Verwaltungsgericht Köln Urteil, 09. Mai 2014 - 19 K 4522/13
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d:
2Die am 00.00.2010 geborene Klägerin beantragte am 01.03.2013 durch ihre Mutter bei der Beklagten, ihr einen Betreuungsplatz in einer städtischen Kindertageseinrichtung (Kita) zur Verfügung zu stellen. Ihre Mutter M. E. ist alleinerziehend und lebt vom Kindesvater B. E1. getrennt.
3Mit zwei Bescheiden vom 25.06.2013 stellte die Beklagte der Klägerin zum 01.08.2013 einen Betreuungsplatz in der städtischen Kita Escher Straße 152 zur Verfügung.
4Die Klägerin hat am 24.07.2013 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, sie sei als alleinerziehende Mutter auf einen Betreuungsplatz in einer Kita angewiesen, die näher zu ihrem Wohnort gelegen sei. Als jüdische Einwanderin aus der ehemaligen Sowjetunion habe sie keinen familiären Anschluss in Deutschland. Sie sei allein für das Familienmanagement zuständig. Die Kita in der Escher Straße sei zu weit entfernt. Sie besitze keinen Führerschein, habe keine Fahrraderfahrung und sei nachtblind. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich. Sie werde bereits nach wenigen Stationen mit Bus oder Bahn schwindelig und müsse erbrechen.
5Die Klägerin beantragt,
6die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 25.06.2013 zu verpflichten, ihr zukünftig zum 10.05.2014 eine Betreuung in einer wohnortnahen städtischen Kindertageseinrichtung zur Verfügung zu stellen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie ist der Auffassung, dass sie den Anspruch der Klägerin auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung gem. § 24 Abs. 3 SGB VIII mit Bereitstellung eines Betreuungsplatzes in der Kita Escher Straße 152 erfüllt habe. Die Kita in der Escher Straße sei in zumutbarer Entfernung gelegen. Sie sei vom Wohnort der Klägerin in 25 Minuten zu erreichen. Die Busfahrt dauere lediglich 11 Minuten. Die einfache Wegstrecke betrage lediglich 2,7 km. Die näher zum Wohnort der Klägerin gelegenen Kitas (Weidengasse, Bernhard-Letterhaus-Straße) seien belegt.
10Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- Und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
11E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
12Die Kammer konnte gem. § 102 Abs. 2 VwGO entscheiden, obwohl die Klägerin nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Die Klägerin wurde mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
13Die zulässige Klage ist unbegründet.
14Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung gem. § 24 Abs. 3 SGB VIII mit der Zuweisung eines Betreuungsplatzes in der Kita Escher Straße 152 zum 01.08.2013 erfüllt.
15Die genannte Vorschrift gewährt keinen Anspruch auf einen Betreuungsplatz in einer bestimmten Kita. Die Kita muss lediglich in zumutbarer Entfernung vom Wohnort des Kindes und seiner Eltern gelegen sein. In städtischen Bereichen des Stadtgebiets der Beklagten ist die Grenze der Zumutbarkeit für Eltern und Kind in der Regel überschritten, wenn die Kita in einer Entfernung von mehr als 5 km (Wegstreckenentfernung) vom Wohnort des Kindes gelegen ist. Jenseits der 5 km-Entfernungsgrenze liegende Einrichtungen sind angesichts der im städtischen Bereich bestehenden Verkehrsdichte für das Kind und die Eltern unzumutbar. Bei pauschalierender Betrachtung werden die Fahrzeiten für das Zurücklegen einer Wegstrecke von mehr als 5 km in städtischen Ballungsräumen – insbesondere zu den Hauptverkehrszeiten am Morgen und am frühen Abend – in der Regel das zumutbare Maß überschreiten,
16vgl. Gemeinsames Papier der kommunalen Spitzenverbände und der Landesjugendämter in NRW – Handreichung für die Jugendämter -, S. 4, das für die Erfüllung des Rechtsanspruchs im städtischen Raum die Bereitstellung von Einrichtungen in einer Entfernung von bis zu 5 km empfiehlt.
17Beträgt die Wegstrecke vom Wohnort des Kindes bis zur Kindertageseinrichtung bis zu 5 km, ist es grundsätzlich Sache der Eltern, den Transport ihres Kindes zur Einrichtung in einer für sie und das Kind angemessenen Weise zu organisieren.
18Die Wegstrecke zur Kita Escher Straße 152 liegt unterhalb dieser Wegstreckengrenze. Laut Google.maps beträgt die Wegstrecke zu Fuß 2,3 km, und die Wegstrecke mit dem PKW 2,9 km.
19Besondere Umstände, die zugunsten der Klägerin ein Abweichen von der pauschalierenden Zumutbarkeitsgrenze gebieten, sind nicht gegeben. Die Kita ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln in zumutbarer Zeit zu erreichen. Nach der Fahrplanauskunft der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) beträgt die Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln 25 Minuten mit der Buslinie 127 bei normaler Geh- und Umsteigegeschwindigkeit. Die reine Fahrzeit mit dem Bus beträgt 11 Minuten. Die Zugrundelegung der normalen Geh- und Umsteigegeschwindigkeit ist angemessen, weil die Klägerin bereits das 3. Lebensjahr vollendet hat und nicht mehr zwingend auf einen Kinderwagen angewiesen ist. Nach Angaben der Klägerin ist ihre Mutter aus gesundheitlichen Gründen gehindert, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind aber nur pauschal behauptet. Sie sind nicht durch entsprechende ärztliche Bescheinigungen belegt. Ungeachtet dessen ist es der Mutter der Klägerin auch zuzumuten, die Strecke mit Fahrrad und Kindersitz zurückzulegen. Die Mutter der Klägerin ist gehalten, sich die ihr angeblich fehlende Fahrraderfahrung anzueignen.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn
- 1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder - 2.
die Erziehungsberechtigten - a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind, - b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder - c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.
(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Ein Kind, das das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist in einer Einrichtung oder in Kindertagespflege zu fördern, wenn
- 1.
diese Leistung für seine Entwicklung zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit geboten ist oder - 2.
die Erziehungsberechtigten - a)
einer Erwerbstätigkeit nachgehen, eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder Arbeit suchend sind, - b)
sich in einer beruflichen Bildungsmaßnahme, in der Schulausbildung oder Hochschulausbildung befinden oder - c)
Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Zweiten Buches erhalten.
(2) Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Absatz 1 Satz 3 gilt entsprechend.
(3) Ein Kind, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung. Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben darauf hinzuwirken, dass für diese Altersgruppe ein bedarfsgerechtes Angebot an Ganztagsplätzen zur Verfügung steht. Das Kind kann bei besonderem Bedarf oder ergänzend auch in Kindertagespflege gefördert werden.
(4) Für Kinder im schulpflichtigen Alter ist ein bedarfsgerechtes Angebot in Tageseinrichtungen vorzuhalten. Absatz 1 Satz 3 und Absatz 3 Satz 3 gelten entsprechend.
(5) Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die von ihnen beauftragten Stellen sind verpflichtet, Eltern oder Elternteile, die Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 in Anspruch nehmen wollen, über das Platzangebot im örtlichen Einzugsbereich und die pädagogische Konzeption der Einrichtungen zu informieren und sie bei der Auswahl zu beraten. Landesrecht kann bestimmen, dass die erziehungsberechtigten Personen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder die beauftragte Stelle innerhalb einer bestimmten Frist vor der beabsichtigten Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis setzen.
(6) Weitergehendes Landesrecht bleibt unberührt.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.