswert minderte das FG entsprechend einer von den Beteiligten erzielten tatsächlichen Verständigung um einen zusammengefassten Abschlag von 30 %. Das FG bezog ferner als Außenanlage die zum Pfahlbau führende unbewegliche Gangway mit dem vom FA festgestellten Einheitswert ein und bestimmte für den Gesamtgebäudewert und den Gesamtwert der Außenanlage die Wertzahl von 70 % für Hotels. Den Schwimmkörpern fehle es hingegen an einer festen Verbindung mit dem Grund und Boden. Die Eigenschwere der Schwimmkörper werde nicht auf den darunter liegenden Grund und Boden abgeleitet; die Befestigung der Schwimmkörper betreffe nur die je nach Wind, Strom und Wellen zeitweise horizontal bzw. seitlich wirkenden Kräfte, während die Schwimmkörper vertikal mobil blieben. Aus den beweglichen Versorgungsleitungen ergebe sich keine feste Verbindung mit dem Grund und Boden. Auch eine jahrelange stationäre Nutzung lasse die Eigenschaft als Schwimmkörper unberührt. Zudem sei bei einer auf dem Wasser schwimmenden Anlage die für ein Gebäude erforderliche Standfestigkeit von vornherein nicht gegeben. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1289 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 68 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG). Die Anlage erfülle als sog. Lieger aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes sowie der äußeren und inneren Beschaffenheit und Ausgestaltung alle Merkmale eines Gebäudes. Die Anlage gewähre Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse, gestatte den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen und sei von einiger Beständigkeit. Die Anlage sei aufgrund der Dalben und Dalbenschlösser auch mittelbar fest mit dem Grund und Boden verbunden. Eine noch festere Verbindung mit dem Grund und Boden sei unter den gegebenen Voraussetzungen mit der zur Bauzeit zur Verfügung stehenden Technik nicht möglich gewesen. Die Anlage sei entsprechend ihrer Konstruktion und der Beschaffenheit der Baumaterialien überdies von einiger Beständigkeit. Auch die Standfestigkeit sei gegeben, da die Konstruktion statische Anforderungen erfülle und Kippstabilität sowie einen hinreichenden Schutz gegen Tidenhub, Eis und Treibgut gewährleiste.
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Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung --soweit nicht die Wertfeststellungen für den Pfahlbau sowie die zu ihm führende Gangway betroffen sind-- abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend die Schwimmkörper mit den auf ihnen ruhenden Aufbauten nicht als der Einheitsbewertung unterliegende Gebäude beurteilt und demgemäß nicht in die wirtschaftliche Einheit des als Gebäude auf fremdem Grund und Boden zu behandelnden Pfahlbaus einbezogen.
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1. Nach § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG gehören zum Grundvermögen außer dem Grund und Boden auch die Gebäude, die sonstigen Bestandteile und das Zubehör. Gemäß § 70 Abs. 3 BewG gilt als Grundstück im Sinne des Bewertungsgesetzes auch ein Gebäude, das auf fremdem Grund und Boden errichtet oder in sonstigen Fällen einem anderen als dem Eigentümer des Grund und Bodens zuzurechnen ist, selbst wenn es wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens geworden ist.
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a) Bewertungsrechtlich ist ein Gebäude ein Bauwerk, das durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden sowie von einiger Beständigkeit und standfest ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. November 1991 II R 12/89, BFHE 166, 387, BStBl II 1992, 298; vom 25. April 1996 III R 47/93, BFHE 180, 506, BStBl II 1996, 613; vom 15. Juni 2005 II R 67/04, BFHE 210, 52, BStBl II 2005, 688; vom 9. Juli 2009 II R 7/08, BFH/NV 2009, 1609, ständige Rechtsprechung).
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b) Die feste Verbindung mit dem Boden ist zunächst dann gegeben, wenn einzelne oder durchgehende Fundamente vorhanden sind, das Bauwerk auf diese gegründet und dadurch mit dem Boden verankert ist (BFH-Urteil vom 10. Juni 1988 III R 65/84, BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847, m.w.N.). Befindet sich das Bauwerk auf einem Fundament, so ist es unerheblich, ob es mit diesem fest verbunden ist (vgl. BFH-Urteile vom 3. März 1954 II 44/53 U, BFHE 58, 575, BStBl III 1954, 130; vom 18. Juni 1986 II R 222/83, BFHE 147, 262, BStBl II 1986, 787, und in BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847). Für die Annahme eines Fundaments genügt jede gesonderte (eigene) Einrichtung, die eine feste Verbindung des aufstehenden "Bauwerks" mit dem Grund und Boden bewirkt (BFH-Urteil in BFHE 154, 143, BStBl II 1988, 847). Es reicht aus, wenn die feste Verbindung mit dem Grund und Boden durch eingerammte Holzpfähle hergestellt wird (BFH-Urteil vom 21. Februar 1973 II R 140/67, BFHE 109, 156, BStBl II 1973, 507).
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c) Ausnahmsweise liegt eine "feste Verbindung" auch vor, wenn das Bauwerk lediglich durch sein Eigengewicht auf dem Grundstück festgehalten wird, sofern nur dieses Eigengewicht einer Verankerung gleichwertig ist (BFH-Urteil vom 23. September 1988 III R 67/85, BFHE 155, 228, BStBl II 1989, 113 für einen auf lose verlegten Kanthölzern aufgestellten Container; BFH-Urteil vom 4. Oktober 1978 II R 15/77, BFHE 126, 481, BStBl II 1979, 190 für eine Fertiggarage aus Beton). Soweit die Rechtsprechung für die Gebäudeeigenschaft derartiger Bauwerke ergänzend auf deren individuelle Zweckbestimmung abstellt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 180, 506, BStBl II 1996, 613 m.w.N.), setzt die Gebäudeeigenschaft jedoch unabdingbar voraus, dass das Gebäude kraft seiner Eigenschwere auf dem Grund und Boden ruht.
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2. Nach diesen Grundsätzen erfüllt der ausschließlich auf Schwimmkörpern ruhende Teil der Anlage der Klägerin nicht die Merkmale eines Gebäudes.
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a) Einer auf dem Wasser schwimmenden Anlage fehlt die feste Verbindung mit dem Grund und Boden. Eine solche Anlage ist mit dem Boden weder durch ein Fundament oder Träger fest verbunden noch ruht sie kraft ihres Eigengewichts auf dem Grundstück und erfüllt daher nicht die Merkmale des Gebäudebegriffs (vgl. auch --zum grunderwerbsteuerrechtlichen Grundstücksbegriff-- Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 2 Rz 28).
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aa) Entgegen der Auffassung des FA reicht es für die Gebäudeeigenschaft nicht aus, dass eine solche schwimmende Anlage aufgrund kraftschlüssiger Verbindungen durch Dalbenschlösser "mittelbar" fest mit dem Grund und Boden verbunden ist. Derartige Verbindungen vermitteln --lediglich-- eine positionsgenaue horizontale "Ortsfestigkeit" der Anlage, weil die Bewegung des Wassers keine Veränderung des Standorts herbeiführen kann. Sie bewirken jedoch nicht, dass die Anlage kraft ihrer Eigenschwere auf dem Boden ruht. Hierbei sind die für das Fehlen einer unmittelbaren Verbindung mit dem Boden maßgebenden (technischen) Gründe unerheblich. Es kommt insbesondere nicht darauf an, dass --wie das FA vorträgt-- eine noch festere Verbindung mit dem Grund und Boden mit der zur Bauzeit zur Verfügung stehenden Technik nicht möglich ist. Hiernach können weder die "gewisse Ortsfestigkeit" der Anlage noch ihr äußeres Erscheinungsbild und ihre äußere und innere Beschaffenheit und auch nicht ihre Nutzungsdauer, das Vorhandensein ortsfester Versorgungseinrichtungen (Strom, Wasser, Sielanschluss) sowie ihre bauordnungsrechtliche Behandlung je für sich allein oder in ihrer Zusammenschau eine bewertungsrechtliche Beurteilung als Gebäude begründen (a.A. Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 68 BewG Rz 66). Für den Gebäudebegriff ist es schließlich auch ohne Bedeutung, dass die Anlage gemäß § 2 Nr. 12 HfVerkO HA als sog. Lieger --mit Ausnahme des Falls der Überführung-- nicht als Fahrzeug behandelt wird.
- 19
-
bb) Auch dem Vorbringen des FA, die Gebäudeeigenschaft sei unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu bejahen, kann nicht gefolgt werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der für den Gebäudebegriff allein maßgebenden objektiven Merkmale kann ein Bauwerk, das nicht sämtliche Merkmale eines Gebäudes aufweist, nicht auf der Grundlage einer Verkehrsanschauung als Gebäude erfasst werden (BFH-Urteil vom 13. Juni 1969 III R 132/67, BFHE 96, 365, BStBl II 1969, 612; ebenso Gürsching/Stenger, a.a.O., § 68 Rz 27).
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b) Eine auf dem Wasser schwimmende Anlage erfüllt überdies nicht die Anforderungen der für ein Gebäude erforderlichen Standfestigkeit. Fehlt einem Bauwerk --wie hier-- schon die feste Verbindung mit dem Grund und Boden, erfüllt es auch von vornherein nicht die Anforderungen der Standfestigkeit. Bei einem schwimmenden Bauwerk kann die Standfestigkeit bei einer fehlenden festen Verbindung mit dem Boden auch nicht durch eine Konstruktion bewirkt werden, die die Kippstabilität sowie einen hinreichenden Schutz gegen Tidenhub, Eis und Treibgut gewährleistet.
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3. Die vom FG für die Einheitswertfeststellung vorgegebenen Werte für den --zutreffend-- als Gebäude auf fremdem Grund und Boden (§ 70 Abs. 3 und § 94 BewG) behandelten Pfahlbau sowie für die zu ihm führende unbewegliche Gangway als Außenanlage hat das FA bei sachgerechter Auslegung seines Revisionsantrags nicht angegriffen. Dies gilt auch für die gemäß § 90 BewG anzuwendende Wertzahl von 70 %, deren Maßgeblichkeit -entsprechend der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten- auf der Eigenschaft der fraglichen Anlage als Hotelbau beruht. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Einheitsbewertung des Grundvermögens (dazu BFH-Urteile vom 30. Juni 2010 II R 60/08, BFHE 230, 78, BStBl II 2010, 897; vom 30. Juni 2010 II R 12/09, BFHE 230, 93, BStBl II 2011, 48) stellt sich hier demgemäß nicht.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Einer solchen Nachprüfung bedarf es nicht, wenn ein Gesetz dies bestimmt oder wenn
- 1.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde oder von einer obersten Landesbehörde erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder - 2.
der Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält.
(2) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
(1) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
(2) Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig,
- 1.
der schriftlich oder elektronisch erlassen worden ist, die erlassende Behörde aber nicht erkennen lässt; - 2.
der nach einer Rechtsvorschrift nur durch die Aushändigung einer Urkunde erlassen werden kann, aber dieser Form nicht genügt; - 3.
den eine Behörde außerhalb ihrer durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 begründeten Zuständigkeit erlassen hat, ohne dazu ermächtigt zu sein; - 4.
den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann; - 5.
der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht; - 6.
der gegen die guten Sitten verstößt.
(3) Ein Verwaltungsakt ist nicht schon deshalb nichtig, weil
- 1.
Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, außer wenn ein Fall des Absatzes 2 Nr. 3 vorliegt; - 2.
eine nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 6 ausgeschlossene Person mitgewirkt hat; - 3.
ein durch Rechtsvorschrift zur Mitwirkung berufener Ausschuss den für den Erlass des Verwaltungsaktes vorgeschriebenen Beschluss nicht gefasst hat oder nicht beschlussfähig war; - 4.
die nach einer Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde unterblieben ist.
(4) Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Verwaltungsaktes, so ist er im Ganzen nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.
(5) Die Behörde kann die Nichtigkeit jederzeit von Amts wegen feststellen; auf Antrag ist sie festzustellen, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse hat.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
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G r ü n d e :
2Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines für sofort vollziehbar erklärten Hausverbotes vom 6. Dezember 2013, welches der Antragsgegner der Antragstellerin – befristet bis zum 31. Dezember 2014 – unter Hinweis darauf erteilt hat, dass es dann nicht gilt, wenn sie das Jobcenter S. -T. auf Aufforderung betreten müsse; ferner könne sie – die Antragstellerin – im Einzelfall einen Antrag auf Ausnahme stellen. Hiergegen hat die Antragstellerin am 16. Dezember 2013 Klage beim Verwaltungsgericht Köln (26 K 7793/13) erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig hat sie sinngemäß beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage 26 K 7793/13 gegen das Hausverbot vom 6. Dezember 2013 wiederherzustellen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Beschluss abgelehnt.
3Hiergegen richtet sich die zulässige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren erstinstanzlich gestellten Antrag weiterverfolgt. Mit den im Beschwerdeverfahren vorgebrachten, allein zu prüfenden Erwägungen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) hat die Beschwerde allerdings keinen Erfolg.
4Rechtsgrundlage für das Hausverbot vom 6. Dezember 2013 ist die Sachkompetenz des Antragsgegners zur Erfüllung der ihm übertragenen Verwaltungsaufgaben. Das Hausrecht ist notwendiger Annex dieser Sachkompetenz. Der Träger öffentlicher Gewalt, der die Erfüllung einer bestimmten Sachaufgabe im Rahmen der öffentlichen Verwaltung – wie hier der Antragsgegner – zugewiesen erhält, muss und kann selbst bestimmen, wem der Zutritt zum räumlichen Bereich zu gestatten und wem der Zutritt zu versagen ist, wenn eine ordnungsgemäße Tätigkeit im Rahmen des Widmungszwecks gefährdet oder gestört wird.
5OVG NRW, Beschluss vom 14. Oktober 1988 ‑ 15 A 188/86 -, NWVBl. 1989, 91.
6Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Widmungszweck des Jobcenters S. -T. ist darauf ausgerichtet, in seinem Zuständigkeitsbereich die Bezieher von Arbeitslosengeld II zu betreuen. Diese Zielsetzung hat zur Grundvoraussetzung, dass ein ordnungsgemäßer Betrieb des Jobcenters und insbesondere die Sicherheit seiner Besucher und der im Jobcenter tätigen Mitarbeiter gewährleistet ist. Deren Sicherheit ist – auch unter Berücksichtigung der Pflicht des Hausrechtsinhabers, mit aus seiner Sicht schwierigen Besuchern zurechtkommen und ihnen grundsätzlich das ungehinderte Vortragen ihrer Anliegen ermöglichen zu müssen - durch die Antragstellerin im schweren Maße beeinträchtigt. Dies hat das Verwaltungsgericht im Einzelnen ausführlich dargelegt, worauf der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts hat die Antragstellerin inhaltlich nichts Substantielles vorgetragen.
7Sie macht allerdings Folgendes geltend: Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht tragfähig. Dessen ungeachtet sei das vorliegend streitige Hausverbot schon deshalb formell rechtswidrig, weil sie – die Antragstellerin – vor seinem Erlass nicht angehört worden sei. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei auch keine Heilung eingetreten. Die fehlende Anhörung könne nicht dadurch ersetzt werden, dass der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2013 nach erneuter Prüfung an dem Hausverbot festgehalten habe. Wie könne ohne Kenntnis der Gegenargumente die Anhörung nachgeholt werden? Die vom Verwaltungsgericht zitierte Entscheidung des Senats vom 1. Juni 2012 (15 A 48/12) trage den angegriffenen Bescheid im Hinblick auf die fehlende Anhörung nicht. Zum einen setze sich das Oberverwaltungsgericht in dem vorgenannten Beschluss mit der Nachholung einer rechtswidrig unterbliebenen Anhörung in einem Klageverfahren und nicht in einem Eilverfahren auseinander. Außerdem sei in dem dem Beschluss vom 1. Juni 2012 zugrunde liegenden Sachverhalt die Anhörung nachgeholt und damit geheilt worden, was hier nicht der Fall sei. Dem Antragsgegner habe keine Stellungnahme von ihr – der Antragstellerin – zur Verfügung gestanden, so dass er ihre Argumente gar nicht habe prüfen können; sie seien ihm nicht bekannt gewesen. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht nicht anerkannt, dass sie die E-Mails, die das Hausverbot ausgelöst hätten, nur versehentlich an den Antragsgegner geschickt habe. Für diesen seien die E-Mails nicht bestimmt gewesen. Alleiniger Empfänger habe ihr Prozessbevollmächtigter sein sollen. Die Korrespondenz zwischen diesem und ihr sei aber unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besonders geschützt. Der E-Mail-Verkehr mit ihrem Prozessbevollmächtigten dürfe daher nicht zur Begründung des Hausverbots herangezogen werden.
8Diese Darlegungen der Antragstellerin rechtfertigen es nicht, den angegriffenen Beschluss zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihrer beim Verwaltungsgericht Köln gegen das Hausverbot erhobenen Klage vom 16. Dezember 2013 wiederherzustellen. Im Einzelnen:
9Entgegen der Auffassung der Antragstellerin genügt die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Hausverbots den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach muss das besondere Interesse an der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordneten sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes schriftlich begründet werden. Die schriftliche Begründung muss in nachvollziehbarer Weise die Erwägungen erkennen lassen, die die Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung veranlasst haben. Dabei ist die Behörde verpflichtet, abgestellt auf den konkreten Fall das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung sowie die Ermessenserwägungen, die sie zur Anordnung der sofortigen Vollziehung bewogen haben, darzulegen. Formelhafte und pauschale Begründungen oder Wendungen, mit denen lediglich der Gesetzestext wiederholt wird, reichen nicht aus.
10Puttler, in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Auflage, München 2010, § 80 Rn. 97 m. w. N.
11Diesen Anforderungen wird die seitens des Antragsgegners für den Sofortvollzug angegebene – sehr knappe - Begründung noch gerecht. Diese erschöpft sich namentlich nicht in formelhaften und abstrakten Angaben. So führt der Antragsgegner zunächst die besondere Schutzbedürftigkeit seiner Beschäftigten vor Bedrohungen an, von der er zu Recht annehmen darf, dass sie keinen Aufschub duldet. Dabei stellt der Antragsgegner zugleich auf den vorliegenden Einzelfall ab, wenn er in der Begründung des Sofortvollzugs gerade auf die Bedrohungen durch die Antragstellerin abhebt.
12Die Antragstellerin geht auch Fehl in der Annahme, das Hausverbot sei bereits deshalb formell rechtswidrig, weil sie vor seinem Erlass nicht nach § 24 Abs. 1 SGB X angehört worden sei.
13Hieraus folgt schon deshalb nicht die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Hausverbots, weil es vor dessen Ausspruch einer Anhörung der Antragstellerin gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X nicht bedurfte. Nach dieser Vorschrift kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Von dieser Ermächtigung hat der Antragsgegner ermessensfehlerfrei Gebrauch gemacht, wenn er in seinem Bescheid vom 6. Dezember 2013 ausführt: „Das Hausverbot wird ohne vorherige Androhung ausgesprochen, da ich die Gefahr eines tätlichen Angriffs ihrerseits auf meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zulassen kann.“ Der Antragsgegner hat richtig angenommen, dass die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X vorlagen, da die von ihm angeführten E-Mails der Antragstellerin offenlegen, dass sie Gewaltgedanken in Bezug auf Mitarbeiter des Antragsgegners hegte, die ein sofortiges Handeln zum Schutz der Betroffenen erforderten.
14Aber auch dann, wenn man annehmen wollte, die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 SGB X hätten nicht vorgelegen, erwiese sich das Hausverbot nicht als formell rechtswidrig. Denn die fehlende Anhörung wäre dann gemäß § 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X geheilt worden. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2013 nach erneuter Prüfung an dem Hausverbot vom 6. Dezember 2013 festgehalten und damit die Anhörung nachgeholt.
15Der Wortlaut des § 41 Abs. 2 SGB X, wonach u. a. eine unterbliebene Anhörung bis zur letzten Tatsacheninstanz eines sozial- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden kann, lässt sowohl eine Heilung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens als auch eine solche im Gerichtsverfahren zu. Entscheidend ist, dass die nachgeholte Anhörung die ihr zukommende Funktion im Rahmen des behördlichen Entscheidungsprozesses erfüllen kann. Hierzu ist es nicht notwendig, dass der Betroffene während eines anhängigen Gerichtsverfahrens die Möglichkeit zur Stellungnahme auf der Ebene eines parallel geführten Verwaltungsverfahrens erhält. Die Heilung kann vielmehr auch in einem Austausch von Sachäußerungen in einem gerichtlichen Verfahren bestehen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Behörde den Vortrag des Betroffenen zum Anlass nimmt, ihre Entscheidung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen und zu erwägen, ob sie unter Berücksichtigung der nunmehr vorgebrachten Tatsachen und rechtlichen Erwägungen an ihrer Entscheidung mit diesem konkreten Inhalt festhalten will und das Ergebnis der Überprüfung mitteilt.
16Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 1. Juni 2012 ‑ 15 A 48/12 -, NWVBl. 2013, 37 ff., und vom 14. Juni 2010 ‑ 10 B 270/10; OVG Nds., Beschluss vom 31. Januar 2002 ‑ 1 MA 4216/01 -, BRS 65 Nr. 203; Hessischer VGH, Beschluss vom 20. Mai 1988 ‑ 4 TH 3616/87 ‑, NVwZ-RR 1989, 113 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 26. Januar 2009 ‑ 3 CS 09.46 -, juris; OVG S.-A., Beschluss vom 3. Mai 2005 ‑ 4 M 37/05 -, juris; a. A.: Kopp/Schenke, VwVfG, § 45 Rn.27 und 42; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 45 Rn. 86 ff.; Knack/Henneke, VwVfG, § 45 Rn. 29 f.
17Das ist – anders als die Antragstellerin meint – im gerichtlichen Verfahren geschehen. In diesem hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2013 in Kenntnis und Würdigung der von der Antragstellerin mit ihrem klage- und verfahrenseinleitenden Schriftsatz vom 15. Dezember 2013 gegen die Rechtmäßigkeit des Hausverbotsbescheids vom 6. Dezember 2013 vorgetragenen Argumente an dem Hausverbot nach erneuter Prüfung festgehalten, was er durch den angekündigten Klageabweisungsantrag und den Antrag auf Ablehnung der von der Antragstellerin begehrten Vollziehungsaussetzung zum Ausdruck gebracht hat.
18Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, die Stellungnahme vom 18. Dezember 2013 sei ausschließlich im Eilverfahren erfolgt, in dem eine Anhörung nicht nachgeholt werden könne, führt dies zu keiner anderen Beurteilung ihrer Beschwerde. Zum einen trifft es nicht zu, dass die Stellungnahme des Antragsgegners vom 18. Dezember 2013 ausschließlich im Eilverfahren abgegeben worden ist. Die Stellungnahme betrifft ersichtlich sowohl das Klage- als auch das Eilverfahren. Dessen ungeachtet ist aber auch die Nachholung einer Anhörung im Eilverfahren möglich und zulässig. So sind verschiedene Spruchkörper des beschließenden Gerichts, denen der Senat folgt, auch in der Vergangenheit von der Heilung einer vor Erlass eines belastenden Verwaltungsakts unterlassenen Anhörung ausgegangen, wenn der Betroffene – wie vorliegend - in dem beim Verwaltungsgericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung Gelegenheit gehabt hat, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern und der Antragsgegner sich – wie hier – in seiner Antragserwiderung mit den vorgetragenen Argumenten zumindest sachgedanklich auseinandergesetzt hat.
19Vgl. die Nachweise bei OVG NRW, Beschluss vom 14. Juni 2010 – 10 B 270/10 –, juris Rn. 9.
20Schließlich begegnet das Hausverbot auch nicht deshalb rechtlichen Bedenken, weil der Antragsgegner dieses auf Informationen gestützt hat, die aus der Korrespondenz zwischen der Antragstellerin und ihrem Prozessbevollmächtigten stammen. Bezüglich dieser Informationen besteht im vorliegenden Fall kein Verwertungsverbot. Der Antragsgegner durfte sie zur Kenntnis nehmen und das Hausverbot auf die aus den E-Mails der Antragstellerin gewonnenen Erkenntnisse stützen. Denn die fraglichen Informationen sind ihm durch die Antragstellerin selbst zur Verfügung gestellt worden. Ob dies absichtlich oder versehentlich geschehen ist, ist unerheblich. Entscheidend ist hier, dass der Antragsgegner die Informationen nicht (rechtswidrig) erhoben und er nicht unzulässigerweise in das geschützte Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant eingegriffen hat. Vor diesem Hintergrund war er sogar gehalten, die ihm durch die Antragstellerin zur Kenntnis gebrachten Informationen zu verwerten und in seine Entscheidung betreffend die Erteilung eines Hausverbotes einfließen zu lassen, um so Gefahren insbesondere für seine Beschäftigten abzuwenden und seiner Fürsorgepflicht diesen gegenüber zu genügen.
21Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Zu den von der Antragstellerin zu tragenden Kosten des Beschwerdeverfahrens gehören auch die Gerichtskosten. § 188 Satz 2 VwGO findet keine Anwendung, da es sich bei Streitigkeiten über ein Hausverbot, das für die Räume eines Jobcenters gegenüber einem Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erlassen wird, nicht um Angelegenheiten der Fürsorge im Sinne des Satzes 1 der Vorschrift handelt.
22OVG NRW, Beschluss vom 8. Mai 2013 ‑ 16 B 445/13 -.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 447 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 sowie § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
24Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.868,06 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt worden. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; I.) noch kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; II.) noch liegt ein die Zulassung der Berufung erfordernder Verfahrensmangel vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; III.).
3I. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Dies ist nur der Fall, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wobei es zur Darlegung (§ 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO) dieses Berufungszulassungsgrundes ausreicht, wenn die Begründung einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 ‑ 15 A 2914/09 -, vom 25. September 2008 ‑ 15 A 3231/07 -, vom 9. September 2008 ‑ 15 A 1791/07 ‑ und vom 28. August 2008 - 15 A 1702/07 ‑.
5Für die Darlegung dieses Berufungszulassungsgrundes ist somit erforderlich, dass konkrete tatsächliche oder rechtliche Feststellungen im angefochtenen Urteil aus ebenso konkret dargelegten Gründen als (inhaltlich) ernstlich zweifelhaft dargestellt werden.
6Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 ‑ 15 A 2914/09 - und vom 2. November 1999 ‑ 15 A 4406/99 -.
7Davon ausgehend sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht ersichtlich. Im Einzelnen:
81.) Die Auffassung des Klägers, der Beitragsbescheid sei bereits mangels notwendiger Anhörung rechtswidrig, trifft nicht zu. Dabei kann offen bleiben, ob im vorliegenden Verfahren – wie die Beklagte meint – von der Anhörung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) KAG NRW i. V. m. § 91 Abs. 2 Nr. 4 AO abgesehen werden konnte. Denn selbst wenn man von einer rechtswidrig unterbliebenen Anhörung vor Erlass des streitigen Bescheides ausgeht, kann dieser Verfahrensmangel im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG NRW i. V. m. § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO nachgeholt und geheilt werden. Dabei kann die Heilung – wie auch hier ausweislich der Gerichtsakte geschehen – durch Austausch von Sachäußerungen im Klageverfahren erfolgen.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2012 – 15 A 48/12 -, NWVBl. 2013, 37 ff.
10Sofern der Kläger in diesem Zusammenhang noch eine unterbliebene Benachrichtigung der Anlieger über die Ausbaumaßnahme rügen will, führt auch dieser Einwand nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils. Es steht der Entstehung der Beitragspflicht generell nicht entgegen, dass die Anlieger über die beabsichtigte beitragspflichtige Ausbaumaßnahme nicht informiert oder sie gar befragt worden sind, da dies keine Voraussetzung hierfür ist.
11Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 8. Auflage, Bonn 2013, Rn. 618.
122.) Die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe ursprünglich nicht den Willen gehabt, irgendwelche Kosten gegenüber den Anliegern abzurechnen, weil es sich um ein (teures) Pilotprojekt gehandelt habe, begründet ebenfalls keine Richtigkeitszweifel.
13Der Kläger verkennt, dass die Beklagte in aller Regel eine Beitragserhebungspflicht trifft, deren inhaltliche Reichweite weit zu fassen ist, so dass vom Grundsatz her kein Raum für einen Verzicht auf den Straßenbaubeitrag besteht. Allenfalls in besonderen, als atypisch anzusehenden Fallgestaltungen kann ein Abweichen von der Beitragserhebungspflicht gerechtfertigt sein.
14Vgl. Dietzel/Kallerhoff, a. a. O., Rn. 9 m. w. N.
15Ein solcher atypischer Fall liegt hier auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte den Ausbau der Beleuchtungslage selbst als Pilotprojekt bezeichnet hat, nicht vor. Eine Gemeinde kann zwar dazu berechtigt sein, von einer Beitragserhebung ausnahmsweise abzusehen, wenn bei der Durchführung einer nach ihrer Konzeption neuartigen straßenbaulichen Maßnahme, deren wirtschaftliche Vorteile für die Anlieger nicht ohne Weiteres erkennbar sind, die betroffenen Einwohner nicht bereits im Zeitpunkt der Planung des Vorhabens auf eine etwaige Beitragspflicht hingewiesen worden sind.
16Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. August 1985 – 15 A 1904/84 -, KStZ 1985, 234.
17Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Es stellt sich schon die Frage, ob es sich bei dem hier vorgenommenen Ausbau der Beleuchtungsanlage um eine „ihrer Konzeption nach neuartige straßenbauliche Maßnahme“ handelt. Jedenfalls liegen die mit dem Ausbau der Beleuchtungsanlage verbundenen wirtschaftlichen Vorteile für die Anlieger mit Blick auf die erzielte Verbesserung der Beleuchtungssituation (siehe dazu unten I. 7.) bei objektiver Betrachtungsweise auf der Hand, so dass die Beklagte rechtsfehlerfrei von einer Beitragserhebungspflicht ausgehen durfte und musste. Sie war damit schon vom Ansatz her nicht berechtigt, von der Erhebung des hier streitigen Straßenbaubeitrags abzusehen.
183.) Auch der Einwand des Klägers, die Beklagte rechne Kosten ab, die für die heute installierte Anlage nicht angefallen seien, führt nicht zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Kläger trägt insoweit im Kern vor: Die Beklagte rechne vorliegend die Aufstellung von konventionellen Beleuchtungskörpern ab. Tatsächlich seien diese konventionellen Beleuchtungskörper nur als Interimslösung für einige Wochen montiert worden, um zu einem späteren Zeitpunkt die noch nicht gelieferten LED-Beleuchtungskörper zu installieren. Die Abrechnung von „Verbesserungsmaßnahmen“, die nicht mit den dauerhaft vorhandenen Anlagen korrespondierten, aus denen erst die von § 8 KAG NRW vorausgesetzte Verbesserung nachhaltig entstehe, sei nicht durch § 8 KAG NRW gedeckt. Zumindest fehle es an einer „Vergütung“ für die demontierten Beleuchtungskörper.
19Diese Erwägungen greifen nicht durch. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte der Berechnung des Straßenbaubeitrags die nur als Interimslösung angebrachten Beleuchtungskörper zugrunde gelegt hat, die zwischenzeitlich durch die LED-Beleuchtungskörper ersetzt worden sind. Hieraus ist dem Kläger aber im Ergebnis kein Rechtsnachteil entstanden. Denn die nunmehr installierten, zur Verbesserung im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW führenden LED-Beleuchtungskörper sind viel teurer als die abgerechneten konventionellen Beleuchtungskörper; die Kosten der teureren Beleuchtungskörper sind aber in die Beitragsberechnung nicht eingeflossen.
204.) Der Kläger trägt ferner vor, dass die jetzt angebrachten Beleuchtungskörper auf jeden Fall überdimensioniert seien und gedimmt werden müssten. Vor diesem Hintergrund liege eine Verletzung des Kostenüberschreitungsverbotes vor. Auch dieses Vorbringen begründet keine Richtigkeitszweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es liegt schon deshalb keine Verletzung des Grundsatzes der Erforderlichkeit vor, weil die jetzt angebrachten LED-Beleuchtungskörper, in denen die „Überdimensionierung“ ihre Ursache findet, gegenüber dem Kläger im Rahmen der Beitragserhebung nicht abgerechnet worden sind.
215.) Das Vorbringen, § 11 des neuen Beleuchtungsvertrages zwischen der Beklagten und den Stadtwerken, wonach eine Vergütung für entsorgte Anlagenteile zu zahlen ist, sei zu seinen Lasten nicht angewandt worden, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung. Die vom Kläger geforderte Anrechnung scheidet hier schon deshalb aus, weil im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht Ende 2007 der vom Kläger in Bezug genommene Vertrag noch nicht galt. Denn der „Vertrag über die Öffentliche Beleuchtung E. zwischen der Stadt E. und den Stadtwerken E. AG“ ist gemäß seiner Regelung in § 31 für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2018 geschlossen worden.
226.) Die Berufung ist auch nicht mit Blick auf das Vorbringen des Klägers zur angeblichen Vergaberechtswidrigkeit der „gesamten Maßnahme“ wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zuzulassen. Eine Vergaberechtswidrigkeit stellt die Erforderlichkeit des Aufwandes nicht in Frage. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Vergaberechtswidrigkeit zu einem erhöhten Aufwand geführt hat, weil statt des wirtschaftlichsten Angebots ein solches zu einem unangemessenen Preis zum Zuge gekommen ist.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Februar 2008 – 15 A 2568/05 -, NVwZ-RR 2008, 442.
24Dafür ist hier jedoch weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
257.) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung ergeben sich ferner nicht daraus, dass der Kläger, der die Richtigkeit der in den Akten befindlichen Beleuchtungsmesswerte bestreitet, das Vorliegen einer Verbesserungsmaßnahme in Abrede stellt. Das Verwaltungsgericht ist unter nicht zu beanstandender Auswertung der Verwaltungsvorgänge (einschließlich eines Vorher-Nachher-Vergleichs) zu der rechtlich zutreffenden Annahme gelangt, dass hier eine verkehrstechnische Verbesserung der Straßenbeleuchtung vorliegt, ohne dass der Kläger hiergegen Substantielles eingewandt hat.
268.) Des Weiteren kann der Kläger seinen Zulassungsantrag nicht mit Erfolg auf das Argument stützen, die Beklagte habe entgegen § 10 des „Vertrages über die öffentliche Beleuchtung E. zwischen der Stadt E. und den Stadtwerken E. AG für den Zeitraum vom 1.4.1999 bis 31.12.2008“ die in Rede stehende Ausbaumaßnahme nicht gesondert ausgeschrieben, weshalb das angegriffene Urteil keinen Bestand haben könne. Es ist schon fraglich, ob es sich vorliegend um eine Baumaßnahme von „besonderer Bedeutung und/oder außergewöhnlichem Umfang“ im Sinne der zitierten Vertragsregelung handelt. Dessen ungeachtet gilt auch in diesem Zusammenhang (vgl. schon oben I. 6.), dass eine gebotene aber unterlassene (gesonderte) Ausschreibung nur dann die Erforderlichkeit des Aufwandes in Frage stellt, wenn der Verzicht auf die Ausschreibung zu einem erhöhten Aufwand geführt hat, weil statt des wirtschaftlichsten Angebots ein solches zu einem unangemessenen Preis zum Zuge kommt. Hierfür ist – wie bereits oben ausgeführt – im vorliegenden Verfahren weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
27II.) Die Berufung ist weiterhin nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedürfte, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat.
28OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2007 - 15 A 1279/07 -.
29Der Kläger ist der Auffassung, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil „im vorliegenden Fall … ein Betrag für eine Beleuchtungsanlage als Verbesserung abgerechnet (wurde), die tatsächlich nur kurze Zeit an dem streitgegenständlichen Grundstück montiert war.“ Darüber hinaus sei klärungsbedürftig, „inwieweit der Wille, eine Anlage als Pilotprojekt zu betreiben, dafür entscheidend ist, ob zu einem späteren Zeitpunkt dennoch Beiträge nach § 8 KAG abgerechnet werden können.“
30Aus diesen „Fragen“ ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Es mangelt schon an einer hinreichenden Darlegung der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Dessen ungeachtet kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu.
31Das Vorliegen einer beitragsfähigen Verbesserung ist durch eine deutliche Steigerung der Beleuchtungsstärke infolge des Ausbaus der Beleuchtungsanlage eingetreten (s. o.). Dass in die Berechnung des Beitrags nur die Kosten für die – später wieder entfernte - Interimslösung eingestellt worden sind, macht die Beitragserhebung nicht rechtswidrig. So ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beklagten die Kosten für die Interimslösung tatsächlich entstanden sind. Entscheidend ist aber, dass die Kosten für die dauerhaft errichteten LED-Leuchten nicht in die Beitragserhebung eingestellt worden sind, so dass dem Kläger im Ergebnis kein Rechtsnachteil entstanden ist.
32Wenn der Kläger darüber hinaus an dieser Stelle erneut aus der Bezeichnung „Pilotprojekt“ ableiten will, dass die abgerechnete Maßnahme nicht beitragsfähig sein soll, geht dieser Einwand aus den bereits oben genannten Gründen ins Leere (vgl. I. 2.).
33III.) Schließlich liegt auch kein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Namentlich ist der Kläger nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen worden (vgl. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Entgegen den Darlegungen des Klägers ist der Rechtsstreit mit dem den Beteiligten übersandten Beschluss vom 24. Juli 2013 auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden. Für den am 18. Juli 2013 durchgeführten Erörterungstermin hat es eines solchen Übertragungsbeschlusses mit Blick auf die Bestimmung in § 87 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht bedurft. Wenn der Kläger darüber hinaus rügt, dass der Vorsitzende der erkennenden Kammer im Erörterungstermin, vor allem aber im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht zur Vertretung der als Einzelrichterin zuständigen Berichterstatterin befugt gewesen sei, weil für das Bestehen eines Vertretungsfalles nichts ersichtlich sei, führt auch dies nicht zur Zulassung der Berufung. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Einzelrichterin nicht krank war und ein Vertretungsfall nicht vorlag. An der Beachtung der Vorgabe des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bestehen keine Zweifel.
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlagen in §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Der angegriffene Beschluss wird geändert. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde hat Erfolg.
3Die mit der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe führen zur Änderung der angefochtenen Entscheidung, mit der das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügungen der Antragsgegnerin vom 30.6. 2015 und 27.7.2015 wiederhergestellt bzw. hinsichtlich der Zwangsgeldandrohungen angeordnet hat. Entgegen der erstinstanzlichen Einschätzung fällt die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus.
4Die Klage wird in der Hauptsache summarischer Beurteilung zufolge erfolglos bleiben.
5Die Verfügung vom 30.6.2015 ist voraussichtlich rechtmäßig. Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der Stilllegung der Baustelle W. Straße 266 zu Recht auf die formelle Illegalität des Vorhabens gestützt. Summarischer Prüfung zufolge ist davon auszugehen, dass das Vorhaben des Antragstellers nicht über die gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW erforderliche Baugenehmigung verfügt. Hierzu hat bereits das Verwaltungsgericht näher ausgeführt, dass es nicht - wie der Antragsteller meint - lediglich um genehmigungsfreie Maßnahmen geht (vgl. Seite 10, erster Absatz des Beschlusses vom 4.9.2015). Eine Stilllegungsverfügung kann ebenso wie eine Nutzungsuntersagung in aller Regel ‑ und so auch hier ‑ allein auf die formelle Illegalität einer baulichen Nutzung gestützt werden. Eine auf die formelle Illegalität gestützte Stilllegungsverfügung stellt sich zwar dann als unverhältnismäßig dar, wenn der erforderliche Bauantrag gestellt, dieser nach Auffassung der Baugenehmigungsbehörde genehmigungsfähig ist und der Erteilung der Baugenehmigung auch sonst keine Hindernisse entgegenstehen.
6Vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 11.9.2012 ‑ 7 B 874/12 -.
7Ein solcher Sachverhalt ist hier indes weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
8Dass die Stilllegungsanordnung mit Blick auf § 15 Abs. 3 OBG NRW unverhältnismäßig sein könnte, wie der Antragsteller geltend macht, vermag der Senat ebenso wenig zu erkennen. Ungeachtet der Frage, wann die Decke im Erdgeschoss eingezogen worden ist, konnte die Anordnung auf das Vorhaben als Gesamtbaumaßnahme bezogen werden, ohne nach einzelnen genehmigungsfreien bzw. abgeschlossenen Arbeiten zu differenzieren.
9Aus den von der Antragsgegnerin aufgezeigten Gründen teilt der Senat nicht die erstinstanzliche Einschätzung, die Verfügung vom 30.6.2015 sei nicht wirksam zugestellt worden. Die Verfügung wurde mit Wirkung für den Antragsteller summarischer Prüfung zufolge jedenfalls auf der Grundlage einer Vollmacht den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt. Der Senat geht davon aus, dass die mit Schriftsatz vom 17.3.2015 übersandte Vollmacht vom 14.3.2015 mit dem Betreff „in Sachen C. jun., K. ./.Stadt L. wegen Bebauung Grundstück W. Straße 268/266 L. “ auch die hier in Rede stehende Angelegenheit umfasste. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegnerin rechtzeitig der behauptete Widerruf der Vollmacht mitgeteilt worden wäre, sind nicht ersichtlich. Danach bietet auch die in der Verfügung enthaltene Zwangsgeldandrohung keinen Anlass zur Beanstandung.
10Hinsichtlich der Verfügung vom 27.7.2015 spricht ebenfalls Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit der Stilllegungsanordnung der Antragsgegnerin.
11Der Senat teilt nicht die Einschätzung, die Verfügung leide an einem formellen Mangel, weil der Antragsteller nicht angehört worden sei. Dies ergibt sich aus den Darlegungen der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung, nach denen Überwiegendes dafür spricht, dass der Antragsteller hinreichende Gelegenheit hatte, zu den maßgeblichen Fragen Stellung zu nehmen. Abgesehen davon ist summarischer Prüfung zufolge davon auszugehen, dass eine hinreichende Anhörung jedenfalls im gerichtlichen Verfahren nachgeholt worden ist.
12Vgl. zur Nachholung einer Anhörung durch Austausch von Sachäußerungen zu den maßgeblichen Fragen in einem gerichtlichen Verfahren: OVG NRW, Beschluss vom 20.1.2015 - 15 A 2382/13 -, KStZ 2015, 78 = juris, m. w. Nachw.
13Auch in Bezug auf die Zwangsgeldandrohung bietet die Verfügung vom 27.7.2015 voraussichtlich keinen Anlass zur Beanstandung.
14Anhaltspunkte dafür, dass das Interesse des Antragstellers, vom Vollzug der nach den vorstehenden Ausführungen voraussichtlich rechtmäßigen Stilllegungsanordnungen verschont zu bleiben, gegenüber dem hier gegebenen besonderen Vollziehungsinteresse überwiegen könnte, vermag der Senat nicht zu erkennen.
15Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
16Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
17Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.868,06 Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e:
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt worden. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; I.) noch kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; II.) noch liegt ein die Zulassung der Berufung erfordernder Verfahrensmangel vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; III.).
3I. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen nicht vor. Dies ist nur der Fall, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wobei es zur Darlegung (§ 124 Abs. 4 Satz 4 VwGO) dieses Berufungszulassungsgrundes ausreicht, wenn die Begründung einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.
4Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 ‑ 15 A 2914/09 -, vom 25. September 2008 ‑ 15 A 3231/07 -, vom 9. September 2008 ‑ 15 A 1791/07 ‑ und vom 28. August 2008 - 15 A 1702/07 ‑.
5Für die Darlegung dieses Berufungszulassungsgrundes ist somit erforderlich, dass konkrete tatsächliche oder rechtliche Feststellungen im angefochtenen Urteil aus ebenso konkret dargelegten Gründen als (inhaltlich) ernstlich zweifelhaft dargestellt werden.
6Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. April 2010 ‑ 15 A 2914/09 - und vom 2. November 1999 ‑ 15 A 4406/99 -.
7Davon ausgehend sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht ersichtlich. Im Einzelnen:
81.) Die Auffassung des Klägers, der Beitragsbescheid sei bereits mangels notwendiger Anhörung rechtswidrig, trifft nicht zu. Dabei kann offen bleiben, ob im vorliegenden Verfahren – wie die Beklagte meint – von der Anhörung gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. a) KAG NRW i. V. m. § 91 Abs. 2 Nr. 4 AO abgesehen werden konnte. Denn selbst wenn man von einer rechtswidrig unterbliebenen Anhörung vor Erlass des streitigen Bescheides ausgeht, kann dieser Verfahrensmangel im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG NRW i. V. m. § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO nachgeholt und geheilt werden. Dabei kann die Heilung – wie auch hier ausweislich der Gerichtsakte geschehen – durch Austausch von Sachäußerungen im Klageverfahren erfolgen.
9Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. Juni 2012 – 15 A 48/12 -, NWVBl. 2013, 37 ff.
10Sofern der Kläger in diesem Zusammenhang noch eine unterbliebene Benachrichtigung der Anlieger über die Ausbaumaßnahme rügen will, führt auch dieser Einwand nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des Urteils. Es steht der Entstehung der Beitragspflicht generell nicht entgegen, dass die Anlieger über die beabsichtigte beitragspflichtige Ausbaumaßnahme nicht informiert oder sie gar befragt worden sind, da dies keine Voraussetzung hierfür ist.
11Dietzel/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 8. Auflage, Bonn 2013, Rn. 618.
122.) Die Behauptung des Klägers, die Beklagte habe ursprünglich nicht den Willen gehabt, irgendwelche Kosten gegenüber den Anliegern abzurechnen, weil es sich um ein (teures) Pilotprojekt gehandelt habe, begründet ebenfalls keine Richtigkeitszweifel.
13Der Kläger verkennt, dass die Beklagte in aller Regel eine Beitragserhebungspflicht trifft, deren inhaltliche Reichweite weit zu fassen ist, so dass vom Grundsatz her kein Raum für einen Verzicht auf den Straßenbaubeitrag besteht. Allenfalls in besonderen, als atypisch anzusehenden Fallgestaltungen kann ein Abweichen von der Beitragserhebungspflicht gerechtfertigt sein.
14Vgl. Dietzel/Kallerhoff, a. a. O., Rn. 9 m. w. N.
15Ein solcher atypischer Fall liegt hier auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte den Ausbau der Beleuchtungslage selbst als Pilotprojekt bezeichnet hat, nicht vor. Eine Gemeinde kann zwar dazu berechtigt sein, von einer Beitragserhebung ausnahmsweise abzusehen, wenn bei der Durchführung einer nach ihrer Konzeption neuartigen straßenbaulichen Maßnahme, deren wirtschaftliche Vorteile für die Anlieger nicht ohne Weiteres erkennbar sind, die betroffenen Einwohner nicht bereits im Zeitpunkt der Planung des Vorhabens auf eine etwaige Beitragspflicht hingewiesen worden sind.
16Vgl. OVG NRW, Urteil vom 23. August 1985 – 15 A 1904/84 -, KStZ 1985, 234.
17Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Es stellt sich schon die Frage, ob es sich bei dem hier vorgenommenen Ausbau der Beleuchtungsanlage um eine „ihrer Konzeption nach neuartige straßenbauliche Maßnahme“ handelt. Jedenfalls liegen die mit dem Ausbau der Beleuchtungsanlage verbundenen wirtschaftlichen Vorteile für die Anlieger mit Blick auf die erzielte Verbesserung der Beleuchtungssituation (siehe dazu unten I. 7.) bei objektiver Betrachtungsweise auf der Hand, so dass die Beklagte rechtsfehlerfrei von einer Beitragserhebungspflicht ausgehen durfte und musste. Sie war damit schon vom Ansatz her nicht berechtigt, von der Erhebung des hier streitigen Straßenbaubeitrags abzusehen.
183.) Auch der Einwand des Klägers, die Beklagte rechne Kosten ab, die für die heute installierte Anlage nicht angefallen seien, führt nicht zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Kläger trägt insoweit im Kern vor: Die Beklagte rechne vorliegend die Aufstellung von konventionellen Beleuchtungskörpern ab. Tatsächlich seien diese konventionellen Beleuchtungskörper nur als Interimslösung für einige Wochen montiert worden, um zu einem späteren Zeitpunkt die noch nicht gelieferten LED-Beleuchtungskörper zu installieren. Die Abrechnung von „Verbesserungsmaßnahmen“, die nicht mit den dauerhaft vorhandenen Anlagen korrespondierten, aus denen erst die von § 8 KAG NRW vorausgesetzte Verbesserung nachhaltig entstehe, sei nicht durch § 8 KAG NRW gedeckt. Zumindest fehle es an einer „Vergütung“ für die demontierten Beleuchtungskörper.
19Diese Erwägungen greifen nicht durch. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte der Berechnung des Straßenbaubeitrags die nur als Interimslösung angebrachten Beleuchtungskörper zugrunde gelegt hat, die zwischenzeitlich durch die LED-Beleuchtungskörper ersetzt worden sind. Hieraus ist dem Kläger aber im Ergebnis kein Rechtsnachteil entstanden. Denn die nunmehr installierten, zur Verbesserung im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 KAG NRW führenden LED-Beleuchtungskörper sind viel teurer als die abgerechneten konventionellen Beleuchtungskörper; die Kosten der teureren Beleuchtungskörper sind aber in die Beitragsberechnung nicht eingeflossen.
204.) Der Kläger trägt ferner vor, dass die jetzt angebrachten Beleuchtungskörper auf jeden Fall überdimensioniert seien und gedimmt werden müssten. Vor diesem Hintergrund liege eine Verletzung des Kostenüberschreitungsverbotes vor. Auch dieses Vorbringen begründet keine Richtigkeitszweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es liegt schon deshalb keine Verletzung des Grundsatzes der Erforderlichkeit vor, weil die jetzt angebrachten LED-Beleuchtungskörper, in denen die „Überdimensionierung“ ihre Ursache findet, gegenüber dem Kläger im Rahmen der Beitragserhebung nicht abgerechnet worden sind.
215.) Das Vorbringen, § 11 des neuen Beleuchtungsvertrages zwischen der Beklagten und den Stadtwerken, wonach eine Vergütung für entsorgte Anlagenteile zu zahlen ist, sei zu seinen Lasten nicht angewandt worden, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Berufung. Die vom Kläger geforderte Anrechnung scheidet hier schon deshalb aus, weil im Zeitpunkt der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht Ende 2007 der vom Kläger in Bezug genommene Vertrag noch nicht galt. Denn der „Vertrag über die Öffentliche Beleuchtung E. zwischen der Stadt E. und den Stadtwerken E. AG“ ist gemäß seiner Regelung in § 31 für den Zeitraum vom 1. Januar 2009 bis zum 31. Dezember 2018 geschlossen worden.
226.) Die Berufung ist auch nicht mit Blick auf das Vorbringen des Klägers zur angeblichen Vergaberechtswidrigkeit der „gesamten Maßnahme“ wegen ernstlicher Richtigkeitszweifel zuzulassen. Eine Vergaberechtswidrigkeit stellt die Erforderlichkeit des Aufwandes nicht in Frage. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Vergaberechtswidrigkeit zu einem erhöhten Aufwand geführt hat, weil statt des wirtschaftlichsten Angebots ein solches zu einem unangemessenen Preis zum Zuge gekommen ist.
23Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Februar 2008 – 15 A 2568/05 -, NVwZ-RR 2008, 442.
24Dafür ist hier jedoch weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
257.) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung ergeben sich ferner nicht daraus, dass der Kläger, der die Richtigkeit der in den Akten befindlichen Beleuchtungsmesswerte bestreitet, das Vorliegen einer Verbesserungsmaßnahme in Abrede stellt. Das Verwaltungsgericht ist unter nicht zu beanstandender Auswertung der Verwaltungsvorgänge (einschließlich eines Vorher-Nachher-Vergleichs) zu der rechtlich zutreffenden Annahme gelangt, dass hier eine verkehrstechnische Verbesserung der Straßenbeleuchtung vorliegt, ohne dass der Kläger hiergegen Substantielles eingewandt hat.
268.) Des Weiteren kann der Kläger seinen Zulassungsantrag nicht mit Erfolg auf das Argument stützen, die Beklagte habe entgegen § 10 des „Vertrages über die öffentliche Beleuchtung E. zwischen der Stadt E. und den Stadtwerken E. AG für den Zeitraum vom 1.4.1999 bis 31.12.2008“ die in Rede stehende Ausbaumaßnahme nicht gesondert ausgeschrieben, weshalb das angegriffene Urteil keinen Bestand haben könne. Es ist schon fraglich, ob es sich vorliegend um eine Baumaßnahme von „besonderer Bedeutung und/oder außergewöhnlichem Umfang“ im Sinne der zitierten Vertragsregelung handelt. Dessen ungeachtet gilt auch in diesem Zusammenhang (vgl. schon oben I. 6.), dass eine gebotene aber unterlassene (gesonderte) Ausschreibung nur dann die Erforderlichkeit des Aufwandes in Frage stellt, wenn der Verzicht auf die Ausschreibung zu einem erhöhten Aufwand geführt hat, weil statt des wirtschaftlichsten Angebots ein solches zu einem unangemessenen Preis zum Zuge kommt. Hierfür ist – wie bereits oben ausgeführt – im vorliegenden Verfahren weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
27II.) Die Berufung ist weiterhin nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedürfte, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat.
28OVG NRW, Beschluss vom 12. Juni 2007 - 15 A 1279/07 -.
29Der Kläger ist der Auffassung, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil „im vorliegenden Fall … ein Betrag für eine Beleuchtungsanlage als Verbesserung abgerechnet (wurde), die tatsächlich nur kurze Zeit an dem streitgegenständlichen Grundstück montiert war.“ Darüber hinaus sei klärungsbedürftig, „inwieweit der Wille, eine Anlage als Pilotprojekt zu betreiben, dafür entscheidend ist, ob zu einem späteren Zeitpunkt dennoch Beiträge nach § 8 KAG abgerechnet werden können.“
30Aus diesen „Fragen“ ergibt sich keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Es mangelt schon an einer hinreichenden Darlegung der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Dessen ungeachtet kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu.
31Das Vorliegen einer beitragsfähigen Verbesserung ist durch eine deutliche Steigerung der Beleuchtungsstärke infolge des Ausbaus der Beleuchtungsanlage eingetreten (s. o.). Dass in die Berechnung des Beitrags nur die Kosten für die – später wieder entfernte - Interimslösung eingestellt worden sind, macht die Beitragserhebung nicht rechtswidrig. So ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beklagten die Kosten für die Interimslösung tatsächlich entstanden sind. Entscheidend ist aber, dass die Kosten für die dauerhaft errichteten LED-Leuchten nicht in die Beitragserhebung eingestellt worden sind, so dass dem Kläger im Ergebnis kein Rechtsnachteil entstanden ist.
32Wenn der Kläger darüber hinaus an dieser Stelle erneut aus der Bezeichnung „Pilotprojekt“ ableiten will, dass die abgerechnete Maßnahme nicht beitragsfähig sein soll, geht dieser Einwand aus den bereits oben genannten Gründen ins Leere (vgl. I. 2.).
33III.) Schließlich liegt auch kein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Namentlich ist der Kläger nicht seinem gesetzlichen Richter entzogen worden (vgl. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Entgegen den Darlegungen des Klägers ist der Rechtsstreit mit dem den Beteiligten übersandten Beschluss vom 24. Juli 2013 auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden. Für den am 18. Juli 2013 durchgeführten Erörterungstermin hat es eines solchen Übertragungsbeschlusses mit Blick auf die Bestimmung in § 87 Abs. 1 Nr. 1 VwGO nicht bedurft. Wenn der Kläger darüber hinaus rügt, dass der Vorsitzende der erkennenden Kammer im Erörterungstermin, vor allem aber im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht zur Vertretung der als Einzelrichterin zuständigen Berichterstatterin befugt gewesen sei, weil für das Bestehen eines Vertretungsfalles nichts ersichtlich sei, führt auch dies nicht zur Zulassung der Berufung. Es fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Einzelrichterin nicht krank war und ein Vertretungsfall nicht vorlag. An der Beachtung der Vorgabe des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bestehen keine Zweifel.
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung findet ihre Rechtsgrundlagen in §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG.
35Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn
- 1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird; - 2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird; - 3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird; - 4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird; - 5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.
(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.
(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.
(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn
- 1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint; - 2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde; - 3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll; - 4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will; - 5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.
(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.
Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.