Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 30. Dez. 2005 - 10 K 1854/05

published on 30/12/2005 00:00
Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 30. Dez. 2005 - 10 K 1854/05
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Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 15.09.2004 wird angeordnet.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

 
I. Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine geänderte Abschiebungsandrohung.
Der Antragsteller, ein türkischer Staatsangehöriger, wurde am 17.05.1971 als zweites von drei Kindern türkischer Arbeitnehmer in ... geboren. Er wuchs - mit Ausnahme eines Jahres, das er als Kleinkind in der Türkei verbrachte - im Bundesgebiet auf und erreichte 1987 den Hauptschulabschluss. Im Anschluss daran besuchte er die einjährige Berufsfachschule für Elektrotechnik in ..., wurde aber den schulischen Anforderungen nicht gerecht und bestand die Abschlussprüfung nicht. In der Folgezeit ging er wechselnden Beschäftigungen nach. Er blieb im Haus seiner Eltern wohnen. Sein Vater nahm sich 1989 das Leben.
Nach Vollendung des 16. Lebensjahres erteilte die Stadt ... dem Antragsteller am 27.05.1987 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seither ist er strafrechtlich mehrfach in Erscheinung getreten. Zuletzt wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts ... vom 22.03.2002 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sieben Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
Seit dem 16.09.2001 befand sich der Antragsteller in Untersuchungshaft, seit dem 22.03.2002 in Strafhaft.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe - Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge - wies den Antragsteller mit Verfügung vom 29.05.2002 aus dem Bundesgebiet aus (Ziff. 1) und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei ohne Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise (Ziff. 2) bzw. für den Fall der Haftentlassung unter Setzung einer Ausreisefrist von einem Monat nach Haftentlassung (Ziff. 3) an. Zur Begründung hob das Regierungspräsidium im Wesentlichen auf die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AuslG, wegen besonderen Ausweisungsschutzes zur Regelausweisung herabgestuft, und eine erhebliche Wiederholungsgefahr ab.
Mit Urteil vom 29.11.2002 - 1 K 2704/02 - hob das Verwaltungsgericht Karlsruhe die angefochtene Verfügung wegen fehlender ausreichender Wiederholungsgefahr auf.
Nachdem der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Beschluss vom 28.04.2003 die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit dieses Urteils zugelassen hatte, hob er es durch Urteil vom 10.09.2003 - 11 S 973/03 - auf und wies die Klage ab. Er stellte auf die Rechtsgrundlage von § 47 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 AuslG und ausreichende Wiederholungsgefahr ab und ließ offen, ob sich der Antragsteller auf Art. 6 oder 7 ARB 1/80 berufen könne, weil jedenfalls die Voraussetzungen von Art. 14 ARB 1/80 vorlägen.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wies das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluss vom 16.07.2004 - 1 B 20.04 - zurück.
Im Hinblick auf eine vom Antragsteller beabsichtigte Drogentherapie stellte die Staatsanwaltschaft ... mit Bescheid vom 19.07.2004 die weitere Vollstreckung der gegen den Antragsteller verhängten Strafe zurück. Daraufhin wurde der Antragsteller am 10.8.2004 aus der Strafhaft in die Therapieeinrichtung entlassen, die er mit Erfolg bis 20.05.2005 besuchte. Seither befindet er sich in der Nachsorge in .... Durch Beschluss vom 28.06.2005 setzte das Landgericht ... die Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe des Antragstellers für die Dauer von drei Jahren zur Bewährung aus.
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Bereits zuvor hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe durch Verfügung vom 15.09.2004 die Ausweisungsverfügung vom 29.05.2002 wie folgt geändert:
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"4. Sollte die Vollstreckung der Strafe für die Dauer einer Rehabilitation dienenden Behandlung zurückgestellt (§ 35 BtMG), die Zurückstellung nicht widerrufen und nach dem regulären Abschluss der Behandlung die Vollstreckung des Restes der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird, werden Sie aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einem Monat nach Rechtskraft des Beschlusses der Strafaussetzung zur Bewährung zu verlassen. Für den Fall, dass Sie nicht fristgerecht ausreisen, wird Ihnen die Abschiebung in die Türkei angedroht.....“.
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Über die dagegen am 08.10.2004 erhobene Klage (Az: 10 K 3339/04) ist noch nicht entschieden.
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Mit dem am 23.08.2005 eingegangenen Antrag beantragt der Antragsteller nach Zurücknahme eines auf vorläufige Unterlassung der Abschiebung gerichteten Hilfsantrages,
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die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 15.09.2004 anzuordnen.
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Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend: Er habe Anträge auf Duldung wegen seiner Drogentherapie und auf Widerruf bzw. Rücknahme der Verfügung vom 15.09.2004 gestellt, die noch unentschieden seien. Seine Abschiebung sei im Hinblick auf Art. 8 EMRK unverhältnismäßig, weil er faktisch ein Inländer sei. Seine jüngste Entwicklung habe in den Entscheidungen nicht berücksichtigt werden können, was auch für die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderliche Ermessensentscheidung gelte. Nach dem Aussetzungsbeschluss des Landgerichts ... und den Berichten der Rehabilitationseinrichtung und der Nachsorgeeinrichtung sei ihm gegenwärtig eine positive Prognose zu stellen, weshalb seine Abschiebung gegen Art. 14 ARB 1/80 verstoße, weil es an der Wiederholungsgefahr fehle. Deshalb liege auch kein dringender Fall im Sinne der Richtlinie 64/221/EWG vor. Folglich sei auch die Ursprungsverfügung rechtswidrig.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Er meint, die durchgeführte Drogentherapie ändere nichts an der Wiederholungsgefahr, weshalb an der Abschiebungsandrohung festzuhalten sei. Wegen der Schwere der strafrechtlichen Verfehlungen werde auch ein dringender Fall im Sinne der Richtlinie gesehen. Daran ändere auch die Strafaussetzung zur Bewährung nichts.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Ausländerakten des Regierungspräsidiums Karlsruhe und der Stadt ... verwiesen, die Gegenstand der Beratung waren.
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II. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist lediglich die sofortige Vollziehbarkeit der mit Bescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 15.09.2004 verfügten nachgeschobenen Abschiebungsandrohung. Insoweit ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, weil die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers kraft Gesetzes entfällt (§ 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. m. § 12 LVwVG).
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Der zulässige Antrag hat auch sachlich Erfolg; das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der gegen ihn ergangenen Verfügung.
22 
Geht es um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsakt, so kommt es nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte bei der Entscheidung auf eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug einerseits und dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung andererseits an; wesentliches Merkmal dieser Interessenabwägung ist die Frage, ob der Rechtsbehelf, um dessen aufschiebende Wirkung es geht, ausreichende Erfolgsaussicht hat. Besteht diese, so wird in der Regel das private Interesse an der aufschiebenden Wirkung überwiegen, während die offensichtliche Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts vor allem bei den kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Verwaltungsakten ein für die sofortige Vollziehung sprechender Grund sein kann. Sind die Erfolgsaussichten dagegen offen, so ist eine von den Erfolgsaussichten unabhängige Interessenabwägung vorzunehmen.
23 
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass die Erfolgsaussichten offen sind und eine hiervon unabhängige Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers ausgeht. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
24 
Es spricht viel dafür, dass der Antragsteller sich auf eine Aufenthaltsposition nach dem ARB 1/80 berufen kann (unten a) und dass deshalb die in der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, ihm folgend des Bundesverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg entwickelten Grundsätze zu aufenthaltsbeendenden Maßnahmen auf ihn anzuwenden sind (unten b). Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, dass diese Grundsätze für die hier streitgegenständliche nachgeschobene Abschiebungsandrohung gelten (unten c). Diese Fragen entziehen sich einer hinreichend verlässlichen Beantwortung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes; die hiernach von den Erfolgsaussichten unabhängige Interessenabwägung ergibt einen Vorrang der Interessen des Antragstellers (unten d).
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a) Aus den vorliegenden Verwaltungsakten ergibt sich, dass der Antragsteller als Sohn türkischer Arbeitnehmer, die 1968 (Vater) bzw. 1970 (Mutter) ins Bundesgebiet eingereist sind, im Bundesgebiet geboren ist. Deshalb spricht alles dafür, dass er sich auf eine supranationale Aufenthaltsposition aus Art. 7 ARB 1/80 berufen kann. Außerdem erscheint es möglich, dass ihm auch eine solche Positionen aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 zustehen könnte. Aus den gegen den Antragsteller ergangenen Urteilen des Amtsgerichts Heidelberg vom 21.04.1994 und des Landgerichts Heidelberg vom 20.03.2002 geht hervor, dass der Antragsteller zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt ca. zweieinhalb Jahre beim selben Arbeitgeber tätig war. Da nach der Rechtsprechung des EuGH die Strafhaft derartige Positionen entgegen der in der Ausweisungsverfügung zitierten früheren nationalen Rechtsprechung ebenso wenig entfallen lässt (vgl. EuGH, Urt. v. 29.04.2004 [Orfanopoulos und Oliveri] Rn 50, InfAuslR 2004, 268, mit Hinweis auf Urt. v. 10.02.2000 Rn 40 [Nazli], InfAuslR 2000, 161) wie spätere Arbeitslosigkeit ohne Beendigung der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt, kommt die Anwendbarkeit des ARB 1/80 auf den Antragsteller durchaus in Betracht. Jedoch bedürfen diese Fragen im Einzelnen noch der Klärung im Hauptsacheverfahren, weil sich nicht alle dafür wesentlichen Tatsachen aus den vorgelegten Akten ergeben.
26 
b) Nach der neueren Rechtsprechung des EuGH, der sich das BVerwG angeschlossen hat, folgt aus der Richtlinie Nr. 64/221 des Rats der EWG vom 25.02.1964 (im Folgenden: Richtlinie 64/221) für Unionsbürger ebenso wie für assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige, dass in verfahrensmäßiger Hinsicht außer in dringenden Fällen eine Zweckmäßigkeitsprüfung der getroffenen Maßnahme durch eine unabhängige Stelle stattfinden muss (Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 64/221), andernfalls die Maßnahme wegen unheilbaren Verfahrensfehlers rechtswidrig ist, und dass in materiell-rechtlicher Hinsicht eine Ausweisung lediglich nach Ermessen in Anknüpfung an das persönliche Verhalten des Betroffenen auf Grund einer zur Zeit der jeweiligen, auch gerichtlichen, Überprüfung aktuellen Gefahrenprognose (Art. 3 Abs. 1 und 2 Richtlinie 64/221) erfolgen darf (zum Ganzen EuGH, Urt. v. 02.06.2005 [Dörr und Ünsal], InfAuslR 2005, 289, und Urt. v. 29.04.2004 [Orfanopoulos und Oliveri], a.a.O.; BVerwG, Urt. v. 06.10.2005 - 1 C 5.04 -, Urt. v. 13.09.2005 - 1 C 7.04 -, Urt. v. 15.03.2005, NVwZ 2005, 1074, und Urt. v. 03.08.2004, BVerwGE 121, 315 = InfAuslR 2005, 26; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.02.2005 - 11 S 92/04 -, VENSA und juris). Ein dringender Fall setzt ein besonderes öffentliches Interesse daran voraus, das gerichtliche Hauptsacheverfahren nicht abzuwarten, um damit einer weiteren, unmittelbar drohenden und unzumutbaren Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Ausländer zu begegnen (BVerwG, Urt. v. 13.09.2005, a.a.O.).
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c) Es erscheint möglich, zumindest nicht ausgeschlossen, dass die vorstehenden Grundsätze auch auf die Klage des Antragstellers 10 K 3339/04 gegen die streitgegenständliche nachgeschobene Abschiebungsandrohung anwendbar sein könnten.
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Die Richtlinie 64/221 gilt außer für die Entscheidung über die Verweigerung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auch für die Entscheidung „über die Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet“.
29 
Nach dem deutschen Recht besteht die „Entfernung eines Inhabers einer Aufenthaltserlaubnis aus dem Hoheitsgebiet“, sofern man - wie erkennbar der EuGH und ihm folgend nunmehr auch das BVerwG - darunter nicht erst die Abschiebung selbst versteht, aus vier Schritten: Zunächst ist die Aufenthaltserlaubnis zu beenden (Grundentscheidung, zum Beispiel Versagung der Verlängerung, Ausweisung, Rücknahme oder Widerruf der Aufenthaltserlaubnis). Weiter ist eine Abschiebungsandrohung erforderlich. Schließlich wird die Abschiebung angeordnet und zuletzt durchgeführt. Es erscheint, sofern vom Verständnis des EuGH ausgegangen wird, nicht fern liegend, sämtliche in diesem Zusammenhang ergehenden Entscheidungen der Ausländerbehörde als solche über die „ Entfernung... aus dem Hoheitsgebiet“ anzusehen. Dann wäre auch eine wie vorliegend nachgeschobene Abschiebungsandrohung eine solche Entscheidung, auf die damit die unter b) dargestellten Grundsätze anwendbar sein könnten. Das könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Grundsätze nicht bereits bei der Grundentscheidung Berücksichtigung finden konnten, wie es hier aus zeitlichen Gründen der Fall war.
30 
Wäre dem so, könnte dem wohl kaum entgegengehalten werden, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der nachgeschobenen Abschiebungsandrohung der Antragsteller nicht mehr „Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis“ gewesen sei, weil diese bereits durch die Ausweisung erloschen war. Denn zum einen hat die nachgeschobene Abschiebungsandrohung erklärtermaßen die bestandskräftige Ausweisungsverfügung geändert und zum anderen kann der grundsätzlich nicht vorgesehene nachträgliche Erlass einer Abschiebungsandrohung nichts daran ändern, dass der Betroffene zuvor „Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis“ war und sie Teil von dessen „Entfernung ... aus dem Hoheitsgebiet“ ist.
31 
Wären die genannten Grundsätze auf die nachgeschobene Abschiebungsandrohung anwendbar, so wäre diese wegen eines unheilbaren Verfahrensmangels (BVerwG, Urt. v. 06.10.2005, a.a.O.) schon aus formellen Gründen rechtswidrig. Denn im Falle des Antragstellers spricht derzeit alles dagegen, dass ein dringender Fall im bezeichneten Sinne vorliegt. Aus der Entscheidung des Landgerichts ... über die Aussetzung der Vollstreckung der restlichen Freiheitsstrafe des Antragstellers zur Bewährung vom 28.06.2005 ergibt sich, dass der Antragsteller erfolgreich eine Drogenentziehungstherapie absolviert hat. Aus dem Bericht der Nachsorgeeinrichtung vom 19. 07.2005 ergibt sich ebenfalls eine positive Prognose. Dass sich daran seither etwas geändert haben könnte, ist nicht ersichtlich. Die Drogenabhängigkeit war aber nach dem Strafurteil vom 22.03.2002 für die Taten „ möglicherweise mitbestimmend“. Aus der Unterziehung der Therapie ergibt sich auch ein grundlegender Einstellungswandel des Antragstellers. Auch aus dem seinerzeitigen Umfeld hat er sich gelöst.
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Weiter wäre Folge der Anwendbarkeit der genannten Grundsätze, dass auch im Hauptsacheverfahren über die Rechtmäßigkeit der nachgeschobenen Abschiebungsandrohung maßgeblicher Zeitpunkt derjenige der mündlichen Verhandlung sein wird und dass die Abschiebungsandrohung entgegen der nationalen Regelung im Ermessen steht. Im Rahmen dieses Ermessens könnte dann auch der Umstand zu berücksichtigen sein, dass der Antragsteller das Wiederaufgreifen des Verfahrens bezüglich der Ausweisungsverfügung beantragt hat (Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 20.07.2005 an das Regierungspräsidium Karlsruhe) und dass die genannte Rechtsprechungsänderung für die Ausländerbehörden regelmäßig hinreichenden Anlass zur Wiederaufnahme bestandskräftig ohne Berücksichtigung dieser Grundsätze abgeschlossener Ausweisungsverfahren bieten kann (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.11.2004 - 11 S 2771/03 -, VENSA und juris). Deshalb kommt in Betracht, dass die nachgeschobene Abschiebungsandrohung nur dann als ermessensfehlerfrei angesehen werden kann, wenn auch über das Wiederaufgreifen in diesem Rahmen ermessensfehlerfrei entschieden worden ist oder zumindest die Stellung dieses Antrags im Rahmen des Ermessens hinreichend berücksichtigt wurde. Jedenfalls aber wäre eine aktuelle Gefahrenprognose zu stellen, die - wie sich aus den Ausführungen zum „dringenden Fall“ ergibt - wohl zugunsten des Antragstellers ausgehen müsste.
33 
Insgesamt entziehen sich diese Fragen einer hinreichend verlässlichen Beantwortung im summarischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO. Ihre Klärung muss dem Hauptsacheverfahren, also dem Klageverfahren, vorbehalten bleiben. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens erscheint damit offen.
34 
d) Im Rahmen der danach ohne Rücksicht auf die Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers vorzunehmenden Interessenabwägung durch das Gericht kommt zu Gunsten des Antragstellers Bedeutung zu, dass derzeit von ihm eine nennenswerte Wiederholungsgefahr wohl kaum ausgeht, er im Bundesgebiet geboren und aufgewachsen und mit den hiesigen Lebensverhältnissen vertraut ist, was für jene in der Türkei nicht angenommen werden kann. Es kommt hinzu, dass seine Familie (Mutter und Brüder) sich im Bundesgebiet aufhalten und er sich in der Nachsorge nach einer erfolgreichen Drogenentziehungstherapie befindet. Außerdem kommt ein sofortiges Verlassen der Bundesrepublik der Vorwegnahme der Hauptsache näher als ein vorläufiges Verbleiben. Demgegenüber sind überwiegende öffentliche Interessen an der sofortigen „ Entfernung aus dem Hoheitsgebiet“ weder vom Antragsgegner dargelegt worden noch erkennbar. Das gebietet eine Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers.
35 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53, 52 Abs. 2 GKG und trägt dem Umstand Rechnung, dass der Antragsteller bereits über ein gesichertes Aufenthaltsrecht verfügte (ständige Rechtsprechung).

Sonstige Literatur

 
36 
Rechtsmittelbelehrung:
37 
Gegen diesen Beschluss kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, Postfach 11 14 51, 76064 Karlsruhe, oder Nördliche Hildapromenade 1, 76133 Karlsruhe Beschwerde eingelegt werden. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg eingeht.
38 
Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses ist die Beschwerde zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Beschwerde erfolgt ist, beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim, oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Der Verwaltungsgerichtshof prüft nur die dargelegten Gründe.
39 
Vor dem Verwaltungsgerichtshof muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde beim Verwaltungsgericht.
40 
Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit der Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
41 
In Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten des Sozialhilferechts sind vor dem Verwaltungsgerichtshof als Prozessbevollmächtigte auch Mitglieder und Angestellte von Verbänden im Sinne des § 14 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes und von Gewerkschaften zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind.
42 
In Abgabenangelegenheiten sind vor dem Verwaltungsgerichtshof als Prozessbevollmächtigte auch Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zugelassen.
43 
In Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis betreffen und Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen einschließlich Prüfungsangelegenheiten, sind vor dem Verwaltungsgerichtshof als Prozessbevollmächtigte auch Mitglieder und Angestellte von Gewerkschaften zugelassen, sofern sie kraft Satzung oder Vollmacht zur Vertretung befugt sind.
44 
Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68 Abs. 1 Satz 1 und 3 GKG verwiesen.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.
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published on 03/02/2005 00:00

Tenor Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. November 2003 - 9 K 945/03 - geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 24. Mai 2003 gegen die Verfügung des Regieru
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Annotations

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.

(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.

(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder
2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
und im übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 für den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten erfüllt sind.

(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.

(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.

(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn

1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder
2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.

(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Die Vorschlagslisten für die ehrenamtlichen Richter, die in den Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten auf Grund des § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und der Arbeitsförderung mitwirken, werden aus dem Kreis der Versicherten und aus dem Kreis der Arbeitgeber aufgestellt. Gewerkschaften, selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung und die in Absatz 3 Satz 2 genannten Vereinigungen stellen die Vorschlagslisten für ehrenamtliche Richter aus dem Kreis der Versicherten auf. Vereinigungen von Arbeitgebern und die in § 16 Absatz 4 Nummer 3 bezeichneten obersten Bundes- oder Landesbehörden stellen die Vorschlagslisten aus dem Kreis der Arbeitgeber auf.

(2) Die Vorschlagslisten für die ehrenamtlichen Richter, die in den Kammern für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts mitwirken, werden nach Bezirken von den Kassenärztlichen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und von den Zusammenschlüssen der Krankenkassen aufgestellt.

(3) Für die Kammern für Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts werden die Vorschlagslisten für die mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder dem Recht der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen von den Landesversorgungsämtern oder nach Maßgabe des Landesrechts von den Stellen aufgestellt, denen deren Aufgaben übertragen worden sind oder die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes oder des Rechts der Teilhabe behinderter Menschen zuständig sind. Die Vorschlagslisten für die Versorgungsberechtigten, die behinderten Menschen und die Versicherten werden aufgestellt von den im Gerichtsbezirk vertretenen Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Erfüllung dieser Aufgaben bieten. Vorschlagsberechtigt nach Satz 2 sind auch die Gewerkschaften und selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung.

(4) Die Vorschlagslisten für die ehrenamtlichen Richter, die in den Kammern für Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes mitwirken, werden von den Kreisen und den kreisfreien Städten aufgestellt.

(1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (§ 1 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 - Bundesgesetzbl. I S. 191 -) sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Arbeitnehmer gelten nicht in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind.

(2) Beamte sind als solche keine Arbeitnehmer.

(3) Handelsvertreter gelten nur dann als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a des Handelsgesetzbuchs die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 Euro auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz können im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die in Satz 1 bestimmte Vergütungsgrenze durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den jeweiligen Lohn- und Preisverhältnissen anpassen.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.