Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 16. Juli 2014 - 7a K 486/14.A
Gericht
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. Januar 2014 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
1
Tatbestand:
2Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihrer Asylanträge als unzulässig durch Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge ‑ Bundesamt ‑ vom 29. Januar 2014.
3Der 1969 geborene Kläger zu 1. ist der Vater der Kläger zu 2. bis 5. (geboren 2007, 2009 und 2012). Alle sind ghanaische Staatsangehörige und beantragten gemeinsam mit der aus O. stammenden Ehefrau und Mutter der Kinder am 16. Januar 2013 gemeinsam in E. Asyl. Am 22. Januar 2013 wurde dem Bundesamt gemeldet, dass die Kläger bereits in Italien registriert seien („EURODAC-Treffer“).
4Am 8. Mai 2013 wurde der Kläger zu 1. vom Bundesamt angehört. Er gab an, im Januar 2002 aus Ghana ausgereist zu sein. Danach habe er sich etwa ein Jahr in O. aufgehalten und sei dann nach U. in Libyen weitergereist, wo er acht bis neun Jahre geblieben sei. Anschließend sei er nach M. in Italien gereist und dort am 30. April 2011 angekommen. Er habe dort einen Asylantrag gestellt und sei in U1. angehört worden. Anschließend habe man ihm einen grünen Pass ausgestellt und gesagt, er solle mit seiner Familie aus der Unterkunft, in der er gewohnt habe, ausziehen. Am 8. Januar 2013 sei er mit seiner Familie nach E. gekommen. Zu seinen Asylgründen befragt gab der Kläger zu 1. an, in Ghana bei der Brandrodung eines Feldes versehentlich eine Farm in der Umgebung in Brand gesetzt zu haben. Im Falle seiner Rückkehr fürchte er, deswegen verhaftet zu werden.
5Am 25. November 2013 stellte das Bundesamt ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien, das bislang nicht beantwortet wurde.
6Mit Bescheid vom 29. Januar 2014 stellte das Bundesamt fest, dass die Asylanträge der Kläger unzulässig seien und ordnete die Abschiebung nach Italien an.
7Die Kläger haben am 5. Februar 2014 Klage erhoben und zugleich um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Die Beklagte sei zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts verpflichtet, da das Bundesamt das Verfahren insbesondere im Hinblick auf die Bedürfnisse der minderjährigen Kläger zu 2. bis 5. ohne ersichtlichen Grund unangemessen lange verzögert habe und in Italien systemische Mängel des Asylverfahrens bestünden. Die den Kläger in Italien ausgehändigten „Titolo di viaggio per stranieri“ zeigten, dass die Durchführung eines Asylverfahrens nicht beabsichtigt sei, sondern die Kläger nur zur Ausreise aus Italien motivieren sollten.
8Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. Januar 2014 zu verpflichten, für die Kläger eine Asylverfahren durchzuführen.
10Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
11die Klage abzuweisen.
12Sie hält systemische Mängel im Flüchtlingsaufnahmeverfahren in Italien für nicht gegeben.
13Mit Beschluss vom 24. Februar 2014 hat die Kammer die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung nach Italien angeordnet (7a L 179/14.A).
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (Beiakte Heft 1).
15Entscheidungsgründe:
16Die Klage, über die im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ‑ VwGO -), ist zulässig und begründet.
17Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig. Die am Begehren der Kläger orientierte Antragsauslegung (vgl. § 88 VwGO) ergibt, dass ihr wörtlich auch auf die Verpflichtung der Beklagten gerichteter Antrag als Anfechtungsklage zu verstehen ist. Diese ist gegen die mit dem Bescheid allein getroffene Entscheidung nach §§ 27a, 34a des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑ zulässig und zugleich ausreichend, weil die isolierte Aufhebung der Entscheidungen zu Ziffern 1. und 2. des Bescheides zur gesetzlichen Verpflichtung des Bundesamtes führt, das Asylverfahren durchzuführen (vgl. §§ 31, 24 AsylVfG). Mit der Aufhebung des Bescheides vom 29. Januar 2014 ist das Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylgesuchs beseitigt.
18So auch: VG Düsseldorf, Urteil vom 10. Februar 2014 ‑ 25 K 8830/13.A ‑, InfAuslR 2014, 159 ff.; im Ergebnis auch: VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris, Rdnr. 18.
19Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 29. Januar 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).
20Die Kläger haben einen Anspruch darauf, dass die Beklagte von ihrem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines vom einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrages zuständig ist ‑ Dublin II-VO ‑ Gebrauch macht und ihre Asylanträge inhaltlich prüft. Das Ermessen der Beklagten ist insoweit auf null reduziert.
21Dem Bundesamt ist es zum einen versagt, sich auf die Zuständigkeit Italiens zu berufen, weil das Verfahren zur Prüfung der Zuständigkeit nach der Dublin-II-VO zu Lasten des Klägers fehlerhaft verlaufen ist (I.) und zum anderen in der Sache Asylverfahren und Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge in Italien nach wie vor systemische Mängel aufweisen, die die Prognose rechtfertigen, dass die Kläger im Falle ihrer Rückführung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein werden (II.).
22Die Zuständigkeit ist im vorliegenden Fall allein anhand der Regelungen der Dublin II-VO und den dort genannten Kriterien zu entscheiden, weil der Asylantrag der Kläger in Deutschland weit vor dem Stichtag des 1. Januar 2014 gestellt worden ist (vgl. Art. 49 Abs. 2 der Dublin III-Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013).
23I. Das Verfahren zur Prüfung der Zuständigkeit Deutschlands für die Durchführung der Asylverfahren hat im Falle der Kläger unangemessen lange gedauert und damit ihre Rechte aus Art. 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ‑ EUGrCh ‑ verletzt.
24Es obliegt dem Mitgliedsstaat, die Zuständigkeitsprüfung zügig durchzuführen und die Entscheidung darüber, ob eine Rückführung in einen anderen Mitgliedstaat in Betracht kommt, nicht unangemessen zu verzögern, wenn er sich hierauf berufen will. Eine Verletzung dieser Pflicht verletzt den Anspruch des Asylbewerbers aus Art. 18 EuGrCh in seinen verfahrensrechtlichen Garantien. Die Dublin II-VO zielt nach ihrem fünfzehnten Erwägungsgrund insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Art. 18 EuGrCh verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.
25Vgl. EuGH, Urt. vom 21. Dezember 2011, ‑ C-411/10 -, InfAuslR 2012, Rdrn. 98, 108; Urt. vom 14. November 2013 ‑ C-4/11 -, juris, Rdnr. 33, 35; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 30. Dezember 2013 ‑ 5a L 1726/13.A ‑, juris; VG Düsseldorf, Urt. vom 10. Februar 2014, ‑ 25 K 8830/13.A -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 16. April 2014, - A 11 S 1721/13 -, juris jeweils m.w.N.
26Zur Beurteilung der Angemessenheit ist der Maßstab der Dublin II-VO selbst heranzuziehen. Nach ihrem vierten Erwägungsgrund soll diese Verordnung eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden.
27Davon ausgehend ist im Falle der Kläger seit Stellung ihrer Asylanträge in Deutschland eine unangemessen lange Zeit verstrichen, bevor das Bundesamt sich ihnen gegenüber auf die Zuständigkeit Italiens berufen hat. Seit Anbringung des Asylgesuchs in Deutschland war ein Zeitraum von mehr als einem Jahr vergangen, ohne dass für die Kläger ein Grund für die Verzögerung ersichtlich war.
28Die Kläger haben ihre Asylgesuche in Deutschland unter dem 16. Januar 2012 angebracht. Wenige Tage danach, am 22. Januar 2012, erreichte das Bundesamt die Nachricht über einen EURODAC-Treffer für Italien. Die Anhörung des Klägers beim Bundesamt fand am 8. Mai 2013 statt, im Rahmen derer der Kläger zu 1. bestätigt hat, in Italien bereits mit seiner Familie Asyl beantragt zu haben. Die Anhörung hat sich auch nicht auf die Frage beschränkt, ob der Kläger bereits in einem anderen Mitgliedstaat der EU einen Asylantrag gestellt hat, sondern er ist darüber hinaus zu seinen Fluchtgründen befragt worden.
29Das Bundesamt hat erst weitere sechs Monate nach der Anhörung, am 25. November 2013, ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien gerichtet. Das Bundesamt hat gleichzeitig versucht, den Klägern dies mit Schreiben vom gleichen Tage bekanntzugeben; die Postzustellung war allerdings erfolglos, weil die Kläger zwischenzeitlich nicht mehr in der ursprünglichen Aufnahmeeinrichtung wohnten. Ein weiterer Zustellungsversuch ist der Akte nicht zu entnehmen, obwohl die Stadtverwaltung E. dem Bundesamt die neue Adresse der Kläger zwischenzeitlich mitgeteilt hatte. Der angefochtene Bescheid, der die Rückführung nach Italien anordnet, datiert vom 29. Januar 2014.
30Gründe für die mit der langen Verfahrensdauer verbundene Rechtsverletzung der Kläger sind der Akte nicht zu entnehmen.
31II. Die Beklagte ist auch deshalb zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gem. Art. 3 Abs. 2 S. 1 Dublin-II-VO verpflichtet, weil Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien auch derzeit noch systemische Mängel aufweisen, die die Prognose rechtfertigen, dass die Asylbewerber dort mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt sein werden.
32Vgl. zum Maßstab zuletzt: BVerwG, Urteil vom 19. März 2014 ‑ 10 B 6/14 -, juris, Rdnr. 9 m.w.N.
33Zur Situation von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Italien und zu den dortigen Aufnahmebedingungen hat die Kammer im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ‑ Beschluss vom 24. Februar 2014, Az. 7a L 179/14.A ‑ unter Auswertung der vorliegenden Erkenntnisquellen Folgendes ausgeführt:
34„Gemäß § 34a Abs. 1 S. 1 und 2 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑ ordnet das Bundesamt, wenn die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) erfolgen soll, die Abschiebung an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Gegenüber dem Antragsteller ist die Abschiebung nach Italien, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und insofern in einen kraft verfassungsrechtlicher Bestimmung sicheren Drittstaat (Art. 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes ‑ GG ‑; § 26a Abs. 2 AsylVfG), angeordnet worden. Darüber hinaus ergibt sich die Zuständigkeit Italiens aus § 27a AsylVfG i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 ‑ Dublin II-VO ‑. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das ist hier grundsätzlich der Fall, weil die Antragsteller im April 2011 in Italien eingereist sind und dort im Mai 2011 Asyl beantragt haben (vgl. Art. 10 Dublin-II-VO). Dies steht nach Aktenlage auf Grund der Eintragungen in der EURODAC-Datenbank fest und wird auch nicht bestritten.
35Aus Sicht der Kammer spricht allerdings Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin von ihrem Selbsteintrittsrecht aus Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch machen und das Asylbegehren in eigener Zuständigkeit prüfen muss. Nach dieser Vorschrift kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist, und wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Verordnung.
36Das hiernach dem Mitgliedstaat grundsätzlich eingeräumte Ermessen dürfte voraussichtlich in Bezug auf die Rücküberstellung nach Italien derzeit auf Null reduziert sein, weil dort gegenwärtig systemische Mängel des Asylverfahrens zu besorgen sind, denen die Antragsteller ausgesetzt sein werden.
37Die den Regeln des Selbsteintrittsrechts und der Dublin II-VO zugrundeliegende Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ‑ EUGrdRCh ‑, der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ‑ EMRK ‑ und der Genfer Flüchtlingskonvention steht,
38vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 ‑ C-411/10 ‑, NVwZ 2012, 417.
39trifft nach den vorliegenden Erkenntnissen für Italien gegenwärtig wohl nicht zu.
40Dabei reicht allerdings nicht jede Verletzung von Verfahrens- oder materiellem Recht, um eine Selbsteintrittspflicht zu begründen. Ein Mitgliedstaat muss vielmehr die Überstellung eines Asylbewerbers an den zuständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-VO nur unterlassen, wenn ihm nicht unbekannt sein kann, dass das Asylverfahren in diesem Mitgliedstaat systemische Mängel aufweist, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 EUGrdRCh implizieren. In diesem Fall ist die Überstellung auch nach nationalem Verfassungsrecht unzulässig, wenn ‑ bezogen auf den Drittstaat bzw. auf den zuständigen Staat ‑ Abschiebungshindernisse durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts normativer Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind.
41Vgl. Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 14. Mai 1996‑ 2 BvR 1938/93 ‑, juris.
42Ausgehend von diesen Maßstäben bestehen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass das Asylverfahren und/oder die Aufnahmebedingungen in Italien an systemischen Mängeln leiden. Dementsprechend ist das Interesse der Antragsteller daran, Schutz entsprechend den im Europäischen Gemeinschaftsrecht vereinbarten Mindeststandards zu erlangen, vorrangig gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse.
43Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass den Antragstellern im Falle ihrer Rücküberstellung nach Italien im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im zuvor dargestellten Sinne droht, sie namentlich im Falle einer Überstellung nach Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S. der Art. 4 EUGrdRCh, Art. 3 EMRK zu befürchten haben.
44Die Kammer geht zunächst davon aus, dass die Antragsteller zu 2. - 5. nach den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts dem Kreis besonders schutzwürdiger Personen zuzurechnen sind, da sie minderjährig sind (Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 2003/9/EG; neugefasst durch Richtlinie 2013/33/EU mit Umsetzungsfrist bis Juli 2015, dort Art. 21 ff. i.V.m. Art. 2 d)).
45Dies zugrundegelegt, stellt sich die tatsächliche Situation von Schutzsuchenden in Italien nach der gegenwärtigen Erkenntnislage im Wesentlichen wie folgt dar:
46Im Sommer 2013 ist die Zahl der in Italien ankommenden (Boots-)flüchtlinge ‑ erneut ‑ stark angestiegen,
47vgl. z.B. Zahlenangaben und Vergleiche 2011-2013 bei: Zeit online vom 10. Oktober 2013 unter Hinweis auf Material UNHCR; tagesschau.de vom 20. August 2013.
48Die bis dahin schon bedenkliche Auslastung der Aufnahmekapazitäten hat sich verschlechtert.
49Nach dem jüngsten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom Oktober 2013, der auf einer Abklärungsreise nach Rom und Mailand, verschiedenen Interviews mit Vertretern von Nicht-Regierungs-Organisationen ‑ NGOs ‑, Behörden und Flüchtlingen sowie aktuellen Berichten über die Situation in Italien fußt, sind die Aufnahmekapazitäten der für alle Asylsuchenden vorgesehenen Erstaufnahmezentren CARA, in denen auch sog. Dublin-Rückkehrende im Falle ihrer Rücküberstellung nach Italien grundsätzlich ‑ befristet ‑ unterkommen können, ausgelastet. Das gilt auch für die bereitgestellten Plätze im sog. FER-Projekt (vom Europäischen Flüchtlingsrat finanzierte Unterkünfte), die an den Flughäfen Rom und Mailand angeboten werden. Die Anzahl der Plätze in diesen Projekten, die zeitlich beschränkt sind, ist ohnehin sehr gering.
50Schweizerische Flüchtlingshilfe ‑ SFH ‑, Italien: Aufnahmebedingungen, Oktober 2013, S. 5, 14 ff., 20.
51Auch das Zweitaufnahmesystem SPRAR, das auf einer Zusammenarbeit zwischen Gemeinden und NGOs basiert, ist ausgelastet; noch im Juli 2013 wurde vom italienischen Innenministerium wegen Überfüllung der Erstaufnahmezentren um Aufstockung der Plätze gebeten.
52Vgl. SFH, a.a.O., S. 23, Fußnote 135 unter Bezugnahme auf eine e-Mail Auskunft von borderline-europe vom 7. August 2013.
53Eine erhebliche Verschlechterung der Aufnahmebedingungen und deutliche Überbelegungen in den Zentren beklagt auch der UNHCR in seinen Empfehlungen vom Juli 2013,
54UNHCR Recommendations on important Aspects of Refugee protection in Italy, Juli 2013, S. 9 ff.
55Die tatsächliche Überbelegung wird schließlich anhand des von der Liaisonbeamtin des Bundesamtes in Rom vom 21. November 2013 unter Bezugnahme auf Daten des italienischen Innenministeriums vom 8. November 2013 übersandten Zahlenmaterials, das bestimmte Aufnahmezentren abdeckt (CARA/CDA), deutlich: Danach war dort in verschiedenen Orten „ursprünglich“ eine Kapazität von insgesamt 6.180 Plätzen, sind „jetzt“ 7.516 Plätze „vorgesehen“, die tatsächlich mit 10.856 Schutzsuchenden belegt sein sollen.
56Vgl. Wiedergabe der Information der Liaisonbeamtin in der Antragserwiderung.
57Die Frage, ob das vom italienischen Innenministerium übermittelte Zahlenmaterial belastbar ist, lässt die Kammer dabei offen.
58Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 11. September 2013 an das OVG NRW (dort zu d) ist verlässliches Datenmaterial nicht zu erlangen; dahingehend auch: UNHCR, a.a.O., z.B. S. 10, 13.
59Rücküberstellte haben nach Einschätzung einer italienischen Untersuchungskommission keine ausdrückliche Garantie für eine Unterbringung in einer Aufnahmeeinrichtung.
60Vgl. Auskunft der ital. Vereinigung f. rechtliche Untersuchungen zur Situation von Einwanderern ‑ ASGI ‑ vom 20. November 2012 an das VG Darmstadt.
61Die anderslautende Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 11. September 2013 an das Oberverwaltungsgericht NRW (dort zu c) legt die Kammer im vorläufigen Rechtsschutzverfahren angesichts der wiedergegebenen Erkenntnisse vor Ort tätiger Organisationen, der unter b) dieser Auskunft des Auswärtigen Amtes angedeuteten Schwierigkeiten bei der Unterbringung unter Hinnahme auch Wochen fehlender Unterkunft und mit Rücksicht darauf, dass nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes kein belastbares Zahlenmaterial zu tatsächlichen Unterbringungsmöglichkeiten der Dublin II-Rückkehrer von offizieller Seite zu erlangen ist (Auskunft vom 11. September 2013, a.a.O., zu d), nicht zugrunde.
62Aus der Schwierigkeit, dauerhaft eine angemessene und sichere Unterkunft zu erlangen, folgen insbesondere von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe beschriebene Probleme der (Dauer-)Obdachlosigkeit, Verwahrlosung und auch der (sexuellen) Ausbeutung für die Schutzsuchenden.
63SFH, a.a.O., z.B. S. 40, 45.
64Ein weiterer wesentlicher Mangel im System der Versorgung von Asylsuchenden ist darin zu sehen, dass der Mehrheit der Flüchtlinge ‑ abgesehen von der Unterbringung in Erstaufnahmezentren ‑ keine ausreichende Unterstützung und Hilfeleistungen zuteil werden, die ein sozial würdiges Leben in einer für sie fremden Umgebung ermöglichen. Dazu gehört auch ein Mindestmaß an Integritätsbemühungen des Staates, um den Schutzsuchenden eine Teilnahme am Alltagsleben in Italien zu ermöglichen, wie etwa Sprachunterricht. Die vereinzelten Angebote decken den tatsächlichen Bedarf nicht annähernd ab.
65Vgl. UNHCR, a.a.O., S. 10, 12 f.: “their self-reliance remains a concern after the end of the emergency reception plan. This is mainly because of the poor quality of reception services,…more broadly, because of the economic situation in Italy.”; SFH, a.a.O., S. 43 ff.
66Diese Situation trifft namentlich besonders schutzwürdige Flüchtlinge, denen die Antragsteller zu 2. - 5. als Minderjährige (s.o.) zuzurechnen sind. Diesem Personenkreis, der nach den Mindeststandards der Gemeinschaft besonderer Hilfestellung bedarf (vgl. ARL 2003, a.a.O., Art. 17 ff.), wird diese nicht annähernd in ausreichendem Maße gewährt.
67UNHCR, a.a.O., S. 12; SFH, a.a.O., S. 53 ff.
68Mit Rücksicht darauf, dass der Asylstatus der Antragsteller unbekannt ist, namentlich nach Aktenlage bisher keine Reaktion des italienischen Staates vorliegt, ist ergänzend anzumerken, dass Asylbewerber, denen in Italien ein Schutzstatus (auch subsidiär) gewährt wurde, sowohl hinsichtlich ihrer Unterbringung als auch in Bezug auf ihre Versorgung allgemein schlechter gestellt sind als solche, die sich noch im Verfahren befinden, weil kaum noch eine Hilfestellung gewährt wird, sondern diese weitgehend auf sich selbst angewiesen sind.
69Vgl. SFH, a.a.O., z.B. S. 21 (Unterkunft), 43 (Arbeit), 47 (Integrationsmaßnahmen), 48 f. (Sozialhilfe); vgl. auch UNHCR, a.a.O., S. 12.
70Der Kammer sind belastbare Auskünfte und Stellungnahmen aus jüngster Zeit, die die dargestellten allgemeinen Erkenntnisse erschüttern könnten, nicht bekannt.
71Die Kammer folgt der Einschätzung des UNHCR in den „Empfehlungen“, dass die Missstände insoweit auf fehlender strategischer und struktureller Planung und zuverlässige Koordinationsmechanismen auf zentraler Ebene beruhen. Diese Einschätzung wird von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe erneut im aktuellen Bericht geteilt.
72UNHCR, a.a.O., S. 10,13; ebenso: SFH, a.a.O., S. 7.
73Die Kammer stuft diese Mängel insgesamt als systemisch ein, weil sie auf einem unzureichenden Aufnahmesystem und einem fehlendem materiellen und sozialen Sicherungsnetz beruhen, das der italienische Staat trotz ausreichender rechtlicher Rahmenbedingungen nicht bereitstellt.
74Ebenso: VG Gießen, Urteil vom 25. November 2013 ‑ 1 K 844/11.GI.A ‑ juris, insbes. Rdnr. 33 f. m.w.N.; VG Frankfurt a.M., Urteil vom 9. Juli 2013 ‑ 7 K 560/11.F.A. ‑ , juris Rdnr. 24 ff.; VG Köln, Beschluss vom 7. Mai 2013 ‑ 20 L 613/13.A ‑, juris; VG Aachen, Beschluss vom 14. März 2013 ‑ 9 L 53/13.A ‑, juris; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 17. Mai 2013 ‑ 5a L 566/13.A ‑, juris.
75Am 4. Juni 2013 hat das italienische Innenministerium einen sog. EASO-Support-Plan beschlossen und mit dem Europäischen Asylunterstützungsbüro EASO einen Unterstützungsplan vereinbart. Dies verdeutlicht, dass der italienische Staat derzeit selbst davon ausgeht, den Mindestnormen der Gemeinschaft für die Aufnahme von Asylbewerbern nicht aus eigenen Kräften zu entsprechen. Dieser „Hilfsplan“ reicht bis Ende 2014.
76Vgl. EASO, press-release vom 4. Juni 2013, EASO-Italy-Special-Support-Plan.
77Ob die Situation der Flüchtlinge sich dadurch nachhaltig bessert, bleibt abzuwarten.
78Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 2. April 2013
79Nr. 27725/10, Mohammed Hussein et al v. the Netherlands and Italy,
80die sich auf den Sonderfall einer in Italien bereits unter Schutz („subsidiary protection“) stehenden somalischen Frau mit zwei Kindern bezieht, die in Italien ein Aufenthaltsrecht und Reisedokumente für mehrere Jahre innehatte,
81EGMR, a.a.O., Nr. 6,
82ist wegen der Besonderheiten dieses Personenkreises mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. Zudem stellt der EGMR in seiner Entscheidung auf der Grundlage zahlreicher Erkenntnisse die dargestellten Missstände heraus,
83EGMR, a.a.O., Nr. 78. unter Hinweis auf die Ausführungen unter Nr. 43 ff.,
84hält diese aber in Bezug auf den Personenkreis der anerkannten Flüchtlinge mit Aufenthaltsrecht nicht für ausreichend, um einen systemischen Mangel darzutun, wie er in einem vorangegangenen Verfahren zu Griechenland festgestellt worden sei.
85EGMR, a.a.O., Nr. 78.
86Wegen divergierender Rechtsauffassung der 5. Sektion des EGMR soll zudem die Große Kammer des EGMR mit der Problematik der Aufnahmebedingungen in Italien befasst sein.
87Vgl. Hinweis hierauf im Beschluss des VG Würzburg vom 3. Februar 2014 ‑ W 6 S 14.30087 ‑ juris, Rdnr. 16, sowie Ersuchen der 5. Sektion des ECHR an die Bundesrepublik Deutschland vom 13. Februar 2013 im Fall Nr. 81498/12 Isse and Mousa vs. Germany, innerhalb eines bestimmten Zeitraums keine Abschiebung nach Italien vorzunehmen.
88Die Unanwendbarkeit der Zuständigkeitsregelungen der Dublin II-VO aus Gründen höherrangigen Rechts ist danach insgesamt im vorläufigen Rechtsschutz mit der Folge zu bejahen, dass eine Rücküberstellung nach Italien derzeit nicht erfolgen darf.“
89An der Einschätzung, dass in Italien auch zum jetzigen Zeitpunkt noch systemische Mängel des Asylverfahrens bestehen, die dazu führen, dass Flüchtlinge einschließlich der Kläger überwiegend wahrscheinlich menschenrechtswidrigen Verhältnissen ausgesetzt werden, hält die Kammer auch unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts NRW zum jetzigen Zeitpunkt fest. Das Urteil des OVG NRW vom 7. März 2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, das die Rücküberstellung nach Italien für zulässig erachtet, beruht auf der Erkenntnislage, die auch die Kammer zugrundegelegt hat. Der Auffassung des Senats, die sich aus der Erkenntnislage ergebende Situation in Italien lasse noch kein systemisches, die Grenze zur drohenden Grundrechtsverletzung nach Art. 4 EuGRCh überschreitendes Versagen des Staates erkennen, vermag die Kammer gegenwärtig nicht zu folgen.
90Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass die Zahl der in Italien aufzunehmenden Flüchtlinge im ersten Halbjahr 2014 weiter erheblich angestiegen ist und erst jüngst das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR dringend angemahnt hat, einen strukturierten Plan zur Aufnahme der Flüchtlinge in Italien zu entwickeln. Anlass für diese Mahnung war, dass in Italien im Juni 2014 ca. 400 Flüchtlinge auf zwei Parkplätzen vor Rom und Mailand ohne Versorgung hilflos ausgesetzt worden waren.
91Vgl. z.B. Spiegel online 10. Juni 2014 „Hunderte Bootsflüchtlinge auf Parkplätzen ausgesetzt“; N24 10. Juni 2014; Huffington Post 18. Juni 2014 „Italy’s Churches shelter Refugees despite overflowing migrant crises“; FR 15. Juni 2014 „Mehr als 1500 Bootsflüchtlinge in 24 Stunden“; vgl. allgemein auch: west-info.eu 15. Juli 2014 „The new Europe begins at M. “ by G. Terranova.
92Erkenntnisse darüber, dass Italien angesichts der gestiegenen Zahlen die ohnehin überfüllten Unterbringungskapazitäten entsprechend aufgestockt hätte und den weiteren dargestellten Mängeln im Aufnahmeverfahren wirksam begegnet wäre, liegen nicht vor.
93Wegen der Zurückweisung von Flüchtlingen ohne Möglichkeit der Antragstellung hat die Europäische Kommission zudem ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien eingeleitet.
94Vgl. Asylmagazin, hrsg. v. Informationsverbund Asyl und Migration 5/2014, S. 142.
95Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung.
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Annotations
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.