Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 05. Okt. 2017 - 3 A 1221/14
Gericht
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Vollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Heranziehung zu Anschlussbeiträgen (Schmutz- und Niederschlagswasser).
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Wohngrundstücks G1 (D.-Straße) in einer Größe von 123 m². Sie hat das Eigentum an dem Grundstück auf Grundlage eines mit Frau N. und Herrn R. geschlossenen Grundstückskaufvertrages erworben. Diese hatten das in gleicher Flur und Gemarkung gelegene Grundstück G2 (Fläche: 2.153 m²), aus dem das Grundstück der Klägerin hervorgegangen ist, auf Grundlage eines notariellen Vertrages vom 18. Juni 1998 von der Firma N. GmbH erworben. Die Firma N. GmbH hatte das Eigentum an dem Grundstück G2 auf Grundlage eines notariellen Vertrages vom 31. März 1998 von der A. GmbH erworben. Die A. GmbH wiederum hatte das Eigentum an dem Grundstück G3 (Fläche: 25.935 m²), aus dem das Grundstück Flurstück G2 hervorgegangen ist, auf Grundlage eines notariellen Vertrages vom 3. April 1992 von der Stadt A-Stadt erworben. In § 5 Abs. 3 des Vertrages heißt es:
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Zu Erschließungsbeiträgen, Anschlussgebühren und Abgaben nach dem Kommunalabgabengesetz wird der Käufer nicht herangezogen, da er die Erschließung selbst durchführt.
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In dem ebenfalls zwischen der A. GmbH und der Stadt A-Stadt geschlossenen Erschließungsvertrag vom 3. April 1992 heißt es in Nr. 4.2 Abs. 3:
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Von der A. Gmbh bzw. den Erwerbern der von ihr erschlossenen und bebaut oder unbebaut verkauften Bauparzellen erhebt die Stadt keine Erschließungskosten oder Anschlussgebühren.
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In der Folgezeit wurden die vertraglich vereinbarten Erschließungsmaßnahmen durchgeführt. Das Grundstück der Klägerin ist seit dem Jahre 1992 an die von der Stadt A-Stadt betriebenen Schmutz- und Niederschlagswasserbeseitigungsanlagen angeschlossen.
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Mit Bescheid vom 3. Juli 2014 zog der Beklagte die Klägerin zu einem Anschlussbeitrag i.H.v. 997,04 EUR heran. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 2014 – zugestellt am 17. Oktober 2014 – zurück.
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Am 17. November 2014 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Sie ist der Auffassung, ihre Heranziehung sei rechtswidrig. Die Vereinbarungen § 5 Abs. 3 des Grundstückskaufvertrages vom 3. April 1992 und in Nr. 4.2 Abs. 3 des Erschließungsvertrages vom 3. April 1992 stünden ihrer Heranziehung entgegen. Auch in den später geschlossenen Grundstückskaufverträgen sei vereinbart worden, dass die Erschließungskosten – und zwar die der inneren und der äußeren Erschließung – von den jeweiligen Verkäufern zu tragen seien. Jedenfalls habe der Beklagte sein Recht zu Beitragserhebung verwirkt.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 7. Juli 2014 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides vom 15. Oktober 2014 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, die von der Klägerin genannten vertraglichen Vereinbarungen bezögen sich lediglich auf die Kosten der inneren Erschließung.
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Mit Beschluss vom 14. Juni 2017 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der Entscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge vorgelegen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Beitragsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Er findet seine gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) erforderliche Rechtsgrundlage in der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung in der Stadt A-Stadt (Abwasserbeitragssatzung – ABS) vom 24. Oktober 2013 i.d.F. der 1. Änderung vom 26. März 2015.
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1. Zweifel an der Wirksamkeit der Satzung bestehen nicht (vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 27.01.2015 – 3 B 844/14 –, juris). Die fehlerhafte – wenngleich unschädliche – Regelung über den Gegenstand der Beitragspflicht in § 2 Abs. 1 Buchst. c und d ABS (VG Greifswald, a.a.O. Rn. 26) ist von der Stadt A-Stadt in der genannten Änderungssatzung ersatzlos gestrichen worden.
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Auch die in § 5 ABS normierten Beitragssätze begegnen keinen Bedenken. Die zunächst fehlerhafte Kalkulation des Beitragssatzes für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung (Beitragssatz I) von 4,28 EUR/m² wurde überarbeitet und von der Stadtvertretung der Stadt A-Stadt am 14. September 2017 beschlossen. Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der überarbeiteten Kalkulation bestehen nicht. Auch eine erneute Beschlussfassung über den Beitragssatz I war nicht erforderlich. Zwar folgt dies nicht aus dem Umstand, dass der satzungsrechtlich normierte Beitragssatz bereits durch die in dem Verfahren 3 A 1031/15 am 27. Juli 2017 (vgl. die Sitzungsniederschrift sowie VG Greifswald, Urt. v. 27.07.2017 – 3 A 1330/14 –, S. 8 ff. des Entscheidungsumdrucks) auf Grundlage einer überarbeiteten Kalkulation abgegebene „Heilungserklärung“ i.S.d. § 2 Abs. 3 KAG M-V wirksam wurde. Denn die Überarbeitung der Kalkulation führte – anders als bisher angenommen (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 27.07.2017 – 3 A 1330/14 –, juris Rn. 26 ff.) – nicht zu einer vollständigen Beseitigung aller zu diesem Zeitpunkt existierenden Kalkulationsfehler. Sie war vielmehr auf die Bereinigung der Klärwerkskosten um die auf die dezentrale Schmutzwasserbeseitigung im Stadtgebiet und die auf die Kläranlage mitbenutzenden Umlandgemeinden (Fremdeinleiter) entfallenden Auslastungsanteile und eine Korrektur von Schmutzwassereinleitmengen beschränkt. Ausweislich der vom Beklagten nunmehr vorgelegten Beschlussvorlage vom 14. September 2017 wies die ursprüngliche Beitragskalkulation aber weitere Fehler auf. Insbesondere war auf der Kostenseite nicht berücksichtigt worden, dass die Fremdeinleiter einen Teil des städtischen Kanalnetzes und ein Pumpwerk ausschließlich nutzen, so dass die darauf entfallenden Herstellungskosten nicht berücksichtigt werden durften. War die der Heilungserklärung vom 27. Juli 2017 zugrunde liegende Überarbeitung der Kalkulation damit nicht ausreichend, konnte auch keine Fehlerbeseitigung nach § 2 Abs. 3 KAG M-V eintreten. Damit hätte es nicht nur einer Beschlussfassung über die abermals überarbeitete Beitragskalkulation, sondern auch einer Beschlussfassung über den darauf beruhenden Beitragssatz I bedurft, auch wenn dieser unverändert war. Dies ist jedoch unterblieben.
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Dennoch geht das Gericht von der Wirksamkeit des Beitragssatzes I aus. Der rechnerisch ermittelte (höchstzulässige) Beitragssatz für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung liegt in der abermals überarbeiteten Kalkulation bei 5,51 EUR/m² und damit über dem in § 5 Abs. 1 ABS normierten Beitragssatz von 4,28 EUR/m². Vor diesem Hintergrund hat die Stadtvertretung der Stadt A-Stadt mit der Beschlussfassung vom 14. September 2017 über die Beitragskalkulation zu erkennen gegeben, dass sie an dem in der Abwasserbeitragssatzung normierten Beitragssatz I festhält. Damit ist mit der Beschlussfassung eine Fehlerheilung nach § 2 Abs. 3 KAG M-V eingetreten. Nach Satz 1 der genannten Vorschrift darf die abgabenberechtigte Körperschaft einzelne Aufwands- oder Kostenpositionen nachträglich einstellen oder anders bewerten, soweit dadurch nicht der Abgabensatz erhöht wird. Einer erneuten Befassung der Vertretungskörperschaft bedarf es nach Satz 2 nicht. Zwar wird damit in erster Linie der Verwaltung der abgabenberechtigten Körperschaft die Befugnis zur Fortschreibung und Korrektur der Kalkulation eingeräumt (vgl. VG Greifswald a.a.O.). Die Vorschrift ist aber nicht so zu verstehen, dass eine Fehlerheilung nach dieser Bestimmung ausschließlich der Verwaltung vorbehalten ist. Wenn es in § 2 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V heißt, dass es keiner erneuten Beschlussfassung der Vertretungskörperschaft bedürfe, folgt daraus nur, dass eine Beschlussfassung über den Abgabensatz entbehrlich ist. Ausgeschlossen ist sie jedoch nicht. Damit kann eine Fehlerheilung nach § 2 Abs. 3 KAG M-V auch dann eintreten, wenn das Vertretungsorgan einer abgabenerhebungsberechtigten Körperschaft mit Blick auf eine überarbeitete Kalkulation erklärt, dass an dem normierten Abgabensatz festgehalten werde.
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Die übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 KAG M-V liegen ebenfalls vor. Insbesondere bleibt die ursprüngliche Kalkulation auch in der nochmals geänderten Kalkulation erkennbar. Es werden lediglich Teile des beitragsfähigen Aufwandes für das Klärwerk und die darauf bezogenen Fördermittel aus der Aufwandskalkulation „herausgerechnet“. Damit erreicht die Veränderung an der beschlossenen Kalkulation weder in quantitativer Hinsicht einen Umfang, der einer Neukalkulation nahekommt, noch ist sie in qualitativer Hinsicht so wesentlich, dass eine Befassung Stadtvertretung als erforderlich erscheint (vgl. VG Greifswald, Urt. vom 12.03.2010 – 3 A 1326/06 –, juris Rn 18).
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2. Die Rechtsanwendung durch den Beklagten ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
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a. So ist der Beitragsanspruch nicht infolge Festsetzungsverjährung gemäß § 47 Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 12 Abs. 1 KAG M-V erloschen. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 KAG M-V beträgt die Festsetzungsfrist für alle kommunalen Abgaben und damit auch für Anschlussbeiträge vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt gemäß § 12 Abs. 1 KAG M-V i.V.m. § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abgabe entstanden ist. Die Beitragspflicht ist nicht bereits mit dem Anschluss des Grundstücks an die zentrale Abwasserbehandlungsanlage, sondern gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 KAG M-V erst mit der am 14. September 2017 erfolgten Heilung der Abwasserbeitragssatzung vom 24. Oktober 2013 nach § 2 Abs. 3 KAG M-V entstanden (s.o.).
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Diese Satzung ist die erste wirksame Satzung in diesem Sinne. Die Abwasserbeitragssatzung der Stadt A-Stadt vom 26. August 2010 ist unwirksam. Die darin normierte Tiefenbegrenzung beruht nicht auf einer ordnungsgemäßen Ermittlung der ortsüblichen Bebauungstiefe im Verbandsgebiet (VG Greifswald, Urt. v. 29.22.2012 – 3 A 678/11 –, S. 5 des Entscheidungsumdrucks). Dieser Fehler, der erst „bekannt“ ist, seitdem das OVG Mecklenburg-Vorpommern in dem Urteil vom 14. Dezember 2010 (– 4 K 12/07 –) die Anforderungen an die Ermittlung der Tiefenbegrenzung definiert hat, haftet sämtlichen Vorgängersatzungen an. Die vor der Abwasserbeitragssatzung vom 26. August 2010 Geltung beanspruchenden Satzungen wiesen zudem eine unzulässige Privilegierung sog. altangeschlossener Grundstücke auf. Nach § 2 Abs. 3 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen für die Abwasserbeseitigung der Stadt A-Stadt (Kanalbaubeitragssatzung – KBS 1996) vom 26. März 1996 zahlen Grundstücke, die bereits vor (dem) Inkrafttreten des KAG Mecklenburg-Vorpommern voll an die öffentliche Einrichtung Abwasserbeseitigung angeschlossen waren, zur Abdeckung des Vorteils der verbesserten Reinigung durch die Kläranlage, wenn das Grundstück an die neue Kläranlage angeschlossen ist, den Beitragssatz aus § 4 Abs. 10 c. Diese Vorschrift sieht einen gegenüber dem allgemeinen Schmutzwasserbeitrag abgesenkten „Klärwerksbeitrag“ vor. Die Privilegierung altangeschlossener Grundstücke ist unzulässig. Sie ist vorteilswidrig und verletzt den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG).
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b. Mit Blick auf die Definition einer von der Entstehung der Beitragspflicht unabhängigen Festsetzungshöchstfrist in § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V hat sich die Möglichkeit der Beitragserhebung weder „verflüchtigt“, noch verstößt sie gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (OVG Greifswald, Urt. v. 06.09.2016 – 1 L 212/13 –, juris Rn. 68 ff.; rechtskräftig durch BVerwG, Beschl. v. 18.05.2017 – 9 B 71.16 –, juris).
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c. Auch die von der Klägerin benannten Vereinbarungen stehen der Beitragserhebung nicht entgegen. In Bezug auf die Vereinbarungen in den Grundstückskaufverträgen vom 18. Juni 1998 und 31. März 1998 folgt dies aus dem Umstand, dass die Stadt A-Stadt nicht Vertragspartner ist. Damit können die Vereinbarungen ihr gegenüber keine Wirkungen entfalten. Auf die Vereinbarung in § 5 Abs. 3 des notariellen Grundstückskaufvertrages vom 3. April 1992 kann sich die Klägerin nicht berufen, denn sie bezieht sich ausdrücklich nur auf den Erwerber der Flächen (die A. GmbH). Nicht am Vertrag beteiligte Dritte – und damit auch die Klägerin – sind von der Vereinbarung nicht geschützt.
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Anders ist die Rechtslage zwar in Bezug auf die Vereinbarung in Nr. 4.2 Abs. 3 des zwischen der A. GmbH zur Erschließung der Gewerbegebiete A-Stadt GmbH und der Stadt A-Stadt geschlossenen Erschließungsvertrages vom 3. April 1992, denn darin werden die Erwerber der von der A. GmbH verkauften Bauparzellen ausdrücklich erwähnt. Da die Vereinbarung nicht auf die Ersterwerber beschränkt ist, kann sich auch die Klägerin auf sie berufen. Zweifel an der Wirksamkeit der Vereinbarung bestehen ebenfalls nicht. Insbesondere scheidet die Annahme eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB aus. Eine Beitragserhebungspflicht bestand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht, denn nach § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1991 stand die Erhebung von Anschlussbeiträgen im Ermessen der beitragsberechtigten Körperschaften. Eine Pflicht zur Beitragserhebung ist erst durch § 8 Abs. 1 Satz 1 KAG 1993 begründet worden (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 10.08.2017 – 3 A 403/15 –).
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Entgegen der Auffassung der Klägerin ist mit der Wendung „Von der A. GmbH bzw. den Erwerbern der von ihr erschlossenen und bebaut oder unbebaut verkauften Bauparzellen erhebt die Stadt keine Erschließungskosten oder Anschlussgebühren“ aber keine Freistellung von den vorliegend streitgegenständlichen Anschlussbeiträgen vereinbart worden. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
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Die Erschließung der im Baugebiet B.-Weg/M.-Weg gelegenen Grundstücke sollte ursprünglich von der Firma S. GmbH erfolgen. Zu diesem Zweck schlossen die Stadt A-Stadt und die Firma S. GmbH am 7. Juni 1991 einen Erschließungsvertrag. Der Vertrag wurde von der Firma S. GmbH nicht erfüllt und in der Folgezeit von der Stadt A-Stadt gekündigt. Die Erschließung des Baugebiets erfolgte dann auf Grundlage des mit der A. GmbH geschlossenen Erschließungsvertrages vom 3. April 1992. Gegenstand dieses Vertrages ist die wege- und leitungsmäßige Erschließung des Baugebietes durch die A. GmbH als Erschließungsträger (Nr. 3 und Nrn. 5 ff. des Vertrages). Die entstehenden Bauparzellen waren baureif zu machen und an Bauwillige zu veräußern (vgl. § 7 Abs. 1 des Grundstückskaufvertrages vom 3. April 1992). Die Refinanzierung der Erschließungskosten sollte – wie bei Erschließungsverträgen üblich – über den Kaufpreis erfolgen. Da die A. GmbH nicht Eigentümerin der Flächen des Erschließungsgebietes war, hatte sie mit der Stadt A-Stadt den bereits benannten Grundstückskaufvertrag vom 3. April 1992 geschlossen.
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Für die Parteien des Erschließungsvertrages bestand allerdings das Problem, dass das Erschließungsgebiet nicht nur die Flächen des Grundstückskaufvertrages vom 3. April 1992 umfasste. Zum Erschließungsgebiet gehörten auch 17 bebaute Grundstücke, die von der Stadt A-Stadt „vor der Wende“ an Bauwillige übertragen worden waren (sog. Alterwerber). Hinzu kamen fünf weitere Parzellen, die „nach der Wende“ von der Firma S. GMBH an Bauwillige veräußert worden waren (sog. S. GMBH Kunden, vgl. die Präambel des Erschließungsvertrages vom 3. April 1992). Eine Beteiligung dieser Grundstückseigentümer an den Kosten der im Erschließungsgebiet herzustellenden bzw. fertigzustellenden Erschließungsanlagen durch die A. GmbH schied aus, da es sich bei diesen Grundstücken um sog. Fremdanliegergrundstücke handelte. Die Eigentümer von Fremdanliegergrundstücken werden durch die Erschließungsmaßnahmen zwar bevorteilt. Es besteht jedoch kein gesetzlicher Anspruch des Erschließungsträgers auf eine Kostenbeteiligung. Sie ist nur auf vertraglicher Grundlage möglich, wobei allerdings auch kein Anspruch des Erschließungsträgers auf Abschluss eines solchen Vertrages besteht.
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Vor diesem Hintergrund vereinbarten die Parteien des Erschließungsvertrages in den Nrn. 4.1 und 4.2, dass die Stadt A-Stadt für die auf die Fremdanliegergrundstücke entfallenden (anteiligen) Erschließungskosten einen Werklohn an die A. GmbH zahlt. Insoweit wurde eine Kostenbelastung der Stadt A-Stadt erzeugt. Damit handelte es sich bei dem Erschließungsvertrag vom 3. April 1992 nicht – jedenfalls nicht durchgängig – um einen „echten“ Erschließungsvertrag i.S.d. § 124 Baugesetzbuch a.F. (BauGB a.F.), bei dem der beitragserhebungsberechtigten Körperschaft kein beitragsfähiger Aufwand entsteht und eine Beitragserhebung folglich ausscheidet, sondern um einen „unechten“ Erschließungsvertrag (Vorfinanzierungsvertrag), bei dem der Erschließungsunternehmer der beitragserhebungsberechtigten Körperschaft die Erschließungskosten in Rechnung stellt und so einen beitragsfähigen Aufwand erzeugt. Auf diese Weise sollten die Fremdanliegergrundstücke an den Kosten Erschließung beteiligt werden. Diese Absicht ist in Nr. 4.2 Abs. 2 des Erschließungsvertrages dokumentiert und in der Folgezeit auch umgesetzt worden (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 24.08.2017 – 3 A 847/14 –, n.v.). Die Vereinbarung in Nr. 4.2 Abs. 3, auf die sich die Klägerin nun beruft, erklärt sich mit Blick auf die Vereinbarung in Nr. 4.2 Abs. 2. Wegen der darin erklärten Absicht, bei den Fremdanliegergrundstücken eine Beitragserhebung durchzuführen, bedurfte es der Klarstellung, dass für die übrigen Grundstücke des Erschließungsgebietes – also den Kaufgegenstand des Grundstückskaufvertrages vom 3. April 1992 (vgl. § 5 Abs. 3 des Vertrages) – eine Beitragserhebung unterbleibt. Denn die Refinanzierung der auf diese Grundstücke entfallenden anteiligen Erschließungskosten sollte im Rahmen der Veräußerung der baureifen Grundstücke erfolgen. Dies zeigt aber auch, dass sich beide Vereinbarungen – die in Abs. 2 und die in Abs. 3 – auf die innerhalb des Erschließungsgebietes entstandenen Kosten beziehen. Die vorliegend streitgegenständliche Beitragserhebung für die Kosten der äußeren Erschließung, also die Kosten, die der Stadt A-Stadt für die Herstellung der außerhalb des Erschließungsgebietes gelegenen Anlagen und Anlagenteile entstanden sind, wird damit von der Vereinbarung nicht erfasst.
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Gegen die von der Klägerin favorisierte gegenteilige Annahme spricht weiter, dass die Stadt A-Stadt zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Abwasserbeseitigung noch nicht zuständig war. Die Abwasserbeseitigungspflicht ist den Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern und damit auch der Stadt A-Stadt erst mit dem Inkrafttreten des Landeswassergesetzes (LWaG) am 1. Dezember 1992 als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 LWaG i.V.m. § 56 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz – WHG –) übertragen worden. Bis dahin war die N. GmbH, das Nachfolgeunternehmen des ehemaligen VEB Wasserversorgung und Abwasserbehandlung (WAB), für die Abwasserbeseitigung zuständig. Dies schlägt auf die Zuständigkeit für die Abgabenerhebung durch, denn dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits in Kraft getretene Kommunalabgabengesetz 1991 allein begründet keine Befugnis zur Abgabenerhebung. Hinzukommen muss, dass die Gemeinde für die Durchführung der abgabenpflichtigen Maßnahme sachlich zuständig ist (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 15.06.2017 – 3 A 247/13 –, S. 15 des Entscheidungsumdrucks). Dies ist – wie dargelegt – erst seit dem 1. Dezember 1992 der Fall. Die Freistellung von Anschlussbeiträgen wäre von der Stadt A-Stadt daher außerhalb ihrer damaligen Zuständigkeit vereinbart worden. Ein solches Verhalten kann ihr nicht unterstellt werden.
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Zudem darf nicht verkannt werden, dass die Stadt A-Stadt mit der Herstellung ihrer öffentlichen Einrichtung zur zentralen Schmutzwasserbeseitigung gerade erst begonnen hatte. Wichtige zentrale Einrichtungen wie das Klärwerk wurden erst Mitte der 1990er Jahre hergestellt. Die Kosten und die Größe der Gesamtanlage, die ihre Endausbaustufe nach dem aktuellen Abwasserbeseitigungskonzept der Stadt A-Stadt nicht vor dem Jahr 2028 erreichen soll, waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht abschätzbar. Eine Beitragssatzung fehlte ebenso, wie eine Beitragskalkulation. Damit war die Höhe der auf das Erschließungsgebiet entfallenden Beitragsbelastung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht ermittelbar. Folgte man der Auffassung der Klägerin, so hätte die Stadt A-Stadt auf die Erhebung von Anschlussbeiträgen verzichtet, ohne die wirtschaftlichen Auswirkungen des Verzichts auch nur annähernd abschätzen zu können. Die Frage der Angemessenheit des Beitragsverzichts i.S.d. §§ 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 59 Abs. 2 Nr. 4 des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch für die Rechtsanwendung durch Landesbehörden in Mecklenburg-Vorpommern geltenden Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes (VwVfG Bund) hätte nicht beurteilt werden können. Auch dies kann der Stadt A-Stadt nicht unterstellt werden.
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d. Schließlich hat der Beklagte sein Recht zur Beitragserhebung nicht verwirkt. Es fehlt am Vertrauenstatbestand der Verwirkung. Die von der Klägerin vorgenommene fehlerhafte Interpretation der Vereinbarungen des Erschließungsvertrages und des Kaufvertrages vom 3. April 1992 kann ein schutzwürdiges Vertrauen nicht begründen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich.
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Annotations
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen insbesondere durch Zahlung (§§ 224, 224a, 225), Aufrechnung (§ 226), Erlass (§§ 163, 227), Verjährung (§§ 169 bis 171, §§ 228 bis 232), ferner durch Eintritt der Bedingung bei auflösend bedingten Ansprüchen.
(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.
(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn
- 1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt, - 2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.
(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.
(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2
- 1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat, - 2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat, - 3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.
(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die
- 1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und - 2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
Hat die Gemeinde einen Bebauungsplan im Sinne des § 30 Absatz 1 erlassen und lehnt sie das zumutbare Angebot zum Abschluss eines städtebaulichen Vertrags über die Erschließung ab, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuführen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.