Verwaltungsgericht Köln Urteil, 10. Feb. 2015 - 14 K 5863/14.A
Gericht
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Oktober 2014 wird aufgehoben.
Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
1
Tatbestand
2Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, Schiit und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er reiste am 8. August 2014 in der Bundesrepublik Deutschland ein.
3Bei seiner Ankunft gab er an, am 00.00.0000 (00.00.0000 nach dem afghanischen Kalender) geboren – mithin minderjährig – zu sein. Am 11. August 2014 erfolgte im Rahmen einer Beweismittelerhebung im Sinne des § 21 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) durch das Jugend- und Sozialamt der Stadt Frankfurt am Main (Clearingstelle) die Feststellung, dass nach dem äußeren Erscheinungsbild, dem Verhalten der Person und den weiteren Umständen nicht davon auszugehen sei, dass die Altersangabe den tatsächlichen Verhältnissen entspreche. Daraufhin wurde – unter Bezugnahme auf den Erlass des Hessischen Innenministeriums vom 18. September 2002 – das Geburtsdatum fiktiv auf „volljährig“ festgelegt. Zugleich erfolgte gemäß § 42 SGB des Achten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) die Inobhutnahme des Klägers.
4Am 18. August 2014 stellte der Kläger einen Asylantrag und wurde am gleichen Tag zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens (Dublin-Verfahren) angehört. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nahm als Geburtsdatum den 13. Juni 1996 an, ohne dass eigene Erkenntnisermittlungen den Verwaltungsvorgängen zu entnehmen sind. Im Rahmen der Anhörung teilte der Kläger mit, dass er in seinem ersten Lebensjahr Afghanistan in Richtung Iran verlassen habe. Im Februar 2014 habe er Iran verlassen und sei über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich in die Bundesrepublik eingereist. Weiter gab er an, dass sich keine Verwandte in einem sogenannten „Dublin-Mitgliedstaat“ aufhalten würden.
5Unter dem 9. Oktober 2014 bat die Beklagte Ungarn um Übernahme des Asylverfahrens. Am 18. Oktober 2014 stimmte Ungarn zu.
6Daraufhin erließ die Beklagte am 20. Oktober 2014 einen Bescheid, mit dem sie den Asylantrag des Klägers als unzulässig ablehnte und die Abschiebung nach Ungarn anordnete. Zur Begründung wurde ausgeführt, Ungarn sei nach Art. 18 Abs. 1b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Verordnung (EU) Nr. 604/2013) – sog. Dublin III VO - für die Behandlung des Asylantrags zuständig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die einen Selbsteintritt begründen könnten, lägen nicht vor. Insbesondere gebe es in Ungarn keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH). Der Bescheid wurde dem Kläger am 22. Oktober 2014 zugestellt.
7Der Kläger hat am 24. Oktober 2014 Klage erhoben und einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gestellt, dem mit Beschluss vom 10. November 2014 (14 L 2019/14.A) stattgegeben wurde.
8Zur Begründung führte er aus, sein Geburtsdatum sei willkürlich zu seinen Lasten geändert worden. Die Entscheidung der Beklagten verstoße gegen die Entscheidung des EuGH vom 6. Juni 2013 – C-648/11 –, wonach derjenige Mitgliedstaat zuständig sei, in dem ein unbegleiteter Minderjährigen den Asylantrag gestellt hat, wenn sich kein relevantes Familienmitglied in einem anderen „Dublin-Mitgliedstaat“ aufhält. Weiter sei bzgl. Ungarn von systemischen Mängeln auszugehen. Der Kläger leide unter einer akuten Depression und einer Darmlähmung bzw. einem Darmverschluss.
9Der Kläger beantragt,
10den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2014 – 0000000-000 –, zugestellt am 22. Oktober 2014, aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt,
12die Anträge abzulehnen.
13Zur Begründung verweist sie auf die angefochtene Entscheidung.
14Die Beteiligten haben auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte im hiesigen Verfahren sowie im Verfahren 14 L 2019/14.A und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe
17Das Gericht konnte nach Einverständnis der Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichten, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
18Die Klage ist zulässig und unbegründet.
19Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Bescheids vom 20. Oktober 2014, in welchem die Beklagte seinen Asylantrag gemäß § 27a Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) als unzulässig abgelehnt hat. Für die Erhebung einer vorrangigen Verpflichtungsklage – gerichtet auf das eigentliche Rechtsschutzziel des Klägers, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen – besteht kein Raum.
20Vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 K 1721/13 –; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –; OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. August 2012 – 4 MC 133/12 –, zitiert jeweils nach juris.
21Im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheids ist daher das Asylverfahren durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen.
22Die Klage ist begründet, da der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
23Die Beklagte lehnte den Asylantrag des Klägers ab und ordnete unter Bezugnahme auf §§ 34a Abs. 1 Satz 1, 27a AsylVfG die Abschiebung nach Ungarn an. Diese Entscheidung ist rechtswidrig.
24So führte der Einzelrichter der Kammer bereits im zugehörigen (14 L 2019/14.A) aus:
25„Dabei durfte diese Entscheidung schon deshalb nicht ergehen, weil die Bundesrepublik Deutschland zum insoweit materiell-rechtlich maßgebenden Zeitpunkt der Asylantragstellung gem. Art. 8 Abs. 4 Dublin III VO selbst für die Entscheidung über den im Bundesgebiet gestellten Asylantrag des Antragstellers zuständig war bzw. weiterhin zuständig ist.
26Denn es kann nach Aktenlage nicht mit hinreichender Sicherheit angenommen werden, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Asylantragstellung in Deutschland am 18. August 2014 volljährig bzw. kein unbegleiteter Minderjähriger im Sinne von Art. 8 Dublin III VO war. Eine wirkliche Amtsermittlung und sorgfältige Klärung des Sachverhalts durch das Bundesamt hat tatsächlich nicht stattgefunden. Zwar treffen einen Asylbewerber gemäß § 15 AsylVfG Mitwirkungspflichten, zu denen auch die Vorlage von in seinem Besitz befindlichen Urkunden gehört, die die Identitätsfeststellung ermöglichen. Eine Rechtsvorschrift, die es erlaubt, dem Asylbewerber wegen Zweifeln an seiner Altersangabe ohne weitere Ermittlungen oder Untersuchungen ein anderes Geburtsdatum zuzuordnen und dies dann als Anknüpfungspunkt für bestimmte Rechtsfolgen zu verwenden, existiert jedoch nicht. Gerade weil Art. 8 Dublin III VO Minderjährige besonders schützen will und wegen der unter Umständen erheblichen negativen Folgen, die einen Minderjährigen, der als Volljähriger behandelt wird, treffen können, geht es keinesfalls an, Zweifel aufgrund des äußeren Anscheins zu einer gesetzlich nicht gedeckten „Altersfeststellung“ zu nutzen, um auf dieser Grundlage einen möglicherweise tatsächlich Minderjährigen als Volljährigen rechtlich zu behandeln.
27Vgl. auch VG Magdeburg, Beschluss vom 16. Juli 2013 – 1 B 185/13 –, Rn. 6 ; zitiert nach juris.
28Die Antragsgegnerin hat sich in ihrem Bescheid mit der Frage der Minderjährigkeit überhaupt nicht befasst, obwohl sich aus der Akte ergab, dass diese Frage eine Rolle spielte. In der Begründung wird die Altersfrage konkret nicht erwähnt. Auch bei der zehnminütigen Anhörung zum Asylantrag war die Frage des wahren Geburtsdatums offenbar ebenfalls nicht Gegenstand der Befragung.
29Wie die Antragsgegnerin dann auf das angegebene Geburtsdatum „00.00.0000 “ kommt, ist nicht ersichtlich. In den Verwaltungsvorgängen finden sich lediglich die Ausführungen der Mitarbeiter der Clearingstelle, wonach der Antragsteller nicht minderjährig sei und das Alter fiktiv auf „volljährig“ festgelegt wurde. Auf dieses Protokoll kann sich die Antragsgegnerin jedoch nicht ohne Weiteres berufen, da der Antragsteller bei der Clearingstelle weiterhin behauptet hat, 1997 geboren zu sein. Außer der vorgedruckten Begründung „Äußeres Erscheinungsbild, Verhalten der Person und weitere Umstände“, die durch die Mitarbeiter der Clearingstelle angekreuzt wurde, ist nicht erkennbar, auf welcher konkreten Tatsachenlage die Volljährigkeit festgestellt wurde. Auch die Qualifikation der Entscheider bei der Clearingstelle ist nicht belegt. Zudem scheinen sich die Mitarbeiter der Clearingstelle in letzter Konsequenz auch nicht sicher gewesen zu sein, da sie im gleichen Protokoll die Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII angeordnet haben. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die „Volljährigkeit“ so offensichtlich nicht gewesen sein kann, wenn die Antragsgegnerin das fiktive Geburtsdatum dann so legt, dass die Volljährigkeit gerade erst (2 Monate) eingetreten wäre.
30In Anbetracht der herausgehobenen Bedeutung des Schutzes von Minderjährigen und der Möglichkeit weiterer relativ zeitnah umzusetzender – wissenschaftlich fundierterer – Ermittlungsmethoden (medizinisches Sachverständigengutachten) kann die Antragsgegnerin unter diesen Umständen nicht von der „Volljährigkeit“ des Antragstellers ausgehen. Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes spricht Einiges dafür, einem nach eigener Behauptung minderjährigen Asylbewerber aus Gründen des Minderjährigenschutzes bis zum „medizinischen Beweis des Gegenteils“ diesen als Minderjährigen zu behandeln. Denn auch wenn der nach dem „Verfahren der Alterseinschätzung“ gewonnene persönliche Eindruck der Mitarbeiter der Clearingstelle letztlich durch weitere Sachverhaltsermittlung bestätigt werden sollte, sind die Folgen der anderenfalls möglicherweise verletzten Schutzrechte eines minderjährigen Asylbewerbers schwerwiegender.“
31An dieser Rechtsauffassung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse hält der Einzelrichter – nach erneuter Überprüfung der Sach- und Rechtslage – auch im Klageverfahren fest. Die Beklagte sah sich – ohne Begründung – nicht in der Lage, den Bescheid infolge der Eilentscheidung aufzuheben und den Kläger klaglos zustellen. Weiterführende Ausführungen zu den im Eilbeschluss dargelegten Ansichten des Gerichts erfolgten durch sie gleichfalls nicht.
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
33Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 11 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn
- 1.
das Kind oder der Jugendliche um Obhut bittet oder - 2.
eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und - a)
die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder - b)
eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann oder
- 3.
ein ausländisches Kind oder ein ausländischer Jugendlicher unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten.
(2) Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.
(3) Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich
- 1.
das Kind oder den Jugendlichen den Personensorge- oder Erziehungsberechtigten zu übergeben, sofern nach der Einschätzung des Jugendamts eine Gefährdung des Kindeswohls nicht besteht oder die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten bereit und in der Lage sind, die Gefährdung abzuwenden oder - 2.
eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohl des Kindes oder des Jugendlichen herbeizuführen.
(4) Die Inobhutnahme endet mit
- 1.
der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten, - 2.
der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch.
(5) Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.
(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.