Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 26. Mai 2015 - 20 L 1214/14
Gericht
Tenor
1. Der Beklagte wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren 20 K 3184/14
a) in der Kriminalakte des Klägers
die Merkblätter vom 18.3.1997, 6.4.1999, 10.5.2001, 24.9.2001, 3.4.2003, 1.2.2005 und 28.6.2007
sowie die erkennungsdienstlichen Unterlagen vom 25.3.1999 und 3.9.2002
zu sperren und
b) in POLAS NRW und in INPOL folgende Daten zu löschen bzw. ihre Löschung zu veranlassen:
- die zwei E-Gruppen (erkennungsdienstliche Behandlungen vom 3.9.2002 und 25.3.1999),
- die D-Gruppe (Fingerabdruck, nur in INPOL)
- die W-Gruppe (Personenhinweis Sexualtäter).
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 1/3 und der
Antragsgegner zu 2/3.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500.- Euro festgesetzt.
1
Gründe
2Der Antrag,
3bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren alle personenbezogenen Daten des Antragstellers in Dateien, die von Behörden des Antragsgegners geführt werden, zu sperren sowie personenbezogene Daten, die in Akten enthalten sind, die von Behörden des Beklagten geführt werden, bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zu nutzen,
4hilfsweise,
5a) bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren sämtliche Daten über den Antragsteller, die bei der Kreispolizeibehörde des rheinischen-bergischen Kreises in irgendeiner Datei gespeichert sind, insbesondere soweit sie der Kriminalauskunft der Polizei C. H. zugrunde liegen, zu sperren bzw. soweit sie nicht in elektronischer Form, sondern in Aktenform gespeichert werden, bis zur Entscheidung des Hauptsacherechtsstreits nicht zu nutzen sowie
6b) die im Polizeiauskunftssystem POLAS durch die zuständige Behörde der Polizei NRW zum Antragsteller gespeicherten Daten bis zur Entscheidung im
7Hauptsacheverfahren zu sperren,
8hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
9Die Kammer legt den –nach wie vor nicht präzise formulierten- Hauptantrag dahingehend aus, dass auch die in INPOL gespeicherten Daten erfasst sein sollen, obwohl die INPOL-Dateien nicht „von Behörden des Beklagten geführt werden“. Dieses
10Verständnis legen einerseits die ausdrückliche Beschränkung auf POLAS in Buchstabe b) des Hilfsantrages und andererseits die Argumentation im Hauptsacheverfahren 20 K 3184/14 nahe.
11Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgebend hierfür sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
12Soweit es die im Tenor ausgesprochenen Daten betrifft, besteht vorliegend ein Anordnungsgrund, weil jedenfalls diese im Zusammenhang mit Sexualdelikten stehenden Daten weiterhin zur Grundlage von Maßnahmen und Bewertungen des Antragsgegners gemacht werden.
13Insoweit besteht auch ein Anordnungsanspruch. Bzgl. dieser Daten hat der Antragsteller gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Vernichtung bzw. Löschung. Im Einzelnen wird insoweit auf das Urteil der Kammer vom 23.04.2015 -20 K 3184/14- verwiesen. Daraus resultiert für das vorliegende Verfahren, dass die in der Kriminalakte vorgehaltenen Daten zunächst zwecks Vermeidung von weiteren Nachteilen für den Antragsteller zu sperren sind.
14In Bezug auf die in Dateien gespeicherten Daten ergibt sich bei den hier vorliegenden Gegebenheiten ausnahmsweise auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ein Anspruch auf Löschung. Der Antragsgegner hat darauf hingewiesen (Schriftsatz vom 19.03.2015 -20 K 3184/14-), dass aus technischen Gründen eine vorübergehende Sperrung in POLAS nicht möglich sei, wobei dies in Bezug auf INPOL in gleicher Weise gilt. Unter dem Aspekt eines effektiven Rechtsschutzes hält die Kammer es daher für geboten, eine Verpflichtung zur (vorläufigen) Löschung auszusprechen,
15vgl. insoweit bereits Beschluss vom 31.08.2010 -20 L 908/10-; a.A. OVG NRW, Beschluss vom 15.10.2012 -16 B 174/12- (beide juris).
16Eine Vorwegnahme der Hauptsache im Sinne einer endgültigen Befriedigung des Anspruchs des Antragstellers ist damit nicht verbunden, weil die fraglichen Dateien jederzeit wieder angelegt werden können.
17Im Übrigen liegen die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO nicht vor.
18Soweit es die restlichen Daten betrifft, die noch Gegenstand des Klageantrags waren, besteht gemäß Urteil vom 23.04.2015 -20 K 3184/14- kein entsprechender Anspruch auf Vernichtung/Löschung und demgemäß auch keiner auf diesbezügliche Sicherung.
19Soweit es darüber hinaus gehend um die Vernichtung aller Daten in der Kriminalakte und die Löschung aller Daten in Dateien des Landes NRW (etwa auch im IGVP) geht –eine diesbezügliche Einschränkung des Begehrens ist hier nicht erfolgt- besteht schon kein Anordnungsgrund. Denn soweit Ansprüche im Hauptsacheverfahren nicht verfolgt werden, besteht keine Notwendigkeit für einstweilige Regelungen.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.
21Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG und entspricht im Hinblick auf die Vorläufigkeit dieses Verfahrens der Hälfte des in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren anzusetzenden Regelstreitwertes.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.