Verwaltungsgericht Halle Urteil, 6. Dez. 2024 - 4 A 113/23 HAL

originally published: 16/02/2025 13:23, updated: 16/02/2025 14:22
Verwaltungsgericht Halle Urteil, 6. Dez. 2024 - 4 A 113/23 HAL
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Author’s summary by Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

VG Halle: Rückforderung von Corona-Soforthilfe wegen fehlendem Nachweis rechtmäßig

Das Verwaltungsgericht Halle hat bestätigt, dass der Widerruf einer Corona-Soforthilfe rechtmäßig war, da der Empfänger keinen ausreichenden Nachweis über den tatsächlich entstandenen Liquiditätsengpass erbracht hatte. Maßgeblich für die Beurteilung war der fortlaufende betriebliche Sach- und Finanzaufwand im Förderzeitraum, wobei Personalkosten nicht berücksichtigt werden. Betriebswirtschaftliche Auswertungen dürfen zur Überprüfung angefordert werden, da sie als verlässlicher Nachweis gelten. Das Urteil verdeutlicht, dass Empfänger von Soforthilfen ihre Mittelverwendung sorgfältig dokumentieren und fristgerecht nachweisen müssen, um Rückforderungen zu vermeiden.

Principles

Amtliche Leitsätze

1. Die Corona-Soforthilfe wurde zweckgebunden zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz und zur Überbrückung eines akuten Liquiditätsengpasses gewährt. Bei der Bestimmung des mit der Geldleistung zu erfüllenden Zwecks sind grundsätzlich der im Zuwendungsbescheid ausgewiesene Zuwendungszweck und die dem Begünstigten bekannten und erkennbaren Umstände maßgeblich. Zu dessen näherer Bestimmung können auch Richtlinien, auf die im Bescheid Bezug genommen wird und deren näherer Inhalt infolge ihrer Veröffentlichung ohne weiteres zugänglich ist, herangezogen werden.

2. Die Betrachtung des Liquiditätsengpasses erfolgt anhand der tatsächlich im dreimonatigen Förderzeitraum erzielten Einnahmen und dem Liquiditätsbedarf, der sich aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand richtet.

3. Es ist zulässig, betriebswirtschaftliche Auswertungen für den Nachweis des Vorliegens eines Liquiditätsengpasses anzufordern, weil diese in der Regel auf der Finanzbuchhaltung des Unternehmens beruhen und allgemein eine Gewähr für die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit bieten.

4. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Widerrufsentscheidung eines subventionsrechtlichen Bewilligungsbescheides ist unter Berücksichtigung des materiellen Rechts der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf und die Rückforderung einer ihm zuvor gewährten Corona-Soforthilfe.

Bei dem Kläger handelt es sich um einen eingetragenen Verein, der sich nach seiner Satzung zur Aufgabe gestellt hat, unter Ausschluss von parteipolitischen, konfessionellen und beruflichen Gesichtspunkten Investoren, Unternehmer und Privatpersonen in der Bundesrepublik Deutschland zu vereinen, zu fördern und persönliche Kontakte mit und zwischen seinen Mitgliedern herzustellen. Er beantragte bei der Beklagten am 30. März 2020 die Gewährung einer Corona Soforthilfe nach der Richtlinie über die Gewährung von Billigkeitsleistungen für KMU mit bis zu 50 Beschäftigten (Vollzeitäquivalente) einschl. Kleinstunternehmen, Solo-Selbständige und Angehörige freier Berufe zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise (Corona-Soforthilfe, RdErl. des Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung vom 29. März 2020, im Folgenden: Richtlinie) in Höhe von 9.000,00 €. In Antragsformular gab er unter Ziff. 2.4.1 als Finanzbedarf (Fortlaufender erwerbsmäßiger Sach- und Finanzaufwand für den Zeitraum von 3 Monaten) 9.000,00 € sowie unter Anzahl der Beschäftigten eine Vollzeitäquivalente an. Als Grund für eine existenzbedrohliche Wirtschaftslage bzw. einen Liquiditätsengpass führte er unter Ziff. 2.2 aus, durch die Corona-Krise entgingen nahezu die gesamten Einnahmen, da keinerlei Veranstaltungen durchgeführt werden könnten. Es entfielen alle Beteiligungen in Objekte und Unternehmen. Es hätten keinerlei Termine dieser Art stattfinden können. Die laufenden Bürokosten  fielen  dennoch  an.  Er  bestätigte  in  Ziff.  5.c.  des  Antrags,  die Billigkeitsleistungen nur zum Ausgleich von Härten zu verwenden, die ihre Ursache in den Einschränkungen der wirtschaftlichen Tätigkeit in Folge der Corona-Krise hätten. Sie werde zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz eingesetzt, die auf einem Liquiditätsengpass beruhe, der unmittelbar auf die Corona-Krise seit dem 11. März 2020 zurückzuführen, für ihn nicht vorhersehbar gewesen und auch nicht von ihm zu vertreten sei. Er versicherte weiter unter Ziff. 5.j., durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten zu sein, die seine Existenz bedrohten, weil die fortlaufenden Einnahmen nicht ausreichten, um die Verbindlichkeiten in dem auf das Datum dieses Antrags folgenden drei Monaten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand seines Unternehmens (bspw. gewerbliche und auf die unternehmerische oder freiberufliche Tätigkeit bezogene Mieten, Pachten, Leasingraten, Energie- und Instandhaltungskosten, Prämien für betrieblich veranlasste Versicherung) zu zahlen (Liquiditätsengpass). Er versicherte, seine wirtschaftliche Tätigkeit sei aus den in Ziff. 2.2 dieses Antrags genannten Gründen wesentlich beeinträchtigt.

Mit Bescheid vom 18. April 2020 bewilligte die Beklagte dem Kläger nach der Richtlinie auf der Grundlage der Angaben im Antrag eine Billigkeitsleistung in Form einer freiwilligen Zahlung als Soforthilfe in Höhe von 9.000,00 € im Zeitraum 30. März 2020 bis 30. Juni 2020. Im Bewilligungsbescheid wurde unter Nr. 2. Zweck der Billigkeitsleistung formuliert: „Die Billigkeitsleistung ist zweckgebunden und darf daher nur zur Sicherung Ihrer wirtschaftlichen Existenz bzw. der wirtschaftlichen Existenz Ihres Unternehmens eingesetzt werden. (…) Insofern ist die Billigkeitsleistung für die Aufrechterhaltung Ihrer solo- selbständigen oder freiberuflichen Erwerbstätigkeit bzw. für die Weiterführung Ihres Unternehmens durch Sicherung Ihrer notwendigen Liquidität bzw. der Liquidität Ihres Unternehmens bestimmt. Sie dient dem Ausgleich von Härten, die ihre unmittelbare Ursache in den Einschränkungen der wirtschaftlichen Tätigkeit in Folge der Corona-Krise haben, für Sie nicht vorsehbar waren und von Ihnen auch nicht zu vertreten sind. Die Billigkeitsleistung ist für die Überbrückung eines akuten Liquiditätsengpasses aufgrund kurzfristiger Verbindlichkeiten aus fortlaufendem betrieblichen Sach- und Finanzaufwand (u. a. gewerbliche und auf die unternehmerische oder freiberufliche Tätigkeit bezogene Mieten, Pachten, Leasingaufwendungen, Energie- und Instandhaltungskosten, Prämien für betrieblich veranlasste Versicherungen) bestimmt. (…).“ Die Beklagte bestimmte in Ziff. 10. des Bescheides den Nachweis der Verwendung. Innerhalb von sechs Monaten nach Auszahlung auf das im Antrag angegebene Konto, spätestens aber bis zum 31. Dezember 2020, sei die zweckentsprechende Verwendung der Billigkeitsleistung gegenüber der Beklagten nachzuweisen. Der Nachweis sei gemäß einem Formular zu führen, das gesondert zur Verfügung gestellt werde. Die Beklagte behielt sich vor, zur Prüfung des Nachweises im Einzelfall Belege über die Ausgaben (z. B. Verträge, Rechnungen und Zahlungsnachweise) anzufordern, insbesondere bei Vermutung zweckfremder Nutzung.

Die Soforthilfe wurde am 22. April 2020 auf das im Antrag angegebene Konto des Klägers ausgezahlt.

Die Beklagte forderte den Kläger mit E-Mail vom 7. August 2020 auf, die im Antrag angegebenen Kosten des Finanzbedarfs mittels anhängender Kalkulationstabelle zu unterlegen. Diese übermittelte der Kläger am 23. September 2020. Für die drei Fördermonate gab er laufende betriebliche Kosten in Höhe von 10.228,91 € an. Die Beklagte forderte den Kläger sodann am gleichen Tag auf, Nachweise zu den angegebenen Positionen vorzulegen. Mit Schreiben vom 6. April 2022 forderte die Beklagte den Kläger erneut auf, den angezeigten Finanzbedarf durch Vorlage entsprechender Belege über die Ausgaben (z. B. Verträge, Rechnungen und Zahlungsnachweise) zu plausibilisieren und zudem die zweckentsprechende Verwendung der Billigkeitsleistung durch Vorlage der Gewerbeanmeldung, des Jahresabschlusses 2019 bzw. einer betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) per Dezember 2019 oder einer Einnahmen-Überschussrechnung 2019 und der Betriebswirtschaftlichen Auswertungen in Monatsscheiben für Januar bis Juli 2020 nachzuweisen. Dieses Schreiben wurde wegen seines Postrücklaufs erneut an die im Antrag angegebene E-Mail-Adresse des Klägers versandt. Da hierauf keine Rückmeldung erfolgte, kündigte die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 11. November 2022 an, es sei beabsichtigt aufgrund des fehlenden Nachweises der zweckentsprechenden Verwendung der Billigkeitsleistungen, die gewährte Leistung zu widerrufen und zurückzufordern. Der Kläger erhielt fristgebunden bis zum 25. November 2022 Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Vorlage der angeforderten Unterlagen.

Mit Bescheid vom 1. März 2023, an den Kläger zugestellt am 4. März 2023, widerrief die Beklagte den Bescheid vom 18. April 2020 mit Wirkung für die Vergangenheit vollständig (Nr. 1) und forderte den Betrag in Höhe von 9.000,00 € unter Verzinsung zur Erstattung an (Nr. 2 und 3). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Kläger auferlegt (Nr. 4). Zu Begründung führte sie aus, eine Voraussetzung für die Gewährung und das Belassen der Soforthilfe sei das Bestehen eines Liquiditätsengpasses, der unmittelbar auf die Corona- Krise zurückzuführen sei. Dieser Zweck sei nicht erfüllt, weil kein Nachweis über die zweckentsprechende Verwendung der Billigkeitsleistung erfolgt sei. Damit sei auch die Auflage aus dem Bewilligungsbescheid nicht erfüllt worden. Die Entscheidung über den Widerruf stehe im pflichtgemäßen Ermessen. Bei haushaltsrechtlich relevanten Ermessensentscheidungen über die Erteilung und Aufhebung von Bewilligungsbescheiden verpflichte § 7 LHO LSA zur sorgfältigen Beachtung des Gebots der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung der Haushaltsmittel. Diese Vorschrift enge den Ermessenspielraum erheblich ein. Der Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von Haushaltsmitteln gebiete insbesondere die Aufhebung des Bescheides über Billigkeitsleistungen, wenn der Zweck nicht erreicht werde. Gleichartige Fälle seien ebenso entschieden worden. Es bestünde eine entsprechende Verwaltungspraxis.

Die Beklagte setzte mit weiterem Bescheid vom 1. März 2023, zugestellt am 4. März 2023, die Kosten des Verfahrens in Höhe von 141,90 € fest. In der Begründung gab sie an, in Ausübung pflichtgemäßem Ermessens innerhalb des Gebührenrahmens zwischen 14,50 € und 3.472,00 € für die Bemessung der Gebühr den Wert des Gegenstands der Amtshandlung den widerrufenen und zurückgeforderten Betrag zugrunde zu legen und in Höhe von 1,5 Prozent der Bemessungsgrundlage anzusetzen. Es ergebe sich daraus eine Gebühr von nicht mehr als 90 Prozent des zulässigen Höchstbetrags und könne im Ergebnis in Höhe von 135,00 € festgesetzt werden. Des Weiteren werde die Erstattung von Auslagen für Postgebühren für Zustellungen in Höhe von 6,90 € geltend gemacht.

Am 4. April 2023 hat der Kläger gegen die Bescheide vom 1. März 2023 Klage vor dem erkennenden Gericht erhoben.

Er trägt vor, er habe die Nachweise nicht erbracht, weil es ihm einhergehend mit der wirtschaftlichen Lage der Corona-Zeit und dem Unvermögen, Geld für den Steuerberater aufzubringen, um Abschlüsse zu erstellen, seit dem 10. Januar 2023 unmöglich sei. Sämtliche Buchhaltungsunterlagen seien im Rahmen einer angeordneten Hausdurchsuchung des Amtsgerichts Chemnitz beschlagnahmt worden. Die geltend gemachten Kosten hätten mangels Einnahmen nicht erwirtschaftet werden können. Der Förderzeitraum habe mit einem Fehlbetrag abgeschlossen, die Soforthilfe sei vollständig für die betrieblichen Aufwendungen verbraucht worden.

Der Kläger hat BWA der Monate April 2020 bis Juni 2020 vorgelegt. Diese weisen als Umsatzerlöse nur die Zahlung der Corona-Soforthilfe sowie Gesamtkosten in diesem Zeitraum in Höhe von 10.834,89 € aus.

Der Kläger beantragt,

den Widerrufsbescheid der Beklagten vom 1. März 2023 und den Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 1. März 2023 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf die Begründung in den angegriffenen Bescheiden.

Das Gericht hat die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Halle zum Verfahren 951 Js 16038/23 beigezogen und die darin enthaltene Übersicht der Einzahlungen über 1.000,00

€ auf dem Geschäftskonto des Klägers bei der Volksbank im Jahr 2020 (Bl. 165) zum Gegenstand des Verfahrens und der mündlichen Verhandlung gemacht. Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Gerichts gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Widerrufsbescheid der Beklagten vom 1. März 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil die Beklagte zu Recht die Bewilligung der Billigkeitsleistung widerrufen und den bereits ausgezahlten Betrag zurückgefordert hat.

Rechtsgrundlage für den Widerruf ist § 1 VwVfG LSA i. V. m. § 49 Abs. 3 Satz 1 VwVfG. Danach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird (Nr. 1) bzw. wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Nr. 2). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Widerrufsentscheidung der Beklagten ist formell rechtmäßig. Sie hat den Kläger insbesondere ordnungsgemäß gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG angehört.

Die Beklagte hat die Corona-Soforthilfe an den Kläger als eine haushaltsrechtlich zweckgebundene Geldleistung gewährt. Diese Billigkeitsleistung hat der Kläger nicht für den im Zuwendungsbescheid bestimmten Zweck verwendet und zugleich gegen die im Bescheid verfügte Auflage der fristgebundenen Vorlage eines Verwendungsnachweises verstoßen.

Bei der Bestimmung des mit der Geldleistung zu erfüllenden Zwecks sind grundsätzlich der im Zuwendungsbescheid ausgewiesene Zuwendungszweck und die dem Begünstigten bekannten und erkennbaren Umstände maßgeblich. Zu dessen näherer Bestimmung können auch Richtlinien, auf die im Bescheid Bezug genommen wird und deren näherer Inhalt infolge ihrer Veröffentlichung ohne weiteres zugänglich ist, herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Mai 2022 – 8 C 11.21; VG Berlin, Urteil vom 11. Juli 2024 – 26 K 289/23; VG Ansbach, Urteil vom 29. Januar 2024 – AN 15 K 23.1634; VG Hamburg, Urteil vom 9. Juni 2023 – 16 K 1956/22; VG Bremen, Urteil vom 23. März 2023 – 5 K 1300/21; VG Schwerin, Urteil vom 5. Juni 2024 – 3 A 404/23 SN; jeweils in juris).

Der Bewilligungsbescheid vom 18. April 2020, auf dessen Grundlage die Billigkeitsleistung ausgezahlt worden ist, enthält unter Ziff. 2 eine konkrete, unmissverständliche Zweckbindung für die Verwendung der Soforthilfe. Sie darf danach nur zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz verwendet werden und dient der Sicherung der notwendigen Liquidität. Die Billigkeitsleistung ist für die Überbrückung eines akuten Liquiditätsengpasses aufgrund kurzfristiger Verbindlichkeiten aus fortlaufendem betrieblichen Sach- und Finanzaufwand bestimmt. Es sollen Härten ausgeglichen werden, die ihre unmittelbare Ursache in den Einschränkungen der wirtschaftlichen Tätigkeit in Folge der Corona-Krise haben und für die Unternehmer nicht vorhersehbar waren und von ihnen nicht zu vertreten sind. Der Bescheid benennt unter anderem in Ziff. 6.1 als rechtliche Grundlage und Bestandteil des Bescheides die am 30. März 2020 unter https://www.ib-sachsen-anhalt.de/unternehmen/coronahilfen/corona-soforthilfe veröffentliche Corona-Soforthilfe- Richtlinie und in Ziff. 6.3 den Antrag sowie die dazu eingereichten Unterlagen. Die Ziff. 1.1, 2.2, 2.3, 4.1 und 6.4 der Richtlinie stellen inhaltsgleich den Förderzweck, wie im Bewilligungsbescheid vom 18. April 2020 in Ziff. 2 beschrieben, dar.

Es bestehen insbesondere im Hinblick auf die bei der Zweckbestimmung verwendeten Begrifflichkeiten keine Unklarheiten, die einer hinreichenden Bestimmtheit und Deutlichkeit entgegenstünden.  So  kann  insbesondere  objektiv  bestimmt  werden,  wann  ein „coronabedingter Liquiditätsengpass“ anzunehmen ist. Eine Auslegungsbedürftigkeit eines Begriffs ist dabei unschädlich (vgl. OVG BB, Beschluss vom 4. März 2024 – 6 N 14/24 – juris). Im Ausgangspunkt ist jedem Unternehmer bewusst, dass ein Liquiditätsengpass eine finanzielle Notlage darstellt, in der laufende Verbindlichkeiten bei deren Fälligkeiten nicht mehr aus sog. flüssigen Mitteln beglichen werden können und hierdurch die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens gefährdet sein kann. Eine konkrete Definition des Begriffs findet sich in Ziff. 6.4 der Richtlinie, die mit den Erläuterungen des Antragsformulars in Ziff. 2.1 und den Erklärungen der Antragstellenden in Ziff. 5 c. und 5 j. korrespondieren. Danach muss der Unternehmer durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sein, die seine Existenz bedrohen, weil seine fortlaufenden Einnahmen nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten zu zahlen. Ergänzt wird die Definition in den ebenfalls öffentlich zugänglich gemachten sog. FAQ (häufige Fragen und Antworten). In Ziff. 2.3 wird die Berechnung des Liquiditätsbedarfs nochmals klargestellt, der sich nach Ziff. 2.11 auf die Höhe des tatsächlichen Liquiditätsbedarfs des Dreimonatszeitraums begrenzt. Des Weiteren wird klargestellt, dass zur Berechnung des Liquiditätsengpasses neben den Einnahmen andere liquide Mittel, wie private und betriebliche Finanzreserven wie Bankguthaben oder Kassenbestände, nicht hinzugerechnet werden und außen vor bleiben, vgl. Ziff. 2.13 der FAQ. In der Gesamtbetrachtung werden also ausreichende Vorgaben sowohl zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums als Gesamtzeitraum als auch zu den einzelnen Komponenten der Berechnung des Liquiditätsengpasses durch Bestimmung des Liquiditätsbedarfs und der (allein) gegenzurechnenden Einnahmen getroffen. Die Bestimmungen im Bewilligungsbescheid, der Richtlinie und den FAQ stimmen überein und ergänzen einander, ohne sich zu widersprechen.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten nicht nachgewiesen, dass er die an ihn ausgezahlte Billigkeitsleistung tatsächlich zweckentsprechend verwendet hat. Er hat keinen genügenden Verwendungsnachweis vorgelegt.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Widerrufsentscheidung ist im Rahmen einer Anfechtungsklage grundsätzlich die letzte Verwaltungsentscheidung. Dieser Grundsatz steht unter dem Vorbehalt, dass das materielle Recht einen anderen Zeitpunkt als maßgeblich bestimmen kann (BVerwG, Urteil vom 6. April 2000 – 3 C 6.99 – juris). Eine abweichende Regelung ist im Falle des Widerrufs eines subventionsrechtlichen Bewilligungsbescheides nicht gegeben. Vielmehr folgt der maßgebliche Entscheidungszeitpunkt aus dem Wesen der Ermessensvorschrift, zwischen mehreren in Betracht kommenden – rechtlich zulässigen – Entscheidungen wählen zu dürfen. Von daher kann die gerichtliche (Ermessens)Kontrolle nur auf den Zeitpunkt der Behördenentscheidung bezogen sein (OVG LSA, Beschluss vom 30. September 2003 – 1 L 257/03 – nicht veröffentlicht).

Zum Zeitpunkt der Entscheidung am 1. März 2023 hatte der Kläger zwar die von der Beklagten übermittelte Kalkulationstabelle ausgefüllt und vorgelegt. Er ist jedoch dem Verlangen der Beklagten am 23. September 2020, die angegebenen Kosten durch Vorlage von Nachweisen zu unterlegen, nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist nachgekommen und hat weder innerhalb der zuletzt bis zum 22. April 2022 gesetzten Nachfrist noch nach seiner schriftlichen Anhörung zum beabsichtigten Widerruf weitere Belege vorgelegt. Darüber hinaus hatte die Beklagte mit Schreiben vom 6. April 2022 u. a. Betriebswirtschaftliche Auswertungen zum Nachweis der Verwendung der Billigkeitsleistung angefordert, die ebenfalls nicht bis zur Entscheidung über den Widerruf bei der Beklagten eingegangen sind. Der Kläger hatte knapp zweieinhalb Jahre Zeit, den Nachweis vollständig zu erbringen, obwohl ihm dies möglich gewesen ist. Gegen seine Behauptung, er habe aufgrund der Krise kein Geld für den Steuerberater aufbringen können, spricht, dass er u. a. zu diesem Zweck (zur Deckung der laufenden Sachkosten) die Soforthilfe erhalten hat. Darüber hinaus finden sich in den im Klageverfahren vorgelegten BWA Buchungen von monatlichen Kosten für die Buchführung. Ferner hat er die Beklagte über ein solches Unvermögen im laufenden Verwaltungsverfahren nicht informiert. Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, er sei gehindert gewesen, die angeforderten Unterlagen vorzulegen, weil im Rahmen einer Hausdurchsuchung im Januar 2023 anlässlich eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Chemnitz (380 Js 23784/22) Unterlagen beschlagnahmt worden sind. Diesen Umstand hat er der Beklagten ebenso nicht mitgeteilt. Am Tag der Beschlagnahme war zugleich die letzte im Anhörungsschreiben gesetzte Frist zur Vorlage der Nachweise bis zum 25. November 2022 bereits verstrichen. Es liegt in der Sphäre des Fördermittelempfängers, sicherzustellen, den Verwendungsnachweis ordnungsgemäß, vollständig und fristgerecht zu führen.

Ohne rechtliche Beanstandung hat die Beklagte die Kostennachweise und die BWA zum Nachweis der zweckgerechten Verwendung der Billigkeitsleistung angefordert, weil diese zur Beurteilung der Frage des zweckentsprechenden Mitteleinsatzes erforderlich waren. Die Beklagte hatte sich im Bewilligungsbescheid unter Ziff. 10. ausdrücklich vorbehalten, zur Prüfung des Nachweises der Kosten im Einzelfall Belege über die Ausgaben (z. B. Verträge, Rechnungen und Zahlungsnachweise) abzufordern. Der Beklagten blieb es unbenommen, neben den im Bewilligungsbescheid benannten Unterlagen auch BWA anzufordern. Die Vorlage der BWA sollte dem Nachweis des Vorliegens eines Liquiditätsengpasses dienen, weil nur in diesem Fall die Fördermittel dem Förderzweck entsprechend eingesetzt werden konnten. Die für die Ermittlung des Liquiditätsengpasses zu berücksichtigenden Daten einschließlich der erzielten Einnahmen können grundsätzlich aus betriebswirtschaftlichen Auswertungen entnommen werden, weil diese in der Regel auf der Finanzbuchhaltung des Unternehmens beruhen und allgemein eine Gewähr für die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit bieten (vgl. VG Hamburg, Urteil vom 9. Juni 2023 – 16 K 1956/22 – juris).

Soweit der Kläger erstmals im Klageverfahren BWA für den Förderzeitraum vorgelegt hat, sind diese für den Nachweis der zweckentsprechenden Mittelverwendung nicht heranzuziehen, weil sie nicht im maßgeblichen Zeitpunkt vorlagen. Die nun vorgelegten BWA sind darüber hinaus auch nicht geeignet, eine ordnungsgemäße Verwendung der Soforthilfe zu belegen, weil sie Anlass geben, an deren Vollständigkeit und Richtigkeit zu zweifeln. Sie bieten keine Gewährung dafür, dass ein auf Basis der dort festgehaltenen Daten, tatsächlich ein Liquiditätsengpass bestanden hat und die Billigkeitsleistung letztlich zweckentsprechend verwendet worden ist. Die BWA sind weder von einem Steuerberater noch von den Vertretern des Klägers mit ihrer Unterschrift bestätigt. Ferner stimmen augenfällig die gebuchten Ausgaben nicht mit denjenigen der zeitnah nach Abschluss des Förderzeitraums vorgelegten Kalkulationstabelle überein. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass voraussichtlich die Angaben der Kosten des Finanzbedarfs in der Kalkulationstabelle schon nicht korrekt angegeben worden sind, wofür einiges spricht, lassen die BWA neben der Buchung des Eingangs der Soforthilfezahlung die Erfassung weiterer Einnahmen in den betreffenden Monaten vermissen, obwohl Anhaltspunkte dafür bestehen, dass solche erzielt worden sind.

Aus den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Halle im Verfahren 951 Js 16038/23 ergibt sich, dass Geldeingänge auf dem Geschäftskonto des Klägers bei der Volksbank im Förderzeitraum gutgeschrieben worden sind. Zwar dürften diese entgegen der Angaben der Beklagten nicht in Höhe von 78.748,77 € anzunehmen sein, weil sich diese Summe auf das gesamte Jahr 2020 und nicht nur auf den Förderzeitraum bezieht sowie auf Zahlungseingänge, die nach den Angaben des Vorstands des Klägers in der mündlichen Verhandlung nur „durchgereichte Darlehen“ darstellen sollen und ggf. nicht als Einnahmen zu qualifizieren wären. Dagegen wurde auf der Basis einer Rechnungslegung im Mai 2020 die Zahlung eines Beratungshonorars gebucht. In Abgleich mit dem Satzungszweck des Klägers handelt es sich um eine Einnahme im Sinne eines Umsatzes. Eine entsprechende Buchung dieses Zahlungseingangs in der BWA für den Monat Mai 2020 findet sich hingegen nicht. Da sich die ermittelte Zahlungsübersicht nur auf Eingänge über 1.000,00 € beschränkt, ist nicht auszuschließen, dass im relevanten Förderzeitraum weitere Zahlungen eingegangen sind, die als Einnahme / Umsatz zu qualifizieren sind. Die somit bestehenden Widersprüche und Unsicherheiten führen dazu, dass die vorgelegten BWA schon – ungeachtet der Frage der Berücksichtigungsfähigkeit im gerichtlichen Verfahren – nicht geeignet sind, einen ordnungsgemäßen Verwendungsnachweis der Billigkeitsleistung zu führen. Aus diesem Grund ist es rechtlich auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte die im gerichtlichen Verfahren vorgelegten BWA nicht entsprechend ihrer Verwaltungspraxis im Entgegenkommen zugunsten der Leistungsempfänger der Corona- Soforthilfe zum Anlass genommen hat, um hinsichtlich des Aufhebungsbegehrens des Klägers eine Abhilfe zu prüfen und ggf. (anteilig) vorzunehmen.

Die Beklagte kann den Widerruf zugleich auf einen Auflagenverstoß gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG stützen. Denn der Kläger hat eine mit der Bewilligung verbundene Auflage nicht fristgerecht erfüllt.

Wird dem Empfänger einer staatlichen Zuwendung durch bestandskräftige Auflage aufgegeben, die zweckentsprechende Verwendung des Zuschusses innerhalb einer bestimmten Frist nachzuweisen, so rechtfertigt allein die Nichtbefolgung dieser Auflage den Widerruf des Bewilligungsbescheides und die Rückforderung des Zuschusses, ohne dass es darauf ankommt, ob die Mittel tatsächlich zweckentsprechend verwendet wurden. Eine Nachholung des Verwendungsnachweises im verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. VGH BW, Urteil vom 5. Februar 1987 – 5 S 2954/86 – juris).

Die Gewährung der Corona-Soforthilfe war mit einer Auflage im Sinne von § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG verbunden. Nach der Legaldefinition darf ein Verwaltungsakt nach pflichtgemäßem Ermessen verbunden werden mit einer Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun vorgeschrieben wird. Die Regelung über den Nachweis der Verwendung in Ziff. 10 des Bescheides vom 18. April 2020 ist als Auflage zu qualifizieren. Mit ihr wird dem Kläger als Mittelempfänger vorgeschrieben, innerhalb von sechs Monaten nach Auszahlung auf das im Antrag angegebene Konto, spätestens aber bis zum 31. Dezember 2020 die zweckentsprechende Verwendung der Billigkeitsleistung mittels eines gesondert zur Verfügung gestellten Formulars nachzuweisen. Zugleich hat sich die Beklagte vorbehalten, zur Prüfung des Nachweises im Einzelfall Belege über die Ausgaben anzufordern. Die Auflage ist in Bestandskraft erwachsen und wurde vom Kläger nicht fristgerecht, auch nicht innerhalb der ihm gesetzten Nachfristen erfüllt. Die Beklagte hat das zur Verfügung zu stellende Formular zeitnah an den Kläger übermittelt, was dieser ausgefüllt und tatsächlich vorgelegt hat. Aufgrund der monatlich auf den Cent gleichenden Angaben der entstandenen Kosten, hat die Beklagte eine (vorbehaltene) Prüfung im Einzelfall unter Anforderung der Belege über die Ausgaben eingeleitet, weil monatlich absolut identische Kostenpositionen – wie in der Kalkulationstabelle angegeben – praktisch kaum vorkommen und jedenfalls Anlass zu einer vertieften Prüfung geben konnten. Diese Vorgehensweise ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat die erforderlichen Nachweise nicht bis zum 31. Dezember 2020 und auch nicht in den weiteren gesetzten Nachfristen vorgelegt, obwohl er dazu die Möglichkeit hatte. Eine Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen ist erst am 10. Januar 2023 und damit nach dem Fristablauf am 25. November 2022 erfolgt, zumal nicht bekannt ist, ob die relevanten Belege überhaupt hiervon betroffen sind.

Dem Widerruf des Zuwendungsbescheides steht die Jahresfrist der §§ 49 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. § 48 Abs. 4 VwVfG nicht entgegen. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die Jahresfrist erst nach Kenntnis der Tatsachen, die zum Widerruf berechtigen beginnt. Diese erlangt die Behörde regelmäßig nur infolge einer Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG. Unterlässt die Behörde die Anhörung, so läuft die Frist nicht; verzögert sie sie, so läuft die Frist gleichwohl nicht früher – hier greifen dann ggf. die Grundsätze der Verwirkung ein (BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 – 10 C 7.17 – m. w. N., Juris). Danach ist die Jahresfrist hier ersichtlich eingehalten. Erst mit Ablauf der Stellungnahmefrist im Rahmen der Anhörung mit Schreiben vom 12. Dezember 2022 wurde die Jahresfrist in Lauf gesetzt. Die Beklagte hat unmittelbarer zeitlicher Nähe den Widerrufsbescheid erlassen.

Der angefochtene Widerrufsbescheid erweist sich nicht als ermessensfehlerhaft (§ 114 VwGO).  Liegen  die  Voraussetzungen  für  den  Widerruf  eines  begünstigenden Verwaltungsaktes – wie hier – vor, hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen über den Widerruf des Verwaltungsaktes zu entscheiden. Die haushaltsrechtlichen Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zwingen bei Vorliegen von Widerrufsgründen im Regelfall zum Widerruf einer Subvention, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen. Fehlt es an derartigen Umständen, so bedarf es grundsätzlich keiner ausdrücklichen Ermessenserwägungen (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – 3 C 22.02 –, Juris). So liegt der Fall hier. Besondere Gründe, die einen atypischen Fall begründen würden und die Darstellung der Ermessenserwägungen erforderten, sind nicht gegeben und werden vom Kläger auch nicht vorgebracht.

Die mit der Rücknahmeentscheidung der Beklagten verbundene Aufforderung an die Klägerin zur Erstattung des ausgezahlten Betrages nebst Verzinsung, ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt sie nicht in ihren Rechten. Die Voraussetzungen für den Erstattungsanspruch gemäß § 49a Abs. 1, 2 VwVfG liegen vor. Insoweit und hinsichtlich der verfügten Verzinsung der Erstattungsforderung sieht das Gericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO von einer weiteren Darstellung der zutreffenden Entscheidungsgründe ab und folgt der Begründung des angefochtenen Bescheides.

Die zugleich erhobene Klage gegen den Kostenfestsetzungsbescheid ist gemäß § 44 VwGO im Rahmen objektiver Klagehäufung zulässig, weil dafür alle Voraussetzungen vorliegen.

Der Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 1. März 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung des Kostenfestsetzungsbescheides ist auch in diesem Fall der Zeitpunkt seines Erlasses.

Grundlage für den Erlass des Kostenfestsetzungsbescheides bildet die im Widerrufsbescheid getroffene Kostengrund- oder Kostenlastentscheidung, die bestimmt, wem die Kosten eines Verwaltungsverfahrens aufzuerlegen sind.

Der Kläger hat nichts vorgebracht, weshalb die Kostenfestsetzung nach seiner Auffassung rechtswidrig sei.

Die Höhe der Gebühr für eine einzelne Amtshandlung im Sinne des § 1 Abs. 1 VwKostG LSA ist nach § 3 Abs. 1 in Gebührenordnungen zu bestimmen, und zwar nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift in einer Allgemeinen Gebührenordnung. Eine solche allgemeine Gebührenordnung (AllGO LSA) vom 10. Oktober 2012 besteht. In deren § 1 Abs. 1 wird für die genauere Bemessung der Gebühren auf die Anlage 1 (Kostentarif) verwiesen. Im Kostentarif ist unter lfd. Nr. 13 der Widerruf einer Amtshandlung erfasst. Einschlägig ist in diesem Fall die lfd. (Unter-)Nr. 13.1.2 für den Sachverhalt, des Widerrufs einer Amtshandlung, wenn im Zeitpunkt des Widerrufs für die Amtshandlung eine [bestimmte - Ergänzung durch das Gericht] Gebühr nicht vorgesehen ist. Dann ist die Gebühr innerhalb eines Gebührenrahmens von 14,50 bis 3.472,00 € zu bemessen. Dieser Gebührenrahmen wurde von der Beklagten zutreffend zugrunde gelegt.

Ist ein Gebührenrahmen bestimmt, so hat die Behörde gemäß § 10 Abs. 1 VwKostG LSA bei Festsetzung der Gebühr das Maß des Verwaltungsaufwandes, den Wert des Gegenstandes der Amtshandlung, den Nutzen oder die Bedeutung der Amtshandlung für den Gebührenschuldner zu berücksichtigen. Die Behörde hat bei der Festsetzung der Gebühr einen gerichtlich im Rahmen des § 114 VwGO nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessenspielraum. Die angeführten Parameter beanspruchen im Rahmen der Ermessensausübung Geltung. Eine typisierende und pauschalierende Betrachtungsweise, die der Behörde eine Bandbreite zulässiger Bewertungen eröffnet, ist dabei zulässig. Die angestellten Ermessenserwägungen sind im Rahmen des Begründungserfordernisses nach § 39 VwVfG dem Gebührenschuldner mitzuteilen.

Dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbescheid kann eine gerade noch nachvollziehbare, knappe Begründung für die Bemessung der Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens entnommen werden. Die Beklagte hat ihr Ermessen erkannt und drückt dies auch aufgrund der getroffenen Wortwahl aus. Sie berücksichtigt bei der Bemessung zuvorderst den Wert des Gegenstands der Amtshandlung, der hier auch zugleich die Bedeutung für den Kostenschuldner abbildet, indem sie den Widerrufs- und Erstattungsbetrag als Anknüpfungspunkt für die Gebührenbemessung wählt. Die Beklagte hat den Ansatz gewählt, einen prozentualen Anteil des Wertes des Widerrufsbetrags zur Ausfüllung des Gebührenrahmens heranzuziehen. Des Weiteren erfolgt eine (knappe) wertende Prüfung der Einordnung der Gebühr innerhalb des Rahmens, um zwischen dem Verwaltungsaufwand und dem Gegenstandswert eine angemessene Wertrelation herzustellen. Im Ergebnis wird die vorgenommene Bestimmung der Gebührenhöhe dem rechtlich gesetzten Rahmen zur Ausfüllung des Gebührenrahmens im Sinne von § 10 Abs. 1 VwKostG LSA gerade noch gerecht. Es ist für den Gebührenschuldner noch erkennbar, wie die Gebühr in ihrer Höhe zustande gekommen ist.

Die weiter geltend gemachte Postgebühr für Zustellungen von 6,90 € ist als Auslage gemäß § 14 VwKostG LSA erstattungsfähig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 9.141,90 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Wert des Streitgegenstands ergibt sich aus § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG und setzt sich aus der Höhe des Widerrufs und der festgesetzten Kosten zusammen, 39 Abs. 1 GKG. Die Zinsforderung als Nebenforderung erhöht gemäß § 43 Abs. 1 GKG den Streitwert nicht.

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