Verwaltungsgericht Köln Beschluss, 24. Okt. 2014 - 19 L 1818/14.A
Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens
1
G r ü n d e:
2Der sinngemäß gestellte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage VG Köln 19 K 5283/14.A gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14. 08. 2014 anzuordnen,
4ist gemäß § 80 VwGO zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
5Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
6Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 –, juris (Nrn. 86, 94 und 99 der Entscheidung)
7besteht die Verpflichtung der Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-VO zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden.
8Das ist der Fall, wenn der Mitgliedstaat die allgemein europaweit vereinbarten Mindeststandards aufgrund von innerstaatlichen systemischen Mängeln des Asylverfahrens und/oder der Aufnahmebedingungen nicht (mehr) gewährleistet bzw. gewährleisten kann. Solches kann namentlich dadurch zum Ausdruck kommen, dass der betreffende Mitgliedsstaat dem betroffenen Ausländer keine ausreichende Chance einräumt, dass sein Schutzgesuch überhaupt ernsthaft geprüft wird, und/oder dass die humanitäre, vor allem wirtschaftliche, gesundheitliche und Wohnungssituation nicht dem Art. 4 der Grundrechte-Charta oder den in einschlägigen Richtlinien des Gemeinschaftsrechts vereinbarten Standards entspricht, so dass letztlich die Gefahr besteht, dass die Betroffenen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden.
9Vgl. insoweit OVG NRW, Beschluss vom 01.03.2012 - 1 B 234/12.A - juris.
10Davon ausgehend überwiegt im Rahmen der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorzunehmenden Interessenabwägung das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung, denn der angefochtene Bescheid begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11Das Bundesamt hat gemäß § 31 Abs. 4 AsylVfG zu Recht festgestellt, dass der Kläger aus einem sicheren Drittstaat i.S.d. § 26a AsylVfG eingereist ist und für ihn deshalb in der Bundesrepublik Deutschland kein Anspruch auf Asylgewährung besteht. Es hat auf der Grundlage von § 34a AsylVfG rechtsfehlerfrei die Abschiebung in diesen sicheren Drittstaat, Bulgarien, anzuordnen.
12Systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber können bezogen auf Bulgarien nicht (mehr) festgestellt werden.
13Zwar kam der UNHCR in einem Bericht vom 02.01.2014 zur Situation von Asylsuchenden und Flüchtlingen (Bulgaria as a country of asylum) noch zu dem Ergebnis, dass Asylsuchenden in Bulgarien die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung aufgrund von systemischen Mängeln bei den Aufnahmebedingungen und dem Asylverfahren drohe.
14In einem Update vom 20.01.2014 (Refugee situation Bulgaria external update) stellte der UNHCR aber bereits fest, dass sich die Anzahl der neuen Asylsuchenden stark verringert habe. Auch hätten sich wohl die Lebensbedingungen aufgrund der Unterstützung des UNHCR verbessert und es gäbe Fortschritte bei der Registrierung von Asylsuchenden.
15In einer Neubewertung der Situation in Bulgarien vom April 2014 (Bulgaria as a country of asylum - UNHCR observations on the current situation of asylum in Bulgaria) hielt der UNHCR dann fest, dass zwar nach wie vor Unzulänglichkeiten im bulgarischen Asylverfahren bestünden, diese jedoch einen generellen Ausschluss von Dublin-Überstellungen nicht länger rechtfertigen würden. In Bezug auf die Registrierung, die Behandlung der Anträge auf internationalen Schutz und die Aufnahmebedingungen seien bedeutende Verbesserungen zu beobachten.
16Vor diesem Hintergrund geht die Kammer davon aus, dass es keine wesentlichen Gründe mehr für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Bulgarien systemische Schwachstellen aufweisen, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechte Charta mit sich bringen.
17So etwa auch VG Würzburg, Beschluss vom 18. August 2014 - W 6 S 14.50098-, VG Ansbach, Urteil vom 10. Juli 2014 - AN 11 K 14.30336 -, VG Berlin, Beschluss vom 1. April 2014 - 23 L 122.13 A -, VG Düsseldorf, Beschluss vom 21. September 2014 - 13 L 1690/14.A -, VG Minden, Beschluss vom 23. September 2014 - 1 L 714/14.A -, VG Bremen, Urteil vom 16. Juli 2014 - 1 K 152/14 -, VG Augsburg, Beschluss vom 25. August 2014 - AU 7 S 14.50199 -, alle juris.
18Die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO, die die Antragsgegnerin zur Prüfung des Asylantrages verpflichten würden, liegen damit nicht vor.
19Eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zum Selbsteintritt ergibt sich auch nicht aus Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO, da Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller zu einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis zählt, bei dem im konkreten Einzelfall zu prüfen wäre, ob die Durchführung seines Asylverfahrens in Bulgarien mit erheblichen Gefahren für Leib und Leben, die einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK befürchten ließe, verbunden ist, nicht erkennbar sind.
20Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b AsylVfG.
21Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.