Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 15. Nov. 2011 - 4 K 1090/10

bei uns veröffentlicht am15.11.2011

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger ist Halter zweier Hunde und wendet sich gegen die Festsetzung der Hundesteuer für einen Erst- und Zweithund.
Der Kläger wohnt im Gemeindegebiet der Beklagten. Mit Bescheid vom 18.01.2010 setzte die Beklagte auf der Grundlage ihrer am 08.12.2009 beschlossenen und ab 01.01.2010 in Kraft getretenen Änderung der Hundesteuersatzung die Hundesteuer für den ersten Hund in Höhe von 96.00 EUR, für den zweiten Hund 192.00 EUR fest, insgesamt 288.00 EUR. Dagegen legte der Kläger am 02.02.2011 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 23.02.2010 wie folgt begründete: Die offiziellen Begründungen der am 08.12.2009 vom Gemeinderat beschlossenen Verdoppelung der Hundesteuersätze seien dem Stadtanzeiger Nr. 51 vom 17.12.2009 und der Nr. 5 vom 04.02.2010 zu entnehmen. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der auf dieser Grundlage beschlossenen Hundesteuersatzung der Beklagten. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urteil vom 26.05.2008 - 2 S 1025/08 -) sei im Anschluss an das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss vom 28.11.1997 - 8 B 224.97 -, KStZ 1999, 36) anerkannt, dass die Hundesteuer als eine der traditionelle Aufwandssteuern im Sinne von Art. 105 Abs. 2 a GG zu qualifizieren sei und als solchenur den besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand für die persönliche Lebensführung erfassen und damit die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteuern dürfe. Die Hundesteuer sei eine örtliche Aufwandssteuer. Ihr Sinn und Zweck liege in der steuerrechtlichen „Abschöpfung“ der potentiell finanziell höheren Leistungsfähigkeit der Hundehalter. Da die Hundesteuer keine zweckgebundene Steuer sei, könne die Gemeinde damit in der Regel finanziellen Nutzen für das Gemeinwesen in der Kommune ziehen. Der Hundesteuer komme zwar eine gewisse Lenkungswirkung bei der Hundepopulation einer Gemeinde zu. Naturgemäß werde die Anzahl der angemeldeten Hunde in Kommunen mit sehr hohen Hundesteuersätzen geringer sein. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg habe klargestellt, dass die Hundesteuer nicht dazu geeignet sei, Hundehalter zu regelkonformerem Verhalten anzuhalten. Es sei auch nicht Sinn und Zweck dieser Aufwandssteuer, Verunreinigungen durch die vorhandenen Hunde zu verhindern. Hierfür gebe es geeignetere Mittel, Zuwiderhandlungen im Einzelfall zu sanktionieren. Im Sinne der angeführten Zielrichtung wäre für eine Anpassung der Hundesteuer eine Orientierung an der Steigerung der Lebenshaltungskosten seit der letzten Erhöhung im Jahr 1997, um ca. 20 %, angezeigt gewesen. Diese Steigerung würde sich in etwa auch in den Kosten der Hundehaltung niederschlagen und somit den zusätzlich besteuerbaren Aufwand der Hundebesitzer objektiv belegbar beschreiben und eingrenzen. Die Verdoppelung der Hundesteuersätze widerspreche Sinn und Zweck der Hundesteuer als Aufwandssteuer und sie sei unangemessen und sittenwidrig.
Die mit der Verdoppelung erwünschte Wirkung auf den Gesamthundebestand sei vom Bürgermeister in seiner amtlichen Begründung zur Hundesteuererhöhung im Stadtanzeiger Nr. 51 aus 2009 ausdrücklich und zudem als einziger Grund angeführt. Die dabei angenommene Zahl von 1.700 Hunden in der Gemeinde begegne erheblichen Zweifeln. Mittlerweile stehe fest, dass es lediglich 605 Hundehalter gäbe.
Der Gemeinderatsbeschluss vom 08.12.2009 sei formell fehlerhaft. Zur Vorberatung des Haushaltes 2010 sei in der Gemeinderatssitzung vom 19./20.11.2009 von einem Gemeinderat vorgeschlagen worden, die Hundesteuer zu verdoppeln, ohne hierfür sachliche Gründe zu benennen. Auf der Basis dieser Vorberatungen habe dem Gemeinderat am 08.12.2009 für den Beschluss zur Neufassung der Hundesteuer eine Vorlage der Verwaltung vorgelegen, in welcher erneut lediglich dargelegt worden sei, die Steuersätze verdoppeln zu wollen. In der Gemeinderatsitzung seien den Gemeinderäten die Beweggründe für die Erhöhung vom Bürgermeister lediglich mündlich erläutert worden. Diese seien jedoch an mehreren Stellen mangelbehaftet gewesen. Deshalb habe der Gemeinderat keine ermessensfehlerfreie, an objektiven Gesichtspunkten orientierte Entscheidung treffen können. Lediglich die Fraktion der Freien Wähler habe sich zwischenzeitlich in vergleichbaren Gemeinden über die dortigen Hundesteuersätze informiert. Mittlerweile stehe durch Schriftverkehr des Bürgermeisters mit einer Bürgerin fest, dass die vermeintliche Anzahl von 1.700 „Hunden“ sowohl während der Haushaltsberatungen als auch bei der Abstimmung im Gemeinderat zur Verdoppelung der Hundesteuer überhaupt keine Rolle gespielt habe. Diese Zahl sei erst nach der Abstimmung von einem Gemeinderat in die Diskussion eingebracht worden. Deshalb könne sie nicht nachher als offizielle Begründung für die Verdoppelung im Stadtanzeiger angeführt werden.
Auch die im Stadtanzeiger Nr. 5 aus 2010 in Form eines offenen Briefes des Bürgermeisters vom 04.02.2010 erfolgte Darstellung der Gründe für die Hundesteuererhöhung überzeuge nicht. Die in diesem Brief und der Rede des Fraktionsvorsitzenden der CDU schriftlich dargelegten Beweggründe belegten, dass sich die Gründe für die Verdoppelung der Steuersätze eindeutig außerhalb dem Sinn und Zweck der Hundesteuer als Aufwandssteuer bewegten. Mit der alle Hundebesitzer betreffenden Erhöhung der Hundesteuer habe das konkrete Fehlverhalten einzelner Hundehalter ordnungspolitisch sanktioniert werden sollen. Dies sei rechtswidrig. Im Übrigen seien der Gemeinde durch die Haltung von Hunden keinerlei zusätzliche Kosten entstanden. Infektionsgefahren durch Hundekot bestünden nicht, deshalb seien Impfungen entbehrlich. Es habe auch seitens der Mitarbeiter des Bauhofes keine speziellen Maßnahmen zur Hundekotbeseitigung gegeben.
Der Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 13.04.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, gegen die Hundesteuersatzung der Stadt Philippsburg vom 08.12.2009 bestünden keine Bedenken. Der Umfang der Erhöhung sei verhältnismäßig, zumal seit Januar 1996 - bis auf die Umstellung des DM-Satzes auf EUR im Januar 2002 - die Hundesteuer nicht erhöht worden sei. Der jetzige Steuersatz sei auch im Verhältnis zu vergleichbaren Gemeinden in Baden-Württemberg nicht unangemessen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 17.04.2010 zugestellt.
Am 11.05.2010 hat der Kläger Klage erhoben; er beantragte zuletzt,
den Bescheid der Beklagten vom 18.01.2010 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 13.04.2010 aufzuheben.
Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Widerspruchsbegründung.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Ansicht, die Klage sei unbegründet. Die Hundesteuer stelle nach § 3 Abs. 1 AO eine Steuer dar. Ihre Festsetzung bedürfe weder einer Kalkulation noch seien die Einnahmen hieraus zweckgebunden. Die im Widerspruch angegebene Begründung sei für die Festsetzung der Steuersätze nicht relevant. Anlässlich der nicht öffentlichen Haushaltsvorberatungen für 2010 am 19./20. November 2009 sei aus der Mitte des Gemeinderates vorgeschlagen worden, die Hundesteuer zu erhöhen. Die Verwaltung sei beauftragt worden, eine entsprechende Sitzungsvorlage zu erstellen. Die Änderung der Hundesteuersatzung sei Gegenstand der öffentlichen Gemeinderatssitzung vom 08.12.2009 gewesen. Aufgrund der intensiven Vorberatung der Thematik sei die Satzung an diesem Tag ohne größere Beratung beschlossen worden. Nach der Anzahl der gehaltenen Hunde sei nicht gefragt worden. Diese Zahlen habe die Verwaltung zu diesem Zeitpunkt nicht parat gehabt. Die Anzahl der Hunde sei erst nach dem Satzungsbeschluss von Gegnern der Erhöhung nachgefragt worden, was zu dem Artikel des Bürgermeisters im Stadtanzeiger (51. KW) geführt habe, wo es bedauerlicherweise durch ein Versehen zu der falschen Angabe der 1.700 Hundehalter gekommen sei, was später berichtigt worden sei. Da die Zahl der „Hundehalter“ weder bei den Vorberatungen zum Haushaltsplan 2010 noch bei der Beschlussfassung über die Satzung eine Rolle gespielt habe, sei dieser Fehler nicht relevant. Die einzelnen Gemeinderatsmitglieder hätten ihr Ermessen ausgeübt und das Für und Wider sorgfältig abgewogen. Deshalb sei die Satzung formell ordnungsgemäß zustande gekommen.
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Mit der Hundesteuer könnten auch ordnungspolitische Ziele verfolgt werden. Bisher seien die Hundesteuersätze in ihrer Gemeinde auf dem niedrigsten Niveau angesiedelt gewesen. Eine angemessene Erhöhung wäre in den letzten 10 bis 15 Jahren zweifellos geboten gewesen, sodass dies jetzt mit einer einmaligen Erhöhung nachgeholt worden sei. Der neue Steuersatz sei im Verhältnis zu vergleichbaren Städten und Gemeinden in Baden-Württemberg nicht als unangemessen anzusehen und habe keine erdrosselnde Wirkung. Das VG Aachen habe einen Hundesteuersatz von 492,00 EUR für den Ersthund nicht beanstandet. Eine mit ihrer Satzung vergleichbare Erhöhung existiere in der Gemeinde Waldbronn. Die weiteren Ausführungen des Klägers zur Kostensteigerungsrate in den letzten 13 Jahren, zur Sittenwidrigkeit und Erforderlichkeit seien sachfremd.
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Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer einverstanden. Dem Gericht liegen die Verwaltungsakten der Beklagten (2 Hefte) vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird darauf und auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
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Der Hundesteuerbescheid der Beklagten 18.01.2010 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 13.04.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage der in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Hundesteuer sind die §§ 1 und 2 der Satzung der Beklagten vom 08.12.2009, die ihrerseits auf der Ermächtigungsgrundlage in den §§ 9 Abs. 1-5 KAG BW, 4 GemO BW beruht.
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Die vom Gemeinderat der Beklagten am 08.12.2009 beschlossene und am 01.01.2010 in Kraft getretene Hundesteuersatzung ist in formeller Hinsicht in nicht zu beanstandender Weise zustande gekommen. Die maßgeblichen Verfahrensvorschriften (§§ 24, 35, 36, 37 GemO) sind gewahrt, insbesondere der Öffentlichkeitsgrundsatz des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO. Nach dieser Vorschrift sind Sitzungen des Gemeinderats öffentlich. Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern (Abs. 1 Satz 2 1. HS). Es widerspricht Sinn und Zweck des Gebots der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen, wenn in nichtöffentlicher Sitzung, ohne dass die Voraussetzungen von § 35 Abs. 1 S 2 GemO BW vorliegen, die Sachdiskussion der anschließenden öffentlichen Sitzung vorweggenommen wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.07.2000 - 14 S 237/99 -, VBlBW 2001, 65 ff.). Aus dem Protokoll über die öffentliche Gemeinderatssitzung am 08.12.2009 geht der Ablauf der Beratung und Abstimmung zu „TOP 8 Erhebung der Hundesteuer ab 01.01.2010; neue Satzung über die Erhebung der Hundesteuer (Hundesteuersatzung)“ hervor. Eine Beratung von TOP 8 hat im Gemeinderat stattgefunden, Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich. Unabhängig davon, ob eine unzutreffende Information des Gemeinderats seitens des Bürgermeisters über eine Anhebung der Hundesteuer überhaupt dazu führen könnte, dass eine Satzung formell nichtig ist, ergeben sich dafür aus der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung am 08.12.2009 keine Anhaltspunkte. Ausweislich des Protokolls hielt der Bürgermeister den Sachvortrag und wies auf die Lenkungsfunktion der Steuer hin, was nicht auf falsche Informationen schließen lässt. Dazu, dass über die Anzahl der Hundehalter bzw. Hunde im Gemeindegebiet der Beklagten in der öffentlichen Sitzung am 08.12.2009 gesprochen wurde, enthält das Protokoll keinerlei Angaben. Den in diesem Zusammenhang angestellten Vermutungen des Klägers braucht das Gericht schon deshalb nicht nachzugehen. Die Höhe der Hundesteuer wurde in öffentlicher Sitzung vom Gemeinrat diskutiert und die Satzung wurde mehrheitlich beschlossen. Dass in einer den Haushalt vorbereitenden Sitzung des Gemeinderats am 19../20.11.2010 der Vorschlag eingereicht wurde, die Hundesteuer zu verdoppeln, ohne dass dafür sachliche Gründe angeführt wurden, ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.
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Im Übrigen berührt der weitere Einwand, dem Gemeinderat hätten bei Beschlussfassung über die Höhe der Hundesteuer (§ 5 Abs. 1 und 2 der Satzung) falsche Tatsachen über die Anzahl der Hunde in der Gemeinde und über weitere Kostenfaktoren zugrunde gelegen, auch sonst keine formellen Anforderungen an die Satzung. Darauf, ob dies materiell-rechtlich bedeutsam ist, wird noch eingegangen.
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Im Hinblick auf die Argumentation des Klägers, die Begründung der Satzung sei fehlerhaft, ist anzumerken, dass sich die Regelung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts in § 39 LVwVfG über die Begründung auf das Verwaltungsverfahren (§ 9 LVwVfG), konkret den Erlass von Verwaltungsakten, bezieht und nicht auf den einer gemeindlichen Satzung anwendbar ist. Die Behauptung, dass die nach Erlass der Satzung im Stadtanzeiger Nr. 51 aus 2009 veröffentlichte „offizielle“ Begründung der Hundesteuersatzung in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft sei, ist nicht an § 39 LVwVfG zu messen. Hierfür sehen auch die Vorschriften der GemO BW und des KAG keine Spezialregelungen vor.
21 
Die Hundesteuersatzung der Beklagten 01.01.2010 ist auch in materieller Hinsicht rechtmäßig, sie steht in Einklang mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Art. 105 Abs. 2 a und Art. 28 Abs. 2 GG. Die Hundesteuer stellt eine Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG dar. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 02.11.2006 - 10 B 4/06 -, m.w.N.) ist geklärt, dass die Aufwandsteuern im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a GG nur den besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand für die persönliche Lebensführung erfassen und damit die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteuern. Das Halten eines Hundes geht über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinaus und erfordert einen - wenn auch unter Umständen nicht sehr erheblichen - zusätzlichen Vermögensaufwand (BVerwG, Beschl. v. 02.11.2006 - 10 B 4/06 -, a.a.O. u. Urt. v. 19.01.2000 - 11 C 8/99 -, BVerwGE 110, 265 ff.). Aufwandsteuern beziehen sich nicht notwendigerweise auf „Luxusgegenstände“ (BVerwG, Beschl. v. 28.11.1997 - 8 B 224/97 -, u. BVerwG, Beschl. v. 31.10.1990 - 8 B 72.90 -, ; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010 - 4 K 252/08 -, ; BayVGH, Beschl. v. 25.11.2005 - 4 ZB 05.2737 -, m.w.N.; Kasper, Die Hundesteuer, KStZ 2007, 1 ff.; BVerfG, Beschl. v. 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 -, BVerfGE 65, 325 ff., 354; Beschl. v. 15.01.2008 - 1 BvL 2/04 -, BVerfGE 120, 1 ff., 29). Die Steuer als Abgabe ist bereits ihrem Begriff nach auf Einnahmeerzielung beschränkt, auch wenn andere Zwecke mit verfolgt werden dürfen (vgl. § 3 Abs. 1 AO; BayVGH, Beschl. v. 25.11.2005 - 4 ZB 05.2737 -, ).
22 
Für die Annahme des Vorliegens einer Aufwandsteuer ist ohne Belang, welchen Zwecken die Einkommens- und Vermögensverwendung im Einzelfall dient und aus welchen Beweggründen sie vorgenommen wird; unerheblich ist auch, ob der Aufwand im Einzelfall die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überschreitet (BVerwG, Beschl. v. 31.10.1990 - 8 B 72/90 -, ). Die Hundesteuer knüpft nicht an einen „Luxus“ an, den sich nur kleine Teile der Bevölkerung leisten können. Vielmehr kann auch ein vergleichsweise unerheblicher Aufwand zum Gegenstand der Steuererhebung gemacht werden. Wer einen Hund hält, tätigt Aufwendungen für Futter, Pflege und gegebenenfalls tierärztliche Versorgung des Hundes. Dieser Aufwand geht über dasjenige hinaus, was der Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs dient und kann damit Anknüpfungspunkt einer Besteuerung sein (OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O.).
23 
Deshalb kann gegen die Hundesteuer nicht eingewendet werden, sie sei als historisch gewachsene sogenannte Luxussteuer überholt, weil zwischenzeitlich durch gewandelte Lebensumstände ein Bedeutungswandel eingetreten sei, der die Hundehaltung zu einer sozialadäquaten Gewohnheit aller Bevölkerungsschichten mache. Der Besteuerung der Hundehaltung steht ferner nicht entgegen, dass sie positive Auswirkungen auf die Lebensqualität des Hundehalters hat. Schon deshalb, weil sich große Teile der Bevölkerung ohne subjektive Einbuße an Lebensqualität gegen eine Hundehaltung entscheiden, gehört diese nicht zum allgemeinen Lebensbedarf. Ferner ist es unerheblich, dass hinter der Hundehaltung die - sozialadäquate und in der Rechtsordnung anerkannte - Liebe zu und die Absicht des Schutzes von Tieren stehen (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O.).
24 
Der Aufwandcharakter ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Hundehaltung in der Rechtsordnung - sei es im Miet-, im Delikts- oder im Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht - Schutz genießt. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem der rechtliche Schutz eines Sachverhaltes in einem Rechtsgebiet in jedem Fall verlangen würde, diesen Sachverhalt in allen anderen Rechtsgebieten von Belastungen frei zu stellen (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O.).
25 
Die Besteuerung der Hundehaltung widerspricht auch nicht dem Tierschutzgedanken von Art. 20 a GG, der auch in § 90 a Satz 1 und 2 BGB Ausdruck findet, da sie dem Hund weder Schmerzen noch Leiden zufügt und es weder unmöglich noch unzumutbar macht, bestehende Beziehungen zwischen Mensch und Tier fortzuführen oder neue zu knüpfen. Es gibt nämlich auch nach dem Vortrag des Klägers keine hinreichend verlässlichen Hinweise darauf, dass die Hundesteuererhebung auf der Grundlage der Satzung der Beklagten erdrosselnde Wirkung hätte und Hundehalter zwingen würde, ihre Tiere abzugeben (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O.).
26 
Des Weiteren steht das Verbot der Gleichartigkeit einer bundesgesetzlich geregelten Steuer der Zulässigkeit der Hundesteuer nicht entgegen. Das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG verbietet eine Doppelbelastung derselben Steuerquelle. Art. 105 Abs. 2 a GG lässt die üblichen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern unberührt und verlangt für die nicht herkömmlichen örtlichen Steuern, dass der steuerbegründende Tatbestand nicht denselben Belastungsgrund erfasst wie eine Bundessteuer, sich also in Gegenstand, Bemessungsgrundlage, Erhebungstechnik und wirtschaftlicher Auswirkung von der Bundessteuer unterscheidet (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., unter Hinweis auf BVerfG, Urt. v. 07.05.1998 - 2 BvR 1991/95, 2004/95 -, BVerfGE 98, 106, 125; BVerwG, Urt. v. 22.12.1999 - 11 CN 3/99 -, NVwZ 2000, 934).
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Mit der vom Gemeinderat der Beklagten am 08.12.2009 beschlossenen Hundesteuersatzung hat der Satzungsgeber mit der verfolgten Lenkungswirkung durch die Anhebung der Hundesteuer für den Erst- und Zweithund in § 5 Abs. 1 und 2 der Hundesteuersatzung nicht den Bereich seiner Normsetzungskompetenz überschritten. Eine nach Art. 105 Abs. 2 a GG i.V.m. dem Kommunalabgabengesetz eines Landes erlassene satzungsrechtliche Steuerregelung, die Lenkungswirkungen in einem nichtsteuerlichen Kompetenzbereich entfaltet, bedarf keiner zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretenden Sachkompetenz. Der Satzungsgeber ist deshalb zur Regelung von Lenkungssteuern in dem genannten Zusammenhang zuständig, mag die Lenkung Haupt- oder Nebenzweck sein (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000 - 11 C 8/99 -, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist es unbedenklich, wenn die Beklagte auch den Lenkungszweck einer Eindämmung der Hundehaltung aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr, also ordnungspolitische Ziele verfolgt. Dies ist gerade im dicht besiedelten Gebiet einer Stadt sachgerecht. Auch wenn die Hundehaltung - worauf der Kläger mit Recht hinweist - für viele Menschen positive Auswirkungen hat, gibt es gleichwohl eine nicht unerhebliche Zahl von Einwohnern, die Hunde ablehnen. Die hierfür bestehenden Gründe - seien es Geräuschbelästigungen durch Hunde, hygienische Bedenken wegen Hundekot auf Gehwegen oder in Parkanlagen, die Gefahren für Menschen oder andere Tiere durch den Jagdinstinkt von Hunden oder Hundehaarallergien - weisen auf grundrechtlich geschützte Interessen hin. Zwischen den insoweit bestehenden Interessenlagen ist durch die Beklagte für die örtliche Gemeinschaft ein Ausgleich herzustellen. Sie bewegt sich innerhalb ihres Gestaltungsspielraumes, wenn sie durch Gestaltung ihres Steuerrechts die Zahl der Hunde im Stadtgebiet und damit die Zahl möglicher Nutzungskonflikte und die Beeinträchtigungen für Nicht-Hundehalter klein halten will (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O.; BayVGH, Beschl. v. 25.11.2005 - 4 ZB 05.2737 -, m.w.N.).
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Die Beklagte durfte mit der Verdoppelung der Hundesteuersätze - auch - den Lenkungszweck verfolgen, die Haltung eines Zweithundes möglicherweise finanziell zu erschweren, um so aus den genannten ordnungspolitischen Gesichtspunkten die Haltung von Hunden einzudämmen. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, mit der Erhöhung der Hundesteuer zum 01.01.2010 sei eine Reduzierung der Hundehaltung bezweckt worden und dabei sei der Gemeinderat von falschen Tatsachen über die Anzahl der Hunde im Stadtgebiet sowie die bei der Gemeinde anfallenden Kosten für die Beseitigung des Hundekots ausgegangen. Denn selbst wenn solche Erwägungen vom Gemeinderat angestellt worden wären und sie auf unzutreffenden Tatsachen beruhten, unterläge die Entscheidung des Gemeinderats über die Abwägung dieser Gesichtspunkte keiner inhaltlichen Prüfung danach, ob die tatsächlichen Grundlagen der beabsichtigten Lenkungszwecke richtig ermittelt wurden. Zur Klarstellung und im Hinblick auf die Ausführungen des Klägers zur „Ermessensentscheidung“ des Gemeinderats ist anzumerken, dass § 40 LVwVfG und § 114 VwGO auf die Beschlussfassung des Gemeinderats über eine Satzung nicht anwendbar sind und dass das KAG für eine Hundesteuersatzung keine mit einer Planungsentscheidung vergleichbare - nach Abwägungsfehlern vom Gericht überprüfbare - Abwägungsentscheidung vorsieht.
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Das im Beitrags- und Gebührenrecht anwendbare Äquivalenzprinzip gilt nicht für die Hundesteuer. Das Äquivalenzprinzip ist Ausdruck des allgemeinen, auf Verfassungsrecht beruhenden bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und besagt, dass eine Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der von dem Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf. Es fordert ferner, dass die Benutzungsgebühr im Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so dass bei in etwa gleicher Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren erhoben werden, und berührt sich insoweit mit dem Gleichheitssatz (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.03.2010 - 2 S 2938/08 -, ESVGH 60, 213 ff.). Dagegen dient die Steuererhebung der Einnahmebeschaffung der öffentlichen Hand zur Erfüllung der ihr allgemein obliegenden Aufgaben. Mit der Hundesteuer werden, wie bereits ausgeführt, nicht ein bestimmter Aufwand oder bestimmte Ausgaben der Gemeinden finanziert. Eine gesetzliche Regelung des Äquivalenzprinzips findet sich in den §§ 11, 14 KAG bei den Benutzungsgebühren und für Beiträge in den §§ 20, 29 KAG. Für örtliche Aufwandsteuern nach § 9 KAG besteht keine solche Regelung und eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des Äquivalenzprinzips sowie der Gebühren- bzw. Beitragskalkulation verbietet sich mangels einer Regelungslücke und wegen der Unterschiede zur (Hunde-)Steuer.
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Art. 3 Abs. 1 GG ist durch die Erhöhung des Steuersatzes von 48.00 EUR auf 96.00 EUR für einen Ersthund und von 96.00 EUR auf 192.00 EUR für einen Zweithund eines Hundehalters ebenfalls nicht verletzt. Der Satzungsgeber ist an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit gebunden, der sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dies gilt nicht ausnahmslos, sondern nur, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte so bedeutsam sind, dass ihre Beachtung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten erscheint. Dabei ist dem Gesetzgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzugestehen, auch im Steuerrecht. Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den steuerlichen Vorteilen der Typisierung steht. Eine vom Gesetz vorgenommene ungleiche Behandlung muss sich im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs auf einen vernünftigen oder sonst wie einleuchtenden Grund zurückführen lassen (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000 - 11 C 8/99 -, a.a.O.). Der Gleichheitssatz verleiht dem Gericht jedoch nicht die Berechtigung zu überprüfen, ob eine steuerliche Regelung für ein Problem die zweckmäßigste oder vernünftigste Lösung bereithält (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000 - 11 C 8/99 -, a.a.O., unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 27.02.1987 - 8 B 106.86 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 28 S. 1).
31 
In Ansehung dieser Grundsätze war der Satzungsgeber unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht verpflichtet, die Haltung eines Erst- und Zweithundes eines Hundehalters gleich hoch zu besteuern, weil dies unterschiedliche Lebenssachverhalte sind. Die Haltung eines Zweithundes darf höher besteuert werden als die eines Ersthundes. Ferner verstößt die Verdoppelung des Steuersatzes für den Erst- und Zweithund nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (kritisch dazu Dr. Franz Otto, KStZ 1974, 210 f.). Solange der Steuersatz als solcher in seiner Höhe nicht zu beanstanden ist, ist seine Erhöhung, gleich um welchen Faktor, nicht unverhältnismäßig. Ob die Verdoppelung der Hundesteuersätze erforderlich und sinnvoll war, entzieht sich der Beurteilung des Gerichts. Außerdem sieht die Hundesteuersatzung der Beklagten in § 6 Steuerbefreiungstatbestände vor, die besonders gelagerten Einzelfällen, wie z. B. der Haltung von Blinden- und Diensthunden, Rechnung tragen. Die gestaffelten Steuersätze in § 5 Abs. 1 und 2 der Hundesteuersatzung sind deshalb nicht willkürlich und nicht unverhältnismäßig (i. Erg. ebenso VG Dresden, Urt. v. 29.06.2010 - 2 K 264/09 -, ).
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Der Satzungsgeber war unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG ferner nicht gehalten, eine differenzierende Regelung für den Bestand der Hunde am 01.01.2011 und für Neuanschaffungen zu machen. Der Satzungsgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum, Ungleichbehandlungen zu beheben und zu regeln. Ihm steht es frei, eine bisherige Regelung ab einem bestimmten Stichtag zu ändern oder stufenweise einzuführen. Zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte dürfen Stichtage eingeführt werden, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.02.2009 - 1 BvR 1631/04 -, NZS 2009, 621 ff. m.w.N.). Allerdings ist zu prüfen, ob der Gesetzgeber den ihm bei der Stichtagsregelung zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint (BVerfG, Beschl. v. 05.02.2009 - 1 BvR 1631/04 -, a.a.O. unter Hinweis auf BVerfG, Urt. v. 05.07.1080 - 1 BvL 11/87, 1 BvR 1053/87, 1 BvR 556/88 -, BVerfGE 80, 297 ff., 317 stRspr). Anhaltspunkte dafür, dass die Neuregelung der Hundesteuersätze für den Erst- und Zweithund ab 01.01.2010 willkürlich wäre, sind nicht ersichtlich. Dies liegt schon deshalb fern, weil die Hundesteuersätze, abgesehen von der Umstellung auf Euro im Jahr 2002, seit 1997 nicht erhöht wurden, der zu besteuernde Sachverhalt sich aber geändert hat. Daraus, dass die Beklagte über einen längeren Zeitraum hinweg die Hundesteuer nicht erhöht hat, erwächst dem Bürger aber auch kein schutzwürdiges Vertrauen, das eine Steuererhöhung gänzlich oder jedenfalls um das Doppelte verbieten oder zumindest eine Differenzierung nach Altbeständen und Neuanschaffungen gebieten würde. Denn es fehlt ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand (vgl. Wolff/Bachhof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl., § 37 Rdz. 17 m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 07.02.1974 - III C 115.71 -, BVerwGE 44, 339 ff, 343; Urt. v. 20.01.1977 - V C 18.76 -, BVerwGE 52, 16 ff., 25), der den weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers (§ 9 KAG) in eine dieser Richtungen einschränken könnte.
33 
Die Höhe der Hundesteuer ist begrenzt durch höherrangiges Recht, u.a. dadurch dass sie keine erdrosselnde Wirkung haben darf, was dann anzunehmen ist, wenn die Erhebung der Hundesteuer die Hundehaltung im Regelfall - trotz der Möglichkeit eines Steuererlasses nach den §§ 163, 227 AO - wirtschaftlich unmöglich machen (BVerwG, Beschl. v. 31.10.1990 - 8 B 72.90 -, a.a.O., Rn. 3; VG München, Urt. v. 14.10.2010 - M 10 K 09.2770 -, ) bzw. den Hundehalter zwingen würde, sein Tier abzugeben (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O.). Bei einem Hundesteuersatz von 96.00 EUR für den Ersthund und 192.00 EUR für den Zweithund jährlich ist für das Gericht eine erdrosselnde oder konfiskatorische Wirkung der Steuer nicht erkennbar. Dies liegt angesichts der sonstigen mit der Hundehaltung verbundenen Kosten für die tierärztliche Betreuung, Futter und Unterbringung eher fern (vgl. BayVGH v. 25.11.2005, a.a.O., Rn. 7 bei einem Hundesteuersatz von 120.00 EUR). In dieser Annahme sieht sich das Gericht auch dadurch bestätigt, dass es nach Mitteilung des Bürgermeisters seit 01.01.2010 nicht zu Abmeldungen von Hunden kam und in Fällen, in denen ein Hund starb, die Hundebesitzer alsbald wieder einen neuen Hund anmeldeten. Eine Aufwandsteuer in Höhe von 96.--EUR im Jahr für einen Ersthund und das Doppelte für einen Zweithund ist auch im Vergleich mit den allgemein gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht unverhältnismäßig. Auch unter dem Aspekt der erdrosselnden Wirkung ist keine zeitlich gestaffelte Anhebung des Hundesteuersatzes erforderlich gewesen.
34 
Die Steuerfestsetzung ist auch sonst rechtmäßig. Sofern der Kläger mehr als zwei Hunde halten sollte, ist die dafür zu entrichtende Hundesteuer nicht Gegenstand dieses Verfahrens, weil die angefochtenen Bescheide von zwei Hunden ausgehen. Insoweit wäre eine Nacherhebung zu prüfen.
35 
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keiner der Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 i.V.m. § 124 a Abs. 1 VwGO gegeben ist.
36 
Beschluss
37 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf EUR 288,-- festgesetzt.
38 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Gründe

 
15 
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
16 
Der Hundesteuerbescheid der Beklagten 18.01.2010 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamtes Karlsruhe vom 13.04.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17 
Rechtsgrundlage der in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Hundesteuer sind die §§ 1 und 2 der Satzung der Beklagten vom 08.12.2009, die ihrerseits auf der Ermächtigungsgrundlage in den §§ 9 Abs. 1-5 KAG BW, 4 GemO BW beruht.
18 
Die vom Gemeinderat der Beklagten am 08.12.2009 beschlossene und am 01.01.2010 in Kraft getretene Hundesteuersatzung ist in formeller Hinsicht in nicht zu beanstandender Weise zustande gekommen. Die maßgeblichen Verfahrensvorschriften (§§ 24, 35, 36, 37 GemO) sind gewahrt, insbesondere der Öffentlichkeitsgrundsatz des § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO. Nach dieser Vorschrift sind Sitzungen des Gemeinderats öffentlich. Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern (Abs. 1 Satz 2 1. HS). Es widerspricht Sinn und Zweck des Gebots der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen, wenn in nichtöffentlicher Sitzung, ohne dass die Voraussetzungen von § 35 Abs. 1 S 2 GemO BW vorliegen, die Sachdiskussion der anschließenden öffentlichen Sitzung vorweggenommen wird (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.07.2000 - 14 S 237/99 -, VBlBW 2001, 65 ff.). Aus dem Protokoll über die öffentliche Gemeinderatssitzung am 08.12.2009 geht der Ablauf der Beratung und Abstimmung zu „TOP 8 Erhebung der Hundesteuer ab 01.01.2010; neue Satzung über die Erhebung der Hundesteuer (Hundesteuersatzung)“ hervor. Eine Beratung von TOP 8 hat im Gemeinderat stattgefunden, Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich. Unabhängig davon, ob eine unzutreffende Information des Gemeinderats seitens des Bürgermeisters über eine Anhebung der Hundesteuer überhaupt dazu führen könnte, dass eine Satzung formell nichtig ist, ergeben sich dafür aus der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung am 08.12.2009 keine Anhaltspunkte. Ausweislich des Protokolls hielt der Bürgermeister den Sachvortrag und wies auf die Lenkungsfunktion der Steuer hin, was nicht auf falsche Informationen schließen lässt. Dazu, dass über die Anzahl der Hundehalter bzw. Hunde im Gemeindegebiet der Beklagten in der öffentlichen Sitzung am 08.12.2009 gesprochen wurde, enthält das Protokoll keinerlei Angaben. Den in diesem Zusammenhang angestellten Vermutungen des Klägers braucht das Gericht schon deshalb nicht nachzugehen. Die Höhe der Hundesteuer wurde in öffentlicher Sitzung vom Gemeinrat diskutiert und die Satzung wurde mehrheitlich beschlossen. Dass in einer den Haushalt vorbereitenden Sitzung des Gemeinderats am 19../20.11.2010 der Vorschlag eingereicht wurde, die Hundesteuer zu verdoppeln, ohne dass dafür sachliche Gründe angeführt wurden, ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.
19 
Im Übrigen berührt der weitere Einwand, dem Gemeinderat hätten bei Beschlussfassung über die Höhe der Hundesteuer (§ 5 Abs. 1 und 2 der Satzung) falsche Tatsachen über die Anzahl der Hunde in der Gemeinde und über weitere Kostenfaktoren zugrunde gelegen, auch sonst keine formellen Anforderungen an die Satzung. Darauf, ob dies materiell-rechtlich bedeutsam ist, wird noch eingegangen.
20 
Im Hinblick auf die Argumentation des Klägers, die Begründung der Satzung sei fehlerhaft, ist anzumerken, dass sich die Regelung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts in § 39 LVwVfG über die Begründung auf das Verwaltungsverfahren (§ 9 LVwVfG), konkret den Erlass von Verwaltungsakten, bezieht und nicht auf den einer gemeindlichen Satzung anwendbar ist. Die Behauptung, dass die nach Erlass der Satzung im Stadtanzeiger Nr. 51 aus 2009 veröffentlichte „offizielle“ Begründung der Hundesteuersatzung in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft sei, ist nicht an § 39 LVwVfG zu messen. Hierfür sehen auch die Vorschriften der GemO BW und des KAG keine Spezialregelungen vor.
21 
Die Hundesteuersatzung der Beklagten 01.01.2010 ist auch in materieller Hinsicht rechtmäßig, sie steht in Einklang mit höherrangigem Recht, insbesondere mit Art. 105 Abs. 2 a und Art. 28 Abs. 2 GG. Die Hundesteuer stellt eine Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG dar. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Beschl. v. 02.11.2006 - 10 B 4/06 -, m.w.N.) ist geklärt, dass die Aufwandsteuern im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a GG nur den besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand für die persönliche Lebensführung erfassen und damit die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteuern. Das Halten eines Hundes geht über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinaus und erfordert einen - wenn auch unter Umständen nicht sehr erheblichen - zusätzlichen Vermögensaufwand (BVerwG, Beschl. v. 02.11.2006 - 10 B 4/06 -, a.a.O. u. Urt. v. 19.01.2000 - 11 C 8/99 -, BVerwGE 110, 265 ff.). Aufwandsteuern beziehen sich nicht notwendigerweise auf „Luxusgegenstände“ (BVerwG, Beschl. v. 28.11.1997 - 8 B 224/97 -, u. BVerwG, Beschl. v. 31.10.1990 - 8 B 72.90 -, ; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010 - 4 K 252/08 -, ; BayVGH, Beschl. v. 25.11.2005 - 4 ZB 05.2737 -, m.w.N.; Kasper, Die Hundesteuer, KStZ 2007, 1 ff.; BVerfG, Beschl. v. 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 -, BVerfGE 65, 325 ff., 354; Beschl. v. 15.01.2008 - 1 BvL 2/04 -, BVerfGE 120, 1 ff., 29). Die Steuer als Abgabe ist bereits ihrem Begriff nach auf Einnahmeerzielung beschränkt, auch wenn andere Zwecke mit verfolgt werden dürfen (vgl. § 3 Abs. 1 AO; BayVGH, Beschl. v. 25.11.2005 - 4 ZB 05.2737 -, ).
22 
Für die Annahme des Vorliegens einer Aufwandsteuer ist ohne Belang, welchen Zwecken die Einkommens- und Vermögensverwendung im Einzelfall dient und aus welchen Beweggründen sie vorgenommen wird; unerheblich ist auch, ob der Aufwand im Einzelfall die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überschreitet (BVerwG, Beschl. v. 31.10.1990 - 8 B 72/90 -, ). Die Hundesteuer knüpft nicht an einen „Luxus“ an, den sich nur kleine Teile der Bevölkerung leisten können. Vielmehr kann auch ein vergleichsweise unerheblicher Aufwand zum Gegenstand der Steuererhebung gemacht werden. Wer einen Hund hält, tätigt Aufwendungen für Futter, Pflege und gegebenenfalls tierärztliche Versorgung des Hundes. Dieser Aufwand geht über dasjenige hinaus, was der Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs dient und kann damit Anknüpfungspunkt einer Besteuerung sein (OVG des Landes Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O.).
23 
Deshalb kann gegen die Hundesteuer nicht eingewendet werden, sie sei als historisch gewachsene sogenannte Luxussteuer überholt, weil zwischenzeitlich durch gewandelte Lebensumstände ein Bedeutungswandel eingetreten sei, der die Hundehaltung zu einer sozialadäquaten Gewohnheit aller Bevölkerungsschichten mache. Der Besteuerung der Hundehaltung steht ferner nicht entgegen, dass sie positive Auswirkungen auf die Lebensqualität des Hundehalters hat. Schon deshalb, weil sich große Teile der Bevölkerung ohne subjektive Einbuße an Lebensqualität gegen eine Hundehaltung entscheiden, gehört diese nicht zum allgemeinen Lebensbedarf. Ferner ist es unerheblich, dass hinter der Hundehaltung die - sozialadäquate und in der Rechtsordnung anerkannte - Liebe zu und die Absicht des Schutzes von Tieren stehen (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O.).
24 
Der Aufwandcharakter ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Hundehaltung in der Rechtsordnung - sei es im Miet-, im Delikts- oder im Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht - Schutz genießt. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem der rechtliche Schutz eines Sachverhaltes in einem Rechtsgebiet in jedem Fall verlangen würde, diesen Sachverhalt in allen anderen Rechtsgebieten von Belastungen frei zu stellen (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O.).
25 
Die Besteuerung der Hundehaltung widerspricht auch nicht dem Tierschutzgedanken von Art. 20 a GG, der auch in § 90 a Satz 1 und 2 BGB Ausdruck findet, da sie dem Hund weder Schmerzen noch Leiden zufügt und es weder unmöglich noch unzumutbar macht, bestehende Beziehungen zwischen Mensch und Tier fortzuführen oder neue zu knüpfen. Es gibt nämlich auch nach dem Vortrag des Klägers keine hinreichend verlässlichen Hinweise darauf, dass die Hundesteuererhebung auf der Grundlage der Satzung der Beklagten erdrosselnde Wirkung hätte und Hundehalter zwingen würde, ihre Tiere abzugeben (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O.).
26 
Des Weiteren steht das Verbot der Gleichartigkeit einer bundesgesetzlich geregelten Steuer der Zulässigkeit der Hundesteuer nicht entgegen. Das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG verbietet eine Doppelbelastung derselben Steuerquelle. Art. 105 Abs. 2 a GG lässt die üblichen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern unberührt und verlangt für die nicht herkömmlichen örtlichen Steuern, dass der steuerbegründende Tatbestand nicht denselben Belastungsgrund erfasst wie eine Bundessteuer, sich also in Gegenstand, Bemessungsgrundlage, Erhebungstechnik und wirtschaftlicher Auswirkung von der Bundessteuer unterscheidet (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O., unter Hinweis auf BVerfG, Urt. v. 07.05.1998 - 2 BvR 1991/95, 2004/95 -, BVerfGE 98, 106, 125; BVerwG, Urt. v. 22.12.1999 - 11 CN 3/99 -, NVwZ 2000, 934).
27 
Mit der vom Gemeinderat der Beklagten am 08.12.2009 beschlossenen Hundesteuersatzung hat der Satzungsgeber mit der verfolgten Lenkungswirkung durch die Anhebung der Hundesteuer für den Erst- und Zweithund in § 5 Abs. 1 und 2 der Hundesteuersatzung nicht den Bereich seiner Normsetzungskompetenz überschritten. Eine nach Art. 105 Abs. 2 a GG i.V.m. dem Kommunalabgabengesetz eines Landes erlassene satzungsrechtliche Steuerregelung, die Lenkungswirkungen in einem nichtsteuerlichen Kompetenzbereich entfaltet, bedarf keiner zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretenden Sachkompetenz. Der Satzungsgeber ist deshalb zur Regelung von Lenkungssteuern in dem genannten Zusammenhang zuständig, mag die Lenkung Haupt- oder Nebenzweck sein (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000 - 11 C 8/99 -, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist es unbedenklich, wenn die Beklagte auch den Lenkungszweck einer Eindämmung der Hundehaltung aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr, also ordnungspolitische Ziele verfolgt. Dies ist gerade im dicht besiedelten Gebiet einer Stadt sachgerecht. Auch wenn die Hundehaltung - worauf der Kläger mit Recht hinweist - für viele Menschen positive Auswirkungen hat, gibt es gleichwohl eine nicht unerhebliche Zahl von Einwohnern, die Hunde ablehnen. Die hierfür bestehenden Gründe - seien es Geräuschbelästigungen durch Hunde, hygienische Bedenken wegen Hundekot auf Gehwegen oder in Parkanlagen, die Gefahren für Menschen oder andere Tiere durch den Jagdinstinkt von Hunden oder Hundehaarallergien - weisen auf grundrechtlich geschützte Interessen hin. Zwischen den insoweit bestehenden Interessenlagen ist durch die Beklagte für die örtliche Gemeinschaft ein Ausgleich herzustellen. Sie bewegt sich innerhalb ihres Gestaltungsspielraumes, wenn sie durch Gestaltung ihres Steuerrechts die Zahl der Hunde im Stadtgebiet und damit die Zahl möglicher Nutzungskonflikte und die Beeinträchtigungen für Nicht-Hundehalter klein halten will (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O.; BayVGH, Beschl. v. 25.11.2005 - 4 ZB 05.2737 -, m.w.N.).
28 
Die Beklagte durfte mit der Verdoppelung der Hundesteuersätze - auch - den Lenkungszweck verfolgen, die Haltung eines Zweithundes möglicherweise finanziell zu erschweren, um so aus den genannten ordnungspolitischen Gesichtspunkten die Haltung von Hunden einzudämmen. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, mit der Erhöhung der Hundesteuer zum 01.01.2010 sei eine Reduzierung der Hundehaltung bezweckt worden und dabei sei der Gemeinderat von falschen Tatsachen über die Anzahl der Hunde im Stadtgebiet sowie die bei der Gemeinde anfallenden Kosten für die Beseitigung des Hundekots ausgegangen. Denn selbst wenn solche Erwägungen vom Gemeinderat angestellt worden wären und sie auf unzutreffenden Tatsachen beruhten, unterläge die Entscheidung des Gemeinderats über die Abwägung dieser Gesichtspunkte keiner inhaltlichen Prüfung danach, ob die tatsächlichen Grundlagen der beabsichtigten Lenkungszwecke richtig ermittelt wurden. Zur Klarstellung und im Hinblick auf die Ausführungen des Klägers zur „Ermessensentscheidung“ des Gemeinderats ist anzumerken, dass § 40 LVwVfG und § 114 VwGO auf die Beschlussfassung des Gemeinderats über eine Satzung nicht anwendbar sind und dass das KAG für eine Hundesteuersatzung keine mit einer Planungsentscheidung vergleichbare - nach Abwägungsfehlern vom Gericht überprüfbare - Abwägungsentscheidung vorsieht.
29 
Das im Beitrags- und Gebührenrecht anwendbare Äquivalenzprinzip gilt nicht für die Hundesteuer. Das Äquivalenzprinzip ist Ausdruck des allgemeinen, auf Verfassungsrecht beruhenden bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und besagt, dass eine Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der von dem Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf. Es fordert ferner, dass die Benutzungsgebühr im Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so dass bei in etwa gleicher Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren erhoben werden, und berührt sich insoweit mit dem Gleichheitssatz (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.03.2010 - 2 S 2938/08 -, ESVGH 60, 213 ff.). Dagegen dient die Steuererhebung der Einnahmebeschaffung der öffentlichen Hand zur Erfüllung der ihr allgemein obliegenden Aufgaben. Mit der Hundesteuer werden, wie bereits ausgeführt, nicht ein bestimmter Aufwand oder bestimmte Ausgaben der Gemeinden finanziert. Eine gesetzliche Regelung des Äquivalenzprinzips findet sich in den §§ 11, 14 KAG bei den Benutzungsgebühren und für Beiträge in den §§ 20, 29 KAG. Für örtliche Aufwandsteuern nach § 9 KAG besteht keine solche Regelung und eine entsprechende Anwendung der Grundsätze des Äquivalenzprinzips sowie der Gebühren- bzw. Beitragskalkulation verbietet sich mangels einer Regelungslücke und wegen der Unterschiede zur (Hunde-)Steuer.
30 
Art. 3 Abs. 1 GG ist durch die Erhöhung des Steuersatzes von 48.00 EUR auf 96.00 EUR für einen Ersthund und von 96.00 EUR auf 192.00 EUR für einen Zweithund eines Hundehalters ebenfalls nicht verletzt. Der Satzungsgeber ist an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit gebunden, der sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet für den Gesetzgeber die allgemeine Weisung, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dies gilt nicht ausnahmslos, sondern nur, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte so bedeutsam sind, dass ihre Beachtung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten erscheint. Dabei ist dem Gesetzgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzugestehen, auch im Steuerrecht. Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den steuerlichen Vorteilen der Typisierung steht. Eine vom Gesetz vorgenommene ungleiche Behandlung muss sich im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs auf einen vernünftigen oder sonst wie einleuchtenden Grund zurückführen lassen (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000 - 11 C 8/99 -, a.a.O.). Der Gleichheitssatz verleiht dem Gericht jedoch nicht die Berechtigung zu überprüfen, ob eine steuerliche Regelung für ein Problem die zweckmäßigste oder vernünftigste Lösung bereithält (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000 - 11 C 8/99 -, a.a.O., unter Hinweis auf BVerwG, Beschl. v. 27.02.1987 - 8 B 106.86 -, Buchholz 401.9 Beiträge Nr. 28 S. 1).
31 
In Ansehung dieser Grundsätze war der Satzungsgeber unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht verpflichtet, die Haltung eines Erst- und Zweithundes eines Hundehalters gleich hoch zu besteuern, weil dies unterschiedliche Lebenssachverhalte sind. Die Haltung eines Zweithundes darf höher besteuert werden als die eines Ersthundes. Ferner verstößt die Verdoppelung des Steuersatzes für den Erst- und Zweithund nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG (kritisch dazu Dr. Franz Otto, KStZ 1974, 210 f.). Solange der Steuersatz als solcher in seiner Höhe nicht zu beanstanden ist, ist seine Erhöhung, gleich um welchen Faktor, nicht unverhältnismäßig. Ob die Verdoppelung der Hundesteuersätze erforderlich und sinnvoll war, entzieht sich der Beurteilung des Gerichts. Außerdem sieht die Hundesteuersatzung der Beklagten in § 6 Steuerbefreiungstatbestände vor, die besonders gelagerten Einzelfällen, wie z. B. der Haltung von Blinden- und Diensthunden, Rechnung tragen. Die gestaffelten Steuersätze in § 5 Abs. 1 und 2 der Hundesteuersatzung sind deshalb nicht willkürlich und nicht unverhältnismäßig (i. Erg. ebenso VG Dresden, Urt. v. 29.06.2010 - 2 K 264/09 -, ).
32 
Der Satzungsgeber war unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG ferner nicht gehalten, eine differenzierende Regelung für den Bestand der Hunde am 01.01.2011 und für Neuanschaffungen zu machen. Der Satzungsgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum, Ungleichbehandlungen zu beheben und zu regeln. Ihm steht es frei, eine bisherige Regelung ab einem bestimmten Stichtag zu ändern oder stufenweise einzuführen. Zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte dürfen Stichtage eingeführt werden, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 05.02.2009 - 1 BvR 1631/04 -, NZS 2009, 621 ff. m.w.N.). Allerdings ist zu prüfen, ob der Gesetzgeber den ihm bei der Stichtagsregelung zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint (BVerfG, Beschl. v. 05.02.2009 - 1 BvR 1631/04 -, a.a.O. unter Hinweis auf BVerfG, Urt. v. 05.07.1080 - 1 BvL 11/87, 1 BvR 1053/87, 1 BvR 556/88 -, BVerfGE 80, 297 ff., 317 stRspr). Anhaltspunkte dafür, dass die Neuregelung der Hundesteuersätze für den Erst- und Zweithund ab 01.01.2010 willkürlich wäre, sind nicht ersichtlich. Dies liegt schon deshalb fern, weil die Hundesteuersätze, abgesehen von der Umstellung auf Euro im Jahr 2002, seit 1997 nicht erhöht wurden, der zu besteuernde Sachverhalt sich aber geändert hat. Daraus, dass die Beklagte über einen längeren Zeitraum hinweg die Hundesteuer nicht erhöht hat, erwächst dem Bürger aber auch kein schutzwürdiges Vertrauen, das eine Steuererhöhung gänzlich oder jedenfalls um das Doppelte verbieten oder zumindest eine Differenzierung nach Altbeständen und Neuanschaffungen gebieten würde. Denn es fehlt ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand (vgl. Wolff/Bachhof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl., § 37 Rdz. 17 m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 07.02.1974 - III C 115.71 -, BVerwGE 44, 339 ff, 343; Urt. v. 20.01.1977 - V C 18.76 -, BVerwGE 52, 16 ff., 25), der den weiten Gestaltungsspielraum des Satzungsgebers (§ 9 KAG) in eine dieser Richtungen einschränken könnte.
33 
Die Höhe der Hundesteuer ist begrenzt durch höherrangiges Recht, u.a. dadurch dass sie keine erdrosselnde Wirkung haben darf, was dann anzunehmen ist, wenn die Erhebung der Hundesteuer die Hundehaltung im Regelfall - trotz der Möglichkeit eines Steuererlasses nach den §§ 163, 227 AO - wirtschaftlich unmöglich machen (BVerwG, Beschl. v. 31.10.1990 - 8 B 72.90 -, a.a.O., Rn. 3; VG München, Urt. v. 14.10.2010 - M 10 K 09.2770 -, ) bzw. den Hundehalter zwingen würde, sein Tier abzugeben (OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 22.06.2010, a.a.O.). Bei einem Hundesteuersatz von 96.00 EUR für den Ersthund und 192.00 EUR für den Zweithund jährlich ist für das Gericht eine erdrosselnde oder konfiskatorische Wirkung der Steuer nicht erkennbar. Dies liegt angesichts der sonstigen mit der Hundehaltung verbundenen Kosten für die tierärztliche Betreuung, Futter und Unterbringung eher fern (vgl. BayVGH v. 25.11.2005, a.a.O., Rn. 7 bei einem Hundesteuersatz von 120.00 EUR). In dieser Annahme sieht sich das Gericht auch dadurch bestätigt, dass es nach Mitteilung des Bürgermeisters seit 01.01.2010 nicht zu Abmeldungen von Hunden kam und in Fällen, in denen ein Hund starb, die Hundebesitzer alsbald wieder einen neuen Hund anmeldeten. Eine Aufwandsteuer in Höhe von 96.--EUR im Jahr für einen Ersthund und das Doppelte für einen Zweithund ist auch im Vergleich mit den allgemein gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht unverhältnismäßig. Auch unter dem Aspekt der erdrosselnden Wirkung ist keine zeitlich gestaffelte Anhebung des Hundesteuersatzes erforderlich gewesen.
34 
Die Steuerfestsetzung ist auch sonst rechtmäßig. Sofern der Kläger mehr als zwei Hunde halten sollte, ist die dafür zu entrichtende Hundesteuer nicht Gegenstand dieses Verfahrens, weil die angefochtenen Bescheide von zwei Hunden ausgehen. Insoweit wäre eine Nacherhebung zu prüfen.
35 
Die Kostenentscheidung folgt § 154 Abs. 1 VwGO. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keiner der Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 i.V.m. § 124 a Abs. 1 VwGO gegeben ist.
36 
Beschluss
37 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 2 GKG auf EUR 288,-- festgesetzt.
38 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen.

Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 15. Nov. 2011 - 4 K 1090/10

Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 15. Nov. 2011 - 4 K 1090/10

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 15. Nov. 2011 - 4 K 1090/10 zitiert 14 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 28


(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben,

Abgabenordnung - AO 1977 | § 227 Erlass


Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder an

Abgabenordnung - AO 1977 | § 163 Abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen


(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mi

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 105


(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole. (2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen diese

Abgabenordnung - AO 1977 | § 3 Steuern, steuerliche Nebenleistungen


(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Ge

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Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 15. Nov. 2011 - 4 K 1090/10 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 15. Nov. 2011 - 4 K 1090/10 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 22. Juni 2010 - 4 K 252/08

bei uns veröffentlicht am 22.06.2010

Tatbestand 1 Die Antragsteller wenden sich gegen die Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin. 2 Der Stadtrat der Antragsgegnerin beschloss in seiner Sitzung vom 15. März 2007 eine Neufassung der Hund

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 11. März 2010 - 2 S 2938/08

bei uns veröffentlicht am 11.03.2010

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Mai 2008 - 1 K 1636/07 - geändert: Der Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzw
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 15. Nov. 2011 - 4 K 1090/10.

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. Mai 2013 - 6 C 11221/12

bei uns veröffentlicht am 14.05.2013

Diese Entscheidung zitiert Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand 1 D

Referenzen

(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

(2) Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.

(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Steuerliche Nebenleistungen sind

1.
Verzögerungsgelder nach § 146 Absatz 2c,
2.
Verspätungszuschläge nach § 152,
3.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 und 4a,
3a.
Mitwirkungsverzögerungsgelder nach § 200a Absatz 2 und Zuschläge zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Absatz 3,
4.
Zinsen nach den §§ 233 bis 237 sowie Zinsen nach den Steuergesetzen, auf die die §§ 238 und 239 anzuwenden sind, sowie Zinsen, die über die §§ 233 bis 237 und die Steuergesetze hinaus nach dem Recht der Europäischen Union auf zu erstattende Steuern zu leisten sind,
5.
Säumniszuschläge nach § 240,
6.
Zwangsgelder nach § 329,
7.
Kosten nach den §§ 89, 89a Absatz 7 sowie den §§ 178 und 337 bis 345,
8.
Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union,
9.
Verspätungsgelder nach § 22a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und
10.
Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes.

(5) Das Aufkommen der Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union steht dem Bund zu. Das Aufkommen der übrigen Zinsen steht den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89 steht jeweils der Körperschaft zu, deren Behörde für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89a Absatz 7 steht dem Bund und dem jeweils betroffenen Land je zur Hälfte zu. Das Aufkommen der Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes steht dem Bund zu. Die übrigen steuerlichen Nebenleistungen fließen den verwaltenden Körperschaften zu.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Tatbestand

1

Die Antragsteller wenden sich gegen die Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin.

2

Der Stadtrat der Antragsgegnerin beschloss in seiner Sitzung vom 15. März 2007 eine Neufassung der Hundesteuersatzung, die im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 13/2007 vom 30. April 2007 veröffentlicht wurde.

3

Nach § 1 Abs. 2 dieser Satzung ist das Halten von mehr als drei Monate alten Hunden durch natürliche Personen im Stadtgebiet Gegenstand einer Steuer.

4

Diese wird nach § 2 Abs. 1 und 2 der Satzung vom Halter des Hundes, d. h. demjenigen geschuldet, der einen Hund zu persönlichen Zwecken in seinem eigenen Haushalt oder Wirtschaftsbetrieb aufgenommen hat.

5

Die als Jahressteuer erhobene Steuer entsteht nach § 4 Abs. 1 und 2 der Satzung zu Beginn des Kalenderjahres. Sie wird nach § 5 Abs. 2 jährlich zum 1. Juli fällig und mit Bescheid entsprechend § 5 Abs. 1 der Satzung festgesetzt.

6

§ 6 Abs. 1 der Satzung sieht unterschiedliche Steuersätze für den ersten, den zweiten oder einen weiteren Hund bzw. für gefährliche, nicht ordnungsgemäß gehaltene Hunde oder Hunde einer Rasseliste vor. Es heißt dort:

7

„Die Steuer wird nach der Anzahl der gehaltenen Hunde bemessen. Sie beträgt jährlich:

8

1. für den ersten Hund

  96,00 Euro

2. für den zweiten Hund

144,00 Euro

3. für jeden weiteren Hund

192,00 Euro

4. für einen gefährlichen Hund

500,00 Euro

5. je Hund, wenn die Hundehaltung nicht ordnungsgemäß erfolgt

250,00 Euro

6. für folgende Hunde (Rasseliste) beträgt die Hundesteuer bis zum Erlass eines Landesgesetzes oder einer Landesverordnung

500,00 Euro

(…)

        

American Staffordshire Terrier oder Staffordshire Terrier

(…)”

9

In § 6 Abs. 2 der Satzung ist der Begriff des gefährlichen Hundes wie folgt definiert:

10

„Gefährlich i.S. von Abs. 1 Nr. 4 sind insbesondere Hunde, die sich gegenüber Menschen oder Tieren als aggressiv bzw. bissig erwiesen haben und deshalb ein Leinen- und/oder Maulkorbzwang unanfechtbar angeordnet wurde oder die per Gesetz oder Verordnung als gefährlich eingestuft wurden.“

11

§ 6 Abs. 3 der Satzung sieht vor:

12

„Die Feststellung der nicht ordnungsgemäßen Hundehaltung im Einzelfall erfolgt durch die zuständige Sicherheitsbehörde. Nicht ordnungsgemäß ist die Hundehaltung i.S. von Abs. 1 Nr. 5 insbesondere dann, wenn der Hundehalter gegen strafrechtliche Bestimmungen oder innerhalb von 6 Monaten mehrfach gegen Bußgeldbestimmungen verstoßen hat, die in direktem Zusammenhang mit der Hundehaltung oder Hundeführung stehen.“

13

§ 6 Abs. 5 der Satzung ergänzt:

14

„Für nicht ordnungsgemäß gehaltene Hunde i.S. des Abs. 3 erfolgt eine Besteuerung nach den in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 aufgeführten Steuersätzen, wenn der Hundehalter in den letzten zwei Jahren nicht gegen strafrechtliche Bestimmungen oder Bußgeldbestimmungen verstoßen hat, die in direktem Zusammenhang mit der Hundehaltung oder Hundeführung stehen. Der 2-Jahres-Zeitraum beginnt mit Ablauf des Monats, in dem die nicht ordnungsgemäße Hundehaltung von der zuständigen Sicherheitsbehörde festgestellt worden ist.“

15

Nachdem am 1. März 2009 das Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vom 23. Januar 2009 in Kraft getreten war, beschloss der Stadtrat der Antragsgegnerin am 10. September 2009 die 2. Änderungssatzung der Hundesteuersatzung vom 15. März 2007. Diese Änderungssatzung wurde im Amtsblatt Nr. 41/2009 vom 23. Oktober 2009 veröffentlicht.

16

Hiernach wurde rückwirkend zum 1. März 2009 § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung aufgehoben. § 6 Abs. 2 wurde wie folgt geändert:

17

„(2) Gefährlich i.S. von Abs. 1 Nr. 4 sind insbesondere Hunde, die sich gegenüber Menschen oder Tieren als aggressiv bzw. bissig erwiesen haben und deshalb gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vollziehbar als gefährlich festgestellt wurden.“

18

Die Antragsteller sind Halter eines Hundes der Rasse American Staffordshire Terrier. Unter dem 2. Januar 2008 erging gegen die Antragstellerin zu 1. ein Abgabenbescheid, durch den sie zur Zahlung von Hundesteuer in Höhe von 96,00 € verpflichtet wurde. Gleichzeitig wurde sie aufgefordert, in einem Formular Angaben zur Rasse ihres Hundes zu tätigen. Die Antragsteller sandten das Formular mit der Angabe zur Rasse des Hundes ausgefüllt zurück, legten aber zugleich mit Schreiben vom 23. Januar 2008 Widerspruch gegen den Steuerbescheid vom 2. Januar 2008 ein.

19

Mit Datum vom 18. Februar 2008 erging - dieses mal gegen beide Antragsteller - ein Änderungsbescheid, mit dem die Hundesteuer wegen der Rassezugehörigkeit des Hundes abweichend auf 500,00 € festgesetzt wurde. Zugleich wandte sich die Antragsgegnerin schriftlich an die Antragsteller und schlug vor, das bereits anhängige Rechtsbehelfsverfahren gegen den ursprünglichen Hundesteuerbescheid gegen den Abänderungsbescheid fortzuführen. Mit Schreiben vom 7. März 2008 erklärten die Antragsteller, den Widerspruch nicht zurückziehen und aufrechterhalten zu wollen.

20

Unter dem 18. Mai 2009 ist - unter Hinweis auf das am 1. März 2009 in Kraft getretene Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren - ein weiterer Änderungsbescheid ergangen, der die Hundesteuer für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. Dezember 2009 auf 80,00 € und ab dem 1. Juli 2010 auf jeweils 96,00 € pro Jahr festsetzt.

21

Am 28. April 2008 haben die Antragsteller einen Normenkontrollantrag gestellt.

22

Die Antragsteller machen geltend, bereits die Erhebung einer Hundesteuer als solche lasse sich durch die Ermächtigungsgrundlagen für die Erhebung örtlicher Aufwandsteuern in Art. 105 Abs. 2a, Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 87 Verf LSA, §§ 2, 3 KAG LSA nicht rechtfertigen. Die Hundesteuer habe sich historisch als Luxussteuer entwickelt. Sie entspreche nicht mehr geltenden rechtlichen Standards und stehe im Widerspruch zum modernen Steuersystem. Die Hundesteuer treffe nicht die besonders leistungsfähigen Teile der Bevölkerung, da auch Menschen mit geringen Einkünften Hunde halten würden. An einer Belastung auch dieser Bevölkerungsschichten änderten auch die Möglichkeiten von Vergünstigungen und Erlass nichts. Die Steuererhebung müsse am Prinzip der Leistungsfähigkeit ausgerichtet sein und den Schutz des Existenzminimums respektieren. Dem werde die Hundesteuer nicht gerecht. Steuern auf den Konsum würden bereits durch die Umsatzsteuer erhoben. Dieser bundesgesetzlich geregelten Steuer sei die Hundesteuer gleichartig. Die Haltung von Hunden stelle infolge einer Änderung der Lebensumstände keinen Luxus mehr dar. Die Haustierhaltung sei gesellschaftlich anerkannt und aus ökonomischen und sozialen Gründen zu unterstützen. Das gewandelte Verständnis komme in Rechtsprechung und Gesetzgebung zum Ausdruck. Die Hundesteuer werde mit einer lenkenden Ordnungsfunktion - der Reduzierung des Hundebestandes, der Eindämmung der Haltung bestimmter Rassen und der Deckung der durch Hundehaltung entstehenden Kosten - gerechtfertigt. Damit habe sie aber ihren Ursprung in überholten Rechtsvorstellungen und widerspreche einem gewandelten Verständnis, das auch in neueren gesetzlichen Regelungen insbesondere des Bürgerlichen Rechts und Zivilprozessrechts Ausdruck finde.

23

Die Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin widerspreche darüber hinaus wegen mehrerer Einzelregelungen höherrangigem Recht: Die Festsetzung eines höheren Steuersatzes für Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung verletze den Gleichheitssatz. Hunde dieser Rasse seien nicht gefährlicher als andere in der Rasseliste nicht aufgeführte Hunde. Sie seien insbesondere im Stadtgebiet der Antragsgegnerin nicht auffällig geworden. Es gebe auch vor dem Hintergrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen keine Statistiken oder Erhebungen, nach denen eine erhöhte Auffälligkeit belegt sei. Forschungsergebnisse der Tierärztlichen Hochschule in Hannover sprächen gegen eine besondere Gefährlichkeit von Hunden dieser Rasse. Die neueren fachwissenschaftlichen Erkenntnisse müssten nach der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts vom Normgeber verfolgt und bei der Normsetzung berücksichtigt werden. Der Hund der Antragsteller sei von freundlichem Wesen, gut erzogen und ungefährlich. Mit der Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung überschreite der Satzungsgeber seine Steuergesetzgebungskompetenz. Der Steuertatbestand sei zu unbestimmt. Hier werde Sicherheits- und Steuerrecht vermischt. Das Willkürverbot werde verletzt, weil Hundehalter, die ohnehin den Höchstsatz zahlten, keine „Strafsteuer“ zahlen müssten. Die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung greife in die Sachkompetenz des Landes ein, sei unbestimmt und unverhältnismäßig.

24

Nach der Veröffentlichung der 2. Änderungssatzung zur Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin haben die Antragsteller ihren Antrag modifiziert. Sie tragen ergänzend vor, das rechtliche Interesse am Antrag bestehe wegen der Besteuerung für vergangene Zeiträume und wegen der Gefahr, dass wieder eine erhöhte Besteuerung für bestimmte Hunderassen eingeführt werden könnte, fort. Die Streichung der Sonderregelung für Hunde der Rasseliste sei keine bloße Klarstellung gewesen. Die neue Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung sei zwar klarer als die Vorgängerregelung. Sie stehe aber im Widerspruch zu den Überlegungen, die hinter der Streichung der Rasseliste stünden. Zudem sei der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum es neben den Regelungen des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren noch zusätzlich einer erhöhten Besteuerung für gefährliche Hunde bedürfe.

25

Die Antragsteller beantragen,

26

die Festsetzungen der Neufassung der Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin vom 28.03.2007, bekannt gegeben am 30.04.2007, insbesondere in § 6 Abs. 1 Nr. 4 - 6 und Abs. 2 - 5, für unwirksam zu erklären

27

und festzustellen, dass § 6 Abs. 1 Nr. 6, der durch die 2. Änderungssatzung der Antragsgegnerin, veröffentlich im Amtsblatt Nr. 41 vom 23.10. 2009, Seite 883, ab 01.03.2009 gestrichen wurde, im Zeitraum seiner Geltung vom 01.01.2008 bis 28.02.2009 unwirksam war.

28

Die Antragsgegnerin beantragt,

29

den Antrag abzulehnen.

30

Zur Antragserwiderung trägt sie zunächst mit Schriftsatz vom 12. August 2008 vor: Die angegriffene Satzung sei formell und materiell rechtmäßig und finde ihre Ermächtigungsgrundlage in Art. 105 Abs. 2 a, Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 88 Abs. 3 Verf LSA, §§ 6, 91 Abs. 1 und 2 GO LSA sowie §§ 1 bis 3 KAG LSA. Die Hundesteuer stelle eine örtliche Aufwandsteuer dar, mit der die besondere Leistungsfähigkeit besteuert werde, die in den Aufwendungen für das Halten des Hundes, nicht seinen Erwerb zum Ausdruck komme. Im Einzelfall erfolge eine Stundung oder ein Erlass der Hundesteuer. Gegebenenfalls würden auch Befreiungs- oder Ermäßigungstatbestände eingreifen.

31

§ 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung habe während seiner Geltungsdauer dem Ziel der Eindämmung eines abstrakten Gefährdungspotenzials gedient. Dass auch Hunde der in Frage stehenden Rasse ein solches Potenzial aufwiesen, habe bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 - anerkannt. Auf den einzelnen Hund komme es nicht an. Auch im Bereich der Antragsgegnerin sei es in der Vergangenheit zu schweren Beißvorfällen unter Beteiligung von Hunden der Rasseliste gekommen. Hieraus ergäben sich Anhaltspunkte für eine erhöhte Gefährlichkeit dieser Hunde, die auch Gegenstand des Hundeverbringungs- und Hundeeinfuhrgesetzes des Bundes seien. Auch § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung diene der ordnungspolitischen Zielsetzung der Gefahrenabwehr und solle im Tierschutzinteresse die ordnungsgemäße Hundehaltung unterstützen. Die Erzielung von Einnahmen könne auch Nebenzweck der Steuererhebung sein. Die Begriffe der Norm nähmen Bezug auf Rechtsvorschriften für die Haltung und Führung von Hunden im öffentlichen Raum. Eine Ausweitung der Steuerpflicht auf Hundeführer erfolge nicht. Eine tatbestandliche Abgrenzung zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung sei möglich. Es finde keine doppelte Bestrafung statt. Das Willkürverbot werde nicht verletzt. In die Sachkompetenz des Landes werde nicht eingegriffen. Es gebe keinen Widerspruch zu Landesgesetzen. § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung trete automatisch außer Kraft, wenn das Land durch Gesetz oder Verordnung eine Regelung zu gefährlichen Hunden treffe.

32

Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren und die 2. Änderungssatzung zur Hundesteuersatzung ist ergänzend ausgeführt worden, dass durch diese Rechtsänderungen die Normenkontrollklage gegen § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung für den Zeitraum ab dem 1. März 2009 gegenstandslos geworden sei, während für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 28. Februar 2009 eine Antragsbefugnis fortbestehe. Durch die weiteren Änderungen der Hundesteuersatzung seien Klarstellungen und Anpassungen an das Landesrecht erfolgt.

33

Ergänzend ist weiter zur Erstreckung des Widerspruches auf den Bescheid vom 18. Februar 2008 und zur Frage nach der Zulässigkeit einer erhöhten Besteuerung nach einer Rasseliste vorgetragen worden.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

35

Der Antrag bleibt insgesamt ohne Erfolg.

36

I. Der Antrag ist jedenfalls insoweit zulässig, als er sich gegen die in der Neufassung der Hundesteuersatzung vom 15. März 2007, veröffentlicht im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 13/2007 vom 30. April 2007, enthaltene Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 6 über den erhöhten Steuersatz für Hunde der dort aufgeführten Rassen richtet.

37

1. Der Antrag ist gegen eine Satzung gerichtet und damit nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 10 AG VwGO LSA statthaft.

38

2. Die Antragsteller sind Halter eines Hundes, der unter die Rasseliste gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung in der Fassung vor dem Inkrafttreten der 2. Änderungssatzung vom 10. September 2009 fällt, und deswegen auch Adressaten eines auf dieser Grundlage bemessenen Hundesteuerbescheides. Sie sind damit antragsbefugt im Sinne von § 47 Abs. 2 VwGO, da eine Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte jedenfalls möglich erscheint.

39

Der Senat lässt dahin stehen, ob den Antragstellern die Antragsbefugnis fehlt, soweit sie sich auch gegen die Steuersätze in § 6 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 der Satzung und die damit korrespondierenden Bestimmungen in § 6 Abs. 2 und 3 der Satzung wenden.

40

Fraglich ist dies, weil auf dieser Grundlage die gegen sie gerichteten Hundesteuerbescheide nicht erlassen sind. Die Antragsteller haben in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass sie sich vorsorglich auch gegen diese Bestimmungen wenden wollen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Antragsteller in den Anwendungsbereich dieser Normen fallen oder künftig fallen können. Denn die Antragsteller haben selbst vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass ihr Hund nicht konkret gefährlich ist, so dass auch nichts dafür spricht, dass er auch künftig in den Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 der Satzung fallen könnte. Ihrem Vortrag zur Haltung und Ausbildung ihres Hundes lässt sich auch entnehmen, dass sie ihre Verantwortung als Hundehalter bislang sorgfältig wahrnehmen. Es gibt damit keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie schwerwiegende und wiederholte Verstöße gegen Bestimmungen über die Hundehaltung und -führung begehen könnten, die eine Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 der Satzung nach sich ziehen könnten. Es liegt damit fern anzunehmen, dass die Antragsteller künftig möglicherweise in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen fallen könnten. Eine Nichtigkeit dieser Normen würde auch nicht zur Gesamtnichtigkeit der Hundesteuersatzung führen, da die Regelung des § 6 Abs. 1 der Satzung eine Zusammenstellung verschiedener Fallgruppen enthält, die ohne weiteres teilbar ist.

41

Der Antrag ist auch insoweit aber - wie nachfolgend auszuführen ist - jedenfalls unbegründet.

42

3. Dem Antrag fehlt es auch nicht deswegen an einem fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis, weil die Regelung durch die 2. Änderungssatzung zur Neufassung der Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin mit Wirkung vom 1. März 2009 aufgehoben wurde und in Umsetzung dieser Novellierung ein Änderungsbescheid gegen die Antragsteller ergangen ist.

43

Zwar ergibt sich dies entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller nicht aus einer Wiederholungsgefahr. Die Antragsteller führen aus, die Antragsgegnerin hätte die Regelung nur unter dem Druck des Verfahrens aufgehoben und es stehe zu befürchten, dass wieder eine „Kampfhundebesteuerung“ eingeführt werde, wenn „dies rechtlich problemlos durchsetzbar sei“. Eine Wiederholungsgefahr kann zwar grundsätzlich trotz Aufhebung einer Norm für ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis sprechen. Sie muss aber hinreichend konkret sein (NdsOVG, Urt. v. 25.11.1996 - 3 K 4767/94 -, zitiert nach juris; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 47 Rdnr. 90). Konkrete Anhaltspunkte für entsprechende Absichten des Satzungsgebers sind aber von den Antragstellern nicht benannt und auch sonst nicht ersichtlich. Da sich auch der Landesgesetzgeber gegen Rasselisten entschieden hat und die Antragsgegnerin gerade im Hinblick auf diesen Grundsatz der Landesgesetzgebung von der Rasseliste abgerückt ist, liegt eine solche Annahme fern.

44

Jedoch besteht das Rechtsschutzinteresse deswegen fort, weil die aufgehobene Rechtsvorschrift noch Rechtswirkungen zu äußern vermag, weil ein in der Vergangenheit liegender Sachverhalt noch nach ihr zu entscheiden ist (Kopp/Schenke, a.a.O. m.w.N.). Denn der Änderungsbescheid vom 18. Februar 2008 ist noch nicht bestandskräftig. Vielmehr ist das auch ihn betreffende Widerspruchsverfahren noch anhängig und auf der Grundlage unter anderem der Normen zu entscheiden, gegen die sich der Normenkontrollantrag richtet.

45

Der Widerspruch der Antragsteller vom 23. Januar 2008 richtet sich zwar gegen den Bescheid vom 2. Januar 2008, der durch den Bescheid vom 18. Februar 2008 ersetzt worden ist. Zugleich mit dem Bescheid vom 18. Februar 2008 ist den Antragstellern aber ein Schreiben der Antragsgegnerin vom selben Tage zugegangen, in dem diese vorschlägt, das Rechtsbehelfsverfahren gegen den anliegenden Bescheid fortzuführen. Mit Schreiben vom 7. März 2008 haben die Antragsteller daraufhin mitgeteilt, ihren Widerspruch nicht zurückziehen und aufrecht halten zu wollen. Da die zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretenen Antragsteller in diesem Schreiben deutlich machen, dass sie an ihren Einwänden gegen die Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin und insbesondere die erhöhte Hundesteuer für Hunde der Rasseliste ihres § 6 Abs. 1 Nr. 6 festhalten und sich mit allen rechtlichen Möglichkeiten gegen eine auf dieser Grundlage ergangene Steuerfestsetzung wehren wollen, kann dieses Schreiben als Erstreckung des Widerspruches vom 23. Januar 2008 auf den Änderungsbescheid vom 18. Februar 2008 verstanden werden. Die Antragssteller machen mit ihrem Schreiben ausreichend deutlich, dass sie den Vorschlag der Antragsgegnerin aus deren Schreiben vom 18. Februar 2008 aufgreifen wollen. Sie haben von Anfang an klar gestellt, das sich ihre Einwände gegen die Steuererhebung in erster Linie gegen die erhöhte Hundesteuer für Hunde bestimmter Rassen richtet, die gegen sie erst mit dem Änderungsbescheid vom 18. Februar 2008 festgesetzt worden ist. Für dieses Auslegungsergebnis spricht indiziell auch, dass ein Widerspruchsbescheid bislang nicht ergangen ist und die Antragsgegnerin im Normenkontrollverfahren jedenfalls schriftsätzlich nicht vorgebracht hat, das Steuerfestsetzungsverfahren sei bereits bestandskräftig geregelt. Erst als Reaktion auf einen gerichtlichen Hinweis hat sie in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit einer anderen Auslegung des Schreibens der Antragsteller in den Raum gestellt, jedoch eingeräumt, dass auch ihr Schreiben vom 18. Februar 2008 nicht eindeutig formuliert war.

46

Hiernach steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Beteiligten durch die Schreiben vom 18. Februar 2008 und vom 7. März 2008 eine Erstreckung des Widerspruches vom 23. Januar 2008 auf den Änderungsbescheid vom 18. Februar 2008 mit der Folge vereinbart haben, dass die Frage der Höhe der Hundesteuer jedenfalls für den Zeitraum bis zum 31.12.2008 noch nicht bestandskräftig geregelt ist.

47

4. Da sich der Antrag gegen die Neufassung der Hundesteuersatzung in der Fassung des Stadtratsbeschlusses vom 15. März 2007, bekannt gemacht am 30. April 2007, wendet und am 28. April 2008 beim Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt eingegangen ist, ist die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO insofern gewahrt.

48

Der Antrag richtet sich allerdings unter anderem auch gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Hundesteuer als solche. Diese Verpflichtung wurde nicht erstmals durch die konkret angegriffene Satzung begründet, sondern war bereits in der nach § 16 Satz 1 der Satzung aufgehobenen Vorgängersatzung vom 13. September 2001, bekannt gemacht im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 23. Oktober 2001, enthalten. Der Normenkontrollantrag ist allerdings aus diesem Grund nicht insgesamt verfristet.

49

Eine Novellierung einer Norm setzt die Jahresfrist eines Normenkontrollverfahrens zwar grundsätzlich nur für die geänderten Vorschriften neu in Gang (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 - 1 BvR 2054/09 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11 m.w.N.). Die Frist wird durch die Novellierung eines Gesetzes auch dann neu eröffnet, wenn die schon zuvor angreifbare Bestimmung durch die Änderungen anderer Bestimmungen einen neue, den Antragsteller stärker als bisher belastende Wirkung erhalten hat (BVerfG a.a.O.). Auch das Landesverfassungsgericht stellt im Rahmen einer Normenkontrolle für den Lauf der Frist darauf ab, ob die gerügte Belastung bereits durch eine inhalts- oder wirkungsgleiche Vorgängervorschrift begründet worden ist; dann kommt es auf den Zeitpunkt der materiellen Vorbelastung an (LVerfG, Urt. v. 12.07.2005 - LVG 4/04 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 42 m.w.N.).

50

Dass dem Normenkontrollantrag allerdings auch insoweit das Verstreichen der Jahresfrist nicht entgegen gehalten werden kann, ergibt sich aber zum einen daraus, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Hundesteuer gerade durch die Festsetzung eines deutlich erhöhten Steuersatzes nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung nach der Neufassung der Hundesteuersatzung vom 15. März 2007 vor Inkrafttreten der 2. Änderungssatzung am 1. März 2009 eine stärker belastende Wirkung hat. Zum anderen machen die Antragsteller hier auch geltend, dass die Verpflichtung zur Zahlung von Hundesteuern erst durch gewandelte soziale Verhältnisse und rechtliche Rahmenbedingungen nachträglich rechtswidrig geworden ist. Um die Rechtsschutzfunktion der prinzipalen Normenkontrolle in Fällen des Rechtswidrigwerdens von Normen nicht leerlaufen zu lassen, spricht in solchen Fällen Überwiegendes dafür, keine Frist laufen zu sehen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rdnr. 85 m.w.N. und insbesondere BayVGH, Urt. v. 25.03.2004 - 25 N 01.308 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29 f für Bebauungspläne). Für diese Rechtsauffassung sprechen die Bedeutung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und der Umstand, dass Sinn und Zweck der Fristregelung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hier nicht zwingend ein anderes Verständnis verlangen. Wird eine Belastung nämlich erst nachträglich rechtswidrig, so ist es nicht in gleicher Weise wie bei einer von Anfang an rechtswidrigen Norm geboten, dem Interesse an Rechtssicherheit Vorrang vor dem individuellen Rechtsschutz zu geben.

51

II. Der Antrag ist insgesamt unbegründet.

52

1. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller steht die grundsätzliche Verpflichtung des Hundeshalters, Hundesteuer zu zahlen, in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht. Die Begründung dieser Verpflichtung in §§ 1 und 2 der Satzung beruhen auf der Ermächtigungsgrundlage in §§ 2 und 3 KAG LSA, die ihrerseits in Übereinstimmung mit Art. 105 Abs. 2 a, 28 Abs. 2 GG und Art. 87, 88 Verf LSA stehen.

53

a. Die Hundesteuer stellt eine Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG dar:

54

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Aufwandsteuern im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a GG nur den besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand für die persönliche Lebensführung erfassen und damit die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteuern. Die Hundesteuer ist eine solche Aufwandsteuer. Das Halten eines Hundes geht über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinaus und erfordert einen - wenn auch unter Umständen nicht sehr erheblichen - zusätzlichen Vermögensaufwand (BVerwG, Beschl. v. 02.11.2006 - 10 B 4/06 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 4 m.w.N.). Aufwandsteuern beziehen sich nicht notwendigerweise auf „Luxusgegenstände“ (BVerwG, Beschl. v. 28.11.1997 - 8 B 224/97 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 6 m.w.N., OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 07.05.1996 - 6 A 12926/95 -, KStZ 1997, 156). Für die Annahme des Vorliegens einer Aufwandsteuer ist ohne Belang, welchen Zwecken die Einkommens- und Vermögensverwendung im Einzelfall dient und aus welchen Beweggründen sie vorgenommen wird; unerheblich ist auch, ob der Aufwand im Einzelfall die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überschreitet (BVerwG, Beschl. v. 31.10.1990 - 8 B 72/90 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 2 m.w.N.).

55

Hiernach greift die Argumentation der Antragsteller, die Hundesteuer sei zwar historisch als sogenannte Luxussteuer entstanden, zwischenzeitlich sei durch gewandelte Lebensumstände aber ein Bedeutungswandel eingetreten, der die Hundehaltung zu einer sozialadäquaten Gewohnheit aller Bevölkerungsschichten mache, nicht durch.

56

Denn auch wenn dies zutrifft, schließt es die Charakterisierung der Hundesteuer als Aufwandsteuer nicht aus. Diese knüpft nämlich nicht an einen „Luxus“ an, den sich nur kleine Teile der Bevölkerung leisten können. Vielmehr kann auch ein vergleichsweise unerheblicher Aufwand zum Gegenstand der Steuererhebung gemacht werden. Wer einen Hund hält, tätigt Aufwendungen für Futter, Pflege und gegebenenfalls tierärztliche Versorgung des Hundes. Dieser Aufwand geht über dasjenige hinaus, was der Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs dient und kann damit Anknüpfungspunkt einer Besteuerung sein.

57

Dass die Hundehaltung positive Auswirkungen auf die Lebensqualität des Hundehalters hat, steht dem nicht entgegen. Schon deshalb, weil sich große Teile der Bevölkerung ohne subjektive Einbuße an Lebensqualität gegen eine Hundehaltung entscheiden, gehört diese nicht zum allgemeinen Lebensbedarf. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es auch unerheblich, dass hinter der Hundehaltung die - sozialadäquate und in der Rechtsordnung anerkannte - Liebe zu und die Absicht des Schutzes von Tieren steht.

58

Dem Aufwandcharakter steht auch nicht entgegen, dass die Hundehaltung in der Rechtsordnung - sei es im Mietrecht, im Deliktsrecht oder im Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht - Schutz genießt. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem der rechtliche Schutz eines Sachverhaltes in einem Rechtsgebiet in jedem Fall verlangen würde, diesen Sachverhalt in allen anderen Rechtsgebieten von Belastungen frei zu stellen. Vielmehr können die unterschiedlichen Regelungszwecke und -wirkungen es rechtfertigen, dass eine Privilegierung in einem Rechtsgebiet sich nicht als Freistellung von andersartigen Belastungen in einem anderen Rechtsgebiet auswirkt. Dies gilt insbesondere für das Recht des Schadensersatzes und die Zwangsvollstreckung. Die bestehende emotionale Beziehung zu einem Hund würde durch eine Wegnahme des Tieres im Wege der Zwangsvollstreckung oder die Inkaufnahme seiner Einschläferung wegen der Verweigerung von Behandlungskosten nämlich ungleich stärker belastet als durch die Besteuerung des Aufwandes für die Hundehaltung, die im Hinblick auf ihre relative Höhe und die Möglichkeiten von Ermäßigungen oder Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall typischerweise gerade nicht zur Abgabe eines Tieres zwingt, zu dem bereits eine emotionale Beziehung aufgebaut wurde.

59

Die Besteuerung der Hundehaltung widerspricht insbesondere nicht dem Tierschutzgedanken von Art. 20 a GG, der auch in § 90 a Satz 1 und 2 BGB Ausdruck findet, da sie dem Hund weder Schmerzen noch Leiden zufügt und es auch weder unmöglich noch unzumutbar macht, bestehende Beziehungen zwischen Mensch und Tier fortzuführen oder neue zu knüpfen. Es gibt nämlich auch nach dem Vortrag der Antragsteller keinen tatsächlichen Hinweis darauf, dass die Hundesteuererhebung auf der Grundlage der Satzung der Antragsgegnerin erdrosselnde Wirkung hätte und Hundehalter zwingen würde, die Tiere abzugeben. Entsprechende Behauptungen bleiben vage und sind gleichsam ins Blaue hinein vorgebracht und nicht durch tatsächliche Indizien unterfüttert. Sie geben daher auch keinen Anlass für weitere Aufklärungsbemühungen.

60

b. Das Verbot der Gleichartigkeit einer bundesgesetzlich geregelten Steuer steht der Zulässigkeit der Hundesteuer nicht entgegen:

61

Das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG verbietet eine Doppelbelastung derselben Steuerquelle. Art. 105 Abs. 2 a GG lässt die zur Zeit des 21. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359 - Finanzreformgesetz -) üblichen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern unberührt und verlangt für die nicht herkömmlichen örtlichen Steuern, dass der steuerbegründende Tatbestand nicht denselben Belastungsgrund erfasst wie eine Bundessteuer, sich also in Gegenstand, Bemessungsgrundlage, Erhebungstechnik und wirtschaftlicher Auswirkung von der Bundessteuer unterscheidet (vgl. BVerfG, Urt. v. 07.05.1998 - 2 BvR 1991/95, 2004/95 -, BVerfGE 98, 106, 125; BVerwG, Urt. v. 22.12.1999 - 11 CN 3/99 -, NVwZ 2000, 934).

62

Da Hundesteuern zu den herkömmlichen Aufwandsteuern in diesem Sinne gehören (Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rdnr. 58; Kienemund in: Hömig, GG, 9. Auflage 2010, Art. 105 Rdnr.11), fallen sie bereits nicht in den Anwendungsbereich des Gleichartigkeitsverbots. Dass die Hundesteuer in § 3 Abs. 1 KAG LSA eine mit Art. 105 Abs. 2 a GG zu vereinbarende und hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage hat, entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 19.01.2000 - BVerwG 11 C 8.99 -, BVerwGE 110, 265, 268), der der Senat folgt.

63

c. Der Satzungsgeber überschreitet trotz der verfolgten Lenkungswirkung mit der Hundesteuersatzung nicht den Bereich seiner Normsetzungskompetenz.

64

Eine nach Art. 105 Abs. 2 a GG i.V.m. dem Kommunalabgabengesetz eines Landes erlassene satzungsrechtliche Steuerregelung, die Lenkungswirkungen in einem nichtsteuerlichen Kompetenzbereich entfaltet, bedarf keiner zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretenden Sachkompetenz. Der Satzungsgeber ist deshalb zur Regelung von Lenkungssteuern in dem genannten Zusammenhang zuständig, mag die Lenkung Haupt- oder Nebenzweck sein (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000, a.a.O.).

65

Vor diesem Hintergrund ist es unbedenklich, dass die Antragsgegnerin unbestritten auch den Lenkungszweck einer Eindämmung der Hundehaltung aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr verfolgt. Dies ist gerade im dicht besiedelten Gebiet einer Stadt vielmehr sachgerecht. Auch wenn die Hundehaltung - worauf die Antragsteller mit Recht hinweisen - für viele Menschen positive Auswirkungen hat, gibt es auch eine nicht unerhebliche Zahl von Einwohnern, die Hunde ablehnen. Auch die hierfür bestehenden Gründe - seien es Geräuschbelästigungen durch Hunde, hygienische Bedenken wegen Hundekot auf Gehwegen oder in Parkanlagen, die Gefahren für Menschen oder andere Tiere durch den Jagdinstinkt von Hunden oder Hundehaarallergien - weisen auf grundrechtlich geschützte Interessen hin. Zwischen den insoweit bestehenden Interessenlagen ist durch die Antragsgegnerin für die örtliche Gemeinschaft ein Ausgleich herzustellen. Sie bewegt sich innerhalb ihres Gestaltungsspielraumes, wenn sie durch Gestaltung ihres Steuerrechts die Zahl der Hunde im Stadtgebiet und damit die Zahl möglicher Nutzungskonflikte und die Beeinträchtigungen für Nicht - Hundehalter klein halten will.

66

Die Verfolgung dieser Zwecke begründet entgegen der Einschätzung der Antragsteller auch keine Widersprüchlichkeit der Rechtsordnung. Das Ziel einer Verbesserung des Schutzes von Tieren und der Beziehung zwischen Menschen und Tieren, das etwa in §§ 90a, 251 Abs. 2 BGB, § 811 c ZPO zum Ausdruck kommt und in Art. 20 a GG verankert ist, wird nicht dadurch gefährdet, dass die Hundehaltung Anknüpfungspunkt einer Steuererhebung ist. Denn wie ausgeführt ist durch die Steuerzahlung das Wohl des Tieres nicht gefährdet und eine Tierhaltung auch nicht unzumutbar gemacht. Eine innere Widersprüchlichkeit der Rechtsordnung, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 7. Mai 1998 (a.a.O.) ausgeschlossen hat, wird daher durch die Erhebung von Hundesteuer nicht begründet.

67

2. Entgegen der Einschätzung der Antragsteller stehen auch die vorliegend beanstandeten Regelungen von § 6 der Satzung, auch soweit sie nur noch für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Festsetzungsverfahren wie das der Antragsteller Geltung beanspruchen, in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht.

68

1. Dies gilt zunächst für § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung in der Fassung vor Inkrafttreten der 2. Änderungssatzung am 1. März 2009.

69

a. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es dem Satzungsgeber entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller nicht, in einer Satzung Hunde bestimmter Rassen als gefährlich einzustufen und das Halten solcher Hunde wegen ihrer gesteigerten abstrakten Gefährlichkeit mit einem erhöhten Steuersatz zu belegen (so schon OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 12.02.2008 - 4 L 384/05 - m.w.N.).

70

aa. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet für den Normgeber die allgemeine Weisung, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dies gilt nicht ausnahmslos, sondern nur, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte so bedeutsam sind, dass ihre Beachtung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten erscheint. Dabei ist dem Normgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzugestehen. Dies gilt auch für die das Steuerrecht beherrschende Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG als Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den steuerlichen Vorteilen der Typisierung steht.

71

Die mit der Typisierungsbefugnis einhergehende Gestaltungsfreiheit muss der Normgeber allerdings sachgerecht ausüben. Eine ungleiche Behandlung muss sich im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs auf einen vernünftigen oder sonst wie einleuchtenden Grund zurückführen lassen. Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd ist, lässt sich nicht allgemein und abstrakt feststellen, sondern nur in Bezug auf die Eigenart des konkreten Sachbereiches, der geregelt wird (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000, a.a.O., S. 272 m.w.N. zur Rspr. des BVerfG).

72

bb. Diese Grundsätze verletzt die Aufnahme von Hunden der Rasse American Staffordshire Terrier in die Liste der Hunde nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung, für die eine erhöhte Hundesteuer zu zahlen ist, nicht. Denn der Satzungsgeber überschreitet die Grenzen seines Beurteilungsspielraumes nicht, wenn er für den Zeitraum bis zum 1. März 2009 davon ausgeht, dass Hunden dieser Rasse eine abstrakte Gefährlichkeit zukommt, die es ihm geboten erscheinen lässt, generell und langfristig die Haltung solcher Hunde zurückzudrängen.

73

aaa. Es ist zunächst unerheblich, ob es eigene Erhebungen des Satzungsgebers gibt, die „Beißvorfälle“ unter Beteiligung von Hunden dieser Rasse im Stadtgebiet belegen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28.02.2005 - 4/2 L 102/04 -, Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 3 Rdnr. 114).

74

Vielmehr ist jeder Satzungsgeber berechtigt, Regelungen eines anderen Normgebers durch Verweisung oder wörtliche Aufnahme in seinen Normtext zu übernehmen, wenn er dieselbe oder eine vergleichbare Regelung erlassen und sich dabei den Wertungen der übernommenen Normierungen anschließen will. Dabei braucht er die der übernommenen Regelung zugrunde liegenden Erkenntnisse und Tatsachen nicht notwendig selbst erneut zu erheben und auf ihre sachliche Richtigkeit zu überprüfen, sofern es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie offensichtlich falsch sind (BVerwG, Beschl. v. 28.07.2005 - 10 B 34/05 -, NVwZ 2005, 1325). Ein solches Vorgehen entbindet den Normgeber aber nicht der Verantwortlichkeit für die Richtigkeit der zugrunde liegenden Annahmen und Erkenntnisse. Dies umschließt auch die Pflicht, eine übernommene Regelung unter Kontrolle zu halten und gegebenenfalls zu korrigieren (BVerwG, Beschl. v. 28.07.2005, a.a.O.).

75

bbb. Hier durfte der Satzungsgeber die Einschätzung des Bundesgesetzgebers zur abstrakten Gefährlichkeit dieser Hunde übernehmen, die den Bundesgesetzgeber zur Aufnahme von Hunden dieser Rasse in die Liste nach § 1 und § 2 Abs. 1 Satz 1 des Hundeverbringungs- und Einfuhrbeschränkungsgesetzes veranlasst hatten. Dass dieser Einschätzung eine verlässliche Tatsachengrundlage zugrunde lag, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 16. März 2004 (-1 BvR 1778/01 -, BVerfGE 110, 141) bestätigt. Vergleichbare Einschätzungen sind zudem auch von anderen Satzungsgebern in Sachsen-Anhalt aufgegriffen und Regelungen zur Höhe der Hundesteuer für sogenannte „Kampfhunde“ zugrunde gelegt worden. Entsprechende Bestimmungen sind durch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urt. v. 19.01.2000, a.a.O.) und auch durch den Senat (vgl. Beschl. v. 28.02.2005 - 4/2 L 102/04 -, Beschl. v. 31.05.2006 - 4 L 356/03 -, Urt. v. 23.01.2006 - 4 L 289/05 -, Urt. v. 12.02.2008 - 4 L 384/05) im Ergebnis nicht beanstandet worden. Diese Wertung zu übernehmen, war die Antragsgegnerin damit berechtigt. Denn es gibt keinen Rechtssatz, nach dem sie bei der Übernahme von Wertungen eines anderen Normgebers auf Wertungen des Landesgesetzgebers beschränkt wäre. Sie nahm zugleich aber auch die Verpflichtung auf sich, die weitere Entwicklung zu beobachten und die Norm zu überprüfen und zu revidieren, falls sich erweist, dass die ihr zugrunde liegenden Annahmen nicht mehr zutreffen (BVerfGE 110, 158).

76

Da die fragliche Norm durch die 2. Änderungssatzung der Antragsgegnerin mit Wirkung zum 1. März 2009 aufgehoben worden ist, weil die Antragsgegnerin auf eine veränderte Rechtslage auf Landesebene und die sich aus dem Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vom 23. Januar 2009 reagierte, stellt sich in diesem Verfahren allein noch die Frage, ob diese Reaktion im Hinblick auf die von den Antragstellern herangezogenen, neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte erfolgen müssen.

77

(1) Die Antragsteller beziehen sich auf Erkenntnisse, die aus Forschungsprojekten der Tierärztlichen Hochschule Hannover gewonnen wurden, und nehmen ein Interview mit Prof. Dr. Hansjoachim Hackbarth in der Zeitschrift DER GEBRAUCHSHUND 2/2005 sowie die Dissertation von Jennifer Hirschfeld „Untersuchung einer Bullterrier-Zuchtlinie auf Hypertrophie des Aggressionsverhaltens“, Hannover 2005, die Dissertation von Böttjer „Untersuchung des Verhaltens von fünf Hunderassen und einem Hundetypus im innerartlichen Kontakt des Wesenstestes nach den Richtlinien der Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung vom 05.07.2000“, Hannover 2003, die Dissertation von Ruth Paproth „Fälle von Hundangriffen in Deutschland, eine Internetbefragung“, Hannover 2004, die Dissertation von Angela Mittmann „Untersuchung des Verhaltens von 5 Hunderassen und einem Hundetypus im Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000“, Hannover 2002, sowie die Untersuchung von Tina Johann „Untersuchung des Verhaltens von Golden Retrievern im Vergleich zu den als gefährlich eingestuften Hunden im Wesenstest nach der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000“ in Bezug.

78

Die damit in Bezug genommenen Untersuchungen beziehen sich auf das Verhalten von Hunden, die nach der niedersächsischen Rechtslage in verschiedene Listen mit Hundehalter unterschiedlich schwer belastenden Restriktionen aufgenommen sind, und vergleichen diese Hunde untereinander bzw. mit „Nicht-Listenhunden“. Untersucht wurde, ob und in welchem Ausmaß sich die Hunde unterschiedlicher Listen nach der niedersächsischen Rechtslage einerseits sowie „Listenhunde“ und „Nicht-Listenhunde“ andererseits im innerartlichen Kontakt und im Kontakt mit Menschen oder sonstigen Umwelteinflüssen inadäquat oder gestört aggressiv verhalten oder nicht. Nach Einschätzung der genannten Wissenschaftler lassen sich festgestellte Unterschiede zwischen den einzelnen untersuchten Hunderassen nicht als erheblich einstufen.

79

(2) Selbst wenn man diese Erkenntnisse berücksichtigt, hat der Satzungsgeber vor dem 1. März 2009 seinen Beurteilungsspielraum noch nicht überschritten, wenn er dennoch von einer erhöhten abstrakten Gefährlichkeit von Hunden dieser Rasse, insbesondere von American Staffordshire Terriern, ausgegangen ist, die Anlass zu einer die Hundehaltung möglichst eindämmenden erhöhten Steuerfestsetzung sein konnte.

80

Denn die Prognose einer abstrakten Gefährlichkeit gründet sich auf mehrere, nebeneinander stehende Faktoren. Anknüpfungspunkt für die fragliche Einschätzung ist nicht eine festgestellte oder vermutete individuelle Gefährlichkeit des einzelnen Hundes, sondern das genetische Potenzial und körperliche Merkmale der aufgelisteten Hunderassen, die jedenfalls bei Hinzutreten weiterer Umstände eine Gefahr ergeben können (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.11.2007 - 5 A 1.06 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 62). Hat die abstrakte Gefährlichkeit von bestimmten Hunderassen aber multifaktorielle Ursachen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.07.2008 - 6 BN 1/08 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 4), so sind die von den Antragstellern in Bezug genommenen Untersuchungen jedenfalls nur auf einzelne dieser Faktoren beschränkt: Selbst wenn man auf ihrer Grundlage davon ausgeht, dass „Listenhunde“ nicht häufiger unangemessen aggressiv reagieren als „Nicht-Listenhunde“, so ist damit keineswegs auszuschließen, das unangemessen aggressive Reaktionen von „Listenhunden“ typischerweise weitaus gravierendere Verletzungen von Menschen hervorrufen können als unangemessen aggressive Reaktionen von „Nicht-Listenhunden“. Eine solche Einschätzung kann sich jedenfalls darauf stützen, dass die sogenannten „Kampfhunde“ gerade wegen der ursprünglichen Zucht für Hundekämpfe typischerweise mit besonderer Muskel- und Beißkraft, besonderer Zähigkeit und Hartnäckigkeit beim Zubeißen ausgestattet sind. Hinzu mag noch eine besondere Loyalität gegenüber der Bezugsperson kommen, die von charakterlich ungeeigneten Hundeführern leicht ausgenutzt werden könnte. Dass sich für diese Anlagen der sogenannten „Kampfhunde“ Belege in der kynologischen Fachliteratur ergeben, lässt sich der Auswertung dieser Literatur in den Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg vom 26. März 2009 - 2 S 1619/08 - (zitiert nach juris, dort insb. Rdnrn. 31-34) und des OVG Berlin-Brandenburg vom 15. November 2007 (a.a.O., dort Rdnrn. 87) entnehmen, die in dieses Verfahren durch die Anlage zur Ladung sowie zum Teil zuvor schon durch den Vortrag der Antragsgegnerin eingeführt wurden. Gegen die tatsächlichen Feststellungen der genannten Entscheidungen zur Zuchtgeschichte und zum äußeren Erscheinungsbild der in Rede stehenden Hunderasse wurde seitens der Antragsteller nichts Abweichendes erinnert.

81

Hiernach ist für den American Staffordshire Terrier festzuhalten, dass es sich um einen bis zu 30 kg schweren und bis zu 43 bis 48 cm Schulterhöhe großen Hund handelt, der über kraftvolle, gut bemuskelte Kiefer verfügt. Die Zähne treffen als Scherengebiss aufeinander, sie sind stark und kräftig. Ein starker Unterkiefer und Beißkraft werden unter Zuchtaspekten gefordert. Entsprechend der Beißkraft können die Verletzungen, die er zufügt, lebensgefährlich und bisweilen tödlich sein, insbesondere dann, wenn er sich so in den Gegner oder das Opfer verbeißt, dass der Kiefer nur noch mit Gewalt geöffnet oder aufgebrochen werden kann. Die Rasse geht auf zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges für den Hundekampf nach Amerika importierte Hunde zurück und wird in den Vereinigten Staaten noch heute illegal als Kampfhund verwendet. In der Fachliteratur wird betont, dass der American Staffordshire Terrier eine feste Hand des Halters benötigt. Eine Spezialerziehung zur Vermeidung von Aggressivität wird empfohlen. Es gibt positive Darstellungen der Rasse als gutmütiger Familien- und Therapiehund, zugleich wird jedoch auch auf die starke menschenbezogene Gefallsucht und Anpassungsfähigkeit verwiesen, die ihn leicht führbar und instrumentalisierbar mache.

82

Hieraus folgt, dass - selbst wenn „Listenhunde“ nicht häufiger in „Beißvorfälle“ verwickelt sind als „Nicht-Listenhunde“ - „Beißvorfälle“ unter Beteiligung von „Listenhunden“, insbesondere von American Staffordshire Terriern, wegen ihrer genetisch angelegten körperlichen Beschaffenheit und ihrer rassetypischen Zähigkeit und Hartnäckigkeit jedenfalls zu schweren Gesundheitsschädigungen und im Einzelfall sogar zu Todesfolgen führen können. Da Leben und Gesundheit von Menschen zu den höchstrangigen grundrechtlichen Schutzgütern gehören, kommt dem Satzungsgeber beim Schutz dieser Güter ein weiter Einschätzungsspielraum in der Frage zu, welcher Grad an Wahrscheinlichkeit der Realisierung einer abstrakten Gefahr bereits Anlass zu Restriktionen gibt. Er überschreitet daher seinen Beurteilungsspielraum nicht, wenn er davon ausgeht, aufgrund der durch die fraglichen Untersuchungen der tierärztlichen Hochschule Hannover nicht in Frage gestellten körperlichen Merkmale und genetischen Dispositionen von sogenannten „Kampfhunden“ - insbesondere American Staffordshire Terriern - sei es nach wie vor wegen einer im Vergleich mit anderen Hunden erhöhten abstrakten Gefährlichkeit geboten, deren Haltung möglichst einzudämmen, auch wenn sie nicht häufiger inadäquat aggressiv reagieren als Hunde anderer Rassen.

83

Darüber hinaus durfte der Satzungsgeber in der Frage, ob eine Gleichbehandlung mit Hunden anderer Rassen - etwa Golden Retrievern - erfolgen sollte, im Lichte des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch berücksichtigen, dass die Nichtaufnahme von Hunderassen trotz grundsätzlich auch bei ihnen gegebener Gefährlichkeit deswegen gerechtfertigt sein kann, weil es sich um Rassen handelt, die der Bevölkerung vertraut sind und die deshalb sozial stärker akzeptiert werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.03.2010 - 14 A 138/07 - zitiert nach juris, dort Rdnr. 21).

84

(3) Den von den Antragstellern in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträgen aus dem zu Protokoll gegebenen Schriftsatz vom 22. Juni 2010 war nicht nachzugehen. Denn soweit die Beweisangebote Tatsachenbehauptungen betrafen und deshalb einer Beweiserhebung zugänglich waren, waren sie für die Entscheidung unerheblich bzw. konnten als wahr unterstellt werden, ohne dass dies im Ergebnis etwas an der rechtlichen Bewertung ändern würde.

85

(a) Unter Beweis gestellt werden soll zunächst die Tatsachenbehauptung, eine erhöhte Aggressivität der Hunderasse American Staffordshire Terrier könne nicht festgestellt werden.

86

Es kann als wahr unterstellt werden, dass es keine rassespezifischen Unterschiede im Aggressionsverhalten von „American Staffordshire Terriern“ und Hunden anderer Rassen gibt. Denn wie ausgeführt, kommt es für die dem Satzungsgeber obliegende Prognose der abstrakten Gefährlichkeit nicht allein auf Verhaltensunterschiede an. Vielmehr kann er auch ohne Überschreitung seines Beurteilungsspielraumes davon ausgehen, dass es bereits ausreicht, dass wegen der Beiß- und Muskelkraft der in Rede stehenden Hunde selbst dann eine höhere Gefährlichkeit vorliegt, wenn diese nicht häufiger zubeißen als andere Hunde, im Falle eines „Beißvorfalles“ aber wegen ihrer körperlichen Merkmale schwerwiegendere Schädigungen verursachen können.

87

(b) Unter Beweis gestellt werden soll dann die Behauptung, weder in A-Stadt noch in Sachsen-Anhalt seien in aussagekräftigem, repräsentativem Umfang Daten gesammelt worden, die auf eine Gefährlichkeit des American Staffordshire Terriers hinwiesen.

88

Es kann dahin stehen, ob diese Behauptung überhaupt Gegenstand einer Beweiserhebung sein kann, die sich grundsätzlich nur auf die konkrete Tatsachen beziehen kann. Fraglich ist dies zum einen, weil die Behauptung tatsächliche Elemente mit einer rechtlichen Wertung - der Bedeutung von Datensammlungen für die Bewertung einer Hunderasse als (abstrakt) gefährlich - miteinander vermischt. Fraglich ist dies zum anderen, weil die tatsächlichen Elemente der Behauptung vage und ungenau sind, bleibt doch unklar, welche Art von „Daten und Belegen“ Gegenstand der Behauptung sein soll.

89

Soweit das Beweisangebot im Kern auf eine konkrete Tatsachenbehauptung - etwa dass es in A-Stadt oder in Sachsen-Anhalt keine „Beißvorfälle“ unter Beteiligung von Hunden der fraglichen Rasse gegeben habe - zielt, ist es allerdings unerheblich. Denn wie ausgeführt kommt es für eine rechtskonforme Ausübung des Gestaltungsspielraumes des Satzungsgebers gar nicht darauf an, ob und in welchem Umfange es auf dem Gebiet des Satzungsgebers oder in Sachsen-Anhalt bereits konkrete „Beißvorfälle“ unter Beteiligung von American Staffordshire Terriern gegeben hat (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28.02.2005 - 4/2 L 102/04 -, Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 3 Rdnr. 114). Der Satzungsgeber kann vielmehr Wertungen anderer Normgeber aufgreifen und damit auch deren Erfahrungen zum Anlass eigener Regelungen nehmen. Dies folgt auch daraus, dass in dem zulässigerweise verfolgten Nebenzweck der Steuererhebung eine abstrakte Gefahr Anlass und Grund des Normerlasses ist. Die Einschätzung des Normgebers, es müsse einer abstrakten Gefahr präventiv begegnet werden, liegt nicht nur dann innerhalb seines Gestaltungsspielraumes, wenn sich die abstrakte Gefahr auch auf seinem Gebiet bereits konkret realisiert hat.

90

c) Soweit im Schriftsatz vom 28. April 2008 weitere Beweisangebote enthalten sind, ist auch diesen nicht nachzugehen, weil sie sich nach der Rechtsauffassung des Senates nicht auf erhebliche Tatsachenbehauptungen beziehen.

91

Unerheblich sind insbesondere die auf die Gefährlichkeit gerade des Hundes der Antragsteller bezogenen Beweisanträge. Dass es auf die sozialen und ökonomischen Vorteile der Hundehaltung für die Frage der Zulässigkeit einer Hundesteuer nicht ankommt, wurde oben ausgeführt.

92

2. Auch § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung verletzt höherrangiges Recht nicht.

93

a. Es handelt sich entgegen der Einschätzung der Antragsteller zunächst auch hier um eine Form der Aufwandsteuer. Denn Steuergegenstand ist der Aufwand, der für das Halten eines Hundes getätigt wird. Allein in der Bemessung der Höhe der Steuer wird dem zulässigen Lenkungszweck der Steuererhebung in sachgerechter Weise Rechnung getragen.

94

b. Die Regelung widerspricht nicht dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot.

95

Zwar nutzt § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung einen unbestimmten Rechtsbegriff, wenn er die Festsetzung eines Steuersatzes von 250,00 € davon abhängig macht, dass die Hundehaltung „nicht ordnungsgemäß“ erfolgt. Eine Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs anhand der herkömmlichen Auslegungsmethodik ist aber schon deshalb möglich, weil § 6 Abs. 3 der Satzung erläutert, wann von einer nicht ordnungsgemäßen Hundehaltung im Einzelfall auszugehen ist. Er macht nämlich das Eingreifen dieser Norm von einer Feststellung der Sicherheitsbehörde abhängig und enthält in seinem Satz 2 ein - nicht abschließendes („insbesondere“) - Regelbeispiel. Durch dieses Regelbeispiel ist der Hauptfall einer nicht ordnungsgemäßen Hundehaltung so deutlich konkretisiert, dass der Betroffene erkennen kann, in welchen Fällen eine erhöhte Steuer fällig werden kann. Denn die Norm knüpft an sicherheitsbehördliche Feststellungen und den Verstoß gegen strafrechtliche oder Bußgeldbestimmungen an. Damit wird klargestellt, dass andere erfasste Fälle nur solche sein können, in denen durch die Hundehaltung zum einen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung begründet wird, die den Sicherheitsbehörden auch bereits bekannt ist. Zum anderen muss diese Gefahr auch so wichtige Schutzgüter betreffen, dass sie in ihrer Bedeutung einem wiederholten straf- oder bußgeldbewehrten Verstoß zumindest gleich kommt.

96

Die von den Antragstellern aufgeworfenen Fragen zur Auslegung lassen sich mit dem Wortlaut der Norm eindeutig beantworten: Der Hundeführer wird keinesfalls neben dem Hundehalter zur Steuer herangezogen, denn nur der Hundehalter ist Steuerschuldner nach § 2 Abs. 1 der Satzung. Eine Zurechnung von Verschulden des Hundeführers auf den personenverschiedenen Hundehalter scheidet aus, weil § 6 Abs. 3 Satz 2 der Satzung allein auf Verstöße des Hundehalters abstellt. Eine „Doppelerfassung“ nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 der Satzung scheidet schon deswegen aus, weil § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung wegen des höheren Steuersatzes lex specialis und damit vorrangig ist.

97

c. Der Satzungsgeber greift damit nicht in die Gesetzgebungskompetenz des Landes oder des Bundes ein. Denn wie ausgeführt ist es zulässig, dass die Einkommenserzielung durch die Steuererhebung Nebenzweck eines hinzukommenden Lenkungszweckes ist. Dieser kann auch - wie hier - darin bestehen, dass Gefahren für das konfliktfreie Zusammenleben innerhalb der örtlichen Gemeinschaft begegnet wird. Solche Gefahren können auch durch eine nicht ordnungsgemäße Hundehaltung begründet werden. Gerade in der Diskussion um die Gefährlichkeit sogenannter „Kampfhunde“ wird betont, dass die Gefahr in vielen Fällen ihre Ursache nicht nur in Anlagen des Tieres, sondern in erheblichem Ausmaße in Defiziten des Halters hat. Ist in diesem Sinne oft „der Hundehalter das Problem“, dann dient es auch der Gefahrenprävention durch einen finanziellen Anreiz auf den Halter dahingehend einzuwirken, dass dieser Tierschutzbestimmungen und die Regelungen über Hundehaltung und -führung dauerhaft und konsequent einhält. Hinzu kommt noch, dass eine nicht tierschutzgerechte Hundehaltung auch die Gefahr erhöhen kann, dass die anlagebedingte Aggressivität eines jeden Tieres gesteigert wird. Damit liegt das Setzen dieses finanziellen Anreizes für eine ordnungsgemäße Hundehaltung zugleich im Interesse des Tierschutzes wie im Interesse der Abwehr von Gefahren für Leib und Leben von Menschen.

98

Um eine „Doppelbestrafung“ handelt es sich ebenfalls nicht. Vielmehr werden hier zulässigerweise Lenkungszwecke verfolgt, die dazu beitragen sollen, das Zusammenleben der örtlichen Gemeinschaft gefahrloser und konfliktfreier zu gestalten. Hier soll gerade nicht repressiv auf Rechtsverstöße reagiert, sondern unerwünschten Verhaltensweisen durch steuerrechtliche, finanzielle Anreize vorgebeugt werden.

99

d. Eine unzulässige „Vermischung von Sicherheits- und Steuerrecht“ liegt nicht vor. Vielmehr sind die von den Antragstellern beschriebenen Wirkungen die notwendige Konsequenz der zulässigerweise gleichzeitigen Verfolgung des fiskalischen Zweckes der Einnahmeerzielung und des zusätzlichen Lenkungszweckes. Die handelnde Behörde ist immer die Antragsgegnerin selbst. Sie wird hier nur im Zusammenwirken verschiedener Dienststellen und damit gerade nicht durch unterschiedliche Behörden tätig. Dieses Zusammenwirken ist sachgerecht, um dem zulässigen Lenkungszweck angemessen Rechnung tragen zu können.

100

e. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot ist auch nicht feststellbar. Insbesondere liegt keine „Privilegierung“ der Halter von gefährlichen Hunden im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung oder von „Listenhunden“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 6 in der bis zum 1. März 2009 geltenden Fassung vor. Denn die Halter dieser Hunde zahlen auf jeden Fall eine höhere Steuer als Hundehalter, die ihre Hunde nicht ordnungsgemäß halten. Sie werden damit nicht besser, sondern schlechter gestellt. Dies erfolgt auch willkürfrei, weil der Satzungsgeber ohne Überschreitung seines Beurteilungsspielraumes davon ausgehen kann, dass die Störungen des Zusammenlebens in der örtlichen Gemeinschaft, die von gefährlichen Hunden bzw. von „Listenhunden“ ausgehen, schwerwiegender sind als die abstrakten Gefahren durch eine nicht ordnungsgemäße Haltung anderer Hunde, die auch „ungefährliche“ Hunde auf längere Sicht durch die Haltungs- und Führungsfehler gefährlich machen kann. In beiden Fallgruppen kommt neben dem Zweck der Einkommenserzielung der zulässige weitere Lenkungszweck der Steuererhebung in Anwendung. Dieser rechtfertigt nicht nur, dass überhaupt eine höhere Steuer festgesetzt wird, sondern auch, dass zwischen den einzelnen Fällen der höheren Steuererhebung wie hier differenziert wird. Denn der Grad der Gefahr, der von nicht ordnungsgemäß gehaltenen Hunden ausgeht, kann ohne Überschreitung des Beurteilungsspielraumes als geringer eingeschätzt werden als der Grad der Gefahr, der von „gefährlichen Hunden“ bzw. Hunden der Rasseliste ausgeht.

101

3. Ein Verstoß von § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung gegen höherrangiges Recht ist ebenfalls nicht feststellbar.

102

Zunächst räumen die Antragsteller ein, dass die Norm in der geltenden Fassung der 2. Änderungssatzung bestimmter ist als die Vorgängerfassung. Es kann dahin stehen, ob die Vorgängerfassung dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügt. Denn jedenfalls in der aktuellen Fassung definiert § 6 Abs. 2 der Satzung durch die Bezugnahme auf das Landesgesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren den unbestimmten Rechtsbegriff des „gefährlichen Hundes“ in einer Weise, die nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden eine Interpretation ohne Weiteres möglich macht.

103

Es besteht auch kein Widerspruch zur Streichung der erhöhten Besteuerung von „Listenhunden“ nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung in der Fassung vor dem 1. März 2009. Der Satzungsgeber hat den Lenkungszweck, die Haltung solcher Hunde, die für das konfliktfreie Zusammenleben innerhalb der örtlichen Gemeinschaft eine abstrakte Gefahr darstellen, durch die Streichung von § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung nicht aufgegeben. Er verfolgt es vielmehr in Angleichung an die Regelungstechnik des Landesgesetzgebers mit einer anderen Methode der Bestimmung betroffener Hundehalter weiter. In Anknüpfung an die Diskussion um die landesrechtliche Regelung gibt der Satzungsgeber für den Zeitraum ab dem 1. März 2009 die Entscheidung für eine Abgrenzung des Kreises als gefährlich bewerteter Hunde nach einer Rasseliste auf und beschränkt sich auf die Feststellungen nach dem Gesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren.

104

Dieses Vorgehen ist auch weder unverhältnismäßig noch willkürlich. Vielmehr wird es sachgerecht durch den zulässigen Lenkungszweck der Eindämmung abstrakter Gefahren gerechtfertigt. Es trifft zwar zu, dass die von den Antragstellern angeführten Vorschriften des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren einen gewichtigen Beitrag zur Eindämmung der von diesen Hunden ausgehenden Gefahren leisten. Der Satzungsgeber überschreitet seinen bei der ihm obliegenden Gefahrenprognose bestehenden Beurteilungsspielraum aber nicht, wenn er - jedenfalls solange noch keine hinreichenden praktischen Erfahrungen mit den Auswirkungen dieses Gesetzes vorliegen - die Einschätzung der Antragsteller, mit diesen Vorschriften gingen von diesen Hunden keine Gefahren mehr aus, nicht teilt. Vielmehr ist zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar, ob die Sanktionsdrohungen und Kontrollmechanismen des Gesetzes tatsächlich ausreichen werden, um die abstrakte Gefahr der erfassten Hunde so weit einzudämmen, dass es auch unter Berücksichtigung des Interesses der derartige Hunde nicht haltenden Bevölkerungsteile daneben nicht mehr der Lenkungswirkung der Besteuerung bedarf. Auch die Antragsteller räumen ein, dass ein Ausschluss der Gefahr von der Einhaltung aller Vorgaben für die Halter gefährlicher Hunde abhängt. Es ist jedenfalls nicht willkürlich, wenn der Satzungsgeber vor einer Aufgabe der Nebenzwecke einer Besteuerung abwartet, ob diese auf andere Weise bereits hinreichend erreicht werden.

105

4. Zu einer weitergehenden Prüfung anderer Teile der Satzung hat der Senat keinen Anlass. Denn weitere Gründe für eine mögliche Rechtswidrigkeit weiterer Satzungsbestimmungen werden nicht angeführt. Es entspricht in der Regel zudem nicht einer sachgerechten Handhabung der gerichtlichen Kontrolle, Abgabensatzungen „ungefragt“ einer Detailprüfung zu unterziehen (BVerwG, Urt. v. 17.04.2002 - BVerwG 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188; BVerwG, Beschl. v. 04.10.2006 - BVerwG 4 BN 26/06 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 7; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28.09.2009 - 4 K 356/08 -).

106

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 S. 2 VwGO.

107

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in entsprechender Anwendung der §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

108

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

(2) Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.

(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Steuerliche Nebenleistungen sind

1.
Verzögerungsgelder nach § 146 Absatz 2c,
2.
Verspätungszuschläge nach § 152,
3.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 und 4a,
3a.
Mitwirkungsverzögerungsgelder nach § 200a Absatz 2 und Zuschläge zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Absatz 3,
4.
Zinsen nach den §§ 233 bis 237 sowie Zinsen nach den Steuergesetzen, auf die die §§ 238 und 239 anzuwenden sind, sowie Zinsen, die über die §§ 233 bis 237 und die Steuergesetze hinaus nach dem Recht der Europäischen Union auf zu erstattende Steuern zu leisten sind,
5.
Säumniszuschläge nach § 240,
6.
Zwangsgelder nach § 329,
7.
Kosten nach den §§ 89, 89a Absatz 7 sowie den §§ 178 und 337 bis 345,
8.
Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union,
9.
Verspätungsgelder nach § 22a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und
10.
Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes.

(5) Das Aufkommen der Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union steht dem Bund zu. Das Aufkommen der übrigen Zinsen steht den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89 steht jeweils der Körperschaft zu, deren Behörde für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89a Absatz 7 steht dem Bund und dem jeweils betroffenen Land je zur Hälfte zu. Das Aufkommen der Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes steht dem Bund zu. Die übrigen steuerlichen Nebenleistungen fließen den verwaltenden Körperschaften zu.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Mai 2008 - 1 K 1636/07 - geändert: Der Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks ... ... in .... Durch Abgabenbescheid vom 26.01.2000 zog ihn die Beklagte - eine Gemeinde mit etwa 6.200 Einwohnern - unter Zugrundelegung des in der einschlägigen Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.12.1992 (im Folgenden: AbwS) vorgesehenen modifizierten Frischwassermaßstabs zu einer Abwassergebühr für das Jahr 1999 in Höhe von 256,20 DM heran. Dabei legte die Beklagte eine eingeleitete Abwassermenge (= bezogene Frischwassermenge) von 61 m 3 und einen Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser zugrunde.
Die einschlägigen Regelungen der Satzung lauten wie folgt: Die Gemeinde erhebt für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen eine Abwassergebühr (§ 32 AbwS). Schuldner der Abwassergebühr ist der Grundstückseigentümer (§ 33 Abs. 1 Satz 1 AbwS). Die Abwassergebühr wird nach der Abwassermenge bemessen, die auf dem an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossenen Grundstück anfällt (§ 34 Abs. 1 AbwS). Als angefallene Abwassermenge gilt bei öffentlicher Wasserversorgung - wie hier - der der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Wasserverbrauch (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 AbwS). Für Abwasser, das zu einer öffentlichen Abwasserbehandlungsanlage gebracht wird, beträgt die Gebühr 4,20 DM/m 3 Abwasser (§ 37 Abs. 3 AbwS).
Gegen den Bescheid vom 26.01.2000 erhob der Kläger am 28.02.2000 Widerspruch. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens nahm die Beklagte eine Nachkalkulation der Abwassergebühr für die Gebührenjahre 1999 bis 2005 vor. Die Nachkalkulation für das Jahr 1999 (Stand: Oktober 2006) ergab - ohne Ausgleich von Vorjahresergebnissen - einen kostendeckenden Gebührensatz in Höhe von 3,87 DM/m 3 Abwasser. Auf Grundlage dieser Nachkalkulation beschloss der Gemeinderat der Beklagten am 09.11.2006 rückwirkend zum 01.01.1999 wiederum einen Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.12.1999. Dabei brachte die Beklagte die von ihr ermittelte Kostenunterdeckung des Jahres 1994 sowie einen Teil der ermittelten Kostenunterdeckung des Jahres 1995 im Gebührenjahr 1999 zum Ausgleich, um zum gleichen Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser zu gelangen, wie er den Bescheiden für das Gebührenjahr 1999 zugrunde gelegt worden war.
Den Widerspruch des Klägers gegen den Abgabenbescheid vom 26.01.2000 wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2007 zurück.
Der Kläger hat am 10.08.2007 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Dem Antrag des Klägers, den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 aufzuheben, ist die Beklagte entgegengetreten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 06.05.2008 abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte für Grundstücke, die - wie dasjenige des Klägers - an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossen seien, als Gebührenmaßstab den sogenannten Frischwassermaßstab verwende. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sei der Frischwasserbezug jedenfalls dann zur Erfassung auch der Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers geeignet, wenn nach den Verhältnissen im Satzungsgebiet im Durchschnitt der Veranlagungsfälle ein Wahrscheinlichkeitszusammenhang zwischen beiden Wassermengen derart bestehe, dass der Wasserbezug auf einem Grundstück der Zahl der Bewohner und diese wiederum dem Umfang der baulichen Nutzung eines Grundstücks sowie der dort vorhandenen befestigten Flächen entspreche, von der Regenwasser in die Kanalisation abgeleitet werde. Das sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein Satzungsgebiet durch eine verhältnismäßig homogene und wenig verdichtete Wohnbebauung ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt sei. In diesem Fall liege eine homogene Siedlungsstruktur vor, die es rechtfertige, den Frischwasserbezug auch als Indikator für die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers anzusehen. Im Regelfall könne bei einer Einwohnerzahl von 60.000 bis 80.000 noch von einer homogenen Siedlungsstruktur in diesem Sinne ausgegangen werden.
Auch der in § 37 Abs. 1 AbwS i.d.F. der Änderungssatzung vom 09.11.2006 rückwirkend für das Jahr 1999 festgelegte Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser sei gültig. Die durch ein Fachbüro erstellte Nachkalkulation der Gebühren stelle auf ihren Seiten 15 und 16 alternativ die Gebührensatzobergrenzen einerseits ohne und andererseits mit Berücksichtigung der Kostenunterdeckungen der Jahre 1994 und 1995 dar. Dass sich der Gemeinderat der Beklagten entschlossen habe, den Gebührensatz für das Jahr 1999 unter Berücksichtigung dieser Kostenunterdeckungen festzusetzen, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es sei insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Gemeinderat entsprechend den Vorgaben der Nachkalkulation die ausgleichsfähigen Unterdeckungen des Jahres 1994 (51.242,40 DM) in voller Höhe und die ausgleichsfähigen Unterdeckungen des Jahres 1995 (65.544,-- DM) nur in Höhe von 42.456,05 DM berücksichtigt habe. Mit der lediglich teilweisen Berücksichtigung der ausgleichsfähigen Unterdeckungen des Jahres 1995 habe erreicht werden sollen, dass der Gebührensatz mit 4,20 DM/m 3 Abwasser exakt in der Höhe festgesetzt habe werden können, der auch den tatsächlichen Veranlagungen für das Gebührenjahr 1999 zugrunde gelegt worden sei. Dies sei eine sachgerechte Erwägung, die vom Gericht nicht beanstandet werden könne.
Der Vortrag des Klägers rechtfertige schließlich auch nicht die Annahme, die bei der Festsetzung des Gebührensatzes für das Jahr 1999 berücksichtigten und ausgeglichenen Unterdeckungen der Jahre 1994 und 1995 seien methodisch fehlerhaft ermittelt worden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg beziehe sich die Ausgleichsbefugnis von Unterdeckungen aus Vorjahren lediglich auf solche Unterdeckungen, die sich aufgrund eines Abgleichs der Einnahmen und Ausgaben - ungeachtet der methodischen Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Gebührenkalkulation - ergäben.
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 03.11.2008 zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend: Auch für den Bereich einer homogenen Siedlungsstruktur sei der Frischwasserbezug als Indikator für die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers ungeeignet. Aufgrund der Menge des Frischwasserbezuges könne ein Rückschluss auf die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers nicht erfolgen. Denn die Menge des bezogenen Frischwassers sei von der Nutzung des Grundstücks (z.B. Zahl der Bewohner) abhängig, während die Menge des in die Kanalisation eingeleiteten Niederschlagswassers von den vorhandenen befestigten Flächen abhängig sei. Ändere sich z.B. die Zahl der Bewohner und damit der Frischwasserbezug, ändere sich deshalb nicht die Niederschlagswassermenge. Im Übrigen liege die Zahl der von einer vermeintlich homogenen Bebauung abweichenden Grundstücke im Gebiet der Beklagten bei über 10 %.
10 
Unabhängig davon habe die Beklagte bei der Festsetzung der Höhe des Gebührensatzes zu Unrecht Unterdeckungen aus den Jahren 1994 und 1995 berücksichtigt. Die Gebührenkalkulationen der Jahre 1994 und 1995 hätten jeweils den Straßenentwässerungsanteil zu niedrig und damit fehlerhaft angesetzt. Bei zutreffender Berücksichtigung des Straßenentwässerungsanteils hätten sich in den Jahren 1994 und 1995 keine vermeintlichen Unterdeckungen, sondern ausgleichspflichtige Überdeckungen ergeben. Dies führe im Ergebnis auch zur Nichtigkeit des Abwassergebührensatzes für das Jahr 1999.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 06.05.2008 - 1 K 1636/07 - zu ändern und den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 aufzuheben.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Bei einer Gemeinde ihrer Größe könne im Regelfall von einer homogenen Siedlungsstruktur ausgegangen werden. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 3648/04 - (KStZ 2008, 74), der eine völlig andere Gemeindestruktur mit wesentlich größeren Gemeinden zugrunde liege, könne auf den hier zu beurteilenden Fall nicht übertragen werden.
16 
Im Rahmen der Nachkalkulation hätten auch die für die Jahre 1994 und 1995 errechneten Unterdeckungen im Jahre 1999 Berücksichtigung finden können. Im Rahmen der Nachkalkulation seien die Straßenentwässerungskostenanteile für die Jahre 1994 und 1995 exakt so angesetzt worden, wie dies auch im Rahmen der damaligen prognostischen Kalkulation für diese Gebührenjahre geschehen sei. Diese Vorgehensweise genüge den Anforderungen an den Ausgleich von Vorjahresergebnissen. Wäre es anders, bestünde im Rahmen der Ermittlung von Vorjahresergebnissen die Möglichkeit, jeden in den Rechnungsergebnissen enthaltenen kalkulatorischen Ansatz abweichend von der zugrunde liegenden prognostischen Kalkulation zu prüfen. Damit würde indirekt eine Überprüfung des früheren Satzungsrechts und der dortigen Ansätze vorgenommen. Dies würde zu untragbaren Ergebnissen führen, da über das System des gesetzlichen Ausgleichs dann indirekt die Satzungen beliebig weit zurückreichender vergangener Jahre überprüft werden müssten.
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Für die Heranziehung des Klägers zu Gebühren für die Entsorgung von Abwasser (Schmutz- und Niederschlagswasser) im hier maßgeblichen Jahr 1999 fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die einschlägige Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.12.1992 i.d.F. der Änderungssatzung vom 09.11.2006 (im Folgenden: AbwS) ist nichtig. Denn sie enthält für die Gebührenerhebung keine gültige Maßstabsregelung, wie sie § 2 Abs. 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996 (im Folgenden: KAG 1996) als Mindestinhalt einer Satzung fordert.
20 
Nach §§ 34 Abs. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 AbwS wird die Abwassergebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser einheitlich nach der Abwassermenge bemessen, die auf dem angeschlossenen Grundstück anfällt. Als angefallene Abwassermenge gilt dabei bei öffentlicher Wasserversorgung - wie hier - der der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Wasserverbrauch abzüglich der nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteten Wassermengen. Die Satzung sieht damit als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den sogenannten (einheitlichen) Frischwassermaßstab vor. Dieser Maßstab verstößt angesichts der heutigen Wohn- und Lebensgewohnheiten in aller Regel gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip.
21 
1. Der baden-württembergische Landesgesetzgeber hat den Gemeinden und Landkreisen für den gemäß § 2 Abs. 1 KAG 1996 in der Satzung festzulegenden Gebührenmaßstab keine einfachgesetzlichen Beschränkungen auferlegt. Das ortsgesetzgeberische Ermessen der Gemeinden und Landkreise ist jedoch durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip eingeschränkt. Das Äquivalenzprinzip ist Ausdruck des allgemeinen, auf Verfassungsrecht beruhenden bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und besagt als solcher, dass die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der von dem Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf. Es fordert ferner, dass die Benutzungsgebühr im Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so dass bei in etwa gleicher Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren erhoben werden, und berührt sich insoweit mit dem Gleichheitssatz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995 - 8 N 3.93 - NVwZ-RR 1995, 594; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2008 - 2 S 623/06 - AbfallR 2009, 44).
22 
Das bundesrechtliche Äquivalenzprinzip bildet damit eine Obergrenze für die Gebührenbemessung. Unterhalb dieser Obergrenze ist die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgende Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und der Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln sind, dass sie dem unterschiedlichen Ausmaß der erbrachten Leistungen Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt. Das Willkürverbot belässt damit dem Satzungsgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Es verbietet nur eine willkürliche Ungleichbehandlung (wesentlich) gleicher Sachverhalte und die willkürliche Gleichbehandlung (wesentlich) ungleicher Sachverhalte. Die hierdurch gezogenen Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit überschreitet der Satzungsgeber erst dann, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenze ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes zu prüfen, nicht aber die Frage, ob der Satzungsgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. zum Ganzen: Rieger in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 6 RdNr. 591).
23 
Nach allgemeiner Ansicht dürfen Benutzungsgebühren nicht nur nach dem konkret nachgewiesenen Umfang der jeweiligen Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung (Wirklichkeitsmaßstab), sondern auch nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen werden. Die Rechtfertigung für die Verwendung eines solchen pauschalierenden Maßstabs ergibt sich aus der Notwendigkeit eines praktikablen, wenig kostenaufwändigen und damit auch den Gebührenzahlern zugute kommenden Erhebungsverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995, aaO). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab darf aber nicht offensichtlich ungeeignet sein, d.h. er muss Umständen oder Verhältnissen entnommen worden sein, die mit der Art der Benutzung in Zusammenhang stehen, und auf eine Berechnungsgrundlage zurückgreifen, die für die Regel in etwa zutreffende Rückschlüsse auf das tatsächliche Maß der Benutzung zulässt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.06.2000 - 2 S 132/00 - VBlBW 2001, 21).
24 
2. Bei dem von der Beklagten gewählten (einheitlichen) Frischwassermaßstab wird die Benutzungsgebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl des Schmutzwassers als auch des Niederschlagswassers nach der Menge des bezogenen Frischwassers bemessen. Dieser Maßstab beruht auf der Annahme, dass die auf einem Grundstück bezogene Frischwassermenge im Regelfall in einem ungefähr gleichen Verhältnis zur Menge des anfallenden Abwassers steht (vgl. zuletzt VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2009 - 2 S 2650/08 - VBlBW 2009, 472). Diese Annahme trifft unzweifelhaft hinsichtlich des Schmutzwassers zu, weil die Menge des Frischwassers, die einem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück zugeführt wird, jedenfalls typischerweise weitgehend der in die Kanalisation eingeleiteten Abwassermenge entspricht.
25 
Was das Niederschlagswasser betrifft, kann das Gleiche dagegen nicht gesagt werden, weil der Frischwasserverbrauch keinen verlässlichen Rückschluss darauf erlaubt, wie viel Niederschlagswasser von dem betreffenden Grundstück der öffentlichen Abwasseranlage zugeführt wird (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 3648/04 - KStZ 2008, 74; Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009 - 5 A 631/08 - KStZ 2009, 235). Denn der Frischwasserverbrauch ist regelmäßig bei Wohnbebauung personen- und bei Gewerbegrundstücken produktionsabhängig, während die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers - außer von der Menge des Niederschlags - von der Größe des Grundstücks sowie der Oberflächengestaltung abhängig ist. Ein verlässlicher Zusammenhang zwischen Frischwasserbezug eines Grundstücks und der von diesem Grundstück zu entsorgenden Niederschlagswassermenge besteht demnach zumindest in aller Regel nicht. Die Verwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit gerechtfertigt werden (unten a). Sie kann ferner nicht mit der Erwägung als rechtmäßig angesehen werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 12.06.1972 - VII B 117.70 - KStZ 1973, 92; Beschluss vom 25.03.1985 - 8 B 11.84 - NVwZ 1985, 496 mwN) als auch nach der des erkennenden Senats (Urteil vom 27.10.1993 - 2 S 199/80 - VBlBW 1984, 346) eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind (unten b).
26 
a) Im Benutzungsgebührenrecht ist ebenso wie im sonstigen Abgabenrecht auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit abzustellen, der es dem Satzungsgeber gestattet, bei Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, wie nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fällen dem „Typ“ widersprechen (BVerwG, Beschluss vom 19.09.2005 - 10 BN 2.05 - Juris; Urteil vom 01.08.1986 - 8 C 112.84 - NVwZ 1987, 231; Beschluss vom 19.08.1983 - 8 N 1.83 - BVerwGE 68, 36).
27 
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kann nicht angenommen werden, dass der einheitliche Frischwassermaßstab im Allgemeinen und damit in 90 % aller Fälle zu einer in etwa gleichmäßigen Belastung der Beitragspflichtigen führt. Es ist mit anderen Worten nicht davon auszugehen, dass im „Regelfall“ auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets das Verhältnis zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der nach dem Frischwasserverbrauch berechneten Schmutzwassermenge (so) weitgehend vergleichbar ist, dass es aus diesem Grund einer gesonderten Berechnung der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nicht bedarf.
28 
Zwar hat der erkennende Senat bislang den einheitlichen Frischwassermaßstab auch zur Erfassung der Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers als geeignet angesehen, wenn das Satzungsgebiet durch eine im entwässerungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig homogene Bebauungsstruktur mit wenig verdichteter Wohnbebauung und ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt ist (Urteil vom 07.10.2004 - 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239). Dem lag der Gedanke zugrunde, dass von einer homogenen Siedlungsstruktur ausgegangen werden könne, wenn in einer Gemeinde für mindestens 90 % der angeschlossenen Grundstücke die Entwässerungsverhältnisse in etwa gleich seien. Insoweit handelt es sich bei dem Kriterium einer homogenen Siedlungsstruktur um nichts anderes als eine konkretisierte Ausprägung des oben dargelegten Grundsatzes der Typengerechtigkeit (so zutreffend Quaas, VBlBW 2006, 175, 176). Der Senat hat in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, im Regelfall könne bei Gemeinden mit 60.000 bis 80.000 Einwohnern noch von einer homogenen Siedlungsstruktur im genannten Sinne ausgegangen werden. An dieser Auffassung hält der Senat nicht mehr fest. Eine Vergleichbarkeit zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der Schmutzwassermenge auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets dürfte nach den heutigen Verhältnissen die absolute Ausnahme bilden. Auch für das Gebiet der Beklagten, einer Gemeinde mit sechs Teilorten und ca. 6.200 Einwohnern, liegt eine solche Ausnahme nicht vor.
29 
Die Anzahl der Bewohner auf den Grundstücken des jeweiligen Satzungsgebiets, die maßgeblich die Menge des einem Grundstück zugeführten Frischwassers beeinflusst, ist - unter den hiesigen modernen Lebensverhältnissen - so unterschiedlich, dass ein vorherrschender, mindestens 90 % der Fälle erfassender „Regeltyp“ mit annähernd gleicher Relation zwischen Frischwasserverbrauch je Grundstück und hiervon abgeleitetem Niederschlagswasser nicht erkennbar ist. Die Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers wird bestimmt durch die Größe der versiegelten Grundstücksflächen, die sich nach der Kubatur der Baukörper und dem Vorhandensein weiterer befestigter Flächen - wie etwa Stellplätze, Terrassen - richtet. Dagegen wird die Menge des Abwassers im Falle der Wohnbebauung ganz wesentlich durch die Zahl der auf dem Grundstück vorhandenen Haushalte und die Zahl der zu den Haushalten gehörenden Personen beeinflusst. Bei gewerblich oder industriell genutzten Grundstücken, die erfahrungsgemäß einen hohen Versiegelungsgrad aufweisen, kommt es auf die Art der gewerblichen und industriellen Nutzung und die Höhe des damit verbundenen Frischwasserverbrauchs an. Deshalb sind sowohl gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke als auch Grundstücke mit stark verdichteter Wohnbebauung (z.B. Hochhäuser) im Hinblick auf die Relation zwischen Frischwasserverbrauch und abgeleitetem Niederschlagswasser von vornherein als atypisch anzusehen. Vor diesem Hintergrund kommen als Grundstücke mit „vergleichbaren Entwässerungsverhältnissen“ naturgemäß lediglich die die Wohnbebauung prägenden Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke in Betracht. Aber selbst Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke weisen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine derart uneinheitliche Haushaltsgröße und daraus folgend einen derart unterschiedlichen Wasserverbrauch auf, dass nicht mehr von einer annähernd vergleichbaren Relation zwischen Frischwasserverbrauch und Niederschlagswassermenge ausgegangen werden kann.
30 
Einfamilienhäuser werden zwar überwiegend von Familien mit Kindern bewohnt. Schon die Anzahl der Kinder in den Haushalten variiert aber mit der Folge eines stark unterschiedlichen Wasserverbrauchs. Davon abgesehen werden Einfamilienhäuser auch nicht selten nur von einer oder zwei Personen bewohnt, weil z.B. ein Ehepartner verstorben ist oder die Parteien sich infolge einer Scheidung getrennt haben oder die (erwachsenen) Kinder das Elternhaus verlassen haben (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). Diese Einschätzung wird durch die vom Senat beim Baden-Württembergischen Landesamt für Statistik ermittelten Zahlen (Mikrozensus 2006) für das Land Baden-Württemberg belegt. Danach gibt es in Baden-Württemberg insgesamt 1.088.000 Haushalte in Einfamilienhäusern (Wohngebäude mit einer Wohneinheit), die sich wie folgt aufteilen: 186.000 Haushalte mit einer Person (= 17,10 %), 412.000 Haushalte mit zwei Personen (= 37,87 %), 183.000 Haushalte mit drei Personen (= 16,2 %), 217.000 Haushalte mit vier Personen (= 19,94 %) sowie 90.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen (= 8,27 %). Auch die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 02.09.2009, aaO) ermittelten Daten für das Land Hessen zeigen eine in etwa vergleichbare Verteilung der Haushaltsgrößen in Einfamilienhäusern; danach werden Einfamilienhäuser in 19,22 % von Haushalten mit einer Person, in 40,28 % von Haushalten mit zwei Personen, in 17,57 % von Haushalten mit drei Personen, in 16,72 % von Haushalten mit vier Personen und in 6,21 % der Fälle von Haushalten mit fünf und mehr Personen bewohnt.
31 
Diese für die Länder Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Daten bestätigen eindrucksvoll, dass generell von einer Homogenität der Haushaltsgröße auch für den Bereich von Einfamilienhäusern nicht gesprochen werden kann. Diese Aussage kann auch ohne weiteres auf das Gemeindegebiet der Beklagten übertragen werden. Dafür, dass sich im Gemeindegebiet der Beklagten die Verhältnisse nennenswert anders darstellen, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Auch die Beklagte hat in dieser Richtung nichts vorgetragen.
32 
Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass bereits im Bereich der Einfamilienhäuser durch die Streuung der Haushaltsgrößen ein stark unterschiedlicher Frischwasserverbrauch festzustellen ist, der bei ansonsten gleichen Verhältnissen zu gravierenden Unterschieden bei der Höhe der veranlagten Gebühren für den Anteil der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung führt. Wird ein Einfamilienhaus von einer Einzelperson bewohnt, entfällt auf dieses Grundstück nach der Gebührensatzung der Beklagten für das Jahr 1999 bei einem durchschnittlich angenommenen Jahresfrischwasserverbrauch von 40 m 3 und einem Gebührensatz von 4,20 DM eine Abwassergebühr von 168,-- DM. Wird das gleiche Einfamilienhaus dagegen von einem Vier-Personen-Haushalt bewohnt, entfällt auf das Grundstück - trotz derselben versiegelten Fläche - bei einem unterstellten Jahresfrischwasserverbrauch von wiederum 40 m 3 je Person eine Abwassergebühr von 672,-- DM. Unterstellt man ferner einen Anteil von lediglich 25 % der Gesamtkosten für die Niederschlagswasserentsorgung (vgl. Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %) und geht damit bei einer Abwassergesamtgebühr von 4,20 DM je Kubikmeter von einem Anteil für die Beseitigung des Niederschlagswassers von 1,05 DM je Kubikmeter aus, so zahlt der Ein-Personen-Haushalt dafür 42,-- DM, der Vier-Personen-Haushalt bei gleicher Versiegelungsfläche dagegen 168,-- DM. Das hier aufgeführte Beispiel zeigt, dass selbst dann, wenn nur die Nutzung eines Einfamilienhauses mit vergleichbarem Umfang an Grundstücksversiegelung in den Blick genommen wird, unter anderem Familien mit Kindern gegenüber Einzelpersonen/Kleinhaushalten zu erheblich höheren Gebühren herangezogen werden, obwohl die zu beseitigende Niederschlagswassermenge in etwa gleich ist.
33 
Die dargestellte Uneinheitlichkeit der Haushaltsgrößen und damit die unterschiedliche Nutzungsintensität gilt auch für Zweifamilienhäuser. Nach den Daten des Baden-Württembergischen Landesamtes für Statistik (Mikrozensus 2006) teilen sich die Haushaltsgrößen in den 503.000 Wohngebäuden mit zwei Wohneinheiten wie folgt auf: 134.000 Haushalte mit einer Person, 195.000 Haushalte mit zwei Personen, 68.000 Haushalte mit drei Personen, 77.000 Haushalte mit vier Personen sowie 29.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die versiegelte Fläche bei Zweifamilienhäusern im Vergleich zu Einfamilienhäusern nach allgemeiner Lebenserfahrung zwar erhöht, aufgrund der Kubatur von Zweifamilienhäusern allerdings keine entsprechende Verdoppelung der versiegelten Flächen angenommen werden kann.
34 
b) Die Anwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als auch nach der des erkennenden Senats eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind. Als geringfügig in diesem Sinne sehen das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 12.06.1972 und vom 25.03.1985, aaO) sowie der erkennende Senat (Urteil vom 27.10.1993, aaO) diese Kosten dann an, wenn ihr Anteil an den Kosten der gesamten Entwässerung nicht mehr als 12 % beträgt.
35 
Nach den Veröffentlichungen in der Fachliteratur ist von den gesamten Abwasserentsorgungskosten regelmäßig ein Anteil von 25 % und mehr für die Niederschlagswasserentsorgung zu veranschlagen (vgl. etwa Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %; Hennebrüder, KStZ 2007, 184 - unter Bezugnahme auf Untersuchungen des Gutachters Prof. Dr. Pecher, wonach der Anteil in der Regel zwischen 35 % und 45 % liegt). Darüber hinaus hat auch die Beklagte im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür genannt, dass der Anteil der Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung in ihrem Gebiet noch als geringfügig im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzusehen ist.
36 
3. Für die Gemeinden hat dies zur Konsequenz, dass - von wenigen, wohl nur theoretisch denkbaren Ausnahmen abgesehen - statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben erhoben werden muss (gesplittete Abwassergebühr). Ein unverhältnismäßiger und damit nicht mehr zu vertretender finanzieller Kostenaufwand ist damit nicht verbunden (ebenso Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009, aaO; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). So besteht für die Beklagte insbesondere die Möglichkeit, die an die Abwasseranlage angeschlossenen versiegelten Flächen im Rahmen einer Selbstveranlagung der Gebührenschuldner zu ermitteln und sich auf eine stichprobenweise Überprüfung zu beschränken.
37 
In diesem Zusammenhang ist ferner anzumerken, dass die Kosten für die Erstellung der Gebührenkalkulation durch ein von der Gemeinde beauftragtes Beratungsbüro oder einen anderen Dritten einschließlich der Kosten der dafür notwendigen Vorarbeiten Teil der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KAG ansatzfähigen Kosten sind. Zu den nach dieser Vorschrift gebührenfähigen Kosten gehören zwar nur die „Kosten der Einrichtung“, d.h. Kosten, die durch die Leistungserstellung der Gemeinde verursacht worden sind oder für solche Neben- und Zusatzleistungen entstanden sind, die mit der eigentlichen Leistungserstellung in einem ausreichend engen Sachzusammenhang stehen. Auch ist nicht zu übersehen, dass die Erstellung der Gebührenkalkulation mit der eigentlichen Leistung, die durch die öffentliche Einrichtung erbracht wird, nur in einem mittelbaren Zusammenhang steht. Die Rechtfertigung für eine Abwälzung der dadurch entstehenden Kosten auf sämtliche Gebührenschuldner ergibt sich jedoch aus der Überlegung, dass es sich dabei um für die Realisierung des Gebührenanspruchs der Gemeinde notwendige Kosten handelt. Denn das durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung seitens des Bürgers eingeleitete Austauschverhältnis kann grundsätzlich nur dann korrekt abgewickelt werden, wenn die Gemeinde den Satz der für die Benutzung zu entrichtenden Gebühren auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation in ihrer Satzung festlegt (in dieser Richtung bereits das Normenkontrollurteil des Senats vom 13.05.1997 - 2 S 3246/94 - BWGZ 1997, 890; ebenso VG Freiburg, Urteil vom 10.12.2003 - 7 K 420/02 - Juris; Lichtenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 RdNr. 733a, S. 473). An der in seinem Normenkontrollbeschluss vom 27.02.1996 - 2 S 1407/94 - (NVwZ-RR 1996, 593) beiläufig geäußerten Auffassung, dass die Kosten für die Erstellung der erforderlichen Gebührenkalkulation nicht zu den auf die Gebührenschuldner abwälzbaren Kosten der Einrichtung gehörten, hält der Senat deshalb nicht fest.
38 
4. Ob die Satzung der Beklagten vom 09.11.2006 auch deshalb zu beanstanden ist, weil die Beklagte in die dieser Satzung zugrunde liegende Gebührenkalkulation Unterdeckungen aus den Jahren 1994 und 1995 eingestellt hat, deren Berechnung - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auf einem zu niedrigen Ansatz des Straßenentwässerungsanteils beruht, bedarf danach keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die der Beklagten offenstehende Möglichkeit, die aus den oben genannten Gründen nichtige Satzung vom 09.11.2006 rückwirkend durch eine neue Satzung zu ersetzen, die statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben vorsieht, sowie im Hinblick auf künftige Streitfälle zwischen den Beteiligten sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden, diese Frage betreffenden Bemerkungen veranlasst.
39 
a) Zu der bis zum 31.03.2005 geltenden Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F., die thematisch der heutigen Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG entspricht, hat der Senat in seinem Urteil vom 27.01.2003 - 2 S 2587/00 - (VBlBW 2003, 322) entschieden, die Vorschrift beziehe sich lediglich auf Über- und Unterdeckungen, die sich am Ende eines Bemessungszeitraums auf Grund eines Abgleichs der Einnahmen und Ausgaben - ungeachtet der methodischen Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Gebührenkalkulation - ergäben. Nicht unter § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. fielen dagegen - schon seinem Wortlaut nach - solche Über- und Unterdeckungen, die sich aus der nachträglichen Feststellung überhöhter Gebührensatzregelungen ergäben. An dieser Auffassung hält der Senat weiterhin fest.
40 
§ 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. wurde 1986 auf Empfehlung des Innenausschusses in das Kommunalabgabengesetz eingefügt. Wie sich aus dem Bericht des Innenausschusses (LT-Drs. 9/3305, S. 10) ergibt, hat sich der Gesetzgeber dabei von der Überlegung leiten lassen, dass eine Gebührenkalkulation nur prognostischen Charakter haben kann und dementsprechend immer mit bestimmten Unsicherheiten verbunden ist. Die in die Kalkulation eingestellten Annahmen über die voraussichtlich entstehenden Kosten der Einrichtung und den voraussichtlichen Umfang ihrer Benutzung werden deshalb kaum einmal mit den tatsächlich entstehenden Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung übereinstimmen. Etwaige sich daraus ergebende Kostenüberdeckungen sollte die Gemeinde nach dem Willen des Landesgesetzgebers nicht für sich behalten dürfen, sondern innerhalb der nächsten fünf Jahre an die Gebührenschuldner zurückgeben müssen. Die Gemeinde sollte aber umgekehrt auch das Recht erhalten, sich aus den genannten Abweichungen ergebende Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums durch eine entsprechende Erhöhung der Gebühren ausgleichen zu dürfen.
41 
Eine Korrektur fehlerhafter Kalkulationen ist danach von § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. nicht bezweckt. Die Vorschrift ist vielmehr einschränkend dahin auszulegen, dass sie nur für solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen gilt, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, d.h. daraus dass die geschätzten Kosten der Einrichtung und der geschätzte Umfang ihrer Benutzung von den tatsächlichen Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung abweichen. § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. bezieht sich dagegen nicht auf solche Kostenüberdeckungen, die sich daraus ergeben, dass in die Kalkulation Kosten eingestellt wurden, die nicht oder nicht in dieser Höhe ansatzfähig sind. Die Vorschrift erlaubt umgekehrt aber auch keinen Ausgleich von Kostenunterdeckungen, die daraus folgen, dass bestimmte ansatzfähige Kosten in die Kalkulation überhaupt nicht oder nicht in der gesetzlich zulässigen Höhe eingestellt worden sind.
42 
b) Das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.03.2005 hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Der an die Stelle des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. getretene § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 legt wie sein Vorgänger fest, dass Kostenüberdeckungen innerhalb von fünf Jahren ausgeglichen werden müssen und Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums ausgeglichen werden können. § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 stellt darüber hinaus klar, wie Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen zu bestimmen sind, nämlich - so die damalige Fassung dieser Vorschrift - durch einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „Gesamtkosten“. Dass über diese Klarstellung hinaus auch eine Änderung der bis dahin geltenden und durch das Urteil des Senats vom 27.01.2003 verdeutlichten Rechtslage beabsichtigt war, kann weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 13/3966, S. 47) entnommen werden.
43 
c) Die durch das Gesetz vom 09.05.2009 erfolgte Änderung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 nötigt dagegen für die Zeit ab dem Inkrafttreten dieser Änderung zu einer Korrektur der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Nach der Neufassung der Vorschrift ist nunmehr zur Feststellung von Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen ein Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „ansatzfähigen Gesamtkosten“ vorzunehmen. Die zu § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a. F. vertretene Auffassung, dass diese Regelung nicht die Korrektur fehlerhafter Gebührenkalkulationen bezwecke, sondern sich nur auf solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen beziehe, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, kann angesichts des geänderten Wortlauts auf § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 nicht übertragen werden. Die sich aus einem solchen Verständnis der Vorschrift ergebende Konsequenz ist, dass unter der Geltung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 beschlossene Gebührensatzungen durch in der Vergangenheit unterlaufene und unter Umständen lange zurückliegende Fehler bei früheren Gebührenkalkulationen infiziert werden können. Durch die in § 49 Abs. 2 KAG getroffene Anordnung, nach der § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 auch auf früher entstandene Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen Anwendung findet, verschärfen sich die damit verbundenen Probleme. Ob der Gesetzgeber sich dieser Konsequenz bewusst war, die seinen in anderer Hinsicht unternommenen Bestrebungen zuwiderläuft, die Bestandskraft von Abgabensatzungen im Interesse der Rechtssicherheit zu erhöhen, lässt sich bezweifeln. Der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 14/4002, S. 70) kann dazu jedenfalls nichts entnommen werden. Das enthebt den Senat jedoch nicht der Verpflichtung, sich bei der Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 in erster Linie an dessen Wortlaut zu halten.
44 
d) Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Beklagte bei einem etwaigen, von ihr für erforderlich gehaltenen Neuerlass einer Satzung für das Jahr 1999 die Gebühren unter Berücksichtigung der geänderten Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 zu kalkulieren hat. Ob es in den vor 1999 liegenden fünf Jahren zu dabei berücksichtigungsfähigen Kostenunterdeckungen gekommen ist, ist somit an Hand eines Vergleichs zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen in dem jeweiligen Jahr und der Summe der in diesem Jahr angefallenen ansatzfähigen Gesamtkosten festzustellen. Der in den Gebührenkalkulationen für die Jahre 1994 und 1995 fehlerhaft angesetzte Straßenentwässerungsanteil ist danach entsprechend zu korrigieren.
45 
Für die Nachkalkulation darf schließlich noch an die Entscheidung des Senats vom 15.02.2008 - 2 S 2559/05 - (VBlBW 2008, 350) erinnert werden. Danach ist der Ausgleich einer Kostenunterdeckung nach Ablauf der Fünfjahresfrist auch dann ausgeschlossen, wenn diese überhaupt (oder mit einem höheren Betrag) erst nach Ablauf des zitierten Zeitraums erkannt wird. Der Ablauf der Fünfjahresfrist schafft für die Gemeinde und die Gebührenpflichtigen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Spätere Nachholungen sind ausgeschlossen, der entstandene Fehlbetrag ist dann endgültig aus allgemeinen Deckungsmitteln zu finanzieren. Diese Ausführungen gelten auch für den Ausgleich von Überdeckungen; nach Ablauf von fünf Jahren nach Ende des Kalkulationszeitraums sind nicht abgewickelte Überdeckungen nicht mehr zu berücksichtigen (so auch: Giebler, KStZ 2007, 167, 172).
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
47 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
48 
Beschluss
49 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 130,99 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
50 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
18 
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Für die Heranziehung des Klägers zu Gebühren für die Entsorgung von Abwasser (Schmutz- und Niederschlagswasser) im hier maßgeblichen Jahr 1999 fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die einschlägige Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.12.1992 i.d.F. der Änderungssatzung vom 09.11.2006 (im Folgenden: AbwS) ist nichtig. Denn sie enthält für die Gebührenerhebung keine gültige Maßstabsregelung, wie sie § 2 Abs. 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996 (im Folgenden: KAG 1996) als Mindestinhalt einer Satzung fordert.
20 
Nach §§ 34 Abs. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 AbwS wird die Abwassergebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser einheitlich nach der Abwassermenge bemessen, die auf dem angeschlossenen Grundstück anfällt. Als angefallene Abwassermenge gilt dabei bei öffentlicher Wasserversorgung - wie hier - der der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Wasserverbrauch abzüglich der nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteten Wassermengen. Die Satzung sieht damit als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den sogenannten (einheitlichen) Frischwassermaßstab vor. Dieser Maßstab verstößt angesichts der heutigen Wohn- und Lebensgewohnheiten in aller Regel gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip.
21 
1. Der baden-württembergische Landesgesetzgeber hat den Gemeinden und Landkreisen für den gemäß § 2 Abs. 1 KAG 1996 in der Satzung festzulegenden Gebührenmaßstab keine einfachgesetzlichen Beschränkungen auferlegt. Das ortsgesetzgeberische Ermessen der Gemeinden und Landkreise ist jedoch durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip eingeschränkt. Das Äquivalenzprinzip ist Ausdruck des allgemeinen, auf Verfassungsrecht beruhenden bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und besagt als solcher, dass die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der von dem Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf. Es fordert ferner, dass die Benutzungsgebühr im Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so dass bei in etwa gleicher Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren erhoben werden, und berührt sich insoweit mit dem Gleichheitssatz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995 - 8 N 3.93 - NVwZ-RR 1995, 594; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2008 - 2 S 623/06 - AbfallR 2009, 44).
22 
Das bundesrechtliche Äquivalenzprinzip bildet damit eine Obergrenze für die Gebührenbemessung. Unterhalb dieser Obergrenze ist die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgende Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und der Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln sind, dass sie dem unterschiedlichen Ausmaß der erbrachten Leistungen Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt. Das Willkürverbot belässt damit dem Satzungsgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Es verbietet nur eine willkürliche Ungleichbehandlung (wesentlich) gleicher Sachverhalte und die willkürliche Gleichbehandlung (wesentlich) ungleicher Sachverhalte. Die hierdurch gezogenen Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit überschreitet der Satzungsgeber erst dann, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenze ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes zu prüfen, nicht aber die Frage, ob der Satzungsgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. zum Ganzen: Rieger in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 6 RdNr. 591).
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Nach allgemeiner Ansicht dürfen Benutzungsgebühren nicht nur nach dem konkret nachgewiesenen Umfang der jeweiligen Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung (Wirklichkeitsmaßstab), sondern auch nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen werden. Die Rechtfertigung für die Verwendung eines solchen pauschalierenden Maßstabs ergibt sich aus der Notwendigkeit eines praktikablen, wenig kostenaufwändigen und damit auch den Gebührenzahlern zugute kommenden Erhebungsverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995, aaO). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab darf aber nicht offensichtlich ungeeignet sein, d.h. er muss Umständen oder Verhältnissen entnommen worden sein, die mit der Art der Benutzung in Zusammenhang stehen, und auf eine Berechnungsgrundlage zurückgreifen, die für die Regel in etwa zutreffende Rückschlüsse auf das tatsächliche Maß der Benutzung zulässt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.06.2000 - 2 S 132/00 - VBlBW 2001, 21).
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2. Bei dem von der Beklagten gewählten (einheitlichen) Frischwassermaßstab wird die Benutzungsgebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl des Schmutzwassers als auch des Niederschlagswassers nach der Menge des bezogenen Frischwassers bemessen. Dieser Maßstab beruht auf der Annahme, dass die auf einem Grundstück bezogene Frischwassermenge im Regelfall in einem ungefähr gleichen Verhältnis zur Menge des anfallenden Abwassers steht (vgl. zuletzt VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2009 - 2 S 2650/08 - VBlBW 2009, 472). Diese Annahme trifft unzweifelhaft hinsichtlich des Schmutzwassers zu, weil die Menge des Frischwassers, die einem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück zugeführt wird, jedenfalls typischerweise weitgehend der in die Kanalisation eingeleiteten Abwassermenge entspricht.
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Was das Niederschlagswasser betrifft, kann das Gleiche dagegen nicht gesagt werden, weil der Frischwasserverbrauch keinen verlässlichen Rückschluss darauf erlaubt, wie viel Niederschlagswasser von dem betreffenden Grundstück der öffentlichen Abwasseranlage zugeführt wird (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 3648/04 - KStZ 2008, 74; Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009 - 5 A 631/08 - KStZ 2009, 235). Denn der Frischwasserverbrauch ist regelmäßig bei Wohnbebauung personen- und bei Gewerbegrundstücken produktionsabhängig, während die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers - außer von der Menge des Niederschlags - von der Größe des Grundstücks sowie der Oberflächengestaltung abhängig ist. Ein verlässlicher Zusammenhang zwischen Frischwasserbezug eines Grundstücks und der von diesem Grundstück zu entsorgenden Niederschlagswassermenge besteht demnach zumindest in aller Regel nicht. Die Verwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit gerechtfertigt werden (unten a). Sie kann ferner nicht mit der Erwägung als rechtmäßig angesehen werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 12.06.1972 - VII B 117.70 - KStZ 1973, 92; Beschluss vom 25.03.1985 - 8 B 11.84 - NVwZ 1985, 496 mwN) als auch nach der des erkennenden Senats (Urteil vom 27.10.1993 - 2 S 199/80 - VBlBW 1984, 346) eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind (unten b).
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a) Im Benutzungsgebührenrecht ist ebenso wie im sonstigen Abgabenrecht auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit abzustellen, der es dem Satzungsgeber gestattet, bei Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, wie nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fällen dem „Typ“ widersprechen (BVerwG, Beschluss vom 19.09.2005 - 10 BN 2.05 - Juris; Urteil vom 01.08.1986 - 8 C 112.84 - NVwZ 1987, 231; Beschluss vom 19.08.1983 - 8 N 1.83 - BVerwGE 68, 36).
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In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kann nicht angenommen werden, dass der einheitliche Frischwassermaßstab im Allgemeinen und damit in 90 % aller Fälle zu einer in etwa gleichmäßigen Belastung der Beitragspflichtigen führt. Es ist mit anderen Worten nicht davon auszugehen, dass im „Regelfall“ auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets das Verhältnis zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der nach dem Frischwasserverbrauch berechneten Schmutzwassermenge (so) weitgehend vergleichbar ist, dass es aus diesem Grund einer gesonderten Berechnung der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nicht bedarf.
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Zwar hat der erkennende Senat bislang den einheitlichen Frischwassermaßstab auch zur Erfassung der Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers als geeignet angesehen, wenn das Satzungsgebiet durch eine im entwässerungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig homogene Bebauungsstruktur mit wenig verdichteter Wohnbebauung und ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt ist (Urteil vom 07.10.2004 - 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239). Dem lag der Gedanke zugrunde, dass von einer homogenen Siedlungsstruktur ausgegangen werden könne, wenn in einer Gemeinde für mindestens 90 % der angeschlossenen Grundstücke die Entwässerungsverhältnisse in etwa gleich seien. Insoweit handelt es sich bei dem Kriterium einer homogenen Siedlungsstruktur um nichts anderes als eine konkretisierte Ausprägung des oben dargelegten Grundsatzes der Typengerechtigkeit (so zutreffend Quaas, VBlBW 2006, 175, 176). Der Senat hat in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, im Regelfall könne bei Gemeinden mit 60.000 bis 80.000 Einwohnern noch von einer homogenen Siedlungsstruktur im genannten Sinne ausgegangen werden. An dieser Auffassung hält der Senat nicht mehr fest. Eine Vergleichbarkeit zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der Schmutzwassermenge auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets dürfte nach den heutigen Verhältnissen die absolute Ausnahme bilden. Auch für das Gebiet der Beklagten, einer Gemeinde mit sechs Teilorten und ca. 6.200 Einwohnern, liegt eine solche Ausnahme nicht vor.
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Die Anzahl der Bewohner auf den Grundstücken des jeweiligen Satzungsgebiets, die maßgeblich die Menge des einem Grundstück zugeführten Frischwassers beeinflusst, ist - unter den hiesigen modernen Lebensverhältnissen - so unterschiedlich, dass ein vorherrschender, mindestens 90 % der Fälle erfassender „Regeltyp“ mit annähernd gleicher Relation zwischen Frischwasserverbrauch je Grundstück und hiervon abgeleitetem Niederschlagswasser nicht erkennbar ist. Die Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers wird bestimmt durch die Größe der versiegelten Grundstücksflächen, die sich nach der Kubatur der Baukörper und dem Vorhandensein weiterer befestigter Flächen - wie etwa Stellplätze, Terrassen - richtet. Dagegen wird die Menge des Abwassers im Falle der Wohnbebauung ganz wesentlich durch die Zahl der auf dem Grundstück vorhandenen Haushalte und die Zahl der zu den Haushalten gehörenden Personen beeinflusst. Bei gewerblich oder industriell genutzten Grundstücken, die erfahrungsgemäß einen hohen Versiegelungsgrad aufweisen, kommt es auf die Art der gewerblichen und industriellen Nutzung und die Höhe des damit verbundenen Frischwasserverbrauchs an. Deshalb sind sowohl gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke als auch Grundstücke mit stark verdichteter Wohnbebauung (z.B. Hochhäuser) im Hinblick auf die Relation zwischen Frischwasserverbrauch und abgeleitetem Niederschlagswasser von vornherein als atypisch anzusehen. Vor diesem Hintergrund kommen als Grundstücke mit „vergleichbaren Entwässerungsverhältnissen“ naturgemäß lediglich die die Wohnbebauung prägenden Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke in Betracht. Aber selbst Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke weisen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine derart uneinheitliche Haushaltsgröße und daraus folgend einen derart unterschiedlichen Wasserverbrauch auf, dass nicht mehr von einer annähernd vergleichbaren Relation zwischen Frischwasserverbrauch und Niederschlagswassermenge ausgegangen werden kann.
30 
Einfamilienhäuser werden zwar überwiegend von Familien mit Kindern bewohnt. Schon die Anzahl der Kinder in den Haushalten variiert aber mit der Folge eines stark unterschiedlichen Wasserverbrauchs. Davon abgesehen werden Einfamilienhäuser auch nicht selten nur von einer oder zwei Personen bewohnt, weil z.B. ein Ehepartner verstorben ist oder die Parteien sich infolge einer Scheidung getrennt haben oder die (erwachsenen) Kinder das Elternhaus verlassen haben (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). Diese Einschätzung wird durch die vom Senat beim Baden-Württembergischen Landesamt für Statistik ermittelten Zahlen (Mikrozensus 2006) für das Land Baden-Württemberg belegt. Danach gibt es in Baden-Württemberg insgesamt 1.088.000 Haushalte in Einfamilienhäusern (Wohngebäude mit einer Wohneinheit), die sich wie folgt aufteilen: 186.000 Haushalte mit einer Person (= 17,10 %), 412.000 Haushalte mit zwei Personen (= 37,87 %), 183.000 Haushalte mit drei Personen (= 16,2 %), 217.000 Haushalte mit vier Personen (= 19,94 %) sowie 90.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen (= 8,27 %). Auch die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 02.09.2009, aaO) ermittelten Daten für das Land Hessen zeigen eine in etwa vergleichbare Verteilung der Haushaltsgrößen in Einfamilienhäusern; danach werden Einfamilienhäuser in 19,22 % von Haushalten mit einer Person, in 40,28 % von Haushalten mit zwei Personen, in 17,57 % von Haushalten mit drei Personen, in 16,72 % von Haushalten mit vier Personen und in 6,21 % der Fälle von Haushalten mit fünf und mehr Personen bewohnt.
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Diese für die Länder Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Daten bestätigen eindrucksvoll, dass generell von einer Homogenität der Haushaltsgröße auch für den Bereich von Einfamilienhäusern nicht gesprochen werden kann. Diese Aussage kann auch ohne weiteres auf das Gemeindegebiet der Beklagten übertragen werden. Dafür, dass sich im Gemeindegebiet der Beklagten die Verhältnisse nennenswert anders darstellen, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Auch die Beklagte hat in dieser Richtung nichts vorgetragen.
32 
Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass bereits im Bereich der Einfamilienhäuser durch die Streuung der Haushaltsgrößen ein stark unterschiedlicher Frischwasserverbrauch festzustellen ist, der bei ansonsten gleichen Verhältnissen zu gravierenden Unterschieden bei der Höhe der veranlagten Gebühren für den Anteil der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung führt. Wird ein Einfamilienhaus von einer Einzelperson bewohnt, entfällt auf dieses Grundstück nach der Gebührensatzung der Beklagten für das Jahr 1999 bei einem durchschnittlich angenommenen Jahresfrischwasserverbrauch von 40 m 3 und einem Gebührensatz von 4,20 DM eine Abwassergebühr von 168,-- DM. Wird das gleiche Einfamilienhaus dagegen von einem Vier-Personen-Haushalt bewohnt, entfällt auf das Grundstück - trotz derselben versiegelten Fläche - bei einem unterstellten Jahresfrischwasserverbrauch von wiederum 40 m 3 je Person eine Abwassergebühr von 672,-- DM. Unterstellt man ferner einen Anteil von lediglich 25 % der Gesamtkosten für die Niederschlagswasserentsorgung (vgl. Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %) und geht damit bei einer Abwassergesamtgebühr von 4,20 DM je Kubikmeter von einem Anteil für die Beseitigung des Niederschlagswassers von 1,05 DM je Kubikmeter aus, so zahlt der Ein-Personen-Haushalt dafür 42,-- DM, der Vier-Personen-Haushalt bei gleicher Versiegelungsfläche dagegen 168,-- DM. Das hier aufgeführte Beispiel zeigt, dass selbst dann, wenn nur die Nutzung eines Einfamilienhauses mit vergleichbarem Umfang an Grundstücksversiegelung in den Blick genommen wird, unter anderem Familien mit Kindern gegenüber Einzelpersonen/Kleinhaushalten zu erheblich höheren Gebühren herangezogen werden, obwohl die zu beseitigende Niederschlagswassermenge in etwa gleich ist.
33 
Die dargestellte Uneinheitlichkeit der Haushaltsgrößen und damit die unterschiedliche Nutzungsintensität gilt auch für Zweifamilienhäuser. Nach den Daten des Baden-Württembergischen Landesamtes für Statistik (Mikrozensus 2006) teilen sich die Haushaltsgrößen in den 503.000 Wohngebäuden mit zwei Wohneinheiten wie folgt auf: 134.000 Haushalte mit einer Person, 195.000 Haushalte mit zwei Personen, 68.000 Haushalte mit drei Personen, 77.000 Haushalte mit vier Personen sowie 29.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die versiegelte Fläche bei Zweifamilienhäusern im Vergleich zu Einfamilienhäusern nach allgemeiner Lebenserfahrung zwar erhöht, aufgrund der Kubatur von Zweifamilienhäusern allerdings keine entsprechende Verdoppelung der versiegelten Flächen angenommen werden kann.
34 
b) Die Anwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als auch nach der des erkennenden Senats eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind. Als geringfügig in diesem Sinne sehen das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 12.06.1972 und vom 25.03.1985, aaO) sowie der erkennende Senat (Urteil vom 27.10.1993, aaO) diese Kosten dann an, wenn ihr Anteil an den Kosten der gesamten Entwässerung nicht mehr als 12 % beträgt.
35 
Nach den Veröffentlichungen in der Fachliteratur ist von den gesamten Abwasserentsorgungskosten regelmäßig ein Anteil von 25 % und mehr für die Niederschlagswasserentsorgung zu veranschlagen (vgl. etwa Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %; Hennebrüder, KStZ 2007, 184 - unter Bezugnahme auf Untersuchungen des Gutachters Prof. Dr. Pecher, wonach der Anteil in der Regel zwischen 35 % und 45 % liegt). Darüber hinaus hat auch die Beklagte im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür genannt, dass der Anteil der Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung in ihrem Gebiet noch als geringfügig im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzusehen ist.
36 
3. Für die Gemeinden hat dies zur Konsequenz, dass - von wenigen, wohl nur theoretisch denkbaren Ausnahmen abgesehen - statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben erhoben werden muss (gesplittete Abwassergebühr). Ein unverhältnismäßiger und damit nicht mehr zu vertretender finanzieller Kostenaufwand ist damit nicht verbunden (ebenso Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009, aaO; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). So besteht für die Beklagte insbesondere die Möglichkeit, die an die Abwasseranlage angeschlossenen versiegelten Flächen im Rahmen einer Selbstveranlagung der Gebührenschuldner zu ermitteln und sich auf eine stichprobenweise Überprüfung zu beschränken.
37 
In diesem Zusammenhang ist ferner anzumerken, dass die Kosten für die Erstellung der Gebührenkalkulation durch ein von der Gemeinde beauftragtes Beratungsbüro oder einen anderen Dritten einschließlich der Kosten der dafür notwendigen Vorarbeiten Teil der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KAG ansatzfähigen Kosten sind. Zu den nach dieser Vorschrift gebührenfähigen Kosten gehören zwar nur die „Kosten der Einrichtung“, d.h. Kosten, die durch die Leistungserstellung der Gemeinde verursacht worden sind oder für solche Neben- und Zusatzleistungen entstanden sind, die mit der eigentlichen Leistungserstellung in einem ausreichend engen Sachzusammenhang stehen. Auch ist nicht zu übersehen, dass die Erstellung der Gebührenkalkulation mit der eigentlichen Leistung, die durch die öffentliche Einrichtung erbracht wird, nur in einem mittelbaren Zusammenhang steht. Die Rechtfertigung für eine Abwälzung der dadurch entstehenden Kosten auf sämtliche Gebührenschuldner ergibt sich jedoch aus der Überlegung, dass es sich dabei um für die Realisierung des Gebührenanspruchs der Gemeinde notwendige Kosten handelt. Denn das durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung seitens des Bürgers eingeleitete Austauschverhältnis kann grundsätzlich nur dann korrekt abgewickelt werden, wenn die Gemeinde den Satz der für die Benutzung zu entrichtenden Gebühren auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation in ihrer Satzung festlegt (in dieser Richtung bereits das Normenkontrollurteil des Senats vom 13.05.1997 - 2 S 3246/94 - BWGZ 1997, 890; ebenso VG Freiburg, Urteil vom 10.12.2003 - 7 K 420/02 - Juris; Lichtenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 RdNr. 733a, S. 473). An der in seinem Normenkontrollbeschluss vom 27.02.1996 - 2 S 1407/94 - (NVwZ-RR 1996, 593) beiläufig geäußerten Auffassung, dass die Kosten für die Erstellung der erforderlichen Gebührenkalkulation nicht zu den auf die Gebührenschuldner abwälzbaren Kosten der Einrichtung gehörten, hält der Senat deshalb nicht fest.
38 
4. Ob die Satzung der Beklagten vom 09.11.2006 auch deshalb zu beanstanden ist, weil die Beklagte in die dieser Satzung zugrunde liegende Gebührenkalkulation Unterdeckungen aus den Jahren 1994 und 1995 eingestellt hat, deren Berechnung - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auf einem zu niedrigen Ansatz des Straßenentwässerungsanteils beruht, bedarf danach keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die der Beklagten offenstehende Möglichkeit, die aus den oben genannten Gründen nichtige Satzung vom 09.11.2006 rückwirkend durch eine neue Satzung zu ersetzen, die statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben vorsieht, sowie im Hinblick auf künftige Streitfälle zwischen den Beteiligten sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden, diese Frage betreffenden Bemerkungen veranlasst.
39 
a) Zu der bis zum 31.03.2005 geltenden Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F., die thematisch der heutigen Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG entspricht, hat der Senat in seinem Urteil vom 27.01.2003 - 2 S 2587/00 - (VBlBW 2003, 322) entschieden, die Vorschrift beziehe sich lediglich auf Über- und Unterdeckungen, die sich am Ende eines Bemessungszeitraums auf Grund eines Abgleichs der Einnahmen und Ausgaben - ungeachtet der methodischen Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Gebührenkalkulation - ergäben. Nicht unter § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. fielen dagegen - schon seinem Wortlaut nach - solche Über- und Unterdeckungen, die sich aus der nachträglichen Feststellung überhöhter Gebührensatzregelungen ergäben. An dieser Auffassung hält der Senat weiterhin fest.
40 
§ 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. wurde 1986 auf Empfehlung des Innenausschusses in das Kommunalabgabengesetz eingefügt. Wie sich aus dem Bericht des Innenausschusses (LT-Drs. 9/3305, S. 10) ergibt, hat sich der Gesetzgeber dabei von der Überlegung leiten lassen, dass eine Gebührenkalkulation nur prognostischen Charakter haben kann und dementsprechend immer mit bestimmten Unsicherheiten verbunden ist. Die in die Kalkulation eingestellten Annahmen über die voraussichtlich entstehenden Kosten der Einrichtung und den voraussichtlichen Umfang ihrer Benutzung werden deshalb kaum einmal mit den tatsächlich entstehenden Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung übereinstimmen. Etwaige sich daraus ergebende Kostenüberdeckungen sollte die Gemeinde nach dem Willen des Landesgesetzgebers nicht für sich behalten dürfen, sondern innerhalb der nächsten fünf Jahre an die Gebührenschuldner zurückgeben müssen. Die Gemeinde sollte aber umgekehrt auch das Recht erhalten, sich aus den genannten Abweichungen ergebende Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums durch eine entsprechende Erhöhung der Gebühren ausgleichen zu dürfen.
41 
Eine Korrektur fehlerhafter Kalkulationen ist danach von § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. nicht bezweckt. Die Vorschrift ist vielmehr einschränkend dahin auszulegen, dass sie nur für solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen gilt, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, d.h. daraus dass die geschätzten Kosten der Einrichtung und der geschätzte Umfang ihrer Benutzung von den tatsächlichen Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung abweichen. § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. bezieht sich dagegen nicht auf solche Kostenüberdeckungen, die sich daraus ergeben, dass in die Kalkulation Kosten eingestellt wurden, die nicht oder nicht in dieser Höhe ansatzfähig sind. Die Vorschrift erlaubt umgekehrt aber auch keinen Ausgleich von Kostenunterdeckungen, die daraus folgen, dass bestimmte ansatzfähige Kosten in die Kalkulation überhaupt nicht oder nicht in der gesetzlich zulässigen Höhe eingestellt worden sind.
42 
b) Das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.03.2005 hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Der an die Stelle des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. getretene § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 legt wie sein Vorgänger fest, dass Kostenüberdeckungen innerhalb von fünf Jahren ausgeglichen werden müssen und Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums ausgeglichen werden können. § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 stellt darüber hinaus klar, wie Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen zu bestimmen sind, nämlich - so die damalige Fassung dieser Vorschrift - durch einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „Gesamtkosten“. Dass über diese Klarstellung hinaus auch eine Änderung der bis dahin geltenden und durch das Urteil des Senats vom 27.01.2003 verdeutlichten Rechtslage beabsichtigt war, kann weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 13/3966, S. 47) entnommen werden.
43 
c) Die durch das Gesetz vom 09.05.2009 erfolgte Änderung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 nötigt dagegen für die Zeit ab dem Inkrafttreten dieser Änderung zu einer Korrektur der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Nach der Neufassung der Vorschrift ist nunmehr zur Feststellung von Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen ein Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „ansatzfähigen Gesamtkosten“ vorzunehmen. Die zu § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a. F. vertretene Auffassung, dass diese Regelung nicht die Korrektur fehlerhafter Gebührenkalkulationen bezwecke, sondern sich nur auf solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen beziehe, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, kann angesichts des geänderten Wortlauts auf § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 nicht übertragen werden. Die sich aus einem solchen Verständnis der Vorschrift ergebende Konsequenz ist, dass unter der Geltung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 beschlossene Gebührensatzungen durch in der Vergangenheit unterlaufene und unter Umständen lange zurückliegende Fehler bei früheren Gebührenkalkulationen infiziert werden können. Durch die in § 49 Abs. 2 KAG getroffene Anordnung, nach der § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 auch auf früher entstandene Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen Anwendung findet, verschärfen sich die damit verbundenen Probleme. Ob der Gesetzgeber sich dieser Konsequenz bewusst war, die seinen in anderer Hinsicht unternommenen Bestrebungen zuwiderläuft, die Bestandskraft von Abgabensatzungen im Interesse der Rechtssicherheit zu erhöhen, lässt sich bezweifeln. Der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 14/4002, S. 70) kann dazu jedenfalls nichts entnommen werden. Das enthebt den Senat jedoch nicht der Verpflichtung, sich bei der Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 in erster Linie an dessen Wortlaut zu halten.
44 
d) Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Beklagte bei einem etwaigen, von ihr für erforderlich gehaltenen Neuerlass einer Satzung für das Jahr 1999 die Gebühren unter Berücksichtigung der geänderten Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 zu kalkulieren hat. Ob es in den vor 1999 liegenden fünf Jahren zu dabei berücksichtigungsfähigen Kostenunterdeckungen gekommen ist, ist somit an Hand eines Vergleichs zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen in dem jeweiligen Jahr und der Summe der in diesem Jahr angefallenen ansatzfähigen Gesamtkosten festzustellen. Der in den Gebührenkalkulationen für die Jahre 1994 und 1995 fehlerhaft angesetzte Straßenentwässerungsanteil ist danach entsprechend zu korrigieren.
45 
Für die Nachkalkulation darf schließlich noch an die Entscheidung des Senats vom 15.02.2008 - 2 S 2559/05 - (VBlBW 2008, 350) erinnert werden. Danach ist der Ausgleich einer Kostenunterdeckung nach Ablauf der Fünfjahresfrist auch dann ausgeschlossen, wenn diese überhaupt (oder mit einem höheren Betrag) erst nach Ablauf des zitierten Zeitraums erkannt wird. Der Ablauf der Fünfjahresfrist schafft für die Gemeinde und die Gebührenpflichtigen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Spätere Nachholungen sind ausgeschlossen, der entstandene Fehlbetrag ist dann endgültig aus allgemeinen Deckungsmitteln zu finanzieren. Diese Ausführungen gelten auch für den Ausgleich von Überdeckungen; nach Ablauf von fünf Jahren nach Ende des Kalkulationszeitraums sind nicht abgewickelte Überdeckungen nicht mehr zu berücksichtigen (so auch: Giebler, KStZ 2007, 167, 172).
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
47 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
48 
Beschluss
49 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 130,99 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
50 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen. In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaft wahlberechtigt und wählbar. In Gemeinden kann an die Stelle einer gewählten Körperschaft die Gemeindeversammlung treten.

(2) Den Gemeinden muß das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfaßt auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung; zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.

(3) Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Tatbestand

1

Die Antragsteller wenden sich gegen die Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin.

2

Der Stadtrat der Antragsgegnerin beschloss in seiner Sitzung vom 15. März 2007 eine Neufassung der Hundesteuersatzung, die im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 13/2007 vom 30. April 2007 veröffentlicht wurde.

3

Nach § 1 Abs. 2 dieser Satzung ist das Halten von mehr als drei Monate alten Hunden durch natürliche Personen im Stadtgebiet Gegenstand einer Steuer.

4

Diese wird nach § 2 Abs. 1 und 2 der Satzung vom Halter des Hundes, d. h. demjenigen geschuldet, der einen Hund zu persönlichen Zwecken in seinem eigenen Haushalt oder Wirtschaftsbetrieb aufgenommen hat.

5

Die als Jahressteuer erhobene Steuer entsteht nach § 4 Abs. 1 und 2 der Satzung zu Beginn des Kalenderjahres. Sie wird nach § 5 Abs. 2 jährlich zum 1. Juli fällig und mit Bescheid entsprechend § 5 Abs. 1 der Satzung festgesetzt.

6

§ 6 Abs. 1 der Satzung sieht unterschiedliche Steuersätze für den ersten, den zweiten oder einen weiteren Hund bzw. für gefährliche, nicht ordnungsgemäß gehaltene Hunde oder Hunde einer Rasseliste vor. Es heißt dort:

7

„Die Steuer wird nach der Anzahl der gehaltenen Hunde bemessen. Sie beträgt jährlich:

8

1. für den ersten Hund

  96,00 Euro

2. für den zweiten Hund

144,00 Euro

3. für jeden weiteren Hund

192,00 Euro

4. für einen gefährlichen Hund

500,00 Euro

5. je Hund, wenn die Hundehaltung nicht ordnungsgemäß erfolgt

250,00 Euro

6. für folgende Hunde (Rasseliste) beträgt die Hundesteuer bis zum Erlass eines Landesgesetzes oder einer Landesverordnung

500,00 Euro

(…)

        

American Staffordshire Terrier oder Staffordshire Terrier

(…)”

9

In § 6 Abs. 2 der Satzung ist der Begriff des gefährlichen Hundes wie folgt definiert:

10

„Gefährlich i.S. von Abs. 1 Nr. 4 sind insbesondere Hunde, die sich gegenüber Menschen oder Tieren als aggressiv bzw. bissig erwiesen haben und deshalb ein Leinen- und/oder Maulkorbzwang unanfechtbar angeordnet wurde oder die per Gesetz oder Verordnung als gefährlich eingestuft wurden.“

11

§ 6 Abs. 3 der Satzung sieht vor:

12

„Die Feststellung der nicht ordnungsgemäßen Hundehaltung im Einzelfall erfolgt durch die zuständige Sicherheitsbehörde. Nicht ordnungsgemäß ist die Hundehaltung i.S. von Abs. 1 Nr. 5 insbesondere dann, wenn der Hundehalter gegen strafrechtliche Bestimmungen oder innerhalb von 6 Monaten mehrfach gegen Bußgeldbestimmungen verstoßen hat, die in direktem Zusammenhang mit der Hundehaltung oder Hundeführung stehen.“

13

§ 6 Abs. 5 der Satzung ergänzt:

14

„Für nicht ordnungsgemäß gehaltene Hunde i.S. des Abs. 3 erfolgt eine Besteuerung nach den in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 aufgeführten Steuersätzen, wenn der Hundehalter in den letzten zwei Jahren nicht gegen strafrechtliche Bestimmungen oder Bußgeldbestimmungen verstoßen hat, die in direktem Zusammenhang mit der Hundehaltung oder Hundeführung stehen. Der 2-Jahres-Zeitraum beginnt mit Ablauf des Monats, in dem die nicht ordnungsgemäße Hundehaltung von der zuständigen Sicherheitsbehörde festgestellt worden ist.“

15

Nachdem am 1. März 2009 das Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vom 23. Januar 2009 in Kraft getreten war, beschloss der Stadtrat der Antragsgegnerin am 10. September 2009 die 2. Änderungssatzung der Hundesteuersatzung vom 15. März 2007. Diese Änderungssatzung wurde im Amtsblatt Nr. 41/2009 vom 23. Oktober 2009 veröffentlicht.

16

Hiernach wurde rückwirkend zum 1. März 2009 § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung aufgehoben. § 6 Abs. 2 wurde wie folgt geändert:

17

„(2) Gefährlich i.S. von Abs. 1 Nr. 4 sind insbesondere Hunde, die sich gegenüber Menschen oder Tieren als aggressiv bzw. bissig erwiesen haben und deshalb gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vollziehbar als gefährlich festgestellt wurden.“

18

Die Antragsteller sind Halter eines Hundes der Rasse American Staffordshire Terrier. Unter dem 2. Januar 2008 erging gegen die Antragstellerin zu 1. ein Abgabenbescheid, durch den sie zur Zahlung von Hundesteuer in Höhe von 96,00 € verpflichtet wurde. Gleichzeitig wurde sie aufgefordert, in einem Formular Angaben zur Rasse ihres Hundes zu tätigen. Die Antragsteller sandten das Formular mit der Angabe zur Rasse des Hundes ausgefüllt zurück, legten aber zugleich mit Schreiben vom 23. Januar 2008 Widerspruch gegen den Steuerbescheid vom 2. Januar 2008 ein.

19

Mit Datum vom 18. Februar 2008 erging - dieses mal gegen beide Antragsteller - ein Änderungsbescheid, mit dem die Hundesteuer wegen der Rassezugehörigkeit des Hundes abweichend auf 500,00 € festgesetzt wurde. Zugleich wandte sich die Antragsgegnerin schriftlich an die Antragsteller und schlug vor, das bereits anhängige Rechtsbehelfsverfahren gegen den ursprünglichen Hundesteuerbescheid gegen den Abänderungsbescheid fortzuführen. Mit Schreiben vom 7. März 2008 erklärten die Antragsteller, den Widerspruch nicht zurückziehen und aufrechterhalten zu wollen.

20

Unter dem 18. Mai 2009 ist - unter Hinweis auf das am 1. März 2009 in Kraft getretene Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren - ein weiterer Änderungsbescheid ergangen, der die Hundesteuer für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. Dezember 2009 auf 80,00 € und ab dem 1. Juli 2010 auf jeweils 96,00 € pro Jahr festsetzt.

21

Am 28. April 2008 haben die Antragsteller einen Normenkontrollantrag gestellt.

22

Die Antragsteller machen geltend, bereits die Erhebung einer Hundesteuer als solche lasse sich durch die Ermächtigungsgrundlagen für die Erhebung örtlicher Aufwandsteuern in Art. 105 Abs. 2a, Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 87 Verf LSA, §§ 2, 3 KAG LSA nicht rechtfertigen. Die Hundesteuer habe sich historisch als Luxussteuer entwickelt. Sie entspreche nicht mehr geltenden rechtlichen Standards und stehe im Widerspruch zum modernen Steuersystem. Die Hundesteuer treffe nicht die besonders leistungsfähigen Teile der Bevölkerung, da auch Menschen mit geringen Einkünften Hunde halten würden. An einer Belastung auch dieser Bevölkerungsschichten änderten auch die Möglichkeiten von Vergünstigungen und Erlass nichts. Die Steuererhebung müsse am Prinzip der Leistungsfähigkeit ausgerichtet sein und den Schutz des Existenzminimums respektieren. Dem werde die Hundesteuer nicht gerecht. Steuern auf den Konsum würden bereits durch die Umsatzsteuer erhoben. Dieser bundesgesetzlich geregelten Steuer sei die Hundesteuer gleichartig. Die Haltung von Hunden stelle infolge einer Änderung der Lebensumstände keinen Luxus mehr dar. Die Haustierhaltung sei gesellschaftlich anerkannt und aus ökonomischen und sozialen Gründen zu unterstützen. Das gewandelte Verständnis komme in Rechtsprechung und Gesetzgebung zum Ausdruck. Die Hundesteuer werde mit einer lenkenden Ordnungsfunktion - der Reduzierung des Hundebestandes, der Eindämmung der Haltung bestimmter Rassen und der Deckung der durch Hundehaltung entstehenden Kosten - gerechtfertigt. Damit habe sie aber ihren Ursprung in überholten Rechtsvorstellungen und widerspreche einem gewandelten Verständnis, das auch in neueren gesetzlichen Regelungen insbesondere des Bürgerlichen Rechts und Zivilprozessrechts Ausdruck finde.

23

Die Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin widerspreche darüber hinaus wegen mehrerer Einzelregelungen höherrangigem Recht: Die Festsetzung eines höheren Steuersatzes für Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung verletze den Gleichheitssatz. Hunde dieser Rasse seien nicht gefährlicher als andere in der Rasseliste nicht aufgeführte Hunde. Sie seien insbesondere im Stadtgebiet der Antragsgegnerin nicht auffällig geworden. Es gebe auch vor dem Hintergrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen keine Statistiken oder Erhebungen, nach denen eine erhöhte Auffälligkeit belegt sei. Forschungsergebnisse der Tierärztlichen Hochschule in Hannover sprächen gegen eine besondere Gefährlichkeit von Hunden dieser Rasse. Die neueren fachwissenschaftlichen Erkenntnisse müssten nach der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts vom Normgeber verfolgt und bei der Normsetzung berücksichtigt werden. Der Hund der Antragsteller sei von freundlichem Wesen, gut erzogen und ungefährlich. Mit der Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung überschreite der Satzungsgeber seine Steuergesetzgebungskompetenz. Der Steuertatbestand sei zu unbestimmt. Hier werde Sicherheits- und Steuerrecht vermischt. Das Willkürverbot werde verletzt, weil Hundehalter, die ohnehin den Höchstsatz zahlten, keine „Strafsteuer“ zahlen müssten. Die Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung greife in die Sachkompetenz des Landes ein, sei unbestimmt und unverhältnismäßig.

24

Nach der Veröffentlichung der 2. Änderungssatzung zur Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin haben die Antragsteller ihren Antrag modifiziert. Sie tragen ergänzend vor, das rechtliche Interesse am Antrag bestehe wegen der Besteuerung für vergangene Zeiträume und wegen der Gefahr, dass wieder eine erhöhte Besteuerung für bestimmte Hunderassen eingeführt werden könnte, fort. Die Streichung der Sonderregelung für Hunde der Rasseliste sei keine bloße Klarstellung gewesen. Die neue Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung sei zwar klarer als die Vorgängerregelung. Sie stehe aber im Widerspruch zu den Überlegungen, die hinter der Streichung der Rasseliste stünden. Zudem sei der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum es neben den Regelungen des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren noch zusätzlich einer erhöhten Besteuerung für gefährliche Hunde bedürfe.

25

Die Antragsteller beantragen,

26

die Festsetzungen der Neufassung der Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin vom 28.03.2007, bekannt gegeben am 30.04.2007, insbesondere in § 6 Abs. 1 Nr. 4 - 6 und Abs. 2 - 5, für unwirksam zu erklären

27

und festzustellen, dass § 6 Abs. 1 Nr. 6, der durch die 2. Änderungssatzung der Antragsgegnerin, veröffentlich im Amtsblatt Nr. 41 vom 23.10. 2009, Seite 883, ab 01.03.2009 gestrichen wurde, im Zeitraum seiner Geltung vom 01.01.2008 bis 28.02.2009 unwirksam war.

28

Die Antragsgegnerin beantragt,

29

den Antrag abzulehnen.

30

Zur Antragserwiderung trägt sie zunächst mit Schriftsatz vom 12. August 2008 vor: Die angegriffene Satzung sei formell und materiell rechtmäßig und finde ihre Ermächtigungsgrundlage in Art. 105 Abs. 2 a, Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 88 Abs. 3 Verf LSA, §§ 6, 91 Abs. 1 und 2 GO LSA sowie §§ 1 bis 3 KAG LSA. Die Hundesteuer stelle eine örtliche Aufwandsteuer dar, mit der die besondere Leistungsfähigkeit besteuert werde, die in den Aufwendungen für das Halten des Hundes, nicht seinen Erwerb zum Ausdruck komme. Im Einzelfall erfolge eine Stundung oder ein Erlass der Hundesteuer. Gegebenenfalls würden auch Befreiungs- oder Ermäßigungstatbestände eingreifen.

31

§ 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung habe während seiner Geltungsdauer dem Ziel der Eindämmung eines abstrakten Gefährdungspotenzials gedient. Dass auch Hunde der in Frage stehenden Rasse ein solches Potenzial aufwiesen, habe bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 - anerkannt. Auf den einzelnen Hund komme es nicht an. Auch im Bereich der Antragsgegnerin sei es in der Vergangenheit zu schweren Beißvorfällen unter Beteiligung von Hunden der Rasseliste gekommen. Hieraus ergäben sich Anhaltspunkte für eine erhöhte Gefährlichkeit dieser Hunde, die auch Gegenstand des Hundeverbringungs- und Hundeeinfuhrgesetzes des Bundes seien. Auch § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung diene der ordnungspolitischen Zielsetzung der Gefahrenabwehr und solle im Tierschutzinteresse die ordnungsgemäße Hundehaltung unterstützen. Die Erzielung von Einnahmen könne auch Nebenzweck der Steuererhebung sein. Die Begriffe der Norm nähmen Bezug auf Rechtsvorschriften für die Haltung und Führung von Hunden im öffentlichen Raum. Eine Ausweitung der Steuerpflicht auf Hundeführer erfolge nicht. Eine tatbestandliche Abgrenzung zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung sei möglich. Es finde keine doppelte Bestrafung statt. Das Willkürverbot werde nicht verletzt. In die Sachkompetenz des Landes werde nicht eingegriffen. Es gebe keinen Widerspruch zu Landesgesetzen. § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung trete automatisch außer Kraft, wenn das Land durch Gesetz oder Verordnung eine Regelung zu gefährlichen Hunden treffe.

32

Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren und die 2. Änderungssatzung zur Hundesteuersatzung ist ergänzend ausgeführt worden, dass durch diese Rechtsänderungen die Normenkontrollklage gegen § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung für den Zeitraum ab dem 1. März 2009 gegenstandslos geworden sei, während für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 28. Februar 2009 eine Antragsbefugnis fortbestehe. Durch die weiteren Änderungen der Hundesteuersatzung seien Klarstellungen und Anpassungen an das Landesrecht erfolgt.

33

Ergänzend ist weiter zur Erstreckung des Widerspruches auf den Bescheid vom 18. Februar 2008 und zur Frage nach der Zulässigkeit einer erhöhten Besteuerung nach einer Rasseliste vorgetragen worden.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

35

Der Antrag bleibt insgesamt ohne Erfolg.

36

I. Der Antrag ist jedenfalls insoweit zulässig, als er sich gegen die in der Neufassung der Hundesteuersatzung vom 15. März 2007, veröffentlicht im Amtsblatt der Antragsgegnerin Nr. 13/2007 vom 30. April 2007, enthaltene Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 6 über den erhöhten Steuersatz für Hunde der dort aufgeführten Rassen richtet.

37

1. Der Antrag ist gegen eine Satzung gerichtet und damit nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 10 AG VwGO LSA statthaft.

38

2. Die Antragsteller sind Halter eines Hundes, der unter die Rasseliste gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung in der Fassung vor dem Inkrafttreten der 2. Änderungssatzung vom 10. September 2009 fällt, und deswegen auch Adressaten eines auf dieser Grundlage bemessenen Hundesteuerbescheides. Sie sind damit antragsbefugt im Sinne von § 47 Abs. 2 VwGO, da eine Verletzung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte jedenfalls möglich erscheint.

39

Der Senat lässt dahin stehen, ob den Antragstellern die Antragsbefugnis fehlt, soweit sie sich auch gegen die Steuersätze in § 6 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 der Satzung und die damit korrespondierenden Bestimmungen in § 6 Abs. 2 und 3 der Satzung wenden.

40

Fraglich ist dies, weil auf dieser Grundlage die gegen sie gerichteten Hundesteuerbescheide nicht erlassen sind. Die Antragsteller haben in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass sie sich vorsorglich auch gegen diese Bestimmungen wenden wollen. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Antragsteller in den Anwendungsbereich dieser Normen fallen oder künftig fallen können. Denn die Antragsteller haben selbst vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass ihr Hund nicht konkret gefährlich ist, so dass auch nichts dafür spricht, dass er auch künftig in den Anwendungsbereich von § 6 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 der Satzung fallen könnte. Ihrem Vortrag zur Haltung und Ausbildung ihres Hundes lässt sich auch entnehmen, dass sie ihre Verantwortung als Hundehalter bislang sorgfältig wahrnehmen. Es gibt damit keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie schwerwiegende und wiederholte Verstöße gegen Bestimmungen über die Hundehaltung und -führung begehen könnten, die eine Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 der Satzung nach sich ziehen könnten. Es liegt damit fern anzunehmen, dass die Antragsteller künftig möglicherweise in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen fallen könnten. Eine Nichtigkeit dieser Normen würde auch nicht zur Gesamtnichtigkeit der Hundesteuersatzung führen, da die Regelung des § 6 Abs. 1 der Satzung eine Zusammenstellung verschiedener Fallgruppen enthält, die ohne weiteres teilbar ist.

41

Der Antrag ist auch insoweit aber - wie nachfolgend auszuführen ist - jedenfalls unbegründet.

42

3. Dem Antrag fehlt es auch nicht deswegen an einem fortbestehenden Rechtsschutzbedürfnis, weil die Regelung durch die 2. Änderungssatzung zur Neufassung der Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin mit Wirkung vom 1. März 2009 aufgehoben wurde und in Umsetzung dieser Novellierung ein Änderungsbescheid gegen die Antragsteller ergangen ist.

43

Zwar ergibt sich dies entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller nicht aus einer Wiederholungsgefahr. Die Antragsteller führen aus, die Antragsgegnerin hätte die Regelung nur unter dem Druck des Verfahrens aufgehoben und es stehe zu befürchten, dass wieder eine „Kampfhundebesteuerung“ eingeführt werde, wenn „dies rechtlich problemlos durchsetzbar sei“. Eine Wiederholungsgefahr kann zwar grundsätzlich trotz Aufhebung einer Norm für ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis sprechen. Sie muss aber hinreichend konkret sein (NdsOVG, Urt. v. 25.11.1996 - 3 K 4767/94 -, zitiert nach juris; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 47 Rdnr. 90). Konkrete Anhaltspunkte für entsprechende Absichten des Satzungsgebers sind aber von den Antragstellern nicht benannt und auch sonst nicht ersichtlich. Da sich auch der Landesgesetzgeber gegen Rasselisten entschieden hat und die Antragsgegnerin gerade im Hinblick auf diesen Grundsatz der Landesgesetzgebung von der Rasseliste abgerückt ist, liegt eine solche Annahme fern.

44

Jedoch besteht das Rechtsschutzinteresse deswegen fort, weil die aufgehobene Rechtsvorschrift noch Rechtswirkungen zu äußern vermag, weil ein in der Vergangenheit liegender Sachverhalt noch nach ihr zu entscheiden ist (Kopp/Schenke, a.a.O. m.w.N.). Denn der Änderungsbescheid vom 18. Februar 2008 ist noch nicht bestandskräftig. Vielmehr ist das auch ihn betreffende Widerspruchsverfahren noch anhängig und auf der Grundlage unter anderem der Normen zu entscheiden, gegen die sich der Normenkontrollantrag richtet.

45

Der Widerspruch der Antragsteller vom 23. Januar 2008 richtet sich zwar gegen den Bescheid vom 2. Januar 2008, der durch den Bescheid vom 18. Februar 2008 ersetzt worden ist. Zugleich mit dem Bescheid vom 18. Februar 2008 ist den Antragstellern aber ein Schreiben der Antragsgegnerin vom selben Tage zugegangen, in dem diese vorschlägt, das Rechtsbehelfsverfahren gegen den anliegenden Bescheid fortzuführen. Mit Schreiben vom 7. März 2008 haben die Antragsteller daraufhin mitgeteilt, ihren Widerspruch nicht zurückziehen und aufrecht halten zu wollen. Da die zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertretenen Antragsteller in diesem Schreiben deutlich machen, dass sie an ihren Einwänden gegen die Hundesteuersatzung der Antragsgegnerin und insbesondere die erhöhte Hundesteuer für Hunde der Rasseliste ihres § 6 Abs. 1 Nr. 6 festhalten und sich mit allen rechtlichen Möglichkeiten gegen eine auf dieser Grundlage ergangene Steuerfestsetzung wehren wollen, kann dieses Schreiben als Erstreckung des Widerspruches vom 23. Januar 2008 auf den Änderungsbescheid vom 18. Februar 2008 verstanden werden. Die Antragssteller machen mit ihrem Schreiben ausreichend deutlich, dass sie den Vorschlag der Antragsgegnerin aus deren Schreiben vom 18. Februar 2008 aufgreifen wollen. Sie haben von Anfang an klar gestellt, das sich ihre Einwände gegen die Steuererhebung in erster Linie gegen die erhöhte Hundesteuer für Hunde bestimmter Rassen richtet, die gegen sie erst mit dem Änderungsbescheid vom 18. Februar 2008 festgesetzt worden ist. Für dieses Auslegungsergebnis spricht indiziell auch, dass ein Widerspruchsbescheid bislang nicht ergangen ist und die Antragsgegnerin im Normenkontrollverfahren jedenfalls schriftsätzlich nicht vorgebracht hat, das Steuerfestsetzungsverfahren sei bereits bestandskräftig geregelt. Erst als Reaktion auf einen gerichtlichen Hinweis hat sie in der mündlichen Verhandlung die Möglichkeit einer anderen Auslegung des Schreibens der Antragsteller in den Raum gestellt, jedoch eingeräumt, dass auch ihr Schreiben vom 18. Februar 2008 nicht eindeutig formuliert war.

46

Hiernach steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Beteiligten durch die Schreiben vom 18. Februar 2008 und vom 7. März 2008 eine Erstreckung des Widerspruches vom 23. Januar 2008 auf den Änderungsbescheid vom 18. Februar 2008 mit der Folge vereinbart haben, dass die Frage der Höhe der Hundesteuer jedenfalls für den Zeitraum bis zum 31.12.2008 noch nicht bestandskräftig geregelt ist.

47

4. Da sich der Antrag gegen die Neufassung der Hundesteuersatzung in der Fassung des Stadtratsbeschlusses vom 15. März 2007, bekannt gemacht am 30. April 2007, wendet und am 28. April 2008 beim Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt eingegangen ist, ist die Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO insofern gewahrt.

48

Der Antrag richtet sich allerdings unter anderem auch gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Hundesteuer als solche. Diese Verpflichtung wurde nicht erstmals durch die konkret angegriffene Satzung begründet, sondern war bereits in der nach § 16 Satz 1 der Satzung aufgehobenen Vorgängersatzung vom 13. September 2001, bekannt gemacht im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 23. Oktober 2001, enthalten. Der Normenkontrollantrag ist allerdings aus diesem Grund nicht insgesamt verfristet.

49

Eine Novellierung einer Norm setzt die Jahresfrist eines Normenkontrollverfahrens zwar grundsätzlich nur für die geänderten Vorschriften neu in Gang (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.09.2009 - 1 BvR 2054/09 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11 m.w.N.). Die Frist wird durch die Novellierung eines Gesetzes auch dann neu eröffnet, wenn die schon zuvor angreifbare Bestimmung durch die Änderungen anderer Bestimmungen einen neue, den Antragsteller stärker als bisher belastende Wirkung erhalten hat (BVerfG a.a.O.). Auch das Landesverfassungsgericht stellt im Rahmen einer Normenkontrolle für den Lauf der Frist darauf ab, ob die gerügte Belastung bereits durch eine inhalts- oder wirkungsgleiche Vorgängervorschrift begründet worden ist; dann kommt es auf den Zeitpunkt der materiellen Vorbelastung an (LVerfG, Urt. v. 12.07.2005 - LVG 4/04 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 42 m.w.N.).

50

Dass dem Normenkontrollantrag allerdings auch insoweit das Verstreichen der Jahresfrist nicht entgegen gehalten werden kann, ergibt sich aber zum einen daraus, dass die Verpflichtung zur Zahlung der Hundesteuer gerade durch die Festsetzung eines deutlich erhöhten Steuersatzes nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung nach der Neufassung der Hundesteuersatzung vom 15. März 2007 vor Inkrafttreten der 2. Änderungssatzung am 1. März 2009 eine stärker belastende Wirkung hat. Zum anderen machen die Antragsteller hier auch geltend, dass die Verpflichtung zur Zahlung von Hundesteuern erst durch gewandelte soziale Verhältnisse und rechtliche Rahmenbedingungen nachträglich rechtswidrig geworden ist. Um die Rechtsschutzfunktion der prinzipalen Normenkontrolle in Fällen des Rechtswidrigwerdens von Normen nicht leerlaufen zu lassen, spricht in solchen Fällen Überwiegendes dafür, keine Frist laufen zu sehen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rdnr. 85 m.w.N. und insbesondere BayVGH, Urt. v. 25.03.2004 - 25 N 01.308 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 29 f für Bebauungspläne). Für diese Rechtsauffassung sprechen die Bedeutung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und der Umstand, dass Sinn und Zweck der Fristregelung des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO hier nicht zwingend ein anderes Verständnis verlangen. Wird eine Belastung nämlich erst nachträglich rechtswidrig, so ist es nicht in gleicher Weise wie bei einer von Anfang an rechtswidrigen Norm geboten, dem Interesse an Rechtssicherheit Vorrang vor dem individuellen Rechtsschutz zu geben.

51

II. Der Antrag ist insgesamt unbegründet.

52

1. Entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller steht die grundsätzliche Verpflichtung des Hundeshalters, Hundesteuer zu zahlen, in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht. Die Begründung dieser Verpflichtung in §§ 1 und 2 der Satzung beruhen auf der Ermächtigungsgrundlage in §§ 2 und 3 KAG LSA, die ihrerseits in Übereinstimmung mit Art. 105 Abs. 2 a, 28 Abs. 2 GG und Art. 87, 88 Verf LSA stehen.

53

a. Die Hundesteuer stellt eine Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG dar:

54

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Aufwandsteuern im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a GG nur den besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand für die persönliche Lebensführung erfassen und damit die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit besteuern. Die Hundesteuer ist eine solche Aufwandsteuer. Das Halten eines Hundes geht über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinaus und erfordert einen - wenn auch unter Umständen nicht sehr erheblichen - zusätzlichen Vermögensaufwand (BVerwG, Beschl. v. 02.11.2006 - 10 B 4/06 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 4 m.w.N.). Aufwandsteuern beziehen sich nicht notwendigerweise auf „Luxusgegenstände“ (BVerwG, Beschl. v. 28.11.1997 - 8 B 224/97 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 6 m.w.N., OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 07.05.1996 - 6 A 12926/95 -, KStZ 1997, 156). Für die Annahme des Vorliegens einer Aufwandsteuer ist ohne Belang, welchen Zwecken die Einkommens- und Vermögensverwendung im Einzelfall dient und aus welchen Beweggründen sie vorgenommen wird; unerheblich ist auch, ob der Aufwand im Einzelfall die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit überschreitet (BVerwG, Beschl. v. 31.10.1990 - 8 B 72/90 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 2 m.w.N.).

55

Hiernach greift die Argumentation der Antragsteller, die Hundesteuer sei zwar historisch als sogenannte Luxussteuer entstanden, zwischenzeitlich sei durch gewandelte Lebensumstände aber ein Bedeutungswandel eingetreten, der die Hundehaltung zu einer sozialadäquaten Gewohnheit aller Bevölkerungsschichten mache, nicht durch.

56

Denn auch wenn dies zutrifft, schließt es die Charakterisierung der Hundesteuer als Aufwandsteuer nicht aus. Diese knüpft nämlich nicht an einen „Luxus“ an, den sich nur kleine Teile der Bevölkerung leisten können. Vielmehr kann auch ein vergleichsweise unerheblicher Aufwand zum Gegenstand der Steuererhebung gemacht werden. Wer einen Hund hält, tätigt Aufwendungen für Futter, Pflege und gegebenenfalls tierärztliche Versorgung des Hundes. Dieser Aufwand geht über dasjenige hinaus, was der Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs dient und kann damit Anknüpfungspunkt einer Besteuerung sein.

57

Dass die Hundehaltung positive Auswirkungen auf die Lebensqualität des Hundehalters hat, steht dem nicht entgegen. Schon deshalb, weil sich große Teile der Bevölkerung ohne subjektive Einbuße an Lebensqualität gegen eine Hundehaltung entscheiden, gehört diese nicht zum allgemeinen Lebensbedarf. Nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es auch unerheblich, dass hinter der Hundehaltung die - sozialadäquate und in der Rechtsordnung anerkannte - Liebe zu und die Absicht des Schutzes von Tieren steht.

58

Dem Aufwandcharakter steht auch nicht entgegen, dass die Hundehaltung in der Rechtsordnung - sei es im Mietrecht, im Deliktsrecht oder im Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht - Schutz genießt. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, nach dem der rechtliche Schutz eines Sachverhaltes in einem Rechtsgebiet in jedem Fall verlangen würde, diesen Sachverhalt in allen anderen Rechtsgebieten von Belastungen frei zu stellen. Vielmehr können die unterschiedlichen Regelungszwecke und -wirkungen es rechtfertigen, dass eine Privilegierung in einem Rechtsgebiet sich nicht als Freistellung von andersartigen Belastungen in einem anderen Rechtsgebiet auswirkt. Dies gilt insbesondere für das Recht des Schadensersatzes und die Zwangsvollstreckung. Die bestehende emotionale Beziehung zu einem Hund würde durch eine Wegnahme des Tieres im Wege der Zwangsvollstreckung oder die Inkaufnahme seiner Einschläferung wegen der Verweigerung von Behandlungskosten nämlich ungleich stärker belastet als durch die Besteuerung des Aufwandes für die Hundehaltung, die im Hinblick auf ihre relative Höhe und die Möglichkeiten von Ermäßigungen oder Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall typischerweise gerade nicht zur Abgabe eines Tieres zwingt, zu dem bereits eine emotionale Beziehung aufgebaut wurde.

59

Die Besteuerung der Hundehaltung widerspricht insbesondere nicht dem Tierschutzgedanken von Art. 20 a GG, der auch in § 90 a Satz 1 und 2 BGB Ausdruck findet, da sie dem Hund weder Schmerzen noch Leiden zufügt und es auch weder unmöglich noch unzumutbar macht, bestehende Beziehungen zwischen Mensch und Tier fortzuführen oder neue zu knüpfen. Es gibt nämlich auch nach dem Vortrag der Antragsteller keinen tatsächlichen Hinweis darauf, dass die Hundesteuererhebung auf der Grundlage der Satzung der Antragsgegnerin erdrosselnde Wirkung hätte und Hundehalter zwingen würde, die Tiere abzugeben. Entsprechende Behauptungen bleiben vage und sind gleichsam ins Blaue hinein vorgebracht und nicht durch tatsächliche Indizien unterfüttert. Sie geben daher auch keinen Anlass für weitere Aufklärungsbemühungen.

60

b. Das Verbot der Gleichartigkeit einer bundesgesetzlich geregelten Steuer steht der Zulässigkeit der Hundesteuer nicht entgegen:

61

Das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG verbietet eine Doppelbelastung derselben Steuerquelle. Art. 105 Abs. 2 a GG lässt die zur Zeit des 21. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359 - Finanzreformgesetz -) üblichen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern unberührt und verlangt für die nicht herkömmlichen örtlichen Steuern, dass der steuerbegründende Tatbestand nicht denselben Belastungsgrund erfasst wie eine Bundessteuer, sich also in Gegenstand, Bemessungsgrundlage, Erhebungstechnik und wirtschaftlicher Auswirkung von der Bundessteuer unterscheidet (vgl. BVerfG, Urt. v. 07.05.1998 - 2 BvR 1991/95, 2004/95 -, BVerfGE 98, 106, 125; BVerwG, Urt. v. 22.12.1999 - 11 CN 3/99 -, NVwZ 2000, 934).

62

Da Hundesteuern zu den herkömmlichen Aufwandsteuern in diesem Sinne gehören (Maunz/Dürig, GG, Art. 105 Rdnr. 58; Kienemund in: Hömig, GG, 9. Auflage 2010, Art. 105 Rdnr.11), fallen sie bereits nicht in den Anwendungsbereich des Gleichartigkeitsverbots. Dass die Hundesteuer in § 3 Abs. 1 KAG LSA eine mit Art. 105 Abs. 2 a GG zu vereinbarende und hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage hat, entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 19.01.2000 - BVerwG 11 C 8.99 -, BVerwGE 110, 265, 268), der der Senat folgt.

63

c. Der Satzungsgeber überschreitet trotz der verfolgten Lenkungswirkung mit der Hundesteuersatzung nicht den Bereich seiner Normsetzungskompetenz.

64

Eine nach Art. 105 Abs. 2 a GG i.V.m. dem Kommunalabgabengesetz eines Landes erlassene satzungsrechtliche Steuerregelung, die Lenkungswirkungen in einem nichtsteuerlichen Kompetenzbereich entfaltet, bedarf keiner zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretenden Sachkompetenz. Der Satzungsgeber ist deshalb zur Regelung von Lenkungssteuern in dem genannten Zusammenhang zuständig, mag die Lenkung Haupt- oder Nebenzweck sein (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000, a.a.O.).

65

Vor diesem Hintergrund ist es unbedenklich, dass die Antragsgegnerin unbestritten auch den Lenkungszweck einer Eindämmung der Hundehaltung aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr verfolgt. Dies ist gerade im dicht besiedelten Gebiet einer Stadt vielmehr sachgerecht. Auch wenn die Hundehaltung - worauf die Antragsteller mit Recht hinweisen - für viele Menschen positive Auswirkungen hat, gibt es auch eine nicht unerhebliche Zahl von Einwohnern, die Hunde ablehnen. Auch die hierfür bestehenden Gründe - seien es Geräuschbelästigungen durch Hunde, hygienische Bedenken wegen Hundekot auf Gehwegen oder in Parkanlagen, die Gefahren für Menschen oder andere Tiere durch den Jagdinstinkt von Hunden oder Hundehaarallergien - weisen auf grundrechtlich geschützte Interessen hin. Zwischen den insoweit bestehenden Interessenlagen ist durch die Antragsgegnerin für die örtliche Gemeinschaft ein Ausgleich herzustellen. Sie bewegt sich innerhalb ihres Gestaltungsspielraumes, wenn sie durch Gestaltung ihres Steuerrechts die Zahl der Hunde im Stadtgebiet und damit die Zahl möglicher Nutzungskonflikte und die Beeinträchtigungen für Nicht - Hundehalter klein halten will.

66

Die Verfolgung dieser Zwecke begründet entgegen der Einschätzung der Antragsteller auch keine Widersprüchlichkeit der Rechtsordnung. Das Ziel einer Verbesserung des Schutzes von Tieren und der Beziehung zwischen Menschen und Tieren, das etwa in §§ 90a, 251 Abs. 2 BGB, § 811 c ZPO zum Ausdruck kommt und in Art. 20 a GG verankert ist, wird nicht dadurch gefährdet, dass die Hundehaltung Anknüpfungspunkt einer Steuererhebung ist. Denn wie ausgeführt ist durch die Steuerzahlung das Wohl des Tieres nicht gefährdet und eine Tierhaltung auch nicht unzumutbar gemacht. Eine innere Widersprüchlichkeit der Rechtsordnung, wie sie das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 7. Mai 1998 (a.a.O.) ausgeschlossen hat, wird daher durch die Erhebung von Hundesteuer nicht begründet.

67

2. Entgegen der Einschätzung der Antragsteller stehen auch die vorliegend beanstandeten Regelungen von § 6 der Satzung, auch soweit sie nur noch für noch nicht bestandskräftig abgeschlossene Festsetzungsverfahren wie das der Antragsteller Geltung beanspruchen, in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht.

68

1. Dies gilt zunächst für § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung in der Fassung vor Inkrafttreten der 2. Änderungssatzung am 1. März 2009.

69

a. Der allgemeine Gleichheitssatz verbietet es dem Satzungsgeber entgegen der Rechtsauffassung der Antragsteller nicht, in einer Satzung Hunde bestimmter Rassen als gefährlich einzustufen und das Halten solcher Hunde wegen ihrer gesteigerten abstrakten Gefährlichkeit mit einem erhöhten Steuersatz zu belegen (so schon OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 12.02.2008 - 4 L 384/05 - m.w.N.).

70

aa. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet für den Normgeber die allgemeine Weisung, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dies gilt nicht ausnahmslos, sondern nur, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit der Sachverhalte so bedeutsam sind, dass ihre Beachtung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten geboten erscheint. Dabei ist dem Normgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit zuzugestehen. Dies gilt auch für die das Steuerrecht beherrschende Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG als Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und -praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den steuerlichen Vorteilen der Typisierung steht.

71

Die mit der Typisierungsbefugnis einhergehende Gestaltungsfreiheit muss der Normgeber allerdings sachgerecht ausüben. Eine ungleiche Behandlung muss sich im Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs auf einen vernünftigen oder sonst wie einleuchtenden Grund zurückführen lassen. Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd ist, lässt sich nicht allgemein und abstrakt feststellen, sondern nur in Bezug auf die Eigenart des konkreten Sachbereiches, der geregelt wird (BVerwG, Urt. v. 19.01.2000, a.a.O., S. 272 m.w.N. zur Rspr. des BVerfG).

72

bb. Diese Grundsätze verletzt die Aufnahme von Hunden der Rasse American Staffordshire Terrier in die Liste der Hunde nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung, für die eine erhöhte Hundesteuer zu zahlen ist, nicht. Denn der Satzungsgeber überschreitet die Grenzen seines Beurteilungsspielraumes nicht, wenn er für den Zeitraum bis zum 1. März 2009 davon ausgeht, dass Hunden dieser Rasse eine abstrakte Gefährlichkeit zukommt, die es ihm geboten erscheinen lässt, generell und langfristig die Haltung solcher Hunde zurückzudrängen.

73

aaa. Es ist zunächst unerheblich, ob es eigene Erhebungen des Satzungsgebers gibt, die „Beißvorfälle“ unter Beteiligung von Hunden dieser Rasse im Stadtgebiet belegen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28.02.2005 - 4/2 L 102/04 -, Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 3 Rdnr. 114).

74

Vielmehr ist jeder Satzungsgeber berechtigt, Regelungen eines anderen Normgebers durch Verweisung oder wörtliche Aufnahme in seinen Normtext zu übernehmen, wenn er dieselbe oder eine vergleichbare Regelung erlassen und sich dabei den Wertungen der übernommenen Normierungen anschließen will. Dabei braucht er die der übernommenen Regelung zugrunde liegenden Erkenntnisse und Tatsachen nicht notwendig selbst erneut zu erheben und auf ihre sachliche Richtigkeit zu überprüfen, sofern es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie offensichtlich falsch sind (BVerwG, Beschl. v. 28.07.2005 - 10 B 34/05 -, NVwZ 2005, 1325). Ein solches Vorgehen entbindet den Normgeber aber nicht der Verantwortlichkeit für die Richtigkeit der zugrunde liegenden Annahmen und Erkenntnisse. Dies umschließt auch die Pflicht, eine übernommene Regelung unter Kontrolle zu halten und gegebenenfalls zu korrigieren (BVerwG, Beschl. v. 28.07.2005, a.a.O.).

75

bbb. Hier durfte der Satzungsgeber die Einschätzung des Bundesgesetzgebers zur abstrakten Gefährlichkeit dieser Hunde übernehmen, die den Bundesgesetzgeber zur Aufnahme von Hunden dieser Rasse in die Liste nach § 1 und § 2 Abs. 1 Satz 1 des Hundeverbringungs- und Einfuhrbeschränkungsgesetzes veranlasst hatten. Dass dieser Einschätzung eine verlässliche Tatsachengrundlage zugrunde lag, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 16. März 2004 (-1 BvR 1778/01 -, BVerfGE 110, 141) bestätigt. Vergleichbare Einschätzungen sind zudem auch von anderen Satzungsgebern in Sachsen-Anhalt aufgegriffen und Regelungen zur Höhe der Hundesteuer für sogenannte „Kampfhunde“ zugrunde gelegt worden. Entsprechende Bestimmungen sind durch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urt. v. 19.01.2000, a.a.O.) und auch durch den Senat (vgl. Beschl. v. 28.02.2005 - 4/2 L 102/04 -, Beschl. v. 31.05.2006 - 4 L 356/03 -, Urt. v. 23.01.2006 - 4 L 289/05 -, Urt. v. 12.02.2008 - 4 L 384/05) im Ergebnis nicht beanstandet worden. Diese Wertung zu übernehmen, war die Antragsgegnerin damit berechtigt. Denn es gibt keinen Rechtssatz, nach dem sie bei der Übernahme von Wertungen eines anderen Normgebers auf Wertungen des Landesgesetzgebers beschränkt wäre. Sie nahm zugleich aber auch die Verpflichtung auf sich, die weitere Entwicklung zu beobachten und die Norm zu überprüfen und zu revidieren, falls sich erweist, dass die ihr zugrunde liegenden Annahmen nicht mehr zutreffen (BVerfGE 110, 158).

76

Da die fragliche Norm durch die 2. Änderungssatzung der Antragsgegnerin mit Wirkung zum 1. März 2009 aufgehoben worden ist, weil die Antragsgegnerin auf eine veränderte Rechtslage auf Landesebene und die sich aus dem Gesetzgebungsverfahren zum Gesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vom 23. Januar 2009 reagierte, stellt sich in diesem Verfahren allein noch die Frage, ob diese Reaktion im Hinblick auf die von den Antragstellern herangezogenen, neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte erfolgen müssen.

77

(1) Die Antragsteller beziehen sich auf Erkenntnisse, die aus Forschungsprojekten der Tierärztlichen Hochschule Hannover gewonnen wurden, und nehmen ein Interview mit Prof. Dr. Hansjoachim Hackbarth in der Zeitschrift DER GEBRAUCHSHUND 2/2005 sowie die Dissertation von Jennifer Hirschfeld „Untersuchung einer Bullterrier-Zuchtlinie auf Hypertrophie des Aggressionsverhaltens“, Hannover 2005, die Dissertation von Böttjer „Untersuchung des Verhaltens von fünf Hunderassen und einem Hundetypus im innerartlichen Kontakt des Wesenstestes nach den Richtlinien der Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung vom 05.07.2000“, Hannover 2003, die Dissertation von Ruth Paproth „Fälle von Hundangriffen in Deutschland, eine Internetbefragung“, Hannover 2004, die Dissertation von Angela Mittmann „Untersuchung des Verhaltens von 5 Hunderassen und einem Hundetypus im Wesenstest nach den Richtlinien der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000“, Hannover 2002, sowie die Untersuchung von Tina Johann „Untersuchung des Verhaltens von Golden Retrievern im Vergleich zu den als gefährlich eingestuften Hunden im Wesenstest nach der Niedersächsischen Gefahrtierverordnung vom 05.07.2000“ in Bezug.

78

Die damit in Bezug genommenen Untersuchungen beziehen sich auf das Verhalten von Hunden, die nach der niedersächsischen Rechtslage in verschiedene Listen mit Hundehalter unterschiedlich schwer belastenden Restriktionen aufgenommen sind, und vergleichen diese Hunde untereinander bzw. mit „Nicht-Listenhunden“. Untersucht wurde, ob und in welchem Ausmaß sich die Hunde unterschiedlicher Listen nach der niedersächsischen Rechtslage einerseits sowie „Listenhunde“ und „Nicht-Listenhunde“ andererseits im innerartlichen Kontakt und im Kontakt mit Menschen oder sonstigen Umwelteinflüssen inadäquat oder gestört aggressiv verhalten oder nicht. Nach Einschätzung der genannten Wissenschaftler lassen sich festgestellte Unterschiede zwischen den einzelnen untersuchten Hunderassen nicht als erheblich einstufen.

79

(2) Selbst wenn man diese Erkenntnisse berücksichtigt, hat der Satzungsgeber vor dem 1. März 2009 seinen Beurteilungsspielraum noch nicht überschritten, wenn er dennoch von einer erhöhten abstrakten Gefährlichkeit von Hunden dieser Rasse, insbesondere von American Staffordshire Terriern, ausgegangen ist, die Anlass zu einer die Hundehaltung möglichst eindämmenden erhöhten Steuerfestsetzung sein konnte.

80

Denn die Prognose einer abstrakten Gefährlichkeit gründet sich auf mehrere, nebeneinander stehende Faktoren. Anknüpfungspunkt für die fragliche Einschätzung ist nicht eine festgestellte oder vermutete individuelle Gefährlichkeit des einzelnen Hundes, sondern das genetische Potenzial und körperliche Merkmale der aufgelisteten Hunderassen, die jedenfalls bei Hinzutreten weiterer Umstände eine Gefahr ergeben können (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15.11.2007 - 5 A 1.06 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 62). Hat die abstrakte Gefährlichkeit von bestimmten Hunderassen aber multifaktorielle Ursachen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 07.07.2008 - 6 BN 1/08 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 4), so sind die von den Antragstellern in Bezug genommenen Untersuchungen jedenfalls nur auf einzelne dieser Faktoren beschränkt: Selbst wenn man auf ihrer Grundlage davon ausgeht, dass „Listenhunde“ nicht häufiger unangemessen aggressiv reagieren als „Nicht-Listenhunde“, so ist damit keineswegs auszuschließen, das unangemessen aggressive Reaktionen von „Listenhunden“ typischerweise weitaus gravierendere Verletzungen von Menschen hervorrufen können als unangemessen aggressive Reaktionen von „Nicht-Listenhunden“. Eine solche Einschätzung kann sich jedenfalls darauf stützen, dass die sogenannten „Kampfhunde“ gerade wegen der ursprünglichen Zucht für Hundekämpfe typischerweise mit besonderer Muskel- und Beißkraft, besonderer Zähigkeit und Hartnäckigkeit beim Zubeißen ausgestattet sind. Hinzu mag noch eine besondere Loyalität gegenüber der Bezugsperson kommen, die von charakterlich ungeeigneten Hundeführern leicht ausgenutzt werden könnte. Dass sich für diese Anlagen der sogenannten „Kampfhunde“ Belege in der kynologischen Fachliteratur ergeben, lässt sich der Auswertung dieser Literatur in den Entscheidungen des VGH Baden-Württemberg vom 26. März 2009 - 2 S 1619/08 - (zitiert nach juris, dort insb. Rdnrn. 31-34) und des OVG Berlin-Brandenburg vom 15. November 2007 (a.a.O., dort Rdnrn. 87) entnehmen, die in dieses Verfahren durch die Anlage zur Ladung sowie zum Teil zuvor schon durch den Vortrag der Antragsgegnerin eingeführt wurden. Gegen die tatsächlichen Feststellungen der genannten Entscheidungen zur Zuchtgeschichte und zum äußeren Erscheinungsbild der in Rede stehenden Hunderasse wurde seitens der Antragsteller nichts Abweichendes erinnert.

81

Hiernach ist für den American Staffordshire Terrier festzuhalten, dass es sich um einen bis zu 30 kg schweren und bis zu 43 bis 48 cm Schulterhöhe großen Hund handelt, der über kraftvolle, gut bemuskelte Kiefer verfügt. Die Zähne treffen als Scherengebiss aufeinander, sie sind stark und kräftig. Ein starker Unterkiefer und Beißkraft werden unter Zuchtaspekten gefordert. Entsprechend der Beißkraft können die Verletzungen, die er zufügt, lebensgefährlich und bisweilen tödlich sein, insbesondere dann, wenn er sich so in den Gegner oder das Opfer verbeißt, dass der Kiefer nur noch mit Gewalt geöffnet oder aufgebrochen werden kann. Die Rasse geht auf zur Zeit des amerikanischen Bürgerkrieges für den Hundekampf nach Amerika importierte Hunde zurück und wird in den Vereinigten Staaten noch heute illegal als Kampfhund verwendet. In der Fachliteratur wird betont, dass der American Staffordshire Terrier eine feste Hand des Halters benötigt. Eine Spezialerziehung zur Vermeidung von Aggressivität wird empfohlen. Es gibt positive Darstellungen der Rasse als gutmütiger Familien- und Therapiehund, zugleich wird jedoch auch auf die starke menschenbezogene Gefallsucht und Anpassungsfähigkeit verwiesen, die ihn leicht führbar und instrumentalisierbar mache.

82

Hieraus folgt, dass - selbst wenn „Listenhunde“ nicht häufiger in „Beißvorfälle“ verwickelt sind als „Nicht-Listenhunde“ - „Beißvorfälle“ unter Beteiligung von „Listenhunden“, insbesondere von American Staffordshire Terriern, wegen ihrer genetisch angelegten körperlichen Beschaffenheit und ihrer rassetypischen Zähigkeit und Hartnäckigkeit jedenfalls zu schweren Gesundheitsschädigungen und im Einzelfall sogar zu Todesfolgen führen können. Da Leben und Gesundheit von Menschen zu den höchstrangigen grundrechtlichen Schutzgütern gehören, kommt dem Satzungsgeber beim Schutz dieser Güter ein weiter Einschätzungsspielraum in der Frage zu, welcher Grad an Wahrscheinlichkeit der Realisierung einer abstrakten Gefahr bereits Anlass zu Restriktionen gibt. Er überschreitet daher seinen Beurteilungsspielraum nicht, wenn er davon ausgeht, aufgrund der durch die fraglichen Untersuchungen der tierärztlichen Hochschule Hannover nicht in Frage gestellten körperlichen Merkmale und genetischen Dispositionen von sogenannten „Kampfhunden“ - insbesondere American Staffordshire Terriern - sei es nach wie vor wegen einer im Vergleich mit anderen Hunden erhöhten abstrakten Gefährlichkeit geboten, deren Haltung möglichst einzudämmen, auch wenn sie nicht häufiger inadäquat aggressiv reagieren als Hunde anderer Rassen.

83

Darüber hinaus durfte der Satzungsgeber in der Frage, ob eine Gleichbehandlung mit Hunden anderer Rassen - etwa Golden Retrievern - erfolgen sollte, im Lichte des Gleichbehandlungsgrundsatzes auch berücksichtigen, dass die Nichtaufnahme von Hunderassen trotz grundsätzlich auch bei ihnen gegebener Gefährlichkeit deswegen gerechtfertigt sein kann, weil es sich um Rassen handelt, die der Bevölkerung vertraut sind und die deshalb sozial stärker akzeptiert werden (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.03.2010 - 14 A 138/07 - zitiert nach juris, dort Rdnr. 21).

84

(3) Den von den Antragstellern in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisanträgen aus dem zu Protokoll gegebenen Schriftsatz vom 22. Juni 2010 war nicht nachzugehen. Denn soweit die Beweisangebote Tatsachenbehauptungen betrafen und deshalb einer Beweiserhebung zugänglich waren, waren sie für die Entscheidung unerheblich bzw. konnten als wahr unterstellt werden, ohne dass dies im Ergebnis etwas an der rechtlichen Bewertung ändern würde.

85

(a) Unter Beweis gestellt werden soll zunächst die Tatsachenbehauptung, eine erhöhte Aggressivität der Hunderasse American Staffordshire Terrier könne nicht festgestellt werden.

86

Es kann als wahr unterstellt werden, dass es keine rassespezifischen Unterschiede im Aggressionsverhalten von „American Staffordshire Terriern“ und Hunden anderer Rassen gibt. Denn wie ausgeführt, kommt es für die dem Satzungsgeber obliegende Prognose der abstrakten Gefährlichkeit nicht allein auf Verhaltensunterschiede an. Vielmehr kann er auch ohne Überschreitung seines Beurteilungsspielraumes davon ausgehen, dass es bereits ausreicht, dass wegen der Beiß- und Muskelkraft der in Rede stehenden Hunde selbst dann eine höhere Gefährlichkeit vorliegt, wenn diese nicht häufiger zubeißen als andere Hunde, im Falle eines „Beißvorfalles“ aber wegen ihrer körperlichen Merkmale schwerwiegendere Schädigungen verursachen können.

87

(b) Unter Beweis gestellt werden soll dann die Behauptung, weder in A-Stadt noch in Sachsen-Anhalt seien in aussagekräftigem, repräsentativem Umfang Daten gesammelt worden, die auf eine Gefährlichkeit des American Staffordshire Terriers hinwiesen.

88

Es kann dahin stehen, ob diese Behauptung überhaupt Gegenstand einer Beweiserhebung sein kann, die sich grundsätzlich nur auf die konkrete Tatsachen beziehen kann. Fraglich ist dies zum einen, weil die Behauptung tatsächliche Elemente mit einer rechtlichen Wertung - der Bedeutung von Datensammlungen für die Bewertung einer Hunderasse als (abstrakt) gefährlich - miteinander vermischt. Fraglich ist dies zum anderen, weil die tatsächlichen Elemente der Behauptung vage und ungenau sind, bleibt doch unklar, welche Art von „Daten und Belegen“ Gegenstand der Behauptung sein soll.

89

Soweit das Beweisangebot im Kern auf eine konkrete Tatsachenbehauptung - etwa dass es in A-Stadt oder in Sachsen-Anhalt keine „Beißvorfälle“ unter Beteiligung von Hunden der fraglichen Rasse gegeben habe - zielt, ist es allerdings unerheblich. Denn wie ausgeführt kommt es für eine rechtskonforme Ausübung des Gestaltungsspielraumes des Satzungsgebers gar nicht darauf an, ob und in welchem Umfange es auf dem Gebiet des Satzungsgebers oder in Sachsen-Anhalt bereits konkrete „Beißvorfälle“ unter Beteiligung von American Staffordshire Terriern gegeben hat (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 28.02.2005 - 4/2 L 102/04 -, Birk in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 3 Rdnr. 114). Der Satzungsgeber kann vielmehr Wertungen anderer Normgeber aufgreifen und damit auch deren Erfahrungen zum Anlass eigener Regelungen nehmen. Dies folgt auch daraus, dass in dem zulässigerweise verfolgten Nebenzweck der Steuererhebung eine abstrakte Gefahr Anlass und Grund des Normerlasses ist. Die Einschätzung des Normgebers, es müsse einer abstrakten Gefahr präventiv begegnet werden, liegt nicht nur dann innerhalb seines Gestaltungsspielraumes, wenn sich die abstrakte Gefahr auch auf seinem Gebiet bereits konkret realisiert hat.

90

c) Soweit im Schriftsatz vom 28. April 2008 weitere Beweisangebote enthalten sind, ist auch diesen nicht nachzugehen, weil sie sich nach der Rechtsauffassung des Senates nicht auf erhebliche Tatsachenbehauptungen beziehen.

91

Unerheblich sind insbesondere die auf die Gefährlichkeit gerade des Hundes der Antragsteller bezogenen Beweisanträge. Dass es auf die sozialen und ökonomischen Vorteile der Hundehaltung für die Frage der Zulässigkeit einer Hundesteuer nicht ankommt, wurde oben ausgeführt.

92

2. Auch § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung verletzt höherrangiges Recht nicht.

93

a. Es handelt sich entgegen der Einschätzung der Antragsteller zunächst auch hier um eine Form der Aufwandsteuer. Denn Steuergegenstand ist der Aufwand, der für das Halten eines Hundes getätigt wird. Allein in der Bemessung der Höhe der Steuer wird dem zulässigen Lenkungszweck der Steuererhebung in sachgerechter Weise Rechnung getragen.

94

b. Die Regelung widerspricht nicht dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot.

95

Zwar nutzt § 6 Abs. 1 Nr. 5 der Satzung einen unbestimmten Rechtsbegriff, wenn er die Festsetzung eines Steuersatzes von 250,00 € davon abhängig macht, dass die Hundehaltung „nicht ordnungsgemäß“ erfolgt. Eine Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs anhand der herkömmlichen Auslegungsmethodik ist aber schon deshalb möglich, weil § 6 Abs. 3 der Satzung erläutert, wann von einer nicht ordnungsgemäßen Hundehaltung im Einzelfall auszugehen ist. Er macht nämlich das Eingreifen dieser Norm von einer Feststellung der Sicherheitsbehörde abhängig und enthält in seinem Satz 2 ein - nicht abschließendes („insbesondere“) - Regelbeispiel. Durch dieses Regelbeispiel ist der Hauptfall einer nicht ordnungsgemäßen Hundehaltung so deutlich konkretisiert, dass der Betroffene erkennen kann, in welchen Fällen eine erhöhte Steuer fällig werden kann. Denn die Norm knüpft an sicherheitsbehördliche Feststellungen und den Verstoß gegen strafrechtliche oder Bußgeldbestimmungen an. Damit wird klargestellt, dass andere erfasste Fälle nur solche sein können, in denen durch die Hundehaltung zum einen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung begründet wird, die den Sicherheitsbehörden auch bereits bekannt ist. Zum anderen muss diese Gefahr auch so wichtige Schutzgüter betreffen, dass sie in ihrer Bedeutung einem wiederholten straf- oder bußgeldbewehrten Verstoß zumindest gleich kommt.

96

Die von den Antragstellern aufgeworfenen Fragen zur Auslegung lassen sich mit dem Wortlaut der Norm eindeutig beantworten: Der Hundeführer wird keinesfalls neben dem Hundehalter zur Steuer herangezogen, denn nur der Hundehalter ist Steuerschuldner nach § 2 Abs. 1 der Satzung. Eine Zurechnung von Verschulden des Hundeführers auf den personenverschiedenen Hundehalter scheidet aus, weil § 6 Abs. 3 Satz 2 der Satzung allein auf Verstöße des Hundehalters abstellt. Eine „Doppelerfassung“ nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 der Satzung scheidet schon deswegen aus, weil § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung wegen des höheren Steuersatzes lex specialis und damit vorrangig ist.

97

c. Der Satzungsgeber greift damit nicht in die Gesetzgebungskompetenz des Landes oder des Bundes ein. Denn wie ausgeführt ist es zulässig, dass die Einkommenserzielung durch die Steuererhebung Nebenzweck eines hinzukommenden Lenkungszweckes ist. Dieser kann auch - wie hier - darin bestehen, dass Gefahren für das konfliktfreie Zusammenleben innerhalb der örtlichen Gemeinschaft begegnet wird. Solche Gefahren können auch durch eine nicht ordnungsgemäße Hundehaltung begründet werden. Gerade in der Diskussion um die Gefährlichkeit sogenannter „Kampfhunde“ wird betont, dass die Gefahr in vielen Fällen ihre Ursache nicht nur in Anlagen des Tieres, sondern in erheblichem Ausmaße in Defiziten des Halters hat. Ist in diesem Sinne oft „der Hundehalter das Problem“, dann dient es auch der Gefahrenprävention durch einen finanziellen Anreiz auf den Halter dahingehend einzuwirken, dass dieser Tierschutzbestimmungen und die Regelungen über Hundehaltung und -führung dauerhaft und konsequent einhält. Hinzu kommt noch, dass eine nicht tierschutzgerechte Hundehaltung auch die Gefahr erhöhen kann, dass die anlagebedingte Aggressivität eines jeden Tieres gesteigert wird. Damit liegt das Setzen dieses finanziellen Anreizes für eine ordnungsgemäße Hundehaltung zugleich im Interesse des Tierschutzes wie im Interesse der Abwehr von Gefahren für Leib und Leben von Menschen.

98

Um eine „Doppelbestrafung“ handelt es sich ebenfalls nicht. Vielmehr werden hier zulässigerweise Lenkungszwecke verfolgt, die dazu beitragen sollen, das Zusammenleben der örtlichen Gemeinschaft gefahrloser und konfliktfreier zu gestalten. Hier soll gerade nicht repressiv auf Rechtsverstöße reagiert, sondern unerwünschten Verhaltensweisen durch steuerrechtliche, finanzielle Anreize vorgebeugt werden.

99

d. Eine unzulässige „Vermischung von Sicherheits- und Steuerrecht“ liegt nicht vor. Vielmehr sind die von den Antragstellern beschriebenen Wirkungen die notwendige Konsequenz der zulässigerweise gleichzeitigen Verfolgung des fiskalischen Zweckes der Einnahmeerzielung und des zusätzlichen Lenkungszweckes. Die handelnde Behörde ist immer die Antragsgegnerin selbst. Sie wird hier nur im Zusammenwirken verschiedener Dienststellen und damit gerade nicht durch unterschiedliche Behörden tätig. Dieses Zusammenwirken ist sachgerecht, um dem zulässigen Lenkungszweck angemessen Rechnung tragen zu können.

100

e. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot ist auch nicht feststellbar. Insbesondere liegt keine „Privilegierung“ der Halter von gefährlichen Hunden im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung oder von „Listenhunden“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 6 in der bis zum 1. März 2009 geltenden Fassung vor. Denn die Halter dieser Hunde zahlen auf jeden Fall eine höhere Steuer als Hundehalter, die ihre Hunde nicht ordnungsgemäß halten. Sie werden damit nicht besser, sondern schlechter gestellt. Dies erfolgt auch willkürfrei, weil der Satzungsgeber ohne Überschreitung seines Beurteilungsspielraumes davon ausgehen kann, dass die Störungen des Zusammenlebens in der örtlichen Gemeinschaft, die von gefährlichen Hunden bzw. von „Listenhunden“ ausgehen, schwerwiegender sind als die abstrakten Gefahren durch eine nicht ordnungsgemäße Haltung anderer Hunde, die auch „ungefährliche“ Hunde auf längere Sicht durch die Haltungs- und Führungsfehler gefährlich machen kann. In beiden Fallgruppen kommt neben dem Zweck der Einkommenserzielung der zulässige weitere Lenkungszweck der Steuererhebung in Anwendung. Dieser rechtfertigt nicht nur, dass überhaupt eine höhere Steuer festgesetzt wird, sondern auch, dass zwischen den einzelnen Fällen der höheren Steuererhebung wie hier differenziert wird. Denn der Grad der Gefahr, der von nicht ordnungsgemäß gehaltenen Hunden ausgeht, kann ohne Überschreitung des Beurteilungsspielraumes als geringer eingeschätzt werden als der Grad der Gefahr, der von „gefährlichen Hunden“ bzw. Hunden der Rasseliste ausgeht.

101

3. Ein Verstoß von § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung gegen höherrangiges Recht ist ebenfalls nicht feststellbar.

102

Zunächst räumen die Antragsteller ein, dass die Norm in der geltenden Fassung der 2. Änderungssatzung bestimmter ist als die Vorgängerfassung. Es kann dahin stehen, ob die Vorgängerfassung dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügt. Denn jedenfalls in der aktuellen Fassung definiert § 6 Abs. 2 der Satzung durch die Bezugnahme auf das Landesgesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren den unbestimmten Rechtsbegriff des „gefährlichen Hundes“ in einer Weise, die nach den herkömmlichen Auslegungsmethoden eine Interpretation ohne Weiteres möglich macht.

103

Es besteht auch kein Widerspruch zur Streichung der erhöhten Besteuerung von „Listenhunden“ nach § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung in der Fassung vor dem 1. März 2009. Der Satzungsgeber hat den Lenkungszweck, die Haltung solcher Hunde, die für das konfliktfreie Zusammenleben innerhalb der örtlichen Gemeinschaft eine abstrakte Gefahr darstellen, durch die Streichung von § 6 Abs. 1 Nr. 6 der Satzung nicht aufgegeben. Er verfolgt es vielmehr in Angleichung an die Regelungstechnik des Landesgesetzgebers mit einer anderen Methode der Bestimmung betroffener Hundehalter weiter. In Anknüpfung an die Diskussion um die landesrechtliche Regelung gibt der Satzungsgeber für den Zeitraum ab dem 1. März 2009 die Entscheidung für eine Abgrenzung des Kreises als gefährlich bewerteter Hunde nach einer Rasseliste auf und beschränkt sich auf die Feststellungen nach dem Gesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren.

104

Dieses Vorgehen ist auch weder unverhältnismäßig noch willkürlich. Vielmehr wird es sachgerecht durch den zulässigen Lenkungszweck der Eindämmung abstrakter Gefahren gerechtfertigt. Es trifft zwar zu, dass die von den Antragstellern angeführten Vorschriften des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren einen gewichtigen Beitrag zur Eindämmung der von diesen Hunden ausgehenden Gefahren leisten. Der Satzungsgeber überschreitet seinen bei der ihm obliegenden Gefahrenprognose bestehenden Beurteilungsspielraum aber nicht, wenn er - jedenfalls solange noch keine hinreichenden praktischen Erfahrungen mit den Auswirkungen dieses Gesetzes vorliegen - die Einschätzung der Antragsteller, mit diesen Vorschriften gingen von diesen Hunden keine Gefahren mehr aus, nicht teilt. Vielmehr ist zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar, ob die Sanktionsdrohungen und Kontrollmechanismen des Gesetzes tatsächlich ausreichen werden, um die abstrakte Gefahr der erfassten Hunde so weit einzudämmen, dass es auch unter Berücksichtigung des Interesses der derartige Hunde nicht haltenden Bevölkerungsteile daneben nicht mehr der Lenkungswirkung der Besteuerung bedarf. Auch die Antragsteller räumen ein, dass ein Ausschluss der Gefahr von der Einhaltung aller Vorgaben für die Halter gefährlicher Hunde abhängt. Es ist jedenfalls nicht willkürlich, wenn der Satzungsgeber vor einer Aufgabe der Nebenzwecke einer Besteuerung abwartet, ob diese auf andere Weise bereits hinreichend erreicht werden.

105

4. Zu einer weitergehenden Prüfung anderer Teile der Satzung hat der Senat keinen Anlass. Denn weitere Gründe für eine mögliche Rechtswidrigkeit weiterer Satzungsbestimmungen werden nicht angeführt. Es entspricht in der Regel zudem nicht einer sachgerechten Handhabung der gerichtlichen Kontrolle, Abgabensatzungen „ungefragt“ einer Detailprüfung zu unterziehen (BVerwG, Urt. v. 17.04.2002 - BVerwG 9 CN 1.01 -, BVerwGE 116, 188; BVerwG, Beschl. v. 04.10.2006 - BVerwG 4 BN 26/06 -, zitiert nach juris, dort Rdnr. 7; OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28.09.2009 - 4 K 356/08 -).

106

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 159 S. 2 VwGO.

107

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in entsprechender Anwendung der §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

108

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe vorliegt.


(1) Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein.

(2) Realsteuern sind die Grundsteuer und die Gewerbesteuer.

(3) Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind Steuern im Sinne dieses Gesetzes. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1, L 287, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(4) Steuerliche Nebenleistungen sind

1.
Verzögerungsgelder nach § 146 Absatz 2c,
2.
Verspätungszuschläge nach § 152,
3.
Zuschläge nach § 162 Absatz 4 und 4a,
3a.
Mitwirkungsverzögerungsgelder nach § 200a Absatz 2 und Zuschläge zum Mitwirkungsverzögerungsgeld nach § 200a Absatz 3,
4.
Zinsen nach den §§ 233 bis 237 sowie Zinsen nach den Steuergesetzen, auf die die §§ 238 und 239 anzuwenden sind, sowie Zinsen, die über die §§ 233 bis 237 und die Steuergesetze hinaus nach dem Recht der Europäischen Union auf zu erstattende Steuern zu leisten sind,
5.
Säumniszuschläge nach § 240,
6.
Zwangsgelder nach § 329,
7.
Kosten nach den §§ 89, 89a Absatz 7 sowie den §§ 178 und 337 bis 345,
8.
Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union,
9.
Verspätungsgelder nach § 22a Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und
10.
Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes.

(5) Das Aufkommen der Zinsen auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union steht dem Bund zu. Das Aufkommen der übrigen Zinsen steht den jeweils steuerberechtigten Körperschaften zu. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89 steht jeweils der Körperschaft zu, deren Behörde für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Das Aufkommen der Kosten im Sinne des § 89a Absatz 7 steht dem Bund und dem jeweils betroffenen Land je zur Hälfte zu. Das Aufkommen der Kosten nach § 10 Absatz 5 und § 11 Absatz 7 des Plattformen-Steuertransparenzgesetzes steht dem Bund zu. Die übrigen steuerlichen Nebenleistungen fließen den verwaltenden Körperschaften zu.

(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole.

(2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die Grundsteuer. Er hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

(2a) Die Länder haben die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Sie haben die Befugnis zur Bestimmung des Steuersatzes bei der Grunderwerbsteuer.

(3) Bundesgesetze über Steuern, deren Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden (Gemeindeverbänden) ganz oder zum Teil zufließt, bedürfen der Zustimmung des Bundesrates.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 6. Mai 2008 - 1 K 1636/07 - geändert: Der Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks ... ... in .... Durch Abgabenbescheid vom 26.01.2000 zog ihn die Beklagte - eine Gemeinde mit etwa 6.200 Einwohnern - unter Zugrundelegung des in der einschlägigen Satzung über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.12.1992 (im Folgenden: AbwS) vorgesehenen modifizierten Frischwassermaßstabs zu einer Abwassergebühr für das Jahr 1999 in Höhe von 256,20 DM heran. Dabei legte die Beklagte eine eingeleitete Abwassermenge (= bezogene Frischwassermenge) von 61 m 3 und einen Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser zugrunde.
Die einschlägigen Regelungen der Satzung lauten wie folgt: Die Gemeinde erhebt für die Benutzung der öffentlichen Abwasseranlagen eine Abwassergebühr (§ 32 AbwS). Schuldner der Abwassergebühr ist der Grundstückseigentümer (§ 33 Abs. 1 Satz 1 AbwS). Die Abwassergebühr wird nach der Abwassermenge bemessen, die auf dem an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossenen Grundstück anfällt (§ 34 Abs. 1 AbwS). Als angefallene Abwassermenge gilt bei öffentlicher Wasserversorgung - wie hier - der der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Wasserverbrauch (§ 35 Abs. 1 Nr. 1 AbwS). Für Abwasser, das zu einer öffentlichen Abwasserbehandlungsanlage gebracht wird, beträgt die Gebühr 4,20 DM/m 3 Abwasser (§ 37 Abs. 3 AbwS).
Gegen den Bescheid vom 26.01.2000 erhob der Kläger am 28.02.2000 Widerspruch. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens nahm die Beklagte eine Nachkalkulation der Abwassergebühr für die Gebührenjahre 1999 bis 2005 vor. Die Nachkalkulation für das Jahr 1999 (Stand: Oktober 2006) ergab - ohne Ausgleich von Vorjahresergebnissen - einen kostendeckenden Gebührensatz in Höhe von 3,87 DM/m 3 Abwasser. Auf Grundlage dieser Nachkalkulation beschloss der Gemeinderat der Beklagten am 09.11.2006 rückwirkend zum 01.01.1999 wiederum einen Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.12.1999. Dabei brachte die Beklagte die von ihr ermittelte Kostenunterdeckung des Jahres 1994 sowie einen Teil der ermittelten Kostenunterdeckung des Jahres 1995 im Gebührenjahr 1999 zum Ausgleich, um zum gleichen Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser zu gelangen, wie er den Bescheiden für das Gebührenjahr 1999 zugrunde gelegt worden war.
Den Widerspruch des Klägers gegen den Abgabenbescheid vom 26.01.2000 wies das Landratsamt Schwarzwald-Baar-Kreis mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2007 zurück.
Der Kläger hat am 10.08.2007 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben. Dem Antrag des Klägers, den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 aufzuheben, ist die Beklagte entgegengetreten.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 06.05.2008 abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt: Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte für Grundstücke, die - wie dasjenige des Klägers - an die öffentlichen Abwasseranlagen angeschlossen seien, als Gebührenmaßstab den sogenannten Frischwassermaßstab verwende. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg sei der Frischwasserbezug jedenfalls dann zur Erfassung auch der Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers geeignet, wenn nach den Verhältnissen im Satzungsgebiet im Durchschnitt der Veranlagungsfälle ein Wahrscheinlichkeitszusammenhang zwischen beiden Wassermengen derart bestehe, dass der Wasserbezug auf einem Grundstück der Zahl der Bewohner und diese wiederum dem Umfang der baulichen Nutzung eines Grundstücks sowie der dort vorhandenen befestigten Flächen entspreche, von der Regenwasser in die Kanalisation abgeleitet werde. Das sei jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein Satzungsgebiet durch eine verhältnismäßig homogene und wenig verdichtete Wohnbebauung ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt sei. In diesem Fall liege eine homogene Siedlungsstruktur vor, die es rechtfertige, den Frischwasserbezug auch als Indikator für die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers anzusehen. Im Regelfall könne bei einer Einwohnerzahl von 60.000 bis 80.000 noch von einer homogenen Siedlungsstruktur in diesem Sinne ausgegangen werden.
Auch der in § 37 Abs. 1 AbwS i.d.F. der Änderungssatzung vom 09.11.2006 rückwirkend für das Jahr 1999 festgelegte Gebührensatz von 4,20 DM/m 3 Abwasser sei gültig. Die durch ein Fachbüro erstellte Nachkalkulation der Gebühren stelle auf ihren Seiten 15 und 16 alternativ die Gebührensatzobergrenzen einerseits ohne und andererseits mit Berücksichtigung der Kostenunterdeckungen der Jahre 1994 und 1995 dar. Dass sich der Gemeinderat der Beklagten entschlossen habe, den Gebührensatz für das Jahr 1999 unter Berücksichtigung dieser Kostenunterdeckungen festzusetzen, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Es sei insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Gemeinderat entsprechend den Vorgaben der Nachkalkulation die ausgleichsfähigen Unterdeckungen des Jahres 1994 (51.242,40 DM) in voller Höhe und die ausgleichsfähigen Unterdeckungen des Jahres 1995 (65.544,-- DM) nur in Höhe von 42.456,05 DM berücksichtigt habe. Mit der lediglich teilweisen Berücksichtigung der ausgleichsfähigen Unterdeckungen des Jahres 1995 habe erreicht werden sollen, dass der Gebührensatz mit 4,20 DM/m 3 Abwasser exakt in der Höhe festgesetzt habe werden können, der auch den tatsächlichen Veranlagungen für das Gebührenjahr 1999 zugrunde gelegt worden sei. Dies sei eine sachgerechte Erwägung, die vom Gericht nicht beanstandet werden könne.
Der Vortrag des Klägers rechtfertige schließlich auch nicht die Annahme, die bei der Festsetzung des Gebührensatzes für das Jahr 1999 berücksichtigten und ausgeglichenen Unterdeckungen der Jahre 1994 und 1995 seien methodisch fehlerhaft ermittelt worden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg beziehe sich die Ausgleichsbefugnis von Unterdeckungen aus Vorjahren lediglich auf solche Unterdeckungen, die sich aufgrund eines Abgleichs der Einnahmen und Ausgaben - ungeachtet der methodischen Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Gebührenkalkulation - ergäben.
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 03.11.2008 zugelassenen Berufung macht der Kläger geltend: Auch für den Bereich einer homogenen Siedlungsstruktur sei der Frischwasserbezug als Indikator für die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers ungeeignet. Aufgrund der Menge des Frischwasserbezuges könne ein Rückschluss auf die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers nicht erfolgen. Denn die Menge des bezogenen Frischwassers sei von der Nutzung des Grundstücks (z.B. Zahl der Bewohner) abhängig, während die Menge des in die Kanalisation eingeleiteten Niederschlagswassers von den vorhandenen befestigten Flächen abhängig sei. Ändere sich z.B. die Zahl der Bewohner und damit der Frischwasserbezug, ändere sich deshalb nicht die Niederschlagswassermenge. Im Übrigen liege die Zahl der von einer vermeintlich homogenen Bebauung abweichenden Grundstücke im Gebiet der Beklagten bei über 10 %.
10 
Unabhängig davon habe die Beklagte bei der Festsetzung der Höhe des Gebührensatzes zu Unrecht Unterdeckungen aus den Jahren 1994 und 1995 berücksichtigt. Die Gebührenkalkulationen der Jahre 1994 und 1995 hätten jeweils den Straßenentwässerungsanteil zu niedrig und damit fehlerhaft angesetzt. Bei zutreffender Berücksichtigung des Straßenentwässerungsanteils hätten sich in den Jahren 1994 und 1995 keine vermeintlichen Unterdeckungen, sondern ausgleichspflichtige Überdeckungen ergeben. Dies führe im Ergebnis auch zur Nichtigkeit des Abwassergebührensatzes für das Jahr 1999.
11 
Der Kläger beantragt,
12 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 06.05.2008 - 1 K 1636/07 - zu ändern und den Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 aufzuheben.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
die Berufung zurückzuweisen.
15 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Bei einer Gemeinde ihrer Größe könne im Regelfall von einer homogenen Siedlungsstruktur ausgegangen werden. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 3648/04 - (KStZ 2008, 74), der eine völlig andere Gemeindestruktur mit wesentlich größeren Gemeinden zugrunde liege, könne auf den hier zu beurteilenden Fall nicht übertragen werden.
16 
Im Rahmen der Nachkalkulation hätten auch die für die Jahre 1994 und 1995 errechneten Unterdeckungen im Jahre 1999 Berücksichtigung finden können. Im Rahmen der Nachkalkulation seien die Straßenentwässerungskostenanteile für die Jahre 1994 und 1995 exakt so angesetzt worden, wie dies auch im Rahmen der damaligen prognostischen Kalkulation für diese Gebührenjahre geschehen sei. Diese Vorgehensweise genüge den Anforderungen an den Ausgleich von Vorjahresergebnissen. Wäre es anders, bestünde im Rahmen der Ermittlung von Vorjahresergebnissen die Möglichkeit, jeden in den Rechnungsergebnissen enthaltenen kalkulatorischen Ansatz abweichend von der zugrunde liegenden prognostischen Kalkulation zu prüfen. Damit würde indirekt eine Überprüfung des früheren Satzungsrechts und der dortigen Ansätze vorgenommen. Dies würde zu untragbaren Ergebnissen führen, da über das System des gesetzlichen Ausgleichs dann indirekt die Satzungen beliebig weit zurückreichender vergangener Jahre überprüft werden müssten.
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Für die Heranziehung des Klägers zu Gebühren für die Entsorgung von Abwasser (Schmutz- und Niederschlagswasser) im hier maßgeblichen Jahr 1999 fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die einschlägige Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.12.1992 i.d.F. der Änderungssatzung vom 09.11.2006 (im Folgenden: AbwS) ist nichtig. Denn sie enthält für die Gebührenerhebung keine gültige Maßstabsregelung, wie sie § 2 Abs. 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996 (im Folgenden: KAG 1996) als Mindestinhalt einer Satzung fordert.
20 
Nach §§ 34 Abs. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 AbwS wird die Abwassergebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser einheitlich nach der Abwassermenge bemessen, die auf dem angeschlossenen Grundstück anfällt. Als angefallene Abwassermenge gilt dabei bei öffentlicher Wasserversorgung - wie hier - der der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Wasserverbrauch abzüglich der nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteten Wassermengen. Die Satzung sieht damit als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den sogenannten (einheitlichen) Frischwassermaßstab vor. Dieser Maßstab verstößt angesichts der heutigen Wohn- und Lebensgewohnheiten in aller Regel gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip.
21 
1. Der baden-württembergische Landesgesetzgeber hat den Gemeinden und Landkreisen für den gemäß § 2 Abs. 1 KAG 1996 in der Satzung festzulegenden Gebührenmaßstab keine einfachgesetzlichen Beschränkungen auferlegt. Das ortsgesetzgeberische Ermessen der Gemeinden und Landkreise ist jedoch durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip eingeschränkt. Das Äquivalenzprinzip ist Ausdruck des allgemeinen, auf Verfassungsrecht beruhenden bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und besagt als solcher, dass die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der von dem Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf. Es fordert ferner, dass die Benutzungsgebühr im Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so dass bei in etwa gleicher Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren erhoben werden, und berührt sich insoweit mit dem Gleichheitssatz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995 - 8 N 3.93 - NVwZ-RR 1995, 594; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2008 - 2 S 623/06 - AbfallR 2009, 44).
22 
Das bundesrechtliche Äquivalenzprinzip bildet damit eine Obergrenze für die Gebührenbemessung. Unterhalb dieser Obergrenze ist die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgende Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und der Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln sind, dass sie dem unterschiedlichen Ausmaß der erbrachten Leistungen Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt. Das Willkürverbot belässt damit dem Satzungsgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Es verbietet nur eine willkürliche Ungleichbehandlung (wesentlich) gleicher Sachverhalte und die willkürliche Gleichbehandlung (wesentlich) ungleicher Sachverhalte. Die hierdurch gezogenen Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit überschreitet der Satzungsgeber erst dann, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenze ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes zu prüfen, nicht aber die Frage, ob der Satzungsgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. zum Ganzen: Rieger in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 6 RdNr. 591).
23 
Nach allgemeiner Ansicht dürfen Benutzungsgebühren nicht nur nach dem konkret nachgewiesenen Umfang der jeweiligen Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung (Wirklichkeitsmaßstab), sondern auch nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen werden. Die Rechtfertigung für die Verwendung eines solchen pauschalierenden Maßstabs ergibt sich aus der Notwendigkeit eines praktikablen, wenig kostenaufwändigen und damit auch den Gebührenzahlern zugute kommenden Erhebungsverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995, aaO). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab darf aber nicht offensichtlich ungeeignet sein, d.h. er muss Umständen oder Verhältnissen entnommen worden sein, die mit der Art der Benutzung in Zusammenhang stehen, und auf eine Berechnungsgrundlage zurückgreifen, die für die Regel in etwa zutreffende Rückschlüsse auf das tatsächliche Maß der Benutzung zulässt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.06.2000 - 2 S 132/00 - VBlBW 2001, 21).
24 
2. Bei dem von der Beklagten gewählten (einheitlichen) Frischwassermaßstab wird die Benutzungsgebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl des Schmutzwassers als auch des Niederschlagswassers nach der Menge des bezogenen Frischwassers bemessen. Dieser Maßstab beruht auf der Annahme, dass die auf einem Grundstück bezogene Frischwassermenge im Regelfall in einem ungefähr gleichen Verhältnis zur Menge des anfallenden Abwassers steht (vgl. zuletzt VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2009 - 2 S 2650/08 - VBlBW 2009, 472). Diese Annahme trifft unzweifelhaft hinsichtlich des Schmutzwassers zu, weil die Menge des Frischwassers, die einem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück zugeführt wird, jedenfalls typischerweise weitgehend der in die Kanalisation eingeleiteten Abwassermenge entspricht.
25 
Was das Niederschlagswasser betrifft, kann das Gleiche dagegen nicht gesagt werden, weil der Frischwasserverbrauch keinen verlässlichen Rückschluss darauf erlaubt, wie viel Niederschlagswasser von dem betreffenden Grundstück der öffentlichen Abwasseranlage zugeführt wird (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 3648/04 - KStZ 2008, 74; Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009 - 5 A 631/08 - KStZ 2009, 235). Denn der Frischwasserverbrauch ist regelmäßig bei Wohnbebauung personen- und bei Gewerbegrundstücken produktionsabhängig, während die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers - außer von der Menge des Niederschlags - von der Größe des Grundstücks sowie der Oberflächengestaltung abhängig ist. Ein verlässlicher Zusammenhang zwischen Frischwasserbezug eines Grundstücks und der von diesem Grundstück zu entsorgenden Niederschlagswassermenge besteht demnach zumindest in aller Regel nicht. Die Verwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit gerechtfertigt werden (unten a). Sie kann ferner nicht mit der Erwägung als rechtmäßig angesehen werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 12.06.1972 - VII B 117.70 - KStZ 1973, 92; Beschluss vom 25.03.1985 - 8 B 11.84 - NVwZ 1985, 496 mwN) als auch nach der des erkennenden Senats (Urteil vom 27.10.1993 - 2 S 199/80 - VBlBW 1984, 346) eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind (unten b).
26 
a) Im Benutzungsgebührenrecht ist ebenso wie im sonstigen Abgabenrecht auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit abzustellen, der es dem Satzungsgeber gestattet, bei Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, wie nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fällen dem „Typ“ widersprechen (BVerwG, Beschluss vom 19.09.2005 - 10 BN 2.05 - Juris; Urteil vom 01.08.1986 - 8 C 112.84 - NVwZ 1987, 231; Beschluss vom 19.08.1983 - 8 N 1.83 - BVerwGE 68, 36).
27 
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kann nicht angenommen werden, dass der einheitliche Frischwassermaßstab im Allgemeinen und damit in 90 % aller Fälle zu einer in etwa gleichmäßigen Belastung der Beitragspflichtigen führt. Es ist mit anderen Worten nicht davon auszugehen, dass im „Regelfall“ auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets das Verhältnis zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der nach dem Frischwasserverbrauch berechneten Schmutzwassermenge (so) weitgehend vergleichbar ist, dass es aus diesem Grund einer gesonderten Berechnung der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nicht bedarf.
28 
Zwar hat der erkennende Senat bislang den einheitlichen Frischwassermaßstab auch zur Erfassung der Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers als geeignet angesehen, wenn das Satzungsgebiet durch eine im entwässerungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig homogene Bebauungsstruktur mit wenig verdichteter Wohnbebauung und ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt ist (Urteil vom 07.10.2004 - 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239). Dem lag der Gedanke zugrunde, dass von einer homogenen Siedlungsstruktur ausgegangen werden könne, wenn in einer Gemeinde für mindestens 90 % der angeschlossenen Grundstücke die Entwässerungsverhältnisse in etwa gleich seien. Insoweit handelt es sich bei dem Kriterium einer homogenen Siedlungsstruktur um nichts anderes als eine konkretisierte Ausprägung des oben dargelegten Grundsatzes der Typengerechtigkeit (so zutreffend Quaas, VBlBW 2006, 175, 176). Der Senat hat in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, im Regelfall könne bei Gemeinden mit 60.000 bis 80.000 Einwohnern noch von einer homogenen Siedlungsstruktur im genannten Sinne ausgegangen werden. An dieser Auffassung hält der Senat nicht mehr fest. Eine Vergleichbarkeit zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der Schmutzwassermenge auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets dürfte nach den heutigen Verhältnissen die absolute Ausnahme bilden. Auch für das Gebiet der Beklagten, einer Gemeinde mit sechs Teilorten und ca. 6.200 Einwohnern, liegt eine solche Ausnahme nicht vor.
29 
Die Anzahl der Bewohner auf den Grundstücken des jeweiligen Satzungsgebiets, die maßgeblich die Menge des einem Grundstück zugeführten Frischwassers beeinflusst, ist - unter den hiesigen modernen Lebensverhältnissen - so unterschiedlich, dass ein vorherrschender, mindestens 90 % der Fälle erfassender „Regeltyp“ mit annähernd gleicher Relation zwischen Frischwasserverbrauch je Grundstück und hiervon abgeleitetem Niederschlagswasser nicht erkennbar ist. Die Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers wird bestimmt durch die Größe der versiegelten Grundstücksflächen, die sich nach der Kubatur der Baukörper und dem Vorhandensein weiterer befestigter Flächen - wie etwa Stellplätze, Terrassen - richtet. Dagegen wird die Menge des Abwassers im Falle der Wohnbebauung ganz wesentlich durch die Zahl der auf dem Grundstück vorhandenen Haushalte und die Zahl der zu den Haushalten gehörenden Personen beeinflusst. Bei gewerblich oder industriell genutzten Grundstücken, die erfahrungsgemäß einen hohen Versiegelungsgrad aufweisen, kommt es auf die Art der gewerblichen und industriellen Nutzung und die Höhe des damit verbundenen Frischwasserverbrauchs an. Deshalb sind sowohl gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke als auch Grundstücke mit stark verdichteter Wohnbebauung (z.B. Hochhäuser) im Hinblick auf die Relation zwischen Frischwasserverbrauch und abgeleitetem Niederschlagswasser von vornherein als atypisch anzusehen. Vor diesem Hintergrund kommen als Grundstücke mit „vergleichbaren Entwässerungsverhältnissen“ naturgemäß lediglich die die Wohnbebauung prägenden Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke in Betracht. Aber selbst Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke weisen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine derart uneinheitliche Haushaltsgröße und daraus folgend einen derart unterschiedlichen Wasserverbrauch auf, dass nicht mehr von einer annähernd vergleichbaren Relation zwischen Frischwasserverbrauch und Niederschlagswassermenge ausgegangen werden kann.
30 
Einfamilienhäuser werden zwar überwiegend von Familien mit Kindern bewohnt. Schon die Anzahl der Kinder in den Haushalten variiert aber mit der Folge eines stark unterschiedlichen Wasserverbrauchs. Davon abgesehen werden Einfamilienhäuser auch nicht selten nur von einer oder zwei Personen bewohnt, weil z.B. ein Ehepartner verstorben ist oder die Parteien sich infolge einer Scheidung getrennt haben oder die (erwachsenen) Kinder das Elternhaus verlassen haben (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). Diese Einschätzung wird durch die vom Senat beim Baden-Württembergischen Landesamt für Statistik ermittelten Zahlen (Mikrozensus 2006) für das Land Baden-Württemberg belegt. Danach gibt es in Baden-Württemberg insgesamt 1.088.000 Haushalte in Einfamilienhäusern (Wohngebäude mit einer Wohneinheit), die sich wie folgt aufteilen: 186.000 Haushalte mit einer Person (= 17,10 %), 412.000 Haushalte mit zwei Personen (= 37,87 %), 183.000 Haushalte mit drei Personen (= 16,2 %), 217.000 Haushalte mit vier Personen (= 19,94 %) sowie 90.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen (= 8,27 %). Auch die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 02.09.2009, aaO) ermittelten Daten für das Land Hessen zeigen eine in etwa vergleichbare Verteilung der Haushaltsgrößen in Einfamilienhäusern; danach werden Einfamilienhäuser in 19,22 % von Haushalten mit einer Person, in 40,28 % von Haushalten mit zwei Personen, in 17,57 % von Haushalten mit drei Personen, in 16,72 % von Haushalten mit vier Personen und in 6,21 % der Fälle von Haushalten mit fünf und mehr Personen bewohnt.
31 
Diese für die Länder Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Daten bestätigen eindrucksvoll, dass generell von einer Homogenität der Haushaltsgröße auch für den Bereich von Einfamilienhäusern nicht gesprochen werden kann. Diese Aussage kann auch ohne weiteres auf das Gemeindegebiet der Beklagten übertragen werden. Dafür, dass sich im Gemeindegebiet der Beklagten die Verhältnisse nennenswert anders darstellen, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Auch die Beklagte hat in dieser Richtung nichts vorgetragen.
32 
Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass bereits im Bereich der Einfamilienhäuser durch die Streuung der Haushaltsgrößen ein stark unterschiedlicher Frischwasserverbrauch festzustellen ist, der bei ansonsten gleichen Verhältnissen zu gravierenden Unterschieden bei der Höhe der veranlagten Gebühren für den Anteil der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung führt. Wird ein Einfamilienhaus von einer Einzelperson bewohnt, entfällt auf dieses Grundstück nach der Gebührensatzung der Beklagten für das Jahr 1999 bei einem durchschnittlich angenommenen Jahresfrischwasserverbrauch von 40 m 3 und einem Gebührensatz von 4,20 DM eine Abwassergebühr von 168,-- DM. Wird das gleiche Einfamilienhaus dagegen von einem Vier-Personen-Haushalt bewohnt, entfällt auf das Grundstück - trotz derselben versiegelten Fläche - bei einem unterstellten Jahresfrischwasserverbrauch von wiederum 40 m 3 je Person eine Abwassergebühr von 672,-- DM. Unterstellt man ferner einen Anteil von lediglich 25 % der Gesamtkosten für die Niederschlagswasserentsorgung (vgl. Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %) und geht damit bei einer Abwassergesamtgebühr von 4,20 DM je Kubikmeter von einem Anteil für die Beseitigung des Niederschlagswassers von 1,05 DM je Kubikmeter aus, so zahlt der Ein-Personen-Haushalt dafür 42,-- DM, der Vier-Personen-Haushalt bei gleicher Versiegelungsfläche dagegen 168,-- DM. Das hier aufgeführte Beispiel zeigt, dass selbst dann, wenn nur die Nutzung eines Einfamilienhauses mit vergleichbarem Umfang an Grundstücksversiegelung in den Blick genommen wird, unter anderem Familien mit Kindern gegenüber Einzelpersonen/Kleinhaushalten zu erheblich höheren Gebühren herangezogen werden, obwohl die zu beseitigende Niederschlagswassermenge in etwa gleich ist.
33 
Die dargestellte Uneinheitlichkeit der Haushaltsgrößen und damit die unterschiedliche Nutzungsintensität gilt auch für Zweifamilienhäuser. Nach den Daten des Baden-Württembergischen Landesamtes für Statistik (Mikrozensus 2006) teilen sich die Haushaltsgrößen in den 503.000 Wohngebäuden mit zwei Wohneinheiten wie folgt auf: 134.000 Haushalte mit einer Person, 195.000 Haushalte mit zwei Personen, 68.000 Haushalte mit drei Personen, 77.000 Haushalte mit vier Personen sowie 29.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die versiegelte Fläche bei Zweifamilienhäusern im Vergleich zu Einfamilienhäusern nach allgemeiner Lebenserfahrung zwar erhöht, aufgrund der Kubatur von Zweifamilienhäusern allerdings keine entsprechende Verdoppelung der versiegelten Flächen angenommen werden kann.
34 
b) Die Anwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als auch nach der des erkennenden Senats eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind. Als geringfügig in diesem Sinne sehen das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 12.06.1972 und vom 25.03.1985, aaO) sowie der erkennende Senat (Urteil vom 27.10.1993, aaO) diese Kosten dann an, wenn ihr Anteil an den Kosten der gesamten Entwässerung nicht mehr als 12 % beträgt.
35 
Nach den Veröffentlichungen in der Fachliteratur ist von den gesamten Abwasserentsorgungskosten regelmäßig ein Anteil von 25 % und mehr für die Niederschlagswasserentsorgung zu veranschlagen (vgl. etwa Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %; Hennebrüder, KStZ 2007, 184 - unter Bezugnahme auf Untersuchungen des Gutachters Prof. Dr. Pecher, wonach der Anteil in der Regel zwischen 35 % und 45 % liegt). Darüber hinaus hat auch die Beklagte im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür genannt, dass der Anteil der Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung in ihrem Gebiet noch als geringfügig im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzusehen ist.
36 
3. Für die Gemeinden hat dies zur Konsequenz, dass - von wenigen, wohl nur theoretisch denkbaren Ausnahmen abgesehen - statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben erhoben werden muss (gesplittete Abwassergebühr). Ein unverhältnismäßiger und damit nicht mehr zu vertretender finanzieller Kostenaufwand ist damit nicht verbunden (ebenso Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009, aaO; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). So besteht für die Beklagte insbesondere die Möglichkeit, die an die Abwasseranlage angeschlossenen versiegelten Flächen im Rahmen einer Selbstveranlagung der Gebührenschuldner zu ermitteln und sich auf eine stichprobenweise Überprüfung zu beschränken.
37 
In diesem Zusammenhang ist ferner anzumerken, dass die Kosten für die Erstellung der Gebührenkalkulation durch ein von der Gemeinde beauftragtes Beratungsbüro oder einen anderen Dritten einschließlich der Kosten der dafür notwendigen Vorarbeiten Teil der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KAG ansatzfähigen Kosten sind. Zu den nach dieser Vorschrift gebührenfähigen Kosten gehören zwar nur die „Kosten der Einrichtung“, d.h. Kosten, die durch die Leistungserstellung der Gemeinde verursacht worden sind oder für solche Neben- und Zusatzleistungen entstanden sind, die mit der eigentlichen Leistungserstellung in einem ausreichend engen Sachzusammenhang stehen. Auch ist nicht zu übersehen, dass die Erstellung der Gebührenkalkulation mit der eigentlichen Leistung, die durch die öffentliche Einrichtung erbracht wird, nur in einem mittelbaren Zusammenhang steht. Die Rechtfertigung für eine Abwälzung der dadurch entstehenden Kosten auf sämtliche Gebührenschuldner ergibt sich jedoch aus der Überlegung, dass es sich dabei um für die Realisierung des Gebührenanspruchs der Gemeinde notwendige Kosten handelt. Denn das durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung seitens des Bürgers eingeleitete Austauschverhältnis kann grundsätzlich nur dann korrekt abgewickelt werden, wenn die Gemeinde den Satz der für die Benutzung zu entrichtenden Gebühren auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation in ihrer Satzung festlegt (in dieser Richtung bereits das Normenkontrollurteil des Senats vom 13.05.1997 - 2 S 3246/94 - BWGZ 1997, 890; ebenso VG Freiburg, Urteil vom 10.12.2003 - 7 K 420/02 - Juris; Lichtenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 RdNr. 733a, S. 473). An der in seinem Normenkontrollbeschluss vom 27.02.1996 - 2 S 1407/94 - (NVwZ-RR 1996, 593) beiläufig geäußerten Auffassung, dass die Kosten für die Erstellung der erforderlichen Gebührenkalkulation nicht zu den auf die Gebührenschuldner abwälzbaren Kosten der Einrichtung gehörten, hält der Senat deshalb nicht fest.
38 
4. Ob die Satzung der Beklagten vom 09.11.2006 auch deshalb zu beanstanden ist, weil die Beklagte in die dieser Satzung zugrunde liegende Gebührenkalkulation Unterdeckungen aus den Jahren 1994 und 1995 eingestellt hat, deren Berechnung - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auf einem zu niedrigen Ansatz des Straßenentwässerungsanteils beruht, bedarf danach keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die der Beklagten offenstehende Möglichkeit, die aus den oben genannten Gründen nichtige Satzung vom 09.11.2006 rückwirkend durch eine neue Satzung zu ersetzen, die statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben vorsieht, sowie im Hinblick auf künftige Streitfälle zwischen den Beteiligten sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden, diese Frage betreffenden Bemerkungen veranlasst.
39 
a) Zu der bis zum 31.03.2005 geltenden Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F., die thematisch der heutigen Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG entspricht, hat der Senat in seinem Urteil vom 27.01.2003 - 2 S 2587/00 - (VBlBW 2003, 322) entschieden, die Vorschrift beziehe sich lediglich auf Über- und Unterdeckungen, die sich am Ende eines Bemessungszeitraums auf Grund eines Abgleichs der Einnahmen und Ausgaben - ungeachtet der methodischen Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Gebührenkalkulation - ergäben. Nicht unter § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. fielen dagegen - schon seinem Wortlaut nach - solche Über- und Unterdeckungen, die sich aus der nachträglichen Feststellung überhöhter Gebührensatzregelungen ergäben. An dieser Auffassung hält der Senat weiterhin fest.
40 
§ 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. wurde 1986 auf Empfehlung des Innenausschusses in das Kommunalabgabengesetz eingefügt. Wie sich aus dem Bericht des Innenausschusses (LT-Drs. 9/3305, S. 10) ergibt, hat sich der Gesetzgeber dabei von der Überlegung leiten lassen, dass eine Gebührenkalkulation nur prognostischen Charakter haben kann und dementsprechend immer mit bestimmten Unsicherheiten verbunden ist. Die in die Kalkulation eingestellten Annahmen über die voraussichtlich entstehenden Kosten der Einrichtung und den voraussichtlichen Umfang ihrer Benutzung werden deshalb kaum einmal mit den tatsächlich entstehenden Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung übereinstimmen. Etwaige sich daraus ergebende Kostenüberdeckungen sollte die Gemeinde nach dem Willen des Landesgesetzgebers nicht für sich behalten dürfen, sondern innerhalb der nächsten fünf Jahre an die Gebührenschuldner zurückgeben müssen. Die Gemeinde sollte aber umgekehrt auch das Recht erhalten, sich aus den genannten Abweichungen ergebende Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums durch eine entsprechende Erhöhung der Gebühren ausgleichen zu dürfen.
41 
Eine Korrektur fehlerhafter Kalkulationen ist danach von § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. nicht bezweckt. Die Vorschrift ist vielmehr einschränkend dahin auszulegen, dass sie nur für solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen gilt, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, d.h. daraus dass die geschätzten Kosten der Einrichtung und der geschätzte Umfang ihrer Benutzung von den tatsächlichen Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung abweichen. § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. bezieht sich dagegen nicht auf solche Kostenüberdeckungen, die sich daraus ergeben, dass in die Kalkulation Kosten eingestellt wurden, die nicht oder nicht in dieser Höhe ansatzfähig sind. Die Vorschrift erlaubt umgekehrt aber auch keinen Ausgleich von Kostenunterdeckungen, die daraus folgen, dass bestimmte ansatzfähige Kosten in die Kalkulation überhaupt nicht oder nicht in der gesetzlich zulässigen Höhe eingestellt worden sind.
42 
b) Das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.03.2005 hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Der an die Stelle des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. getretene § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 legt wie sein Vorgänger fest, dass Kostenüberdeckungen innerhalb von fünf Jahren ausgeglichen werden müssen und Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums ausgeglichen werden können. § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 stellt darüber hinaus klar, wie Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen zu bestimmen sind, nämlich - so die damalige Fassung dieser Vorschrift - durch einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „Gesamtkosten“. Dass über diese Klarstellung hinaus auch eine Änderung der bis dahin geltenden und durch das Urteil des Senats vom 27.01.2003 verdeutlichten Rechtslage beabsichtigt war, kann weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 13/3966, S. 47) entnommen werden.
43 
c) Die durch das Gesetz vom 09.05.2009 erfolgte Änderung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 nötigt dagegen für die Zeit ab dem Inkrafttreten dieser Änderung zu einer Korrektur der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Nach der Neufassung der Vorschrift ist nunmehr zur Feststellung von Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen ein Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „ansatzfähigen Gesamtkosten“ vorzunehmen. Die zu § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a. F. vertretene Auffassung, dass diese Regelung nicht die Korrektur fehlerhafter Gebührenkalkulationen bezwecke, sondern sich nur auf solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen beziehe, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, kann angesichts des geänderten Wortlauts auf § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 nicht übertragen werden. Die sich aus einem solchen Verständnis der Vorschrift ergebende Konsequenz ist, dass unter der Geltung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 beschlossene Gebührensatzungen durch in der Vergangenheit unterlaufene und unter Umständen lange zurückliegende Fehler bei früheren Gebührenkalkulationen infiziert werden können. Durch die in § 49 Abs. 2 KAG getroffene Anordnung, nach der § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 auch auf früher entstandene Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen Anwendung findet, verschärfen sich die damit verbundenen Probleme. Ob der Gesetzgeber sich dieser Konsequenz bewusst war, die seinen in anderer Hinsicht unternommenen Bestrebungen zuwiderläuft, die Bestandskraft von Abgabensatzungen im Interesse der Rechtssicherheit zu erhöhen, lässt sich bezweifeln. Der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 14/4002, S. 70) kann dazu jedenfalls nichts entnommen werden. Das enthebt den Senat jedoch nicht der Verpflichtung, sich bei der Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 in erster Linie an dessen Wortlaut zu halten.
44 
d) Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Beklagte bei einem etwaigen, von ihr für erforderlich gehaltenen Neuerlass einer Satzung für das Jahr 1999 die Gebühren unter Berücksichtigung der geänderten Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 zu kalkulieren hat. Ob es in den vor 1999 liegenden fünf Jahren zu dabei berücksichtigungsfähigen Kostenunterdeckungen gekommen ist, ist somit an Hand eines Vergleichs zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen in dem jeweiligen Jahr und der Summe der in diesem Jahr angefallenen ansatzfähigen Gesamtkosten festzustellen. Der in den Gebührenkalkulationen für die Jahre 1994 und 1995 fehlerhaft angesetzte Straßenentwässerungsanteil ist danach entsprechend zu korrigieren.
45 
Für die Nachkalkulation darf schließlich noch an die Entscheidung des Senats vom 15.02.2008 - 2 S 2559/05 - (VBlBW 2008, 350) erinnert werden. Danach ist der Ausgleich einer Kostenunterdeckung nach Ablauf der Fünfjahresfrist auch dann ausgeschlossen, wenn diese überhaupt (oder mit einem höheren Betrag) erst nach Ablauf des zitierten Zeitraums erkannt wird. Der Ablauf der Fünfjahresfrist schafft für die Gemeinde und die Gebührenpflichtigen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Spätere Nachholungen sind ausgeschlossen, der entstandene Fehlbetrag ist dann endgültig aus allgemeinen Deckungsmitteln zu finanzieren. Diese Ausführungen gelten auch für den Ausgleich von Überdeckungen; nach Ablauf von fünf Jahren nach Ende des Kalkulationszeitraums sind nicht abgewickelte Überdeckungen nicht mehr zu berücksichtigen (so auch: Giebler, KStZ 2007, 167, 172).
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
47 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
48 
Beschluss
49 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 130,99 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
50 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
18 
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Abwassergebührenbescheid der Beklagten vom 26.01.2000 und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts Schwarzwald-Baar-Kreis vom 10.07.2007 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
19 
Für die Heranziehung des Klägers zu Gebühren für die Entsorgung von Abwasser (Schmutz- und Niederschlagswasser) im hier maßgeblichen Jahr 1999 fehlt es an einer wirksamen Rechtsgrundlage. Die einschlägige Satzung der Beklagten über die öffentliche Abwasserbeseitigung vom 10.12.1992 i.d.F. der Änderungssatzung vom 09.11.2006 (im Folgenden: AbwS) ist nichtig. Denn sie enthält für die Gebührenerhebung keine gültige Maßstabsregelung, wie sie § 2 Abs. 1 des hier noch anzuwendenden Kommunalabgabengesetzes vom 28.05.1996 (im Folgenden: KAG 1996) als Mindestinhalt einer Satzung fordert.
20 
Nach §§ 34 Abs. 1, 35 Abs. 1 Nr. 1, 36 Abs. 1 Satz 1 AbwS wird die Abwassergebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser einheitlich nach der Abwassermenge bemessen, die auf dem angeschlossenen Grundstück anfällt. Als angefallene Abwassermenge gilt dabei bei öffentlicher Wasserversorgung - wie hier - der der Entgeltberechnung zugrunde gelegte Wasserverbrauch abzüglich der nachweislich nicht in die öffentlichen Abwasseranlagen eingeleiteten Wassermengen. Die Satzung sieht damit als Maßstab zur Ermittlung der Abwassergebühren sowohl für die Ableitung von Schmutz- als auch von Niederschlagswasser den sogenannten (einheitlichen) Frischwassermaßstab vor. Dieser Maßstab verstößt angesichts der heutigen Wohn- und Lebensgewohnheiten in aller Regel gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip.
21 
1. Der baden-württembergische Landesgesetzgeber hat den Gemeinden und Landkreisen für den gemäß § 2 Abs. 1 KAG 1996 in der Satzung festzulegenden Gebührenmaßstab keine einfachgesetzlichen Beschränkungen auferlegt. Das ortsgesetzgeberische Ermessen der Gemeinden und Landkreise ist jedoch durch den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Äquivalenzprinzip eingeschränkt. Das Äquivalenzprinzip ist Ausdruck des allgemeinen, auf Verfassungsrecht beruhenden bundesrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und besagt als solcher, dass die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der von dem Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen darf. Es fordert ferner, dass die Benutzungsgebühr im Allgemeinen nach dem Umfang der Benutzung bemessen wird, so dass bei in etwa gleicher Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung in etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung diesen Unterschieden in etwa angemessene Gebühren erhoben werden, und berührt sich insoweit mit dem Gleichheitssatz (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995 - 8 N 3.93 - NVwZ-RR 1995, 594; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.11.2008 - 2 S 623/06 - AbfallR 2009, 44).
22 
Das bundesrechtliche Äquivalenzprinzip bildet damit eine Obergrenze für die Gebührenbemessung. Unterhalb dieser Obergrenze ist die Gestaltungsfreiheit des Satzungsgebers im Wesentlichen nur durch das aus dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgende Willkürverbot in der Weise eingeschränkt, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und der Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln sind, dass sie dem unterschiedlichen Ausmaß der erbrachten Leistungen Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt. Das Willkürverbot belässt damit dem Satzungsgeber eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Es verbietet nur eine willkürliche Ungleichbehandlung (wesentlich) gleicher Sachverhalte und die willkürliche Gleichbehandlung (wesentlich) ungleicher Sachverhalte. Die hierdurch gezogenen Grenzen seiner Entscheidungsfreiheit überschreitet der Satzungsgeber erst dann, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache einleuchtender Grund für die Gleich- oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenze ist unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes zu prüfen, nicht aber die Frage, ob der Satzungsgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. zum Ganzen: Rieger in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2009, § 6 RdNr. 591).
23 
Nach allgemeiner Ansicht dürfen Benutzungsgebühren nicht nur nach dem konkret nachgewiesenen Umfang der jeweiligen Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung (Wirklichkeitsmaßstab), sondern auch nach einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab bemessen werden. Die Rechtfertigung für die Verwendung eines solchen pauschalierenden Maßstabs ergibt sich aus der Notwendigkeit eines praktikablen, wenig kostenaufwändigen und damit auch den Gebührenzahlern zugute kommenden Erhebungsverfahrens (BVerwG, Beschluss vom 28.03.1995, aaO). Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab darf aber nicht offensichtlich ungeeignet sein, d.h. er muss Umständen oder Verhältnissen entnommen worden sein, die mit der Art der Benutzung in Zusammenhang stehen, und auf eine Berechnungsgrundlage zurückgreifen, die für die Regel in etwa zutreffende Rückschlüsse auf das tatsächliche Maß der Benutzung zulässt (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.06.2000 - 2 S 132/00 - VBlBW 2001, 21).
24 
2. Bei dem von der Beklagten gewählten (einheitlichen) Frischwassermaßstab wird die Benutzungsgebühr für die Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasseranlage durch die Einleitung sowohl des Schmutzwassers als auch des Niederschlagswassers nach der Menge des bezogenen Frischwassers bemessen. Dieser Maßstab beruht auf der Annahme, dass die auf einem Grundstück bezogene Frischwassermenge im Regelfall in einem ungefähr gleichen Verhältnis zur Menge des anfallenden Abwassers steht (vgl. zuletzt VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.03.2009 - 2 S 2650/08 - VBlBW 2009, 472). Diese Annahme trifft unzweifelhaft hinsichtlich des Schmutzwassers zu, weil die Menge des Frischwassers, die einem an die öffentliche Abwasserbeseitigung angeschlossenen Grundstück zugeführt wird, jedenfalls typischerweise weitgehend der in die Kanalisation eingeleiteten Abwassermenge entspricht.
25 
Was das Niederschlagswasser betrifft, kann das Gleiche dagegen nicht gesagt werden, weil der Frischwasserverbrauch keinen verlässlichen Rückschluss darauf erlaubt, wie viel Niederschlagswasser von dem betreffenden Grundstück der öffentlichen Abwasseranlage zugeführt wird (ebenso OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007 - 9 A 3648/04 - KStZ 2008, 74; Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009 - 5 A 631/08 - KStZ 2009, 235). Denn der Frischwasserverbrauch ist regelmäßig bei Wohnbebauung personen- und bei Gewerbegrundstücken produktionsabhängig, während die Menge des eingeleiteten Niederschlagswassers - außer von der Menge des Niederschlags - von der Größe des Grundstücks sowie der Oberflächengestaltung abhängig ist. Ein verlässlicher Zusammenhang zwischen Frischwasserbezug eines Grundstücks und der von diesem Grundstück zu entsorgenden Niederschlagswassermenge besteht demnach zumindest in aller Regel nicht. Die Verwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht mit dem Grundsatz der Typengerechtigkeit gerechtfertigt werden (unten a). Sie kann ferner nicht mit der Erwägung als rechtmäßig angesehen werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 12.06.1972 - VII B 117.70 - KStZ 1973, 92; Beschluss vom 25.03.1985 - 8 B 11.84 - NVwZ 1985, 496 mwN) als auch nach der des erkennenden Senats (Urteil vom 27.10.1993 - 2 S 199/80 - VBlBW 1984, 346) eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind (unten b).
26 
a) Im Benutzungsgebührenrecht ist ebenso wie im sonstigen Abgabenrecht auf den Grundsatz der Typengerechtigkeit abzustellen, der es dem Satzungsgeber gestattet, bei Gestaltung abgabenrechtlicher Regelungen in der Weise zu verallgemeinern und zu pauschalieren, dass an Regelfälle eines Sachbereichs angeknüpft wird und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht bleiben. Dieser Grundsatz vermag die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte indessen nur so lange zu rechtfertigen, wie nicht mehr als 10 % der von der Regelung betroffenen Fällen dem „Typ“ widersprechen (BVerwG, Beschluss vom 19.09.2005 - 10 BN 2.05 - Juris; Urteil vom 01.08.1986 - 8 C 112.84 - NVwZ 1987, 231; Beschluss vom 19.08.1983 - 8 N 1.83 - BVerwGE 68, 36).
27 
In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze kann nicht angenommen werden, dass der einheitliche Frischwassermaßstab im Allgemeinen und damit in 90 % aller Fälle zu einer in etwa gleichmäßigen Belastung der Beitragspflichtigen führt. Es ist mit anderen Worten nicht davon auszugehen, dass im „Regelfall“ auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets das Verhältnis zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der nach dem Frischwasserverbrauch berechneten Schmutzwassermenge (so) weitgehend vergleichbar ist, dass es aus diesem Grund einer gesonderten Berechnung der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nicht bedarf.
28 
Zwar hat der erkennende Senat bislang den einheitlichen Frischwassermaßstab auch zur Erfassung der Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers als geeignet angesehen, wenn das Satzungsgebiet durch eine im entwässerungsrechtlichen Sinn verhältnismäßig homogene Bebauungsstruktur mit wenig verdichteter Wohnbebauung und ohne eine nennenswerte Anzahl kleinflächiger Grundstücke mit hohem Wasserverbrauch bzw. großflächig befestigter Grundstücke mit geringem Wasserverbrauch geprägt ist (Urteil vom 07.10.2004 - 2 S 2806/02 - VBlBW 2005, 239). Dem lag der Gedanke zugrunde, dass von einer homogenen Siedlungsstruktur ausgegangen werden könne, wenn in einer Gemeinde für mindestens 90 % der angeschlossenen Grundstücke die Entwässerungsverhältnisse in etwa gleich seien. Insoweit handelt es sich bei dem Kriterium einer homogenen Siedlungsstruktur um nichts anderes als eine konkretisierte Ausprägung des oben dargelegten Grundsatzes der Typengerechtigkeit (so zutreffend Quaas, VBlBW 2006, 175, 176). Der Senat hat in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, im Regelfall könne bei Gemeinden mit 60.000 bis 80.000 Einwohnern noch von einer homogenen Siedlungsstruktur im genannten Sinne ausgegangen werden. An dieser Auffassung hält der Senat nicht mehr fest. Eine Vergleichbarkeit zwischen der abzuleitenden Niederschlagswassermenge und der Schmutzwassermenge auf den Grundstücken eines Satzungsgebiets dürfte nach den heutigen Verhältnissen die absolute Ausnahme bilden. Auch für das Gebiet der Beklagten, einer Gemeinde mit sechs Teilorten und ca. 6.200 Einwohnern, liegt eine solche Ausnahme nicht vor.
29 
Die Anzahl der Bewohner auf den Grundstücken des jeweiligen Satzungsgebiets, die maßgeblich die Menge des einem Grundstück zugeführten Frischwassers beeinflusst, ist - unter den hiesigen modernen Lebensverhältnissen - so unterschiedlich, dass ein vorherrschender, mindestens 90 % der Fälle erfassender „Regeltyp“ mit annähernd gleicher Relation zwischen Frischwasserverbrauch je Grundstück und hiervon abgeleitetem Niederschlagswasser nicht erkennbar ist. Die Menge des abgeleiteten Niederschlagswassers wird bestimmt durch die Größe der versiegelten Grundstücksflächen, die sich nach der Kubatur der Baukörper und dem Vorhandensein weiterer befestigter Flächen - wie etwa Stellplätze, Terrassen - richtet. Dagegen wird die Menge des Abwassers im Falle der Wohnbebauung ganz wesentlich durch die Zahl der auf dem Grundstück vorhandenen Haushalte und die Zahl der zu den Haushalten gehörenden Personen beeinflusst. Bei gewerblich oder industriell genutzten Grundstücken, die erfahrungsgemäß einen hohen Versiegelungsgrad aufweisen, kommt es auf die Art der gewerblichen und industriellen Nutzung und die Höhe des damit verbundenen Frischwasserverbrauchs an. Deshalb sind sowohl gewerblich oder industriell genutzte Grundstücke als auch Grundstücke mit stark verdichteter Wohnbebauung (z.B. Hochhäuser) im Hinblick auf die Relation zwischen Frischwasserverbrauch und abgeleitetem Niederschlagswasser von vornherein als atypisch anzusehen. Vor diesem Hintergrund kommen als Grundstücke mit „vergleichbaren Entwässerungsverhältnissen“ naturgemäß lediglich die die Wohnbebauung prägenden Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke in Betracht. Aber selbst Ein- und Zweifamilienhausgrundstücke weisen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine derart uneinheitliche Haushaltsgröße und daraus folgend einen derart unterschiedlichen Wasserverbrauch auf, dass nicht mehr von einer annähernd vergleichbaren Relation zwischen Frischwasserverbrauch und Niederschlagswassermenge ausgegangen werden kann.
30 
Einfamilienhäuser werden zwar überwiegend von Familien mit Kindern bewohnt. Schon die Anzahl der Kinder in den Haushalten variiert aber mit der Folge eines stark unterschiedlichen Wasserverbrauchs. Davon abgesehen werden Einfamilienhäuser auch nicht selten nur von einer oder zwei Personen bewohnt, weil z.B. ein Ehepartner verstorben ist oder die Parteien sich infolge einer Scheidung getrennt haben oder die (erwachsenen) Kinder das Elternhaus verlassen haben (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). Diese Einschätzung wird durch die vom Senat beim Baden-Württembergischen Landesamt für Statistik ermittelten Zahlen (Mikrozensus 2006) für das Land Baden-Württemberg belegt. Danach gibt es in Baden-Württemberg insgesamt 1.088.000 Haushalte in Einfamilienhäusern (Wohngebäude mit einer Wohneinheit), die sich wie folgt aufteilen: 186.000 Haushalte mit einer Person (= 17,10 %), 412.000 Haushalte mit zwei Personen (= 37,87 %), 183.000 Haushalte mit drei Personen (= 16,2 %), 217.000 Haushalte mit vier Personen (= 19,94 %) sowie 90.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen (= 8,27 %). Auch die vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof (Urteil vom 02.09.2009, aaO) ermittelten Daten für das Land Hessen zeigen eine in etwa vergleichbare Verteilung der Haushaltsgrößen in Einfamilienhäusern; danach werden Einfamilienhäuser in 19,22 % von Haushalten mit einer Person, in 40,28 % von Haushalten mit zwei Personen, in 17,57 % von Haushalten mit drei Personen, in 16,72 % von Haushalten mit vier Personen und in 6,21 % der Fälle von Haushalten mit fünf und mehr Personen bewohnt.
31 
Diese für die Länder Baden-Württemberg und Hessen erhobenen Daten bestätigen eindrucksvoll, dass generell von einer Homogenität der Haushaltsgröße auch für den Bereich von Einfamilienhäusern nicht gesprochen werden kann. Diese Aussage kann auch ohne weiteres auf das Gemeindegebiet der Beklagten übertragen werden. Dafür, dass sich im Gemeindegebiet der Beklagten die Verhältnisse nennenswert anders darstellen, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Auch die Beklagte hat in dieser Richtung nichts vorgetragen.
32 
Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass bereits im Bereich der Einfamilienhäuser durch die Streuung der Haushaltsgrößen ein stark unterschiedlicher Frischwasserverbrauch festzustellen ist, der bei ansonsten gleichen Verhältnissen zu gravierenden Unterschieden bei der Höhe der veranlagten Gebühren für den Anteil der Kosten der Niederschlagswasserentsorgung führt. Wird ein Einfamilienhaus von einer Einzelperson bewohnt, entfällt auf dieses Grundstück nach der Gebührensatzung der Beklagten für das Jahr 1999 bei einem durchschnittlich angenommenen Jahresfrischwasserverbrauch von 40 m 3 und einem Gebührensatz von 4,20 DM eine Abwassergebühr von 168,-- DM. Wird das gleiche Einfamilienhaus dagegen von einem Vier-Personen-Haushalt bewohnt, entfällt auf das Grundstück - trotz derselben versiegelten Fläche - bei einem unterstellten Jahresfrischwasserverbrauch von wiederum 40 m 3 je Person eine Abwassergebühr von 672,-- DM. Unterstellt man ferner einen Anteil von lediglich 25 % der Gesamtkosten für die Niederschlagswasserentsorgung (vgl. Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %) und geht damit bei einer Abwassergesamtgebühr von 4,20 DM je Kubikmeter von einem Anteil für die Beseitigung des Niederschlagswassers von 1,05 DM je Kubikmeter aus, so zahlt der Ein-Personen-Haushalt dafür 42,-- DM, der Vier-Personen-Haushalt bei gleicher Versiegelungsfläche dagegen 168,-- DM. Das hier aufgeführte Beispiel zeigt, dass selbst dann, wenn nur die Nutzung eines Einfamilienhauses mit vergleichbarem Umfang an Grundstücksversiegelung in den Blick genommen wird, unter anderem Familien mit Kindern gegenüber Einzelpersonen/Kleinhaushalten zu erheblich höheren Gebühren herangezogen werden, obwohl die zu beseitigende Niederschlagswassermenge in etwa gleich ist.
33 
Die dargestellte Uneinheitlichkeit der Haushaltsgrößen und damit die unterschiedliche Nutzungsintensität gilt auch für Zweifamilienhäuser. Nach den Daten des Baden-Württembergischen Landesamtes für Statistik (Mikrozensus 2006) teilen sich die Haushaltsgrößen in den 503.000 Wohngebäuden mit zwei Wohneinheiten wie folgt auf: 134.000 Haushalte mit einer Person, 195.000 Haushalte mit zwei Personen, 68.000 Haushalte mit drei Personen, 77.000 Haushalte mit vier Personen sowie 29.000 Haushalte mit fünf und mehr Personen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die versiegelte Fläche bei Zweifamilienhäusern im Vergleich zu Einfamilienhäusern nach allgemeiner Lebenserfahrung zwar erhöht, aufgrund der Kubatur von Zweifamilienhäusern allerdings keine entsprechende Verdoppelung der versiegelten Flächen angenommen werden kann.
34 
b) Die Anwendung des einheitlichen Frischwassermaßstabs für die Verteilung der Niederschlagswasserentsorgungskosten kann im Fall der Beklagten auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als auch nach der des erkennenden Senats eine Differenzierung der Kosten für die Entsorgung des Schmutzwassers und des Niederschlagswassers nicht erforderlich ist, wenn die durch die Gebühren zu deckenden Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nur gering sind. Als geringfügig in diesem Sinne sehen das Bundesverwaltungsgericht (Beschlüsse vom 12.06.1972 und vom 25.03.1985, aaO) sowie der erkennende Senat (Urteil vom 27.10.1993, aaO) diese Kosten dann an, wenn ihr Anteil an den Kosten der gesamten Entwässerung nicht mehr als 12 % beträgt.
35 
Nach den Veröffentlichungen in der Fachliteratur ist von den gesamten Abwasserentsorgungskosten regelmäßig ein Anteil von 25 % und mehr für die Niederschlagswasserentsorgung zu veranschlagen (vgl. etwa Dudey/Jacobi, GemHH 2005, 83 - niedrigster Anteil 25 %, Mittelwert 41 %; Hennebrüder, KStZ 2007, 184 - unter Bezugnahme auf Untersuchungen des Gutachters Prof. Dr. Pecher, wonach der Anteil in der Regel zwischen 35 % und 45 % liegt). Darüber hinaus hat auch die Beklagte im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür genannt, dass der Anteil der Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung in ihrem Gebiet noch als geringfügig im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzusehen ist.
36 
3. Für die Gemeinden hat dies zur Konsequenz, dass - von wenigen, wohl nur theoretisch denkbaren Ausnahmen abgesehen - statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben erhoben werden muss (gesplittete Abwassergebühr). Ein unverhältnismäßiger und damit nicht mehr zu vertretender finanzieller Kostenaufwand ist damit nicht verbunden (ebenso Hess. VGH, Urteil vom 02.09.2009, aaO; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2007, aaO). So besteht für die Beklagte insbesondere die Möglichkeit, die an die Abwasseranlage angeschlossenen versiegelten Flächen im Rahmen einer Selbstveranlagung der Gebührenschuldner zu ermitteln und sich auf eine stichprobenweise Überprüfung zu beschränken.
37 
In diesem Zusammenhang ist ferner anzumerken, dass die Kosten für die Erstellung der Gebührenkalkulation durch ein von der Gemeinde beauftragtes Beratungsbüro oder einen anderen Dritten einschließlich der Kosten der dafür notwendigen Vorarbeiten Teil der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KAG ansatzfähigen Kosten sind. Zu den nach dieser Vorschrift gebührenfähigen Kosten gehören zwar nur die „Kosten der Einrichtung“, d.h. Kosten, die durch die Leistungserstellung der Gemeinde verursacht worden sind oder für solche Neben- und Zusatzleistungen entstanden sind, die mit der eigentlichen Leistungserstellung in einem ausreichend engen Sachzusammenhang stehen. Auch ist nicht zu übersehen, dass die Erstellung der Gebührenkalkulation mit der eigentlichen Leistung, die durch die öffentliche Einrichtung erbracht wird, nur in einem mittelbaren Zusammenhang steht. Die Rechtfertigung für eine Abwälzung der dadurch entstehenden Kosten auf sämtliche Gebührenschuldner ergibt sich jedoch aus der Überlegung, dass es sich dabei um für die Realisierung des Gebührenanspruchs der Gemeinde notwendige Kosten handelt. Denn das durch die Benutzung der öffentlichen Einrichtung seitens des Bürgers eingeleitete Austauschverhältnis kann grundsätzlich nur dann korrekt abgewickelt werden, wenn die Gemeinde den Satz der für die Benutzung zu entrichtenden Gebühren auf der Grundlage einer Gebührenkalkulation in ihrer Satzung festlegt (in dieser Richtung bereits das Normenkontrollurteil des Senats vom 13.05.1997 - 2 S 3246/94 - BWGZ 1997, 890; ebenso VG Freiburg, Urteil vom 10.12.2003 - 7 K 420/02 - Juris; Lichtenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand September 2009, § 6 RdNr. 733a, S. 473). An der in seinem Normenkontrollbeschluss vom 27.02.1996 - 2 S 1407/94 - (NVwZ-RR 1996, 593) beiläufig geäußerten Auffassung, dass die Kosten für die Erstellung der erforderlichen Gebührenkalkulation nicht zu den auf die Gebührenschuldner abwälzbaren Kosten der Einrichtung gehörten, hält der Senat deshalb nicht fest.
38 
4. Ob die Satzung der Beklagten vom 09.11.2006 auch deshalb zu beanstanden ist, weil die Beklagte in die dieser Satzung zugrunde liegende Gebührenkalkulation Unterdeckungen aus den Jahren 1994 und 1995 eingestellt hat, deren Berechnung - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - auf einem zu niedrigen Ansatz des Straßenentwässerungsanteils beruht, bedarf danach keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die der Beklagten offenstehende Möglichkeit, die aus den oben genannten Gründen nichtige Satzung vom 09.11.2006 rückwirkend durch eine neue Satzung zu ersetzen, die statt einer einheitlichen Abwassergebühr eine Schmutzwasser- und eine Niederschlagswassergebühr mit unterschiedlichen Gebührenmaßstäben vorsieht, sowie im Hinblick auf künftige Streitfälle zwischen den Beteiligten sieht sich der Senat jedoch zu den folgenden, diese Frage betreffenden Bemerkungen veranlasst.
39 
a) Zu der bis zum 31.03.2005 geltenden Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F., die thematisch der heutigen Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG entspricht, hat der Senat in seinem Urteil vom 27.01.2003 - 2 S 2587/00 - (VBlBW 2003, 322) entschieden, die Vorschrift beziehe sich lediglich auf Über- und Unterdeckungen, die sich am Ende eines Bemessungszeitraums auf Grund eines Abgleichs der Einnahmen und Ausgaben - ungeachtet der methodischen Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Gebührenkalkulation - ergäben. Nicht unter § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. fielen dagegen - schon seinem Wortlaut nach - solche Über- und Unterdeckungen, die sich aus der nachträglichen Feststellung überhöhter Gebührensatzregelungen ergäben. An dieser Auffassung hält der Senat weiterhin fest.
40 
§ 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. wurde 1986 auf Empfehlung des Innenausschusses in das Kommunalabgabengesetz eingefügt. Wie sich aus dem Bericht des Innenausschusses (LT-Drs. 9/3305, S. 10) ergibt, hat sich der Gesetzgeber dabei von der Überlegung leiten lassen, dass eine Gebührenkalkulation nur prognostischen Charakter haben kann und dementsprechend immer mit bestimmten Unsicherheiten verbunden ist. Die in die Kalkulation eingestellten Annahmen über die voraussichtlich entstehenden Kosten der Einrichtung und den voraussichtlichen Umfang ihrer Benutzung werden deshalb kaum einmal mit den tatsächlich entstehenden Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung übereinstimmen. Etwaige sich daraus ergebende Kostenüberdeckungen sollte die Gemeinde nach dem Willen des Landesgesetzgebers nicht für sich behalten dürfen, sondern innerhalb der nächsten fünf Jahre an die Gebührenschuldner zurückgeben müssen. Die Gemeinde sollte aber umgekehrt auch das Recht erhalten, sich aus den genannten Abweichungen ergebende Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums durch eine entsprechende Erhöhung der Gebühren ausgleichen zu dürfen.
41 
Eine Korrektur fehlerhafter Kalkulationen ist danach von § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. nicht bezweckt. Die Vorschrift ist vielmehr einschränkend dahin auszulegen, dass sie nur für solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen gilt, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, d.h. daraus dass die geschätzten Kosten der Einrichtung und der geschätzte Umfang ihrer Benutzung von den tatsächlichen Kosten und dem tatsächlichen Umfang der Benutzung abweichen. § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. bezieht sich dagegen nicht auf solche Kostenüberdeckungen, die sich daraus ergeben, dass in die Kalkulation Kosten eingestellt wurden, die nicht oder nicht in dieser Höhe ansatzfähig sind. Die Vorschrift erlaubt umgekehrt aber auch keinen Ausgleich von Kostenunterdeckungen, die daraus folgen, dass bestimmte ansatzfähige Kosten in die Kalkulation überhaupt nicht oder nicht in der gesetzlich zulässigen Höhe eingestellt worden sind.
42 
b) Das Gesetz zur Neuregelung des kommunalen Abgabenrechts und zur Änderung des Naturschutzgesetzes vom 17.03.2005 hat an dieser Rechtslage nichts geändert. Der an die Stelle des § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a.F. getretene § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 legt wie sein Vorgänger fest, dass Kostenüberdeckungen innerhalb von fünf Jahren ausgeglichen werden müssen und Kostenunterdeckungen innerhalb des gleichen Zeitraums ausgeglichen werden können. § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 stellt darüber hinaus klar, wie Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen zu bestimmen sind, nämlich - so die damalige Fassung dieser Vorschrift - durch einen Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „Gesamtkosten“. Dass über diese Klarstellung hinaus auch eine Änderung der bis dahin geltenden und durch das Urteil des Senats vom 27.01.2003 verdeutlichten Rechtslage beabsichtigt war, kann weder dem Wortlaut der Vorschrift noch der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 13/3966, S. 47) entnommen werden.
43 
c) Die durch das Gesetz vom 09.05.2009 erfolgte Änderung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2005 nötigt dagegen für die Zeit ab dem Inkrafttreten dieser Änderung zu einer Korrektur der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Nach der Neufassung der Vorschrift ist nunmehr zur Feststellung von Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen ein Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen am Ende des Bemessungszeitraums und der Summe der in diesem Zeitraum angefallenen „ansatzfähigen Gesamtkosten“ vorzunehmen. Die zu § 9 Abs. 2 Satz 4 KAG a. F. vertretene Auffassung, dass diese Regelung nicht die Korrektur fehlerhafter Gebührenkalkulationen bezwecke, sondern sich nur auf solche Kostenunter- und Kostenüberdeckungen beziehe, die aus „Prognoseirrtümern“ resultieren, kann angesichts des geänderten Wortlauts auf § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 nicht übertragen werden. Die sich aus einem solchen Verständnis der Vorschrift ergebende Konsequenz ist, dass unter der Geltung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 beschlossene Gebührensatzungen durch in der Vergangenheit unterlaufene und unter Umständen lange zurückliegende Fehler bei früheren Gebührenkalkulationen infiziert werden können. Durch die in § 49 Abs. 2 KAG getroffene Anordnung, nach der § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 auch auf früher entstandene Kostenüber- oder Kostenunterdeckungen Anwendung findet, verschärfen sich die damit verbundenen Probleme. Ob der Gesetzgeber sich dieser Konsequenz bewusst war, die seinen in anderer Hinsicht unternommenen Bestrebungen zuwiderläuft, die Bestandskraft von Abgabensatzungen im Interesse der Rechtssicherheit zu erhöhen, lässt sich bezweifeln. Der Begründung des Gesetzentwurfs (LT-Drs. 14/4002, S. 70) kann dazu jedenfalls nichts entnommen werden. Das enthebt den Senat jedoch nicht der Verpflichtung, sich bei der Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 in erster Linie an dessen Wortlaut zu halten.
44 
d) Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass die Beklagte bei einem etwaigen, von ihr für erforderlich gehaltenen Neuerlass einer Satzung für das Jahr 1999 die Gebühren unter Berücksichtigung der geänderten Vorgaben des § 14 Abs. 2 Satz 2 KAG 2009 zu kalkulieren hat. Ob es in den vor 1999 liegenden fünf Jahren zu dabei berücksichtigungsfähigen Kostenunterdeckungen gekommen ist, ist somit an Hand eines Vergleichs zwischen dem tatsächlichen Gebührenaufkommen in dem jeweiligen Jahr und der Summe der in diesem Jahr angefallenen ansatzfähigen Gesamtkosten festzustellen. Der in den Gebührenkalkulationen für die Jahre 1994 und 1995 fehlerhaft angesetzte Straßenentwässerungsanteil ist danach entsprechend zu korrigieren.
45 
Für die Nachkalkulation darf schließlich noch an die Entscheidung des Senats vom 15.02.2008 - 2 S 2559/05 - (VBlBW 2008, 350) erinnert werden. Danach ist der Ausgleich einer Kostenunterdeckung nach Ablauf der Fünfjahresfrist auch dann ausgeschlossen, wenn diese überhaupt (oder mit einem höheren Betrag) erst nach Ablauf des zitierten Zeitraums erkannt wird. Der Ablauf der Fünfjahresfrist schafft für die Gemeinde und die Gebührenpflichtigen Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Spätere Nachholungen sind ausgeschlossen, der entstandene Fehlbetrag ist dann endgültig aus allgemeinen Deckungsmitteln zu finanzieren. Diese Ausführungen gelten auch für den Ausgleich von Überdeckungen; nach Ablauf von fünf Jahren nach Ende des Kalkulationszeitraums sind nicht abgewickelte Überdeckungen nicht mehr zu berücksichtigen (so auch: Giebler, KStZ 2007, 167, 172).
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
47 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
48 
Beschluss
49 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 130,99 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
50 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

Die Finanzbehörden können Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.