Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss, 05. Juli 2016 - 6z L 1425/16
Gericht
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe
2Der nach § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht begründet. Der Antragsteller hat nicht gemäß § 123 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht, dass ihm ein Anspruch auf Zuteilung des begehrten Studienplatzes im Studiengang Humanmedizin nach den für das Sommersemester 2016 maßgeblichen Regeln und tatsächlichen Verhältnissen zusteht.
3Studienplätze im Studiengang Humanmedizin werden gemäß § 1 Satz 2 der Verordnung über die zentrale Vergabe von Studienplätzen – VergabeVO – in Verbindung mit ihrer Anlage 1 in einem zentralen Vergabeverfahren nach Maßgabe der §§ 6 ff. VergabeVO vergeben.
4In der Abiturbestenquote hat der Antragsteller sich nicht beworben. Im Übrigen hätte er in dieser Quote mit seiner – im Wege des Nachteilsausgleichs gemäß § 11 Abs. 5 VergabeVO um 0,2 verbesserten – Abiturnote (2,1) auch keinen Studienplatz erhalten können. Für eine Zulassung in der Abiturbestenquote war bei Abiturienten aus Baden-Württemberg eine Note von mindestens 1,1 erforderlich.
5Auch in der Wartezeitquote (§ 14 VergabeVO) konnte der Antragsteller nicht zugelassen werden. Mit einem Halbjahr Wartezeit erreicht er nicht die maßgebliche Auswahlgrenze in dieser Zulassungsquote. Für eine Auswahl waren zum Sommersemester 2016 mindestens vierzehn Halbjahre Wartezeit erforderlich. Dem Antragsteller konnte insoweit auch ersichtlich kein Nachteilsausgleich gewährt werden. Gemäß § 14 Abs. 3 VergabeVO wird, wer nachweist, aus in der eigenen Person liegenden, nicht selbst zu vertretenen Gründen daran gehindert gewesen zu sein, die Hochschulzugangsberechtigung zu einem früheren Zeitpunkt zu erwerben, auf Antrag bei der Ermittlung der Wartezeit mit dem früheren Zeitpunkt berücksichtigt. Dass der Antragsteller ohne seine sportliche Betätigung das Abitur zu einem früheren Zeitpunkt hätte erwerben können, ist indes weder vorgetragen, noch ersichtlich.
6Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch ergibt sich auch nicht aus der von dem Antragsteller geltend gemachten Verfassungswidrigkeit des Vergaberegimes. Zwar teilt die Kammer die Auffassung, dass das geltende System der zentralen Studienplatzvergabe zu Lasten langjährig Wartender gegen Verfassungsrecht verstößt. Sie hat diese Auffassung in ihren Vorlagebeschlüssen vom 19. März 2013 und vom 18. März 2014 ausführlich begründet.
7VG Gelsenkirchen, Vorlagebeschlüsse vom 19. März 2013 - 6 K 4171/12 -, und vom 18. März 2014 - 6z K 4229/13, 6z K 4324/13 und 6z K 4455/13 -, www.nrwe.de.
8Die Kammer hat indes bereits in den vorgenannten Beschlüssen ausgeführt, dass aus der Verfassungswidrigkeit der in Rede stehenden Vorschriften kein unmittelbarer Zulassungsanspruch des langjährig wartenden Bewerbers resultiert, und sich damit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen angeschlossen.
9Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. November 2011 - 13 B 1212/11 u.a. -, NJW 2012, 1096 ff.; siehe auch die Beschlüsse der Kammer vom 8. Oktober 2012 - 6z L 1018/12 -, juris, vom 5. Februar 2013 - 6z L 13/13 - und vom 28. März 2013 - 6z L 303/13 -, www.nrwe.de.
10An dieser Rechtsprechung hält die Kammer fest. Für eine einstweilige Anordnung ist damit kein Raum.
11Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Zulassung als Härtefall (§ 15 VergabeVO). Die Studienplätze der Härtefallquote werden an Bewerber vergeben, für die es eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde, wenn sie keine Zulassung erhielten. Eine außergewöhnliche Härte liegt gemäß § 15 Satz 2 VergabeVO vor, wenn in der eigenen Person liegende besondere soziale oder familiäre Gründe die sofortige Aufnahme des Studiums zwingend erfordern. Da die Zulassung im Härtefallwege nach dem System des § 6 VergabeVO zwangsläufig zur Zurückweisung eines anderen, noch nicht zugelassenen Erstbewerbers führt, ist eine strenge Betrachtungsweise geboten.
12Vgl. nur Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW, Beschlüsse vom 17. Mai 2010 - 13 B 504/10 -, juris, und vom 2. Juli 2012 - 13 B 656/12 -, abrufbar auf www.nrwe.de; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. August 2015 - 6z K 3872/14 -.
13Im Blick zu behalten ist überdies die Funktion der Härtefallregelung. Sie soll – wie schon der Wortlaut der Vorschrift zeigt – innerhalb des notwendigerweise schematisierten Massenverfahrens der Studienzulassung einen Ausgleich für besondere Einzelfälle schaffen, in denen die Anwendung der regulären Auswahlkriterien dem Gebot der Chancengleichheit nicht gerecht wird; nach Möglichkeit soll niemand infolge wirtschaftlicher, gesundheitlicher, familiärer oder sonstiger sozialer Benachteiligungen an der Erreichung seines Berufsziels gehindert werden. Anderen Zwecken darf die Härtefallzulassung hingegen nicht dienen.
14Vgl. nur OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Juni 2013 - 13 B 440/13 -, vom 11. Dezember 2014 - 13 B 1297/14 - und vom 18. Dezember 2014 - 13 B 1360/14 -, www.nrwe.de.
15Warum im Falle des Antragstellers nur eine sofortige Zulassung zum Medizinstudium in Betracht kommen soll, ist nicht ersichtlich. Die von ihm vorgetragenen Umstände – längere finanzielle Abhängigkeit, späteres Berufseintrittsalter etc. – gelten für jeden Studienbewerber gleichermaßen; ein Grund für die Bevorzugung gerade des Antragstellers als Härtefall ist nicht erkennbar.
16Soweit der Antragsteller sich schließlich auch im Auswahlverfahren der Hochschulen beworben hat, ist dies nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern des gegen die Hochschule gerichteten, beim Verwaltungsgericht Köln verbliebenen Verfahrens 6 L 922/16.
17Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
18Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes und entspricht der Praxis des erkennenden Gerichts in Verfahren der vorliegenden Art.
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(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.
(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen, - 2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts, - 3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung), - 4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und - 5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.
(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:
- 1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung, - 2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung, - 3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung, - 4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und - 5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.