Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 07. Okt. 2016 - 6z L 2203/16
Gericht
Tenor
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
1
G r ü n d e:
21.
3Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den nachfolgend dargelegten Gründen von Beginn an nicht die nach § 166 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat.
42.
5Der nach § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet. Der Antragsteller hat nicht gemäß § 123 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anspruch auf Zuteilung des begehrten Studienplatzes im Studiengang Humanmedizin nach den für das Wintersemester 2016/2017 maßgeblichen Regeln und tatsächlichen Verhältnissen zusteht.
6Studienplätze im Studiengang Humanmedizin werden gemäß § 1 Satz 2 der Verordnung über die zentrale Vergabe von Studienplätzen - VergabeVO - in Verbindung mit ihrer Anlage 1 in einem zentralen Vergabeverfahren nach Maßgabe der §§ 6 ff. VergabeVO vergeben.
7Der Antragsteller konnte in der Wartezeitquote (§ 14 VergabeVO), in der allein er sich beworben hat, nicht zugelassen werden. Mit einer Wartezeit von zwölf Halbjahren erreicht er nicht die maßgebliche Auswahlgrenze in dieser Zulassungsquote. Für eine Auswahl waren zum Wintersemester 2016/2017 mindestens vierzehn Halbjahre Wartezeit erforderlich.
8Dass die Antragsgegnerin die Bewerbung des Antragstellers lediglich mit einer um sechs Halbjahre verbesserten Wartezeit und nicht – wie es der Antragsteller in der Antragsschrift fordert – mit einer um zehn Halbjahre verbesserten Wartezeit berücksichtigt hat, ist nicht zu beanstanden. Dem Antragsteller konnte insoweit ersichtlich kein über den bereits gewährten Nachteilsausgleich von sechs Halbjahren hinausgehender weiterer Nachteilsausgleich gewährt werden.
9Während die Zuerkennung der um sechs Halbjahre verbesserten Wartezeit ausweislich des Ablehnungsbescheides der Antragsgegnerin vom 00.00.0000 auf einen vorangegangenen anerkannten Antrag des Antragstellers auf Nachteilsausgleich zurückzuführen ist, hat der Antragsteller im Rahmen seiner Bewerbung zum Wintersemester 2016/2017 nämlich überhaupt keinen Antrag auf Nachteilsausgleich in Form einer (weiteren) Verbesserung der Wartezeit gestellt.
10Ungeachtet dessen konnte dem Antragsteller kein weiterer Nachteilsausgleich gewährt werden, weil die Voraussetzungen hierfür nicht dargetan sind. Gemäß § 14 Abs. 3 VergabeVO wird, wer nachweist, aus in der eigenen Person liegenden, nicht selbst zu vertretenen Gründen daran gehindert gewesen zu sein, die Hochschulzugangsberechtigung zu einem früheren Zeitpunkt zu erwerben, auf Antrag bei der Ermittlung der Wartezeit mit dem früheren Zeitpunkt berücksichtigt. Bei der Auslegung dieses Tatbestandes ist zu berücksichtigen, dass der Wartezeit im Rahmen der Studienplatzverteilung eine bedeutende Funktion zukommt. Denn sie soll einen Ausgleich zu der Abiturnote schaffen, die im Verfahren zur Vergabe von Medizinstudienplätzen eine überragende Rolle spielt.
11Vgl. Beschlüsse der Kammer vom 19. März 2013 – 6z K 4171/12 – und vom 26. April 2012 – 6z K 3656/11 –, jeweils www.nrwe.de und juris, sowie vom 22. März 2013 – 6z L 187/13 –, www.nrwe.de.
12Angesichts der erheblichen Bewerberzahlen für das Studienfach Humanmedizin und der bestehenden hohen Auswahlgrenzen ist das Instrument des Nachteilsausgleichs im Lichte des in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verankerten Gleichheitsgrundsatzes zu sehen. Vor diesem Hintergrund sind an den Nachweis eines entsprechenden Nachteils strenge Anforderungen zu stellen. Denn es gilt, das Recht auf Chancengleichheit nicht nur des Antragstellers, sondern auch der anderen Bewerber im Blick zu behalten, an denen der Antragsteller durch eine Verbesserung der Wartezeit sozusagen "vorbeiziehen" würde. Daher bedarf es einer dezidierten Darlegung und Begründung, für welches Halbjahr und weshalb eine Verbesserung in Anspruch genommen werden soll. Dabei hat der Bewerber den Sachverhalt, der den auszugleichenden Nachteil begründet, hinreichend konkret – auch in zeitlicher Hinsicht – darzulegen sowie Unterlagen, die diese Umstände belegen, vorzulegen.
13Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18. Oktober 2013 – 6z L 1210/13 –, www.nwre.de.
14An einer solchen dezidierten Darlegung und dem entsprechenden Nachweis fehlt es hier.
15Die Kammer war nicht gehalten, die erstmals im gerichtlichen Verfahren vorgebrachte Schilderung des Antragstellers zu berücksichtigen. Erst im Klage- oder Antragsverfahren eingereichte Unterlagen oder noch einzureichende Unterlagen können im gerichtlichen Verfahren nicht berücksichtigt werden. Denn die für das Auswahl- und Verteilungsverfahren maßgeblichen Daten müssen in Bezug auf das Wintersemester spätestens bis zum 15. Juni vorliegen (§ 3 Abs. 7 Satz 2 VergabeVO). Die Vorschrift statuiert eine gesetzliche Ausschlussfrist, so dass die Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin über einen Zulassungsantrag auch vom Gericht ausschließlich anhand dessen zu prüfen ist, was innerhalb der Bewerbungs- bzw. Nachfrist des § 3 Abs. 2 und 7 VergabeVO bei der Antragsgegnerin vorgelegen hat. Dem Gericht ist es mithin verwehrt, im gerichtlichen Verfahren erstmals gestellte Anträge und/oder nachgereichte Belege zu berücksichtigen.
16Vgl. VG Gelsenkirchen, Beschlüsse vom 18. Oktober 2013 – 6z L 1210/13 – und vom 30. September 2013 – 6z L 1208/13 –, beide www.nrwe.de.
17Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch ergibt sich auch nicht aus der von dem Antragsteller angedeuteten Verfassungswidrigkeit des Vergaberegimes. Zwar teilt die Kammer die Auffassung, dass das geltende System der zentralen Studienplatzvergabe zu Lasten langjährig Wartender gegen Verfassungsrecht verstößt. Sie hat diese Auffassung in ihren Vorlagebeschlüssen vom 19. März 2013 und vom 18. März 2014 ausführlich begründet.
18VG Gelsenkirchen, Vorlagebeschlüsse vom 19. März 2013 – 6 K 4171/12 –, und vom 18. März 2014 – 6z K 4229/13, 6z K 4324/13 und 6z K 4455/13 –, www.nrwe.de.
19Die Kammer hat indes bereits in den vorgenannten Beschlüssen ausgeführt, dass aus der Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Vorschriften kein unmittelbarer Zulassungsanspruch des langjährig wartenden Bewerbers resultiert, und sich damit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen angeschlossen.
20Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. November 2011 – 13 B 1212/11 u.a. –, NJW 2012, 1096 ff.; siehe auch die Beschlüsse der Kammer vom 8. Oktober 2012 – 6z L 1018/12 –, juris, vom 5. Februar 2013 – 6z L 13/13 – und vom 28. März 2013 – 6z L 303/13 –, www.nrwe.de.
21An dieser Rechtsprechung hält die Kammer fest. Für eine einstweilige Anordnung ist damit kein Raum.
22Schließlich konnte die Kammer ohne die vom Antragsteller unter dem 1. Oktober 2016 angeregte „Anhörung“ entscheiden. Die Kammer war insbesondere nicht gehalten, im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Insoweit bestimmt § 101 Abs. 3 VwGO, dass, wenn – wie hier – nichts anderes bestimmt ist, Entscheidungen des Gerichts, die keine Urteile sind, ohne mündliche Verhandlung ergehen können. Anhaltspunkte dafür, dass eine mündliche Verhandlung hätte angezeigt sein können, bestehen nicht.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
24Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes.
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(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.
(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.
(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.
(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.
(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.
(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.