Verwaltungsgericht Köln Urteil, 17. März 2016 - 12 K 5061/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
1
Tatbestand
2Der 1969 in N. T. , Iran geborene Kläger ist iranischer Staatsangehöriger. Er reiste am 21. Februar 2003 in das Bundesgebiet ein und durchlief erfolglos ein Asylverfahren. Im Juni 2003 wurde er zwecks Durchführung des Asylverfahrens in den Rems-Murr- Kreis zugewiesen. Nach Abschluss des Asylverfahrens am 12. April 2005 wurde er seitdem im Rems- Murr Kreis geduldet. Der Aufenthalt ist auf das Land Baden- Württemberg beschränkt. Er ist passlos und auf den Bezug öffentlicher Mittel angewiesen.
3Mit Bescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 22. März 2005 wurde durch die Bezirksregierung Arnsberg eine Umverteilung nach Köln abgelehnt. Am 17. Februar 2009 wurde durch die Beklagte eine Umverteilung abgelehnt. Sie begründete dies insbesondere damit, dass die vom Kläger eingereichten medizinischen Unterlagen nicht ausreichend wären.
4Der Kläger hielt sich im Zeitraum vom 9. März 2010 bis zum 7. April 2010 unerlaubt nach Köln bei seiner Schwester in Köln auf.
5Das Kurzattest vom 8. Juli 2013 von Dr. med. B. B1. , aus C. , attestiert dem Kläger eine paranoide Psychose mit akustischen Halluzinationen, Ich-Erlebensstörung und Wahnsymptomatik. Weiter wird ausgeführt, dass der Kläger seit einigen Tagen bei seiner Schwester lebt, dies zu einer leichten Stabilisierung seines Zustands führte und aus ärztlicher Sicht eine Betreuung und wohnortnahe Versorgung durch die Schwester zu Verhinderung einer Verschlechterung notwendig sei.
6Am 8. Oktober 2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Erteilung einer Zweit-Duldung sowie einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG, hilfsweise § 25 Abs. 5 AufenthG. Die in Köln lebende Schwester des Klägers erklärte sich bereit, ihn aufzunehmen, sie gab jedoch keine Verpflichtungserklärung zur Kostenübernahme ab. Die Schwester des Klägers bewohnt eine drei-Zimmer-Wohnung mit ihrem Ehemann und ihren zwei Söhnen im Alter von 16 Jahren.
7Ein weiteres Attest von Dr. med. F. G. in T1. /Baden-Württemberg ausgestellt am 25. März 2014, bescheinigt dem Kläger eine schizophrene Psychose sowie Angst und depressive Reaktion. Der Kläger sei seit dem 25. November 2013 in Behandlung, die letzte Behandlung sei am 8. Januar 2014 erfolgt. Laut Attest sei der Kläger auf eine ständige Betreuung angewiesen, welche aufgrund der emotionalen Labilität und ängstlichen Verstimmung ausschließlich durch die Schwester gewährleistet werden könne. Ein Umzug zur Schwester sei erforderlich und könne eine Verschlimmerung der psychischen Erkrankung vermeiden.
8Am 13. September 2014 hat der Kläger eine Untätigkeitsklage gegen die Beklagte erhoben.
9Er trägt vor, dass er seit 15 Jahren an einer paranoiden Psychose mit akustischen Halluzinationen, Ich-Erlebnisstörungen und einer Wahnsymptomatik leidet. Er höre unter anderem imperative Stimmen. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des 19. Senats
10- 19 B 2364/03 – möchte er eine Zweitduldung ausgestellt bekommen, um dadurch den Wohnsitz wechseln zu können.
11Er beantragt,
12die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Duldung gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG auszustellen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Der Kläger habe keine aussagekräftigen Atteste vorgelegt, die nachwiesen, dass ein Wohnsitzwechsel aus humanitären Gründen erforderlich sei. Eine Verletzung subjektiver Rechte sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht erkennbar. Auf Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz könne sich der Kläger hinsichtlich seiner Schwester nicht berufen, da er volljährigig sei.
16Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf den Akteninhalt und die beigezogenen Verwaltungsvorgange sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe
18Die Klage, über die verhandelt und entschieden werden konnte, obwohl weder der Kläger noch sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist unzulässig.
19Die Klage ist unzulässig. Denn es fehlt bereits an der Passivlegitimation der Beklagten. Diese ist nämlich für die begehrte Ausstellung einer Duldung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG örtlich nicht zuständig.
20Nach § 61 Abs. 1d AufenthG (Fassung seit 1.Januar 2015) ist ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer wie der Kläger schon von Gesetzes wegen verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes verordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Nach Satz 3 der Vorschrift kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern, hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbaren Gewicht zu berücksichtigen.
21Mit dieser Gesetzesänderung ist die frühere Rechtsprechung zur Ausstellung einer sog..“Zweitduldung“, auf die sich der Kläger in seiner Klagebegründung beruft, überholt,
22vgl. zur alten Rsp. OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2005 – 19 B 2364/03 – zitiert nach NRWE und OVG NRW Beschluss vom 16. April 2012 – 18 B 1585/11 – zitiert nach juris.
23Diese Rechtsprechung hatte sich vor dem Hintergrund entwickelt, dass nach der alten Rechtlage eine Änderung der durch Gesetz in § 61 Abs. 1 Satz 1 AufenthG a.F. angeordneten räumlichen Beschränkung nicht vorgesehen war.
24Zuständig für die Änderung der Wohnsitzauflage gemäß § 61 Abs. 1d Satz 3 AufenthG ist nunmehr allein die Ausländerbehörde des Wohnorts, die der Wohnsitzauflage entspricht. .
25Bei einem länderübergreifenden Wohnsitzwechsel im Falle einer aufenthaltsrechtlichen Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d S. AufenthG ist die zuständige Behörde in zwei Schritten zu bestimmen. In einem ersten Schritt ist festzustellen, welches Bundesland die Verbandskompetenz zur Sachentscheidung besitzt (Aufgabenzuweisung an ein bestimmtes Land). Diese Frage ist, wenn - wie hier - keine speziellen koordinierten landesrechtlichen Kompetenzregelungen vorliegen, durch entsprechende Anwendung der mit § 3 VwVfG übereinstimmenden Regelungen über die örtliche Zuständigkeit in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder zu beantworten. Aus § 4 Abs. 1 OBG NRW kann eine länderübergreifende Zuständigkeitsregelung nicht abgeleitet werden, da dem Land Nordrhein-Westfalen für eine einseitige länderübergreifende abdrängende Zuständigkeitsregelung die Verbandskompetenz fehlt. In einem zweiten Schritt ist auf der Grundlage des Landesrechts des zur Sachentscheidung befugten Bundeslandes zu ermitteln, welche Behörde innerhalb des Landes örtlich zuständig ist.
26vgl. grundlegend zur Bestimmung der Zuständigkeit im Aufenthaltsrecht: BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 1 C 5.11 -, BVerwGE 142, 195 = juris, Rn. 17 ff.
27Hier hat der Kläger auch nach eigenem Vortrag zur Zeit seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Remshalden im Rems-Murr Kreis entsprechend der Wohnsitzauflage.
28Ferner spricht auch der Zweck der gesetzlichen Wohnsitzauflage für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist, dafür, dass die Ausländerbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich die Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d S. 1 AufenthG entstanden ist, Ausländerbehörde des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a VwVfG NRW bleibt. Die Wohnsitzauflage soll nämlich dadurch, dass Sozialleistungen lediglich an dem Wohnort erbracht werden, auf den sich die Wohnsitzauflage bezieht (vgl. § 10a AsylbLG), die gerechte Verteilung der Sozialkosten zwischen den Ländern gewährleisten. Insbesondere sollen geduldete Ausländer, die unter Verstoß gegen eine Wohnsitzauflage in ein anderes Bundesland umziehen, dort keine Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gelten machen können (vgl. BT-Drs. 18/3144, S. 9 f.). Dieser Zweck würde jedoch nicht in gleicher Weise erreicht, wenn geduldete Ausländer durch einen auflagewidrigen Umzug in ein anderes Bundesland selbst die Zuständigkeit der Ausländerbehörde des tatsächlichen Aufenthaltsorts begründen und dadurch ihren auflagewidrigen Aufenthalt ggf. verfestigen könnten. Dementsprechend ist der Ort eines illegalen Aufenthalts regelmäßig unabhängig davon, seit wann der Ausländer sich dort in der Absicht aufhält, auf Dauer zu bleiben nicht als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen,
29vgl. VG Aachen, Urteil vom 22.05.2015 – 4 K 317/14 –, juris, Rn. 60.
30Hat der Kläger nach dem Vorstehenden seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Rems-Murr Kreis, so ist dieser für die Bearbeitung seiner Änderung der Wohnsitzauflage zuständig und damit diese Klage gegen die Stadt Köln unzulässig.
31Im Übrigen hat die Beklagte bei einer Beteiligung in dem vom Rems-Murr Kreis durchzuführenden Verwaltungsverfahren zu berücksichtigen, dass die vorgelegten Atteste für den Nachweis der Erkrankung paranoide Schizophrenie durchaus geeignet erscheinen. Diese psychiatrische Erkrankung äußert sich in der Regel manifest mit äußeren Symptomen, die unbehandelt auch medizinische Laien bemerken, wie hier die Sachbearbeiterin des Rems- Murr Kreises in ihrem Vermerk.
32Ob die Atteste den Anforderungen der Rechtsprechung an den Nachweis der Reiseunfähigkeit entsprechen, ist eine davon zu trennende Frage, die sich vorliegend nicht stellt. Sollte sich ggf. durch zwischenzeitlich erforderliche gewordene medizinische Untersuchungen etwa durch Krankenhausaufenthalte oder durch eine Untersuchung bei dem Amtsarzt des Rems-Murr Kreises die Diagnose bestätigen und kann die Familie des Klägers zumindest teilweise für die Unterkunfts- und Lebenshaltungskosten des Klägers in Köln aufkommen, dürfte es aus humanitären Gründen geboten sein, dem Kläger den Umzug zu bewilligen.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 17. März 2016 - 12 K 5061/14
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(1) Den Eltern eines minderjährigen Ausländers, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 4, § 25 Absatz 1 oder Absatz 2 Satz 1 erste Alternative, eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 3 oder nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Absatz 4 besitzt, ist abweichend von § 5 Absatz 1 Nummer 1 und § 29 Absatz 1 Nummer 2 eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn sich kein personensorgeberechtigter Elternteil im Bundesgebiet aufhält.
(2) Sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers kann zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Auf volljährige Familienangehörige sind § 30 Abs. 3 und § 31, auf minderjährige Familienangehörige ist § 34 entsprechend anzuwenden.
(1) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er als Asylberechtigter anerkannt ist. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Absatz 3a ausgewiesen worden ist. Bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gilt der Aufenthalt als erlaubt.
(2) Einem Ausländer ist eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Absatz 1 des Asylgesetzes oder subsidiären Schutz im Sinne des § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes zuerkannt hat. Absatz 1 Satz 2 bis 3 gilt entsprechend.
(3) Einem Ausländer soll eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 vorliegt. Die Aufenthaltserlaubnis wird nicht erteilt, wenn die Ausreise in einen anderen Staat möglich und zumutbar ist oder der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende Mitwirkungspflichten verstößt. Sie wird ferner nicht erteilt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer
- 1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen, - 2.
eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen hat, - 3.
sich Handlungen zuschulden kommen ließ, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen verankert sind, zuwiderlaufen, oder - 4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
(4) Einem nicht vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer kann für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 8 Abs. 1 und 2 verlängert werden, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebiets für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.
(4a) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach den §§ 232 bis 233a des Strafgesetzbuches wurde, soll, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn
- 1.
seine Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, - 2.
er jede Verbindung zu den Personen, die beschuldigt werden, die Straftat begangen zu haben, abgebrochen hat und - 3.
er seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
Nach Beendigung des Strafverfahrens soll die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, wenn humanitäre oder persönliche Gründe oder öffentliche Interessen die weitere Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet erfordern. Die Aufenthaltserlaubnis berechtigt nicht zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.
(4b) Einem Ausländer, der Opfer einer Straftat nach § 10 Absatz 1 oder § 11 Absatz 1 Nummer 3 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes oder nach § 15a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes wurde, kann, auch wenn er vollziehbar ausreisepflichtig ist, für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn
- 1.
die vorübergehende Anwesenheit des Ausländers im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen dieser Straftat von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre, und - 2.
der Ausländer seine Bereitschaft erklärt hat, in dem Strafverfahren wegen der Straftat als Zeuge auszusagen.
(5) Einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis soll erteilt werden, wenn die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist. Eine Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist. Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 berechtigt ist oder wenn dies zum Zwecke des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient.
(1a) In den Fällen des § 60a Abs. 2a wird der Aufenthalt auf den Bezirk der zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im Inland beschränkt. Der Ausländer muss sich nach der Einreise unverzüglich dorthin begeben. Ist eine solche Behörde nicht feststellbar, gilt § 15a entsprechend.
(1b) Die räumliche Beschränkung nach den Absätzen 1 und 1a erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält.
(1c) Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers kann unabhängig von den Absätzen 1 bis 1b angeordnet werden, wenn
- 1.
der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist, - 2.
Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, oder - 3.
konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen.
(1d) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen. Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.
(1e) Auflagen können zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht angeordnet werden, wenn konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehen. Insbesondere kann ein Ausländer verpflichtet werden, sich einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall bei der für den Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Ausländerbehörde zu melden.
(1f) Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden.
(2) Die Länder können Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer schaffen. In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden.
(1) Örtlich zuständig ist
- 1.
in Angelegenheiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt; - 2.
in Angelegenheiten, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer seiner Betriebsstätten, auf die Ausübung eines Berufs oder auf eine andere dauernde Tätigkeit beziehen, die Behörde, in deren Bezirk das Unternehmen oder die Betriebsstätte betrieben oder der Beruf oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll; - 3.
in anderen Angelegenheiten, die - a)
eine natürliche Person betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte, - b)
eine juristische Person oder eine Vereinigung betreffen, die Behörde, in deren Bezirk die juristische Person oder die Vereinigung ihren Sitz hat oder zuletzt hatte;
- 4.
in Angelegenheiten, bei denen sich die Zuständigkeit nicht aus den Nummern 1 bis 3 ergibt, die Behörde, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt.
(2) Sind nach Absatz 1 mehrere Behörden zuständig, so entscheidet die Behörde, die zuerst mit der Sache befasst worden ist, es sei denn, die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde bestimmt, dass eine andere örtlich zuständige Behörde zu entscheiden hat. Sie kann in den Fällen, in denen eine gleiche Angelegenheit sich auf mehrere Betriebsstätten eines Betriebs oder Unternehmens bezieht, eine der nach Absatz 1 Nr. 2 zuständigen Behörden als gemeinsame zuständige Behörde bestimmen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten zur einheitlichen Entscheidung geboten ist. Diese Aufsichtsbehörde entscheidet ferner über die örtliche Zuständigkeit, wenn sich mehrere Behörden für zuständig oder für unzuständig halten oder wenn die Zuständigkeit aus anderen Gründen zweifelhaft ist. Fehlt eine gemeinsame Aufsichtsbehörde, so treffen die fachlich zuständigen Aufsichtsbehörden die Entscheidung gemeinsam.
(3) Ändern sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände, so kann die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt.
(4) Bei Gefahr im Verzug ist für unaufschiebbare Maßnahmen jede Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk der Anlass für die Amtshandlung hervortritt. Die nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 örtlich zuständige Behörde ist unverzüglich zu unterrichten.
(1) Der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers ist räumlich auf das Gebiet des Landes beschränkt. Von der räumlichen Beschränkung nach Satz 1 kann abgewichen werden, wenn der Ausländer zur Ausübung einer Beschäftigung ohne Prüfung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 berechtigt ist oder wenn dies zum Zwecke des Schulbesuchs, der betrieblichen Aus- und Weiterbildung oder des Studiums an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung erforderlich ist. Das Gleiche gilt, wenn dies der Aufrechterhaltung der Familieneinheit dient.
(1a) In den Fällen des § 60a Abs. 2a wird der Aufenthalt auf den Bezirk der zuletzt zuständigen Ausländerbehörde im Inland beschränkt. Der Ausländer muss sich nach der Einreise unverzüglich dorthin begeben. Ist eine solche Behörde nicht feststellbar, gilt § 15a entsprechend.
(1b) Die räumliche Beschränkung nach den Absätzen 1 und 1a erlischt, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält.
(1c) Eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers kann unabhängig von den Absätzen 1 bis 1b angeordnet werden, wenn
- 1.
der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist, - 2.
Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat, oder - 3.
konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen.
(1d) Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist, ist verpflichtet, an einem bestimmten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Soweit die Ausländerbehörde nichts anderes angeordnet hat, ist das der Wohnort, an dem der Ausländer zum Zeitpunkt der Entscheidung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung gewohnt hat. Die Ausländerbehörde kann die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern; hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen. Der Ausländer kann den durch die Wohnsitzauflage festgelegten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.
(1e) Auflagen können zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht angeordnet werden, wenn konkrete Maßnahmen der Aufenthaltsbeendigung unmittelbar bevorstehen. Insbesondere kann ein Ausländer verpflichtet werden, sich einmal wöchentlich oder in einem längeren Intervall bei der für den Aufenthaltsort des Ausländers zuständigen Ausländerbehörde zu melden.
(1f) Weitere Bedingungen und Auflagen können angeordnet werden.
(2) Die Länder können Ausreiseeinrichtungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer schaffen. In den Ausreiseeinrichtungen soll durch Betreuung und Beratung die Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise gefördert und die Erreichbarkeit für Behörden und Gerichte sowie die Durchführung der Ausreise gesichert werden.
(1) Für die Leistungen nach diesem Gesetz örtlich zuständig ist die nach § 10 bestimmte Behörde, in deren Bereich der Leistungsberechtigte nach dem Asylgesetz oder Aufenthaltsgesetz verteilt oder zugewiesen worden ist oder für deren Bereich für den Leistungsberechtigten eine Wohnsitzauflage besteht. Ist der Leistungsberechtigte von einer Vereinbarung nach § 45 Absatz 2 des Asylgesetzes betroffen, so ist die Behörde zuständig, in deren Bereich die nach § 46 Absatz 2a des Asylgesetzes für seine Aufnahme zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt. Im übrigen ist die Behörde zuständig, in deren Bereich sich der Leistungsberechtigte tatsächlich aufhält. Diese Zuständigkeit bleibt bis zur Beendigung der Leistung auch dann bestehen, wenn die Leistung von der zuständigen Behörde außerhalb ihres Bereichs sichergestellt wird.
(2) Für die Leistungen in Einrichtungen, die der Krankenbehandlung oder anderen Maßnahmen nach diesem Gesetz dienen, ist die Behörde örtlich zuständig, in deren Bereich der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat. War bei Einsetzen der Leistung der Leistungsberechtigte aus einer Einrichtung im Sinne des Satzes 1 in eine andere Einrichtung oder von dort in weitere Einrichtungen übergetreten oder tritt nach Leistungsbeginn ein solcher Fall ein, ist der gewöhnliche Aufenthalt, der für die erste Einrichtung maßgebend war, entscheidend. Steht nicht spätestens innerhalb von vier Wochen fest, ob und wo der gewöhnliche Aufenthalt nach den Sätzen 1 und 2 begründet worden ist, oder liegt ein Eilfall vor, hat die nach Absatz 1 zuständige Behörde über die Leistung unverzüglich zu entscheiden und vorläufig einzutreten. Die Sätze 1 bis 3 gelten auch für Leistungen an Personen, die sich in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten oder aufgehalten haben.
(3) Als gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne dieses Gesetzes gilt der Ort, an dem sich jemand unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt ist auch von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mindestens sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zum Zweck des Besuchs, der Erholung, der Kur oder ähnlichen privaten Zwecken erfolgt und nicht länger als ein Jahr dauert. Ist jemand nach Absatz 1 Satz 1 nach dem Asylgesetz oder nach dem Aufenthaltsgesetz verteilt oder zugewiesen worden oder besteht für ihn eine Wohnsitzauflage für einen bestimmten Bereich, so gilt dieser Bereich als sein gewöhnlicher Aufenthalt. Wurde eine Vereinbarung nach § 45 Absatz 2 des Asylgesetzes getroffen, so gilt der Bereich als gewöhnlicher Aufenthalt des Leistungsberechtigten, in dem die nach § 46 Absatz 2a des Asylgesetzes für seine Aufnahme zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt. Für ein neugeborenes Kind ist der gewöhnliche Aufenthalt der Mutter maßgeblich.
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 2014 verpflichtet, die Wohnsitzauflage zur Duldung des Klägers dahin zu ändern, dass er verpflichtet ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in 54662 Speicher/Rheinland-Pfalz zu nehmen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger begehrt die Änderung einer Wohnsitzauflage zu seiner Duldung.
3Der 1966 geborene Kläger, armenischer Staatsangehöriger, reiste Anfang Januar 2010 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte im Februar 2010 einen Asylantrag. Im Rahmen des Asylverfahrens wurde er der Gemeinde X. im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zugewiesen. Sein Aufenthalt war während des Asylverfahrens räumlich auf den Zuständigkeitsbereich des Beklagten beschränkt.
4Das Asylverfahren ist seit dem 24. Mai 2013 unanfechtbar negativ abgeschlossen. Seitdem erhält der Kläger fortlaufend Duldungen, die mit einer Wohnsitzauflage für die Gemeinde X. und mit einer räumlichen Beschränkung auf das Land Nordrhein-Westfalen versehen sind. Seit dem 1. Januar 2015 ist die räumliche Beschränkung entfallen. Die Duldung wurde zuletzt bis zum 24. August 2015 befristet.
5Am 28. Juni 2012 reiste die Ehefrau des Klägers, die armenische Staatsangehörige N. H. , zusammen mit dem gemeinsamen Sohn W. D. in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 25. Juli 2012 einen Asylantrag. Im Rahmen des Asylverfahrens wurden beide dem Bezirk des Beigeladenen zugewiesen, der sie wiederum der Verbandsgemeinde T. zuwies. Ihre Aufenthaltsgestattungen sind mit einer Wohnsitzauflage für die Verbandsgemeinde T. versehen und räumlich auf den Landkreis C. -Q. /Rheinland-Pfalz beschränkt.
6Im September 2012 teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit, dass es für die Ehefrau und den Sohn des Klägers ein Dublin-Verfahren eingeleitet habe. Nachdem eine Überstellung nach Frankreich nicht innerhalb der Überstellungsfrist durchgeführt werden konnte, weil bei der Ehefrau des Klägers Ende April 2013 eine Risikoschwangerschaft diagnostiziert wurde, teilte das Bundesamt im September 2013 mit, dass die Bundesrepublik für die Asylanträge zuständig geworden sei und nunmehr ein nationales Asylverfahren durchgeführt werde. Über die Asylanträge ist bis heute nicht entschieden worden.
7Nach der Einreise der Ehefrau und des Sohnes des Klägers erteilte der Beklagte diesem fortlaufend befristete Erlaubnisse zum vorübergehenden Verlassen des Bereichs der Aufenthaltsgestattung bzw. später Duldung zum Zwecke des Besuchs seiner Familie in T. /Rheinland-Pfalz.
8Am 13. August 2013 beantragte der Kläger beim Beklagten unter Vorlage der Kopie einer armenischen Heiratsurkunden nebst deutscher Übersetzung sowie eines ärztlichen Attests vom 18. Juni 2013 förmlich die Änderung der Wohnsitzauflage zum Zwecke des Umzugs nach T. /Rheinland-Pfalz, da seine Ehefrau ein Kind von ihm erwarte und wegen einer Risikoschwangerschaft auf seine Hilfe angewiesen sei.
9Auf Anfrage des Beklagten lehnte der Beigeladene mit Schreiben vom 16. Oktober 2013 seine Zustimmung zur Änderung der Wohnsitzauflage ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Duldung räumlich auf das Land Nordrhein-Westfalen beschränkt sei und ein Anspruch auf Änderung der Beschränkung grundsätzlich nicht bestehe. Eine Änderung komme nur ausnahmsweise in Betracht, wenn der Umzug zur Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen Ehepartnern sowie Eltern und ihren minderjährigen Kindern diene, die über eine Aufenthaltserlaubnis nach dem zweiten Kapitel des fünften Abschnitts des Aufenthaltsgesetzes verfügten, oder zur Sicherstellung einer benötigten Pflege von Personen, die wegen Krankheit oder Behinderung pflegebedürftig seien. Die Familienangehörigen des Klägers seien aber nicht im Besitz einer humanitären Aufenthaltserlaubnis. Auch sei die Ehefrau des Klägers nicht pflegebedürftig. Abgesehen davon habe der Kläger die Heiratsurkunde nicht im Original vorgelegt. Dem vollziehbar ausreisepflichtigen Kläger könne auch keine Duldung nach § 43 Abs. 3 AsylVfG erteilt werden, um ihm die gemeinsame Ausreise mit seiner Familie zu ermöglichen. Dies sei nur dann zulässig, wenn die Ehegatten und ihre minderjährigen ledigen Kinder gleichzeitig oder unverzüglich nach der Einreise einen Asylantrag gestellt hätten. Dies sei nicht der Fall, weil die Ehefrau und der Sohn des Klägers erst am 28. Juni 2012, d.h. zweieinhalb Jahre später als der Kläger, ins Bundesgebiet eingereist seien und am 24. Juli 2012 einen Asylantrag gestellt hätten. Im Übrigen sei vor der Änderung der räumlichen Beschränkung oder Erteilung einer Duldung aus familiären Gründen vorrangig zu prüfen, ob die familiäre Lebensgemeinschaft nicht auch im Ausland hergestellt werden können. Außerdem sei davon abzusehen, solange eine Aufenthaltsbeendigung ausschließlich aus Gründen nicht möglich sei, die der Betroffene selbst zu vertreten habe. Beides sei hier der Fall. Zum einen weigerten sich der Kläger und seine Ehefrau, Auskunft über den Verbleib ihrer armenischen Pässe zu geben, die sie im Asylverfahren in Kopie vorgelegt hätten. Dem Kläger sei es jedoch möglich, sich entweder seinen angeblich in Armenien befindlichen Pass schicken oder aber einen neuen Pass bei der armenischen Botschaft ausstellen zu lassen. Zum anderen besäßen die Ehefrau und der Sohn des Klägers ebenfalls die armenische Staatsangehörigkeit, so dass es ihnen ohne weiteres möglich sei, dem Kläger nach Armenien zu folgen und die familiäre Lebensgemeinschaft dort herzustellen. Dies gelte umso mehr, als dort noch eine Tochter des Klägers lebe. Zudem hätten die Ehefrau und der Sohn des Klägers vor ihrer Einreise ins Bundesgebiet schon mindestens zweieinhalb Jahre getrennt vom Kläger gelebt, so dass ihnen eine weitere Trennung bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens zumutbar sei. Bis zur Geburt des Kindes im November 2013 könne der Beklagte die Abschiebung des Klägers weiter aussetzen und ihm das vorübergehende Verlassen des Bereichs der räumlichen Beschränkung erlauben.
10Am 8. November 2013 wurde in C. ein weiterer Sohn des Klägers und seiner Ehefrau, E. , geboren. Mit Urkunde vom 3. Dezember 2013 erkannte der Kläger vor dem Standesamt C. die Vaterschaft für ihn an. Nach Anzeige der Geburt beim Bundesamt durch den Beigeladenen wurde am 9. Dezember 2013 auch für ihn ein Asylverfahren eingeleitet, das bis heute nicht abgeschlossen ist. Der Aufenthalt des Sohnes E. ist ebenfalls räumlich auf den Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen beschränkt und seine Aufenthaltsgestattung mit einer Wohnsitzauflage für die Verbandsgemeinde T. versehen.
11Im Rahmen der Anhörung zur beabsichtigten Ablehnung der Änderung der Wohnsitzauflage wiederholte der Kläger seinen Antrag auf "Umverteilung" unter Hinweis darauf, dass zwischenzeitlich sein Sohn geboren worden sei und er die Vaterschaft für ihn anerkannt habe.
12Auf nochmalige Anfrage des Beklagten teilte der Beigeladene mit Schreiben vom 27. Januar 2014 mit, dass er der Änderung der Wohnsitzauflage nach wie vor nicht zustimme. Er nahm insoweit auf sein Schreiben vom 16. Oktober 2013 Bezug und führte ergänzend aus, dass nach der Geburt des Kindes für die Ehefrau des Klägers die Möglichkeit bestehe, zusammen mit den beiden Kindern und dem Kläger, der bereits seit Mai 2013 vollziehbar ausreisepflichtig sei, freiwillig nach Armenien auszureisen und dort die familiäre Lebensgemeinschaft zu führen. Im Übrigen seien die Gründe, aus denen der Kläger bisher geduldet worden sei, in Bezug auf die Familie inzwischen entfallen.
13Mit hier streitgegenständlichem Bescheid vom 4. Februar 2014, zugestellt am 6. Februar 2014, lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Änderung der Wohnsitzauflage zum Zwecke des Umzugs nach T. /Rheinland-Pfalz unter Hinweis auf die fehlende Zustimmung des Beigeladenen ab.
14Der Kläger erhielt vom Beklagten in der Folgezeit jedoch weiter fortlaufend befristete Erlaubnisse zum vorübergehenden Verlassen des Bereichs der Duldung.
15Im Dezember 2013 reiste die Tochter des Klägers, M. D1. , in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 6. Januar 2014 einen Asylantrag, über den bis heute ebenfalls nicht entschieden ist. Im Rahmen des Asylverfahrens wurde sie dem Beigeladenen und von diesem der Verbandsgemeinde T. zugewiesen. Auch ihr Aufenthalt ist räumlich auf den Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen beschränkt und ihre Aufenthaltsgestattung ist mit einer Wohnsitzauflage für die Verbandsgemeinde T. versehen.
16Im Februar 2014 veranlasste der Beklagte bei seinem Gesundheitsamt eine Untersuchung des Klägers auf dessen Reisefähigkeit. In dem psychiatrischen Gutachten vom 5. Mai 2014 kommt der Amtsarzt T1. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, auf der Grundlage der in der Ausländerakte befindlichen ärztlichen Stellungnahmen, einem Telefonat mit der Hausärztin des Klägers, Frau Dr. M1. und einer eigenen psychiatrischen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass der Kläger an einer chronischen paranoid halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis mit einem ausgeprägten Verfolgungs- und Beeinträchtigungswahn sowie akustischen Halluzinationen in Form von imperativen und kommentierenden Stimmen leide. Im Rahmen des akuten Krankheitsgeschehens sei eine Reisefähigkeit derzeit nicht gegeben. Es werde dringend zur Aufnahme einer ambulanten psychiatrischen Behandlung geraten.
17Mit Schreiben vom 12. Juni 2014 bat der Beklagte unter Bezugnahme auf das psychiatrische Gutachten den Beigeladenen erneut um Prüfung des Antrags auf Änderung der Wohnsitzauflage. Mit Schreiben vom 21. August 2014 lehnte dieser die Änderung der Wohnsitzauflage wiederum ab. Laut Gutachten werde dringend zur Aufnahme einer ambulanten psychiatrischen Behandlung geraten. Nach dortiger Kenntnis halte sich der Kläger jedoch ständig bei seiner Ehefrau in T. auf und könne sich der empfohlenen Behandlung daher wohl kaum unterzogen haben.
18Am 20. Februar 2014 hat der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten vom 4. Februar 2014 Klage erhoben, mit der er die Änderung der Wohnsitzauflage weiterverfolgt. Er macht im Wesentlichen geltend, dass er nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 5. Mai 2014 an einer schweren psychischen Erkrankung leide, aufgrund der er dringend der Betreuung durch seine Ehefrau bedürfe. Außerdem könne sich der Aufenthalt bei seiner Familie ggf. positiv auf seinen Gesundheitszustand auswirken. Dies ergebe sich auch aus dem beigefügten ärztlichen Attest des Dr. L. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, aus N1. vom 21. Juli 2014, bei dem er sich seit Mai 2014 in regelmäßiger psychiatrischer/nervenärztlicher Behandlung befinde. Danach leide er an einer gemischten Angst- und depressiven Störung, nichtorganischer Insomnie und anderen gemischten Angststörungen. Es handele sich um eine affektive psychische Störung mit somatoformen Reaktionen bei erhöhter Vulnerabilität, eine affektive Instabilität, eine geminderte Belastbarkeit und eine Neigung, in diversen belastenden Situationen zur Dekompensation mit Ängsten, einem Beobachtungsgefühl und Neigung zum Panischen zu reagieren. Aufgrund der Spezifität der Krankheit und aufgrund einer Instabilität sowie reduzierter Stresstoleranz sei aus psychiatrischer Sicht dringend zu empfehlen, dass ihm ermöglicht werde, zusammen mit seiner Ehefrau zu leben. Sonst seien erneute Dekompensationen vorprogrammiert. Der Beklagte könne unter diesen Umständen die Änderung der Wohnsitzauflage auch ohne Zustimmung des Beigeladenen vornehmen.
19Der Kläger beantragt,
20den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 2014 zu verpflichten, die Wohnsitzauflage dahin zu ändern, dass er verpflichtet ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in 00000 T. /Rheinland-Pfalz bei seiner Ehefrau und seinen Kindern zu nehmen.
21Der Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Er nimmt Bezug auf die Gründe des angefochtenen Bescheides. Ergänzend führt er aus, dass eine länderübergreifende Änderung der räumlichen Beschränkung der Duldung nur im Einvernehmen mit der Ausländerbehörde des Landes des Zuzugsortes zulässig sei. Der Beigeladene habe sein Einvernehmen jedoch wiederholt verweigert, so dass er die wohnsitzbeschränkende Auflage nicht ändern könne.
24Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er lehnt nach wie vor ab, seine Zustimmung zur Änderung der Wohnsitzauflage und damit zur Gestattung des Umzugs des Klägers in seinen Zuständigkeitsbereich zu erteilen. Der Kläger habe bisher nachweislich keine Anstrengungen zur Verbesserung seines Gesundheitszustandes unternommen, obwohl in dem psychiatrischen Gutachten vom 5. Mai 2014 dringend zur Aufnahme einer ambulanten psychiatrischen Behandlung geraten worden sei. Der Kläger halte sich laut Auskunft des für seine Ehefrau zuständigen Sozialamtes T. ständig dort auf und reise lediglich in den Kreis I. , um dort seine Sozialleistungen in Empfang zu nehmen. Außerdem habe der Beklagte am 15. April 2015 telefonisch bestätigt, dass der Kläger sich bisher keiner psychiatrischen Behandlung unterzogen habe. Man beziehe sich dort lediglich auf das inzwischen ein Jahr alte Gutachten. Vor diesem Hintergrund könne ohne weiteres eine Rückführung des Klägers in sein Heimatland durchgeführt werden.
25Mit Beschluss vom 2. April 2015 hat die Kammer den Eifelkreis C. -Q. zum Verfahren beigeladenen. Mit Beschluss vom selben Tag hat sie dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und das Verfahren auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten beigezogenen Ausländerakte des Klägers sowie der vom Beigeladenen beigezogenen Ausländerakten der Ehefrau und der Kinder des Klägers.
27E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
28Die Klage, über die die Kammer trotz Ausbleibens des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung entscheiden kann, weil er auf diese Rechtsfolge in der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung hingewiesen worden ist (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO), hat Erfolg.
29I. Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
30Der Kläger begehrt die Änderung der seiner Duldung beigefügten Wohnsitzauflage. Dieses Begehren ist – jedenfalls – seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern vom 23. Dezember 2014 (BGBl. I, S. 2439) zum 1. Januar 2015 im Wege einer Verpflichtungsklage zu verfolgen. Denn nach dieser Rechtsänderung ist für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, deren Lebensunterhalt – wie im Fall des Klägers – nicht gesichert ist, eine Wohnsitzauflage nunmehr kraft Gesetzes angeordnet (vgl. § 61 Abs. 1d S. 1 AufenthG sowie Begründung des Gesetzgebers in BT-Drs. 18/3144, S. 2, 10 und 13). Damit kommt eine Anfechtungsklage gegen die Wohnsitzauflage mangels Vorliegens eines Verwaltungsakts nicht mehr in Betracht.
31Vgl. zur Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage gegen eine Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1 S. 2 AufenthG bisher: OVG NRW, Beschluss vom 10. März 2010 - 2 O 1/15 -, juris, Rn. 14 ff.
32Über eine Änderung der gesetzlichen Wohnsitzauflage entscheidet gemäß § 61 Abs. 1d S. 3 AufenthG die zuständige Ausländerbehörde jedoch im jeweiligen Einzelfall und damit durch Verwaltungsakt. Ist das Begehren des Klägers damit auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet, kommt als statthafte Klageart nunmehr allein die Verpflichtungsklage in Betracht.
33Vgl. ebenso zur neuen Rechtslage: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Januar 2015 - 2 O 1/15 -, juris, Rn. 3; Funke-Kaiser, in: Gemeinschaftskommentar zum AufenthG (GK-AufenthG), Stand: März 2015, Band 3, § 61, Rn. 47 und 94.
34Der Kläger ist insbesondere nicht – mehr – gehalten, sein Begehren, ihm den länderübergreifenden Wohnsitzwechsel zu seiner Familie nach T. /Rheinland-Pfalz zu ermöglichen, im Wege einer Verpflichtungsklage gegen den Beigeladenen als zuständige Ausländerbehörde des Zuzugsortes gerichtet auf Erlass einer sog. „Zweitduldung" zu verfolgen.
35Vgl. hierzu grundlegend: OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2005 - 19 B 2364/03 -, InfAuslR 2006, 64 = juris, Rn. 15 ff.; sowie nachfolgend OVG NRW, Beschluss vom 16. April 2012 - 18 B 1585/11 -, juris, Rn. 10; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Februar 2012 - 7 A 11177/11 -, AuAS 2012, 103 = juris, Rn. 23 ff.
36Hintergrund dieser zur Ermöglichung eines länderübergreifenden Wohnsitzwechsels geduldeter Ausländer entwickelten Rechtsprechung war die Regelung des § 61 Abs. 1 S. 1 AufenthG, wonach der Aufenthalt eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers kraft Gesetzes räumlich auf das Gebiet des Landes – hier Nordrhein-Westfalen – beschränkt ist. Bis zum Inkrafttreten der neuen Rechtslage zum 1. Januar 2015 sah das Aufenthaltsgesetz eine Änderung dieser kraft Gesetzes angeordneten räumlichen Beschränkung zur dauerhaften Verlegung des Wohnsitzes nicht vor. Die Regelungen in den § 61 Abs. 1 S. 3 und 4 AufenthG lassen aus systematischen Gründen lediglich Abweichungen von der räumlichen Beschränkung für die dort aufgeführten, vorübergehenden Aufenthalte außerhalb des Bereichs der räumlichen Beschränkung zu. Außerdem stand § 61 Abs. 1 S. 1 AufenthG der Erteilung einer Duldung durch die Ausländerbehörde des bisherigen Aufenthalts- bzw. Zuweisungsortes für ein anderes Bundeslandauch materiell-rechtlich entgegen.
37Vgl. hierzu: Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, a.a.O., § 61, Rn. 51 f.
38Dieses rechtliche Hindernis ist jedoch nunmehr entfallen. Denn nach der ebenfalls zum 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Vorschrift des § 61 Abs. 1b AufenthG erlischt die gesetzliche räumliche Beschränkung nach § 61 Abs. 1 S. 1 AufenthG, wenn sich der Ausländer seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält. Dies ist beim Kläger, der sich seit seiner Einreise im Jahr 2010 mit einer Aufenthaltsgestattung bzw. Duldung im Bundesgebiet aufhält, jedoch der Fall, so dass sein Aufenthalt – wie sich auch aus den ihm zuletzt erteilten Duldungen ergibt – nicht mehr auf das Land Nordrhein-Westfalen beschränkt ist. Eine Änderung der heute noch kraft Gesetzes bestehenden Wohnsitzauflage ist jedoch – wie dargelegt – nach Maßgabe von § 61 Abs. 1d S. 3 AufenthG möglich.
39Zur Verwirklichung des begehrten Wohnsitzwechsels ist auch nicht – mehr – zusätzlich eine Verpflichtungsklage gerichtet auf die Änderung einer fortbestehenden räumlichen Beschränkung aus dem Asylverfahren erforderlich (vgl. § 56 Abs. 3 AsylVfG in der bis zum 31. Dezember 2014 geltenden Fassung bzw. § 59a Abs. 2 S. 1 AsylVfG n.F.).
40Vgl. hierzu: OVG NRW, Beschlüsse vom 10. März 2015 - 18 B 1316/14 -, juris, Rn. 6 ff., und vom 10. März 2010 - 18 B 1702/09 -, AuAS 2010, 176 = juris, Rn. 2 ff.
41Zwar war der Aufenthalt des Klägers aufgrund seiner Zuweisung im Rahmen des Asylverfahrens nach § 50 Abs. 4 AsylVfG zur Gemeinde X. gemäß § 56 Abs. 2 AsylVfG räumlich auf den Zuständigkeitsbereich des Beklagten beschränkt. Auch blieb die räumliche Beschränkung nach Erlöschen der Aufenthaltsgestattung gemäß § 56 Abs. 3 AsylVfG a.F. zunächst in Kraft, bis sie aufgehoben wurde (S. 1) oder der Aufenthalt nach § 25 Abs. 1 S. 3 oder § 25 Abs. 2 S. 2 AufenthG als erlaubt galt oder ein Aufenthaltstitel erteilt wurde (S. 2).
42Vorliegend dürfte der Beklagte die räumliche Beschränkung nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens jedoch bereits aufgehoben haben. Denn die dem Kläger ab diesem Zeitpunkt erteilten Duldungen waren nur noch – deklaratorisch – mit einer räumlichen Beschränkung auf das Land Nordrhein-Westfalen (vgl. § 61 Abs. 1 S. 1 AufenthG), nicht aber auch mit einer räumlichen Beschränkung auf den Kreis I. versehen. Der Kläger, auf dessen Sicht es als Adressat der Duldung für die Frage ankommt, welchen Inhalt dieser Verwaltungsakt hat, konnte dies bei verständiger Würdigung nur so verstehen, dass die weitergehende räumliche Beschränkung aus dem Asylverfahren damit aufgehoben war. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre eine fortbestehende räumliche Beschränkung auf den Kreis I. zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung jedenfalls gemäß § 59a Abs. 1 AsylVfG in der ab dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung (n.F.) erloschen. Denn nach dieser Vorschrift erlischt nunmehr auch eine räumliche Beschränkung nach § 56 AsylVfG, wenn sich der Ausländer – wie der Kläger – seit drei Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet im Bundesgebiet aufhält.
43Der Kläger kann sein Begehren schließlich auch nicht – mehr – im Wege einer länderübergreifenden asylverfahrensrechtlichen Umverteilung nach Maßgabe von § 51 AsylVfG gegenüber der zuständigen Behörde des Landes Rheinland-Pfalz (vgl. § 51 Abs. 2 S. 2 AsylVfG) verfolgen. Denn mit Erteilung einer asylverfahrensunabhängigen Duldung – spätestens wegen der beim Kläger auf der Grundlage des psychiatrischen Gutachtens vom 5. Mai 2014 angenommenen Reiseunfähigkeit – ist die Zuweisungsentscheidung aus dem Asylverfahren gegenstandslos geworden und damit auch die Zuständigkeit der Zuweisungsbehörde entfallen.
44Vgl. hierzu: OVG NRW, Beschlüsse vom 29. November 2005 - 19 B 2364/03 -, InfAuslR 2006, 64 = juris, Rn. 30; vom 7. Januar 2004 ‑ 17 A 5234/00 -, juris, Rn. 3 ff.; vom 1. Dezember 1999 - 17 A 3994/98 -, NVwZ 2000, Beilage Nr. 7, 82 = juris, 4 ff.
45II. Die Klage ist auch begründet.
46Der Bescheid des Beklagten vom 4. Februar 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Änderung der Wohnsitzlage dahin zu, dass er verpflichtet ist, seinen gewöhnlichen Aufenthalt in T. /Rheinland-Pfalz bei seiner Ehefrau und seinen Kindern zu nehmen (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 und 2 VwGO).
471. Der geltend gemachte Anspruch richtet sich zutreffend gegen den Beklagten. Er ist passivlegitimiert, da er für die Änderung der Wohnsitzauflage sowohl die Verbandszuständigkeit als auch die örtliche Zuständigkeit besitzt.
48Das Aufenthaltsgesetz enthält keine bundesrechtliche Regelung der Verbandszuständigkeit bzw. örtlichen Zuständigkeit. Insbesondere fehlt eine § 60 Abs. 3 S. 3 und 5 AsylVfG n.F. entsprechende bundesrechtliche Regelung der Zuständigkeit der Landesbehörde des aufnehmenden Landes bei einem länderübergreifenden Wohnsitzwechsel bzw. der Ausländerbehörde des Zuzugsortes bei einem landesinternen Wohnsitzwechsel im Falle einer asylrechtlichen Wohnsitzauflage nach § 60 Abs. 1 bzw. Abs. 2 S. 1 AsylVfG n.F.
49Deswegen ist bei einem länderübergreifenden Wohnsitzwechsel im Falle einer aufenthaltsrechtlichen Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d S. AufenthG – wie hier – die zuständige Behörde in zwei Schritten zu bestimmen. In einem ersten Schritt ist festzustellen, welches Bundesland die Verbandskompetenz zur Sachentscheidung besitzt (Aufgabenzuweisung an ein bestimmtes Land). Diese Frage ist, wenn – wie hier – keine speziellen koordinierten landesrechtlichen Kompetenzregelungen vorliegen, durch entsprechende Anwendung der mit § 3 VwVfG übereinstimmenden Regelungen über die örtliche Zuständigkeit in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder zu beantworten. Aus § 4 Abs. 1 OBG NRW kann eine länderübergreifende Zuständigkeitsregelung nicht abgeleitet werden, da dem Land Nordrhein-Westfalen für eine einseitige länderübergreifende abdrängende Zuständigkeitsregelung die Verbandskompetenz fehlt. In einem zweiten Schritt ist auf der Grundlage des Landesrechts des zur Sachentscheidung befugten Bundeslandes zu ermitteln, welche Behörde innerhalb des Landes örtlich zuständig ist.
50Vgl. grundlegend zur Bestimmung der Zuständigkeit im Aufenthaltsrecht: BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 1 C 5.11 -, BVerwGE 142, 195 = juris, Rn. 17 ff.
51Dies zugrunde gelegt ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a VwVfG NRW das Land Nordrhein-Westfalen für die Behandlung der aufenthaltsrechtlichen Angelegenheit des Klägers zuständig. Nach dieser Vorschrift ist in Angelegenheiten, die eine natürliche Person betreffen, die Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder zuletzt hatte.
52Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist im Verwaltungsverfahrensgesetz NRW nicht näher umschrieben. Insoweit kann auf die Legaldefinition in § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I zurückgegriffen werden, jedoch mit der Maßgabe, dass der unbestimmte Rechtsbegriff unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck sowie Regelungszusammenhang der jeweiligen Normen auszulegen ist. Nach dieser Vorschrift hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Danach ist zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts ein dauerhafter oder längerer Aufenthalt nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, dass der Betreffende sich an dem Ort oder in dem Gebiet „bis auf weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhält und dort den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat. Als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung setzt dies einen – zumindest kurzfristigen – tatsächlichen Aufenthalt an einem bestimmten Ort voraus.
53Vgl. BVerwG, Urteile, vom 2. April 2009 - 5 C 2/08 -, BVerwGE 133, 320 = juris, Rn. 22; vom 7. Juli 2005 - 5 C 9.04 -, NVwZ 2006, 97 = juris, Rn. 16 ff.; vom 26. September 2002, - 5 C 46.0 1, 5 B 37/5 B 37/01 -, NVwZ 2003, 616 = juris, Rn. 19 vom 18. März 1999 - 5 C 11.98 -, NVwZ-RR 1999, 583 = juris, Rn. 15 ff.
54Die Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts bestimmt sich nicht nach dem inneren Willen des Betroffenen, sondern erfordert eine in die Zukunft gerichtete Prognose, die alle in Betracht kommenden Umstände berücksichtigt.
55Vgl. BVerwG, Urteile, vom 2. April 2009 - 5 C 2/08 -, BVerwGE 133, 320 = juris, Rn. 22; Urteil vom 4. Juni 1997 - 1 C 25.96 -, NVwZ-RR 1997,751 = juris, Rn. 16.
56Neben den tatsächlichen Verhältnissen gehören dazu auch ausländerrechtliche Regelungen, die den Verbleib eines Ausländers an einem bestimmten Ort beeinflussen. Das sind beispielsweise asylrechtliche oder aufenthaltsrechtliche Zuweisungsentscheidungen, räumliche Beschränkungen oder auch Wohnsitzauflagen, aus deren gesetzlichen Regelungen sich unmittelbar ergibt, dass der Aufenthalt des Ausländers außerhalb des Bereichs des Zuweisungsortes, der Aufenthaltsbeschränkung oder der Wohnsitzauflage nur vorübergehend ist.
57Vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. April 2014 - OVG 3 B 33.11 -, juris Rn. 6 und 30; OVG Hamburg, Beschluss vom 27. August 2012 - 5 BS 178/12 -, juris, Rn. 13; ebenso: Funke-Kaiser, in GK-AufenthG, a.a.O., § 61, Rn. 57 m.w.N.
58Davon ausgehend hat der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Soweit man dies nicht annehmen wollte, hatte er dort jedenfalls zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt.
59Der Kläger hat sich nach seiner Einreise ins Bundesgebiet entsprechend der Zuweisung im Rahmen des Asylverfahrens in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten begeben und am Zuweisungsort X. in einer Asylbewerberunterkunft Wohnsitz genommen. Den damit begründeten gewöhnlichen Aufenthalt hat der Kläger in der Folgezeit auch nicht aufgegeben. Zwar hält er sich seit der Einreise seiner Ehefrau und seines älteren Sohnes im Juni 2012 sowie insbesondere seit der Geburt seines jüngeren Sohnes im November 2013 tatsächlich ganz überwiegend im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen auf und wohnt während seines Aufenthalts dort auch bei seiner Familie. Aufgrund der seiner Duldung beigefügten und heute kraft Gesetzes fortbestehenden Wohnsitzauflage war und ist er jedoch verpflichtet, in der Gemeinde X. Wohnsitz zu nehmen. Die Aufenthalte in Rheinland-Pfalz sind ihm bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung von asylsuchenden und geduldeten Ausländern zum 1. Januar 2015 vom Beklagten lediglich auf der Grundlage von zeitlich befristeten Verlassenserlaubnissen gestattet worden. Deswegen kehrte und kehrt der Kläger auch heute noch nach Wegfall der räumlichen Beschränkung auf das Land Nordrhein-Westfalen seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung zufolge regelmäßig in den Bezirk des Beklagten zurück, um dort seine aufenthaltsrechtlichen (u.a. Verlängerung der Duldungen) und sozialrechtlichen (u.a. Ausstellung von Krankenscheinen) Angelegenheiten zu regeln oder auch Arzttermine wahrzunehmen. Der Kläger bezieht von der Gemeinde X. weiterhin Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (vgl. § 10a AsylbLG), auch wird dort für ihn nach wie vor ein Platz in einem Wohncontainer vorgehalten. Diese, wenn auch nur kurzfristigen, tatsächlichen Aufenthalte des Klägers im Zuständigkeitsbereich des Beklagten reichen für die Annahme eines fortbestehenden gewöhnlichen Aufenthalts im Bezirk des Beklagten aus.
60Vgl. ebenso: BVerwG, Urteil vom 26. September 2002, - 5 C 46.0 1, 5 B 37/5 B 37/01 - juris, Rn. 19, wonach zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts zumindest ein kurzfristiger tatsächlicher Aufenthalt an einem bestimmten Ort erforderlich ist.
61Sein fehlender Domizilwille wird dabei ebenso durch die aufenthaltsrechtliche Wohnsitzauflage überwunden wie die Tatsache, dass der Schwerpunkt seiner persönlichen Lebensbeziehungen inzwischen in T. /Rheinland-Pfalz bei seiner Familie liegt.
62Ferner spricht auch der Zweck der gesetzlichen Wohnsitzauflage für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist, dafür, dass die Ausländerbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich die Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d S. 1 AufenthG entstanden ist, Ausländerbehörde des gewöhnlichen Aufenthalts im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a VwVfG NRW i.V.m. § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I ist und bleibt. Die Wohnsitzauflage soll nämlich dadurch, dass Sozialleistungen lediglich an dem Wohnort erbracht werden, auf den sich die Wohnsitzauflage bezieht (vgl. § 10a AsylbLG), die gerechte Verteilung der Sozialkosten zwischen den Ländern gewährleisten. Insbesondere sollen geduldete Ausländer, die unter Verstoß gegen eine Wohnsitzauflage in ein anderes Bundesland umziehen, dort keine Ansprüche nach dem Asylbewerberleistungsgesetz gelten machen können (vgl. BT-Drs. 18/3144, S. 9 f.). Dieser Zweck würde jedoch nicht in gleicher Weise erreicht, wenn geduldete Ausländer durch einen auflagewidrigen Umzug in ein anderes Bundesland selbst die Zuständigkeit der Ausländerbehörde des tatsächlichen Aufenthaltsorts begründen und dadurch ihren auflagewidrigen Aufenthalt ggf. verfestigen könnten. Dementsprechend ist der Ort eines illegalen Aufenthalts regelmäßig – und so auch hier – unabhängig davon, seit wann der Ausländer sich dort in der Absicht aufhält, auf Dauer zu bleiben – nicht als gewöhnlicher Aufenthalt anzusehen.
63Vgl. ebenso zu § 15a AufenthG: OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. April 2014 - OVG 3 B 33.11 -, juris, Rn. 6 und 30; zum gewöhnlichen Aufenthalt: OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 29. März 2006 ‑ 7 B 19291/06 -, juris, Rn. 3, und vom 16. Januar 2004 - 10 B 11661/03 -, juris, Rn. 5; für eine Zuständigkeit der Ausländerbehörde des bisherigen Wohnortes nach der neuen Rechtslage auch: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. Januar 2015 - 2 O 1/5 -, juris, Rn. 8; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, a.a.O., § 61 Rn. 94.
64Selbst wenn man dies anders sehen und annehmen wollte, dass der Kläger wegen seines überwiegenden tatsächlichen Aufenthalts in T. /Rheinland-Pfalz als Schwerpunkt seiner persönlichen Lebensbeziehungen den gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten aufgegeben hat, hätte er in Rheinland-Pfalz jedoch keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Denn wegen der fortbestehenden Wohnsitzauflage für die Gemeinde X. ist nicht davon auszugehen, dass er sich in Rheinland-Pfalz „bis auf weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibs aufhielt. Die auflagenwidrigen Wohnsitznahme dort konnte jederzeit vom Beigeladenen ausländerrechtlich durch entsprechende Ordnungsverfügungen und bei Nichtbefolgung durch Anwendung von Verwaltungszwang beendet werden. Dass der Beigeladene dies trotz Kenntnis vom tatsächlichen Aufenthalt des Klägers in seinem Zuständigkeitsbereich in der Vergangenheit nicht getan hat, rechtfertigte nicht die Annahme, dass dies auch künftig so bleiben würde, zumal der Beigeladene einem Zuzug des Klägers in seinen Zuständigkeitsbereich durchgängig, auch im Rahmen des Klageverfahrens widersprochen hat. Hätte der Kläger demnach gegenwärtig weder im Zuständigkeitsbereich des Beklagten (mehr) noch im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen (wieder) einen gewöhnlichen Aufenthalt, käme es nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 a, 2. Alternative VwVfG NRW darauf an, wo der Kläger zuletzt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies war bis zur Einreise der Familie des Klägers jedoch im Zuständigkeitsbereich des Beklagten.
65Innerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen ist der Beklagte als Ausländerbehörde, auf deren Bezirk sich die Wohnsitzauflage erstreckt, auch örtlich zuständig, weil in seinem Bezirk Anlass zum aufenthaltsrechtlichen Handeln besteht und damit die zu schützenden Interessen im Sinne des § 4 Abs. 1 OBG NRW verletzt oder gefährdet werden.
662. Der Kläger hat auch einen Anspruch darauf, dass die Wohnsitzauflage auf die Verbandsgemeine T. /Rheinland-Pfalz im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen geändert wird.
67Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch bildet § 61 Abs. 1d S. 3 AufenthG. Nach dieser Vorschrift kann die Ausländerbehörde die Wohnsitzauflage von Amts wegen oder auf Antrag des Ausländers ändern. Hierbei sind die Haushaltsgemeinschaft von Familienangehörigen oder sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht zu berücksichtigen.
68Die Änderung der Wohnsitzauflage erfolgt danach im Wege einer Einzelfallentscheidung. Sie steht im Ermessen der Ausländerbehörde („kann“). Bei der Ausübung des Ermessens hat die Ausländerbehörde das mit der gesetzlich angeordneten Wohnsitzauflage verfolgte öffentliche Interesse an einer gerechten Verteilung der Sozialkosten zwischen den Ländern einerseits (vgl. BT-Drs. 18/3144, S. 9 f.) und die persönlichen Belange des betroffenen Ausländers andererseits zu gewichten und gegeneinander abzuwägen. Als zu berücksichtigende Belange auf Seiten des Ausländers werden in § 61 Abs. 1d S. 3, 2. Halbs. AufenthG insbesondere seine Beziehungen zu Familienangehörigen, mit denen er in Haushaltsgemeinschaft lebt oder leben will, genannt. Damit wird – ebenso wie mit den Regelungen der § 15a Abs. 1 S. 6 und Abs. 4 S. 3 AufenthG, §§ 50 Abs. 4 S. 5, § 51 Abs. 1 AsylVfG im Rahmen der aufenthaltsrechtlichen und asylrechtlichen Verteilungsverfahren – Art. 6 Abs. 1 und 2 GG Rechnung getragen, der als wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde verpflichtet, bei jeder ausländerrechtlichen Entscheidung die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen.
69Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. Mai 2011 - 2 BvR 2625/10 -, juris, Rn. 13 ff., vom 27. August 2010 - 2 BvR 130/10 -, NVwZ 2011, 35 = juris, Rn. 40 ff., und vom 4. Dezember 2007 2 BvR 2341/06 -, Inf-AuslR 2008, 239 = juris, Rn. 6 ff.
70Im vorliegenden Fall ist das ausländerbehördliche Ermessen aufgrund der familiären Bindungen des Klägers dahingehend „auf Null“ reduziert, dass die Änderung der Wohnsitzauflage im Sinne des Klägers die einzig rechtmäßige Entscheidung darstellt.
71Die begehrte Änderung der Wohnsitzauflage dient hier der Herstellung und Wahrung der von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG geschützten familiären Lebensgemeinschaft. Aufgrund der vorgelegten Urkunde über die Vaterschaftsanerkennung steht fest, dass der Kläger jedenfalls Vater des am 8. November 2013 im Bundesgebiet geborenen Kindes E. ist (vgl. §§ 1592 Nr. 2, 1594, 1595 Abs. 1, 1597 Abs. 1 BGB). Vor diesem Hintergrund kann dahin gestellt bleiben, ob auch von einer rechtsgültigen Ehe mit Frau H. und der Vaterschaft des Klägers für die in Armenien geborenen Kinder M. und W. auszugehen ist. Dies ist zwar bisher nicht durch Personenstandsurkunden nachgewiesen worden, da der Kläger lediglich eine Kopie der armenischen Heiratsurkunde mit deutscher Übersetzung und keine Geburtsurkunden für diese beiden Kinder vorgelegt hat. Allerdings haben bisher auch weder der Beklagte noch der Beigeladene substantiiert durchgreifende Zweifel an der Wirksamkeit der Ehe sowie der Vaterschaft des Klägers aufgezeigt.
72Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung lassen bereits die familiären Bindungen des Klägers zu seinem knapp eineinhalb jährigen Sohn E. das öffentliche Interesse an einer gerechten Lastenverteilung zurücktreten. Die familiären Bindungen des Klägers wiegen deshalb besonders schwer, weil hier der Schutz der familiären Lebensgemeinschaft zwischen einem Vater und seinem minderjährigem Kleinkind in Rede steht. Wird die Änderung der Wohnsitzauflage – wie hier – zum Zweck der Herstellung der Familieneinheit von Eltern und ihren minderjährigen Kindern begehrt, kann eine solche Änderung im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 und 2 GG in der Regel nicht ermessensfehlerfrei abgelehnt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Familientrennung bereits seit längerer Zeit andauert und weder eine Aufenthaltsbeendigung eines beteiligten Familienmitglieds noch eine freiwillige Ausreise unmittelbar bevorstehen.
73Vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22. Januar 2015 - 2 O 1/5 -, juris, Rn. 9; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, a.a.O., § 61, Rn. 60 f.
74Denn das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kinder ist besonders schutzbedürftig. Dies gilt umso mehr, wenn es sich – wie hier – um ein Kleinkind handelt, bei dem sich bereits eine verhältnismäßig kurze Trennungszeit im Lichte von Art. 6 Abs. 2 GG regelmäßig als unzumutbar lang darstellt, weil die Entwicklung von Kleinkindern schnell voranschreitet und diese den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen können und diesen als endgültigen Verlust erfahren. Bei einer Vater-Kind-Beziehung kommt hinzu, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters auch nicht durch die Betreuung des Kindes durch die Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes hat.
75Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Dezember 2008 - 2 BvR 1830/08 -, juris, Rn. 29 und 33; vom 23. Januar 2006 - 2 BvR 1935/05 -, NVwZ 2006, 682 = juris, Rn. 17 und 22; vom 31. August 1999 - 2 BvR 1523/99 -, NVwZ 2000, 59 = juris, Rn. 7 und 10.
76Die Änderung der Wohnsitzauflage ist ferner auch deswegen geboten, weil die Familientrennung bereits seit längerer Zeit andauert und weder eine Aufenthaltsbeendigung eines beteiligten Familienmitglieds noch eine freiwillige Ausreise unmittelbar bevorstehen. Die Trennung zwischen Vater und Sohn besteht im Grundsatz seit dessen Geburt Anfang November 2013. Daran ändert auch nichts, dass der Beklagte dem Kläger bis zur Änderung der Rechtslage zu Beginn dieses Jahres mit der fortlaufenden Erteilung von Verlassenserlaubnissen tatsächlich den Aufenthalt bei seiner Familie im Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen ermöglicht hat. Denn die lediglich befristeten Verlassenserlaubnisse führten dazu, dass der Kläger aufgrund der fortbestehenden Wohnsitzauflage für die Gemeinde X. gezwungen war, regelmäßig zur Verlängerung der Erlaubnis bzw. seiner Duldung in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten zurückzukehren. Die Situation hat sich auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsstellung asylsuchender und geduldeter Ausländer zum 1. Januar 2015 nicht geändert. Denn der Kläger ist nach wie vor gezwungen, zur Regelung seiner ausländerrechtlichen (u.a. Verlängerung der Duldungen) und sozialrechtlichen Angelegenheiten (Asylbewerberleistungen einschließlich der Kosten für seine Krankenbehandlungen) regelmäßig in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten zurückzukehren. Dieser Zustand ist der Familie nicht länger zuzumuten und vom Gesetzgeber mit der gesetzlichen Neuregelung durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung asylsuchender und geduldeter Ausländer im Bundesgebiet auch ersichtlich nicht gewollt. Dies gilt insbesondere auch mit Blick auf die durch die regelmäßig erforderlichen Reisen anfallenden, nicht unerheblichen Fahrtkosten, die der Familie für die Bestreitung ihres Lebensunterhalts fehlen.
77Eine Beendigung des Aufenthalts oder eine freiwillige Ausreise der Familie des Klägers stehen in absehbarer Zeit ebenfalls nicht bevor. Denn das Bundesamt hat über die Asylanträge der Ehefrau und der drei Kinder des Klägers bis heute nicht entschieden. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet ist daher für die Dauer des Asylverfahrens kraft Gesetzes gestattet (vgl. § 55 Abs. 1 AsylVfG). Dies gilt nach Ablauf der Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren und Durchführung eines nationalen Asylverfahrens insbesondere auch für die Ehefrau und den älteren Sohn des Klägers. Wann mit einer Entscheidung des Bundesamtes zu rechnen ist, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt, zumal in Anbetracht der erheblichen Arbeitsbelastung des Bundesamtes infolge der stark gestiegenen Zahl von Asylanträgen u.a. von serbischen und kosovarischen Staatsangehörigen, nicht absehbar. Im Übrigen stünde der Ehefrau und den Kindern des Klägers auch im Falle einer ablehnenden Entscheidung des Bundesamtes hiergegen noch gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung, wobei die voraussichtliche Dauer eines gerichtlichen Verfahrens sich derzeit ebenfalls nicht abschätzen lässt. Halten sich die Ehefrau und die Kinder des Klägers im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung aufgrund der gesetzlichen Aufenthaltsgestattung jedoch rechtmäßig im Bundesgebiet auf, können sie – entgegen der Ansicht des Beigeladenen – gegenwärtig auch nicht auf eine freiwillige Ausreise zusammen mit dem vollziehbar ausreisepflichtigen Kläger und damit auf eine Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft im Heimatland verwiesen werden.
78Unter diesen Umständen steht auch eine Aufenthaltsbeendigung des Klägers in nächster Zeit nicht bevor. Zum einen ist dessen Abschiebung vom Beklagten derzeit noch bis zum 24. August 2015 ausgesetzt. Zum anderen dürfte ihm auch künftig, jedenfalls solange die Asylverfahren seiner Ehefrau und Kinder noch nicht unanfechtbar bzw. vollziehbar abgeschlossen sind, nach wie vor ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 und 2 GG bzw. § 43 Abs. 3 AsylVfG zustehen.
79Die Anwendung der zuletzt genannten Vorschrift scheidet – entgegen der Ansicht des Beigeladenen – insbesondere nicht deswegen aus, weil die Ehefrau und die Kinder des Klägers nicht unverzüglich nach der Einreise des Klägers einen Asylantrag gestellt haben. Nach § 43 Abs. 3 AsylVfG darf die Ausländerbehörde in dem Fall, dass Familienangehörige im Sinne des § 26 Abs. 1 bis 3 AsylVfG gleichzeitig oder jeweils unverzüglich nach ihrer Einreise einen Asylantrag gestellt haben, die Abschiebung vorübergehend aussetzen, um die gemeinsame Ausreise der Familie zu ermöglichen. Damit stellt die Vorschrift bei getrennter Einreise für die Unverzüglichkeit der Asylantragstellung auf die eigene Einreise bzw. dieser gleichstehend die Geburt des jeweiligen Familienangehörigen und nicht des zuerst eingereisten Familienangehörigen ab. Bei getrennter Einreise – wie hier – schaden daher auch erhebliche Zeitabstände nicht. Der spätere Asylantrag muss nur ohne schuldhaftes Zögern nach der jeweiligen Einreise bzw. Geburt gestellt sein,
80vgl. Bergmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt Ausländerrecht, 10. Aufl., § 43 Rn. 6,
81was hier bei allen Familienangehörigen des Klägers der Fall ist. Der Asylantrag des Sohnes E. galt insoweit nach der Anzeige der Geburt durch den Beigeladenen gemäß § 14a Abs. 2 S. 3 AsylVfG als gestellt.
82Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob eine Aussetzung der Abschiebung des Klägers derzeit auch mit Blick auf seinen psychischen Gesundheitszustand gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 GG zu erfolgen hat, obwohl er sich nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung seit September 2014 nicht mehr in psychiatrischer Behandlung befunden und erst im Juni 2015 wieder einen Termin bei einem Psychiater/Neurologen in C. hat.
83Schließlich stellt der Zuzug des Klägers in den Zuständigkeitsbereich des Beigeladenen auch unter Berücksichtigung der ursprünglichen Verteilungsregelung den geringsten Eingriff in die Kostenbelastung der beteiligten Rechtsträger dar. Denn die Lastenverteilung unter den Ländern wird am wenigsten berührt, wenn der allein lebende und erwerbslose Kläger zu seinen Familienangehörigen zieht und nicht etwa umgekehrt seine Familienangehörigen zu ihm.
843. Der Änderung der Wohnsitzauflage im begehrten Sinne durch den Beklagten steht auch nicht die verweigerte Zustimmung der Beigeladenen entgegen.
85Das Aufenthaltsgesetz sieht für die Änderung der gesetzlichen Wohnsitzauflage kein rechtlich verbindliches Beteiligungserfordernis im Sinne eines mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts mit der Folge vor, dass diese nur mit Zustimmung der Ausländerbehörde des Zuzugsortes vorgenommen werden kann und die Ausländerbehörde des bisherigen Wohnortes im Falle der Verweigerung der Zustimmung an einer Änderung der Wohnsitzauflage gehindert wäre.
86Der insoweit allein in Betracht zu ziehenden Regelung des § 72 Abs. 3 S. 1 AufenthG lässt sich ein solches Beteiligungserfordernis nicht entnehmen. Nach dieser Vorschrift dürfen räumliche Beschränkungen, Auflagen und Bedingungen, Befristungen nach § 11 Abs. 1 S. 3 AufenthG, Anordnungen nach § 47 AufenthG und sonstige Maßnahmen gegen einen Ausländer, der nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels ist, von einer anderen Behörde nur im Einvernehmen mit der Behörde geändert oder aufgehoben werden, die die Maßnahme angeordnet hat. Die Vorschrift erfasst nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur räumliche Beschränkungen und Auflagen, die aufgrund einer behördlichen Anordnung im Einzelfall, d.h. in Form eines Verwaltungsakts, ergangen sind, nicht aber kraft Gesetzes bestehende räumliche Beschränkungen oder Auflagen, wie sie hier mit der Wohnsitzauflage nach § 61 Abs. 1d S. 1 AufenthG in Rede steht. Darüber hinaus verlangt sie nur ein Einvernehmen der Ausländerbehörde, die den jeweiligen Verwaltungsakt – hier die Wohnsitzauflage – erlassen hat, und nicht der Ausländerbehörde des Zuzugsortes.
87Vgl. ebenso: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Januar 2015 - 2 O 1/5 -, juris, Rn. 10; OVG NRW, Beschluss vom 29. November 2005 - 19 B 2364/03 -, InfAuslR 2006, 64 = juris, Rn. 50 ff.
88Soweit in Nr. 12.2.5.2.4.3 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AVwV-AufenthG) bestimmt ist, dass die Ausländerbehörde des bisherigen Wohnortes die wohnsitzbeschränkende Auflage erst dann streichen oder ändern darf, wenn die Zustimmung der Ausländerbehörde des Zuzugsortes vorliegt, steht dies einer Änderung der Wohnsitzauflage durch den Beklagten ebenfalls nicht entgegen. Denn diese rein verwaltungsintern wirkenden und an die nachgeordneten Behörden gerichteten Verwaltungsvorschriften, an die die Verwaltungsgerichte nicht gebunden ist, vermögen als reines Innenrecht die bestehende Rechtslage, die einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt gerade nicht vorsieht, nicht zu ändern. Insbesondere können sie auch einem – wie dargelegt – nach materiellem Recht bestehenden Anspruch auf Änderung der Wohnsitzauflage gemäß § 61 Abs. 1d S. 3 AufenthG nicht entgegenstehen.
89Vgl. ebenso: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. Januar 2015 - 2 O 1/5 -, juris, Rn. 10.
90Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen kommt nicht in Betracht, da dies nicht der Billigkeit entspricht. Denn der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
91Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.