Verwaltungsgericht Köln Urteil, 13. Juli 2015 - 10 K 1132/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Beitrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises.
3Der Kläger wurde am 00.00.1962 in Kapstadt/ Südafrika geboren. Er stammt väterlicherseits von dem am 00.00.1906 in Berlin geborenen L. C. H. U. ab. Der Vater war im Jahre 1937 in das seinerzeit unter südafrikanischer Mandatsverwaltung stehende Südwestafrika/ das heutige Namibia ausgewandert. Der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein hatte ihm im Jahre 1960 einen Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt.
4Der Kläger erhielt von deutschen Stellen im Jahre 1982 einen Staatsangehörigkeitsausweis sowie in den Jahren 1986 und 1991 Pässe. Der im Jahre 1991 ausgestellte Pass war gültig bis 2001.
5Am 22. April 1993 wurde dem Kläger eine im Auftrag des namibischen Innenministeriums gefertigte Staatsangehörigkeitsurkunde ausgehändigt. In dem „CERTIFICATE OF REGISTRATION FOR NAMIBIAN CITIZENSHIP BY REGISTRATION“, ausgestellt nach „Section 4 of the Namibian Citizenship Act, 1990“, heißt es: „Der Innenminister hat die Freude, D. F. I. U. diese Urkunde zu verleihen und zu verkünden, dass der Inhaber dieser Urkunde von jetzt an namibischer Staatsangehöriger durch Registrierung sein soll.“
6Die Deutsche Botschaft Windhuk/ Namibia erteilte dem Kläger im Oktober 1997 sowie in den Jahren 2002 und 2007 Visa, gültig für die Schengener Staaten. Die 1997 und 2002 erteilten Visa waren für ein Jahr gültig, das 2007 erteilte Visum für drei Jahre.
7Die Verwaltungsgemeinschaft Röthenbach/ Allgäu stellte dem Kläger im Jahre 2001 einen bis 2011 gültigen Pass aus.
8Im August 2009 sprach der Kläger bei der Deutschen Botschaft Windhuk zum Zwecke der Neuausstellung seines Passes vor. Die Botschaft äußerte bei dieser Vorsprache Zweifel an dem Fortbestehen seiner deutschen Staatsangehörigkeit. Sie teilte ihm mit, dass er seine deutsche Staatsangehörigkeit angesichts seiner Geburt in Kapstadt durch den Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit möglicherweise verloren habe.
9Der Kläger beantragte daraufhin im November 2009 beim Bundesverwaltungsamt die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Im Rahmen der Antragstellung machte er folgende Angaben: Er sei durch Geburt deutscher und südafrikanischer Staatsangehöriger gewesen. Nach der am 21. März 1990 erfolgten Unabhängigkeit Namibias habe er die südafrikanische Staatsangehörigkeit aufgegeben und die namibische Staatsangehörigkeit angenommen. Er habe zum Zeitpunkt des Staatsangehörigkeitserwerbs in Namibia gelebt. Er habe nicht damit gerechnet, dass der Erwerb Auswirkungen auf seine deutsche Staatsangehörigkeit haben würde. Sollte es tatsächlich zu einem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit gekommen sein, habe er diese jedenfalls mittlerweile durch Ersitzung wiedererworben.
10Das Bundesverwaltungsamt lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 6. Juli 2012, zugestellt am 13. Juli 2012, ab. Zur Begründung führte es an: Es sei zwar davon auszugehen, dass der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt nach § 4 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG) in der zum Zeitpunkt seiner Geburt geltenden Fassung nach seinem Vater erworben habe. Er habe die deutsche Staatsangehörigkeit aber am 22. April 1993 gemäß § 25 Abs. 1 RuStAG in der damals geltenden Fassung durch den Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit verloren. Der Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit sei auf Antrag des Klägers erfolgt. Dies ergebe sich aus der namibischen Staatsangehörigkeitsurkunde, die als Rechtsgrundlage für die Registrierung des Klägers als namibischen Staatsangehörigen „Section 4 of the Namibian Citizenship Act, 1990“ nenne. Diese Vorschrift regele den Staatsangehörigkeitserwerb durch Registrierung auf Antrag. Der Kläger habe zum Zeitpunkt des Erwerbs der namibischen Staatsangehörigkeit weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt in Deutschland gehabt. Er habe nicht gemäß § 25 Abs. 2 RuStAG eine Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten. Der Kläger habe die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 3 Abs. 2 StAG durch Ersitzung wiedererworben. Er sei nicht seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden. Die Deutschenbehandlung habe nur acht Jahre angedauert. Sie habe mit der Neuausstellung des Passes im Jahre 2001 begonnen und mit der von der Deutschen Botschaft Windhuk im August 2009 geäußerten Zweifel an der deutschen Staatsangehörigkeit geendet. Für den Zeitraum von 1993 bis 2001 lägen keine Nachweise über eine Deutschenbehandlung vor. Die von der Deutschen Botschaft Windhuk erteilten Visa für die Schengener Staaten schieden als Nachweise aus, weil deutsche Staatsangehörige entsprechende Visa nicht benötigten.
11Der Kläger erhob dagegen am 13. August 2012 Widerspruch und begründete diesen wie folgt: Er habe die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 25 Abs. 1 RuStAG verloren, weil er keinen Antrag auf Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit gestellt habe. Der Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit sei automatisch (durch Registrierung) erfolgt, nachdem er die südafrikanische Staatsangehörigkeit aufgegeben habe. Die Aufgabe der südafrikanischen Staatsangehörigkeit sei geboten gewesen, weil auf dem Gebiet des heutigen Namibias lebende südafrikanische Staatsangehörige nach der Unabhängigkeit Namibias angefeindet und an Leib und Leben bedroht worden seien. Das Bundesverwaltungsamt sei beweispflichtig dafür, dass er einen Antrag auf Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit gestellt habe. Es habe diesen Beweis bislang nicht erbracht. Er habe die deutsche Staatsangehörigkeit jedenfalls nach § 3 Abs. 2 StAG wiedererworben, da er mehr als zwölf Jahre von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden sei. Eine Deutschenbehandlung habe auch von 1993 bis 2001 stattgefunden. Sein im Jahre 1991 ausgestellter Pass sei ihm nach dem im Jahre 1993 erfolgten Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit nicht entzogen worden. Die Verwaltungsgemeinschaft Röthenbach/ Allgäu habe durch die Neuausstellung des Passes im Jahre 2001 deutlich gemacht, keine Bedenken hinsichtlich des Fortbestandes seiner deutschen Staatsangehörigkeit nach 1993 zu haben. Die von der Deutschen Botschaft Windhuk erteilten Visa für die Schengener Staaten hätten allein aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit einen ein- bzw. dreijährigen Gültigkeitszeitraum gehabt. Die Visa seien normalerweise nur für drei Monate gültig. Ihm sei noch im Jahre 2010 eine amtliche Wahlbenachrichtigung für den Volksentscheid zum Nichtraucherschutzgesetz (vgl. Blatt 145 des Verwaltungsvorgangs) zugegangen. Der Kläger beantragte vorsorglich die Einbürgerung nach § 13 StAG.
12Das Bundesverwaltungsamt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2014, zugestellt am 23. Januar 2014, zurück. Zur Begründung führte es ergänzend an: Es sei davon überzeugt, dass der Kläger die namibische Staatsangehörigkeit auf Antrag erworben habe. Eine Registrierung als namibischer Staatsangehöriger sei nur auf Antrag der betreffenden Person möglich. Der Kläger trage nichts Belastbares dazu vor, dass er gezwungen gewesen sei, die namibische Staatsangehörigkeit zu erwerben. Für einen Wiedererwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Ersitzung sei nach wie vor nichts ersichtlich. Das Belassen des im Jahre 1991 rechtmäßig ausgestellten Passes sei keine Deutschenbehandlung im Sinne des Ersitzungstatbestandes. Die amtliche Wahlbenachrichtigung für den Volksentscheid zum Nichtraucherschutzgesetz aus dem Jahre 2010 sei offenbar allein aufgrund des im Jahre 2001 unrechtmäßig ausgestellten Passes versandt worden.
13Der Kläger hat dagegen am Montag, den 24. Februar 2014, Klage erhoben.
14Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor: Er sei zwar in Kapstadt/ Südafrika geboren, habe aber sein gesamtes Leben auf dem Gebiet des heutigen Namibias verbracht. Nach der Unabhängigkeit Namibias im Jahre 1990 habe er mit dem Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit seine südafrikanische Staatsangehörigkeit gegen die namibische Staatsangehörigkeit austauschen wollen. Es sei nicht seine Intention gewesen, eine zusätzliche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Er habe nicht wissen können, dass er durch den Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit möglicherweise seine deutsche Staatsangehörigkeit verlieren werde.
15Er fühle sich als Deutscher. Deutschland sei seine Heimat. Er habe Grundbesitz in Deutschland und verbringe in Deutschland viel Zeit. Er betreibe in Namibia ein Safari-Unternehmen, das er in Deutschland vermarkte. Er trage Sorge dafür, dass die deutschen Urlauber in Namibia einen sicheren Aufenthalt hätten.
16Der Kläger beantragt,
17die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 6. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2014 zu verpflichten, ihm einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen,
18die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor: Das nunmehr vorgetragene Motiv eines Austauschs der südafrikanischen gegen die namibische Staatsangehörigkeit könne nichts an der gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolge des § 25 Abs. 1 RuStAG ändern. Im Übrigen dürfte bereits die Annahme des Klägers, er sei zum Zeitpunkt des Erwerbs der namibischen Staatsangehörigkeit noch im Besitz der südafrikanischen Staatsangehörigkeit gewesen, unzutreffend sein. Er dürfte seine südafrikanische Staatsangehörigkeit aufgrund seines Wohnsitzes in Namibia am Tag der Unabhängigkeit gemäß „Section 2 (1) of the South African Citizenship at Attainment of Independence by Namibia Regulation Act, 1990“ verloren haben.
22Entscheidungsgründe:
23Die Klage ist unbegründet.
24Die Ablehnung des Antrags auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
25Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 Abs. 3 Satz 1 StAG, weil nicht nachgewiesen ist, dass er deutscher Staatsangehöriger ist.
26Geht man mit den Beteiligten davon aus, dass der Kläger gemäß § 4 RuStAG durch Geburt nach seinem Vater in den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit gelangt ist, hat er die deutsche Staatsangehörigkeit jedenfalls am 22. April 1993 gemäß § 25 Abs. 1 RuStAG verloren.
27Danach verlor ein Deutscher, der im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hatte, seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag erfolgte.
28Der Kläger hat am 22. April 1993 die namibische Staatsangehörigkeit erworben. Dies geht aus der dem Kläger am vorgenannten Tag ausgehändigten Staatsangehörigkeitsurkunde hervor und ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
29Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit auf Antrag des Klägers erfolgt ist.
30Der Kläger hat die namibische Staatsangehörigkeit ausweislich seiner Staatsangehörigkeitsurkunde „by registration“, d. h. durch Registrierung, erworben. Die Voraussetzungen dieses Erwerbstatbestandes sind unmittelbar in der Verfassung der Republik Namibia geregelt. Dort heißt es in Art. 4 Abs. 4: „Personen, die gemäß der Absätze 1, 2 und 3 nicht namibische Staatsangehörige sind und die zum Zeitpunkt des Datums der Unabhängigkeit ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Namibia hatten und vor diesem Zeitpunkt für einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens fünf Jahren in Namibia ansässig gewesen waren, können die Staatsangehörigkeitdurch Registrierung [Hervorhebung nur hier] beanspruchen, sofern der Antrag auf namibische Staatsangehörigkeit gemäß diesem Absatz [Hervorhebung nur hier] innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten nach dem Datum der Unabhängigkeit gestellt wird und die betreffenden Personen vor der Stellung dieses Antrags [Hervorhebung nur hier] die Staatsangehörigkeit eines jeden anderen Landes aufgegeben haben, dessen Staatsangehörige sie sind.“ Aus dieser Vorschrift geht eindeutig hervor, dass der Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit „durch Registrierung“ nicht kraft Gesetzes erfolgt, sondern einen auf den Erwerb gerichteten Antrag erfordert. Bestätigt wird dies durch die – in der Staatsangehörigkeitsurkunde des Klägers als Rechtsgrundlage für die Registrierung genannte – Regelung in „Section 4 of the Namibian Citizenship Act, 1990“, die in ihren Absätzen 1 und 2 eine Antragstellung ebenfalls voraussetzt.
31Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass der Kläger den nach den vorgenannten gesetzlichen Bestimmungen erforderlichen Antrag auf Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit gestellt hat. Setzt der Erwerbstatbestand einen Antrag voraus und bescheinigt die zuständige Stelle dem Betroffenen den Erwerb nach diesem Tatbestand, ist von einer Antragstellung auszugehen, es sei denn, durch Vortrag und Nachweis konkreter sowie schlüssiger Umstände erweist sich ein abweichender Geschehensablauf als hinreichend wahrscheinlich.
32Vgl. VG Köln, Urt. vom 13. Februar 2008 – 10 K 4418/06 – juris Rdnr. 39.
33Letzteres ist hier nicht der Fall. Die pauschale Behauptung des Klägers, er habe keinen Antrag auf Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit gestellt, ist nicht geeignet, die Überzeugungsgewissheit des Gerichts von einer Antragstellung zu erschüttern.
34Die Kammer ist auch überzeugt davon, dass der Antrag auf Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit auf einem freien und selbstverantwortlichen Willensentschluss des Klägers beruht hat.
35Vgl. zu diesem Erfordernis etwa Marx, in: GK-StAR, § 25 Rdnr. 50 ff. (Stand: Januar 2010).
36Die Überzeugung wird nicht durch das Vorbringen des Klägers in Frage gestellt, die Aufgabe der südafrikanischen Staatsangehörigkeit und der Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit seien geboten gewesen, weil auf dem Gebiet des heutigen Namibias lebende südafrikanische Staatsangehörige nach der Unabhängigkeit Namibias angefeindet und an Leib und Leben bedroht worden seien. Das Vorbringen ist allgemein gehalten und durch nichts belegt. Der Kläger zeigt keine konkreten Anhaltspunkte für eine beachtliche Zwangslage bei dem Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit auf. Er nennt auch keine Beispielsfälle dafür, dass in Namibia lebende südafrikanische Staatsangehörige den Antrag auf Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit unter dem Druck einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben gestellt haben. Dass der Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit für den Kläger angesichts seines Lebensmittelpunktes in Namibia mit Vorteilen verbunden gewesen sein wird, lässt die Freiheit der Willensentschließung nicht entfallen.
37Vgl. etwa OVG NRW, Beschl. vom 9. Oktober 1997 – 25 A 854/94 – juris Rdnr. 16.
38Unerheblich ist, dass der Kläger nach eigenen Angaben mit dem Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit lediglich seine südafrikanische gegen die namibische Staatsangehörigkeit hat austauschen wollen, ohne zu wissen, durch den Erwerb der namibischen Staatsangehörigkeit seine deutsche Staatsangehörigkeit zu verlieren. Ein für die Verlustfolge ausreichender Antrag im Sinne des § 25 Abs. 1 RuStAG ist nicht allein deswegen zu verneinen, weil der Antragsteller den Verlust nicht wünscht, insbesondere sich über diese Folge des Erwerbs der ausländischen Staatsangehörigkeit irrt.
39Vgl. BVerwG, Urt. vom 21. Mai 1985 – 1 C 12/84 – juris Rdnr. 36; Beschl. vom 13. Oktober 2000 – 1 B 53/00 – juris Rdnr. 12.
40Ergänzend wird angemerkt, dass das südafrikanische und namibische Staatsangehörigkeitsrecht einen, um die Formulierung des Klägers aufzugreifen, „Austausch“ der südafrikanischen gegen die namibische Staatsangehörigkeit (ohne Antrag, sondern kraft Gesetzes) nur in der Konstellation vorgesehen hat, dass jemand auf dem Staatsgebiet des heutigen Namibia geboren ist (vgl. „Section 2 (1) of the South African Citizenship at Attainment of Independence by Namibia Regulation Act, 1990” und Art. 4 Abs. 1 der Verfassung der Republik Namibia).
41Der Kläger hatte zum Zeitpunkt des Erwerbs der namibischen Staatsangehörigkeit weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt im Inland.
42Er hat vor dem Erwerb keine Genehmigung nach § 25 Abs. 2 Satz 1 RuStAG zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit erhalten.
43Der Kläger hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Ersitzung gemäß § 3 Abs. 2 StAG (wieder-)erworben.
44Danach erwirbt die Staatsangehörigkeit, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat (Satz 1). Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde (Satz 2). Der Erwerb der Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen wurde (Satz 3).
45Der Kläger ist nicht über einen Zeitraum von zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden.
46Die Behandlung als deutscher Staatsangehöriger erfolgte nur über einen Zeitraum von acht Jahren. Sie begann im Jahre 2001 mit der Neuausstellung des Passes des Klägers durch die Verwaltungsgemeinschaft Röthenbach/ Allgäu und endete im August 2009, als die Deutsche Botschaft Windhuk den Kläger über ihre Zweifel an seiner deutschen Staatsangehörigkeit in Kenntnis setzte.
47In dem bloßen Belassen des im Jahre 1991 rechtmäßig ausgestellten Passes nach Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit im Jahre 1993 liegt keine Behandlung als deutscher Staatsangehöriger im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG.
48Vgl. VG Köln, Urt. vom 26. Februar 2014 – 10 K 7373/12 – juris Rdnr. 52 ff.
49Soweit die deutsche Botschaft Windhuk dem Kläger im Oktober 1997 sowie in den Jahren 2002 und 2007 Visa, gültig für die Schengener Staaten, erteilt hat, ist hierin – unabhängig von der Gültigkeitsdauer der Visa – ebenfalls keine Deutschenbehandlung zu sehen. Schengen-Visa ermöglichen Angehörigen solcher Staaten, die nicht Parteien des Schengener Übereinkommens sind, die Einreise in den und den Aufenthalt im Schengen-Raum. Da Deutschland selbst Partei des Schengener Übereinkommens ist, bedürfen deutsche Staatsangehörige solcher Aufenthaltstitel nicht.
50Unabhängig davon wäre der Kläger selbst im Falle einer Berücksichtigungsfähigkeit der erteilten Schengen-Visa nur über einen Zeitraum von elf Jahren und zehn Monaten (von Oktober 1997 bis August 2009) von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden.
51Der im Jahre 2010 an den Kläger erfolgte Versand der amtlichen Wahlbenachrichtigung für den Volksentscheid zum Nichtraucherschutzgesetz kann nicht in den Zwölfjahreszeitraum des § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG einbezogen werden. Der Versand ist zeitlich nach den von der deutschen Botschaft Windhuk geäußerten Zweifel an der deutschen Staatsangehörigkeit des Klägers erfolgt. Sobald aber dem Betreffenden von einer zuständigen deutschen Stelle Umstände zur Kenntnis gebracht werden, die zu einer anderweitigen staatsangehörigkeitsrechtlichen Bewertung – wie etwa hier dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch Antragserwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit – führen, ist sein Vertrauen in die rechtmäßige Deutschenbehandlung, das der Ersitzungstatbestand absichern will, nicht länger schutzbedürftig.
52Vgl. VG Köln, Urt. vom 4. Februar 2015 – 10 K 7733/13 – juris Rdnr. 88 ff.
53Die von dem Kläger aufgezeigten engen Bindungen an Deutschland führen zu keiner von dem zuvor Gesagten abweichenden Bewertung, können aber in dem von dem Kläger vorsorglich eingeleiteten (nicht streitgegenständlichen) Einbürgerungsverfahren nach § 13 StAG von Bedeutung sein.
54Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Begehren des Klägers, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (vgl. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO), geht angesichts seiner Kostentragungspflicht ins Leere. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Köln Urteil, 13. Juli 2015 - 10 K 1132/14
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Verwaltungsgericht Köln Urteil, 13. Juli 2015 - 10 K 1132/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag des gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19 die Entlassung beantragt werden könnte. Der Verlust nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn ein Deutscher die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, der Schweiz oder eines Staates erwirbt, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag nach § 12 Abs. 3 abgeschlossen hat.
(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten hat. Hat ein Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ist die deutsche Auslandsvertretung zu hören. Bei der Entscheidung über einen Antrag nach Satz 1 sind die öffentlichen und privaten Belange abzuwägen. Bei einem Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob er fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann.
(3) (weggefallen)
(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird erworben
- 1.
durch Geburt (§ 4), - 2.
durch Erklärung (§ 5), - 3.
durch Annahme als Kind (§ 6), - 4.
durch Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 oder 2 des Bundesvertriebenengesetzes (§ 7), - 5.
durch Einbürgerung (§§ 8 bis 16, 40b und 40c).
(2) Die Staatsangehörigkeit erwirbt auch, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen wurde. Er erstreckt sich auf Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten.
(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag des gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19 die Entlassung beantragt werden könnte. Der Verlust nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn ein Deutscher die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, der Schweiz oder eines Staates erwirbt, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag nach § 12 Abs. 3 abgeschlossen hat.
(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten hat. Hat ein Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ist die deutsche Auslandsvertretung zu hören. Bei der Entscheidung über einen Antrag nach Satz 1 sind die öffentlichen und privaten Belange abzuwägen. Bei einem Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob er fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann.
(3) (weggefallen)
(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird erworben
- 1.
durch Geburt (§ 4), - 2.
durch Erklärung (§ 5), - 3.
durch Annahme als Kind (§ 6), - 4.
durch Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 oder 2 des Bundesvertriebenengesetzes (§ 7), - 5.
durch Einbürgerung (§§ 8 bis 16, 40b und 40c).
(2) Die Staatsangehörigkeit erwirbt auch, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen wurde. Er erstreckt sich auf Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten.
Ein ehemaliger Deutscher und seine minderjährigen Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, können auf Antrag eingebürgert werden, wenn ihre Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und sie die Voraussetzungen des § 8 Absatz 1 Nummer 1 und 2 erfüllen.
(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag des gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19 die Entlassung beantragt werden könnte. Der Verlust nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn ein Deutscher die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, der Schweiz oder eines Staates erwirbt, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag nach § 12 Abs. 3 abgeschlossen hat.
(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten hat. Hat ein Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ist die deutsche Auslandsvertretung zu hören. Bei der Entscheidung über einen Antrag nach Satz 1 sind die öffentlichen und privaten Belange abzuwägen. Bei einem Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob er fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann.
(3) (weggefallen)
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit wird bei Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist. Bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses kann die Feststellung auch von Amts wegen erfolgen.
(2) Für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. § 3 Abs. 2 bleibt unberührt.
(3) Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus. Auf Antrag stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde eine Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit aus.
(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft; die Anerkennungserklärung muß abgegeben oder das Feststellungsverfahren muß eingeleitet sein, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat.
(2) Ein Kind, das im Inland aufgefunden wird (Findelkind), gilt bis zum Beweis des Gegenteils als Kind eines Deutschen. Satz 1 ist auf ein vertraulich geborenes Kind nach § 25 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes entsprechend anzuwenden.
(3) Durch die Geburt im Inland erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil
- 1.
seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und - 2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) besitzt.
(4) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird nicht nach Absatz 1 erworben bei Geburt im Ausland, wenn der deutsche Elternteil nach dem 31. Dezember 1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, das Kind würde sonst staatenlos. Die Rechtsfolge nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes ein Antrag nach § 36 des Personenstandsgesetzes auf Beurkundung der Geburt im Geburtenregister gestellt wird; zur Fristwahrung genügt es auch, wenn der Antrag in dieser Frist bei der zuständigen Auslandsvertretung eingeht. Sind beide Elternteile deutsche Staatsangehörige, so tritt die Rechtsfolge des Satzes 1 nur ein, wenn beide die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Für den Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes und nach § 15 ist die Rechtsfolge nach Satz 1 unbeachtlich.
(5) Absatz 4 Satz 1 gilt nicht
- 1.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, der die deutsche Staatsangehörigkeit nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 erworben hat, und - 2.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, wenn dieser ohne den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einen Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 gehabt hätte.
(1) Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag des gesetzlichen Vertreters erfolgt, der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen nach § 19 die Entlassung beantragt werden könnte. Der Verlust nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn ein Deutscher die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, der Schweiz oder eines Staates erwirbt, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen völkerrechtlichen Vertrag nach § 12 Abs. 3 abgeschlossen hat.
(2) Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer vor dem Erwerb der ausländischen Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag die schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde zur Beibehaltung seiner Staatsangehörigkeit erhalten hat. Hat ein Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, ist die deutsche Auslandsvertretung zu hören. Bei der Entscheidung über einen Antrag nach Satz 1 sind die öffentlichen und privaten Belange abzuwägen. Bei einem Antragsteller, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob er fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann.
(3) (weggefallen)
(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird erworben
- 1.
durch Geburt (§ 4), - 2.
durch Erklärung (§ 5), - 3.
durch Annahme als Kind (§ 6), - 4.
durch Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 oder 2 des Bundesvertriebenengesetzes (§ 7), - 5.
durch Einbürgerung (§§ 8 bis 16, 40b und 40c).
(2) Die Staatsangehörigkeit erwirbt auch, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen wurde. Er erstreckt sich auf Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die am 00.00.0000 in Coburg/ Deutschland geborene Klägerin zu 1.) ist die Mutter der am 00.00.0000 in der Türkei geborenen Klägerin zu 2.) und des am 00.00.0000 ebenfalls in der Türkei geborenen Klägers zu 3.).
3Die Klägerin zu 1.) war zum Zeitpunkt ihrer Geburt türkische Staatsangehörige. Sie wurde am 25. April 1996 vom Landratsamt Coburg unter Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit in den deutschen Staatsverband eingebürgert.
4Am 1. Mai 1997 nahm die Klägerin zu 1.) eine Beschäftigung bei der deutschen Botschaft in Ankara auf.
5Am 2. August 1997 heiratete die Klägerin zu 1.) in der Türkei den türkischen Staatsangehörigen T. E. .
6Die deutsche Botschaft in Ankara stellte der Klägerin zu 2.) am 21. August 2000 einen Kinderausweis und der Klägerin zu 1.) am 31. Mai 2002 einen Reisepass aus.
7Als die Klägerin zu 1.) im Jahre 2008 bei der Botschaft einen Kinderausweis für den Kläger zu 3.) beantragte, fiel durch einen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister (vgl. Blatt 23 des Verwaltungsvorgangs) auf, dass sie dort von dem Datum ihrer Eheschließung an bis zur Empfangnahme einer Urkunde über die Ausbürgerung aus der türkischen Staatsangehörigkeit am 15. Oktober 1999 als türkische Staatsangehörige geführt worden war. Die Botschaft hatte aufgrund dessen Zweifel am Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 1.) und forderte sie auf, ein Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren durchzuführen.
8Die Klägerin zu 1.) beantragte daraufhin über die Botschaft bei der Beklagten Ende 2009 die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises für sich, die Klägerin zu 2.) und den Kläger zu 3.). Sie füllte in dem vorformulierten Antragsvordruck der Beklagten u. a. aus, sie habe sich von ihrer Geburt bis zum Jahre 1996 in Deutschland und seitdem (1996) in der Türkei aufgehalten. Unter dem 2. Oktober 2009 gab sie gegenüber der Botschaft eine „dienstliche Erklärung“ mit folgendem Inhalt ab: Sie habe im Rahmen ihrer Eheschließung auf Geheiß des türkischen Standesbeamten eine Erklärung unterschreiben müssen, nach der sie mit wirksam erfolgter Eheschließung die Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes akzeptiere. Ihr sei angedroht worden, dass sie im Falle einer Unterschriftsverweigerung die Ehe nicht wirksam schließen könne. Da sie in Deutschland aufgewachsen und zur Schule gegangen sei, hätten ihre Türkischkenntnisse erhebliche Mängel aufgewiesen. Sie habe den Inhalt der von ihr unterschriebenen Erklärung nicht richtig verstehen und damit die rechtliche Tragweite ihres Handelns nicht überblicken können. Erst 1998 habe sie anlässlich der Ausstellung eines Auszuges aus dem türkischen Personenstandsregister gemerkt, dass sie durch die Eheschließung automatisch die türkische Staatsangehörigkeit angenommen habe. Sie sei geschockt gewesen und habe alles daran gesetzt, sich so schnell wie möglich wieder aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen zu lassen. Mit Erhalt der Ausbürgerungsurkunde sei sie sich sicher gewesen, nur noch deutsche Staatsangehörige zu sein. Als sie im Jahre 2008 im Rahmen der Beantragung des Kinderausweises für den Kläger zu 3.) erfahren habe, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit möglicherweise verloren habe, sei sie völlig fassungslos gewesen. Sie habe die ganze Zeit nie geglaubt, faktisch staatenlos zu sein. Der Ausstellung ihres Reisepasses im Jahre 2002 und der Ausstellung des Kinderausweises an die Klägerin zu 2.) im Jahre 2000 sei die Vorlage eines Auszuges aus dem türkischen Personenstandsregister vorausgegangen, der sie jeweils (nur) als deutsche Staatsangehörige ausgewiesen habe. Ihre Abmeldung aus Deutschland sei erst circa sechs Monate nach ihrer Eheschließung im Januar 1998 erfolgt. In den Monaten zwischen der Eheschließung und der Abmeldung aus Deutschland habe es die Möglichkeit gegeben, mit ihrem Ehemann auch in Deutschland zu leben und zu arbeiten. Sie sei monatelang zwischen der Türkei und Deutschland hin- und hergependelt, um sich zu entscheiden. Sie habe seinerzeit nicht gewusst, ob sie sich in der Türkei würde einleben können. Sie habe noch immer eine sehr enge Beziehung zu Deutschland und sei mit dem Zweitwohnsitz in Ebersdorf bei Coburg gemeldet. Sie wolle über kurz oder lang wieder nach Deutschland zurückkehren, um hier zu leben, zu arbeiten und sich zur Ruhe zu setzen. Ein Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit komme für sie nicht in Betracht. Sie bitte um Anerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit. Sie habe damals eine Unterschrift aus Liebe geleistet. Niemand habe sie über die Folgen belehrt. Als sie von dem Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit erfahren habe, habe sie alles in ihrer Macht stehende getan, um diesen Fehler zu korrigieren. Wegen der Einzelheiten der Erklärung wird auf Blatt 11 f. des Verwaltungsvorgangs verwiesen.
9Mit Übersendungsschreiben vom 18. November 2009 teilte die deutsche Botschaft in Ankara zu dem Antrag der Kläger Folgendes ergänzend mit: Die Klägerin zu 1.) habe am Tag der Eheschließung eine Erklärung zur Staatsangehörigkeit unterzeichnet, deren Inhalt und Tragweite ihr aufgrund ihrer mangelhaften türkischen Sprachkenntnisse nicht deutlich geworden sei. Sie sei zum Zeitpunkt der Eheschließung in Deutschland noch gemeldet gewesen und sei regelmäßig dorthin zurückgekehrt. Sie sei stets als deutsche Staatsangehörige behandelt worden. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Blatt 2 f. des Verwaltungsvorgangs verwiesen.
10Nachdem die Beklagte zuvor Auskünfte zu den Meldewohnsitzen der Klägerin zu 1.) in Deutschland eingeholt hatte, lehnte sie den Antrag auf Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen mit Bescheid vom 20. März 2012, zugestellt am 4. April 2012, ab. Zur Begründung führte sie an: Die Klägerin zu 1.) sei nicht deutsche Staatsangehörige. Sie habe die deutsche Staatsangehörigkeit am 2. August 1997 nach § 25 Abs. 1 RuStAG in der damals geltenden Fassung verloren. Sie habe im Rahmen ihrer Eheschließung gemäß Art. 5 in Verbindung mit Art. 42 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der seinerzeit geltenden Fassung die türkische Staatsangehörigkeit erworben. Der Erwerb sei auf ihren Antrag erfolgt. Nach den vorgenannten Vorschriften des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes finde der Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit nicht automatisch, sondern nur als Folge einer Willenserklärung statt. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1.) über den Inhalt und die Bedeutung des von ihr unterzeichneten Schriftstücks informiert worden sei. Andernfalls hätte sie für ihre Information Sorge tragen müssen. Eine eventuelle Unwissenheit gehe insoweit zu ihren Lasten. Sie habe am Tag der Eheschließung ihren Wohnsitz bzw. dauernden Aufenthalt nicht mehr im Inland gehabt. Vielmehr habe sie nach ihren Angaben im Rahmen der Antragstellung bereits seit 1996 in der Türkei gewohnt. Zum Zeitpunkt der Eheschließung sei sie in Deutschland nicht einmal mehr gemeldet gewesen. Soweit sie behaupte, damals zwischen der Türkei und Deutschland hin- und hergependelt zu sein, stimme dies nicht mit ihren Antragsangaben und dem Umstand überein, dass sie zum 1. Mai 1997 eine Festanstellung als Tarifbeschäftigte bei der deutschen Botschaft in Ankara erhalten habe. Die spätere melderechtliche Erfassung in Deutschland vom 1. Dezember 1997 bis zum 1. Januar 1998 sei kein Beleg für das tatsächliche Bestehen eines Wohnsitzes. Dass die Klägerin zu 1.) sich im Jahre 1999 wieder aus der türkischen Staatsangehörigkeit habe entlassen lassen, ändere an dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nichts. Die Klägerin zu 2.) und der Kläger zu 3.) hätten die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt nach der Klägerin zu 1.) erworben, da diese zum Zeitpunkt der Geburt der Kinder nicht mehr im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit gewesen sei.
11Die Kläger erhoben dagegen am 23. April 2012 Widerspruch und begründeten diesen im Wesentlichen wie folgt: Die Klägerin zu 1.) habe eine auf den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichtete Erklärung am Tag ihrer Eheschließung nicht abgegeben und auch nicht abgeben wollen. Falls sie doch eine solche Erklärung unterzeichnet habe, sei dies unwillentlich geschehen, weil sie den entsprechenden Vordruck nicht verstanden habe. Sie habe im Zusammenhang mit der Eheschließung viele Papiere unterzeichnen müssen, von denen ihr gesagt worden sei, dass eine Eheschließung ohne Unterzeichnung nicht möglich sei. Ihre Kenntnisse der türkischen Sprache seien damals noch fragmentarisch und auf die Beherrschung des gesprochenen „Vulgärtürkisch“ beschränkt gewesen. Die Türkei erleichtere den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit in einer Weise, die mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu tun habe. Es reiche eine Unterschrift unter einen völlig unscheinbaren Antrag, der nur bei aufmerksamer Lektüre zu erkennen sei und in einer Fülle anderer zu unterzeichnender Dokumente fast untergehe. Ein Willensmangel sei auch insoweit gegeben, als der Standesbeamte zu ihr gesagt habe, sie habe nach der Eheschließung die Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes zu akzeptieren. Sie habe außerdem zum Zeitpunkt der Eheschließung ihren Wohnsitz noch in Deutschland gehabt. Sie habe die Stelle bei der Botschaft zum 1. Mai 1997 nur angenommen, um für sich zu überprüfen, ob sie mit ihrem Ehemann dauerhaft in der Türkei leben könne. Die endgültige Entscheidung, in der Türkei zu bleiben, sei erst nach der Geburt der Klägerin zu 2.) gefallen. Der Lebensmittelpunkt habe sich aber natürlich schon früher dort befunden. Die materielle Beweislast für den Verlust der Staatsangehörigkeit liege bei der Beklagten. Die Klägerin zu 1.) reichte eine Bescheinigung einer türkischen Stelle über Ein- und Ausreisen betreffend die Türkei ab 1992 ein. Der Zeitraum vom 16. Juni 1996 (Einreise in die Türkei) bis zum 16. August 1998 (Einreise in die Türkei) ist dort nicht belegt. Wegen der Einzelheiten der Bescheinigung wird auf Blatt 74 f. des Verwaltungsvorgangs verwiesen.
12Die Beklagte wies den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2012 zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend an: Die Klägerin zu 1.) habe die türkische Staatsangehörigkeit freiwillig beantragt. Anhaltspunkte dafür, dass der Antrag unter dem Druck einer unmittelbaren Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit abge-geben worden sei, bestünden nicht. Soweit die Klägerin zu 1.) geltend mache, den Antrag auf Einbürgerung in den türkischen Staatsverband unwissentlich im Rahmen der Eheschließung gestellt zu haben, müsse sie sich die von ihr geleistete Unterschrift zurechnen lassen. Einer Unterschrift komme im allgemeinen Rechtsverkehr eine große Bedeutung zu. Sie gelte als Bekundung des Willens sowie als Identitätsnachweis. Es könne vorausgesetzt werden, dass die rechtliche Bedeutung einer Unterschrift allgemein bekannt sei. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Anfechtung von Willenserklärungen wegen Irrtums gälten grundsätzlich nur für Willenserklärungen, die Bestandteil privater Rechtsgeschäfte seien. Im öffentlichen Recht komme eine sinngemäße Anwendung dieser Vorschriften allenfalls in Betracht, wenn es sich um ähnliche Rechtsverhältnisse handele, nicht jedoch bei einseitigen Anträgen, die private Personen an Behörden richteten. Rechtsirrtum und Unkenntnis des Gesetzes schlössen das Verschulden grundsätzlich nicht aus. Wer mit einschlägigen Rechtsvorschriften nicht vertraut sei, habe sich zu erkundigen. Es würde der Bedeutung, der dem Grundsatz der Rechtssicherheit gerade im Staatsangehörigkeitsrecht zukomme, widersprechen, wenn der Verlust der Staatsangehörigkeit von häufig nicht zuverlässig zu ermittelnden inneren Vorstellungen des Betroffenen abhinge. Der Staatsangehörigkeitsverlust trete ohne Rücksicht darauf ein, ob der Antragsteller dies wolle oder wisse oder sich über die Folgen eines Staatsangehörigkeitserwerbs geirrt habe. Die Klägerin zu 1.) habe die deutsche Staatsangehörigkeit auch nicht gemäß § 3 Abs. 2 StAG durch Ersitzung (wieder-)erworben. Sie sei nicht seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutsche Staatsangehörige behandelt worden. Die Frist beginne bei Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht bereits mit Belassen eines vor Eintritt des Verlustes ausgestellten Ausweispapiers. Der Klägerin zu 1.) sei zwar im Jahre 2002 von der deutschen Botschaft in Ankara ein deutscher Reisepass ausgestellt worden. Die Botschaft habe die Falschbehandlung aber bereits im Jahre 2009 erkannt. Die Klägerin zu 1.) sei damit nur sieben Jahre als deutsche Staatsangehörige behandelt worden.
13Die Kläger haben dagegen am 27. Dezember 2012 Klage erhoben.
14Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und tragen ergänzend vor:
15Die Klägerin zu 1.) habe in Deutschland die Schule besucht und im Jahre 1991 mit einem qualifizierten Hauptschulabschluss abgeschlossen. Danach habe sie in Deutschland eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau absolviert.
16Sie könne nicht mehr sagen, ob bei der Vorbereitung der Eheschließung über Probleme der Staatsangehörigkeit gesprochen worden sei. Sie glaube sich zu erinnern, dass man ihr gesagt habe, dass sie aus der türkischen Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes Vorteile für ihren Aufenthalt in der Türkei ziehen könne. Umgekehrt sei jedenfalls ihre deutsche Staatsangehörigkeit nicht problematisiert worden. Sie halte es zwar nicht für ausgeschlossen, dass der türkische Standesbeamte die von der Beklagten genannte Vorschrift des Art. 5 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes zur Sprache gebracht habe. Sie meine aber, kein ihre Staatsangehörigkeit betreffendes Formular unterzeichnet zu haben. Sie bestreite daher mit Nichtwissen, die Wiedereinbürgerung in den türkischen Staatsverband überhaupt beantragt zu haben. Selbst wenn sie ein auf den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichtetes Formular unterzeichnet habe, sei dies unfreiwillig und nicht mit dem Willen erfolgt, türkische Staatsangehörige zu werden. Die Beklagte trage die materielle Beweislast sowohl dafür, dass sie, die Klägerin zu 1.), überhaupt einen Antrag auf Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gestellt habe, als auch für die Freiwilligkeit der Antragstellung. Letzteres habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlichen Fall (zitiert wird das Urteil vom 22. März 1999 – 11 B 96.2183 – juris) bereits entschieden.
17Unterstelle man, dass die Klägerin zu 1.) die deutsche Staatsangehörigkeit am Tag ihrer Eheschließung (2. August 1997) verloren habe, habe sie diese jedenfalls in der Zwischenzeit durch Ersitzung gemäß § 3 Abs. 2 StAG (wieder-)erworben. Sie sei seit ihrer Einbürgerung in den deutschen Staatsverband im April 1996 bis Mitte 2009 und damit mehr als zwölf Jahre als deutsche Staatsangehörige behandelt worden. Die Behandlung als deutsche Staatsangehörige sei sowohl durch die Anstellung bei der deutschen Botschaft in Ankara und die daran geknüpfte Gehaltszahlung als auch durch die Ausstellung des Kinderausweises an die Klägerin zu 2.) im Jahre 2000 und die Ausstellung ihres Reisepasses im Jahre 2002 erfolgt. Die Ersitzung der deutschen Staatsangehörigkeit setze nicht voraus, dass jemand seit zwölf Jahren zu Unrecht als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden sei. Zwar müsse derjenige, der in den Genuss der Ersitzung kommen wolle, zu Unrecht als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden sein, weil eine Ersitzung sonst gar nicht erforderlich sei. Zeiten, in denen er zu Recht als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden sei, gälten aber ebenfalls als Zeiten im Sinne des § 3 Abs. 2 StAG. Auch diese Zeiten würden in die Frist eingestellt. Da die Ersitzung rückwirkend wirke, seien auch die Klägerin zu 2.) und der Kläger zu 3.) deutsche Staatsangehörige geworden.
18Im Übrigen sei der Bescheid der Beklagten rechtlich unwirksam, weil er nicht unterzeichnet sei. Eine Unterschrift müsse als solche erkennbar sein. Dies sei bei der Unterschrift unter dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2012 nicht der Fall. Dieser sei lediglich mit einem „Kringel“ unterschrieben.
19Die Kläger beantragen,
20die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamts vom 20. März 2012 und des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2012 zu verpflichten, ihnen Staatsangehörigkeitsausweise auszustellen.
21Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Sie verteidigt die angegriffenen Bescheide und trägt ergänzend vor:
24Die Klägerin zu 1.) habe zunächst überhaupt nicht bestritten, eine Unterschrift geleistet zu haben, die zum Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit geführt habe. Ihre im spekulativen Bereich liegenden Ausführungen zu der Frage, ob sie den entsprechenden Antrag unterschrieben habe, führten deshalb nicht weiter. Soweit sie geltend mache, den Antrag auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit unterschrieben zu haben, ohne ihn zuvor gelesen oder hinreichend verstanden zu haben, sei ihr die von ihr abgegebene Erklärung dennoch zuzurechnen. Es entspreche allgemeinen Grundsätzen, dass eine schriftlich abgegebene und unterzeichnete Erklärung dem Erklärenden zuzurechnen sei, auch wenn er sich nicht die Mühe mache, sie zu lesen, oder wenn die Erklärung in einer Sprache abgefasst sei, die der Erklärende nicht verstehe. Er müsse insoweit durch Beiziehung geeigneter Hilfsmittel, etwa eines Dolmetschers, sicherstellen, dass von ihm nur Erklärungen unterzeichnet würden, die seinem Willen entsprächen. Die spätere Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit könne nicht als Beweis dafür angesehen werden, dass die Klägerin zu 1.) diese Staatsangehörigkeit nach bzw. im Zusammenhang mit der Eheschließung nicht habe annehmen wollen. Für die Aufgabe könne auch ein erst später eingetretenes Wissen um den Verlusttatbestand des § 25 RuStAG handlungsleitend gewesen sein. Auf ein solches Wissen komme es aber bei der Frage, ob der Verlust der Staatsangehörigkeit eintrete, nicht an.
25Die Klägerin zu 1.) habe die deutsche Staatsangehörigkeit auch nicht durch Ersitzung gemäß § 3 Abs. 2 StAG erworben. Die Vorschrift erfasse nur die Zeiten einer unrichtigen Deutschenbehandlung. Dies ergebe sich aus Sinn, Zweck und Sachzusammenhang der Norm. Bei ihr handele es sich um einen Erwerbstatbestand. Im Gesetzestext heiße es ausdrücklich: „Die Staatsangehörigkeit erwirbt auch, (...)“. Ein Erwerb sei aber denkgesetzlich nur möglich, wenn die Staatsangehörigkeit nicht bereits vorliege oder ihr Vorliegen zumindest nicht beweisbar sei.
26Soweit die Kläger die Unterschrift unter dem Widerspruchsbescheid rügten, sei dem entgegenzuhalten, dass eine Unterschrift nicht lesbar sein müsse, wenn der Urheber zweifelsfrei feststehe.
27Die Kläger haben mit nach Schluss der mündlichen Verhandlung und nach Verkündung des Urteils übersandtem Schriftsatz vom 27. Februar 2014 Kopien eines am 10. September 1997 ausgestellten ungültig gestempelten deutschen Reiseausweises der Klägerin zu 1.) eingereicht und ergänzend geltend gemacht: Die irrtümliche Behandlung als deutsche Staatsangehörige habe bereits am 10. September 1997 begonnen. Es sei unklar, weshalb dieses Datum, das aus den Unterlagen hervorgehe, in der mündlichen Verhandlung nicht erörtert worden sei.
28Entscheidungsgründe:
29Die Klage ist unbegründet.
30Die Ablehnung des Antrags auf Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
31Die Kläger haben keinen Anspruch auf Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen aus § 30 Abs. 3 Satz 1 StAG, weil nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 StAG nachgewiesen ist, dass sie deutsche Staatsangehörige sind.
32Die Klägerin zu 1.) ist zwar am 25. April 1996 unter Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit in den deutschen Staatsverband eingebürgert worden.
33Sie hat die deutsche Staatsangehörigkeit aber am 2. August 1997 gemäß § 25 Abs. 1 RuStAG in der damals geltenden Fassung verloren.
34Danach verlor ein Deutscher, der im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hatte, seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, wenn dieser Erwerb auf seinen Antrag oder auf den Antrag des gesetzlichen Vertreters erfolgte, der Vertretene jedoch nur, wenn die Voraussetzungen vorlagen, unter denen nach § 19 die Entlassung hätte beantragt werden können.
35Die Klägerin zu 1.) hat am Tag ihrer Eheschließung die türkische Staatsangehörigkeit erworben. Dies geht bereits aus dem Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister hervor, den sie im Verwaltungsverfahren eingereicht hatte. Sie geht selbst ebenfalls davon aus, dass sie die türkische Staatsangehörigkeit am Tag ihrer Eheschließung (wieder-)erworben hat. Für einen zwischenzeitlichen Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit spricht schließlich, dass sie sich im Jahre 1999 wieder aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen ließ.
36Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit jedenfalls auf formalen Antrag der Klägerin zu 1.) erfolgte. Das türkische Staatsangehörigkeitsrecht in der zum Zeitpunkt der Eheschließung der Klägerin zu 1.) geltenden Fassung sah einen Staatsangehörigkeitserwerb durch Eheschließung nur im Falle von Staatenlosigkeit der ausländischen Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen oder im Falle des Verlustes der bisherigen Staatsangehörigkeit durch die Eheschließung aufseiten der ausländischen Ehefrau eines türkischen Staatsangehörigen vor. Im Übrigen war für den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit eine Erklärung erforderlich, die gegenüber der türkischen Behörde, vor der die Ehe geschlossen wurde, abgegeben werden konnte (vgl. Art. 5, 42 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes in der damals geltenden Fassung). Die Klägerin zu 1.) war zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung weder staatenlos noch hätte sie die deutsche Staatsangehörigkeit durch die Eheschließung verloren. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie eine auf den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichtete Erklärung abgegeben hat. Anhaltspunkte dafür, dass die zuständige türkische Behörde sich über diese Erwerbsvoraussetzung hinweggesetzt hat, bestehen nicht. Für die Abgabe einer Erwerbserklärung durch die Klägerin zu 1.) spricht auch, dass sie zunächst selbst davon gesprochen hatte, eine Erklärung zur Staatsangehörigkeit unterzeichnet zu haben. Soweit sie nunmehr mit Nichtwissen bestreitet, die Wiedereinbürgerung in den türkischen Staatsverband beantragt zu haben, ist dieses Bestreiten angesichts der türkischen Rechtslage und ihres Vorverhaltens nicht geeignet, die Überzeugungsgewissheit des Gerichts von einer zumindest formalen Beantragung der türkischen Staatsangehörigkeit in Frage zu stellen.
37Soweit die Klägerin zu 1.) geltend macht, sie habe den auf den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichteten Antrag allenfalls unfreiwillig und nicht mit dem Willen gestellt, die türkische Staatsangehörigkeit zu erwerben, hat sie einen – gegebenenfalls – zum Wegfall oder zur Anfechtbarkeit des Antrags führenden Willensmangel weder nachgewiesen noch substantiiert dargetan.
38Wie sich Willensmängel bei der Abgabe des Antrags auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit auf den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit auswirken, ist noch nicht abschließend geklärt, vgl. insoweit etwa BVerwG, Urt. vom 1. Juni 1965 – I C 112.62 – juris Rdnr. 15; Urt. vom 21. Mai 1985 – 1 C 12/84 – juris Rdnr. 35; OVG NRW, Urt. vom 19. Dezember 2008 – 12 A 4705/05 – juris Rdnr. 91.
39Dies gilt zunächst insoweit, als sie geltend macht, sie sei bei der Abgabe der auf den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichteten Erklärung über deren Inhalt im Irrtum gewesen bzw. habe eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollen. Gegen das Vorliegen eines solchen Irrtums spricht, dass die Klägerin zu 1.) im Rahmen ihrer dienstlichen Erklärung vom 2. Oktober 2009 gegenüber der deutschen Botschaft in Ankara angegeben hat, sie habe am Tag der Eheschließung eine Erklärung unterschrieben, wonach sie mit wirksam erfolgter Eheschließung die Staatsangehörigkeit ihres (türkischen) Ehemannes akzeptiere. Diese Angabe legt nahe, dass ihr bewusst gewesen ist, einen Antrag auf Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit zu stellen. Ihre Behauptung, sie habe den Inhalt des von ihr unterzeichneten Formulars nicht (richtig) verstanden, weil ihre Kenntnisse der türkischen Sprache damals noch fragmentarisch und auf die Beherrschung des gesprochenen „Vulgärtürkisch“ beschränkt gewesen seien, ist unglaubhaft. Es leuchtet bereits nicht ein, weshalb der als türkischen Staatsangehörigen geborenen, aus einem türkischen Elternhaus stammenden Klägerin zu 1.) der Inhalt des auf Hochtürkisch verfassten Schriftstücks nicht verständlich gewesen sein soll. Unplausibel ist außerdem, weshalb sie das Schriftstück unterschrieben haben will, ohne es durchgelesen zu haben oder es zu verstehen. Angesichts ihrer Vorbildung (erfolgreicher Schulbesuch, Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau) sowie ihrer Beschäftigung bei der deutschen Botschaft hätte es sich aufgedrängt, das Dokument erst dann zu unterzeichnen, nachdem sie dessen wesentlichen Inhalt erfasst hatte. Bei einem Nichtverstehen einzelner Wörter oder Absätze hätte sie Hilfe bei ihrem in der Türkei geborenen und aufgewachsenen Ehemann suchen können.
40Nicht nachgewiesen bzw. unsubstantiiert ist auch die Behauptung der Klägerin zu 1.), der türkische Standesbeamte habe zu ihr gesagt, sie müsse im Falle der Eheschließung die türkische Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes akzeptieren und eine Eheschließung sei im Falle einer Unterschriftsverweigerung nicht möglich. Nach türkischem Recht hing die Eheschließung nicht davon ab, dass die Klägerin zu 1.) türkische Staatsangehörige war oder mit der Eheschließung wurde. Dies war eindeutig, und die Annahme, die Klägerin zu 1.) könne gleichwohl falsch beraten worden sein, ist nicht naheliegend. Noch weniger naheliegend ist die Annahme, die Klägerin zu 1.) sei der Falschberatung mehr oder weniger „blind“ gefolgt und habe ohne Rückversicherung über die Rechtslage eine Erklärung hinsichtlich des Erwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit abgegeben. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit verwiesen.
41Die spätere Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit durch die Klägerin zu 1.) kann nicht als Nachweis dafür angesehen werden, dass sie diese Staatsangehörigkeit im Rahmen ihrer Eheschließung nicht hat annehmen wollen. Für die Aufgabe kann z. B. auch die – unrichtige – Überlegung ursächlich gewesen sein, die Verlustfolge des § 25 Abs. 1 RuStAG könne durch Aufgabe der türkischen Staatsangehörigkeit beseitigt werden.
42Die Substantiierungslast und die materielle Beweislast hinsichtlich des Bestehens eines Willensmangels liegen bei der Klägerin zu 1.). Die von ihr geltend gemachten Willensmängel liegen in ihrer Sphäre und sind für sie günstig. Das von ihr zitierte Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. März 1999 (Az.: 11 B 96.2183 – juris) führt zu keiner anderen Bewertung. In dem dortigen Fall ließ sich nicht mehr zuverlässig aufklären, ob der maßgebliche Vorfahre der (dortigen) Klägerin kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Polen freiwillig einen Antrag auf Erwerb der polnischen Staatsangehörigkeit gestellt (und mit dem Erwerb seine deutsche Staatsangehörigkeit verloren) hatte oder ob er mit dem Antrag nur Verfolgungs- und Zwangsmaßnahmen hatte abwenden wollen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ging angesichts des deutschfeindlichen Klimas im Nachkriegspolen der Jahre 1946/47 und der seinerzeitigen, so wörtlich in dem Urteil, „grenzenlosen staatlichen Willkür“ gegenüber deutschen Staatsangehörigen davon aus, dass die Beklagte für die Freiwilligkeit der Antragstellung materiell beweisbelastet sei. Dieser Sonderfall, in dem nach den damaligen politischen Verhältnissen viel für eine Unfreiwilligkeit der Antragstellung sprach, ist mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar.
43Sollte die Klägerin zu 1.) über die Rechtsfolge des Erwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit – Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit – geirrt haben, was das Gericht zu ihren Gunsten unterstellt, wäre dieser Irrtum unbeachtlich.
44Vgl. BVerwG, Urt. vom 21. Mai 1985 – 1 C 12/84 – juris Rdnr. 36; Beschl. vom 13. Oktober 2000 – 1 B 53/00 – juris Rdnr. 12.
45Die Klägerin zu 1.) hatte im Zeitpunkt des Erwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit weder ihren Wohnsitz noch ihren dauerhaften Aufenthalt in Deutschland. Sie lebte seinerzeit vielmehr bereits seit längerem in der Türkei. Die Beklagte hat dies in ihrem Bescheid vom 20. März 2012 im Einzelnen zutreffend ausgeführt. Das Gericht folgt dieser Begründung und sieht insoweit gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
46Die Klägerin zu 1.) hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Ersitzung gemäß § 3 Abs. 2 StAG (wieder-)erworben.
47Danach erwirbt die Staatsangehörigkeit auch, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat (Satz 1). Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde (Satz 2). Der Erwerb der Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen wurde (Satz 3). Er erstreckt sich auf Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten (Satz 4).
48Die Klägerin zu 1.) ist nicht über einen Zeitraum von zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutsche Staatsangehörige behandelt worden.
49Die Behandlung als deutsche Staatsangehörige durch die deutsche Botschaft in Ankara erfolgte allenfalls über einen Zeitraum von neun Jahren. Sie begann frühestens im Jahre 2000 mit der Ausstellung eines Kinderausweises an die Klägerin zu 2.) und endete jedenfalls im Jahre 2009 mit der Ablehnung der Ausstellung eines Kinderausweises an den Kläger zu 3.) und der Aufforderung an die Klägerin zu 1.), ein Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren durchzuführen.
50Die Zeit, in der die Klägerin zu 1.) tatsächlich deutsche Staatsangehörige war (vom 25. April 1996 bis zum 2. August 1997), kann nicht in die Zwölfjahresfrist einbezogen werden. Die Beklagte hat den Grund hierfür zutreffend genannt: § 3 Abs. 2 StAG stuft die jahrelange Behandlung als deutscher Staatsangehöriger alsErwerbsgrund für die deutsche Staatsangehörigkeit ein.
51Vgl. in diesem Zusammenhang BT-Drs. 16/5065, Seite 227.
52Ein Erwerb ist aber nur möglich, wenn die Staatsangehörigkeit nicht bereits vorliegt oder ihr Vorliegen zumindest nicht beweisbar ist.
53So im Ergebnis auch Berlit, in: GK-AufenthG, § 38 Rdnr. 74 (Stand: Juni 2007) für die Vorschrift des § 38 Abs. 5 AufenthG; andere Auffassung wohl – ohne Begründung – Marx, in: GK-StAR, § 3 Rdnr. 20 (Stand: August 2009) in Widerspruch zu Rdnr. 19 seiner Kommentierung.
54Soweit der Klägerin zu 1.) nach dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit ein zuvor ausgestelltes Ausweispapier belassen und sie bei der deutschen Botschaft in Ankara weiterbeschäftigt worden ist, liegt hierin keine Behandlung als deutsche Staatsangehörige im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG. Eine solche Behandlung setzt eine zumindest summarische Überprüfung der deutschen Staatsangehörigkeit durch eine dazu berufene Stelle voraus.
55Vgl. Marx, in: GK-StAR, § 3 Rdnr. 33 f. m. w. N.
56Eine solche Überprüfung hat hier jedenfalls bis zum Jahr 2000 nicht stattgefunden. Es bestehen insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass die deutsche Botschaft in Ankara die deutsche Staatsangehörigkeit der Klägerin zu 1.) nach ihrer Eheschließung am 2. August 1997 ohne für sie erkennbaren Anlass (nochmals) überprüft hat.
57Die Klägerin zu 2.) und der Kläger zu 3.) haben die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt gemäß § 4 Abs. 1 StAG nach der Klägerin zu 1.) erworben, weil diese damals nicht mehr deutsche Staatsangehörige war.
58Soweit die Kläger rügen, der Widerspruchsbescheid der Beklagten sei nicht ordnungsgemäß unterschrieben worden, können sie hieraus für ihr Verpflichtungsbegehren schon im Ansatz nichts herleiten. Denn der Anspruch auf Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen hängt allein davon ab, ob mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass sie deutsche Staatsangehörige sind (vgl. § 30 Abs. 2 Satz 1 StAG). Abgesehen davon genügt die Unterschrift durchaus den Anforderungen des § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG. Sie braucht nicht lesbar zu sein. Grundsätzlich ist sogar eine Paraphe ausreichend.
59Vgl. Kopp/ Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 14. Auflage, 2013, § 37 Rdnr. 33; BVerwG, Beschl. vom 18. Juli 2000 – 2 B 19/00 – juris Rdnr. 6.
60Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
61Der erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung und nach Verkündung des Urteils eingereichte Schriftsatz der Kläger vom 27. Februar 2014 konnte bei der Entscheidung inhaltlich nicht mehr berücksichtigt werden. Das Gericht merkt insoweit lediglich ergänzend an, dass die Kläger mit diesem Schriftsatz erstmals vorgetragen haben, die Klägerin zu 1.) habe am 10. September 1997 einen deutschen Reiseausweis erhalten. Ihre Behauptung, das vorgenannte Datum gehe aus den (bis zur Urteilsverkündung vorhandenen) Unterlagen hervor, trifft nicht zu.
(1) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird erworben
- 1.
durch Geburt (§ 4), - 2.
durch Erklärung (§ 5), - 3.
durch Annahme als Kind (§ 6), - 4.
durch Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 oder 2 des Bundesvertriebenengesetzes (§ 7), - 5.
durch Einbürgerung (§§ 8 bis 16, 40b und 40c).
(2) Die Staatsangehörigkeit erwirbt auch, wer seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Als deutscher Staatsangehöriger wird insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen wurde. Er erstreckt sich auf Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit von dem nach Satz 1 Begünstigten ableiten.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin wurde am 00.00.0000 als eheliche Tochter des am 00.00.1929 als deutscher Staatsangehöriger in Köln geborenen L. Q. U. N. und seiner venezolanischen Ehefrau F. N1. M. U. in D. , Venezuela, geboren. Sie ist venezolanische Staatsangehörige.
3Unter dem 21.08.2000 beantragte die Klägerin ebenso wie einige ihrer Geschwister erstmalig - über die Deutsche Botschaft in D. - die Feststellung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit. Sie berief sich dabei auf die Abstammung von ihrem Vater. Im Antragsformular gab die Klägerin an, ihr Vater habe sich von 1954 bis 1998 in D. , 1998/1999 in Köln und ab 1999 wieder in D. aufgehalten. In der von der Klägerin vorgelegten venezolanischen Geburtsurkunde wird ihr Vater als „venezolanischer Staatsangehöriger durch Einbürgerung“ bezeichnet. Im Übersendungsschreiben der Deutschen Botschaft vom 25.08.2000 an das Bundesverwaltungsamt heißt es dazu, der Vater der Klägerin habe glaubhaft erklärt, er habe seinerzeit (1957/1958) durch einen deutschen Pater eine Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit gestellt, den er aber wegen beruflicher Inanspruchnahme nicht weiterverfolgt habe. Mit Schreiben vom 07.03.2001 teilte das Bundesverwaltungsamt der Deutschen Botschaft mit, es sei davon auszugehen, dass der Vater der Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 25 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes (RuStAG) verloren habe und diese deshalb nicht an die Klägerin und ihre Geschwister habe vermitteln können. Daraufhin wurde der Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit zurückgenommen.
4Der Vater der Klägerin war bis 1964 in Köln im Melderegister erfasst. Im Jahr 1998 meldete er sich erneut in Köln an und beantragte bei der Stadt Köln einen deutschen Reisepass, der ihm am 08.07.1998 ausgestellt wurde. Am 09.07.1998 stellte ihm die Stadt Köln ferner einen Personalausweis aus. Am selben Tag wurde er im Melderegister der Stadt Köln erfasst und am 10.07.1998 nachträglich seine venezolanische Staatsangehörigkeit in das Register eingetragen. Die Akten betreffend die Ausstellung des Reisepasses bzw. des Personalausweises im Jahr 1998 sind nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren nunmehr vernichtet.
5Ebenfalls im Jahr 1998 sprach der Vater der Klägerin bei der Deutschen Botschaft in D. vor, um für seine sechs in Venezuela geborenen Kinder, hierunter auch die Klägerin, deutsche Reisepässe und Staatsangehörigkeitsausweise zu erhalten. Am 15.09.1998 fragte die Botschaft daraufhin bei der Stadt Köln schriftlich an, aufgrund welcher Unterlagen der Reisepass des Vaters der Klägerin am 08.07.1998 ausgestellt worden sei, da der Vater nach Kenntnis der Botschaft die deutsche Staatsangehörigkeit bereits etwa 40 Jahre zuvor verloren habe. Die Anfrage blieb trotz nochmaliger schriftlicher Bitte um Beantwortung unter dem 18.03.1999 unbeantwortet. Mit dem Auszugsdatum 26.09.1999 meldete sich der Vater der Klägerin in Köln wieder ab.
6Mit dem Einzugsdatum 21.04.2008 meldete sich der Vater der Klägerin erneut bei der Stadt Köln an und beantragte wiederum einen deutschen Reisepass, ferner im Jahr 2009 einen Personalausweis. Auf den jeweiligen behördlichen Vordrucken befindet sich unten ein für Unterschriften vorgesehenes Doppelfeld. In dem einen Feld heißt es:
7„Ich besitze neben der deutschen Staatsangehörigkeit eine / mehrere ausländische Staatsangehörigkeit(en) bzw. habe eine solche beantragt.
8( ) ja, dann Beiblatt ausfüllen
9( ) nein
10Unterschrift Antragsteller“
11In diesem Feld ist nichts angekreuzt und es fehlt die Unterschrift. Das zweite Feld ist für die „Unterschrift bei Abholung“ vorgesehen. Hier findet sich betreffend den Reisepass die Unterschrift des Vaters der Klägerin, betreffend den Personalausweis die Unterschrift einer zur Abholung bevollmächtigten Person. Der Reisepass wurde am 21.04.2008, der Personalausweis am 29.12.2009 ausgestellt.
12Zuvor hatte sich bereits mit Schreiben vom 18.01.2006 eine Anwaltskanzlei, die die rechtlichen Interessen des Vaters der Klägerin vertrat, mit dem Anliegen an das Bundesverwaltungsamt gewandt, erneut die Möglichkeiten einer Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit der Kinder des Mandanten zu prüfen. Dazu wurde vorgetragen: Der Vater der Klägerin sei in den 1950er Jahren nach Venezuela ausgewandert. Da er in Venezuela ein öffentliches Amt bekleidet habe – Leiter des Zoologischen Gartens in D. – hätten ihm die zuständigen venezolanischen Behörden nahegelegt, die venezolanische Staatsangehörigkeit anzunehmen. Ihm sei bereits damals bewusst gewesen, dass die Annahme einer ausländischen Staatsangehörigkeit jedenfalls bei fehlendem Wohnsitz in Deutschland zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führe. Auf Anraten der Deutschen Botschaft in D. habe er deshalb vor Annahme der venezolanischen Staatsangehörigkeit einen Antrag auf Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit gestellt. Da er beruflich seinerzeit sehr eingespannt gewesen sei, habe er den Antrag persönlich nicht bei der Botschaft abgeben können. Dies habe ein langjähriger Freund und Bekannter, Herr Pater J. Z., für ihn übernommen. Es lasse sich jedoch nicht mehr aufklären, ob der entsprechende Antrag vor Annahme der venezolanischen Staatsangehörigkeit positiv beschieden worden sei, da die betreffenden Unterlagen in der Deutschen Botschaft in D. nicht mehr auffindbar seien. Auch der Vater der Klägerin verfüge leider über keine entsprechenden Dokumente mehr. Zu berücksichtigen sei aber jedenfalls, dass der Vater der Klägerin weiter enge Bindungen an Deutschland habe und sich jährlich mehrmals für längere Zeit in Deutschland aufhalte; ferner sei er Träger des Bundesverdienstkreuzes.
13Dem damaligen Bevollmächtigten des Vaters der Klägerin wurde im Rahmen einer Vorsprache am 09.03.2006 mitgeteilt, es bestünden weiter Bedenken hinsichtlich der deutschen Staatsangehörigkeit. Der damalige Bevollmächtigte erklärte daraufhin, eine weitere Bearbeitung der Angelegenheit werde nicht gewünscht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesprächsvermerk (Beiakte 1, Bl. 77) Bezug genommen.
14Mit Schreiben vom 06.01.2010 wandte sich ein weiterer Bevollmächtigter des Vaters der Klägerin, Staatssekretär W., erneut an die Beklagte und bat darum, die Sache wieder aufzugreifen. Er vertrat die Auffassung, der Vater der Klägerin habe die deutsche Staatsangehörigkeit nie verloren, weil er stets auch einen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe. Die Stadt Köln habe ihm in Kenntnis seiner venezolanischen Staatsangehörigkeit einen Personalausweis und einen Reisepass ausgestellt. Vor diesem Hintergrund greife jedenfalls die neue Regelung des § 3 Abs. 2 StAG (über den Ersitzungserwerb), die sich auch auf die Abkömmlinge auswirke. Unabhängig davon dürften Beweisschwierigkeiten bezüglich der seinerzeit beantragten Beibehaltungsgenehmigung nicht zulasten des Vaters der Klägerin und seiner Kinder gehen.
15Das Bundesverwaltungsamt leitete in der Folge gemäß § 30 Abs. 1 Satz 3 StAG ein Feststellungsverfahren von Amts wegen ein - betreffend den Vater der Klägerin - und erklärte sich am 09.07.2010 nach Vorgesprächen mit Vertretern der Stadt Köln gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 StAngRegG mit der Durchführung des Feststellungsverfahrens bei der Stadt Köln einverstanden. Der Vater der Klägerin beantragte am 17.08.2010 bei der Stadt Köln einen Staatsangehörigkeitsausweis, den ihm diese am 20.08.2010 ausstellte.
16Die Klägerin beantragte über die Deutsche Botschaft in D. am 31.01.2011 erneut die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises; dieser Antrag ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts wurde der Vater der Klägerin am 06.02.2012 in der Botschaft von einem Konsularbeamten befragt (Bl. 446 ff. des Verwaltungsvorgangs). Nach der dazu gefertigten Niederschrift gab er hierbei an: Nach dem Abitur habe er zunächst in Frankfurt/Main und in Freiburg zwei Semester Zoologie studiert, danach in Gießen Tiermedizin bis zum Physikum. 1954 habe er sich dann zunächst dazu entschlossen, ein bis zwei Semester Tiermedizin in Venezuela zu studieren. Der Dekan der veterinärmedizinischen Fakultät in Maracay habe ihn jedoch davon überzeugt, sein Studium in Venezuela abzuschließen. Vor Abschluss seines Studiums habe man ihm nahegelegt, die venezolanische Staatsangehörigkeit anzunehmen, um im Anschluss die Leitung des Zoologischen Gartens in D. übernehmen zu können. Die Einbürgerung sei mit der Veröffentlichung im venezolanischen Staatsanzeiger vom 00.00.1957 wirksam geworden. Einen deutschen Reisepass habe er zuletzt am 03.08.1956 von der deutschen Botschaft in Venezuela erhalten. Danach habe er – ebenfalls im Jahr 1957 – seinen deutschen Reisepass bei der Deutschen Botschaft abgegeben. Im Jahr 1958 habe er das Amt des Direktors des Zoologischen Gartens „F1. Q1. “ in D. übernommen. Im selben Jahr sei er nach seiner Promotion erstmals wieder nach Deutschland gereist und habe sich mit seinem venezolanischen Pass ausgewiesen. Fast regelmäßig halte er sich seither alle zwei Monate für mehrere Tage in Köln auf.
17Persönlich habe er sich nie um eine Beibehaltungsgenehmigung bemüht. Ein mit ihm befreundeter Benediktinerpater habe für ihn vor der Einbürgerung ein Schreiben bei der Botschaft abgegeben, in dem er darum gebeten habe, „die deutsche Staatsangehörigkeit ruhen zu lassen“. 1998 habe er bei der Stadt Köln einen Reisepass beantragt und dort auch erhalten. Bei der Antragstellung habe er lediglich seine Geburtsurkunde vorlegen müssen. Er habe damals angegeben, die venezolanische Staatsangehörigkeit erworben zu haben.
18Mit Schreiben vom 17.07.2012 führte die nunmehr anwaltlich vertretene Klägerin zur weiteren Begründung ihres Antrags aus: Der ihrem Vater von der Stadt Köln ausgestellte Staatsangehörigkeitsausweis entfalte in den Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren seiner Abkömmlinge nicht nur Tatbestandswirkung, sondern auch Bindungswirkung im Sinne einer sogenannten Feststellungswirkung. Die Entscheidung der Stadt Köln beinhalte die Feststellung, dass der Vater der Klägerin im Wege der Ersitzung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe und das Bestehen seiner deutschen Staatsangehörigkeit vom Zeitpunkt seiner Geburt an anzunehmen sei. Die Stadt Köln sei zu seinen Gunsten davon ausgegangen, dass er die deutsche Staatsangehörigkeit nie verloren habe, da sich anderweitige Umstände nicht mehr verlässlich aufklären ließen. Die Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG führe nun zu einer Erstreckungswirkung auf die Abkömmlinge und ordne dies als unmittelbare Rechtsfolge des Ersitzungserwerbs an. Einer weiteren Prüfung bedürfe es nicht, so dass die Beklagte an die Entscheidung zum Ersitzungserwerb des Vaters der Klägerin durch die Stadt Köln im Hinblick auf dessen Abkömmlinge gebunden sei. Insbesondere gebe es keine kompetenziellen Bedenken hinsichtlich der Bindung einer Bundesbehörde durch eine kommunale Behörde, da die Bindungswirkung aufgrund bundesrechtlicher Anordnung eintrete. Ferner sei die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Stadt Köln unbeachtlich. Der bestandskräftige Feststellungsbescheid sei nach § 30 StAG bereits nicht mehr aufhebbar und ein Rückgriff auf die allgemeinen verfahrensrechtlichen Aufhebungsvorschriften nach §§ 48, 49 VwVfG sei ausgeschlossen. Dies bedeute zugleich, dass andere Behörden an den Bescheid gebunden seien, auch wenn sie von dessen Rechtswidrigkeit ausgingen. Im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts habe sich der Gesetzgeber dafür entschieden, zugunsten der Betroffenen eine abschließende Verbindlichkeit der Entscheidungen festzulegen, die zwecks Rechtssicherheit später nicht mehr in Frage gestellt werden sollten. Jedenfalls aber sei die Entscheidung der Stadt Köln betreffend die Rechtmäßigkeit des Ersitzungserwerbs auch nicht zu beanstanden. Eine Behandlung des Vaters der Klägerin als deutscher Staatsangehöriger seit zwölf Jahren durch deutsche Stellen liege vor. Der hierfür erforderliche Vertrauenstatbestand sei mit der Ausstellung der Ausweisdokumente am 08.07.1998 entstanden und die Zwölfjahresfrist sei nunmehr abgelaufen. Der Vater der Klägerin habe die Deutschenbehandlung auch nicht zu vertreten. Es könne davon ausgegangen werden, dass die seinerzeit zuständige Passbehörde das geltende Passgesetz korrekt vollzogen und demgemäß die Eigenschaft des Vaters der Klägerin als Deutscher überprüft habe. Es könne nicht unterstellt werden, dass er bei Beantragung der Passpapiere vorsätzlich und in Täuschungsabsicht seine venezolanische Staatsangehörigkeit verschwiegen habe. Hiergegen spreche bereits, dass er ausweislich der Verwaltungsvorgänge zwar bei Beantragung bzw. bei der Ausstellung der deutschen Passpapiere im Jahr 1998 offenbar zunächst angegeben habe, deutscher Staatsangehöriger zu sein. Nur kurze Zeit später habe er aber mitgeteilt, dass er auch die venezolanische Staatsangehörigkeit besitze. In diesem Moment sei es der Behörde möglich gewesen, ein Prüfungsverfahren einzuleiten, sofern sie nunmehr Zweifel an der deutschen Staatsangehörigkeit gehabt hätte. Über ein solches Prüfungsverfahren sei jedoch nichts bekannt. Deshalb könne unterstellt werden, dass ein Prüfungsbedarf seitens der Behörde nicht gesehen worden sei und diese weiterhin die deutsche Staatsangehörigkeit nicht bezweifelt habe. Als maßgeblicher Zeitpunkt im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 3 StAG, zu dem bei Behandlung als Staatsangehöriger der Erwerb der Staatsangehörigkeit angenommen worden sei, sei die Geburt des Vaters der Klägerin als deutscher Staatsangehöriger zu betrachten. Es gebe außerdem auch keinen nachweisbaren Verlust der Staatsangehörigkeit durch den „Umzug“ nach Venezuela. Zunächst könne seitens der Beklagten nicht sicher nachgewiesen werden, dass eine Beibehaltungsgenehmigung seinerzeit nicht erteilt worden sei. Die Umstände seien nunmehr nicht mehr aufklärbar. Einer solchen Beibehaltungsgenehmigung habe der Vater der Klägerin aber auch gar nicht erst bedurft, da er gemäß der damals noch geltenden Inlandsprivilegierung im Rahmen des § 25 RuStAG im fraglichen Zeitpunkt noch einen Wohnsitz in Deutschland aufrecht erhalten habe. Der Vater der Klägerin sei zum Zwecke eines Studienaufenthaltes nach Venezuela gereist, habe aber seinen Wohnsitz in Deutschland nicht aufgegeben, wie aus den Melderegisterauskünften ersichtlich sei. Die Beibehaltung der Wohnsitze, die sich aus den Melderegisterauszügen ergebe, spreche dafür, dass er jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht den Willen gehabt habe, dauerhaft nach Venezuela auszuwandern. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Eintritt des Verlusttatbestandes gemäß § 25 RuStAG sei allein der Tag des Erwerbs der ausländischen Staatsangehörigkeit. Hierbei sei insbesondere zu beachten, dass er sich in Venezuela zunächst nur zu Studienzwecken aufgehalten und erst im Jahr 1958 das Amt des Zoodirektors in D. übernommen habe. Studenten begründeten nach ständiger Rechtsprechung aber nur unter besonderen Umständen einen Wohnsitz an ihrem Ausbildungsort. Es lasse sich jedenfalls nicht ohne Zweifel nachweisen, dass der Vater der Klägerin mit Erwerb der venezolanischen Staatsangehörigkeit automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit verloren habe. Für den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit trage die Beklagte die materielle Beweislast. Abschließend sei zudem von einer Unverhältnismäßigkeit einer negativen Bescheidung der Feststellungsanträge der Abkömmlinge des Vaters der Klägerin auszugehen, da aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich sei, dass die Beklagte die Erteilung des Staatsangehörigkeitsausweises an ihn hingenommen habe. Weder sei eine Überprüfung der Entscheidung durch die Aufsichtsbehörde erbeten noch anderes diesbezüglich veranlasst worden. Die Entscheidung der Stadt Köln sei jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig, was bereits daraus folge, dass die Beklagte hierzu erheblichen Ermittlungsaufwand entfaltet habe. Die bloßen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Stadt Köln müssten hier aber im Einzelfall bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen zugunsten der Rechtssicherheit für die Familie der Klägerin zurücktreten. Die diesbezügliche gesetzgeberische Wertung dürfe nicht außer Acht gelassen werden.
19Das Bundesverwaltungsamt lehnte unter dem 19.11.2012 - fälschlich datiert auf den 26.03.2012 - den Antrag ab. Zur Begründung ist ausgeführt: Der Vater der Klägerin habe die deutsche Staatsangehörigkeit bereits vor ihrer Geburt gemäß § 25 RuStAG verloren und sie deshalb nicht an sie vermitteln können. Der Vater der Klägerin habe die venezolanische Staatsangehörigkeit auf Antrag erworben und zum Zeitpunkt seiner Einbürgerung im Jahre 1957 in Deutschland weder Wohnsitz noch dauernden Aufenthalt gehabt. Dies ergebe sich aus den tatsächlichen Verhältnissen, da er sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nur vorübergehend in Venezuela aufgehalten habe, sondern um dort sein Studium zu beenden. Insbesondere widerspreche die Annahme eines doppelten Wohnsitzes in Köln und in Venezuela den verkehrstechnischen Möglichkeiten der damaligen Zeit. Vielmehr lasse der Lebensweg des Vaters der Klägerin eindeutig darauf schließen, dass er den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zum Zeitpunkt der Einbürgerung nach Venezuela verlagert habe. Allein die Tatsache, dass er in Deutschland mangels Abmeldung melderechtlich noch erfasst gewesen sei, reiche nicht aus, einen Wohnsitz im Sinne des § 7 BGB in Deutschland anzunehmen. Weiterhin fehle es an einer Beibehaltungsgenehmigung (§ 25 Abs. 2 RuStAG). Es sei nicht nachgewiesen, dass der Vater der Klägerin eine solche Genehmigung jemals tatsächlich erhalten habe. Nach seinen Angaben sei schon ein wirksamer eigener Antrag ausgeschlossen. Ferner sei die Feststellung der Stadt Köln, dass der Vater der Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG im Wege der Ersitzung erlangt habe, für die Beklagte nicht uneingeschränkt gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 StAG verbindlich. Der Entscheidung der Stadt Köln über die Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises komme nur Tatbestandswirkung zu. Andere Behörden seien nur an den Tenor der Entscheidung gebunden. Eine Bindung auch an die Regelung der festgestellten Tatsachen sowie rechtlichen Erwägungen scheide demgegenüber aus. Dies ergebe die Auslegung der vorgenannten Norm; schon der Wortlaut spreche für eine bloße Tatbestandswirkung. Gleiches folge auch aus dem Zweck der Vorschrift, der darin bestehe, Rechtssicherheit hinsichtlich eines Nachweises der deutschen Staatsangehörigkeit zu verschaffen, dies allerdings nur betreffend den Ausweisinhaber. Dementsprechend müsse die Beklagte der Klägerin gegenüber nicht annehmen, dass ihr Vater die deutsche Staatsangehörigkeit im Wege der Ersitzung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG erlangt habe. Die diesbezügliche bestandskräftige Entscheidung der Stadt Köln sei vielmehr in der Sache unzutreffend. Es gebe bereits Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Vater der Klägerin schon bei der Passausstellung im Jahre 1998 nicht gutgläubig gewesen sei. Jedenfalls aber habe er die Ausstellung des zweiten Passes im Jahre 2008 zu vertreten. Denn er habe die Rubrik bezüglich etwaiger fremder Staatsangehörigkeiten im Antragsvordruck nicht ausgefüllt und damit den Sachbearbeitern der Stadt Köln die Möglichkeit genommen, mit Blick auf das Bestehen der venezolanischen Staatsangehörigkeit Nachforschungen zur deutschen Staatsangehörigkeit anzustellen. Das Nichtausfüllen dieser Rubrik sei ihm mindestens als Fahrlässigkeit zurechenbar. Aufgrund seiner langjährigen erfolglosen Bemühungen um Staatsangehörigkeitsausweise für seine Kinder sei ihm bewusst gewesen, dass Zweifel an seiner deutschen Staatsangehörigkeit bestünden. Zudem sei er durch die Deutsche Botschaft und das Bundesverwaltungsamt zu keinem Zeitpunkt als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass Ersitzung eingetreten oder eine vollumfängliche Bindung an die Entscheidung der Stadt Köln gegeben sei, komme eine Erstreckung des Ersitzungserwerbs des Vaters der Klägerin gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG nicht in Betracht. Denn es sei im Nachhinein nicht mehr feststellbar, welches Vorstellungsbild bei der Stadt Köln über die Rechtsgrundlage der rechtswidrigen Passausstellung im Jahr 1998 bestanden habe und zu welchem Zeitpunkt daran anknüpfend der fiktive Wiedererwerb der deutschen Staatsangehörigkeit anzunehmen sei. Es gebe insbesondere keine Hinweise darauf, dass dieser schon vor der Geburt der Klägerin gelegen haben könnte.
20Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin unter dem 14.12.2012 Widerspruch ein und führte ergänzend zur Antragsbegründung aus: Zunächst sei die von der Beklagten in einem Rechtsgespräch mit dem Prozessbevollmächtigten zur Begründung ihrer Rechtsauffassung herangezogene Vorschrift des § 15 BVFG nicht mit den vorliegend in Rede stehenden Normen des StAG vergleichbar. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung (Urteil vom 24.02.2005 - 5 C 10/04 -, juris) ausgeführt, die Feststellung der Spätaussiedlereigenschaft nach § 15 Abs. 1 BVFG entfalte für den Abkömmling eines Spätaussiedlers, dem nach Abs. 2 der Vorschrift ebenfalls eine Bescheinigung zum Nachweis der Spätaussiedlereigenschaft ausgestellt werde, keine Bindungswirkung. Eine schlichte Gleichsetzung der unterschiedlichen Regelungen im Hinblick auf die Bindungswirkung werde dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Satz 4 StAG und der dort ausdrücklich angeordneten Rückwirkung des Ersitzungserwerbs und seiner Erstreckung auf Abkömmlinge nicht gerecht. Für diesen besonderen Fall nämlich sei die Einbeziehung der Abkömmlinge in die Feststellung gerade ausdrücklich geregelt. Die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zu § 15 BVFG seien nicht übertragbar auf die hier gegenständliche Konstellation. Das Gesetz ordne vielmehr in § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG ausdrücklich unter Verwendung des Wortes „seither“ eine Bindungswirkung im Sinne einer Feststellungswirkung an. Der Ersitzungserwerb wirke gesetzlich angeordnet auf einen von der zuständigen Behörde zu bestimmenden Zeitpunkt zurück und der so festgestellte Ersitzungserwerb erstrecke sich ebenfalls rückwirkend auf die Abkömmlinge. Auch soweit die Beklagte im Rahmen eines - unterstellten - Ersitzungserwerbs die deutsche Staatsangehörigkeit der Klägerin verneine, da der Ersitzungserwerb angeblich jedenfalls nicht auf den Zeitpunkt der Geburt des Vaters der Klägerin zurückwirke, erfolge diese Einschätzung aufgrund fehlerhafter Annahmen. Es kämen gerade nicht - wie von der Beklagten vertreten - als frühestmöglicher Zeitpunkt für die Anknüpfung die späten 80er Jahre in Betracht. Die Stadt Köln sei vielmehr bei der Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises des Vaters der Klägerin mangels gegenteiliger Feststellungen von einer Rückwirkung auf den Zeitpunkt seiner Geburt ausgegangen. Die Unaufklärbarkeit der der Deutschenbehandlung zugrundeliegenden Tatsachen gehe aufgrund allgemeiner Beweislastregeln zu Lasten der Behörde. Aber selbst wenn man davon ausgehe, dass keine Bindungswirkung im Sinne einer Feststellungswirkung bestehe und demnach die Rechtmäßigkeit der Erteilung des Staatsangehörigkeitsausweises nochmals zu prüfen sei, ergebe diese Prüfung, dass der Vater der Klägerin seine Staatsangehörigkeit nie verloren bzw. sie zumindest kraft Ersitzungserwerbs rückwirkend wiedererlangt habe. Ferner habe der Vater der Klägerin die Ausstellung des Reisepasses im Jahr 2008 nicht im Sinne des § 3 Abs. 2 StAG zu vertreten. Ihm könne kein Vorwurf der grob fahrlässigen oder gar vorsätzlich falschen Angaben bei der Passbeantragung im Jahr 2008 gemacht werden. Allein ein Nichtankreuzen der Rubrik auf dem Formular bezüglich des etwaigen Besitzes einer ausländischen Staatsangehörigkeit sei kein Beleg dafür, dass den Vater der Klägerin die Ausweisbehörde habe täuschen wollen. Vielmehr habe auch ein Versäumnis der zuständigen Ausstellungsbehörde vorgelegen, die auf eine vollständige Ausfüllung des Formulars hätte hinwirken müssen, sofern sie die fehlenden Angaben für bedeutsam gehalten habe. Nach einem Urteil des VG Stade (vom 27.08.2009 - 1 A 560/09 -, juris) könne der Einzelne im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Sachbearbeitung durch deutsche Stellen auf entsprechende Angaben verzichten, wenn es um Kenntnisse gehe, die diesen ohnehin bekannt seien. Ferner genüge es für die Deutschenbehandlung im Sinne von § 3 Abs. 2 StAG, dass von der Stadt Köln sowohl ein Reisepass als auch ein Personalausweis ausgestellt worden seien. Unerheblich sei es, dass der Vater der Klägerin nicht auch durch die Deutsche Botschaft in D. und das Bundesverwaltungsamt als Deutscher behandelt worden sei. Dies folge aus dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 2 StAG. Ferner bleibe es dabei, dass der Vater der Klägerin durch Erwerb der venezolanischen Staatsangehörigkeit im Jahr 1957 seine deutsche Staatsangehörigkeit nicht verloren habe. Soweit die Beklagte sich auf das nach dessen Befragung durch die Deutsche Botschaft in D. gefertigte Protokoll beziehe, sei festzuhalten, dass dieses ausschließlich vom dortigen Bearbeiter unterschrieben sei. Der Vater der Klägerin habe das Protokoll nicht gegengezeichnet und ihm sei auch keine Gelegenheit zugekommen, die dort niedergelegten Äußerungen zu überprüfen. Auch seien die im Rahmen der Anhörung gestellten Fragen bereits ersichtlich ausgehend von der vorher gefassten Auffassung der Beklagten beeinflusst.
21Die Beklagte wies den Widerspruch unter dem 11.11.2013, zugestellt am 12.11.2013, zurück. Zur Begründung verwies sie auf die Ausführungen im Ablehnungsbescheid und führte ferner aus: Es sei nicht im Sinne der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG, dass eine einmal in der Vergangenheit für den maßgeblichen Vorfahren getroffene unzutreffende Entscheidung eine uneingeschränkte Erstreckung auf alle Nachfolgegenerationen nach sich ziehe. Sofern eine Ersitzung nicht stattgefunden habe, könne diese auch keine Wirkung auf den Abkömmling haben, da nur eine tatsächlich ersessene Rechtsposition sich unmittelbar auf diesen erstrecken könne. Im vorliegenden Fall sei aber der Erwerbstatbestand nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG nicht eingetreten, da der Vater der Klägerin die Behandlung als deutscher Staatsangehöriger zu vertreten gehabt habe. Dieser sei über die staatsangehörigkeitsrechtlichen Verhältnisse und deren rechtliche Grundlagen von Anfang an informiert gewesen. Demnach habe er nicht mehr auf die Richtigkeit des Verwaltungshandelns vertrauen können und dürfen, da ihm das rechtswidrige Handeln der Verwaltung bekannt gewesen sei und er dies zumindest hingenommen habe. Vielmehr sei aus seinen Bemühungen im Rahmen seiner Besuche bei der Deutschen Botschaft erkennbar, dass er sich durchaus der Tatsache bewusst gewesen sei, nicht deutscher Staatsangehöriger zu sein. In regelmäßigen Abständen habe er seit etwa 1990 erfolglos versucht, bei der Deutschen Botschaft in D. einen deutschen Reisepass zu erhalten, habe jedoch nie einen schriftlichen Ablehnungsbescheid gefordert. Sofern in der Widerspruchsbegründung ausgeführt werde, dass es gemäß den allgemeinen Beweislastregeln zu Lasten der Behörde gehe, dass kein genauer Zeitpunkt für die Deutschenbehandlung festgelegt werden könne, so gehe diese Ansicht fehl. Die materielle Beweislast liege im Staatsangehörigkeitsfeststellungsverfahren beim Antragsteller. Dies folge auch aus der Konzeption des Staatsangehörigkeitsgesetzes, welches so aufgebaut sei, dass zunächst der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit aufgrund spezieller Erwerbstatbestände geregelt werde und sodann der Verlust aufgrund spezieller Verlusttatbestände. Jedenfalls bei einer solchen Gesetzeskonzeption sei entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die allgemeine Beweislastregel zurückzugreifen, nach der ein Bürger, der eine Rechtsposition für sich in Anspruch nehme, die materielle Beweislast hinsichtlich der Entstehensvoraussetzungen treffe. Ferner fehle es an einer durchgängigen Deutschenbehandlung des Vaters der Klägerin durch deutsche Behörden. Die unrichtige Behandlung als Deutscher werde beendet, wenn der Betroffene durch eine deutsche Stelle als Ausländer behandelt werde. Dies sei hier der Fall gewesen, insbesondere sei ihm bei seinen verschiedenen Besuchen bei der Deutschen Botschaft regelmäßig die Ausstellung eines neuen Passes verweigert worden.
22Die Klägerin hat am 12.12.2013 Klage erhoben. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Ergänzend macht sie insbesondere geltend: Ziel des Gesetzgebers sei es gewesen, im Bereich der Erwerbstatbestände Rechtssicherheit zu schaffen, was beim Ersitzungserwerb gerade auch für die Abkömmlinge gelten müsse. Der Vater der Klägerin sei immer der Auffassung gewesen, deutscher Staatsangehöriger zu sein. Dementsprechend habe er sich jahrelang um die entsprechende Anerkennung bemüht. Warum er im Jahr 2008 nunmehr davon habe ausgehen sollen, die Verwaltung handele wissentlich rechtswidrig, bleibe im Vortrag der Beklagten offen. Ferner sei es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht erforderlich, dass eine „unbestrittene, durchgängige“ Behandlung als Deutscher vorliege. Ein solches Tatbestandsmerkmal der unbestrittenen Deutschenbehandlung sehe § 3 Abs. 2 StAG nicht vor. Vielmehr sei jedenfalls bei Vorliegen der in Satz 2 genannten Regelbeispiele eine Deutschenbehandlung anzunehmen.
23Die Klägerin beantragt,
24die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamts vom 19.11.2012, irrtümlich datiert auf den 26.03.2012, und des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2013 zu verpflichten, ihr einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide.
28Entscheidungsgründe:
29Die zulässige Klage ist nicht begründet.
30Die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeits-ausweises ist rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 30 Abs. 3 Satz 1 StAG auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, weil nicht im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 StAG nachgewiesen ist, dass sie deutsche Staatsangehörige ist.
31Die Klägerin hat die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22.07.1913 (RGBl. S. 583) - RuStAG - in der damals geltenden Fassung erworben. Der Vater der Klägerin war zum Zeitpunkt ihrer Geburt kein deutscher Staatsangehöriger mehr. Er hatte die deutsche Staatsangehörigkeit am 08.07.1957 gemäß § 25 Abs. 1 RuStAG durch den Erwerb der venezolanischen Staatsangehörigkeit verloren. Nach dieser Vorschrift verlor ein Deutscher, der im Inland weder seinen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt hat, seine deutsche Staatsangehörigkeit mit dem auf Antrag hin erfolgten Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit.
32Voraussetzung des § 25 Abs. 1 RuStAG ist zunächst der wirksame Antragserwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Dieser liegt hier unstreitig mit dem am 08.07.1957 auf Antrag des Vaters der Klägerin erfolgten Erwerb der venezolanischen Staatsangehörigkeit vor.
33Auch hatte der Vater der Klägerin zum Zeitpunkt des Erwerbs der venezolanischen Staatsangehörigkeit in Deutschland weder einen Wohnsitz noch seinen dauernden Aufenthalt. Das Staatsangehörigkeitsrecht übernimmt den Wohnsitzbegriff des § 7 BGB. Allgemein bezeichnet der Wohnsitz den räumlichen Schwerpunkt der gesamten Lebensverhältnisse einer Person. Gemäß § 7 Abs. 1 BGB ist das Merkmal der Begründung eines Wohnsitzes sowohl durch eine objektive als auch durch eine subjektive Komponente geprägt. In objektiver Hinsicht erfordert es die Niederlassung, mithin die Begründung des Schwerpunktes der Lebensverhältnisse am Ort der Niederlassung. Subjektiv bedarf es des Willens, den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse am Niederlassungsort nicht nur vorübergehend, sondern dauernd und damit auf lange Sicht und nicht bloß für eine von vornherein begrenzte, wenn auch möglicherweise länger bemessene Zeitspanne, beizubehalten. Dies setzt einen entsprechenden Entschluss voraus, der sich als ein innerer, der unmittelbaren Erkenntnis durch Dritte entzogener Vorgang durch äußere Umstände manifestieren muss. Das objektive und das subjektive Element müssen zugleich vorliegen. Zu welchem Zeitpunkt ein Wohnsitz an einem bestimmten Ort begründet wird, ist eine Tatfrage des Einzelfalles, deren Beantwortung eine umfassende Würdigung sämtlicher für den Einzelfall bedeutsamer Umstände gebietet.
34Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.06.1990 - 2 BvR 116/90 -, NJW 1990, 2193, 2194; BVerwG, Urteil vom 21.05.1985 - 1 C 52.82 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 20. September 1996 - 2 A 3387/93 -, m. w. N., und Beschluss vom 24. Mai 2006 - 12 A 613/04 -, juris.
35Nach § 7 Abs. 3 BGB wird der Wohnsitz aufgehoben, wenn die Niederlassung mit dem Willen aufgehoben wird, sie aufzugeben. Wie die Begründung des Wohnsitzes beinhaltet auch dessen Aufhebung eine objektive und eine subjektive Komponente. Neben der tatsächlichen Aufgabe der Niederlassung ist auch der Wille erforderlich, den Ort nicht länger als Schwerpunkt der Lebensverhältnisse beizubehalten. Dieser Aufgabewille muss durch die konkreten Umstände des Einzelfalles belegt sein. Insbesondere kann der Aufgabewille aus der Tatsache abgeleitet werden, dass der bisherige Niederlassungsort für lange Dauer - etwa mit dem Ziel der Auswanderung - verlassen und zugleich ein neuer Wohnsitz begründet wird.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.1985 - 1 C 52.82 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 20. September 1996 - 2 A 3387/93 -, m. w. N., und Beschluss vom 24. Mai 2006 - 12 A 613/04 -, juris.
37Sofern die Aufhebung der Niederlassung etwa durch einen Aufenthaltswechsel bereits erfolgt ist, genügt ein entsprechender Wille, den bisherigen Wohnsitz aufzuheben. Dieser bedarf keiner ausdrücklichen Erklärung, muss aber für einen objektiven Beobachter erkennbar sein.
38Vgl. BayObLG, Beschluss vom 30.03.1984 - BReg 1 Z 9/84 -, BayObLGZ 1984, 95 f.; BGH, Urteil vom 27.10.1987 – VI ZR 268/86 -, juris.
39Nicht ausreichend für die Aufhebung des Wohnsitzes ist etwa eine vorübergehende Abwesenheit, auch wenn sie über einen längeren Zeitraum andauert und die Beziehungen zum bisherigen Aufenthaltsort aufrechterhalten bleiben.
40Vgl. BayObLG, Beschluss vom 31.08.1998 - 2St RR 171/98 -, juris.
42Gemäß § 7 Abs. 2 BGB kann der Wohnsitz zudem gleichzeitig an mehreren Orten bestehen. Mehrere Wohnsitze bestehen allerdings nur dann, wenn der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse ungefähr gleichmäßig auf die verschiedenen Orte verteilt ist. Kein doppelter Wohnsitz ist dann gegeben, wenn der zweite Aufenthaltsort nur anlässlich längerer Besuche aufgesucht wird.
43Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.05.1985 - 1 C 52.82 -, juris.
44Gemessen an diesen Maßstäben hatte der Vater der Klägerin vor der Beantragung der venezolanischen Staatsangehörigkeit einen (ausschließlichen) Wohnsitz in Venezuela begründet und seinen Wohnsitz in Deutschland aufgegeben. Der Vater der Klägerin hatte sich zum damaligen Zeitpunkt in Venezuela derart niedergelassen, dass er den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse dorthin verlegt hatte.
45In objektiver Hinsicht ergeben sich durchgreifende Anhaltspunkte für die Begründung eines Wohnsitzes in Venezuela aus der Dauer des Auslandsaufenthaltes, der Entfernung zu Deutschland sowie insbesondere aus dem Umstand, dass dem Vater der Klägerin gegen Ende seines Studiums die Leitung eines Zoologischen Gartens in Venezuela angeboten worden war und er dieses Angebot angenommen hatte. Zwar begründet ein Student am Universitätsort nur unter besonderen Umständen einen Wohnsitz; der Wille, sich ständig an einem Ort niederzulassen, fehlt regelmäßig bei einem Aufenthalt am Ort des Studiums, so dass der Student seinen bisherigen Wohnsitz regelmäßig behält.
46Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1990 - 2 BvR 116/90 -, NJW 1990, 2193 (2194), m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 2. Mai 2001 - 8 WF 27/01 -, FamRZ 2002, 54 = juris; OLG Frankfurt/M. Beschluss vom 9. Februar 2009 - 1 WF 32/09 -, juris; OVG NRW, Urteil vom 14. Juni 2012 – 11 A 2169/10 -, juris.
47Vorliegend ergibt sich jedoch aus den oben bezeichneten Anhaltspunkten in objektiver wie in subjektiver Hinsicht, dass der Vater der Klägerin zum Zeitpunkt der Einbürgerung einen ausschließlichen Wohnsitz in Venezuela hatte. Dabei geht das Gericht nach den Angaben des Vaters der Klägerin davon aus, dass er zunächst nur in der Absicht nach Venezuela ausreiste, dort für ein bis zwei Semester zu studieren und dementsprechend in Köln im Melderegister gemeldet blieb. Jedenfalls mit der Entscheidung, das Studium in Venezuela und nicht in Deutschland zu beenden und eine Einbürgerung zu erstreben, um seinen beruflichen Werdegang in Venezuela fortzusetzen, entsprach es jedoch dem Willen des Vaters der Klägerin, seinen Wohnsitz ausschließlich in Venezuela innezuhaben. Dieser Zeitpunkt lag unstreitig vor dem auf Antrag hin erfolgten Erwerb der venezolanischen Staatsangehörigkeit. Spätestens seither erhielt der Vater der Klägerin auch keinen zweiten Wohnsitz in Deutschland aufrecht. Der Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse war bereits vor dem Zeitpunkt des Erwerbs der venezolanischen Staatsangehörigkeit nicht gleichmäßig auf seinen Studienort in Venezuela und Köln verteilt. Der Vater der Klägerin hatte seine Lebensgrundlage ausschließlich in Venezuela. Dem steht nicht entgegen, dass er weiterhin in Köln gemeldet blieb. Denn die Eintragung im Melderegister belegt nicht, dass tatsächlich ein Wohnsitz im Sinne des § 7 BGB gegeben war. Auch das Aufrechterhalten persönlicher Kontakte nach Köln vermag die Annahme eines weiter in Köln bestehenden Wohnsitzes nicht zu begründen. Denn auch im Falle einer Wohnsitzaufgabe sind weiterhin tatsächliche persönliche Beziehungen am bisherigen Wohnsitz möglich, ohne dass sich der Lebensmittelpunkt dort befinden muss.
48Ferner lag aus den genannten Gründen auch kein dauernder Aufenthalt im Inland im Sinne von § 25 Abs. 1 RuStAG vor.
49Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Vater der Klägerin zum Zeitpunkt des Erwerbs der venezolanischen Staatsangehörigkeit über eine Beibehaltungsgenehmigung gemäß § 25 Abs. 2 RuStAG verfügte, was dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit entgegenstünde. Dass eine Beibehaltungsgenehmigung überhaupt wirksam beantragt wurde, ergibt sich schon nicht zwingend aus dem klägerischen Vorbringen, ist aber jedenfalls nicht nachgewiesen. Die Klägerin hat selbst angegeben, ihr Vater habe sich nicht persönlich um eine Beibehaltungsgenehmigung bemüht. Für ihn habe sich ein befreundeter Benediktinerpater eingesetzt, der die Deutsche Botschaft in einem Schreiben gebeten habe, die deutsche Staatsangehörigkeit ruhen zu lassen. Es ist diesbezüglich bereits nicht hinreichend dargetan, aus welchen Umständen sich eine wirksame Bevollmächtigung des Benediktinerpaters durch den Vater der Klägerin und die Beantragung einer Beibehaltungsgenehmigung ergeben sollen. Unabhängig davon gibt es keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass es jemals zur Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung - durch Ausstellung einer entsprechenden Urkunde - gekommen ist. Die Klägerin hat die Aushändigung einer solchen Urkunde an ihren Vater nicht einmal substantiiert vorgetragen; erst recht hat sie die Urkunde nicht vorlegen können. Dies geht zu ihren Lasten. Denn die Klägerin trägt Darlegungs- und die Beweislast hinsichtlich des Vorliegens einer Beibehaltungsgenehmigung. Zwar handelt es sich bei der Vorschrift des § 25 RuStAG um eine Regelung bezüglich des Verlustes der Staatsangehörigkeit, dessen tatsächliche Voraussetzungen grundsätzlich von der Behörde nachgewiesen werden müssen.
50Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.01.1992 - 9 B 192.91 -, juris.
51Für die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung folgt jedoch aus der Formulierung des § 25 Abs. 2 RuStAG, dass die Beweislast für die tatsächliche Erteilung der Beibehaltungsgenehmigung bei demjenigen liegt, der sich auf die Beibehaltungsgenehmigung beruft: „Die Staatsangehörigkeit verliert nicht, wer …“.
52Die Klägerin hat auch nicht nach § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Nach dieser Vorschrift erstreckt sich der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auch auf die Abkömmlinge desjenigen, der als deutscher Staatsangehöriger im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 2 StAG behandelt wurde.
53Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Ersitzung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 StAG war von der Beklagten in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Der Verwaltungsakt der Stadt Köln betreffend die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises vom 20.08.2010 und die darin enthaltene Feststellung, dass der Vater der Klägerin deutscher Staatsangehöriger ist, entfaltet lediglich die sogenannte Tatbestandswirkung. Das Bundesverwaltungsamt hat danach – wie alle anderen Behörden – aufgrund des Bescheides der Stadt Köln vom 20.08.2010 davon auszugehen, dass der Vater der Klägerin zum Zeitpunkt der Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises deutscher Staatsangehöriger war. Die Beklagte ist darüber hinaus aber nicht an die dieser Feststellung zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Annahmen gebunden. Demgemäß muss die Beklagte nicht annehmen, dass der Vater der Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit im Wege der Ersitzung gemäß § 3 Abs. 2 StAG erworben hat.
54Bescheide bestehen aus einem Verfügungssatz sowie einer Begründung. Zur Begründung gehören die rechtliche Beurteilung sowie die dem Bescheid zugrunde liegenden tatsächlichen Annahmen. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung sowie das Schrifttum verstehen den Begriff der Tatbestandswirkung als die Bindung einer Behörde an den verfügenden Teil eines Verwaltungsaktes einer weiteren Behörde. Diese ist dann an den Tenor des Verwaltungsaktes und die darin ausgesprochene Rechtsfolge gebunden.
55Vgl. BVerwG, Urteil vom 17.01.1980 - VII C 63.77 -, juris; Schroeder, Bindungswirkungen von Entscheidungen nach Art. 249 EG im Vergleich zu denen von Verwaltungsakten nach deutschem Recht, 2006, S. 281 m.w.N. in Fn. 106 und 107; Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1989, S. 71 ff.
56Der Begriff der Feststellungswirkung wird in Rechtsprechung und Schrifttum überwiegend dahingehend verwendet, dass er die Bindung von Gerichten und Behörden an rechtliche Beurteilungen und Sachverhaltsfeststellungen zur Begründung eines Verwaltungsaktes beschreibt.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.06.1970 - I C 10.69 -, juris; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 43 Rn. 160 m.w.N; Schroeder, Bindungswirkungen von Entscheidungen nach Art. 249 EG im Vergleich zu denen von Verwaltungsakten nach deutschem Recht, 2006, S. 299.; Seibert, Die Bindungswirkung von Verwaltungsakten, 1988, S. 129 m.w.N. in Fn. 8.
58Eine Bindungswirkung anderweitig ergangener Verwaltungsakte hinsichtlich der Begründung des Bescheids gegenüber anderen Behörden oder in Verwaltungsverfahren, die andere Personen betreffen, ist nach allgemeiner Ansicht nur dann anzunehmen, wenn sie ausdrücklich gesetzlich angeordnet ist. Dies liegt darin begründet, dass die Bindung an Begründungselemente von Hoheitsakten im hiesigen Rechtssystem eine Ausnahme darstellt.
59Vgl. BVerwG, Urteile vom 27.06.1984 - 6 C 78/82 -, DVBl. 1984, 1226, 1227, vom 15.11.1985 - 8 C 43/83 -, NJW 1986, 1628, 1629, vom 20.10.1987 - 9 C 255/86 - und vom 27.04.1993 - 11 C 13/92 -, beide juris; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 43 Rn. 161 f.
60Eine solche Erstreckungswirkung greift „in Durchbrechung der allgemeinen Kompetenzordnung in die Sphäre der Wahrnehmungszuständigkeit“ der betroffenen Organe ein.
61Vgl. Knöpfle, BayVBl. 1982, 225, 230.
62Eine solche Wirkung aber darf aus rechtsstaatlichen Gründen im jeweiligen Einzelfall nur durch ein formelles Gesetz festgelegt worden sein.
63Vgl. BVerwG, Urteile vom 28.02.1963 - VIII C 28.62 - , BVerwGE 15, 332 und vom 25.03.1965 - VIII C 395.63 -, BVerwGE 21, 33, 35 f.
64Daraus folgt zugleich, dass die Bindung an die Gründe eines Verwaltungsaktes grundsätzlich „auch nicht im Wege einer gleichsam anreichernden ‚Auslegung‘ in das Gesetz hineininterpretiert werden“ darf.
65Vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.1985 - 8 C 43/83 -, NJW 1986, 1628, 1629.
66Ob von einer solchen Feststellungswirkung auszugehen ist, beurteilt sich bereichsspezifisch nach Maßgabe des anzuwendenden Rechts.
67Vgl. Berlit, jurisPR-BVerwG 14/2005 Anm. 3.
68Dies folgt auch aus der von der Beklagten zur Begründung ihrer Ansicht herangezogenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 15 BVFG,
69BVerwG, Urteil vom 24.02.2005 - 5 C 10/04 -, juris.
70Auch wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass die dort gegenständlichen Regelungen des § 15 BVFG nicht ohne weiteres mit denen des Staatsangehörigkeitsgesetzes zu vergleichen sind, so ist den Entscheidungsgründen jedenfalls zu entnehmen, dass eine bereichsspezifische Prüfung der Frage erfolgen muss, ob die jeweils vorliegende Norm ausdrücklich eine Feststellungswirkung regelt.
71Die hier in Rede stehende Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 StAG ordnet diese jedoch bereits ihrem Wortlaut nach nicht an. Durch feststellende Verwaltungsakte wird die materielle Rechtslage für einen Einzelfall verbindlich festgestellt, ohne dass hierbei eine Änderung der Rechtslage beabsichtigt ist. Der Verfügungssatz eines solchen feststellenden Verwaltungsaktes schreibt lediglich das Ergebnis eines behördlichen Subsumtionsvorgangs fest, ohne jedoch selbst hieran Rechtsfolgen zu knüpfen.
72Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 35 Rn. 219 m.w.N.
73Durch den Verwaltungsakt gemäß § 30 Abs. 3 Satz 1 StAG wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit verbindlich bestätigt, sodass sie nunmehr rechtsbeständig feststeht. Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 StAG ist die Feststellung „in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist.“ Dies zielt erkennbar auf eine Bindung anderer Behörden an den Entscheidungssatz des feststellenden Verwaltungsakts. Für eine darüber hinausgehende Bindung an die tatsächlichen und rechtlichen Annahmen, von denen die ausstellende Behörde bei Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweise ausging, bietet der Wortlaut der Vorschrift keine Anhaltspunkte.
74Diese Einschätzung wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift des § 30 StAG bestätigt. Bis zu ihrem Inkrafttreten in der aktuellen Fassung zum 28.08.2007 folgte aus einem Staatsangehörigkeitsausweis lediglich die widerlegbare Vermutung der deutschen Staatsangehörigkeit. Die Möglichkeit des Gegenbeweises war nach ständiger Rechtsprechung nicht ausgeschlossen und der Ausweis regelte dementsprechend nicht in verbindlicher Weise das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit.
75Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21.05.1985 - 1 C 52.85 -, juris.
76Um diesen Unsicherheiten zu begegnen, sollte entsprechend der gesetzgeberischen Intention mit der Einfügung des § 30 StAG n.F. Rechtssicherheit geschaffen werden. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte eine der gesetzlichen Regelung betreffend den Nachweis der Spätaussiedlerbescheinigung in § 15 BVFG entsprechende Verbindlichkeitsregelung eingeführt werden.
77Vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 230 f.
78Aus der Gesetzeshistorie ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Neufassung des § 30 StAG nunmehr über die verbindliche Regelung der deutschen Staatsangehörigkeit des Ausweisinhabers hinaus auch noch die erheblich weitergehende Bindung an die zugrundeliegenden Tatsachen sowie rechtlichen Überlegungen der ausstellenden Behörde anordnen soll. Wenn in der Gesetzesbegründung zu § 30 StAG ausdrücklich auf die strukturell ähnliche Vorschrift des § 15 BVFG Bezug genommen wird, bestätigt dies vielmehr, dass der Gesetzgeber bei der neuen Regelung des § 30 StAG dem Staatsangehörigkeitsausweis keine über eine Tatbestandswirkung hinausgehende Bindungswirkung zukommen lassen wollte.
79Zieht man bei der Auslegung des § 30 StAG die weiteren Normen aus dem Staatsangehörigkeitsgesetz hinzu, folgt kein anderes Ergebnis. Sofern die Klägerin unter Berufung auf
80Marx, in: Fritz/Vormeier, GK-StAR, Stand: Dezember 2014, § 30 StAG Rn. 28, 40 ff.,
81anführt, bei behördlichen Entscheidungen im Rahmen des § 30 StAG bestehe keine Aufhebungsmöglichkeit, weil § 35 StAG die Aufhebungsmöglichkeiten im Staatsangehörigkeitsrecht abschließend regele und ein Rückgriff auf die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorschriften zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes gemäß §§ 48, 49 VwVfG deshalb ausscheide, ist dies mit Blick auf die von der Beklagten angeführte Gegenauffassung fraglich,
82vgl. auch VG Köln, Urteil vom 27.08.2014 -10 K 6927/13 -, .n.v.,
83bedarf aber für den vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn selbst wenn man zugunsten der Klägerin von der grundsätzlichen Unaufhebbarkeit eines feststellenden Verwaltungsaktes nach § 30 StAG ausgeht, folgt daraus nichts für die vorliegend maßgebliche Frage, ob die Bindungswirkung eines solchen Verwaltungsaktes nur den Entscheidungstenor umfasst oder sich auch auf die seinem Erlass zugrunde liegenden rechtlichen und tatsächlichen Annahmen erstreckt.
84Auch aus der Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG ergibt sich kein für die Klägerin günstigeres Ergebnis. Die Vorschrift regelt die Erstreckung des Ersitzungserwerbs auf die Abkömmlinge des Betroffenen. Gemeint ist damit ein materiell-rechtlich erfolgter Ersitzungserwerb, was aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf den Erstreckungserwerb nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG folgt („er erstreckt sich“). Dieser tritt jedoch nur dann ein, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, die Bezugsperson also tatsächlich die deutsche Staatsangehörigkeit durch Ersitzung erworben hat. Ein rechtsirrig von einer Staatsangehörigkeitsbehörde angenommener Ersitzungserwerb der Bezugsperson kann materiell-rechtlich im Hinblick auf die Abkömmlinge nicht die Rechtsfolge des § 3 Abs. 2 Satz 4 StAG zeitigen. Soweit die Klägerin zu der vorgenannten Norm anführt, die Formulierung, der Ersitzungserwerb erstrecke sich auf die Abkömmlinge, die seither ihre Staatsangehörigkeit vom Betroffenen ableiten, spreche für eine über eine Tatbestandswirkung hinausgehende Bindung der Feststellung, ist dem nicht zu folgen. Der Gesetzeswortlaut der Norm bezieht sich - wie ausgeführt - ausdrücklich nur auf einen materiell-rechtlich erfolgten Ersitzungserwerb, der dann auch für die Abkömmlinge eine Rückwirkung entfaltet. Für ein darüber hinausgehendes Verständnis gibt der Wortlaut nichts her.
85Auch die teleologische Auslegung des § 30 StAG führt nicht zu der Annahme einer über eine Tatbestandswirkung der Feststellung hinausgehenden Feststellungswirkung. Sinn und Zweck der Vorschrift bestehen darin, dem Ausweisinhaber Rechtssicherheit zu gewährleisten und ihm den einfachen Nachweis seiner deutschen Staatsangehörigkeit zu ermöglichen.
86Hinzu kommt, dass es im Sinne der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ausreichen muss, wenn der Inhaber eines Staatsangehörigkeitsausweises diesen Ausweis bei anderen Behörden vorlegt, ohne dass diese in weitere Ermittlungen einzutreten haben wie etwa die Beiziehung der Akten der ausstellenden Behörde. Dies wäre aber erforderlich, wenn die Bindungswirkung nicht nur die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit umfasste – nur diese wird im Staatsangehörigkeitsausweis bestätigt –, sondern sich darüber hinausgehend auch auf die Gründe erstreckte, welche die den Ausweis austellende Behörde zu ihrer Entscheidung veranlasst haben.
87Die Beklagte hatte hier deshalb die Voraussetzungen eines Ersitzungserwerbs gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG in eigener Zuständigkeit materiell-rechtlich zu prüfen. Dabei ist sie rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass der Vater der Klägerin die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Ersitzung erworben hat. Nach der genannten Vorschrift erwirbt derjenige die deutsche Staatsangehörigkeit, der seit zwölf Jahren von deutschen Stellen als deutscher Staatsangehöriger behandelt worden ist und dies nicht zu vertreten hat. Als deutscher Staatsangehöriger wird nach Satz 2 insbesondere behandelt, wem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Die Behandlung als deutscher Staatsangehöriger muss zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift des § 3 Abs. 2 StAG zum 28.08.2007 noch fortbestehen.
88Vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.08.2010 - 12 A 1937/09 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.05.2008 - 13 S 1137/08 -, StAZ 2009, 45; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30.09.2009 - 5 S 17/09 -, juris; VG Köln, Urteile vom 07.03.2012 - 10 K 422/11 - und vom 01.04.2009 - 10 K 4679/08 -, beide n.v.; VG Stade, Urteil vom 27.08.2009 - 1 A 560/09 -, StAZ 2010, 115; Marx, in: Fritz/Vormeier, GK-StAR, Stand: Dezember 2014, § 3 StAG Rn. 29.
89Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 3 Abs. 2 StAG wurde der Vater der Klägerin nicht (mehr) von deutschen Behörden als deutscher Staatsangehöriger behandelt; die Behandlung als deutscher Staatsangehöriger endete vielmehr jedenfalls im Jahr 2001. Dem steht nicht entgegen, dass dem Vater der Klägerin von der Stadt Köln am 08.07.1998 sowie am 09.07.1998 mit dem deutschen Reisepass und dem Personalausweis staatsangehörigkeitsrechtliche Dokumente im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 2 StAG ausgestellt wurden; zeitlich noch weiter vorgelagerte Anknüpfungspunkte für eine Deutschenbehandlung im Sinne der vorgenannten Vorschrift sind nicht ersichtlich. Zwar liegt in der Ausstellung eines Reisepasses und eines Personalausweises eine Deutschenbehandlung im Sinne des Gesetzes. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit im Wege der Ersitzung ist aber ausgeschlossen, wenn vor Ablauf der nach § 3 Abs. 2 StAG für den Ersitzungserwerb maßgeblichen Frist von zwölf Jahren der Rechtsirrtum der deutschen Behörden aufgedeckt wird.
90Vgl. Marx, in: Fritz/Vormeier, GK-StAR, Stand: Dezember 2014, § 3 StAG Rn. 61.
91Hier wurde der Vater der Klägerin bereits im Jahr 2001 von der zu diesem Zeitpunkt für ihn zuständigen Passbehörde - der Deutschen Botschaft in D. - dahingehend informiert, dass von einem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit im Jahr 1957 auszugehen sei, weil er auf seinen Antrag hin die venezolanische Staatsangehörigkeit erworben hatte. Aus diesem Grund wurde ihm auf der Grundlage des Schreibens des Bundesverwaltungsamtes vom 07.03.2001 an die Deutsche Botschaft in D. nahegelegt, die von ihm gestellten Anträge auf Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen zurückzunehmen, was dann auch geschah. Damit endete seine Behandlung als deutscher Staatsangehöriger, so dass kein Ersitzungserwerb nach § 3 Abs. 2 Satz 2 StAG mehr stattfinden konnte. Unabhängig davon hat das Bundesverwaltungsamt als für den Vater der Klägerin im damaligen Zeitraum allein zuständige Staatsangehörigkeitsbehörde dem Vater der Klägerin und seinen damaligen Bevollmächtigten mehrfach mitgeteilt, er sei kein deutscher Staatsangehöriger. Soweit die Klägerin demgegenüber einwendet, die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 StAG setze gerade keine Deutschenbehandlung „vonallen deutschen Stellen“ voraus, sondern lediglich „von deutschen Stellen“ und eine unbestrittene Deutschenbehandlung sei gerade kein Tatbestandsmerkmal, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Wie sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung ergibt, der auch in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gekommen ist, dient die Vorschrift des § 3 Abs. 2 StAG der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz im Einzelfall.
92Vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 227.
93Sobald aber dem Betreffenden von zuständigen deutschen Stellen Umstände zur Kenntnis gebracht werden, die zu einer anderweitigen staatsangehörigkeitsrechtlichen Bewertung - etwa wie hier dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch Antragserwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit - führen, so ist sein Vertrauen in die rechtmäßige Deutschenbehandlung nicht länger schutzbedürftig.
94Unabhängig davon sind die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 StAG auch deshalb nicht erfüllt, weil der Vater der Klägerin auch von der Stadt Köln - die ihm zuletzt 2008 und 2009 einen Reisepass und einen Personalausweis ausgestellt hat - nicht über einen Zeitraum von zwölf Jahren als Deutscher behandelt wurde,ohne dies zu vertreten zu haben (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 StAG). Vertretenmüssen liegt dann vor, wenn der Betreffende wissentlich auf die Umstände eingewirkt hat, die deutsche Stellen dazu veranlasst haben, ihn als deutschen Staatsangehörigen zu behandeln.
95Vgl. BT-Drs. 16/5065, S. 227.
96Ein Vertretenmüssen setzt bereits begrifflich kein Verschulden in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit voraus. Zu vertreten hat jemand ein Verhalten schon dann, wenn er in der Lage und aus Rechtsgründen verpflichtet und ihm auch nach den Umständen zumutbar war, einen Vorgang zu verhindern. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine dem Betroffenen zurechenbare Veranlassung der fehlerhaften Deutschenbehandlung. Dies kann durch Tun oder Unterlassen geschehen. Zwar dürfen hierbei von dem Betroffenen keine Kenntnisse des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts verlangt werden, ein Vertretenmüssen liegt aber dann vor, wenn der Betroffene die Anzeige eines auch bei einer Parallelwertung in der Laiensphäre ohne besondere staatsangehörigkeitsrechtliche Kenntnis möglicherweise staatsangehörigkeitsrechtlich relevanten Vorgangs wie etwa den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit bei der prüfungsbefugten Stelle unterlassen hat.
97Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.06.1975 - VIII C 12.74 -, BVerwGE 48, 336; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.07.1997 - 25 A 3613/95 -, juris; Marx, in: Fritz/Vormeier, GK-StAR, Stand: Dezember 2014, § 3 StAG Rn. 49 ff. Vgl. auch Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 3 Rn. 8.
98Ein die Deutschenbehandlung zurechenbar veranlassendes Verhalten gegenüber den deutschen Stellen im Sinne von § 3 Abs. 2 StAG ist dementsprechend insbesondere dann gegeben, wenn der Betreffende bewusst auf staatsangehörigkeitsrechtliche Folgen gerichtet unzutreffende oder unvollständige Angaben auf die Anfrage der Behörden hin macht.
99Vgl. Marx, in: Fritz/Vormeier, GK-StAR, Stand: Dezember 2014, § 3 StAG Rn. 50 f.
100Im vorliegenden Fall ist Anknüpfungspunkt für die zurechenbare Veranlassung der (weiteren) Deutschenbehandlung ein Unterlassen des Vaters der Klägerin gegenüber der Stadt Köln. Bei der Neubeantragung von Ausweisdokumenten in den Jahren 2008 und 2009 unterließ er es, der Behörde den Erwerb der venezolanischen Staatsangehörigkeit anzuzeigen, obwohl er hierzu gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 Passgesetz bzw. § 9 Abs. 3 Satz 1 Personalausweisgesetz verpflichtet war. Die Vorschriften regeln die Pflicht des Pass- bzw. Personalausweisbewerbers, in dem Antrag alle Tatsachen anzugeben, die zur Feststellung seiner Person und seiner Eigenschaft als Deutscher erforderlich sind. In den ausgefüllten Antragsformularen bezüglich des Reisepasses und des Personalausweises finden sich keine Angaben auf die im Antragsformular enthaltene ausdrückliche Frage der Behörde nach dem Bestehen einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Die Ausweisdokumente beantragte der Vater der Klägerin persönlich, nur die Abholung des Personalausweises im Januar 2010 erfolgte durch eine Bevollmächtigte. Dabei ist davon auszugehen, dass das Ankreuzfeld bezüglich des Bestehens einer ausländischen Staatsangehörigkeit bereits bei Antragstellung und nicht erst bei Abholung auszufüllen war. Bei Beantragung der Dokumente musste dem Vater der Klägerin aber auch als Laie bewusst gewesen sein, dass die Anfrage der Behörde in dem jeweiligen Ankreuzfeld staatsangehörigkeitsrechtliche Folgen nach sich zog. Insbesondere war dem Vater der Klägerin die Rechtsauffassung der Beklagten bekannt, er habe die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 25 RuStAG mit dem Erwerb der venezolanischen Staatsangehörigkeit verloren. Indem er dennoch die anzukreuzenden Felder in den Antragsformularen unausgefüllt ließ - und damit vermied, ein auf noch detailliertere Angaben zielendes Beiblatt ausfüllen zu müssen - veranlasste er die Neuausstellung eines Reisepasses und eines Personalausweises in zurechenbarer Weise.
101Ein etwaiges Mitverschulden der Stadt Köln, deren Bedienstete die Anträge entgegengenommen und die Ausweispapiere ausgehändigt haben, ohne das vollständige Ausfüllen des Antragsformulars sicherzustellen, hat nicht die rechtliche Konsequenz, dass ein Vertretenmüssen des Vaters der Klägerin entfiele. Weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der Gesetzesbegründung ergeben sich Anhaltspunkte für ein mit einer solchen Rechtsfolge zu berücksichtigendes Mitverschulden seitens der deutschen Stellen. Wenn die Deutschenbehandlung - auch - auf ein Handeln oder Unterlassen des Betroffenen zurückführbar ist, ist er grundsätzlich gerade nicht schutzwürdig im Vertrauen auf die erfolgende Behandlung als deutscher Staatsangehöriger. Die von der Klägerin zur Stützung ihrer Auffassung angeführten Erwägungen des VG Stade,
102VG Stade, Urteil vom 27.08.2009 - 1 A 560/09 -, juris,
103beziehen sich auf einen anders gelagerten Sachverhalt und sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.
104Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
105Die Berufung war vorliegend gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung aufweist. Die Frage der Reichweite der Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes gemäß § 30 Abs. 1 und Abs. 3 StAG ist bislang nicht höchstrichterlich geklärt.
Ein ehemaliger Deutscher und seine minderjährigen Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, können auf Antrag eingebürgert werden, wenn ihre Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und sie die Voraussetzungen des § 8 Absatz 1 Nummer 1 und 2 erfüllen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.
(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.