Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 02. Jan. 2014 - 17 AE 5199/13

published on 02/01/2014 00:00
Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss, 02. Jan. 2014 - 17 AE 5199/13
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Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 8. Dezember 2013 wird abgelehnt.

2. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.

3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entscheidet nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter.

II.

2

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes – mit dem sich die Antragsteller mit einem Haupt- und einem Hilfsantrag gegen die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2013 nach § 34a Abs. 1 AsylVfG erfolgte Abschiebungsanordnung nach Polen richten – hat keinen Erfolg.

3

1. Der zulässige Hauptantrag, der analog § 88 VwGO dahingehend auszulegen ist, dass die Antragsteller die Anordnung – und nicht die Wiederherstellung – der aufschiebenden Wirkung ihrer unter dem Az. 17 A 5198/13 ebenfalls bei der Kammer anhängigen Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO begehren, ist unbegründet.

4

Bei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen dem Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin und dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiegt im vorliegenden Fall das Vollziehungsinteresse. Die Abschiebungsanordnung nach Polen im Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2013 erweist sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig.

5

a) Rechtsgrundlage der Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet die Antragsgegnerin die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) an, wenn der Ausländer in diesen Staat abgeschoben werden soll und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen dürften hinsichtlich der im Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2013 angeordneten Abschiebung der Antragsteller nach Polen vorliegen.

6

aa) Polen dürfte nach § 27a AsylVfG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (im Folgenden: Dublin II-VO) für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragsteller zuständig sein.

7

Die Dublin II-VO ist trotz ihres Außerkrafttretens zum 18. Juli 2013 und des Inkrafttretens der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) am 19. Juli 2013 im vorliegenden Fall für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats […] weiterhin maßgebend, [wird ausgeführt].

8

Nach Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO ist, wenn auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt wird, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedsstaates illegal überschritten hat, dieser Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Nach diesem Maßstab dürfte Polen für die Prüfung des Asylantrages der Antragsteller (weiterhin) zuständig sein.

9

Die Antragsteller sind der Annahme der Antragsgegnerin, dass sie das Gebiet der Europäischen Union zunächst in Polen betreten haben, nicht entgegengetreten. Hierfür sprechen auch die Umstände des vorliegenden Falls. Der weitere Familienangehörige … – ausweislich der Sachakten ein volljähriger Sohn der Antragstellerin zu 1. –, der nach seinem Vortrag im Familienverbund gereist ist und unter dem Az. … ein eigenes Asyl-Eilverfahren beim beschließenden Gericht anhängig gemacht hat, wurde nämlich am 21. April 2013 in Lublin (Polen) nahe der Grenze zu Weißrussland erkennungsdienstlich behandelt (Bl. 33 der Sachakten im Verfahren …). Die Antragsteller haben nicht vorgetragen, dass sie bei der Einreise nach Polen über Aufenthaltsdokumente oder Visa verfügt hätten.

10

bb) Die Antragsgegnerin ist nicht durch Ausübung ihres sog. Selbsteintrittsrechts zu dem für die Durchführung des Asylverfahrens der Antragsteller zuständigen Mitgliedstaat geworden.

11

Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Dublin II-VO festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-VO und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Eine derartige Prüfung des Asylantrages der Antragsteller hat die Antragsgegnerin jedoch nicht vorgenommen.

12

Nach der Rechtsprechung der Kammer können nur solche Maßnahmen der Antragsgegnerin einen Selbsteintritt begründen, die von einem entsprechenden, erkennbar zum Ausdruck kommenden Willen gedeckt werden. Daran fehlt es hier. Die Antragsteller wurden bereits nicht zu ihrem Verfolgungsschicksal angehört.

13

cc) Die Abschiebung der Antragsteller nach Polen kann durchgeführt werden.

14

Die Republik Polen hat die Wiederaufnahme der Antragsteller mit Schreiben vom 19. November 2013 (Bl. 56 der Sachakten) zugesagt.

15

Zudem ist die Abschiebung nicht wegen eines innerstaatlichen Abschiebungshindernisses aus in der Person der Antragsteller liegenden rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich (s. hierzu OVG Hamburg, Beschl. v. 3.12.2010, 4 Bs 223/10, juris, Rn. 10). Diesbezüglich fehlt es an jeglichem Vortrag.

16

b) Es besteht keine Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Antragsteller aufgrund grundrechtlicher Gewährleistungen nicht nach Polen als den nach der Dublin II-Verordnung für die Prüfung ihres Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen.

17

aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine Abweichung von der Zuständigkeitsregelung der Dublin II-Verordnung als Ausprägung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems nur in extrem gelagerten Ausnahmefällen geboten. Nur dann, wenn ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedsstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GRCh implizieren, wäre die Überstellung mit der genannten Bestimmung unvereinbar (vgl. EuGH, Urt. v. 14.11.2013, C-4/11; EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 u. C-493/10, juris, Rn. 86). Es obliegt dabei den Antragstellern, die sich auf systemische Mängel im jeweiligen Aufnahmestaat berufen, diese unter Angabe von Quellen darzulegen (s. auch VG Lüneburg, Beschl. v. 10.10.2013, 2 B 47/13, juris, Rn. 28; Bergmann, in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 27a AsylVfG, Rn. 5).

18

In die gleiche Richtung geht die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach hat die Bundesrepublik Deutschland Schutz zu gewähren, wenn Abschiebungshindernisse nach § 60 AufenthG durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind. So kann der Ausländer einer Abschiebung in den Drittstaat § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG etwa dann entgegenhalten, wenn er eine erhebliche konkrete Gefahr dafür aufzeigt, dass er in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rückverbringung in den Drittstaat dort Opfer eines Verbrechens werde, welches zu verhindern nicht in der Macht des Drittstaates steht. Ferner kommt der Fall in Betracht, dass sich die für die Qualifizierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26a Abs. 3 AsylVfG hierauf noch aussteht. Nicht umfasst vom Konzept normativer Vergewisserung über einen Schutz für Flüchtlinge durch den Drittstaat sind auch Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird. Schließlich kann sich aus allgemein bekannten oder im Einzelfall offen zutage tretenden Umständen ergeben, dass der Drittstaat sich des Ausländers ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird. Eine Prüfung, ob der sofortigen Rückverbringung in den Drittstaat ausnahmsweise Hinderungsgründe entgegenstehen, kann der Ausländer allerdings nur erreichen, wenn es sich aufgrund bestimmter Tatsachen aufdrängt, dass er von einem der soeben genannten, im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfälle betroffen ist. An diese Darlegung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1938/93, juris, Rn. 189 f.).

19

bb) Umstände im Sinne der angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sowie des Bundesverfassungsgerichts und eine sich hieraus ergebende Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Antragsteller nicht nach Polen zu überstellen, sind nicht ersichtlich.

20

(1) Nach einheitlicher Rechtsprechung der Kammer (s. nur VG Hamburg, Beschl. v. 12.11.2013, 17 AE 4415/13, juris, Rn. 19 ff.; VG Hamburg, Beschl. v. 22.11.2013, 17 AE 4404/13, n. v.) liegen keine ernst zu nehmenden Anhaltspunkte dafür vor, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Polen systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GRCh implizieren (im Ergebnis ebenso die weit überwiegende verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, s. nur VG Regensburg, Beschl. v. 16.10.2013, RN 9 S 13.30520, juris; VG Schleswig, Beschl. v. 27.8.2013, 1 B 43/13, juris; VG Ansbach, Beschl. v. 30.9.2013, A N 10 S 13.30742, juris; VG Düsseldorf, Beschl. v. 13.7.2013, 25 L 1165/13.A, juris; VG Saarlouis, Beschl. v. 24.6.2013, Az.: 6 L 839/13, juris; VG Potsdam, Urt. v. 4.6.2013, 6 K 732/13.A, juris; VG Osnabrück, Urt. v. 23.1.2013, 5 A 265/12, juris; juris; zweifelnd hingegen VG Wiesbaden, Beschl. v. 10.9.2013, 5 L 652/13.WI.A., n. v.; VG Karlsruhe, Beschl. v. 9.7.2013, A 1 K 1566/13, n. v.; VG Meiningen, Beschl. v. 26.4.2013, 8 E 20075/13.ME, n. v.).

21

(a) Das Asylverfahren wird vom UNHCR im Allgemeinen – mit Einschränkungen im Bereich des Zugangs zu kostenloser Rechtsberatung – als fair und effizient beschrieben. Die Aufnahmebedingungen und das Asylverfahren selbst hätten sich im Laufe der Jahre kontinuierlich verbessert. Insbesondere sei der Zugang zum polnischen Staatsgebiet sichergestellt und werde das Prinzip des „non-refoulement“ beachtet. Es gebe keine rechtlichen oder technischen Hindernisse hinsichtlich des Zugangs zum Asylverfahren an der Grenze oder innerhalb des polnischen Staatsgebiets (UNHCR, Submission by the United Nations High Commissioner for Refugees for the Office oft the High Commissioner for Human Rights‘ Compilation Report – Universal Periodic Review: Poland, November 2011, S. 1, abrufbar unter http://www.refworld.org/docid/4ed3624e2.html, letzter Abruf am 22.11.2013).

22

(b) Auch hinsichtlich der Unterbringung von Asylbewerbern in geschlossenen Gewahrsamszentren sind keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Polen ersichtlich, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung implizieren.

23

Aus den dem Gericht zugänglichen Erkenntnisquellen ergibt sich zunächst, dass Schutzsuchende in Polen während des Asylverfahrens überwiegend in offenen Aufnahmezentren untergebracht sind (Gesellschaft für bedrohte Völker, Die Situation tschetschenischer Flüchtlinge in Polen. Menschenrechtlicher Aspekt, Januar 2011, abrufbar unter http://www.gfbv.de/show_file.php?type=inhaltsDok&property=download&id=2158, letzter Abruf am 11.11.2013). Im November 2012 waren lediglich 258 Asylbewerber in geschlossenen Gewahrsamszentren untergebracht, die durchschnittliche Verweildauer dort betrug 57 Tage (Association for Legal Intervention und Helsinki Foundation for Human Rights, Report on the Monitoring of Guarded Centres for Foreigners, Migration is not a crime, 2013, S. 8, abrufbar unter http://interwencjaprawna.pl/wp-content/uploads/migration-is-not-a-crime.pdf, letzter Abruf am 11.11.2013), während im Jahre 2011 immerhin 6.887 Personen in Polen einen Asylantrag gestellt haben (Department for Refugee Procedures, Office for Foreigners, Polish Asylum Procedure, S. 14, abrufbar unter http://www2.ekiba.de/download/Polish_Asylum_Procedure.pdf, letzter Abruf am 11.11.2013) und das Asylverfahren in der Regel länger als sechs Monate dauert (Evangelische Landeskirche Baden, Berichte zur 14. Europäischen Asylrechtstagung in Warschau, S. 23 f., abrufbar unter http://www.ekiba.de/html/content/europa.html?&stichwortsuche=asylum, letzter Abruf am 11.11.2013).

24

Es ist nicht zu erkennen, dass Asylbewerber allein aufgrund ihres Status unter Verstoß gegen die Garantien gemäß Art. 10 und Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2005/85/EG vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft in Gewahrsam genommen werden. Vielmehr werden durch richterlichen Beschluss vor allem Asylbewerber in geschlossenen Gewahrsamszentren untergebracht, die nach Stellung ihres Asylantrags in Polen vor Abschluss des Asylverfahrens entgegen geltender Aufenthaltsregeln in einen anderen EU-Mitgliedstaat weitergereist waren und von diesem wieder nach Polen überstellt worden sind (Evangelische Landeskirche Baden, Berichte zur 14. Europäischen Asylrechtstagung in Warschau, S. 24, abrufbar unter http://www.ekiba.de/html/content/europa.html?&stichwortsuche=asylum, letzter Abruf am 11.11.2013).

25

Die Unterbringung eines Teils der Asylbewerber in geschlossenen Gewahrsamszentren wegen Verstoßes gegen Aufenthaltsregeln stellt nicht per se eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung dar. Art. 3 EMRK, dem aufgrund der Regelung in Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRCh auch für die Auslegung von Art. 4 GRCh maßgebliche Bedeutung zukommt, verpflichtet die Staaten nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte allerdings, sich zu vergewissern, dass die Unterbringungsbedingungen mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahmen den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Erfordernisse der Haft angemessen sichergestellt werden (EGMR, Urt. v. 21.1.2011, 30696/09, in deutscher Übersetzung abgedruckt in NVwZ 2011, 413 (414)).

26

Der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte hat u. a. entschieden, dass es eine erniedrigende Behandlung i. S. von Art. 3 EMRK ist, wenn ein Asylbewerber zwei Monate in einer vorgefertigten Zelle ohne die Möglichkeit, nach draußen zu gehen oder Telefongespräche zu führen, mit unsauberen Decken und ungenügender Hygiene eingeschlossen wird. Ebenso hat er eine Haft von sechs Tagen in beengtem Raum, ohne die Möglichkeit der Bewegung, ohne Freizeitbereich, mit schmutzigen Matratzen und ohne freien Zugang zu Toiletten als mit Art. 3 EMRK unvereinbar angesehen. Auch die dreimonatige Haft eines Asylbewerbers in der Erwartung des Vollzugs einer Verwaltungsanordnung in einem Polizeigebäude ohne Freizeitaktivitäten und angemessene Mahlzeiten hat er als erniedrigende Behandlung gewertet. Schließlich hat er die Behandlung eines Asylbewerbers als erniedrigend angesehen, der drei Monate in einer überbelegten Abschiebehaftanstalt verbringen musste, in der die Sauberkeit und hygienischen Verhältnisse beklagenswert waren, ohne Einrichtungen für Freizeit oder die Einnahme von Mahlzeiten, wo der Verfall der sanitären Einrichtungen sie quasi unbenutzbar machte und die Gefangenen in außerordentlich schmutzigen und beengten Verhältnissen schlafen mussten (EGMR, Urt. v. 21.1.2011, 30696/09, in deutscher Übersetzung abgedruckt in NVwZ 2011, 413 (414) mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

27

Gemessen an diesem Maßstab ergeben sich aus den dem Gericht zugänglichen Erkenntnisquellen keine Umstände in den polnischen Gewahrsamszentren, die eine erniedrigende oder unmenschliche Behandlung der dort untergebrachten Asylbewerber darstellen. Nach Protesten gegen die Unterbringungsbedingungen in einigen der in Polen betriebenen Gewahrsamszentren im Oktober 2012 wurden diese unter Beteiligung von Nichtregierungsorganisationen untersucht. Ergebnis der Untersuchung war, dass schwere Rechtsverstöße nicht festgestellt werden konnten. Zwar wurden im Bericht der Nichtregierungsorganisationen verschiedene Missstände kritisch beleuchtet, insbesondere eine zu starke Ausrichtung an Militär- oder Strafgefängnissen und ein mangelnder Zugang zu psychologischer Unterstützung, wobei starke Unterschiede zwischen den einzelnen Einrichtungen festgestellt wurden (Association for Legal Intervention und Helsinki Foundation for Human Rights, Report on the Monitoring of Guarded Centres for Foreigners, Migration is not a crime, 2013, S. 25 ff., 36, abrufbar unter http://interwencjaprawna.pl/wp-content/uploads/migration-is-not-a-crime.pdf, letzter Abruf am 11.11.2013). Diese Missstände erreichen die Schwelle einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung jedoch nicht.

28

Im Grundsatz wurden die mit Basis-Mobiliar ausgestatteten Räumlichkeiten der Gewahrsamszentren als sauber und geräumig beschrieben. Die Räume seien Tag und Nacht geöffnet. Jeder Flügel sei mit Sanitäreinrichtungen und einem Raum zur Zubereitung von Mahlzeiten ausgestattet, oft auch mit einem Erholungs- und einem Waschraum. Bei den Mahlzeiten könnten die Ausländer aus verschiedenen Essen auswählen. Alle Zentren würden den Glauben der Ausländer berücksichtigen, weshalb in den Mahlzeiten auch kein Schwein enthalten sei. Die Ausländer erhielten zudem in jedem Zentrum medizinische Versorgung, auch wenn es Unterschiede zwischen den einzelnen Zentren gebe. Die fachärztliche Versorgung erfolge in der Regel außerhalb der Zentren bei lokalen Gesundheitseinrichtungen (Association for Legal Intervention und Helsinki Foundation for Human Rights, Report on the Monitoring of Guarded Centres for Foreigners, Migration is not a crime, 2013, S. 12, 14, 23 ff., abrufbar unter http://interwencjaprawna.pl/wp-content/uploads/migration-is-not-a-crime.pdf, letzter Abruf am 11.11.2013).

29

Sofern eine Familie mit Kindern in einem Gewahrsamszentrum untergebracht werde, geschehe dies in einem gemeinsamen Raum in einem speziellen Familienflügel, der von den Flügeln für Männer getrennt sei. In jedem Zentrum, in dem Familien mit Kindern untergebracht seien, gebe es einen Erholungsraum, der mit Büchern und Spielzeugen für Kinder ausgestattet sei. Es würden verschiedene Freizeitaktivitäten organisiert, die manchmal außerhalb der Gebäude stattfänden, z.B. Sportwettbewerbe (Association for Legal Intervention und Helsinki Foundation for Human Rights, Report on the Monitoring of Guarded Centres for Foreigners, Migration is not a crime, 2013, S. 28 f., abrufbar unter http://interwencjaprawna.pl/wp-content/uploads/migration-is-not-a-crime.pdf, letzter Abruf am 11.11.2013).

30

(c) Es fehlt zudem an ernsthaften Anhaltspunkten dafür, dass die Behandlung von Asylbewerbern in Polen generell hinsichtlich des sozialen Schutzes und der Gesundheitsfürsorge das Ausmaß einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung erreicht.

31

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann Art. 3 EMRK nicht so ausgelegt werden, dass er die Konventionsstaaten dazu verpflichtet, allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen das Recht auf eine Unterkunft zu gewähren. Aus dieser Vorschrift ergibt sich auch keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren, damit sie einen gewissen Lebensstandard haben. Hingegen ist es nicht ausgeschlossen, dass die Verantwortlichkeit eines Staates nach Art. 3 EMRK wegen der Behandlung eines Beschwerdeführers begründet sein kann, der vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist (EGMR, Urt. v. 21.1.2011, 30696/09, in deutscher Übersetzung abgedruckt in NVwZ 2011, 413 (415)). Letzteres kann hinsichtlich der Situation von Asylbewerbern in Polen trotz teilweise schwieriger Lebensbedingungen nicht angenommen werden.

32

Zunächst droht den Asylbewerbern dort während des Asylverfahrens keine Obdachlosigkeit, da für ihre Unterbringung – überwiegend in offenen Aufnahmezentren – gesorgt ist. Schwierigkeiten ergeben sich insoweit erst nach erfolgreichem Abschluss des Asylverfahrens und Ablauf des einjährigen Integrationsprogramms (UNHCR, Where is my home, Homelessness and Access to Housing among Asylum-seekers, refugees and Persons with International Protection, 2013, abrufbar unter http://www.unhcr-centraleurope.org/ pdf/where-we-work/poland/where-is-my-home-poland.html, letzter Abruf am 11.11.2013).

33

In den Aufnahmezentren erhält jeder Asylbewerber drei festgelegte Mahlzeiten in der Kantine sowie ein geringes Taschengeld. Außerdem werden Reisekosten für notwendige Fahrten zurückerstattet, Kindern stehen Schulmaterialien kostenlos zur Verfügung (Gesellschaft für bedrohte Völker, Die Situation tschetschenischer Flüchtlinge in Polen. Menschenrechtlicher Aspekt, Januar 2011, S. 6, abrufbar unter http://www.gfbv.de/ show_file.php?type=inhaltsDok&property=download&id=2158, letzter Abruf am 11.11.2013).

34

Auch eine medizinische Grundversorgung ist gewährleistet, wenngleich diese von Nichtregierungsorganisationen teilweise als ungenügend kritisiert wird (Gesellschaft für bedrohte Völker, Die Situation tschetschenischer Flüchtlinge in Polen. Menschenrechtlicher Aspekt, S. 5 f., Januar 2011, abrufbar unter http://www.gfbv.de/show_file.php?type=inhalts Dok&property=download&id=2158, letzter Abruf am 11.11.2013). Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung folgt daraus jedoch nicht, zumal es Hinweise auf Verbesserungen in der Qualität der medizinischen Versorgung gibt (UNHCR, Participatory Assessment 2010 Report - Being a refugee, S. 42, abrufbar unter http://www.unhcr-centraleurope.org/pdf/what-we-do/age-gender-and-diversity-mainstreaming/being-a-refugee-2010.html, letzter Abruf am 11.11.2013; s. auch USA, State Departement, Poland Human Rights Report, 2012, S. 13, abrufbar unter http://www.state.gov/ documents/organization/204536.pdf, letzter Abruf am 11.11.2013).

35

(2) Das Vorliegen eines Sonderfalls im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urt. v. 14.5.1996, 2 BvR 1938/93, juris, Rn. 189 f.) haben die Antragsteller nicht hinreichend dargetan und ist auch sonst nicht ersichtlich.

36

2. Der Hilfsantrag, mit dem die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO mit dem Inhalt begehren, dass ihnen ein Verbleiben in der Bundesrepublik Deutschland bis zur Entscheidung über die Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2013 gestattet wird, ist mangels Statthaftigkeit bereits unzulässig.

37

Dies ergibt sich aus § 123 Abs. 5 VwGO. Danach gelten die Vorschriften des § 123 Abs. 1 bis 3 VwGO nicht für die Fälle des § 80 VwGO. Gegen Abschiebungsanordnungen nach § 34a Abs. 1 AsylVfG sind Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da gegen sie im Hauptsachverfahren nicht Verpflichtungsklagen, sondern Anfechtungsklagen statthaft sind.

III.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 83 b AsylVfG, 154 Abs. 1 VwGO.

IV.

39

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO unbegründet, weil der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant
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published on 27/08/2013 00:00

Tenor Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.06.2013 wird bis zum 17.10.2013 angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin zu 1/10 und d
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published on 11/10/2016 00:00

Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller. Gründe I. 1 Der am … 1987 geborene Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz hinsich
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Annotations

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.