Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 10. Feb. 2015 - 6a K 5194/14.A
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, tragen die Kläger.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die in den Jahren 1976 und 1982 geborenen Kläger zu 1. und 2. sind (miteinander verheiratete) georgische Staatsangehörige und Volkszugehörige christlich-orthodoxen Glaubens. Die in den Jahren 2007, 2009 und 2013 geborenen Kläger zu 3, 4. und 5. sind ihre gemeinsamen Kinder.
3Im Juli 2012 beantragte der Kläger zu 1. bei der deutschen Botschaft in Tiflis ein Visum für die Einreise in die Bundesrepublik. Der Antrag wurde mit Bescheid der Botschaft vom 13. Juli 2012 abgelehnt.
4Im November 2012 verließen die Kläger Georgien und begaben sich zunächst über die Türkei nach Frankreich, wo sie einen Asylantrag stellten. Am 7. Oktober 2014 reisten sie in die Bundesrepublik ein und stellten hier am 14. Oktober 2014 einen weiteren Asylantrag.
5Bei der – auf die Frage der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats beschränkten – Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 14 Oktober 2014 gaben die Kläger an, sie wollten nicht nach Frankreich überstellt werden; Gründe dafür nannten sie nicht.
6Am 27. Oktober 2014 wandte die Beklagte sich an die französischen Behörden und ersuchte um die Übernahme der Kläger auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 („Dublin III“). Mit Schreiben vom 6. November 2014 stimmte die Französische Republik der Rückübernahme zu.
7Mit Bescheid vom 10. November 2014 lehnte die Beklagte den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Frankreich an. Zur Begründung wies die Beklagte auf die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 hin, aufgrund derer Frankreich für das Asylverfahren zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die Veranlassung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts geben könnten, seien nicht erkennbar.
8Am 20. November 2014 haben die Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung sie ausführen: Sie befürchteten bei einer Rückkehr nach Frankreich Nachteile.
9Die Kläger beantragen,
10den Bescheid der Beklagten vom 10. November 2014 aufzuheben.
11Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
12die Klage abzuweisen.
13Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.
14Die Kammer hat einen Antrag der Kläger auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 16. Dezember 2014 (6a L 1815/14.A) abgelehnt.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Die zulässige Klage ist unbegründet.
18Die Entscheidung des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Das Bundesamt hat den Asylantrag der Kläger zu Recht als unzulässig abgelehnt. Die Kammer hat dazu in ihrem Beschluss vom 16. Dezember 2014 (6a L 1815/14.A) betreffend das Eilverfahren der Kläger ausgeführt:
19„Ein Asylantrag ist gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Falle ist gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG durch das Bundesamt die Abschiebung in den zuständigen Staat anzuordnen; einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht.
20Vorliegend ist nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, (sog. „Dublin III-Verordnung“) vom 26. Juni 2013 die Französische Republik der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Staat. Da die Antragsteller nach eigenen Angaben und ausweislich der EURODAC-Datenbank in Frankreich den ersten Asylantrag gestellt haben und aus Frankreich in das Bundesgebiet eingereist sind, ist gem. Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 7 Abs. 1 und Art. 13 der VO (EU) Nr. 604/2013 dieser Staat für die Prüfung des Asylantrags zuständig und hat gemäß Art. 18 der VO (EU) Nr. 604/2013 die Antragsteller wieder aufzunehmen. Diese Verpflichtung hat die Französische Republik mit Schreiben an das Bundesamt vom 6. November 2014 auch anerkannt. Die Antragsteller haben keine Gesichtspunkte vorgetragen, die diese Einschätzung in Frage stellen könnten.
21Die Antragsgegnerin ist auch nicht etwa gemäß Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 verpflichtet, den Antrag selbst zu prüfen, weil Flüchtlingen in Frankreich in verfahrens- oder materiellrechtlicher Hinsicht kein hinreichender Schutz gewährt würde oder sonstige „systemische Schwachstellen“ bei der Behandlung von Asylbewerbern bestünden.
22Allgemein zur Frage der systemischen Mängel EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 -, NVwZ 2012, 417, und BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris.
23Für entsprechende Mängel in Bezug auf die Französische Republik sieht das Gericht nach Recherche in den einschlägigen Datenbanken – trotz derzeit vorhandener Probleme, ausreichende Unterbringungskapazitäten für die massiv angestiegene Zahl an Asylbewerbern bereit zu stellen – letztlich keine hinreichenden Anhaltspunkte.
24Ebenso in jüngerer Zeit VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 10. September 2014 - 7a L 1301/14.A -, juris; VG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juli 2014 - 13 L 1502/14.A -; VG München, Gerichtsbescheid vom12. Mai 2014 - M 21 K 14.30320 -, juris.
25Eingehende und aktuelle Informationen über das französische Asylsystem und die dortigen Unterbringungs- und Versorgungsbedingungen bietet etwa der von der Organisation „Forum réfugiés-Cosi“ und dem Europäischen Flüchtlingsrat erstellte „National Country Report France“ (Stand: Mai 2014), abrufbar in der Datenbank „aida“ (www.asylumineurope.org).
26Sonstige Umstände, aufgrund derer die Antragsgegnerin zu Gunsten der Antragsteller ihr Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 der VO (EU) Nr. 604/2013 hätte ausüben müssen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.“
27An diesen Überlegungen hält die Kammer fest. Die Kläger sind ihnen auch nicht entgegen getreten. Die Kammer hat sich inzwischen in einem anderen Verfahren erneut mit der Frage von systemischen Mängeln im französischen Asylsystem – namentlich mit der Unterbringungssituation und der medizinischen Versorgung – auseinandergesetzt und im Ergebnis die Annahme systemischer Mängel verneint. Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen.
28Beschluss der Kammer vom 3. Februar 2015 - 6a L 2012/14.A -.
29Ob die französischen Behörden das geltend gemachte Verfolgungsschicksal der Kläger unzureichend gewürdigt haben, wie der Kläger zu 1. in der mündlichen Verhandlung angedeutet hat, ist für die Entscheidung nicht von Bedeutung. Denn es steht dem Gericht nicht zu, einzelne asylrechtliche Entscheidungen des für das konkrete Verfahren zuständigen Mitgliedsstaats auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
30Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.