Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 30. März 2015 - 7 a L 340/15.A
Gericht
Tenor
Dem Antragsteller wird für das Verfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt C. bewilligt.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2015 enthaltene Abschiebungsanordnung wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e
2I.
3Dem Antragsteller ist für das vorliegende verwaltungsgerichtliche Eilverfahren Prozesskostenhilfe gemäß § 166 VwGO i. V. m. §§ 114, 121 ZPO zu bewilligen, da dieser nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und der Antrag hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
4II.
5Der Antrag des Antragstellers,
6die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 10. Februar 2015 erhobenen Klage insoweit anzuordnen, als die Überstellung der Antragstellers nach Malta angeordnet wird,
7hat Erfolg.
8Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Abschiebungsanordnung. Nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und allein möglichen summarischen Prüfung sind die Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Klage (Az.: 7a K 864/15.A) derzeit jedenfalls als offen zu beurteilen. Die Abwägung der widerstreitenden Belange führt vorliegend dazu, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse der Antragsgegnerin überwiegt.
9Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung ist § 34a AsylVfG. Soll der Ausländer, der gemäß § 13 AsylVfG in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, in einen für die Durchführung des Asylverfahrens gemäß § 27a AsylVfG zuständigen Staat abgeschoben werden, ordnet das C1. G. N. V. G1. gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
10Die Republik Malta ist vorliegend grundsätzlich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Diese hat am °. G2. 2015 das Gesuch der Antragsgegnerin nach Art. 18 Abs. 1 lit. b) i. V. m. Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 604 / 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Juni 2013 (Dublin-III-VO) zur Wiederaufnahme des Antragstellers angenommen. Die gemäß § 25 Abs. 1 Dublin-III-VO erklärte Annahme des Gesuchs ist für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 27a AsylVfG maßgebend. Der Asylsuchende kann für den vorliegenden Fall, dass der Mitgliedstaat der (Wieder)aufnahme zustimmt, Mängel bei der Bestimmung der Zuständigkeit grundsätzlich nicht geltend machen. Insoweit fehlt es an einem subjektiv-öffentlichen Recht des Asylsuchenden auf Durchführung des Asylverfahrens in einem bestimmten Mitgliedstaat. Dieser kann der Zuständigkeit nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden.
11EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 – C-394/12, juris Rn. 60; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 – 10 B 6.14, juris Rn. 7 – jeweils zu Art. 10 Dublin II-VO; VG Berlin, Beschluss vom 4.8.2014, 34 L 78.14.A. – zu Art. 12 Dublin-III-VO; VG Hamburg, Beschluss vom 18.2.2015, 2 AE 354/15, juris Rn. 7 m. w. N.
12Es liegen jedoch hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die Zuständigkeit der Republik Malta nach Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin-III-VO entfallen könnte. Nach dieser Vorschrift, in der die oben zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ihren Niederschlag gefunden hat, setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III der Dublin-III-VO bestimmten Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 GR-Charta mit sich bringen.
13Nach den dem Gericht vorliegenden Berichte und Erkenntnismitteln
14AIDA, Asylum Information Database, „National Country Report Malta“ vom Februar 2015; Gemeinsame Publikation UNHCRs und des Europäischen Parlaments „#know the facts“ vom 9. April 2014; Global Detention Project „Immigration Detention in Malta” vom Januar 2014; UNHCR „UNHCR`s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta” vom 18. September 2013; Jesuit Refugee Service Europe (JRS) „Protection Interrupted, National Report Malta” vom Juni 2013; Stellungnahme der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Valletta zur Lage von Asylbewerbern, die aus Deutschland nach Malta abgeschoben werden vom 2. Februar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Malta: Aktuelle Situationen für Verletzliche“ vom 6. September 2010 und „Malta: Aufnahmebedingungen für Personen aus dem Asylbereich“, Update vom November 2011; Pro Asyl, „Malta: ‚out of system‘ – Zur Situation der Flüchtlingen in Malta“
15gelangt das Gericht zu der Beurteilung, dass die Praxis der Republik Malta, Asylsuchende auf der Grundlage der Migrationsgesetzes Maltas („Immigration Act“) systematisch und routinemäßig, das heißt nicht aufgrund einer Einzelfallprüfung, sondern im Regelfall und nicht nur kurzfristig, sondern für eine Dauer von bis zu 12 Monaten (bei Asylbewerbern, über deren Antrag noch nicht entschieden wurde) bzw. 18 Monaten (bei abgelehnten Asylbewerbern) zu inhaftieren, die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung i. S. d. Art. 4 GR-Charta begründen kann. Da es sich nach den vorliegenden Berichten um eine ständige Praxis des Aufnahmestaats handelt, dürfte das Aufnahmeverfahren in diesem Fall nicht nur vereinzelte, sondern systemische Schwachstellen aufweisen.
16VG Düsseldorf, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 13 L 2852/14.A – juris; Beschluss vom 5. Februar 2015 – 13 L 3079/14.A – juris; VG Minden, Beschl. v. 12. Januar 2015, 1 L 551/14.A – juris; vgl. ferner VG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Oktober 2014 – 8 A K 345/14 – juris; VG Oldenburg, Beschluss vom 23. Juli 2014 – 12 B 1217/14 – juris; VG Regensburg, Urt. v. 7. Februar 2012, RO 7 K 11.30142 – juris; vgl. VG Berlin, Beschluss vom 4. August 2014 – 34 L 78.14 A – juris, im Hinblick auf besonders schutzbedürftige Personen; a. A. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16. Januar 2015 – 1a L 2036/14 A. – juris, m. w. N.; VG Potsdam, Beschluss vom 5. Februar 2014 – 6 L 53/14.A – juris.
17Das Gericht verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2015 (13 L 2852/14.A), denen sich das erkennende Gericht anschließt. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat insoweit ausgeführt:
18„Sowohl Artikel 3 EMRK als auch Artikel 4 EU-GR-Charta verbieten eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Eine Behandlung ist ‚unmenschlich‘, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat. ‚Erniedrigend‘ ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, geeignet, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen. Es kann ausreichen, dass ein Opfer in seinen Augen erniedrigt ist, auch wenn andere das nicht so sehen. Ob Zweck der Behandlung war, das Opfer zu erniedrigen oder zu demütigen, ist zu berücksichtigen, aber auch wenn das nicht gewollt war, schließt das die Feststellung einer Verletzung von Artikel 3 EMRK nicht zwingend aus.
19EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413, Rn. 220 m.w.N.
20Die Inhaftierung einer Person begründet als solche keine Verletzung des Artikels 3 EMRK. Indes verpflichtet Artikel 3 EMRK die Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die Bedingungen der Haft mit der Achtung der Menschenwürde vereinbar sind und dass Art und Methode des Vollzugs der Maßnahme den Gefangenen nicht Leid oder Härten unterwirft, die das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß an Leiden übersteigt, und dass seine Gesundheit und sein Wohlbefinden unter Berücksichtigung der praktischen Bedürfnisse der Haft angemessen sichergestellt sind.
21Vgl. EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, juris, Rn. 221, und 15. Juli 2002 - 47095/99 -, Rn. 95.
22Die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (AufnahmeRL), enthält für die Inhaftierung von Asylbewerbern Mindeststandards. Haft darf danach nicht allein deswegen angeordnet werden, weil der Betroffene einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt hat, sondern nur in Ausnahmefällen, insbesondere zur Überprüfung seiner Identität oder Staatsangehörigkeit, bei Fluchtgefahr im Falle notwendiger Beweissicherung, zur Prüfung des Einreiserechts, zur Durch- oder Fortführung eines Abschiebeverfahrens, wenn die Gefahr der Verzögerung oder der Vereitelung durch den Betroffenen besteht und bei Gefahr für die nationale Sicherheit und Ordnung (Artikel 8 Absatz 1 und 3 AufnahmeRL). Die Inhaftierung darf nur für den kürzest möglichen Zeitraum und nur so lange, wie die Gründe gemäß Artikel 8 Absatz 3 bestehen, angeordnet werden (Artikel 9 Absatz 1 Satz 1 AufnahmeRL). Die Haftanordnung ist zu begründen (Artikel 9 Absatz 2 AufnahmeRL); bei einer Anordnung durch eine Verwaltungsbehörde ist eine zügige Überprüfung durch ein Gericht herbeizuführen (Artikel 9 Absatz 3 AufnahmeRL). In diesem Fall soll dem Betroffenen unentgeltlicher Rechtsbeistand zur Verfügung stehen (Artikel 9 Absatz 6 AufnahmeRL). Auch im Übrigen ist eine turnusmäßige Haftüberprüfung von Amts wegen vorzusehen (Artikel 9 Absatz 5 AufnahmeRL). Die Schutzsuchenden sind in speziellen Hafteinrichtungen unterzubringen, auf jeden Fall aber getrennt von gewöhnlichen Strafgefangenen (Artikel 10 Absatz 1 AufnahmeRL). Die Inhaftierung von besonders schutzbedürftigen Personen ist nur im Ausnahmefall und unter weiteren sehr eingeschränkten Bedingungen zulässig (Artikel 11 AufnahmeRL).
23Gemessen hieran liegen nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln erhebliche Anhaltpunkte dafür vor, dass jedenfalls die Haftpraxis Maltas Asylbewerbern gegenüber nicht im Einklang mit internationalem und europäischem Recht steht.
24Zu der zusätzlichen Annahme unzureichender Haftbedingungen vgl. Verwaltungsgericht Karlsruhe, Beschluss vom 8. Oktober 2014 - A 8 K 345/14 -, juris, Rn. 11; Verwaltungsgericht Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 23. Juli 2014 - 12 B 1217/14 -, juris, Rn. 27 m.w.N.
25Zu der Inhaftierungspraxis Maltas lassen sich derzeit folgende - vorläufige - Feststellungen treffen:
26Ausweislich verschiedener dem Gericht vorliegender Auskünfte werden in Malta Flüchtlinge, die in aller Regel ohne die erforderlichen Papiere irregulär und damit illegal einreisen, systematisch und routinemäßig inhaftiert. Rechtsgrundlage hierfür sei das Migrationsgesetz Maltas (Immigration Act, Chapter 217 of the Laws of Malta, im Folgenden: ‚mmigration Act‘), welches nicht zwischen Migranten und Flüchtlingen, die um internationalen Schutz nachsuchen, bzw. Asylbewerbern unterscheide. Danach gölten alle irregulär Eingereisten (‚prohibited immigrant‘ i.S.v. Artikel 5 Immigration Act) als Personen ohne Einreise- bzw. Aufenthaltsbefugnis. Ihnen gegenüber ergehe auf der weiteren Grundlage der Verwaltungsvorschrift ‚Policy Documents 2005‘ eine Zugangsverweigerungs- oder Ausweisungsverfügung mit Haftanordnung von unbestimmter Dauer (vgl. Artikel 14 Absatz 2 Immigration Act). Anders sehe es nur - bei einem kleinen Prozentsatz - der Ausländer aus, die Asyl beantragen, bevor sie von der Ausländerbehörde wegen illegaler Einreise bzw. illegalem Aufenthalt festgenommen werden. Insoweit werde von einer Inhaftierung bis zum Vorliegen der Entscheidung über ihren Asylantrag abgesehen. Die Praxis routinemäßiger Inhaftierung treffe (zunächst) auch die Gruppe von Schutzsuchenden mit besonderem Bedürfnissen (‚Verletzliche‘) wie unbegleitete Minderjährige, Schwangere, Familien mit (minderjährigen) Kindern, Menschen mit Behinderungen etc., so lange, bis das Verfahren zur Anerkennung ihrer Verletzlichkeit abgeschlossen sei, was je nach Erkennbarkeit dieses Umstandes kürzer oder länger dauern könne. Dabei würden diejenigen Betroffenen, deren besonderer Status nicht ohne Weiteres erkennbar sei, wie unter Umständen psychisch Kranke oder ältere Minderjährige zunächst zusammen mit Flüchtlingen ohne besondere Bedürfnisse untergebracht. Das Migrationsgesetz enthalte keine Bestimmung zur maximalen Haftdauer. Sei über einen Asylantrag innerhalb eines Jahres noch nicht entschieden, erfolge die Freilassung des Antragstellers aufgrund einer Verwaltungsbestimmung, die dem Betroffenen den Zugang zum Arbeitsmarkt nach zwölf Monaten zuerkenne. Abschiebehaft sei ebenfalls auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften auf maximal 18 Monate begrenzt.
27vgl. AIDA, Asylum Information Database, "National Country Report Malta" vom Mai 2014, S. 49 f.; Gemeinsame Publikation UNHCRs und des Europäischen Parlaments "know the facts" vom 9. April 2014, S. 8; Global Detention Project "Immigration Detention in Malta" vom Januar 2014, S. 4 ff.; UNHCR "UNHCR`s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta" vom 18. September 2013; Jesuits Refugee Service Europe (JRS) "Protection Interrupted, National Report Malta" vom Juni 2013 S. 5 ff.
28Zudem deuten die dem Gericht vorliegenden Auskünfte darauf hin, dass die bestehenden gesetzlichen und administrativen Regelungen keine effektiven und zügig durchgeführten Verfahren zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit und Angemessenheit der Inhaftierung bieten. Das maltesische Recht sehe keine automatische gerichtliche Überprüfung der Haft vor. Gemäß Artikel 25A Immigration Act bestehe lediglich die Möglichkeit, Beschwerde gegen die Abschiebungsanordnung einzulegen. Eine solche ist binnen 3 Tagen seit der Ausstellung der Abschiebungsanordnung bei der Beschwerdeinstanz, bestehend aus einem Anwalt, einer in Einwanderungsfragen versierten Person und einer dritten Person, einzulegen. In der Praxis gebe es keine Frist, innerhalb derer über die Beschwerde zu entscheiden sei. Entscheidungen hätten bis zu dreieinhalb Monaten gedauert und es werde nur in Ausnahmefällen die Haftanordnung aufgehoben. Daneben bestehe gemäß Artikel 409A des maltesischen Strafgesetzbuchs (‚Criminal Code‘ von 1854, Chapter 9 of Laws of Malta) die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung vor dem Amtsgericht (‚Court of Magistrates‘) anzufechten. Aber auch dieser Rechtsbehelf sei wenig effektiv, weil das Gericht davon ausgehe, dass die Inhaftierung auf Grundlage des Immigration Act rechtmäßig sei. Nach Auffassung des Gerichts sei eine weitergehende Überprüfung hinsichtlich anderer Umstände (wie zum Beispiel die Grundrechte), die zur Rechtswidrigkeit der Inhaftierung führten, nicht vom Prüfungsumfang erfasst. Schließlich könne die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung auch im Hinblick auf Artikel 34 der maltesischen Verfassung angefochten werden. Allerdings werde die Inhaftierung für erforderlich gehalten, um die Stabilität des Landes zu gewährleisten. Gerichtsverfahren dieser Art würde Monate, wenn nicht Jahre, dauern. Hinzu komme, dass Asylsuchende von den bestehenden Rechtschutzmöglichkeiten nicht hinreichend informiert seien und kein ausreichender Zugang zu Rechtsanwälten bestünde.
29AIDA, Asylum Information Database, "National Country Report Malta" vom Mai 2014, S. 55 ff.; Global Detention Project "Immigration Detention in Malta" vom Januar 2014, S. 7; UNHCR "UNHCR`s Position on the Detention of Asylum-seekers in Malta" vom 18. September 2013; Jesuits Refugee Service Europe (JRS) "Protection Interrupted, National Report Malta" vom Juni 2013, S. 5 f.; Vgl. EGMR, Urteil vom 9. Dezember 2013 - 55352/12 -, Rn. 108 m.w.N.
30Zu der speziellen - und vorliegend allein maßgeblichen - Situation von Dublin-Rückkehreren liegen dem Gericht lediglich folgende vorläufige Erkenntnisse vor:
31Verlasse ein Asylsuchender Malta ohne eine entsprechende Genehmigung, gebe es Schwierigkeiten nach der Rücküberstellung Zugang zum Asylverfahren zu erhalten. Denn der in Malta gestellte Asylantrag gelte infolge der Ausreise als stillschweigend zurückgenommen. Zwar bestehe für Dublin-Rückkehrer die Möglichkeit, die Wiedereröffnung ihres Verfahrens zu beantragen (Folgeantrag). Während der - zum Teil mehrere Monate dauernden - Überprüfung des Folgeantrags durch die zuständige Flüchtlingskommission könnten die Antragsteller indes in ihren Heimatstaat abgeschoben werden. Hinzukomme, dass Asylbewerber, die auf irreguläre Weise Malta verlassen, Gefahr liefen, auf der Grundlage des Zuwanderungsgesetzes verhaftet und vor dem Strafgericht angeklagt zu werden. Während der Dauer des Strafverfahrens blieben die Asylbewerber in der Justizvollzugsanstalt inhaftiert.
32vgl. AIDA, Asylum Information Database, "National Country Report Malta" vom Mai 2014, S. 21 f.
33Dahingestellt bleiben kann, ob und inwieweit die strafrechtliche Inhaftierung aufgrund einer illegalen Ausreise aus Malta die Annahme von systemischen Mängeln des Asylverfahrens zu begründen vermag bzw. inwieweit Dublin-Rückkehrer stattdessen infolge der Versetzung in den Stand vor ihrer Ausreise wegen illegaler Einreise inhaftiert werden.
34Vgl. insoweit VG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Oktober 2014 - A 8 K 345/14 -, juris, Rn. 11.
35Jedenfalls bestehen hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, dass Dublin-Rückkehrer nach ihrer Ankunft in Malta grundsätzlich einem hohen Risiko längerfristiger Inhaftierung ohne hinreichende Rechtschutzmöglichkeiten und der Gefahr entgegen des Refoulement-Verbots in ihr Herkunftsland, ohne eine Entscheidung über ihren Asyl(folge)antrag, abgeschoben zu werden, ausgesetzt sind. Vorbehaltlich der Bestätigung und Konkretisierung dieser Erkenntnisse im Hauptsacheverfahren ist daher jedenfalls im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes davon auszugehen, dass eine solche Behandlung von Asylbewerbern, mit der sie der Willkür der zuständigen Behörden ausgesetzt werden und letztlich zum reinen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt werden, die für eine Verletzung von Artikel 3 EMRK bzw. Artikel 4 EU-Gr-Charta erforderliche Schwere aufweisen dürfte, sodass es jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren nicht mehr darauf ankommt, ob auch die konkreten Haftbedingungen selbst inhaftierten Asylbewerbern weiteren Leiden und Härten unterwerfen, die das mit einer Haft unvermeidbare Maß übersteigen.“
36Auf der Grundlage der vorliegenden Erkenntnismittel ist auch im Fall des Antragstellers nicht mit hinreichender Gewissheit auszuschließen, dass diesem bei einer Überstellung nach Malta als Dublin-Rückkehrer eine längere Inhaftierung droht. Die Stellungnahme der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland W. vom °. G2. 2012 stellt hierzu insoweit lediglich fest, dass Personen mit Flüchtlingsstatus oder abgelehnte Asylbewerber, die sich zuvor nach Ablauf der 18-Monats-Frist in Malta in den offenen Lagern aufgehalten hatten, nach der Überstellung nicht inhaftiert würden. Für die übrigen Fallgruppen wird dies nicht bestätigt. Zwar wird teilweise festgestellt, dass Dublin-Rückkehrer in der Regel in „Open Centres“ untergebracht würden.
37Schweizerische Flüchtlingshilfe, „Malta: Aufnahmebedingungen für Personen aus dem Asylbereich“ vom November 2011, S. 4 (gestützt auf die mündliche Auskunft eines Mitarbeiters).
38Dies gilt jedoch nicht für den Fall, dass Dublin-Rückkehrer als „prohibited immigrant“ im Sinne des Migrationsgesetzes Maltas erachtet werden, die regelmäßig inhaftiert werden.
39vgl. Jesuit Refugee Service Europe (JRS) „Protection Interrupted, National Report Malta” vom Juni 2013, S. 172 f.
40Eine Inhaftierung von Asylsuchenden erfolgt nach den vorliegenden Erkenntnismitteln auch dann, wenn diese zunächst mit einem Visum einreisen und nach Ablauf des Visums weiter dort aufhalten.
41AIDA, Asylum Information Database, „National Country Report Malta“ vom Februar 2015, S. 51.
42Mit Blick auf diese Praxis ist nicht auszuschließen, dass auch der Antragsteller, der zunächst mit einem von der Republik Malta ausgestellten und inzwischen abgelaufenen Schengen-Visum in einen Mitgliedstaat eingereist ist, bei einer Überstellung nach Malta als Asylsuchender entsprechend behandelt und inhaftiert würde.
43Darüber hinaus bestehen bei Dublin-Rückkehrern, die zunächst über ein Schengen-Visum in einen Mitgliedsstaat eingereist sind, auch wenn diese bei einer Überstellung nach Malta nicht inhaftiert werden sollten, weitere Anhaltspunkte, dass das Aufnahmeverfahren systemische Schwachstellen aufweisen könnte. Nach dem Bericht des Jesuit Refugee Service Europe (JRS) erhalten Dublin-Rückkehrer in diesem Fall keine ausreichenden Informationen über das weitere Verfahren und die erforderlichen Schritte zur Durchführung des Asylverfahrens. Vor der Einreise würden keine Vorkehrungen für die Unterbringung und finanzielle Grundversorgung getroffen. Damit stehen Dublin-Rückkehrern bei nach ihrer Überstellung zunächst weder eine Unterkunft noch finanzielle Mittel zur Verfügung.
44Jesuit Refugee Service Europe (JRS) „Protection Interrupted, National Report Malta” vom Juni 2013, S. 172.
45Vor diesem Hintergrund überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Bliebe diesem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage versagt, wäre er der Gefahr ausgesetzt, über einen längeren Zeitraum lediglich infolge seines Status als Asylsuchender inhaftiert zu werden, ohne dass ihm eine effektive Beschwerdemöglichkeit zur Verfügung stünde. Diese mögliche Beeinträchtigung des Antragstellers wiegt schwerer als der Aufschub oder auch der Ausfall der Durchsetzung einer Überstellung in den an sich zuständigen Mitgliedstaat. Die grundsätzliche Wirksamkeit und Effektivität des gemeinsamen Europäischen Asylsystems wird durch eine sich im Nachhinein als falsch herausstellende Unterbindung einer Überstellung im Einzelfall nicht in Frage gestellt, zumal die Dublin-Verordnungen ein Recht zum jederzeitigen Selbsteintritt der Mitgliedstaaten vorsehen und eine gemeinschafts-rechtliche Verpflichtung zur Überstellung nicht besteht.
46Vgl. VG Minden, Beschl. v. 12. Januar 2015, 1 L 551/14.A – juris.
47III.
48Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Absatz 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.
(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.
(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.
(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.
(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.