Verwaltungsgericht Köln Urteil, 06. Juni 2014 - 14 K 6276/13.A
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das keine Gerichtskosten erhoben werden, trägt der Kläger.
1
Tatbestand
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, tadschikischer Volkszugehörigkeit und – eigenen Angaben nach – nunmehr schiitischen Glaubens. Er reiste am 25. Juni 2013 per Flugzeug aus Athen kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er beantragte am 15. Juli 2013 die Anerkennung als Asylberechtigter.
3In seiner Anhörung am 5. August 2013 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab der Kläger an, er stamme aus Kabul und sei Sunnit. Seine Mutter sei früh gestorben und sein Vater habe dann recht schnell neu geheiratet. Sein einziger leiblicher Bruder sei weggegeben worden. Mit der Stiefmutter und den Stiefgeschwistern habe es Streitigkeiten um das Erbe der Mutter (bzw. des Großvaters mütterlicherseits) gegeben. Die Stiefmutter habe das Land unter ihren Kindern verteilt. Auch sein Vater habe immer wieder Land gekauft und es anschließend unter den Kindern verteilt. Den Kläger habe er dabei stets übergangen. Als er seinen Vater damit konfrontiert habe, sei es zu körperlichen Angriffen durch seine Stiefgeschwister gekommen. In der Folge habe sich das Zusammenleben als schwierig dargestellt. Die Brüder hätten seinem Vater geraten, den Kläger wegzuschicken, weil er nur Probleme bereite. Der Kläger habe dann begonnen in einer Teppichfabrik zu arbeiten; im Jahr 1996 habe er dann seine jetzige Frau (Klägerin zu 1. im Verfahren 14 K 7324/12.A) kennen gelernt. Man habe sich zwar aus Kindertagen bereits gekannt, aber erst 1996 in einander verliebt. Als er seinem Vater gesagt habe, dass er seine jetzige Frau heiraten wolle, habe es wieder Streit mit den Stiefgeschwistern gegeben. Die Brüder hätten Sorge gehabt, dass der Kläger sich nun sein Erbe auszahlen lassen wolle. Sie hätten ihm auch gesagt, als Sunnit könne er ohnehin keine Schiitin heiraten. Von seiner schwierigen familiären Situation habe die Familie seiner jetzigen Frau auch gewusst. Seine Frau sei zudem an ihren Cousin versprochen gewesen. Ihre Familie habe daher einer Hochzeit nicht positiv gegenüber gestanden. Er und seine jetzige Frau hätten sich aber dennoch entschlossen, zu heiraten. Anlässlich der Hochzeit am 14. März 1998 habe es nur eine kleine Feier gegeben; es seien nur ein paar Bekannte da gewesen. Nach der Hochzeit habe man sich dann entschlossen, Afghanistan zu verlassen. Von den Erbstreitigkeiten habe er seiner Frau nur oberflächlich erzählt. Sie seien dann zunächst nach Teheran gegangen und hätten dort eine ganze Zeit gelebt. Ein Jahr nach der Ankunft im Iran habe er seiner Frau zuliebe seinen Glauben gewechselt und sei Schiit geworden. Er habe als Aufsichtsperson in einer großen Gärtnerei gearbeitet. Der Arbeitgeber habe ihnen unentgeltlich ein Haus zur Verfügung gestellt. Seine Frau habe in der Zeit zwei Kinder bekommen. Sein Sohn (N. O. , Kläger im Verfahren 14 K 7325/12.A) sei im Krankenhaus, seine Tochter (S. O. , Klägerin zu 2. im Verfahren 14 K 7324.12. A) zu Hause zur Welt gekommen. Einige Jahre nach der Einreise in den Iran habe seine Frau mit ihrer Mutter Kontakt aufgenommen. Dadurch habe der Cousin seiner Frau, an den diese versprochen gewesen sei, heraus bekommen, wo sie sich aufhielten. Der Cousin sei kein freundlicher Mensch gewesen. Er hätte sich in seine Frau verliebt und habe Rache geschworen, als sie weg gegangen seien. Er habe ein Bild des Klägers dabei gehabt und habe nach ihm gesucht. Ein paar Tage nach seiner Ankunft habe der Cousin dann zusammen mit drei Männern am Gartentor des Hauses gestanden und angeklopft. Der Cousin habe gesagt, der Kläger solle die Tür öffnen, sonst würde etwas passieren. Der Kläger sei dann ins Haus gegangen und habe sich mit seiner Frau besprochen. Man habe dann mit Hilfe des Vermieters das Haus durch den Hintereingang verlassen und sei zunächst im Haus des Vermieters untergekommen. Dort seien sie aus Sicht des Vermieters sicher gewesen. Sie hätten sich dann aber dazu entschlossen, das Land zu verlassen. Der Gartenbesitzer, der ein Teil seines Gehalts einbehalten habe, habe ihnen 5.000 Euro in bar gegeben und den Schlepper bezahlt. Sie seien dann nach Griechenland gegangen. Dort habe er aber keine Arbeit gefunden. Ziel ihrer Reise sei letztlich immer Deutschland gewesen. Nach Afghanistan könnten sie nicht zurück, weil er durch seine Familie keinen Schutz zu erwarten habe und es den Cousin seiner Frau gebe. Außerdem herrsche in Afghanistan Krieg.
4Mit Bescheid vom 16. September 2013 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab (Ziffer 1.) und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 2.) sowie Abschiebungsverbote (Ziffer 3.) nicht vorliegen. Der Kläger wurde zudem unter Androhung seiner Abschiebung nach Afghanistan aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen. Im Falle der Klageerhebung ende die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens (Ziffer 4.). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, die Anerkennung als Asylberechtigter scheide bereits deshalb aus, weil der Kläger über einen sicheren Drittstaat in die Bundesrepublik eingereist sei. Ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bestehe nicht, da die Angaben des Klägers zu seinen Fluchtgründe nicht überzeugen konnten. Insbesondere hätten sich in wichtigen Punkten Differenzen zu den Aussagen seiner Frau (Klägerin zu 1) im Verfahren 14 K 7324/12.A) in deren Anhörung ergeben. Seine Frau habe von den Erbstreitigkeiten in ihrer Anhörung nichts erzählt. Auch zu der Frage, ob seine Frau Kontakt zu ihrer Mutter habe, hätten beide unterschiedliche Angaben gemacht. Das Auftauchen des Cousins im Iran sei ebenfalls nicht deckungsgleich erzählt worden. Der Kläger habe auch die bestehenden Unstimmigkeiten seine Religionszugehörigkeit betreffend nicht ausräumen können. Die Eheleute hätten unterschiedliche Angaben zu ihrem Kennenlernen und der Geburt der Kinder gemacht. Die vorgetragenen Bedrohungen durch die Stiefbrüder seien schließlich auch lediglich zivilrechtlicher Natur gewesen. Anhaltspunkte, die ein Abschiebungsverbot begründen könnten, lägen ebenfalls nicht vor. Insbesondere liege keine individuelle Gefahr infolge eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vor.
5Der Kläger hat am 7. Oktober 2013 Klage erhoben.
6Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, der Streit mit den Stiefbrüdern sei nicht das Schlüsselereignis für das Verlassen des Landes gewesen. Deshalb habe die Ehefrau des Klägers auch in ihrer Anhörung dazu nichts gesagt. Es treffe zu, dass die Ehefrau im Zeitpunkt ihrer Anhörung keinen Kontakt zu ihrer Mutter gehabt habe. Sie stehe erst seit drei Monaten wieder in Kontakt zu ihr. Die Ehefrau habe auch erst kürzlich erfahren, dass ihre Mutter den Aufenthaltsort an den Cousin verraten habe. Der Kläger und seine Ehefrau hätten Afghanistan jedenfalls verlassen, ohne zuvor die Ehe eingegangen zu sein. Der Vater der Ehefrau und ihr Cousin hätten Rache geschworen.
7Nachdem der Kläger zunächst auch die Anerkennung als Asylberechtigten beantragt hatte, reduzierte er seinen Klageantrag in der mündlichen Verhandlung und beantragt nunmehr,
8die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. September 2013 zu verpflichten,
9ihm den Flüchtlingsstatus nach § 3 AsylVfG zuzuerkennen,
10hilfsweise dem Kläger subsidiären Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,
11hilfsweise festzustellen, dass ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegt.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie nimmt zur Begründung im Wesentlichen Bezug auf den angefochtenen Bescheid.
15Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2014 informatorisch zu seinen Fluchtgründen angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Terminsprotokoll verwiesen.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren 14 K 7324/12.A und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2014 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht zum Termin erschienen ist, denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Falle des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Die Beklagte ist form- und fristgerecht mit Empfangsbekenntnis vom 13. Mai 2014 geladen worden.
19Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gemäß § 3 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) oder subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG. Schließlich liegen die Voraussetzungen der nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (AufenthG) nicht vor.
20Der Kläger hat nach der im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG) keinen Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG. Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Demnach muss zunächst eine Verfolgungshandlung gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 AsylVfG durch einen Verfolgungsakteur (§ 3c AsylVfG) vorliegen, die eine Verfolgungsprognose zulässt. Gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten als Verfolgung solche Handlungen, welche aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen. Insbesondere sind dabei Verletzungen der absoluten Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, zu berücksichtigen.
21Vgl. EuGH, Urteile vom 7. November 2013 - Rs. C - 199/12 bis 201/12 -X, Y und Z-, Rn. 51, und vom 5. September 2012 - Rs. C - 71/11 und C - 99/11 -Y und Z-, Rn. 53, zitiert jeweils nach juris.
22Nach Ziffer 2 kann auch eine Kumulation unterschiedlicher Maßnahmen die Qualität einer Verletzungshandlung haben, wenn der Ausländer davon in ähnlicher Weise betroffen ist wie im Falle einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Ziffer 1. Die nach Ziffer 2 zu berücksichtigende Maßnahmen können Menschenrechtsverletzungen sein, aber auch sonstige Diskriminierungen. Die einzelnen Eingriffshandlungen müssen dabei für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzungen aufweisen, in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen nach Ziffer 1 entspricht.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, Rn. 36, zitiert nach juris.
24Die Verfolgungshandlung muss weiter mit einem der Verfolgungsgründe des § 3b AsylVfG verknüpft sein, § 3a Abs. 3 AsylVfG, und es muss an einem effektiven Schutz im Herkunftsland fehlen (§§ 3d, e AsylVfG). Bzgl. der Verfolgungsgründe ist zu beachten, dass gemäß § 28 Abs. 1a AsylVfG auch Nachfluchtgründe insoweit zu berücksichtigen sind. Abschließend dürfen keine Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG vorliegen.
25Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 3a AsylVfG vorliegt, ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifizierungsrichtlinie in der Neufassung vom 13. Dezember 2011 Richtlinie 2011/95/EU -QRL-) ergänzend anzuwenden. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 QRL, der sich mit der Voraussetzung, dass der Antragsteller „tatsächlich Gefahr läuft“, an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zur tatsächlichen Gefahr („real risk“) orientiert,
26vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 Nr. 37201/06 - Saadi - NVwZ 2008, 1330,
27und somit der Sache nach den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit übernimmt.
28Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, Rn. 19, 32, zitiert nach juris.
29Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann.
30Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, Rn. 36, zitiert nach juris.
31Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten normiert Art. 4 Abs. 4 QRL eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftendenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen.
32Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, Rn. 20 ff. m.w.N., zitiert nach juris.
33Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
34Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 - 10 C 24.08 -, Rn. 14, m.w.N., zitiert nach juris.
35Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist daran festzuhalten, dass er dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern hat, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden,
36Vgl. zu Art. 16a GG: BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 -, InfAuslR 1989, 349, vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38 (39), und vom 3. August 1990 - 9 B 45.90 -, InfAuslR 1990, 344.
37Dies zugrundegelegt, sind die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylVfG zur Überzeugung des Gerichts im Fall des Klägers nicht erfüllt. Der Kläger befindet sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Heimatlandes. Selbst wenn der Vortrag des Klägers zu den Streitigkeiten über die Ländereien mit seinen Stiefbrüdern und die vorgetragene Verfolgung durch den Cousin seiner Frau glaubhaft wäre, würde sich daraus kein flüchtlingsrelevantes Merkmal ergeben. Selbst bei Wahrunterstellung der insoweit geschilderten Bedrohungen durch seine Familie als nichtstaatliche Akteure handelte es sich um bloße kriminelle Handlungen, die allein durch das familiäre Zusammenleben bedingt gewesen wären. Sie knüpften nicht an eine Gruppenzugehörigkeit oder eine politische Überzeugung an. Dies gilt entsprechend für die vorgetragene Bedrohung durch den Cousin seiner Ehefrau. Selbst dann, wenn das Vorbringen diesbezüglich insgesamt als wahr unterstellt wird, folgt daraus jedenfalls keine flüchtlingsrelevante Verfolgung des Klägers. Die geschilderte Bedrohung knüpft in Bezug auf den Kläger nicht an flüchtlingserhebliche Merkmale im o. g. Sinne an. Der Kläger wurde – wenn überhaupt – als Ehemann der Auserwählten bedroht. Diese Bedrohungen wurden nicht ausgesprochen, weil den Kläger eine politische Überzeugung, eine religiöse Grundentscheidung oder sonst unverfügbare Merkmale, wie etwa die Rasse oder Nationalität, prägen. Er wurde schließlich auch nicht bedroht, weil er aufgrund unverfügbarer Merkmale einer bestimmten sozialen Gruppe angehört. Die Bedrohungen waren – sollten sie stattgefunden haben – vielmehr krimineller Natur ohne flüchtlingserheblichen Bezug.
38Ein flüchtlingsrelevantes Verfolgungsschicksal wird schließlich auch nicht durch den Glaubenswechsel vom sunnitischen zum schiitischen Glauben begründet. Selbst wenn der Glaubenswechsel, zu dessen Umständen der Kläger in der mündlichen Verhandlung noch weiter vorgetragen hat, als wahr unterstellt wird, ist dies bereits kein Grund gewesen, der zur Flucht aus Afghanistan geführt hat. Der Glaubenswechsel hat nämlich bereits nach dem Vortrag des Klägers erst im Iran stattgefunden. Wie § 28 Abs. 1a AsylVfG ausdrücklich hervorhebt, kann die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG zwar auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Antragsteller das Herkunftsland verlassen hat und zwar auch auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen seines Herkunftslandes, wobei dies im Regelfall („insbesondere“) dann anzunehmen ist, wenn diese Aktivitäten Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland betätigten Überzeugung oder Ausrichtung sind. Es ist bekannt, dass die Mehrheitsbevölkerung im Iran schiitischen Glaubens ist. Es liegt daher nahe, dass das Motiv des Klägers für seinen Glaubenswechsel eine Anpassung an die iranische Mehrheitsbevölkerung bzw. Kultur war, um sich besser in die iranische Gesellschaft integrieren zu können. Da die Lage der afghanischen Flüchtlinge im Iran schwierig ist und diese sich – wie wohl auch der Kläger – gewaltsamen Übergriffe der einheimischen Bevölkerung ausgesetzt sehen,
39vgl. z.B. Auswärtiges Amt, Lagebericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran v. 8.10.2012, Seite 37,
40ist der Anpassungsdruck für Flüchtlinge sehr hoch.
41Selbst wenn aber an dieser Stelle zu Gunsten des Klägers unterstellt wird, dass sich der Wunsch zur Konversion bereits in seinem Herkunftsland gebildet hat und familiären Ursprungs ist, ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass sich aus der Konversion eine unmittelbare Gefährdung des Klägers ergibt. Ist der Schutzsuchende - wie hier - nicht bereits wegen seiner Religion verfolgt oder unmittelbar mit Verfolgung bedroht worden, muss er glaubhaft machen, dass ihm wegen seiner Religionsausübung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr von Verfolgung droht, wenn er in sein Heimatland zurückkehrt. Entscheidend ist insoweit, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Betroffenen nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint.
42Vgl. OVG NRW, Urteil vom 07. November 2012 – 13 A 1999/07.A –, zitiert nach juris
43Dies ist hier nicht anzunehmen. Es gibt bereits keine Erkenntnisse darüber, dass zum schiitischen Glauben konvertierten Muslimen in Afghanistan allein auf Grund des Glaubensübertritts eine Verfolgung droht. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, wie die Konversion des Klägers zum schiitischen Glauben in einer Millionenstadt wie Kabul bekannt werden soll. Der Kläger ist seit nunmehr 18 Jahren nicht in Kabul gewesen. Dass sich jemand an seine frühere Glaubensrichtung erinnert und ihn deshalb individuell verfolgen wird, wenn er nunmehr seinen schiitischen Glauben ausübt, ist schlichtweg unwahrscheinlich. Dass er wegen seines Glaubenswechsels Repressalien von Seiten seiner Familie befürchten muss, denen er sich auch nicht entziehen kann, hat der Kläger in diesem Zusammenhang bereits nicht vorgetragen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr in die Millionenstadt Kabul mit einem jederzeitigen Verfolgungseintritt durch seine Familie rechnen muss; die Ausführungen beim Bundesamt hinsichtlich der Erbstreitigkeiten deuten vielmehr darauf hin, dass seine Stiefbrüder ihn wegen der Streitigkeiten um das Land einfach loswerden wollten.
44Schließlich kann sich auch aus der – erstmals im Rahmen der informatorischen Befragung vorgetragenen – Todesdrohung von Seiten der Familie des Klägers für den Fall, dass er eine Schiitin heirate, keine flüchtlingsrelevante Bedrohung ergeben. Diesbezüglich bestehen vor allem Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vortrags, weil der Kläger dergleichen beim Bundesamt im Rahmen seines umfangreichen und detaillierten Vortrags nicht erwähnt hat. Zwar hat er mehrfach erklärt, seine Familie sei mit der Heirat nicht einverstanden gewesen. Dass sie ihn aber auch mit dem Tode bedroht hätten, hat er vor dem Bundesamt nicht erwähnt. Auch die Klageschrift enthält hierzu keine Ausführungen. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass es sich bei einer Todesdrohung durch die eigene Familie um ein einschneidendes Ereignis handelt, nicht nachvollziehbar. Soweit der Kläger im Rahmen der informatorischen Befragung bei Gericht diesbezüglich angegeben hat, ihm sei es bei der Anhörung nicht gut gegangen, vermag auch dies die Zweifel nicht zu beseitigen. Angesichts des ansonsten umfangreichen und sehr detaillierten Vortrags beim Bundesamt ist es nicht plausibel, warum der Kläger aus Erschöpfung oder Unwohlsein gerade zu den Bedrohungen nichts gesagt haben will. Der ansonsten umfangreiche Vortrag im Rahmen der informatorischen Anhörung bei Gericht blieb diesbezüglich zudem auffällig vage und oberflächlich. Er begnügte sich mit der Aussage, seine Familie habe gedroht, ihn zu töten, falls er eine Schiitin heirate. Damit ist letztlich nicht belegt, dass seine Familie ihn auch heute, 18 Jahre später, noch mit dem Tod bedrohen würde, weil er damals eine Schiitin geheiratet hat. Immerhin hat es schon damals, als der Kläger noch in Afghanistan lebte und von der bevorstehenden Hochzeit berichtete, und auch nach der angeblichen Hochzeit keine damit begründeten Übergriffe von Seiten seiner Familie gegeben. Nachdem in der Klageschrift ausgeführt wurde, es stehe fest, dass der Kläger und seine Frau ohne die Ehe eingegangen zu sein, das Land verlassen hätten, ist auch zweifelhaft, ob es die vorgetragene Trauung überhaupt gegeben hat. Schließlich ist nicht anzunehmen, dass der Kläger und seine Familie in einem Stadtviertel der Millionenstadt Kabul entdeckt werden können. Angesichts des gerichtsbekannten und allgemeinkundigen Fehlens eines funktionierenden Meldewesens in Afghanistan besteht bei Ausreise keine beachtlich wahrscheinliche Gefährdung.
45Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG. Danach ist ein Ausländer ein subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylVfG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG). Die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schaden muss von einem Verfolgungsakteur i.S.d. §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3c AsylVfG ausgehen.
46Für die Feststellung, ob ein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 AsylVfG vorliegt, ist Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifizierungsrichtlinie in der Neufassung vom 13. Dezember 2011 Richtlinie 2011/95/EU -QRL-) ergänzend anzuwenden. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Die Vorschrift privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 QRL, der sich mit der Voraussetzung, dass der Antragsteller „tatsächlich Gefahr läuft“, an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zur tatsächlichen Gefahr („real risk“) orientiert,
47vgl. EGMR, Urteil vom 28. Februar 2008 Nr. 37201/06 - Saadi - NVwZ 2008, 1330,
48und somit der Sache nach den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit übernimmt.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12 -, Rn. 19, 32, zitiert nach juris.
50Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung bzw. den Eintritts eines Schadens sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung oder dem Eintritt eines Schadens hervorgerufen werden kann.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 C 23.12-, Rn. 32, m.w.N., zitiert nach juris.
52Zur Privilegierung des Vorverfolgten bzw. in anderer Weise Geschädigten normiert Art. 4 Abs. 4 QRL eine tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftendenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen.
53Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, Rn. 20 ff., m.w.N., zitiert nach juris.
54Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 - 10 C 24.08 -, Rn. 14, m.w.N., zitiert nach juris.
56Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor Verfolgung oder anderweitigem Schaden schlüssig vorzutragen. Er ist daran festzuhalten, dass er dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern hat, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Bei der Bewertung der Stimmigkeit des Sachverhalts müssen u.a. Persönlichkeitsstruktur, Wissensstand und Herkunft des Ausländers berücksichtigt werden.
57Vgl. zu Art. 16a GG: BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1989 -9 B 239.89 -, InfAuslR 1989, 349, vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, InfAuslR 1990, 38 (39), und vom 3. August 1990 - 9 B 45.90 -, InfAuslR 1990, 344.
58Dem Antragsteller muss es weiterhin an einem effektiven Schutz im Herkunftsstaat fehlen, §§ 4 Abs. 3 Satz 1, 3d, 3e AsylVfG und es dürfen keine Ausschlussgründe (§ 4 Abs. 2 AsylVfG) vorliegen. Der Verweis auf einen effektiven Schutz in einem anderen Teil des Herkunftslandes setzt jedenfalls voraus, dass von dem Ausländer vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Zur Frage, wann von ihm „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, wird vorausgesetzt, dass der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet ist.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 19 f.; Beschluss vom 14. November 2012 - 10 B 22.12 -, Rn. 9, Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, jeweils zitiert nach juris.
60Dem Kläger steht kein subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 AsylVfG zu. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger wegen einer Straftat gesucht wird und bei seiner Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr einer Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe besteht, kann schon seinem eigenen Vorbringen im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt nicht entnommen werden.
61Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG liegen ebenfalls nicht vor. Danach gilt Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung als ein ernsthafter Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. In diesem Zusammenhang ist vor allem Art. 3 EMRK sowie die Rechtsprechung des EGMR zu berücksichtigen.
62Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C - 465/07 -Elgafaji-, Rn. 28; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 -10 C 15.12 -, unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte der zugrunde liegenden Richtlinienregelung des Art. 15 lit. b QRL, Rn. 22, jeweils zitiert nach juris.
63Bestehen danach ernsthafte und stichhaltige Gründe, dass der Ausländer im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Heimatland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden, ergibt sich hieraus die Verpflichtung, Person nicht in dieses Land abzuschieben.
64Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss dabei jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den Schutzbereich des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG i.V.m. Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird.
65Vgl. Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage 2011, § 60 AufenthG Rn. 35.
66Dies gilt gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3 c Nr. 3 AsylVfG auch dann, wenn die Leiden von nichtstaatlichen Akteuren zugefügt werden und kein ausreichender staatlicher oder quasistaatlicher Schutz zur Verfügung steht.
67Daran gemessen hat der Kläger hier auch keine Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure vorgetragen, die das o.g. Maß erreicht. Selbst bei Wahrunterstellung des Vortrags über die Erbstreitigkeiten mit seiner Familie liegt damit keine menschenrechtswidrige Behandlung vor. Es handelt sich um einen gewöhnlichen Familienstreit. Soweit sich der Kläger darüber hinaus darauf beruft, seine Frau sei in Afghanistan an ihren Cousin versprochen worden, handelt es sich, wenn überhaupt, um eine Bedrohung seiner Ehefrau und nicht um eine Schlechtbehandlung des Klägers selbst. Auf eine Bedrohung seiner Frau durch deren Familie kann sich der Kläger nicht berufen. Dasselbe gilt für eine angeblich drohende Steinigung der Ehefrau wegen ihrer Flucht bzw. der „unehelichen“ Kinder.
68Die übrige vorgetragene Schlechtbehandlung des Klägers als Afghane im Iran durch die dortige Bevölkerung ist bereits vom Sachvortrag nicht geeignet, eine flüchtlingsrelevante Bedrohung iS.d. § 4 AsylVfG zu begründen.
69Soweit der Kläger vorgetragen hat, er und seine Frau seien von dem Cousin, an den die Ehefrau versprochen worden war, im Iran aufgespürt worden, ist auch damit keine fluchtauslösende Bedrohung geltend gemacht worden. Soweit dieser Umstand einen Nachfluchttatbestand begründen kann, fehlt es zudem ebenfalls an einer Gefährdung, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss.
70Der diesbezügliche Vortrag ist auch nach der informellen Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft. Die Widersprüche zu den Angaben der Ehefrau in deren Anhörung beim Bundesamt lassen weiterhin daran zweifeln, dass der Kläger das Geschehen selbst erlebt hat. An ein derartiges Erlebnis hätte sich seine Frau bei ihrer Anhörung erinnern müssen, vor allem vor dem Hintergrund, dass die Familie angeblich plötzlich nach über 10jährigem Aufenthalt im Iran das Land verlassen musste. Der diesbezügliche Vortrag der Ehefrau, während der Anhörung sei es ihr nicht gut gegangen, verhilft nicht über die Widersprüche hinweg. Dies gilt vor allem deshalb, weil die Ehefrau auch ansonsten umfangreiche Ausführungen gemacht hat. Auch der Umstand, dass die Ehefrau im Rahmen ihrer informatorischen Befragung bei Gericht den Vortrag ihres Mannes nunmehr weitgehend bestätigt hat, kann nicht zur Glaubhaftigkeit des Vortrags führen. Das Gericht kann sich diesbezüglich des Eindrucks eines verfahrensangepassten Vortrags nicht erwehren. Ungeachtet dessen haben der Kläger und seine Ehefrau aber auch erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass der Cousin sie vor dem Gartentor mit dem Tod bedroht hätte. Auch insoweit ist nicht nachvollziehbar, warum der Kläger (und seine Frau) dies nicht bereits beim Bundesamt erwähnt hat (haben). Der Kläger hat in seiner Anhörung lediglich vorgetragen, der Cousin hätte am Zaun gestanden und habe den Einlass begehrt, sonst würde „etwas passieren“. Zu den Bedrohungen wurden auch in keiner der beiden Klageschriften Ausführungen gemacht. Vielmehr wird in der Klagebegründung der Ehefrau des Klägers ausdrücklich ausgeführt, dass sie zu keinem Zeitpunkt erklärt habe, dass der Cousin in den Iran gekommen sei, um ihr Gewalt anzutun. Sie habe lediglich erklärt, dass der Cousin herausgefunden habe, wo sie im Iran lebe. Dass sich sowohl der Kläger als auch seine Ehefrau nunmehr erst bei der Anhörung durch das Gericht daran erinnert haben wollen, dass der Cousin sie mit dem Tod bedroht haben will, ist unwahrscheinlich. Selbst wenn aber auch an dieser Stelle als wahr unterstellt wird, dass der Cousin Todesdrohungen ausgesprochen hat, hat es zumindest nach dem Vortrag des Klägers im weiteren Verlauf keine Übergriffe gegeben, obwohl der Cousin nach den eigenen Angaben des Klägers durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, in das Haus zu gelangen, wenn er ihnen wirklich hätte etwas antun wollen. Der Kläger und seine Familie haben vielmehr noch zwei Stunden im Haus auf den Vermieter warten können, ohne dass in der Zwischenzeit etwas passiert wäre. Dass nun der Kläger für seine Person im Fall einer Rückkehr nach Kabul ohne Weiteres mit einer jederzeitigen Bedrohung durch den Cousin rechnen muss, ist danach nicht ersichtlich.
71Auch aus den allgemeinen humanitären Verhältnissen in Afghanistan/Kabul folgt keine Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylVfG i.V.m. Art. 3 EMRK. Ausländer können kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten nicht, Fortschritte in der Medizin sowie Unterschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen.
72Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 23; EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008 Nr. 2656505, N./Vereinigtes Königreich, NVwZ 2008, 1334, und Beschluss vom 25. Oktober 2012 - 10 B 16.12 -, Rn. 8, jeweils zitiert nach juris.
73Diese Rechtsprechung des BVerwG steht auch nicht in Widerspruch zur Entscheidung der Großen Kammer des EGMR,
74vgl. Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09 - M.S.S. ./. Belgien und Griechenland, NVwZ 2011, 413,
75da diese Entscheidung keine Feststellung hinsichtlich der für alle Menschen gleich geltenden Mindeststandards einer Behandlung im Herkunftsland trifft, sondern allein den Schutz der Menschenwürde von Personen betrifft, die - in einem ihnen insgesamt fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und behördlicher Gleichgültigkeit gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden.
76So auch BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 24, und Beschluss vom 25. Oktober 2012 - 10 B 16.12 -, Rn. 9, jeweils zitiert nach juris.
77Demnach können nur in ganz außergewöhnlichen Fällen schlechte humanitäre Verhältnisse für sich isoliert zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen. In Bezug auf Afghanistan ist unter Einbeziehung der vorliegenden Erkenntnismittel nicht davon auszugehen, dass diese Schwelle überschritten ist.
78Vgl. EGMR, Urteil vom 13. Oktober 2011 - Nr. 10611/09, Husseini/Schweden -; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 26, zitiert nach juris.
79Dabei geht die Kammer bezüglich Kabul als demjenigen Ort, an dem eine Abschiebung enden würde, davon aus, dass Rückkehrer dort durch Gelegenheitsarbeiten jedenfalls ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten.
80Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Juli 2013 - A 11 S 697/13 -, Rn. 84, 105 ff. unter Auswertung der vorliegenden Erkenntnismittel, zitiert nach juris.
81Geht man von dieser Annahme aus, so verstößt eine Abschiebung des Klägers nach Afghanistan/Kabul nicht gegen Art. 3 EMRK.
82Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 27, zitiert nach juris.
83Der Kammer liegen insoweit keine aktuelleren Erkenntnisse vor, die auf eine deutliche Verschlechterung der humanitären Bedingungen in Kabul schließen lassen.
84Ebenfalls hat der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG. Danach ist von einem ersthaften Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auszugehen, wenn für den Ausländer eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts besteht. Die Schutzgewährung greift auch dann ein, wenn sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt nur auf ein Teil des Staatsgebietes erstreckt.
85Vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 12, und vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, jeweils zitiert nach juris.
86Besteht ein bewaffneter Konflikt mit einem solchen Gefahrengrad nicht landesweit, ist bzgl. der anzustellenden Gefahrenprognose auf den Zielort der Abschiebung abzustellen. Dabei kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Vielmehr ist in der Regel auf die Herkunftsregion des Klägers abzustellen, in die er typischerweise zurückkehrt wird. Ein Abweichen von dieser Regel kann jedenfalls nicht damit begründet werden, dass dem Ausländer in der Herkunftsregion die Gefahren drohen, vor denen § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG ihm Schutz gewähren soll.
87Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 13, zitiert nach juris; Beschluss vom 14. November 2012 - 10 B 22.12 -; zur Frage der „tatsächlichen Zielregion“ Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW, Beschluss vom 15. Oktober 2012 - 13 A 2010/12.A -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -.
88Allerdings ist dann nicht auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit der Absicht niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben.
89Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 14, zitiert nach juris.
90Der Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist in Bezug auf seinen Regelungszusammenhangs dahingehend auszulegen, dass eine Situation vorliegen muss, in der die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder in der zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen.
91Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C - 285/12 -Diakite- Rn. 35, zitiert nach juris.
92Eine Orientierung an Regelungen des Humanitären Völkerrechts,
93so noch BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O. und vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360 (bereits einschränkend, wenn eine solche Orientierung dem Zweck der Schutzgewährung von Zivilpersonen entgegensteht),
94scheidet aus, da das Humanitäre Völkerrecht andere Regelungszwecke beinhaltet. Das Humanitäre Völkerrecht richtet sich an die Konfliktparteien, Schutzvorschriften im Kriegsgebiet zu beachten. Bei § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG geht es um den Schutzbedarf des Einzelnen im Aufnahmeland. Dieser Zweckvergleich wird auch durch die mangelnde Begriffskongruenz bestätigt.
95Vgl. EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - Rs. C - 285/12 - Diakite- Rn. 20 ff., zitiert nach juris.
96Damit sind bei der Ermittlung des erforderlichen Niveaus willkürlicher Gewalt in einem bestimmten Gebiet alle Gewaltakte der Konfliktparteien zu berücksichtigen, durch die Leib oder Leben von Zivilpersonen wahllos und unbeachtet ihrer persönlichen Situation verletzt werden („willkürlich“).
97Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C - 465/07 -Elgafaji-, Rn. 43, zitiert nach juris; BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 -, BVerwGE 134, 188; Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O.
98Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich auch eine allgemeine Gefahr, die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Personen ausgeht, individuell so verdichten kann, dass sie die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG erfüllt.
99Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -.
100Nach der Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG kann eine solche individuelle Verdichtung ausnahmsweise dann angenommen werde, wenn der den bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr allein durch ihre Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Dies ist der Fall, wenn praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Hierfür sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt bzw. zu der sogenannten Gefahrendichte erforderlich, d.h. eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Hierzu gehört auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann.
101Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C - 465/07 -Elgafaji-, Rn. 35, zitiert nach juris; BVerwG, vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, BVerwGE 136, 360; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -.
102Eine weitere Verdichtung bzw. Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann sich aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören solche persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen sei, sich nahe an der Gefahrenquelle aufzuhalten. Es können aber auch persönliche Umstände sein, aufgrund derer der Antragsteller als Zielperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt.
103Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C - 465/07 -Elgafaji-, Rn. 39, zitiert nach juris.
104Ob die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllt sind, ist aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinn der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden.
105Vgl. zu diesen Kriterien auch Bayerischer VGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - 13a B 10.30394 -, Rn. 20 ff.; zitiert nach juris.
106Diese Voraussetzungen zu Grunde gelegt kann für den Kläger bezogen auf seine Herkunftsregion Kabul nicht von einer individuellen Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstattlichen bewaffneten Konflikts ausgegangen werden. Aufgrund der insoweit übereinstimmenden Erkenntnislage und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung,
107vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 01. April 2014 - 13 A 2565/12.A -, vom 21. Februar 2013 - 13 A 1411/12.A -, vom 13. Februar 2013 - 13 A 1524/12.A -, vom 7. Februar 2013 - 13 A 2871/12.A -, vom 18. Januar 2013 - 13 A 2382/12.A -, alle zitiert nach juris; vom 9. Januar 2013 - 13 A 1057/12.A - und - 13 A 1610/11.A -, n.v.; Hessischer VGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - 8 A 119/12.A -, Rn. 37ff.; Sächsisches OVG, Urteil vom 10. Oktober 2013 - A 1 A 474/09 -; Bayerischer VGH, Beschluss vom 23. September 2013 - 13a ZB 13.30256 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 - A 11 S 3177/11 -, jeweils zitiert nach juris,
108geht die Kammer davon aus, dass der Kläger in Kabul nicht einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylVfG ausgesetzt wäre,
109vgl. auch Urteile der Kammer vom 25. Februar 2014 - 14 K 9684/12.A -, vom 30. Juli 2013 - 14 K 7173/11.A - und vom 3. Juli 2012 - 14 K 4355/11.A -, n.v.
110Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf die hilfsweise geltend gemachte Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG.
111Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der EMRK unzulässig ist. Dabei ist zu beachten, dass die Berücksichtigung des Art. 3 EMRK im Rahmen des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG nicht dazu führt, dass § 60 Abs. 5 AufenthG insoweit verdrängt wird.
112Vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, Rn. 34 ff., und vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, Rn.24, jeweils zitiert nach juris.
113Dennoch scheidet in Fällen, in denen - wie hier - gleichzeitig über die Gewährung unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsschutzes zu entscheiden ist, allerdings bei Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 2 AsylVfG regelmäßig aus denselben tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Art. 3 EMRK aus. Weitere Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht ersichtlich.
114Schließlich liegen die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst grundsätzlich nur einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen, da bei allgemeinen Gefahren gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 60a AufenthG über die Gewährung von Abschiebungsschutz im Wege politischer Leitentscheidungen entschieden werden soll (Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Grundsätzlich sind das Bundesamt und die Verwaltungsgerichte an diese gesetzgeberische Kompetenzentscheidung gebunden. Sie dürfen Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe angehören, für die aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, nur dann im Einzelfall ausnahmsweise Schutz vor einer Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 AufenthG zusprechen, wenn eine Abschiebung Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG verletzen würde. Dies ist nach der Rechtsprechung des BVerwG nur dann der Fall, wenn der Ausländer im Zielstaat der Abschiebung einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, die landesweit besteht oder der der Ausländer nicht ausweichen kann.
115Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 2.01 -, BVerwGE 114, 379.
116Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde”. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren.
117Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - Rn. 38 unter Hinweis auf die st. Rspr., zitiert nach juris.
118Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde.
119So BVerwG, Urteile vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, NVwZ 2011, 48, 49, und vom 29. September 2011 - 10 C 24.10 -, zitiert nach juris.
120Dies vorangestellt ist nicht davon auszugehen, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit hoher Wahrscheinlichkeit eine extreme Gefahrenlage droht.
121Dies ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger wegen des durch Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Schutzes von Ehe und Familie nur gemeinsam mit seiner Ehefrau (Klägerin zu 1. im Verfahren 14 K 7324/12.A) und den Kinder (Klägerin zu 2. im Verfahren 14 K 7324/12.A und (Kläger im Verfahren 14 K 7325/12.A) nach Afghanistan zurückkehren kann. Für die Beurteilung der Rückkehrsituation sind zwar grundsätzlich alle Familienmitglieder gemeinsam in den Blick zu nehmen.
122Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. August 1993 - 9 C 7/93 -, zitiert nach juris.
123Bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles kann aber nicht angenommen werden, dass die Familie mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach ihrer Rückkehr in ihr Heimatland in eine lebensbedrohliche Lage gerät, aus der sie sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann.
124Es ist zwar nicht davon auszugehen, dass der Kläger und seine Familie im Falle der Rückkehr auf Unterstützung – zumindest durch die engsten Familienmitglieder – hoffen können. Aber auch ohne Hilfe durch die Verwandtschaft wird die vierköpfige Familie in Afghanistan überleben können. Der Kläger hat sich bereits auf dem afghanischen Arbeitsmarkt behauptet und auch im Iran offenbar über eine gute Stellung verfügt, die das Überleben der vierköpfigen Familie über 10 Jahre sicherstellen konnte und genug Ersparnisse zurückbehalten ließ, die eine anschließende Flucht unter Mitnahme von 5.000 Euro (sic!) sicherstellen konnten. Es wird dem Kläger daher trotz seines längeren Aufenthaltes außer Landes voraussichtlich möglich sein, eine existenzsichernde Erwerbsmöglichkeit für seine Familie in Kabul auch ohne familiäre Unterstützung zu finden. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass es unter den herrschenden Bedingungen nicht einfach sein dürfte, die vierköpfige Familie mit dem Nötigsten zu versorgen. Mangelernährung, unzureichende Wohnverhältnisse und eine schwierige Arbeitssuche führen jedoch noch nicht „alsbald“ zu einer Extremgefahr.
125Vgl. Bayrischer VGH, Urteil vom 03. Februar 2011 – 13a B 10.30394 –, zitiert nach juris.
126Bei den Kindern handelt es sich auch nicht mehr um Kleinstkinder, für die die bedrohliche Gesundheits- und Versorgungslage in Afghanistan mit höchster Kindersterblichkeit und vielfach ungesichertem Zugang selbst zu sauberem Trinkwasser eine extreme Gefahr darstellt. Der Familie ist eine Rückkehr nach Kabul daher zumutbar.
127Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen und auch entsprechende Bescheinigungen vorgelegt hat, dass seine beiden Kinder hier zur Schule gehen, er mit Hilfe eines Ein-Euro-Jobs zum Lebensunterhalt der Familie beiträgt und auch im Übrigen beachtliche Integrationsbemühungen zeigt, kann dies im vorliegenden Verfahren keine andere Bewertung rechtfertigen. Die Regelung in § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG erfasst nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind. Nur diese darf das Bundesamt in seiner Entscheidung berücksichtigen. Für die Durchführung der Abschiebung und für die Entscheidung über alle inlandsbezogenen und sonstigen tatsächlichen Vollstreckungshindernisse sowie über Ansprüche auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis (zum Beispiel aus humanitären Gründen) ist hingegen die Ausländerbehörde zuständig.
128Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
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Annotations
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.