Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 07. Nov. 2014 - 5a K 421/14.A
Gericht
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Januar 2014 wird zu Ziffer 1 sowie Ziffern 3 bis 5 aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 5. November 1995 in R. , Iran, geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischen Glaubens.
3Der Kläger reiste im März 2013 über den Iran und die Türkei zunächst nach Italien. Von dort aus reise er mit dem Zug weiter über Frankreich in die Bundesrepublik Deutschland, wo er am 13. November 2013 einen Asylantrag stellte.
4Bei der Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – Bundesamt – am 21. November 2013 gab der Kläger im Wesentlichen an, er sei etwa Mitte des Jahres 2011 im Iran während der Arbeit festgenommen worden. Die Sicherheitskräfte hätten seinen Ausweis zerschnitten und er sei nach Afghanistan abgeschoben worden. Er habe zunächst bei einer Tante in H. gelebt. Auf dem Weg zum Basar sei er wegen seiner westlichen Kleidung von Paschtunen belästigt worden. Über einen Nachbarn der Tante habe er dann Arbeit in einem Militärcamp in L. gefunden. Als die Taliban davon erfahren hätten, hätten sie den Ehemann der Tante in H. aufgesucht und verprügelt, da der Kläger nach ihrer Ansicht bei der Armee gearbeitet habe. Sie hätten gedroht, den Kläger zu töten, falls sie ihn finden würden. Er sei dann in den Iran gereist und von dort aus nach vier Monaten weiter in die Türkei und nach Europa.
5Mit Bescheid vom 14. Januar 2014 lehnte das Bundesamt den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) sowie auf Asylanerkennung (Ziffer 2) ab, stellte fest, dass der subsidiäre Schutz nicht zuerkannt werde (Ziffer 3) und dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorlägen (Ziffer 4). Zudem wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Sollte die Ausreisefrist nicht eingehalten werden, werde er nach Afghanistan abgeschoben, wobei er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden könne, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei (Ziffer 5). Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, bereits der Vortrag des Klägers hinsichtlich der Abschiebung aus dem Iran enthalte unauflösbare Widersprüche, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass auch die sonst geschilderte Bedrohung durch die Taliban nicht stattgefunden habe.
6Der Kläger hat am 29. Januar 2014 Klage erhoben.
7Er ist der Ansicht, das Bundesamt habe in unzulässiger Weise den vorgetragenen Verfolgungsgrund auf das Tragen westlicher Kleidung reduziert. Die Beklagte hätte bei ihrer Entscheidung berücksichtigen müssen, dass die Taliban ihm vorgeworfen hätte, für die Armee gearbeitet zu haben. Tatsächlich habe der Kläger etwa eineinhalb Jahre in einem Militärcamp in L. für die Firma H1. gearbeitet. Diese Tätigkeit sei der Grund für die gegen ihn gerichtete Verfolgung gewesen.
8Zur Glaubhaftmachung legt der Kläger zwei Lichtbilder vor, auf dem er während der Arbeit zu sehen ist. Auf einem weiteren Lichtbild ist der Dienstausweis des Klägers, ausgestellt von der Firma „I. B. -I1. , Design Engineering Construction“, zu erkennen. Der Ausweis enthält zudem unter anderem ein Foto sowie den Vornamen des Klägers, die Bezeichnung „Electrician“ sowie den weiteren Firmennamen „H2. Engineering Co Ltd“.
9Der Kläger beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Januar 2014 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
11hilfsweise,
12die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Januar 2014 zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz zu gewähren,
13äußerst hilfsweise,
14die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Januar 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass in der Person des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegt.
15Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf den angefochtenen Bescheid.
18Die Kammer hat durch Beschluss vom 20. August 2014 das Verfahren auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
19Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen.
20Entscheidungsgründe:
21Über die Klage entscheidet die nach § 76 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) zuständige Einzelrichterin trotz des Ausbleibens der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung, da diese in der ordnungsgemäßen Ladung darauf hingewiesen wurde, dass gemäß § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
22Das Gericht legt den Klageantrag in Anwendung des § 88 VwGO dahingehend aus, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lediglich unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Januar 2014 zu Ziffer 1 sowie Ziffern 3 bis 5 begehrt wird. Der Kläger wendet sich ersichtlich nicht gegen die Ablehnung des Antrags des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigten in Ziffer 2 des Bescheides.
23Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. Januar 2014 ist im angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
24Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention-, wenn er sich (Nr. 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 2) außerhalb des Landes befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. In den Fällen der §§ 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG ist der Flüchtlingsschutz dagegen ausgeschlossen.
25Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die (Nr. 1) auf Grund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere die Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist oder (Nr. 2) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. Nach § 3 Abs. 2 AsylVfG gelten unter anderem als Verfolgungshandlung (Nr. 1) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, (Nr. 2) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, (Nr. 3) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, (Nr. 4) die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, (Nr. 5) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die den Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 2 AsylVfG ausschließen, (Nr. 6) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
26Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3c AsylVfG (Nr. 1) von dem Staat, (Nr. 2) von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder (Nr. 3) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
27Nach § 3d Abs. 2 AsylVfG muss der Schutz vor Verfolgung wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Nach Satz 2 ist generell ein solcher Schutz gewährleistet, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Interner Schutz schließt dabei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung im vorbeschriebenen Sinne hat und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylVfG.
28Schließlich muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylVfG zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
29Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 337, S. 9-26) - sog. Qualifikationsrichtlinie - privilegiert dabei den von ihm erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab.
30Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 7. September 2010 - 10 C 11.09 -, vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, und vom 1. Juni 2011 - 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 -; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -; OVG Saarland, Urteil vom 16. September 2011 - 3 A 352/09 -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 4 LB 5/11 -.
31Im Übrigen folgt aus den in Art. 4 RL 2011/95/EG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Antragstellers, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu muss er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine Verfolgung droht.
32Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 RL 2004/83/EU: OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -.
33Ausgehend von diesen Grundsätzen steht dem Kläger im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG zu. Das Vorbringen des Klägers hinsichtlich seiner individuellen Bedrohung ist insgesamt glaubhaft. Das Gericht ist nach Durchführung der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit in einem Militärcamp in L. in das Visier der Taliban geraten ist und von diesen bedroht wurde. Der Kläger konnte glaubhaft schildern, dass er für ein Unternehmen gearbeitet hat, das in einem Militärcamp in L. Bautätigkeiten durchführte. Er war dort ein einfacher Arbeiter, der vorwiegend elektrische Arbeiten durchführte. Dass er dort arbeitete, ist den Gruppierungen der Taliban sowohl in H. , dem Wohnort seiner Tante, als auch in L. selbst bekannt geworden, was der Kläger spätestens erfahren hat, als seine Tante ihm telefonisch mitteilte, dass sein Onkel unter Druck gesetzt worden ist, um herauszufinden, wo sich der Kläger aufhält.
34Der Vortrag des Klägers wird bekräftigt durch die Vorlage eines Ausweises, das neben einem Foto des Klägers die Namen der Unternehmen „I. B. -I1. , Design Engineering Construction“ sowie „H2. Engineering Co Ltd“ aufweist. Nach den Erkenntnissen des Gerichts handelt es sich bei dem ersten Unternehmen um ein Bauunternehmen mit Sitz in den Vereinigten Staaten. Bei dem zweiten Unternehmen handelt es sich ebenfalls um ein Bauunternehmen, allerdings in afghanischer und britischer Trägerschaft. Die Abkürzung „H2. “ steht dabei für „H1. System Provider Construction“. Es erscheint damit plausibel, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf Vorhalt des Gerichts zu dem auf dem Aufweis ersichtlichen Firmennamen in Abweichung zu dem von dem Kläger vorgetragenen Firmennamen erklärte, er habe die Firma, für die er gearbeitet habe, nur unter dem Namen „H1. “ gekannt. Auch im Übrigen liegen keine Anhaltspunkte vor, die die Echtheit des Ausweises in Zweifel ziehen.
35Sofern das Bundesamt die Aussage des Klägers aufgrund teilweiser Widersprüche hinsichtlich der Schilderungen zu den Umständen, die zu der Ausweisung aus dem Iran geführt haben, insgesamt als unglaubhaft einschätzt, kann dem nicht gefolgt werden. Der Kläger vermochte in der mündlichen Verhandlung ein in sich schlüssiges Bild von den Geschehnissen nach seiner Rückkehr nach Afghanistan vermitteln, das sowohl mit den Angaben im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt übereinstimmt, als auch im Übrigen nachvollziehbar und plausibel ist. Insbesondere war der Kläger in der Lage, auch auf Detailfragen wie etwa der Unterbringung während der Arbeit in L. oder den Kontaktmöglichkeiten zu seiner Tante schlüssig zu antworten.
36Dass allein die Tätigkeit des Klägers für ein amerikanisches bzw. afghanisch/britisches Unternehmen in einem Militärcamp in L. geeignet ist, die Aufmerksamkeit der Taliban auf sich zu lenken, steht ebenfalls zur Überzeugung des Gerichts fest. Nach der Auskunftslage geht das Gericht davon aus, dass afghanische Zivilisten, die für die internationalen Streitkräfte als Fahrer, Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktionen arbeiten, bedroht und angegriffen werden. Zudem sind Afghanen, die mit dem internationalen Militär oder Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten, proklamiertes Ziel der Taliban und immer wieder Opfer von Anschlägen.
37Vgl. VG München, Urteil vom 19. März 2014 – M 16 K 13.30892 -, mit Verweis auf die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 6. August 2013 sowie den Bericht des European Asylum Support Office „Country of origin information report Afghanistan: insurgent strategies – intimidation and targeted violance against Afghans“ von Dezember 2012; zitiert nach juris.
38Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass dem Kläger aufgrund seiner Tätigkeit in L. tatsächlich noch nichts zugestoßen ist. Soweit der Kläger im Rahmen der Anhörung vorträgt, er sei in H. auf dem Weg zum Basar von den Taliban bedroht worden, ist dies nach seiner eigenen Aussage nicht auf seine Beschäftigung in L. sondern allein auf seine auffällige westliche Kleidung zurückzuführen. Allerdings konnte der Kläger glaubhaft schildern, dass die Taliban bereits seinen Onkel bedroht haben, um herauszufinden, wo sich der Kläger aufhält. Demnach haben die Taliban diesem gegenüber gedroht, man werde den Kläger finden und ihn töten. Dass der Kläger nach seiner Rückkehr aus H. noch 15 Monate in L. bis zu seiner Ausreise in den Iran gelebt hat, ohne dass ihm etwas zugestoßen ist, ist allein darauf zurückzuführen, dass sich der Kläger dauerhaft innerhalb des Militärcamps aufgehalten hat und damit vor Übergriffen sicher war.
39Die Bedrohung durch die Taliban ist auch dem afghanischen Staat zuzurechnen, da dieser Staat nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnissen selbst in Kabul, wo der afghanische Staat Gebietsgewalt hat, nicht in der Lage ist, seine Bevölkerung vor Angehörigen dieser Organisation zu schützen.
40Die dem Kläger aufgrund der dargelegten Vorverfolgung nach Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EG zugutekommende tatsächliche Vermutung für eine erneute Verfolgung im Falle der Rückkehr kann nicht widerlegt werden. Ist der Kläger in dieser Gestalt in das Visier der Taliban geraten, kommt eine Rückkehr nach Afghanistan nicht in Betracht, da auch bei einer Rückkehr des Klägers eine erneute Verfolgung in beachtlicher Weise wahrscheinlich ist. Der Umstand, dass der Kläger schon vor seiner Ausreise in das Visier der Taliban geraten ist, führt dazu, dass der Kläger bei seiner Rückkehr alsbald wiedererkannt werden würde. Das durch seine Flucht entstandene Misstrauen der Taliban dem Kläger gegenüber wird sich durch seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik weiter verfestigt haben. Das hat zur Folge, dass der Kläger aufgrund der der Taliban eigenen Brutalität bei einer Rückkehr nach Afghanistan akuter Lebensgefahr im ganzen Land ausgesetzt wäre.
41Vgl. zu einer solchen Gefährdung selbst in Kabul auch: Dr. M. Danesch, Auskunft an den Hess. Verwaltungsgerichtshof vom 3. September 2013 zum Az: 8 A 1197/12.A.
42Nach alledem ist der Klage mit dem Hauptantrag stattzugeben. Auf die Hilfsanträge kommt es nicht mehr entscheidungserheblich an.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
44Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung.
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.