Verwaltungsgericht Köln Gerichtsbescheid, 09. Okt. 2015 - 13 K 2489/15.A
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Tatbestand
2Die Klägerin ist mongolische Staatsangehörige. Sie reiste nach eigenen Angaben und den Eintragungen in der Datenbank „Eurodac“ im November 2014 zunächst in die Schweiz, wo sie einen Asylantrag stellte und als Asylbewerberin registriert wurde. Im Januar 2015 reiste sie in die Bundesrepublik ein und beantragte hier ebenfalls Asyl. In der Befragung zur Bestimmung der Bundesrepublik Deutschland als zuständigen Mitgliedsstaat für die Prüfung dieses Asylbegehrens gab sie ihren Aufenthalt und Asylantrag in der Schweiz an. Daraufhin richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 5. März 2015 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-III-VO an die Schweiz. Die Schweizer Behörden stimmten mit Schreiben vom 9. März 2015 dem Übernahmeersuchen nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin-III-VO zu.
3Mit Bescheid vom 18. März 2015 (der Klägerin zugestellt am 23. April 2015) lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziff. 1) und ordnete die Abschiebung der Klägerin in die Schweiz an (Ziff. 2). Der Asylantrag sei gemäß § 27 Buchst. a AsylVfG unzulässig, die da die Schweiz aufgrund des dort bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d Dublin-III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich.
4Am 27. April 2015 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Schweiz wegen der Unsicherheiten des Dublin-Systems zuletzt geplante Abschiebungen bzw. Rückübernahmen abgelehnt habe.
5Eine geplante Überstellung in die Schweiz auf dem Luftweg am 2. September 2015 konnte nicht durchgeführt werden, da sich die Klägerin entgegen einer Aufforderung unter ihrer Wohn- und Meldeanschrift nicht angetroffen wurde. Mit Schreiben vom 2. September 2015 teilte die evangelische Gemeinde zu Düren der zuständigen Ausländerbehörde mit, dass sie der Klägerin seit dem 1. September 2015 Kirchenasyl gewähre, bis über ihr Anliegen, dass ihr Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland inhaltlich bearbeitet und entschieden werde, durch das Gericht entschieden worden sei.
6Die Klägerin beantragt,
7den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2015 aufzuheben.
8Die Beklagte verweist auf die Begründung des angefochtenen Bescheids und beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (zwei Hefte) ergänzend Bezug genommen.
11Entscheidungsgründe
12Die Einzelrichterin, der das Verfahren gemäß § 6 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) übertragen worden ist, entscheidet nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist.
13Die Klage mit dem Begehren, die in dem angegriffenen Bescheid ausgesprochene Unzulässigkeitserklärung und die darauf beruhende Abschiebungsanordnung aufzuheben, ist als (isolierte) Anfechtungsklage zulässig
14– vergleiche statt vieler Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12. A –, juris Rz. 29 ff. –,
15aber unbegründet. Der Ablehnungsbescheid des Bundesamtes vom 18. März 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
16Nach § 27a Asylverfahrensgesetz i.V.m. den Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (im Folgenden: Dublin-III-VO) ist der Antrag der Klägerin in Deutschland unzulässig, weil die Schweiz für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Bestimmungen der Dublin-III-VO gelten auch für die Schweiz, die zwar nicht Mitglied der Europäischen Union ist, aber auf der Grundlage eines Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union am Dublin-System teilnimmt. Da die Klägerin bereits am 25. November 2014 einen Asylantrag in der Schweiz gestellt hat, ist nach Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO die Schweiz für die Prüfung dieses Antrages allein zuständig. Sie hat sich auch mit Schreiben vom 9. März 2015 zur Wiederaufnahme der Klägerin bereit erklärt.
17Gründe dafür, dass die Zuständigkeit der Schweiz nach Art. 3 Abs. 2 S. 2 Dublin-III-VO entfällt oder die Bundesrepublik Deutschland von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 3 Dublin-III-VO Gebrauch machen müsste, sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Insbesondere lassen sich den vorliegenden Erkenntnisquellen keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in der Schweiz systemische Schwachstellen aufweisen, die mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung der Klägerin im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen. Nach dem aktuellen Informationsstand über die Situation der Asylbewerber in der Schweiz stellt die schweizerische Rechtslage zur Durchführung von Asylverfahren und die Vollzugspraxis im Grundsatz die asylrechtliche und subsidiäre Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage für Asylbewerber gemessen an grund- und menschenrechtlichen Standards in genügendem Maß sicher.
18Vgl. zur Situation von Asylbewerbern in der Schweiz ausführlich Helsinki Foundation for Human Rights, Asylum Information Database (AIDA), Country Report Switzerland, Stand: April 2015, veröffentlicht vom European Council on Refugees and Exiles, kostenlos abrufbar im internet (http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ switzerland_ april2015.pdf; Zugriff am 21. Mai 2015).
19Mag es auch in der Praxis Defizite geben (genannt werden die Unterbringung im Allgemeinen, Überbelegung von Gefängnissen während der Abschiebehaft, Behandlung von abgelehnten Asylbewerbern während der Rückführung in das Heimatland)
20– vgl. US Department of State: Country Report on Human Rights Practices 2013- Switzerland, 27. Februar 2014 (http://www.ecoi.net/local_link/ 270759/ 400866_de.html; Zugriff am 21. Mai 2015); Amnesty International: Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - Switzerland, 25. Februar 2015 (https://www.amnesty.org/en/countries/europe-and-central-asia/switzerland/report-switzerland; Zugriff am 21. Mai 2015); beide kostenlos abrufbar auf ecoi.net –,
21stellen diese allenfalls vereinzelt gebliebene Verstöße gegen unionsrechtliche Vorgaben dar. Es sind auch keine besonderen individuellen Umstände vorgetragen oder ersichtlich, die bei der Klägerin vorliegen und einer Abschiebung in die Schweiz ausnahmsweise entgegenstünden.
22Auch die Frist für die Durchführung der Überstellung ist nicht abgelaufen, da die Klägerin sich seit dem 1. September 2015 im Kirchenasyl befindet und damit die für das „Untertauchen“ einer Person vorgesehene Frist von 18 Monaten nach Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO gilt. Sie kann daher frühestens im September 2016 ablaufen.
23Die Anordnung des Bundesamtes im Bescheid vom 18. März 2015, die Klägerin in die Schweiz abzuschieben, ist nach § 34a und § 27a Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) nicht zu beanstanden.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
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(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn
- 1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.
(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.
(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,
- 1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a), - 2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist, - 4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt, - 5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.
(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.
(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.