Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 03. Apr. 2017 - 7 K 7667/16
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
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Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 03. Apr. 2017 - 7 K 7667/16
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Verwaltungsgericht Karlsruhe Beschluss, 03. Apr. 2017 - 7 K 7667/16 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Widerspruch und Klage gegen
- 1.
die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels, - 1a.
Maßnahmen nach § 49, - 2.
die Auflage nach § 61 Absatz 1e, in einer Ausreiseeinrichtung Wohnung zu nehmen, - 2a.
Auflagen zur Sicherung und Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht nach § 61 Absatz 1e, - 3.
die Änderung oder Aufhebung einer Nebenbestimmung, die die Ausübung einer Erwerbstätigkeit betrifft, - 4.
den Widerruf des Aufenthaltstitels des Ausländers nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 in den Fällen des § 75 Absatz 2 Satz 1 des Asylgesetzes, - 5.
den Widerruf oder die Rücknahme der Anerkennung von Forschungseinrichtungen für den Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d, - 6.
die Ausreiseuntersagung nach § 46 Absatz 2 Satz 1, - 7.
die Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11, - 8.
die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 6 sowie - 9.
die Feststellung nach § 85a Absatz 1 Satz 2
Die Klage gegen die Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7 hat keine aufschiebende Wirkung.
(2) Widerspruch und Klage lassen unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung und eines sonstigen Verwaltungsaktes, der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet, unberührt. Für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt der Aufenthaltstitel als fortbestehend, solange die Frist zur Erhebung des Widerspruchs oder der Klage noch nicht abgelaufen ist, während eines gerichtlichen Verfahrens über einen zulässigen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Eine Unterbrechung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts tritt nicht ein, wenn der Verwaltungsakt durch eine behördliche oder unanfechtbare gerichtliche Entscheidung aufgehoben wird.
(1) Ein Aufenthaltstitel wird einem Ausländer nur auf seinen Antrag erteilt, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(2) Ein Aufenthaltstitel, der nach Maßgabe der Rechtsverordnung nach § 99 Abs. 1 Nr. 2 nach der Einreise eingeholt werden kann, ist unverzüglich nach der Einreise oder innerhalb der in der Rechtsverordnung bestimmten Frist zu beantragen. Für ein im Bundesgebiet geborenes Kind, dem nicht von Amts wegen ein Aufenthaltstitel zu erteilen ist, ist der Antrag innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt zu stellen.
(3) Beantragt ein Ausländer, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ohne einen Aufenthaltstitel zu besitzen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels, gilt sein Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erlaubt. Wird der Antrag verspätet gestellt, gilt ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung als ausgesetzt.
(4) Beantragt ein Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend. Dies gilt nicht für ein Visum nach § 6 Absatz 1. Wurde der Antrag auf Erteilung oder Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt, kann die Ausländerbehörde zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen.
(5) Dem Ausländer ist eine Bescheinigung über die Wirkung seiner Antragstellung (Fiktionsbescheinigung) auszustellen.
(5a) In den Fällen der Absätze 3 und 4 gilt die in dem künftigen Aufenthaltstitel für einen Aufenthalt nach Kapitel 2 Abschnitt 3 und 4 beschriebene Erwerbstätigkeit ab Veranlassung der Ausstellung bis zur Ausgabe des Dokuments nach § 78 Absatz 1 Satz 1 als erlaubt. Die Erlaubnis zur Erwerbstätigkeit nach Satz 1 ist in die Bescheinigung nach Absatz 5 aufzunehmen.
(6) Wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu einem Inhaber einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte gestellt wird, so wird über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung einer ICT-Karte oder einer Mobiler-ICT-Karte entschieden.
(7) Ist die Identität durch erkennungsdienstliche Behandlung gemäß § 49 dieses Gesetzes oder § 16 des Asylgesetzes zu sichern, so darf eine Fiktionsbescheinigung nach Absatz 5 nur ausgestellt oder ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn die erkennungsdienstliche Behandlung durchgeführt worden ist und eine Speicherung der hierdurch gewonnenen Daten im Ausländerzentralregister erfolgt ist.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 10. März 2015 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750,00 € festgesetzt.
Gründe
- 1
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
- 2
Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO prüft das Oberverwaltungsgericht nur die (so) dargelegten Gründe. Im Beschwerdeverfahren wurde antragstellerseits jedoch nicht in diesem Sinne dargelegt, dass der Beschluss des Verwaltungsgerichts abzuändern wäre.
- 3
Es ist bereits zweifelhaft, ob die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 12. Dezember 2014 gegen die Ablehnung seines Antrages vom 27. Februar 2013 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. November 2014 überhaupt angeordnet werden könnte. Dies setzt nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO nämlich voraus, dass der Ablehnungsbescheid die Fiktion einer Duldung oder eines erlaubten Aufenthalts oder des Fortbestehens eines Aufenthaltstitels beendet (vgl. den Beschluss des Senats vom 19. Juni 2009 – 7 B 10468/09.OVG – InfAuslR 2009, 345 m.w.N.). Da der Antragsteller bei der damals noch örtlich zuständigen Ausländerbehörde der Stadt W die Verlängerung der ihm bis zum 24. Februar 2013 erteilten Aufenthaltserlaubnis erst am 27. Februar 2013 beantragte, galt seine Aufenthaltserlaubnis nicht gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG als fortbestehend. Die dem Antrag-steller am 27. Februar und am 18. April 2013 von der Ausländerbehörde der Stadt W gleichwohl irrtümlich erteilten Fiktionsbescheinigungen im Sinne von § 81 Abs. 5 AufenthG stellten auch nicht etwa Anordnungen der Fortgeltungswirkung zur Vermeidung einer unbilligen Härte im Sinne von § 81 Abs. 4 Satz 2 bzw. nunmehr Satz 3 AufenthG dar, ferner wird durch eine Bescheinigung, dass ein Recht besteht, dieses Recht nicht begründet (vgl. die Beschlüsse des Senats vom 4. April 2013 – 7 B 10210/13.OVG – ESOVGRP m.w.N. und vom 24. April 2014 –7B10328/14.OVG –). Es spricht auch wenig für die Annahme des Verwaltungsgerichts in dessen Beschluss vom 4. Februar 2015 – 6 L 48/15.TR –, die dem Antragsteller von der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin erteilten Fiktionsbescheinigungen seien Anordnungen der Fortgeltungswirkung im Sinne von § 81 Abs. 4 Satz 2 bzw. Satz 3 AufenthG gewesen. Soweit sich diesbezüglich in den Verwaltungsakten handschriftliche Notizen der Sachbearbeiterin der Ausländerbehörde der Antragsgegnerin finden, gehen diese nämlich nur von einer "Verlängerung der Fiktionsbescheinigung", nicht aber von einer Anordnung der Fiktionswirkung zur Vermeidung einer unbilligen Härte aus (vgl. S. 343 und 352 VA) und lassen im Übrigen auch nur Gründe dafür erkennen, weshalb damals jeweils noch keine endgültige Entscheidung über den Antrag des Antragstellers vom 27. Februar 2013 getroffen wurde (vgl. S. 343, 349, 352 und 361 VA). Letztlich kann dies indes dahinstehen, da der Antragsteller keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 AufenthG hat und deshalb weder die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs anzuordnen noch durch Erlass einer einstweiligen Anordnung seine Abschiebung zu untersagen ist.
- 4
Die bis zum 24. Februar 2013 verlängerte Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers war "nur gültig für ein Studium an der Fachhochschule W im Studiengang Intern. Management" (vgl. S. 234 VA). Für dieses Studium war der Antragsteller bis einschließlich des sechsten Semesters auch immatrikuliert. Nach eigenen Angaben hat er sich indes während des sechsten Semesters freiwillig exmatrikulieren lassen zur Vermeidung der Teilnahme an einer Prüfung, die er im dritten und letzten Versuch hätte bestehen müssen, um nicht zwangsexmatrikuliert zu werden, in-folge einer Studienordnungsänderung nunmehr allerdings in englischer Sprache, die er nie erlernt habe (vgl. S. 344 VA). Zwar war er danach für drei Semester an der Hochschule Trier im – Französischkenntnisse voraussetzenden – Studiengang "International Business" immatrikuliert, bis er wegen des endgültigen Nichtbestehens einer Prüfung zwangsimmatrikuliert wurde, ferner wurde er am 1. März 2015 wieder an der (Fach-)Hochschule W für das erste Semester des Studiengangs "Tourism and Travel Management" immatrikuliert und ist dies wohl auch noch. Jedoch würde eine Aufenthaltserlaubnis zur Ermöglichung des letztgenannten Studiums einen anderen Aufenthaltszweck betreffen als die seinerzeit bis zum 24. Februar 2013 verlängerte Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers, ohne dass die dafür in § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG aufgestellten Voraussetzungen erfüllt sind. Nach dieser Bestimmung soll während eines durch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 AufenthG ermöglichten Aufenthalts keine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt werden, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch besteht. Der Begriff des Aufenthaltszwecks in § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG knüpft indes an das konkret betriebene Studium und nicht etwa an den abstrakten Aufenthaltszweck "Studium" an, sodass deshalb schon bei einer Änderung der Fachrichtung (Studiengang und gegebenenfalls Studienfächer) ein anderer Aufenthaltszweck im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorliegt (vgl. den Beschluss des Senats vom 10. Dezember 2008 – 7 B 11227/08.OVG – NVwZ-RR 2009, 305 [306] sowie OVG NRW, Beschluss vom 21. November 2011 – 18 B 1220/11 – AuAS 2012, 62, beide m.w.N.).
- 5
Zwar ist eine bloße Schwerpunktverlagerung, bei der die betreffenden Studiengänge bis zum Wechsel identisch sind oder die im zunächst durchgeführten Studiengang absolvierten Semester auf den anderen Studiengang zumindest überwiegend angerechnet werden, nicht als Zweckwechsel anzusehen (so der Beschluss des Senats vom 10. Dezember 2008 – 7 B 11227/08.OVG – a.a.O.; vgl. ferner die Nrn. 16.2.6.1 und 16.2.6.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 [GMBl. 2009, 878] – AVwV-AufenthG –). Der Antragsteller hat jedoch nicht dargetan, dass die Studiengänge "International Management", "International Business" und "Tourism and Travel Management" in den ersten Semestern identisch sind oder dass ihm die in einem früheren Studiengang absolvierten Semester in einem späteren überwiegend anerkannt worden sind; beides ist auch sonst nicht ersichtlich, da der Antragsteller in beiden späteren Studiengängen jeweils wieder im ersten Fachsemester beginnen musste.
- 6
Das Bestehen eines Ausnahmefalles, der die in § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgesehene Regelfallversagung einer Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck ausschließt, ist vom Antragsteller nicht dargetan worden, aber auch sonst nicht ersichtlich. Ein Ausnahmefall ist durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, dass er das ansonsten ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 29. Juli 1993 – 1 C 25.93 – BVerwGE 94, 35 [43 f.]). Der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz kommt in diesem Zusammenhang keine erhebliche Bedeutung zu. Als Verwaltungsvorschrift kann sie im Außenverhältnis lediglich ermessenslenkende oder einen Beurteilungsspielraum ausfüllende Wirkung entfalten. Sie setzt deshalb einen gesetzlich eröffneten Entscheidungsspielraum voraus, an dem es hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "Ausnahmefall" fehlt. Die Einschätzung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, der die in § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgesehene Regelfallversagung einer Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck ausschließt, steht weder im Ermessen der Ausländerbehörde noch ist dieser insoweit ein Beurteilungsspielraum eröffnet (ebenso OVG NRW, Beschluss vom 21. November 2011 – 18 B 1220/11 – a.a.O. S. 63). Vielmehr unterliegt die Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, der die in § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgesehene Regelfallversagung einer Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck ausschließt, uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle.
- 7
Zwar wird in der Praxis ein Fachrichtungswechsel innerhalb der ersten 18 Monate nach Beginn des Studiums zugelassen (so auch Nr. 16.2.5 S. 1 AVwV-AufenthG). Die generelle Gewährung einer achtzehnmonatigen "Orientierungsphase" kann mit Blick auf die in § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG angeordnete Versagung einer Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck im Regelfall nämlich als Berücksichtigung eines generellen Ausnahmefalles angesehen werden (vgl. den Beschluss des Senats vom 10. Dezember 2008 – 7 B 11227/08.OVG – NVwZ-RR 2009, 305 [306] m.w.N.). Der Antragsteller hat jedoch weder mit dem Studium im Studiengang "International Business" noch mit dem Studium im Studiengang "Tourism and Travel Management" innerhalb von 18 Monaten nach dem Beginn des Studiums im Studiengang "International Management" begonnen.
- 8
Hingegen besteht ein Ausnahmefall, der die in § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgesehene Regelfallversagung einer Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck ausschließt, nicht allein schon dann, wenn das neue Studium innerhalb einer Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren abgeschlossen werden kann. Zwar kann gemäß Nr. 16.2.5 Satz 2 AVwV-AufenthG ein Wechsel des Studiengangs nach – wie hier – mehr als 18 Monaten nach Beginn des Studiums im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung zugelassen werden, wenn das Studium innerhalb einer angemessenen Zeit abgeschlossen werden kann, wovon gemäß Nr. 16.2.5 Satz 3 AVwV-AufenthG in der Regel nicht auszugehen ist, wenn das Studium unter Berücksichtigung der bisherigen Studienleistungen und des hierfür aufgewendeten Zeitbedarfs innerhalb einer Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren nicht abgeschlossen werden kann. Ein Ermessensspielraum ist der Ausländerbehörde indes nur dann eröffnet, wenn ein Ausnahmefall vorliegt, der die in § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorgesehene Regelfallversagung einer Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck ausschließt.
- 9
Nicht zu folgen ist deshalb der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die Sollvorschrift des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ermögliche eine Abweichung vom grundsätzlichen Verbot des Wechsels des Aufenthaltszwecks nicht nur bei einem atypischen Sachverhalt, sondern bereits dann, wenn sach-liche Gründe dafür sprächen, an diesem Verbot nicht festzuhalten (vgl. dessen Beschlüsse vom 26. Mai 2011 – 19 BV 11.174 – AuAS 2011, 170 [171 f.], vom 22. Oktober 2010 – 19 CS 10.1955 – juris Rdnrn. 8 bis 10 und vom 7. September 2010 – 19 CS 10.168 – juris Rdnr. 7). Ein derartiges erweitertes Verständnis der Zulässigkeit eines Aufenthaltszweckwechsels lässt sich nicht mit der gesetzlichen Ausgestaltung des § 16 Abs. 2 Satz 1 AufenthG als kombinierter Soll- und Regelvorschrift vereinbaren. Durch diese Kombination wird die Beschränkung der Entscheidungsmöglichkeit der Behörde nicht etwa verkleinert, sondern vielmehr vergrößert. Ist nach dem Wortlaut des Gesetzes im Regelfall eine Erlaubnis zu versagen, so hat die Behörde grundsätzlich so zu entscheiden. Nur beim Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf die Behörde anders entscheiden als im Gesetz für den Regelfall vorgesehen. Sollvorschriften lenken das der Behörde eingeräumte Ermessen dahin, die Ermessensentscheidung im Regelfall so zu treffen wie im Gesetz vorgesehen. Im Regelfall bedeutet das "Soll" also ein "Muss". Nur wenn (auch) insoweit ein Ausnahmefall besteht, ist die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung nicht durch die Sollvorschrift gebunden. Mithin kann eine Kombination dieser Einschränkungen nicht dahin verstanden werden, dass sie zu einer Erweiterung der Entscheidungsoptionen zu Gunsten des Ausländers führt (im Ergebnis ebenso OVG NRW, Beschluss vom 21. November 2011 – 18 B 1220/11 – a.a.O. S. 64 m.w.N.).
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Unabhängig davon ist "unter Berücksichtigung der bisherigen Studienleistungen des Antragstellers und des hierfür aufgewendeten Zeitbedarfs" und seiner Einreise in das Bundesgebiet Mitte Februar 2009 nicht davon auszugehen, dass jener sein am 1. März 2015 begonnenes Studium an der Hochschule W im Studiengang "Tourism and Travel Management" innerhalb einer Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren, also innerhalb von knapp vier Jahren abschließen kann. Wie sich nämlich diesbezüglich aus dem Internetauftritt der Hochschule W ergibt (vgl. …), handelt es sich dabei zwar nur um ein sechssemestriges Studium mit einer Studiendauer von mithin nur drei Jahren. In den ersten zwei Semestern dominieren jedoch die grundlegenden Fächer der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre (z.B. Marketing, Kostenrechnung, Bilanzierung) und der Komplementärwissenschaften (z.B. Mathematik, Statistik, VWL, Reiserecht), also die Fächer, die der Antragsteller – mit Ausnahme des Reiserechts – bereits sechs Semester lang im Studiengang "International Management" sowie drei Semester lang im Studiengang "International Business" erfolglos studiert hat; im Studiengang "International Management" erwarb er in sechs Semestern nur 11 von 180 zu erbringenden ECTS (vgl. S. 290 VA) und stand vor der Exmatrikulation von Amts wegen, im Studiengang "International Business" hat er im ersten Semester jedoch lediglich vier Prüfungen in den Modulen "International Business Französisch 1 und 2" bestanden, die Prüfungen in den Modulen "Grundlagen der VWL: Mikroökonomie", "Jahresabschluss", "Logistik und Produktionswirtschaft", "Marketing" sowie "Mathematik" jedoch nicht bestanden oder nicht abgelegt (vgl. S. 348 VA); im dritten Semester wurde er dann wegen endgültigen Nichtbestehens einer erforderlichen Prüfung von Amts wegen exmatrikuliert. Da zufolge des Internetauftritts der Hochschule W (s.o.) in den Semestern 3, 4 und 5 des Studiengangs "Tourism and Travel Management" die Speziellen Betriebswirtschaftslehren der Touristik und des Verkehrswesens unterrichtet werden, die auf den grundlegenden Studieninhalten aufbauen, werden diese Semester für den Antragsteller mit denselben Problemen verbunden sein wie die ersten beiden Semester. Es kommt hinzu, dass zufolge des Internetauftritts der Hochschule W (s.o.) Zulassungsvoraussetzung für den Studiengang "Tourism and Travel Management" das Bestehen eines Sprachtests in der Pflichtfremdsprache Englisch mit mindestens dem Niveau "Europa-Level B1" oder einem vergleichbaren Niveau oder aber das Bestehen des Moduls "Englisch" bis zum Ende des ersten Studienjahres ist, dass Vorkenntnisse dieser Sprache vorausgesetzt werden und dass fremdsprachliche Lehrinhalte den Aufbau des betriebswirtschaftlichen Kernstudiums begleiten. Da der Antragsteller eigenen Angaben zufolge Englisch bislang nicht gelernt hat (vgl. S. 344 VA), wird er sein Studium an der Hochschule W im Studiengang "Tourism and Travel Management" bis Mitte Februar 2019 aller Voraussicht nach nicht mit Erfolg abschließen können.
- 11
Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dessen Beschluss vom 4. Februar 2015 – 6 L 48/15.TR –, dass und weshalb der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 12. Dezember 2014 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. November 2014 keinen Erfolg habe, soweit ihm darin die Abschiebung unter Bestimmung einer Ausreisefrist angedroht wurde, soweit er darin aufgefordert wurde, seinen marokkanischen Reisepass bei der Ausländerbehörde zu hinterlegen, und soweit er darin darauf hingewiesen wurde, er werde die Kosten einer etwaigen Abschiebung zu tragen haben, geht das Beschwerdevorbringen mit keinem Wort ein.
- 12
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.
- 13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes aus § 47 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 und mit § 52 Abs. 1 und 2 GKG.
- 14
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Tenor
1. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.
1
Gründe:
2Die sinngemäß gestellten Anträge,
31. die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums - 8 K 2020/15 - gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 28. Oktober 2015 hinsichtlich der Versagung der Aufenthaltserlaubnis anzuordnen,
42. hilfsweise, die Antragsgegnerin im Weg des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller eine Duldung zu erteilen, äußerst hilfsweise, der Antragsgegnerin zu untersagen, gegen den Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten und ihn nach Tunesien abzuschieben,
5haben keinen Erfolg.
6Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage in Bezug auf die in der angefochtenen Ordnungsverfügung enthaltene Versagung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt, ist der nach § 80 Abs. 5, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 84 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) statthafte Antrag bereits unzulässig, da die ablehnende Entscheidung der Ausländerbehörde in der Ordnungsverfügung vom 28. Oktober 2015 nicht den Verlust einer bereits bestehenden Rechtsposition des Antragstellers zur Folge hatte. Der am 30. September 2013 gestellte Verlängerungsantrag des Antragstellers hat nicht die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöst. Nach § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde nur dann als fortbestehend, wenn der Ausländer vor Ablauf seines Aufenthaltstitels dessen Verlängerung beantragt. Die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers war jedoch nur bis zum 23. September 2013 befristet und daher eine Woche vor Stellung des Verlängerungsantrags am 30. September 2013 bereits erloschen.
7Die Antragsgegnerin hat auch keine Entscheidung über die Anordnung der Fortgeltung des Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG getroffen. Danach kann die Ausländerbehörde, wenn der Antrag auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels verspätet gestellt wurde, zur Vermeidung einer unbilligen Härte die Fortgeltungswirkung anordnen. Die Kammer geht davon aus, dass es angesichts der weitreichenden Auswirkungen einer Fortgeltungsanordnung auch auf den einstweiligen Rechtschutz einer eindeutigen Willensäußerung der Ausländerbehörde bedarf, dass die bisherige Aufenthaltserlaubnis (vorläufig) fortbestehen soll. Allein aufgrund der Tatsache, dass dem Ausländer mit Blick auf seinen Verlängerungsantrag zunächst bis zu einer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine sog. Fiktionsbescheinigung ausgestellt wird, kann nicht auf den Willen der Ausländerbehörde geschlossen werden, eine Fortgeltungswirkung anzuordnen. Vielmehr erfolgt die Ausstellung eines solchen Papiers häufig ohne nähere Prüfung allein, um dem Ausländer für die Zeitdauer des Verfahrens ein Ausweispapier an die Hand zu geben und ihm die Aufrechterhaltung der bisherigen Arbeitsstelle zu ermöglichen. Dies gilt auch dann, wenn der Ausländerbehörde bei der Ausstellung der sog. "Fiktionsbescheinigung" - wie hier aus dem Vermerk vom 13. Januar 2014 ersichtlich - vor Ausstellung der ersten "Fiktionsbescheinigung" die verspätete Antragstellung bewusst war. Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich aus der Bescheinigung oder sonstigen Umständen der eindeutige Wille der Ausländerbehörde zur Anordnung der Fortgeltungswirkung ergibt. An derartigen Anhaltspunkten fehlt es hier. Aus dem Vermerk der Ausländerbehörde vom 13. Januar 2014 anlässlich der Terminsvereinbarung des Antragstellers ergibt sich lediglich, dass dem Sachbearbeiter der Ablauf der bisherigen Aufenthaltserlaubnis aufgefallen war und der Antragsteller hierzu angegeben hatte, er habe auf ein Schreiben seines Anwalts gewartet und deshalb bisher keinen Termin vereinbart. Der Antrag zu 1. wird auch nicht dadurch statthaft, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Anordnung der Fortgeltungswirkung im Sinne des § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG hätte. Voraussetzung für die Anordnung der Fortgeltungswirkung ist, dass diese zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich ist, § 81 Abs. 4 Satz 3 AufenthG. Weder hat der Antragsteller geltend gemacht, dass die Fortgeltungsanordnung zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich ist noch sind sonstige Gründe für eine unbillige Härte erkennbar. Eine unbillige Härte liegt vor, wenn der infolge der Versäumnis entstehende Nachteil von der Rechtsordnung so nicht gewollt ist oder sich als unverhältnismäßig darstellt. Das ist der Fall, wenn der Betroffene unverschuldet oder lediglich aufgrund von Fahrlässigkeit an der rechtzeitigen Beantragung der Verlängerung gehindert war, die Fristüberschreitung nur geringfügig ist und bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass ‑ eine rechtzeitige Antragstellung vorausgesetzt ‑ bei ordnungsgemäßer Prüfung der Aufenthaltstitel verlängert oder ein anderer Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Der Ausländer hat dazu Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, warum ihm eine rechtzeitige Antragstellung nicht möglich war und/oder die Fristüberschreitung lediglich auf Fahrlässigkeit beruhte,
8vgl. Zeitler in HTK- Kommentar zum Aufenthaltsgesetz, Stand 20. April 2016, § 81 Rdnr. 56f; Welte in Jakober/Welte, Aktuelles Ausländerrecht, Stand Dezember 2014, § 81 AufenthG Rdnr. 182f.
9Hier sind keine Gründe erkennbar oder geltend gemacht worden, die den Antragsteller an einer rechtzeitigen Antragstellung gehindert hätten. Vielmehr sprechen die vom Sachbearbeiter in seinem Vermerk vom 13. Januar 2014 aufgenommenen Angaben des Antragstellers, er habe auf ein Schreiben seines Anwalts gewartet, sogar dafür, dass er bewusst und nicht lediglich fahrlässig die Frist zur rechtzeitigen Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis hat verstreichen lassen. Es fehlt auch an der weiteren Voraussetzung für die Annahme einer unbilligen Härte, dass bei summarischer Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass ‑ eine rechtzeitige Antragstellung vorausgesetzt ‑ bei ordnungsgemäßer Prüfung der Aufenthaltstitel verlängert oder ein anderer Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Bei summarischer Prüfung hätte der Antragsteller selbst bei unterstellter rechtzeitiger Antragstellung keinen Anspruch auf die von ihm geltend gemachte Verlängerung oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach §§ 28 Abs. 3, 31 AufenthG oder § 25 b AufenthG. Hinsichtlich des vom Antragsteller geltend gemachten Anspruchs auf Verlängerung seiner bisherigen Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG nach §§ 28 Abs. 3 Satz 1, 31 Abs. 1 AufenthG gilt dies schon deshalb, weil er die bei entsprechender Anwendung des § 31 AufenthG erforderliche rechtmäßige Mindestdauer der Lebensgemeinschaft mit seinem deutschen Kind von drei Jahren nicht erreicht hat. Die Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG (richtigerweise wäre mangels eines Sorgerechts eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG zu erteilen gewesen) ist dem Antragsteller erst am 28. Dezember 2011 erteilt worden, die Lebensgemeinschaft mit dem Kind endete wegen dessen Umzugs nach unbekannt nach den eigenen Angaben des Antragstellers in seiner Vorsprache vom 30. September 2013 etwa 5 Monate zuvor. Damit dauerte die rechtmäßige, d.h. von einem Aufenthaltsrecht des Antragstellers gedeckte familiäre Lebensgemeinschaft mit seinem Kind nur weniger als zwei Jahre. Soweit der Antragsteller darüber hinaus einen Anspruch nach § 25 b AufenthG geltend macht, ergibt sich die fehlende Anspruchsberechtigung aus den nachfolgenden Ausführungen.
10Soweit der Antragsteller mit seinem zweiten Antrag im Wege einer einstweiligen Anordnung die Erteilung einer Duldung bzw. die Untersagung der Einleitung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen begehrt, ist der Antrag jedenfalls unbegründet.
11Nach § 123 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein Anspruch auf die begehrte Handlung zusteht (Anordnungsanspruch) und dass die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Anordnungsgrund), § 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung.
12Allerdings scheidet aus gesetzessystematischen Gründen grundsätzlich die Gewährung von Abschiebungsschutz für die Dauer des Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens aus, wenn ‑ wie hier ‑ die Fiktionswirkung eines Antrags nicht ausgelöst war und daher ein Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig ist. Die Erteilung einer Duldung widerspräche in diesem Fall der in §§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 1 und 2, 81 Abs. 3 und 4 AufenthG zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Wertung, für die Dauer eines Genehmigungsverfahrens nur unter bestimmten Voraussetzungen ein Bleiberecht zu gewähren. Von diesem Grundsatz ist jedoch zur Gewährleistung des in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verankerten Rechts auf effektiven Rechtsschutz dann eine Ausnahme zu machen, wenn nur mit Hilfe einer einstweiligen Anordnung und einer Duldung bzw. der Gewährung von Abschiebungsschutz sichergestellt werden kann, dass eine ausländerrechtliche Regelung ihrem Sinn und Zweck nach dem Betroffenen zugutekommt,
13vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein - Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 11. Januar 2016 - 17 B 890/15 -, zitiert nach juris m. w. N.,
14wobei dieser Grundsatz auch noch für die Phase des Verfahrens nach Ablehnung der Verlängerung/Erteilung durch die Behörde gilt. Schon aus diesem Grund kann der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht aus §§ 28 Abs. 3, 31 AufenthG herleiten. Durch die verspätete Antragstellung ist darüber hinaus die ursprüngliche Aufenthaltserlaubnis erloschen und schon deshalb nicht mehr nach § 31 AufenthG verlängerbar.
15Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich des ebenfalls geltend gemachten Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 b AufenthG. Insoweit kann ausnahmsweise die Geltendmachung des Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Weg der einstweiligen Anordnung notwendig und zulässig sein, um sicherzustellen, dass der von § 25 b AufenthG vorausgesetzte fortdauernde Aufenthalt von grundsätzlich 8 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland nicht unterbrochen wird. Auch die Voraussetzungen für einen auf § 25 b AufenthG gestützten Anordnungsanspruch liegen jedoch nicht vor. Danach soll einem geduldeten Ausländer abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Absatz 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn er sich nachhaltig in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert hat. Letzteres setzt regelmäßig die Erfüllung der in § 25 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 5 genannten Kriterien voraus. Der Antragsteller ist jedoch nicht geduldet i. S. d. § 25 b Abs. 1 S. 1 AufenthG. Die Kammer geht davon aus, dass es insoweit entsprechend dem eindeutigen Wortlaut der Norm auf den Besitz einer Duldung im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ankommt. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, durch die Einführung einer stichtagsunabhängigen Bleiberegelung die Zahl derjenigen Personen zu reduzieren, die weder abgeschoben werden noch eine Aufenthaltserlaubnis bekommen können und aufgrund dessen längerfristige (Ketten-) Duldungen erhalten,
16vgl. die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 25. Februar 2015, Bundestagsdrucksache 18/4097 S. 23 und 29.
17Der Antragsteller ist und war auch zuvor zu keinem Zeitpunkt seit Einführung des § 25 b AufenthG am 1. August 2015 im Sinne dieser Vorschrift geduldet. Weder hat hier die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Duldung erteilt, noch hat(te) der Antragsteller einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung. Wann ein Ausländer geduldet ist, ergibt sich grundsätzlich aus § 60 a AufenthG. Dieser enthält ausweislich der amtlichen Überschrift die Voraussetzungen einer vorrübergehenden Aussetzung der Abschiebung (Duldung). In Betracht kommt - soweit ersichtlich - nur die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 a Abs. 2 S. 1 AufenthG. Danach ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Hier sind keine Gründe erkennbar, aus denen die Abschiebung des Antragstellers aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Der Antragsteller ist im Besitz eines gültigen Passes, gegebenenfalls könnte ein Passersatzpapier zeitnah beschafft werden. Auch die Sicherheitslage in Tunesien steht Abschiebungen in das Heimatland des Antragstellers entgegen seiner nicht näher begründeten Auffassung nicht entgegen. Sicherheitsbedenken beziehen sich im Wesentlichen auf einzelne, vom Terrorismus besonders betroffene Landesteile. Vielmehr ist es im März 2016 zum Abschluss einer Vereinbarung zwischen Deutschland und Tunesien betreffend die einfachere Abschiebung von ausreisepflichtigen tunesischen Staatsbürgern gekommen, die seit April 2016 erfolgreich umgesetzt wird,
18vgl. Die Zeit online vom 1. März 2016: "Tunesien und Deutschland starten Pilotprojekt für Abschiebungen; https.//mopo24.de/nachrichten/kriminelle-asylbewerber-zurueck-in-tunesien-leipzig-halle-flughafen-65976.
19Allein die Erteilung einer sog. verfahrensbedingten Duldung für die Dauer des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens oder die Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung für die Dauer des Verfahrens reichen für die Anwendbarkeit des § 25 b AufenthG nicht aus. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut, aber aus dem systematischen Zusammenhang der §§ 60 a Abs. 2 und 25 b Abs. 1 AufenthG, sowie aus dem erkennbaren Sinn und Zweck der letztgenannten Vorschrift. Eine allein verfahrensbedingte Duldung dient nur der Abwicklung während der Dauer des Verfahrens, begründet aber keinen humanitären Aufenthalt, der nach den o.g. Zielen des Gesetzgebers durch § 25 b AufenthG legalisiert werden soll. Wollte man dies anders sehen, ergäbe sich die Situation, dass die Ausländerbehörde mangels Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zunächst gehindert wäre, eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 b Abs. 1 AufenthG in Fällen zu erteilen, in denen materiell keine Duldungsgründe ersichtlich sind, die Ausländerbehörde jedoch mit Einlegen eines Rechtsbehelfs (des einstweiligen Rechtschutzes) sich entweder weigern müsste, den Ausländer zur Durchführung des gerichtlichen Verfahrens zu dulden oder das Verfahren regelmäßig "verlieren" würde, da mit Einlegung des Rechtsbehelfs die Voraussetzungen geschaffen würden. Es kann jedoch nicht Sinn und Zweck eines gerichtlichen Verfahrens sein, das der Überprüfung einer behördlichen Entscheidung dient, die Voraussetzungen einer positiven behördlichen Entscheidung erst herbeizuführen,
20vgl. zur ähnlichen Situation bei § 39 Nr. 5 AufenthV: Oberverwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 16. November 2010 - 4 Bs 220/10 - juris, Rdnr. 10 m. w. N.
21Dass der Antragsteller - jedenfalls bis zur Ablehnung seines Antrags durch die streitgegenständliche Ordnungsverfügung - im Besitz einer Fiktionsbescheinigung war, führt zu keiner abweichenden Bewertung. Dies gilt auch unabhängig davon, dass dem Antragsteller - wie oben gezeigt - die Fiktionsbescheinigung zu Unrecht ausgestellt worden war, weil sein verspäteter Verlängerungsantrag keine Fiktionswirkung ausgelöst hat. Der Wortlaut des § 25 b Abs. 1 S. 1 AufenthG sieht eine Erstreckung auf die Situation der Erteilung einer Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 3, 4 AufenthG nicht vor. Auch der o.g. Sinn und Zweck des § 25 b AufenthG gebietet nicht die Erstreckung auf die Erteilung einer Fiktionsbescheinigung, bei der der Schwebezustand durch die Entscheidung über die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis beendet werden kann.
22Auch mit dem weiter hilfsweise verfolgten Begehren, der Antragsgegnerin zu untersagen, gegen den Antragsteller aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten, hat der Antragsteller keinen Erfolg, wie sich ebenfalls aus den obigen Ausführungen ergibt.
23Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 S. 1 und § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz. Das Antragsinteresse ist mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter dieses Verfahrens in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Auffangwerts (5.000,- €) ausreichend und angemessen berücksichtigt.
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
Der Zugang von Ausländern zur Ausbildung dient der allgemeinen Bildung und der internationalen Verständigung ebenso wie der Sicherung des Bedarfs des deutschen Arbeitsmarktes an Fachkräften. Neben der Stärkung der wissenschaftlichen Beziehungen Deutschlands in der Welt trägt er auch zu internationaler Entwicklung bei. Die Ausgestaltung erfolgt so, dass die Interessen der öffentlichen Sicherheit beachtet werden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.
(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.
(4) In Verfahren
- 1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro, - 2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro, - 3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und - 4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.
(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert
- 1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist, - 2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.
(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.