Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 31. Juli 2014 - 26 L 1222/14
Gericht
Tenor
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das gerichtliche Verfahren erster Instanz wird abgelehnt.
2. Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe
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1. 1. Der Antrag,
dem Antragsteller zur Durchführung dieses gerichtlichen Verfahrens erster Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. aus L. zu gewähren,
5ist abzulehnen. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den Gründen zu 2. keine hinreichende Aussicht auf Erfolg nach §§ 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. 114 Zivilprozessordnung (ZPO).
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7
2. 2. Der Eilantrag ist abzulehnen.
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3. Denn die Voraussetzungen zum Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung von wesentlichen Nachteilen oder drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die Anwendung dieser Vorschrift setzt neben einer besonderen Eilbedürftigkeit der Regelung (Anordnungsgrund) voraus, dass der Hilfesuchende mit Wahrscheinlichkeit einen Anspruch auf die begehrte Regelung hat (Anordnungsanspruch). Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -).
10Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
11Dabei kann offen bleiben, ob der Antragsteller die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 SGB VIII erfüllt. Danach können Ausländer Leistungen nach diesem Buch nur dann beanspruchen, wenn sie rechtmäßig oder aufgrund einer ausländerrechtlichen Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.
12Der Antragsteller hat jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII vorliegen. Danach ist das Jugendamt berechtigt oder verpflichtet, einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten. Jugendlicher ist nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist.
13Die Antragsgegnerin muss die Altersangabe des Antragstellers nicht zugrunde legen, da § 33a Abs. 1 Sozialgesetzbuch –Erstes Buch – (SGB I) kein einseitiges Altersbestimmungsrecht des Berechtigten enthält,
14vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 9. Februar 2011, a.a.O., juris, Leitsatz 3 und Rdnr. 60.
15Eine Inobhutnahme Volljähriger ist rechtswidrig. Das Jugendamt hat daher das Alter des Antragstellers festzustellen.
16Vgl. Wiesner, SGB VIII, 4. Aufl. 2011, § 42 Rdnr. 2 a.
17Der Kläger hat zwar Schulzertifikate und einen afghanischen Personalausweis (Tazkira) nebst Übersetzungen vorgelegt. In diesen Dokumenten sind aber bereits abweichende Angaben enthalten (so zum Geburtsort des Antragstellers) und sie enthalten zum Teil nicht nachvollziehbare Rechtschreibfehler (Bl. 23 Gerichtsakte). Auch nach der Auskunftslage werden Personalausweise häufig gefälscht (Alexandra Geiser, Schweizer Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Tazkira, Bern, den 12. März 2013, S. 30 der Gerichtsakte). Es kann deshalb offen bleiben, ob die zwischenzeitlichen Erklärungen des Antragstellers zu den früheren Widersprüchen in seinen Altersangaben diese erklärbar auflösen. Aus den vorgelegten Dokumenten, kann nämlich das Alter des Antragstellers nicht entnommen werden, da deren Echtheit nicht verifizierbar ist.
18Drei Mitarbeiter der Antragsgegnerin sind aufgrund mehrfacher persönlicher Kontakte zum und Gespräche mit dem Antragsteller übereinstimmend zu der Überzeugung gelangt, dass dieser bereits über 18 Jahre alt ist. Auf die umfassende Darstellung der Erkenntnisgewinnung und –merkmale, so die Feststellungen zu Hautbild, erkennbarem Bartwuchs, Kehlkopf, tiefer Stimme, Gestik und Souveränität im Gespräch, ferner Angabe unterschiedlicher Geburtsdaten durch den Antragsteller, und zu den die Erfahrung dieser Kräfte in der Alterseinschätzung betreffenden Angaben wird auf Bl. 45 f. der Gerichtsakte Bezug genommen.
19Diese Einschätzung bestreitet der Antragsteller zwar.
20Der Sozialleistungsträger ist aber, soweit die Voraussetzungen einer Sozialleistung nicht nachgewiesen sind, berechtigt, die Leistung zu versagen, zumal wenn der Antragsteller seine Mitwirkungspflichten nach §§ 60 bis 62, 65 SGB I verletzt, § 66 SGB I. Danach kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält seinen Mitwirkungspflichten nach den genannten Vorschriften nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 3. August 2012 in einer Vormundschaftssache ist hier also nicht einschlägig.
21Zu den Maßnahmen der Mitwirkung gehört die Teilnahme an ärztlichen Untersuchungsmaßnahmen, § 62 SGB I. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat zwar am 18. Juli 2014 die Anfertigung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Alter beantragt. Bereits am 21. Juli 2014 hat der Antragsteller aber die Teilnahme an einer derartigen Untersuchung verweigert.
22Er hat sich auch geweigert, das von der Einzelrichterin erbetene Foto nach 6 – 7 Tagen ohne Rasur vorzulegen.
23Beides lässt für die Einzelrichterin nur den Schluss zu, dass der Antragsteller tatsächlich volljährig ist, die Alterseinschätzung der Antragsgegnerin also zutrifft, und er fürchtet, dass diese Aufklärungsmaßnahmen seine unzutreffenden Altersangaben widerlegen werden.
24Rasur und Frisur sind in besonderer Weise geeignet, auf Fotos einen jüngeren Alterseindruck zu erwecken. Das wurde bei dem mit dem Antragsteller in der Herkulesstr. 42 wohnenden afghanischen Staatsangehörigen – Verfahren 26 L 1173/14 (nicht rechtskräftiger Beschluss vom 18. Juni 2014) – deutlich. Dieser erschien bei der Antragsgegnerin ebenfalls rasiert. Das bei ihm vorgefundene Smartphone hatte aber zahlreiche Fotos mit intensivem Bartwuchs gespeichert, die Herrn eindeutig als über 18-Jährigen erkennbar machten (Beiakte 5). Da die Einzelrichterin einen Sohn im Alter von 18 Jahren hat und aus dessen sowie dem eigenen Freundes- und Verwandtenkreis zahlreiche junge Männer - zum Teil auch mit ausländischen Eltern (-teilen) - im Alter von 16 bis 30 Jahren kennt, ist auch bei ihr ausreichende Erfahrung und Sachkunde vorhanden, eine Einschätzung anhand derart eindeutiger Aufnahmen vorzunehmen. Sie war daher davon überzeugt, dass das Ergebnis der Inaugenscheinnahme des Herrn durch 3 Sozialarbeiter des Sachgebiets 511.32 der Antragsgegnerin am 5. Juni 2014 zutraf. Auch Herr war nicht bereit, an der Erstellung eines Altersgutachtens mitzuwirken.
25Die Einzelrichterin geht davon aus, dass der Antragsteller, um sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu sichern,
26vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 10 C 13.12 -,
27und Leistungen nach dem SGB VIII zu erlangen, sein tatsächliches Alter verschleiert.
28Da - wie schon ausgeführt - vieles gegen die Altersangabe des Antragstellers spricht, könnte der streitige Anspruch allenfalls durch ein medizinisches Altersgutachten, belegt werden. Dieses Gutachten ist erforderlich im Sinne von § 62 SGB I.
29Der Antragsteller ist seiner Pflicht zur Mitwirkung an der Bestimmung seines Alters aus § 66 i.V.m. § 62 SGB I aber nicht nachgekommen.
30Die Anfertigung eines Altersgutachtens einschließlich der Anwendung von Röntgenstrahlen ist dem Antragsteller zumutbar, er war nicht nach § 65 SGB I freigestellt. Insbesondere ist es dem Antragsteller nicht nach § 65 Abs. 2 Nr.1 – 3 SGB VIII unzumutbar, sich der Untersuchung zu unterziehen. Schwere Beeinträchtigungen werden durch die vorgesehene Untersuchung nicht ausgelöst. Vielmehr wären sogar radiologische Untersuchungen (z.B. des Kiefers und der Schlüsselbeine) hinnehmbar.
31vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.August 2005 – 12 B 1312/05, juris, Rdnr. 16 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 9. Februar 2011, a.a.O., Leitsatz 4 und Rdnr. 71 - 99.
32Die Antragsgegnerin hat in einem anderen Verfahren – 26 L 879/13 – zudem in der Vergangenheit dem dortigen Antragsteller eine Alterseinschätzung ohne Röntgen- und computertomographische Untersuchung und zwar gesichtsmorphologische Untersuchung, körperliche Untersuchung und zahnärztliche Untersuchung in der Universitätsklinik Düsseldorf angeboten. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie dies im Fall des Antragstellers nicht so handhaben würde.
33Derartige Untersuchungen sind weder höchst unangenehm noch degradierend. Diese unsubstantiierte Einlassung erscheint als bloße Schutzbehauptung, zumal der Antragsteller ausweislich Bl. 4 des Schriftsatzes vom 16. Juli 2014 gerade auch eine bessere ärztliche Versorgung anstrebt und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er in dem Zusammenhang körperliche Untersuchungen einschließlich Röntgen und ähnlichem verweigern würde.
34Der Antragsteller hat also seine Mitwirkungspflichten verletzt und die Anspruchsvoraussetzungen - also die Minderjährigkeit - nicht glaubhaft gemacht.
35Die Antragsgegnerin konnte seine Aufnahme im Rahmen der Inobhutnahme am 21. Mai 2014 aufgrund der seinerzeit getroffenen Feststellungen ablehnen und sie konnte wegen der Weigerung des Antragstellers im Rahmen dieses gerichtlichen Verfahrens, seiner Mitwirkungspflicht nachzukommen, mangels Nachweis der Minderjährigkeit weiterhin die Inobhutnahme ablehnen, wie am 22. Juli 2014 geschehen.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Leistungen nach diesem Buch werden jungen Menschen, Müttern, Vätern und Personensorgeberechtigten von Kindern und Jugendlichen gewährt, die ihren tatsächlichen Aufenthalt im Inland haben. Für die Erfüllung anderer Aufgaben gilt Satz 1 entsprechend. Umgangsberechtigte haben unabhängig von ihrem tatsächlichen Aufenthalt Anspruch auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts, wenn das Kind oder der Jugendliche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.
(2) Ausländer können Leistungen nach diesem Buch nur beanspruchen, wenn sie rechtmäßig oder auf Grund einer ausländerrechtlichen Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.
(3) Deutschen können Leistungen nach diesem Buch auch gewährt werden, wenn sie ihren Aufenthalt im Ausland haben und soweit sie nicht Hilfe vom Aufenthaltsland erhalten.
(4) Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt.
(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn
- 1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder - 2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und - a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder - b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
- 3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.
(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich
- 1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder - 2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
(4) Die Inobhutnahme endet mit
- 1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten, - 2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.
(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.
(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.
(1) Im Sinne dieses Buches ist
- 1.
Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, soweit nicht die Absätze 2 bis 4 etwas anderes bestimmen, - 2.
Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist, - 3.
junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist, - 4.
junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist, - 5.
Personensorgeberechtigter, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Personensorge zusteht, - 6.
Erziehungsberechtigter, der Personensorgeberechtigte und jede sonstige Person über 18 Jahre, soweit sie auf Grund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnimmt.
(2) Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen mit Behinderungen im Sinne dieses Buches sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Kinder, Jugendliche, junge Volljährige und junge Menschen sind von Behinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist.
(3) Kind im Sinne des § 1 Absatz 2 ist, wer noch nicht 18 Jahre alt ist.
(4) Werktage im Sinne der §§ 42a bis 42c sind die Wochentage Montag bis Freitag; ausgenommen sind gesetzliche Feiertage.
(5) Die Bestimmungen dieses Buches, die sich auf die Annahme als Kind beziehen, gelten nur für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit
- 1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder - 2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder - 3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.
(2) Behandlungen und Untersuchungen,
- 1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, - 2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder - 3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.
(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.
(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.
(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.
Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, soll sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind.
(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit
- 1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder - 2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder - 3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.
(2) Behandlungen und Untersuchungen,
- 1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, - 2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder - 3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.