Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 20. Aug. 2015 - 5a K 2487/14.A
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Tatbestand:
2Der am °°. August 19°° in I. in Afghanistan geborene Kläger ist paschtunischer Volkszugehörigkeit sunnitischen Glaubens. Der Kläger reiste am 28. April 2013 mit einem gefälschten polnischen Reisepass auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein.
3Der Kläger stellte am 30. April 2013 einen Asylantrag, den er bei seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration Flüchtlinge (Bundesamt) am 29. April 2014 wie folgt begründete: Er sei mit N. N1. verheiratet, die sich noch in Afghanistan aufhalte. In Afghanistan lebe seine Großfamilie. Zu seinem Verfolgungsschicksal befragt, erklärte der Kläger, er habe Probleme mit C. L. , einem Kommandeur der Taliban gehabt. Er sei mit dessen Bruder H. B. bekannt gewesen. Eines Abends – in den Jahren 2000/2001 – habe er diesen getroffen und mit ihm Opium geraucht. H. B. habe auch Alkohol konsumiert. Am nächsten Morgen sei er verstorben. Nunmehr bezichtige ihn C. L. , seinen Bruder umgebracht zu haben. Er sei in den Iran geflüchtet, habe sich dort jedoch auch nicht aufhalten können und sei in den Jahren 2008/2009 wieder nach Afghanistan zurückgekehrt. Er habe C. L. zum Abendessen eingeladen. Dann seien bewaffnete Kämpfer erschienen, die sein Haus angegriffen hätten. Er habe auf einem Motorrad fliehen können. Nunmehr bezichtigte ihn der Kommandeur der Taliban, er habe ihn umbringen wollen.
4Das Bundesamt lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid vom 12. Mai 2014 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und für die Gewährung subsidiären Schutzes sowie Abschiebungsverbote nicht vorlägen und forderte ihn auf, die Bundesrepublik Deutschland binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe oder im Falle der Klageerhebung 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen und drohte ihm für den Fall der Zuwiderhandlung die Abschiebung nach Afghanistan oder einen anderen zur Aufnahme bereiten Staat an. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, das Vorbringen des Klägers sei nicht glaubhaft gewesen. Er habe die Geschehnisse nach dem Tod des H. B. nicht konkret benennen können und den Eindruck erweckt, sich ein Szenario ausgedacht zu haben. Auffällig sei auch gewesen, dass sich der Kläger erst eine Woche nach dem Todesfall entschlossen haben will, in den Iran auszureisen. Bei der Beschreibung des Gespräches mit dem Taliban-Kommandeur habe sich der Kläger mehrere Male in Widersprüche verstrickt und habe seinen Sachvortrag der aktuellen Gesprächssituation angepasst.
5Gegen den Bescheid des Bundesamtes hat der Kläger am 26. Mai 2014 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Bei der Anhörung beim Bundesamt sei er nicht genau übersetzt worden. Dadurch sei der falsche Anschein erweckt worden, sein Vorbringen sei nicht durch Konkretheit, Anschaulichkeit und da Detailreichtum gekennzeichnet. Richtig sei folgender Geschehensablauf: Er sei mit H. Aga, dem Bruder eines Taliban Kommandeurs namens C. L. , befreundet gewesen. Mit diesem sei er verwandt, es handele sich um einen Cousin der Mutter, den Sohn des Onkels mütterlicherseits. H. B1. sei drogensüchtig gewesen. Sie hätten sich abends bei ihm zuhause getroffen. H. B1. habe in der Nacht in größeren Mengen Drogen zu sich genommen. Daneben habe er auch Alkohol getrunken. Im Laufe der Nacht sei ihm schlecht geworden und er habe über Halsschmerzen geklagt. Das Haus, in dem er mit dem Bruder des Kommandeurs zusammen gewesen sei, sei weit weg von der Stadt gewesen. Deshalb sei er nicht in der Lage gewesen, ihn in das Krankenhaus zu bringen. Er habe gedacht, dass sich dessen Gesundheitszustand nach Abklingen der Drogenwirkung wieder bessern könnte. Dies sei aber nicht geschehen, der Bruder des Kommandeurs sei gestorben. Danach habe er dem zuständigen Mullah für die Gegend Bescheid gegeben. Er sei in den Iran geflohen und nach einigen Jahren zurückgekehrt. Dort habe er nach der Stammessitte eine „Jirga“ einberufen. Die verfeindeten Parteien träfen sich hierzu unter Vorsitz der Dorfältesten, um Frieden zu schließen. Von einem Bekannten des Taliban-Kommandeurs sei das Treffen verraten worden. Dadurch sei es zum Überfall auf das Haus gekommen. Der Verdacht ihm gegenüber, sowohl für den Tod des Bruders verantwortlich gewesen zu sein als auch für den Überfall, sei dadurch verstärkt worden.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. Mai 2014 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
8hilfsweise,
9die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 12. Mai 2014 zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zu gewähren,
10äußerst hilfsweise,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration Flüchtlinge vom 12. Mai 2014 zu verpflichten, festzustellen, dass in seiner Person ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vorliegen.
12Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte verweist zur Begründung auf die Erwägungen in dem angefochtenen Bescheid.
15Wegen der weiteren Einzelheiten Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
17Der Einzelrichter ist gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zuständig, nachdem ihm der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 22. Juni 2015 übertragen worden ist. Dieser konnte trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung verhandeln und entscheiden, da die Beklagte bei der Ladung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO darauf hingewiesen worden war, dass im Falle des Ausbleibens eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt werden kann.
18Die zulässige Klage ist unbegründet.
19Der Bescheid des Bundesamtes vom 12. Mai 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
20Der Kläger hat im gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG.
21Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Politisch verfolgt in diesem Sinne ist derjenige, dessen Leib, Leben oder persönliche Freiheit in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, an seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen (sog. asylerhebliche Merkmale), gefährdet oder verletzt werden. Es muss sich um gezielte Rechtsverletzungen handeln, die den Einzelnen ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen. Ob eine in diesem Sinne spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmales erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der objektiv erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme zu beurteilen. Die Verfolgungsmaßnahme kann dem Einzelnen oder einer durch ein asylerhebliches Merkmal gekennzeichneten Gruppe – und dort allen Gruppenmitgliedern oder dem Einzelnen wegen seiner Gruppenzugehörigkeit – gelten.
22Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, BVerfGE 74, 51 ff., vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502, 1000, 961/86 -, BVerfGE 80, 315 (333 ff.) und 23. Januar 1991 - 2 BvR 902/85, 515 u. 1827/89 -, BVerfGE 83, 216 ff. = InfAuslR 1991, 200 ff.; Bergmann/Dienelt/Röseler, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, Art. 16a GG RdNrn. 40 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, Ausländer- und Asylrecht, 2. Aufl. 2008, RdNrn. 1625 f., 1629 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 12 ff., 52 ff.
23Politische Verfolgung im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist dabei grundsätzlich staatliche Verfolgung. Die Verfolgung muss daher von einem Träger überlegener, in der Regel hoheitlicher Macht ausgehen, der der Verletzte unterworfen ist („unmittelbare staatliche Verfolgung“). Asylrechtsrelevante Verfolgung kann allerdings auch von Vereinigungen ausgehen, die Machtbefugnisse und Einflüsse in einem Umfang ausüben, die letztendlich hoheitlicher Gewaltausübung entsprechen („quasi-staatliche“ oder „staatsähnliche“ Stellung). Darüber hinaus kommen auch Verfolgungsmaßnahmen Dritter als politische Verfolgung in Betracht, wenn sie dem jeweiligen Staat zuzurechnen sind („mittelbare staatliche Verfolgung“). Eine von nichtstaatlicher Seite, also insbesondere von Privatpersonen oder nichtstaatlichen Organisationen, ausgehende Verfolgung wird dabei dem Staat zugerechnet, wenn er die Verfolgung billigt oder fördert, ferner, wenn er nicht willens oder – trotz vorhandener Gebietsgewalt – nicht in der Lage ist, die Betroffenen gegen Übergriffe zu schützen.
24Vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. März 1995 - 9 B 747.94 -, Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 177; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 34 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1627 f.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 21 ff.
25Da das Asylgrundrecht darauf gerichtet ist, dem vor politischer Verfolgung Flüchtenden Zuflucht und Schutz zu gewähren, setzt es ferner grundsätzlich einen kausalen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht voraus („Vorverfolgung“). Nachfluchtgründe können demgemäß nur eingeschränkt Berücksichtigung finden, vgl. § 28 Abs. 1 AsylVfG.
26Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 26. November 1986 - 2 BvR 1058/85 -, a.a.O., und vom 1. Dezember 1993 - 2 BvR 1119/93 -; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 49 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1634 f.
27Selbst bei Vorliegen sämtlicher der vorgenannten Voraussetzungen ist der Anspruch auf Schutzgewährung nach Art. 16a Abs. 1 GG allerdings ausgeschlossen, wenn dem Asylbewerber eine zumutbare inländische Fluchtalternative zur Verfügung steht. Zumutbar ist eine Fluchtalternative, wenn der Asylsuchende an dem betreffenden Ort verfolgungssicher ist und ihm dort auch ansonsten keine Gefahren drohen. Insbesondere muss dort sein wirtschaftliches Existenzminium gewährleistet sein. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten hat als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums.
28Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2002 - 1 B 128.02, 1 PKH 24.02 -, InfAuslR 2002, 455 f.; Bergmann/Dienelt/Röseler, a.a.O., Art. 16a GG RdNrn. 66 ff.; Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1641 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 60 ff.
29Die vom Gericht anzustellenden Prognoseerwägungen haben sich dabei an folgenden Maßstäben zu orientieren: Hat der Asylsuchende das Schicksal politischer Verfolgung schon einmal erlitten, besteht Anspruch auf Asyl bereits dann, wenn an seiner Sicherheit vor erneut einsetzender Verfolgung bei einer Rückkehr in den Heimatstaat ernstliche Zweifel bestehen, d. h. die Möglichkeit abermals einsetzender Verfolgung nicht ganz entfernt erscheint („herabgestufter Prognosemaßstab“). Ist der Asylbewerber hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Anerkennung nur, wenn ihm auf Grund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht („gewöhnlicher Prognosemaßstab“). Dazu reicht es nicht aus, wenn eine Verfolgung nur im Bereich des Möglichen liegt; vielmehr müssen bei zusammenfassender Bewertung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts die für eine landesweite politische Verfolgung bei Rückkehr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht als die dagegen sprechenden Tatsachen besitzen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände die Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dabei ist die Schwere des befürchteten Eingriffs in die Betrachtung einzubeziehen.
30Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 1. Juli 1987 - 2 BvR 467, 992/86 -, BVerfGE 76, 143, 167, und vom 10. Juli 1989 - 2 BvR 502/87 u. a. -, BVerfGE 80, 315, 333 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1990 - 9 C 60.89 -, BVerwGE 87, 52 (53); Huber/Göbel-Zimmermann, a.a.O., RdNrn. 1636 ff.; Marx, a.a.O., § 1 RdNrn. 67 ff.
31Die asylbegründenden Tatsachen müssen zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden. Für den Nachweis des individuellen Schicksals in der Heimat, aus dem der Asylbewerber seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet, genügt wegen der häufig bestehenden sachtypischen Beweisschwierigkeiten in der Regel eine Glaubhaftmachung. Dazu reicht auch in tatsächlich zweifelhaften Fällen ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit aus, der Zweifeln schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind. Insoweit kommt naturgemäß dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers besondere Bedeutung zu. Der Asylbewerber ist gehalten, seine Gründe für das Vorliegen einer politischen Verfolgung schlüssig mit genauen Einzelheiten vorzutragen. Hierzu gehört, dass der Asylbewerber zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine substantiierte, im Wesentlichen widerspruchsfreie und nicht wechselnde Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch zu tragen.
32Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. März 1983, - 9 C 68.81 -, Buchholz 402.24 § 28 AuslG, Nr. 44, vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, InfAuslR 1985, 244 (245 f.), und vom 12. November 1985 - 9 C 27.85 -, InfAuslR 1986, 79, sowie Beschlüsse vom 21. Juli 1989 - 9 B 239.89 -, NVwZ 1990, 171, und vom 26. Oktober 1989 - 9 B 405.89 -, NVwZ-RR 1990, 379 (380).
33Gemessen an diesen Vorgaben hat der Kläger im vorliegenden Fall keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Der Einzelrichter folgt insoweit den Feststellungen und der überzeugenden Begründung in dem angefochtenen Bescheid vom 12. Mai 2014 und sieht gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
34Ergänzend ist auszuführen: Der Eindruck, dass das Vorbringen des Klägers nicht glaubhaft ist, hat sich in der mündlichen Verhandlung erhärtet. Sein Vortrag war widersprüchlich. Zunächst erklärte er, am Tag des Angriffs habe der Ältestenrat sich gerade versammelt und begonnen, klarzustellen, dass er nicht Schuld an dem tödlichen Vorfall – dem Tod des H. B. – gewesen sei. Später hat der Kläger behauptet, sich gar nicht im selben Zimmer wie der Ältestenrat aufgehalten zu haben, sondern in dem Zimmer, in dem auch die Frauen gewesen seien. Wie der Kläger erfahren haben will, was der Ältestenrat genau gesagt hat, obwohl er sich nicht mit ihm im Raum befunden hatte, konnte er jedoch auch auf mehrfachen Vorhalt nicht erklären.
35Hinzu kommt, dass an der inneren Logik des Geschehens erhebliche Zweifel angebracht sind. Der Kläger schildert, sich mit knapper Not dem Angriff habe entziehen zu können. Jeder habe versucht, sein Leben vor den wild um sich schießenden Angreifern zu retten. Die Personen im Hause hätten zurück geschossen. Er sei mit einem Motorrad geflüchtet. Unverständlich ist, warum der Taliban-Kommandeur ihn der Urheberschaft des Angriffs bezichtigen sollte, wo er sich doch ebenfalls vor Ort aufgehalten haben will und sich damit einem erheblichen Risiko ausgesetzt hätte, selbst verletzt oder gar getötet zu werden.
36Außerdem war der Vortrag des Klägers insbesondere zum Kerngeschehen, dem Angriff auf das Haus, detailarm und oberflächlich. Der Kläger musste mehrfach angehalten werden, konkret Erlebtes zu schildern. Das Geschilderte blieb trotzdem äußerst vage. Dass der Kläger keine konkreteren Erinnerungen an ein filmreifes Ereignis wie den bewaffneten Angriff auf sein eigenes Haus hat, ist – ungeachtet des Umstandes, dass sich das Geschehen vor mehreren Jahren ereignet haben soll – nicht plausibel und macht ihn unglaubwürdig.
37Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
38Nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - Genfer Flüchtlingskonvention -, wenn er sich (Nr. 1) aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 2) außerhalb des Landes befindet, (a) dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder (b) in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. In den Fällen der §§ 3 Abs. 2 bis 4 AsylVfG ist der Flüchtlingsschutz dagegen ausgeschlossen.
39Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG gelten gemäß § 3a Abs. 1 AsylVfG Handlungen, die (Nr. 1) auf Grund ihrer Art und Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere die Rechte, von denen nach Artikel 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist oder (Nr. 2) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist. Nach § 3 Abs. 2 AsylVfG gelten unter anderem als Verfolgungshandlung (Nr. 1) die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, (Nr. 2) gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, (Nr. 3) unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, (Nr. 4) die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, (Nr. 5) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die den Flüchtlingsschutz nach § 3 Abs. 2 AsylVfG ausschließen, (Nr. 6) Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.
40Ausgehen kann die Verfolgung gemäß § 3c AsylVfG (Nr. 1) von dem Staat, (Nr. 2) von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen oder (Nr. 3) von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
41Nach § 3d Abs. 2 AsylVfG muss der Schutz vor Verfolgung wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Nach Satz 2 ist generell ein solcher Schutz gewährleistet, wenn der Staat oder die Parteien bzw. Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat. Interner Schutz schließt dabei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus, und zwar dann, wenn der Ausländer in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung im vorbeschriebenen Sinne hat und der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt, § 3e Abs. 1 AsylVfG.
42Schließlich muss gemäß § 3a Abs. 3 AsylVfG zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
43Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 337, S. 9-26) - sog. Qualifikationsrichtlinie - privilegiert dabei den von ihm erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab.
44Vgl. zur wortgleichen Vorgängerregelung in Art. 4 Abs. 4 RL 2004/83/EG: BVerwG, Urteile vom 7. September 2010 - 10 C 11.09 -, vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, und vom 1. Juni 2011 - 10 C 10.10 u. 10 C 25.10 -; OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -; OVG Thüringen, Urteil vom 28. November 2013 – 2 KO 185/09 -; OVG Saarland, Urteil vom 16. September 2011 - 3 A 352/09 -; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 6. Oktober 2011 - 4 LB 5/11 -, jeweils zitiert nach juris.
45Im Übrigen folgt aus den in Art. 4 RL 2011/95/EG geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Klägers, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Flucht vor Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu muss er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung eine Verfolgung droht.
46Vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 4 RL 2004/83/EU: OVG NRW, Urteil vom 17. August 2010 - 8 A 4063/06.A -, zitiert nach juris.
47Ausgehend von diesen Grundsätzen steht dem Kläger aufgrund seines unglaubhaften Vorbringens zu seinem Verfolgungsschicksal kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.
48Ein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch Abschiebungsverbote können nicht festgestellt werden. Dies gilt insbesondere für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Insoweit muss es sich um Gefahren handeln, die den einzelnen Ausländer in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen. Erfasst werden auch dabei nur zielstaatsbezogene Gefahren.
49Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, „allgemein“ ausgesetzt ist, sind demgegenüber nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG bei Abschiebestopp-Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Insoweit entfaltet § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG grundsätzlich eine gewisse Sperrwirkung. Das Gleiche gilt in den Fällen, in denen aufgrund einer ausländerrechtlichen Erlasslage außerhalb des Anwendungsbereichs von § 60a AufenthG oder aufgrund einer aus individuellen Gründen erteilten Duldung für den Ausländer ein gleichwertiger Schutz vor Abschiebung – wie z.B. in den Fällen des § 58 Abs. 1a) AufenthG – tatsächlich besteht.
50Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 – 10 C 13.12 –, bverwg.de, Rn 15 ff. m.w.N.
51Diese Sperrwirkung greift aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise nicht, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde.
52Vgl. BVerwG, Urteile vom 12. Juli 2001 – 1 C 2.01 -, BVerwGE 114, 379, vom 29. Juni 2010 – 10 C 10.09 -, NVwZ 2011, 48, und vom 29. September 2011 – 10 C 24.10 -, NVwZ 2012, 451.
53Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung.
54Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 4. Januar 2013 – 13 A 2635/12.A – und – 13 A 2673/12.A – sowie vom 13. Februar 2013 – 13 A 1524/12.A -.
55Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen.
56Vgl. BayVGH, Urteile vom 8. November 2012 – 13a B 11.30465 – und– 13a B 11.30391 -.
57Angesichts dessen geht das Gericht auf der Grundlage der Erkenntnisquellen, die ihr zur Verfügung stehen, davon aus, dass trotz der nach wie vor teilweise äußerst schlechten allgemeinen Versorgungslage jedenfalls in Kabul nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass jeder Rückkehrer aus Europa den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung nach Kabul erleiden müsste. Dies entspricht auch der obergerichtlichen Rechtsprechung.
58Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 21. März 2012 – 8 A 11048/10 – und – 8 A 11050/10 -; BayVGH, Urteil vom 3. Februar 2011 – 13a B 10.30394 -; OVG NRW, Urteil vom 19. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A – und Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 20 A 964/10.A -; OVG Schleswig, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 23/08 -; dem hat sich auch der VGH Baden-Württemberg unter Aufgabe der Senatsrechtsprechung in den Urteilen vom 14. Mai 2009 – A 11 S 610/08 – und 9. Juni 2009 – A 11 S 477/09 – (beide aufgehoben und zurückverwiesen durch BverwG, Urteile vom 8. September 2011 – 10 C 16.10 – und – 10 C 14.10 -) angeschlossen, vgl. Urteile vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 – sowie vom 27. April 2012 – A 11 S 3079/11 – und – A 11 S 3392/11 -.
59Zwar herrscht nach den vorliegenden Erkenntnisquellen in Kabul ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum und ein Zugang zu sauberem Wasser sowie bezahlbarem Strom ist nicht überall gewährleistet. Infolgedessen sehen sich zahllose Menschen gezwungen, in prekären Unterkünften wie Lehmhütten, Zelten oder alten beschädigten Gebäuden zu hausen. Bei alledem ist die Kriminalität und Gefahr, Opfer von Überfällen zu werden, hoch. Soziale Sicherungssysteme bestehen nicht und die allgemeine medizinische Versorgung ist schlecht. Andererseits hat sich in vielen Stadtteilen Kabuls, zumal im Stadtzentrum, die Lage seit 2009 – etwa mit Blick auf die Stromversorgung, die Eröffnung von Geschäften und die Etablierung einer Müllabfuhr und eines Mindestmaßes an Ordnung überhaupt – durchaus verbessert.
60Vgl. etwa Yoshimura, Sicherheitslage in Afghanistan und humanitäre Lage in Kabul, ASYLMAGAZIN 12/2011, S. 406, 408 ff., mit weiteren Nachw.; s. auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 -, mit Hinweis auf u. a. auf Kermani, Die Zeit vom 5. Januar 2012, 11 ff.; siehe auch Danesch, Auskunft an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof v. 3. September 2013.
61Erkenntnisquellen, die in signifikanter Weise den Hungertod von Rückkehrern in Kabul dokumentieren, liegen allerdings nicht vor.
62Ebenso UNHCR, Gutachten an OVG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011, S. 10 f.
63Auch der Bericht von amnesty international zur Lage der Binnenflüchtlinge aus Februar 2012,
64„Die Flucht vor dem Krieg führt ins Elend – Die Not der Binnenflüchtlinge in Afghanistan“, zit. nach ACCORD, Anfragebeantwortung vom 1. Juni 2012 zur Situation von Minderjährigen ohne familiäre Anknüpfungspunkte bei Rückkehr,
65enthält keine Hinweise darauf, dass praktisch jeder mittellose Rückkehrer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod durch Verhungern oder Erfrieren mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeliefert werden würde. Zwar sind gemäß der Einschätzung von amnesty international die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern von Kabul aufgrund des Mangels an Wohnungen, Lebensmitteln und Heizmaterial für Familien im Allgemeinen und kleine Kinder im Besonderen humanitär kritisch. Reguläre Arbeitsangebote für die Menschen in diesen Slums seien rar, viele Männer und Jungen könnten aber als Lastenträger arbeiten und damit 600 bis 750 Afghanis (13 bis 16 US-Dollar) pro Woche verdienen.
66Vgl. hierzu auch BayVGH, Beschluss vom 26. Oktober 2012 – 13a ZB 12.30108 -.
67Bei alledem ist und bleibt das ökonomische Überleben in Afghanistan auch und gerade von der familiären Unterstützung abhängig. Die Rückkehrsituation, die ein Rückkehrer in Kabul vorfindet, wird daher auch davon mitbestimmt, ob er sich auf familiäre oder sonstige verwandtschaftliche Strukturen verlassen kann, oder ob er auf sich allein gestellt ist. Je stärker noch die soziale Verwurzelung des Rückkehrers oder je besser seine Vertrautheit mit den Lebensverhältnissen ist, desto leichter und besser kann er sich in die jetzige Situation in Afghanistan wieder eingliedern und dort jedenfalls ein Überleben sichern.
68Vgl. VG Augsburg, Urteil vom 23. Januar 2013 – Au 6 K 12.30234 -; ebenso VG Würzburg, Urteil vom 26. September 2012 – W 2 K 11.30396 -.
69Unter Berücksichtigung all dessen ergibt eine Gesamtschau der aktuellen Auskünfte, dass vor allem für alleinstehende, aus dem europäischen Ausland zurückkehrende und arbeitsfähige Männer aus der Bevölkerungsmehrheit ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen in Kabul die Möglichkeit besteht, als Tagelöhner zumindest ein kümmerliches Einkommen am Rande des Existenzminimums zu sichern.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 – 10 C 15.12 – www.bverwg.de; BayVGH, Urteile vom 8. November 2012 – 13a B 11.30391 – und – 13a B 11.30465 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. März 2012 – 8 A 11050/10 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. März 2012 – A 11 S 3177/11 -; OVG NRW, Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 20 A 964/10.A -; OVG Schleswig, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 23/08 -.
71Ausgehend von diesen Grundsätzen ist im Einzelfall ein Abschiebungshindernis abzulehnen. Der Kläger gehört zu der Gruppe gesunder, alleinstehender, arbeitsfähiger junger Männer, die in Kabul ihren Lebensunterhalt sichern können. Die Ehefrau des Klägers und seine Familie in Afghanistan halten sich in Afghanistan auf und können ihn nach der Rückkehr unterstützen. Der Kläger hat seinen Lebensunterhalt in einem eigenen Schneidergeschäft erwirtschaftet und vorgetragen, von den Einnahmen habe leben zu können. Außerdem hat der Kläger allein für den Erwerb eines gefälschten polnischen Reisepasses in Griechenland 1.000 € aufgewendet. Nach alledem wird der Kläger in der Lage sein, das Existenzminimum in Kabul zu sichern.
72Vor diesem Hintergrund begegnen auch die Ausreiseaufforderung – Ziffer 4. – und die Abschiebungsandrohung nach Afghanistan unter Ziffer 5. des Bescheides keinen rechtlichen Bedenken.
73Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 20. Aug. 2015 - 5a K 2487/14.A
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Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 20. Aug. 2015 - 5a K 2487/14.A zitiert oder wird zitiert von 10 Urteil(en).
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn
- 1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.
(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.
(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.
(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 19.4.2007 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich des Irak vorliegt,
hilfsweise,
festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinsichtlich des Irak vorliegen.
die Klage abzuweisen.
„Zusammenfassend führten starke Ängste, Schwindel und Panikattacken mit sich aufdrängenden Suizidphantasien zur stationären Aufnahme. Im medizinischen Diagnosemodell wäre eine schwere depressive Episode (ICD-10: F32.2) bei V.a. posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F42.1) zu beschreiben. Auf psychosozialer Ebene schien vor allem die schwierige Lebenssituation und die ständig im Hintergrund drohende Abschiebung in den Irak zu der aktuellen Symptomatik geführt zu haben.“
unter Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. März 2008 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 645/07 - die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. April 2007 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,
hilfsweise,
festzustellen, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorliegen,
weiter hilfsweise,
festzustellen, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf den Irak vorliegen.
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186 ff.; zur Vorgängerregelung des § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 18.2.1992 - 9 C 59.91 -, DÖV 1992, 582 f., zur Deckungsgleichheit von Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention: BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a. -, NVwZ 1994, 500 ff.
hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.; BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 ff.; siehe in diesem Zusammenhang auch Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL -).
vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315
vgl. BVerwG, Urteile vom 1.6.2011 - 10 C 10.10 und 10 C 25.10, vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, siehe auch EuGH, Urteil vom 2.3.2010, Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a., OVG Münster, Urteil vom 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A -, jeweils zitiert nach juris.
vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 - m.w.N., zitiert nach juris.
vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 - m.w.N., zitiert nach juris.
vgl. BVerwG, Entscheidungen vom 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, vom 16.4.1985 - 9 C 109.84 - und vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, jeweils zitiert nach juris.
vgl. hierzu Urteil des Senats vom 1.6.2011 – 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris.
hierzu etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe - SFH - vom 27.1.2006, Zur Gefährdung von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei; Deutsches Orient-Institut - DOI - an VG München vom 1.9.2006 (2112 al/br.) zu Az. M 9 K 05.50273; EZKS, Stellungnahmen an VG Köln vom 17.12.2004 im Falle des Sohnes eines Einsatzleiters einer Sonderstreife in Mossul, der mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet hatte, sowie Urteil des Senats vom 1.6.2011 – 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris.
vgl. hierzu bereits Urteile des Senats vom 29.9.2006 - 3 R 6/06 -und vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 - dokumentiert bei juris, letzteres betreffend einen sunnitischen Kurden aus Mossul.
hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216 ff.
hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 -, vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 - und vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, jeweils zitiert nach juris,
hierzu etwa BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 - und vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, jeweils zitiert nach juris.
hierzu etwa BVerwG, Entscheidungen vom 21.2.2009, a.a.O. und vom 23.12.2002 - 1 B 42.02 -, zu syrisch-orthodoxen Christen in Tur Abdin, zitiert nach juris.
BVerwG, Urteil vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, zitiert nach juris.
– 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris
vgl. Urteil des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris.
hierzu etwa BAMF, Dokumentation Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010; BAMF, Briefing Notes vom 27.12.2010; Schweizerischen Flüchtlingshilfe (im Folgenden SFH) Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak - Update vom 5.11.2009 -; UNHCR, Positionspapier zum Schutzbedarf irakischer Asylbewerber und zu den Möglichkeiten der Rückkehr irakischer Staatsangehöriger in Sicherheit und Würde vom 13.5.2009 und Stellungnahme vom 16.9.2009 an den Hessischen VGH; ai-Report 2010, Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; EZKS, Stellungnahme an VG München vom 20.1.2009 zu Az. M 4 K 08.50041 u.a..
- 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris,
vom 28.11.2010 vom 11.4.2010,
hierzu etwa BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010; Bundesasylamt (Österreich), Bericht Irak, Die Sicherheitslage in Bagdad vom 26.1.2011
- 3 A 429/08 - und - 3 A 451/08 - , dokumentiert bei juris
vgl. BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010.
vgl. hierzu BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte von Juni 2011.
hierzu BAMF, Briefing Notes vom 7.3.2011, FR und taz vom 21.1.2011, FAZ vom 21. und 25.1.2011, NZZ vom 28.1.2011 und FR vom 14.2.2011, SZ vom 14.2.2011; zu den bisherigen Gesamtopferzahlen ferner BAMF, Briefing Notes vom 17.1.2011, vom 14.3.2011, vom 4.4.2011, vom 11.4.2011, NZZ vom 12.4.2011, FAZ vom 13.4.2011, NZZ vom 18. und 19.4.2011, FAZ vom 30.4. und 6.5.2011.
hierzu BAMF, Briefing Notes vom 4.7.2011.
vgl. hierzu BAMF, Briefing Notes vom 11.7.2011.
vgl. Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010
- H. Siamend - vom 22.3.2007 an VG Magdeburg zu Az. 4 A 190/04 MD und vom 24.11.2007 an VG Karlsruhe zu Az. A 3 K 10823/05
vgl. etwa OVG Münster, Urteil vom 29.10.2009, a.a.O., VGH Mannheim, Urteil vom 25.3.2010 - A 2 S 364/09 - und Beschluss vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10; VGH München, Beschlüsse vom 14.7.2011 - 20 B 10.30316 - und vom 5.7.2011 - 20 B 10.30312 -, jeweils im Falle eines sunnitischen Kurden aus der Region Tamim/Kirkuk sowie Urteil vom 21.1.2010 - 13a B 08.30285 - im Falle eines kurdischen Volkszugehörigen sunnitischer Religionszugehörigkeit aus Mossul, jeweils zitiert nach juris.
II.
zur Prüfungsfolge von unionsrechtlichem und nationalem Abschiebungsschutz etwa BVerwG, Urteil vom 29.6.2010 - 10 C 10.09 -, zitiert nach juris.
vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198 und vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 -, juris,
vom 17.2.2009 - C-465/07 -, EuGRZ 2009, 111
vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O..
vgl. EuGH, Urteil vom 17.2.2009, a.a.O..
ebenso offen gelassen zum Vorliegen eines landesweiten Konflikts im Irak etwa: VGH München, Urteil vom 24.3.2011 - 20 B 10.30021 -, OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A - und VGH Mannheim, Urteil vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10 - und auch OVG Lüneburg, Urteil vom 13.4.2011 - 13 LB 66/07 – sowie Urteil des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris.
vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O.; OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010, a.a.O..
- 3 A 429/08 - und 3 A 451/08 - , jeweils dokumentiert bei juris
vgl. Lageberichte vom 28.11.2010 und vom 11.4.2010
vgl. BAMF, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, von Juni 2011 und von Januar 2010
zur Verfolgungs- und Gefährdungssituation i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vgl. etwa etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 13.4.2011 - 13 LB 66/07 - im Falle eines aus der Provinz Dohuk stammenden Kurden; VGH Mannheim, Urteil vom 25.3.2010 - A 2 S 364/09 - (implizit) im Falle eines Kurden aus Kirkuk.
III.
hierzu Huber, AufenthG, § 60 Rdnr. 105 m.w.N..
vgl. etwa OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.1.2006 - 1 LB 22/05 -, zitiert nach juris,
hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - u.a.; vom 23.8.2006 - 1 B 60.06 -, Urteil vom 8.112.1998 - 9 C 4.98 - u.a., sowie grundlegend bereits BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 zu der nahezu wortgleichen Bestimmung des § 53 Abs. 6 AuslG, zitiert nach juris.
vgl. auch hier BVerwG, Entscheidungen vom 29.6.2010 - 10 C 9.09 und 10 C 10.09 - und vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 -, zitiert nach juris.
- 3 A 429/08 – und – 3 A 451/08 -, dokumentiert bei juris,
vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak vom 5.11.2009, UNHCR an Hess.VGH vom 16.9.2009
vgl. zu letzterem UNHCR: Iraq Refuges Returns fell from in 2010 vom 28.1.2011; siehe in diesem Zusammenhang auch Urteile des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 und 3 A 451/08 -.
vgl. etwa Entscheidungen vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 -, vom 29.7.1999 - 9 C 2.99 - und vom 25.11.1997 - 9 C 58/96 - und vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, jeweils zitiert nach juris
vgl. hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 23.7.2007 - 10 B 85/07 -, vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 - und vom 18.7.2006 - 1 C 16.05 -, jeweils zitiert nach juris.
Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 16.05 -, a.a.O.
vgl. Beschlüsse vom 29.4.2005 - BVerwG 1 B 119.04 - und Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, jeweils zitiert nach juris,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.2.1995 - BVerwG 1 B 205.93 -.
vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, Beschluss vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 -, jeweils zitiert nach juris..
vgl. hierzu etwa Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010: Die Behandlung von PTSD in Erbil vom 10.3.2010, ferner Bericht vom 10.7.2007: Die sozioökonomische Situation in den von der KRG verwalteten Provinzen; GIGA an VG Düsseldorf vom 10.5.2007 zu Az.: 16 K 5213/06.A -; DOI an VG Saarlouis vom 6.3.2006 zu Az.: 2 K 1/06.A; EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006 zu Az.: AN 9 K 04.32341 -,
hierzu insbesondere SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010 unter Berufung auf einen Bericht der WHO
hierzu etwa EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006 zu Az.: AN 9 K 04.32341 u.a., Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010.
vgl. etwa Botschaft BRD an VG Ansbach vom 20.5.2010 zu Az.: AN 9 K 09.30128
Auskunft des (Vertrauensarztes des) Generalkonsulats Erbil vom 29.4.2010 an VG Bayreuth zu Az.: B 3 K 30045
vgl. EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006, a.a.O.
Gründe
I.
hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186 ff.; zur Vorgängerregelung des § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 18.2.1992 - 9 C 59.91 -, DÖV 1992, 582 f., zur Deckungsgleichheit von Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention: BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a. -, NVwZ 1994, 500 ff.
hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.; BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 ff.; siehe in diesem Zusammenhang auch Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL -).
vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315
vgl. BVerwG, Urteile vom 1.6.2011 - 10 C 10.10 und 10 C 25.10, vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, siehe auch EuGH, Urteil vom 2.3.2010, Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a., OVG Münster, Urteil vom 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A -, jeweils zitiert nach juris.
vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 - m.w.N., zitiert nach juris.
vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 - m.w.N., zitiert nach juris.
vgl. BVerwG, Entscheidungen vom 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, vom 16.4.1985 - 9 C 109.84 - und vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, jeweils zitiert nach juris.
vgl. hierzu Urteil des Senats vom 1.6.2011 – 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris.
hierzu etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe - SFH - vom 27.1.2006, Zur Gefährdung von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei; Deutsches Orient-Institut - DOI - an VG München vom 1.9.2006 (2112 al/br.) zu Az. M 9 K 05.50273; EZKS, Stellungnahmen an VG Köln vom 17.12.2004 im Falle des Sohnes eines Einsatzleiters einer Sonderstreife in Mossul, der mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet hatte, sowie Urteil des Senats vom 1.6.2011 – 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris.
vgl. hierzu bereits Urteile des Senats vom 29.9.2006 - 3 R 6/06 -und vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 - dokumentiert bei juris, letzteres betreffend einen sunnitischen Kurden aus Mossul.
hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216 ff.
hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 -, vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 - und vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, jeweils zitiert nach juris,
hierzu etwa BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 - und vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, jeweils zitiert nach juris.
hierzu etwa BVerwG, Entscheidungen vom 21.2.2009, a.a.O. und vom 23.12.2002 - 1 B 42.02 -, zu syrisch-orthodoxen Christen in Tur Abdin, zitiert nach juris.
BVerwG, Urteil vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, zitiert nach juris.
– 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris
vgl. Urteil des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris.
hierzu etwa BAMF, Dokumentation Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010; BAMF, Briefing Notes vom 27.12.2010; Schweizerischen Flüchtlingshilfe (im Folgenden SFH) Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak - Update vom 5.11.2009 -; UNHCR, Positionspapier zum Schutzbedarf irakischer Asylbewerber und zu den Möglichkeiten der Rückkehr irakischer Staatsangehöriger in Sicherheit und Würde vom 13.5.2009 und Stellungnahme vom 16.9.2009 an den Hessischen VGH; ai-Report 2010, Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; EZKS, Stellungnahme an VG München vom 20.1.2009 zu Az. M 4 K 08.50041 u.a..
- 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris,
vom 28.11.2010 vom 11.4.2010,
hierzu etwa BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010; Bundesasylamt (Österreich), Bericht Irak, Die Sicherheitslage in Bagdad vom 26.1.2011
- 3 A 429/08 - und - 3 A 451/08 - , dokumentiert bei juris
vgl. BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010.
vgl. hierzu BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte von Juni 2011.
hierzu BAMF, Briefing Notes vom 7.3.2011, FR und taz vom 21.1.2011, FAZ vom 21. und 25.1.2011, NZZ vom 28.1.2011 und FR vom 14.2.2011, SZ vom 14.2.2011; zu den bisherigen Gesamtopferzahlen ferner BAMF, Briefing Notes vom 17.1.2011, vom 14.3.2011, vom 4.4.2011, vom 11.4.2011, NZZ vom 12.4.2011, FAZ vom 13.4.2011, NZZ vom 18. und 19.4.2011, FAZ vom 30.4. und 6.5.2011.
hierzu BAMF, Briefing Notes vom 4.7.2011.
vgl. hierzu BAMF, Briefing Notes vom 11.7.2011.
vgl. Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010
- H. Siamend - vom 22.3.2007 an VG Magdeburg zu Az. 4 A 190/04 MD und vom 24.11.2007 an VG Karlsruhe zu Az. A 3 K 10823/05
vgl. etwa OVG Münster, Urteil vom 29.10.2009, a.a.O., VGH Mannheim, Urteil vom 25.3.2010 - A 2 S 364/09 - und Beschluss vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10; VGH München, Beschlüsse vom 14.7.2011 - 20 B 10.30316 - und vom 5.7.2011 - 20 B 10.30312 -, jeweils im Falle eines sunnitischen Kurden aus der Region Tamim/Kirkuk sowie Urteil vom 21.1.2010 - 13a B 08.30285 - im Falle eines kurdischen Volkszugehörigen sunnitischer Religionszugehörigkeit aus Mossul, jeweils zitiert nach juris.
II.
zur Prüfungsfolge von unionsrechtlichem und nationalem Abschiebungsschutz etwa BVerwG, Urteil vom 29.6.2010 - 10 C 10.09 -, zitiert nach juris.
vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198 und vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 -, juris,
vom 17.2.2009 - C-465/07 -, EuGRZ 2009, 111
vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O..
vgl. EuGH, Urteil vom 17.2.2009, a.a.O..
ebenso offen gelassen zum Vorliegen eines landesweiten Konflikts im Irak etwa: VGH München, Urteil vom 24.3.2011 - 20 B 10.30021 -, OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A - und VGH Mannheim, Urteil vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10 - und auch OVG Lüneburg, Urteil vom 13.4.2011 - 13 LB 66/07 – sowie Urteil des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris.
vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O.; OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010, a.a.O..
- 3 A 429/08 - und 3 A 451/08 - , jeweils dokumentiert bei juris
vgl. Lageberichte vom 28.11.2010 und vom 11.4.2010
vgl. BAMF, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, von Juni 2011 und von Januar 2010
zur Verfolgungs- und Gefährdungssituation i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vgl. etwa etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 13.4.2011 - 13 LB 66/07 - im Falle eines aus der Provinz Dohuk stammenden Kurden; VGH Mannheim, Urteil vom 25.3.2010 - A 2 S 364/09 - (implizit) im Falle eines Kurden aus Kirkuk.
III.
hierzu Huber, AufenthG, § 60 Rdnr. 105 m.w.N..
vgl. etwa OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.1.2006 - 1 LB 22/05 -, zitiert nach juris,
hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - u.a.; vom 23.8.2006 - 1 B 60.06 -, Urteil vom 8.112.1998 - 9 C 4.98 - u.a., sowie grundlegend bereits BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 zu der nahezu wortgleichen Bestimmung des § 53 Abs. 6 AuslG, zitiert nach juris.
vgl. auch hier BVerwG, Entscheidungen vom 29.6.2010 - 10 C 9.09 und 10 C 10.09 - und vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 -, zitiert nach juris.
- 3 A 429/08 – und – 3 A 451/08 -, dokumentiert bei juris,
vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak vom 5.11.2009, UNHCR an Hess.VGH vom 16.9.2009
vgl. zu letzterem UNHCR: Iraq Refuges Returns fell from in 2010 vom 28.1.2011; siehe in diesem Zusammenhang auch Urteile des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 und 3 A 451/08 -.
vgl. etwa Entscheidungen vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 -, vom 29.7.1999 - 9 C 2.99 - und vom 25.11.1997 - 9 C 58/96 - und vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, jeweils zitiert nach juris
vgl. hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 23.7.2007 - 10 B 85/07 -, vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 - und vom 18.7.2006 - 1 C 16.05 -, jeweils zitiert nach juris.
Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 16.05 -, a.a.O.
vgl. Beschlüsse vom 29.4.2005 - BVerwG 1 B 119.04 - und Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, jeweils zitiert nach juris,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.2.1995 - BVerwG 1 B 205.93 -.
vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, Beschluss vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 -, jeweils zitiert nach juris..
vgl. hierzu etwa Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010: Die Behandlung von PTSD in Erbil vom 10.3.2010, ferner Bericht vom 10.7.2007: Die sozioökonomische Situation in den von der KRG verwalteten Provinzen; GIGA an VG Düsseldorf vom 10.5.2007 zu Az.: 16 K 5213/06.A -; DOI an VG Saarlouis vom 6.3.2006 zu Az.: 2 K 1/06.A; EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006 zu Az.: AN 9 K 04.32341 -,
hierzu insbesondere SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010 unter Berufung auf einen Bericht der WHO
hierzu etwa EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006 zu Az.: AN 9 K 04.32341 u.a., Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010.
vgl. etwa Botschaft BRD an VG Ansbach vom 20.5.2010 zu Az.: AN 9 K 09.30128
Auskunft des (Vertrauensarztes des) Generalkonsulats Erbil vom 29.4.2010 an VG Bayreuth zu Az.: B 3 K 30045
vgl. EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006, a.a.O.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.
(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.
(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.
(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.
(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.
(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.
(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.
(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.
(11) (weggefallen)
(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.
(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.
(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.
(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.
(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.
(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.
(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.
(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.
(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn
- 1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen, - 2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder - 3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
(1) Der Ausländer ist abzuschieben, wenn die Ausreisepflicht vollziehbar ist, eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist, und die freiwillige Erfüllung der Ausreisepflicht nicht gesichert ist oder aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung eine Überwachung der Ausreise erforderlich erscheint. Bei Eintritt einer der in § 59 Absatz 1 Satz 2 genannten Voraussetzungen innerhalb der Ausreisefrist soll der Ausländer vor deren Ablauf abgeschoben werden.
(1a) Vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers hat sich die Behörde zu vergewissern, dass dieser im Rückkehrstaat einem Mitglied seiner Familie, einer zur Personensorge berechtigten Person oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung übergeben wird.
(1b) Ein Ausländer, der eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt oder eine entsprechende Rechtsstellung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union innehat und in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union international Schutzberechtigter ist, darf außer in den Fällen des § 60 Absatz 8 Satz 1 nur in den schutzgewährenden Mitgliedstaat abgeschoben werden. § 60 Absatz 2, 3, 5 und 7 bleibt unberührt.
(2) Die Ausreisepflicht ist vollziehbar, wenn der Ausländer
- 1.
unerlaubt eingereist ist, - 2.
noch nicht die erstmalige Erteilung des erforderlichen Aufenthaltstitels oder noch nicht die Verlängerung beantragt hat oder trotz erfolgter Antragstellung der Aufenthalt nicht nach § 81 Abs. 3 als erlaubt oder der Aufenthaltstitel nach § 81 Abs. 4 nicht als fortbestehend gilt oder - 3.
auf Grund einer Rückführungsentscheidung eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/40/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (ABl. EG Nr. L 149 S. 34) ausreisepflichtig wird, sofern diese von der zuständigen Behörde anerkannt wird.
(3) Die Überwachung der Ausreise ist insbesondere erforderlich, wenn der Ausländer
- 1.
sich auf richterliche Anordnung in Haft oder in sonstigem öffentlichen Gewahrsam befindet, - 2.
innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nicht ausgereist ist, - 3.
auf Grund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Absatz 1 in Verbindung mit § 53 ausgewiesen worden ist, - 4.
mittellos ist, - 5.
keinen Pass oder Passersatz besitzt, - 6.
gegenüber der Ausländerbehörde zum Zweck der Täuschung unrichtige Angaben gemacht oder die Angaben verweigert hat oder - 7.
zu erkennen gegeben hat, dass er seiner Ausreisepflicht nicht nachkommen wird.
(4) Die die Abschiebung durchführende Behörde ist befugt, zum Zweck der Abschiebung den Ausländer zum Flughafen oder Grenzübergang zu verbringen und ihn zu diesem Zweck kurzzeitig festzuhalten. Das Festhalten ist auf das zur Durchführung der Abschiebung unvermeidliche Maß zu beschränken.
(5) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde die Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung betreten, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass sich der Ausländer dort befindet. Die Wohnung umfasst die Wohn- und Nebenräume, Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie anderes befriedetes Besitztum.
(6) Soweit der Zweck der Durchführung der Abschiebung es erfordert, kann die die Abschiebung durchführende Behörde eine Durchsuchung der Wohnung des abzuschiebenden Ausländers zu dem Zweck seiner Ergreifung vornehmen. Bei anderen Personen sind Durchsuchungen nur zur Ergreifung des abzuschiebenden Ausländers zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass der Ausländer sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
(7) Zur Nachtzeit darf die Wohnung nur betreten oder durchsucht werden, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die Ergreifung des Ausländers zum Zweck seiner Abschiebung andernfalls vereitelt wird. Die Organisation der Abschiebung ist keine Tatsache im Sinne von Satz 1.
(8) Durchsuchungen nach Absatz 6 dürfen nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die die Abschiebung durchführende Behörde angeordnet werden. Die Annahme von Gefahr im Verzug kann nach Betreten der Wohnung nach Absatz 5 nicht darauf gestützt werden, dass der Ausländer nicht angetroffen wurde.
(9) Der Inhaber der zu durchsuchenden Räume darf der Durchsuchung beiwohnen. Ist er abwesend, so ist, wenn möglich, sein Vertreter oder ein erwachsener Angehöriger, Hausgenosse oder Nachbar hinzuzuziehen. Dem Inhaber oder der in dessen Abwesenheit hinzugezogenen Person ist in den Fällen des Absatzes 6 Satz 2 der Zweck der Durchsuchung vor deren Beginn bekannt zu machen. Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit und Ort der Durchsuchung und, falls keine gerichtliche Anordnung ergangen ist, auch Tatsachen, welche die Annahme einer Gefahr im Verzug begründet haben, enthalten. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Wohnungsinhaber oder der hinzugezogenen Person lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.
(10) Weitergehende Regelungen der Länder, die den Regelungsgehalt der Absätze 5 bis 9 betreffen, bleiben unberührt.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2007 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verpflichtet wird festzustellen, dass im Falle des Klägers ein unionsrechtlich begründetes Abschiebungsverbot (hier: § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG) vorliegt.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der im Jahre 1981 in der Provinz Ghazni geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Nachdem er nach eigenen Angaben am 11. Februar 2003 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war, beantragte er am 25. Februar 2003, als Asylberechtigter anerkannt zu werden. Zur Begründung seines Asylbegehrens führte er im Wesentlichen aus, er habe insgesamt sechs Jahre lang in seinem Heimatland die Schule besucht, wovon er sich drei Jahre lang an einer Koranschule aufgehalten habe. Nach seinem Schulbesuch habe er bei seinem Vater in der Landwirtschaft gearbeitet. Sein Heimatland habe er bereits drei Jahre vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verlassen. Dabei habe er sich eineinhalb Jahre nach seiner Ausreise in Teheran aufgehalten. Sein jüngerer Bruder habe im Zeitpunkt der Anhörung noch in Afghanistan gelebt.
- 2
Sein Vater sei im Jahre 1998 von den Taliban festgenommen worden und eineinhalb Monate inhaftiert gewesen. Etwa drei bis vier Monate nach seiner Freilassung sei er verstorben. Der Vater sei Mitglied der Wahdat-e Islami und deshalb in der Region bekannt gewesen. Nachdem es immer häufiger zu Auseinandersetzungen mit Taliban und Paschtunen gekommen sei, habe der Kläger sein Heimatland verlassen. Bei einem Granatangriff habe er etwas abbekommen und sei verletzt worden. Zurückkehren könne er nicht, da es in Afghanistan keine Sicherheit und Ordnung gebe.
- 3
Mit Bescheid vom 6. September 2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass in seinem Fall die Voraussetzungen der §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG nicht vorliegen. Sie forderte den Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland auf und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an. Auf die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht Koblenz (2 K 3189/04.KO) mit Urteil vom 10. Mai 2005 die von der Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung wegen eines Zustellungsmangels auf und wies die Klage im Übrigen ab.
- 4
Den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (6 A 10819/05.OVG) mit Beschluss vom 22. Juni 2005 ab. Unter dem 24. August 2006 erließ die Beklagte gegen den Kläger erneut eine Abschiebungsandrohung mit dem Zielstaat Afghanistan.
- 5
Am 16. November 2006 beantragte der Kläger, in seinem Falle ein weiteres Asylverfahren durchzuführen. Hierzu berief er sich darauf, dass sein Vater von den Taliban geschlagen und gefoltert worden sowie einige Tage nach seiner Freilassung den Folgen der Folter erlegen sei. Er selbst sei gezwungen gewesen, sein Heimatland zu verlassen, da die Taliban der Erzfeind seines Volkes seien. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan müsse er damit rechnen, von den Taliban getötet zu werden, da sein Vater Mitglied der Wahdat-Partei gewesen sei.
- 6
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2006 lehnte die Beklagte die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens sowie die Abänderung ihrer zu § 53 AuslG getroffenen Feststellungen ab.
- 7
Am 11. Januar 2007 hat der Kläger Klage erhoben, wobei er ergänzend ausgeführt hat, dass seine Eltern und ein Bruder verstorben seien. Der in seiner Anhörung erwähnte Bruder halte sich bei einer Tante im Iran auf. Nachdem der Kläger seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung des Gerichts vom 11. April 2007 darauf beschränkt hat, die Beklagte zu verpflichten, ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, hat das Verwaltungsgericht in seinem aufgrund der mündlichen Verhandlung ergangenen Urteil eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten ausgesprochen. Es hat hierzu dargelegt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen der dort bestehenden schlechten Versorgungslage in eine lebensbedrohliche Bedrängnis geriete und damit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre.
- 8
Zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung hat die Beklagte ausgeführt, dass im Falle des Klägers keine extreme Gefahrenlage bei verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG anzunehmen sei. Bei einer Rückkehr könne eine aus der allgemeinen Lage resultierende Gefahr für Leib und Leben zwar nicht völlig ausgeschlossen werden. Jedenfalls im Raum Kabul sei die Sicherheits- und Versorgungslage aber nicht so schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schweren Verletzungen ausgeliefert würde. Insbesondere bestünden keine Anzeichen für eine Hungerkatastrophe. Vor dem Hintergrund der persönlichen Lebenssituation des Klägers als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann sei davon auszugehen, dass er im Raum Kabul eine vergleichsweise stabile Existenzgrundlage finden werde.
- 9
Der Kläger hat darauf verwiesen, dass er aus der Provinz Ghazni stamme, die unter der Kontrolle der Taliban stehe. Dort müsse er wegen seines langjährigen Aufenthalts im Westen und seiner auch äußerlich erkennbaren Volkszugehörigkeit sowie seiner schiitischen Religionszugehörigkeit mit Übergriffen durch die Taliban rechnen. Vor diesem Hintergrund sei ihm auch ein Ausweichen nach Kabul nicht zumutbar. Am Zufluchtsort müsse eine hinreichende Sicherheit vor Verfolgung bestehen und zumindest das Existenzminimum gewährleistet sein. Dies sei indessen angesichts der sozialen Lage in Kabul nicht der Fall. Vielmehr sei auch in Kabul für eine mittellose Person ohne intakten Familienverband die Gefahr des Todes durch Unterernährung gegeben. Von dem Fortbestand intakter Familien- und Stammesstrukturen in Kabul könne indessen nicht ausgegangen werden. In der Herkunftsregion des Klägers bestehe ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, der zu einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit führe. Ein Ausweichen in einen anderen Landesteil sei ihm nicht zumutbar. Er verfüge auch nicht über eine besondere Schul- oder Berufsausbildung, die ihn in besonderer Weise für den Arbeitsmarkt in Afghanistan qualifizierte.
- 10
Mit aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2008 ergangenem Urteil hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass im Falle des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliege. Der Kläger sei bei seiner Rückkehr nach Afghanistan mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen allgemeinen Gefahr in dem Sinne ausgesetzt, dass er gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Er wäre nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu sichern. Die Versorgungssituation werde auch nicht durch Unterstützungsmaßnahmen der afghanischen Regierung oder internationaler Organisationen verbessert. Wegen der zu erwartenden Mangelernährung, die ausschließlich aus Brot und Tee bestehe, werde der Kläger zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen geraten. Da die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorlägen, erübrige sich eine Entscheidung darüber, ob auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gegeben seien.
- 11
Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Juni 2010 (− 10 C 10/09 −, BVerwGE 137, 226) die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
- 12
Im weiteren Verfahren führt die Beklagte ergänzend aus, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht vorlägen. Hinsichtlich seiner Herkunft aus dem Dorf S. in der Provinz Ghazni sei nicht von dem Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts auszugehen. Die Annahme einer individuellen Gefährdung, die allein auf den Umstand eines bewaffneten Konfliktes abstelle, erfordere eine Gefahrendichte, wie sie vergleichbar bei der Verfolgungsdichte im Hinblick auf eine Gruppenverfolgung angenommen werde. Von einer derartigen Verfolgungsdichte könne indes angesichts der Opferzahlen in der Provinz Ghazni nicht ausgegangen werden. Zudem wäre dem Kläger ein Ausweichen nach Kabul zuzumuten.
- 13
Die Beklagte beantragt,
- 14
unter Abänderung des aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. April 2007 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz die Klage abzuweisen.
- 15
Der Kläger beantragt,
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die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass vorrangig das Vorliegen eines unionsrechtlichen Abschiebungshindernisses (Art. 15 QRL) festgestellt wird,
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hilfsweise,
- 18
1. den Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Klärung der Rechtsfrage vorzulegen, ob die Definition des Grades willkürlicher Gewalt bzw. der notwendigen Gefährdungsdichte seitens des Bundesverwaltungsgerichtes in seinem Urteil vom 27. Februar 2010 – 10 C 4.09 – mit Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG vereinbar ist,
- 19
2. den Rechtsstreit dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Klärung der Frage vorzulegen, ob die inländische Schutzalternative des Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG voraussetzt, dass dort ein normales Leben mit Zugang zu Nahrung, Wasser, Unterkunft und medizinischer Versorgung unter Beachtung der individuellen Bedürfnisse gewährleistet, also sichergestellt ist und ein normales Leben ohne unangemessene Härte mit Garantie der Achtung der grundlegenden Menschenrechtsstandards, einem gewissen Maß an Stabilität und effektiven staatlichen Strukturen und zivilen Schutzstrukturen, die effektiven Schutz vermitteln, und ein normales Leben mit mehr als dem bloßen Existenzminimum ohne ein Leben in Not und mit Entbehrungen auf Dauer gewährleistet, also sichergestellt ist,
- 20
3. Beweis zu erheben zu der Tatsache, dass junge Männer zwischen ca. 14 und 40 Jahren in Ghazni von Zwangsrekrutierungen durch die Taliban betroffen sind und im Falle der Weigerung mit ihrer Erschießung rechnen müssen, sowie zu der Tatsache, dass junge Männer, die sich jahrelang im Westen aufgehalten haben, unvermeidlich zu erkennen und wegen einer pauschal vermuteten Gegnerschaft zu den Taliban oder einer Spitzeltätigkeit für den Westen an Leib und Leben gefährdet sind, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und sachverständiges Zeugnis des Herrn Dr. M. D.,
- 21
4. zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger nicht in der Lage ist bzw. es ihm sehr schwer fällt, zeitliche Einordnungen vorzunehmen, und er auch nicht in der Lage ist bzw. es ihm sehr schwer fällt, bei Schilderungen der Vergangenheit sein Alter richtig einzuschätzen, ein medizinisch-psychologisches Sachverständigengutachten einzuholen.
- 22
Er legt ergänzend dar, dass er von Taliban angegriffen worden sei. Zudem sei es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Paschtunen und Hazara gekommen. Im Hinblick auf das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts habe das nationale Recht das einschränkende Merkmal der „willkürlichen Gewalt“ nicht übernommen. Abgesehen davon werde in seinem Falle auch dieses Merkmal erfüllt. Er sei bei einer Rückkehr infolge willkürlicher Gewalt einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt. In Afghanistan könne es jederzeit zu Attentaten, Bombenanschlägen und bewaffneten Auseinandersetzungen kommen. Die Sicherheitslage habe sich ständig weiter verschlechtert. Dies gelte insbesondere für vorher als sicher eingeschätzte Regionen. Das Risiko des Einzelnen, Opfer entsprechender Auseinandersetzungen zu werden, sei überall akut. Was die Gefahrendichte in seiner Herkunftsregion angehe, so müsse berücksichtigt werden, dass im Distrikt Nuwar lediglich 81.000 Menschen lebten. Die Taliban gewännen immer stärker die Oberhand. Sie beherrschten die Provinz Ghazni. Die Hazara stünden dabei in besonderem Maße im Blickfeld der Taliban. Anknüpfungspunkt hierfür seien ethnische und religiöse Gründe. Hieraus ergebe sich auch eine besondere Gefährdung für ihn. Zudem müsse er bei einer Rückkehr mit Zwangsrekrutierung und Folter rechnen. Ein Ausweichen nach Kabul komme nicht in Betracht, da er dort über keine Verwandten verfüge und in der Stadt völlig fremd sei.
- 23
In seiner Anhörung durch den Berichterstatter am 16. Februar 2011 hat der Kläger ergänzend dargelegt, dass er vor seiner Ausreise im Ort A. S. gelebt habe. Nach dem Tod seiner Eltern sei er zu einem Freund seines Vaters in diesen Ort gezogen. Zu der Familie dieses Freundes habe er bis 2006 Kontakt gehalten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Familie im Iran gelebt. Sein Vater habe gegen die Taliban gekämpft. Er habe der Hazara-Partei Hezb-i Wahdat angehört. Das Haus der Familie sei bei den Auseinandersetzungen mit den Taliban beschädigt worden. Wegen der Darlegungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2012 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
- 24
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Frau Dr. Marie Luise Ternes als Sachverständige zur Frage der gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch eine Mangelernährung sowie durch Einholung von Sachverständigengutachten des UNHCR, von Frau Dr. K. L. und durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes zur Einschätzung der Lage in Afghanistan im Hinblick auf das Vorliegen bewaffneter Auseinandersetzungen in der Provinz Ghazni und zur Versorgungslage im Land. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Akteninhalt verwiesen.
- 25
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze, auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel Bezug genommen, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung bleibt erfolglos.
- 27
Die Klage ist begründet, soweit der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG begehrt. Insoweit ist der Entscheidungsausspruch des Verwaltungsgerichtes klarzustellen.
- 28
1. Bei der Entscheidung des Senates war § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG neben dem nationalen Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, zu dessen Feststellung das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, Gegenstand des Verfahrens.
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Die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote, zu denen neben § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gehört und deren Grundlagen sich aus Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie – ergeben, sind mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der europäischen Union - Richtlinienumsetzungsgesetz - (BGBl. I 2007, 1970) im August 2007 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Ablehnungsbescheid der Beklagten – wie hier − sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote erfasst und der Kläger die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote in sein Verfahren einbezogen hat. Die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote bilden einen eigenständigen, vorrangig vor den nationalen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4/09 ─, BVerwGE 136, 360 und juris Rn. 16; Urteil vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226 und juris, Rn. 6).
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2. Ist hiernach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites, so liegen jedenfalls insoweit auch die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG vor.
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Das dem gerichtlichen Verfahren zugrundeliegende Verwaltungsverfahren der Beklagten betraf einen Asylfolgeantrag. Soweit im ursprünglichen Asylverfahren bereits eine Feststellung zu Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG getroffen worden ist, kommt hiernach eine erneute Prüfung der entsprechenden Abschiebungsverbote nur unter den Voraussetzungen des § 51 VwVfG für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens in Betracht (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2000 - 9 C 41.99 -, BVerwGE 111, 77 und juris, Rn. 9). Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens setzt nach § 51 Abs. 1 VwVfG voraus, dass
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1. sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- und Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2. neue Beweismittel vorliegen, die eine den Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden oder
3. Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der ZPO gegeben sind.
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Im Falle des Klägers ist von einer zu seinen Gunsten geänderten Sach- und Rechtslage auszugehen. Einerseits ist von einer Änderung der Rechtslage auszugehen, die sich für den Kläger als günstig erweist. Hierzu ist darauf abzustellen, dass in seinem Verfahren nunmehr die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote nach der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigen sind und hierbei insbesondere nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts relevant werden kann. Zudem liegt jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Senates, der nach § 77 Abs. 1 AsylVfG auch für die Beurteilung des Vorliegens eines Wiederaufgreifensgrundes maßgeblich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2008 – 2 BvR 1262/07 −, juris Rn. 15; OVG Hamburg, Urteil vom 16. Juni 2006 – 5 Bf 302/Q.3.A −, juris), zur Ausfüllung dieses Tatbestandes eine zugunsten des Klägers veränderte Sachlage vor. Eine derartige Änderung ist bei asylrechtlichen Dauersachverhalten dann anzunehmen, wenn eine qualitativ neue Bewertung angezeigt und möglich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2008, a.a.O., Bergmann, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl. 2011, § 71 AsylVfG Rn. 24). Hinsichtlich der Situation in der Herkunftsregion des Klägers, der Provinz Ghazni, ist eine qualitative Veränderung im Hinblick auf die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes darin zu sehen, dass in diesem Gebiet eine sowohl absolut wie auch gemessen an der Bevölkerungszahl von gut 1 Mio. Einwohner hohe Zahl sicherheitsrelevanter Zwischenfälle festzustellen ist (vgl. Auswärtiges Amt, Amtliche Auskunft an das OVG Rheinland-Pfalz vom 1. November 2011). Die Zahl der Angriffe Aufständischer belief sich im Jahr 2010 auf 1.540 (D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Ghazni und Nangarhar, März 2011) und nahm gegenüber dem Vorjahr um 234 % zu (UNHCR, Auskunft an das OVG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011) Hiernach ist aber eine erhebliche Änderung der Sach- und Rechtslage eingetreten, die eine neue inhaltliche Bewertung seines Anspruchs auf Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes als möglich erscheinen lässt.
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3. Im Falle des Klägers liegen die Voraussetzungen für die Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG auch vor. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
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a. Für die Herkunftsregion des Klägers, die Provinz Ghazni, ist derzeit von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Sinne dieser Vorschrift auszugehen.
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aa. Anknüpfungspunkt für die Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist dessen Bedeutung im humanitären Völkerrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198 und juris, Rn. 19 ff.). Das Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll II) vom 8. Juni 1977 (BGBl. 1990 II, S. 1637), definiert in Art. 1 den innerstaatlichen Konflikt als bewaffneten Konflikt, der im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfindet, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebietes der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen. Nach Art. 1 Abs. 2 des Zusatzprotokolls II findet dieses keine Anwendung auf Fälle innerer Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen.
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Erreicht eine Auseinandersetzung im innerstaatlichen Bereich einen Grad, der zwischen den beiden im Zusatzprotokoll angesprochenen Ausgestaltungen eines Konfliktes liegt, so scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes nicht von vorneherein aus. Voraussetzung ist allerdings, dass die Auseinandersetzung ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit ausweist. Typische Beispiele hierfür sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008, a.a.O. und juris, Rn. 22; Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 23). Wie der Vorschrift des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 der Richtlinie 2004/83/EG zu entnehmen ist, liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt auch dann vor, wenn er lediglich einen Teil des Staatsgebietes erfasst. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie enthält Regelungen über die Erfordernisse internen Schutzes im Herkunftsland. Beschränkt sich ein bewaffneter Konflikt auf einzelne Landesteile, so kommt eine individuelle Bedrohung in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Klägers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008, a.a.O. und juris, Rn. 25; Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 -, BVerwGE 134, 188 und juris, Rn. 17).
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bb. Anknüpfend an diese Kriterien ist für die Herkunftsregion des Klägers, die Provinz Ghazni, vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes auszugehen. In der Provinz kommt es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und ISAF- Streitkräften auf der einen und militärisch organisierten oppositionellen Gruppierungen auf der anderen Seite, die sich in Dauerhaftigkeit und Intensität von den allgemeinen Verhältnissen in Afghanistan deutlich abheben und die für die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts aufgezeigte Schwelle überschreiten.
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Die Sicherheitslage in Afghanistan ist insgesamt dadurch gekennzeichnet, dass es landesweit in unterschiedlicher Intensität zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen afghanischen Regierungstruppen und der unter Führung der NATO operierenden internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) auf der einen sowie den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen auf der anderen Seite kommt. Das Land ist durch eine andauernde Instabilität geprägt. Insgesamt ist in den Jahren 2010 und 2011 eine Verschlechterung der Sicherheitslage festzustellen. Die Zahl der Anschläge hat sich im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 65 % erhöht. Während nach wie vor ein Schwerpunkt der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Land in den südlichen und südöstlichen Regionen festzustellen ist, lässt sich gleichzeitig eine stärkere geografische Verteilung entsprechender Vorfälle konstatieren (vgl. UNHCR, Auskunft vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; ders., Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylbewerber vom 21. März 2011; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Die für das Jahr 2010 genannte Zahl getöteter Zivilpersonen schwankt in einzelnen Quellen zwischen 2.428 (amnesty international, Report 2011 Afghanistan vom 18. August 2011) und 2.777 (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Landesweit ist im ersten Halbjahr 2011 ein Anstieg der Zahl der getöteten Zivilisten um 15 % festzustellen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Für das gesamte Jahr 2011 wird eine Zahl von 3021 ziviler Todesopfer genannt (United Nations Assistance Mission in Afghanistan – UNAMA, Annual Report 2011, Februar 2012), so dass erneut von einem beträchtlichen Anstieg auszugehen ist.
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Gegenüber dieser allgemeinen Ausgangslage in Afghanistan erreicht der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungstruppen sowie den ISAF-Kräften in der Provinz Ghazni in den letzten Jahren eine besondere Intensität. Wie bereits dargelegt, gehört die Provinz zu den unsichersten Regionen Afghanistans Die Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in der Provinz haben im Jahr 2010 binnen Jahresfrist um 234 % zugenommen und damit einen Wert erreicht, der sogar die Zahl entsprechender Vorfälle in den seit Jahren schwerst umkämpften Provinzen Helmand und Kandahar übersteigt (UNHCR, Auskunft an das OVG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Auch im Jahre 2011 hat die Zahl der Angriffe regierungsfeindlicher Organisationen auf hohem Niveau verharrt und eine Steigerung auf 1679 erfahren, die nur von der Zahl entsprechender Übergriffe in der Provinz Helmand übertroffen wird (The Afghanistan NGO Safety Office – ANSO, Quaterly Data Report IV/2011, Januar 2012). Nach Einschätzung des UNHCR ist die Lage in Ghazni aufgrund der hohen Zahl von zivilen Todesopfern, der Häufigkeit sicherheitsrelevanter Zwischenfälle und der Anzahl von Personen, die aufgrund des bewaffneten Konflikts vertrieben wurden, in Teilen der Provinz als eine Situation allgemeiner Gewalt anzusehen. Durch das Vorgehen der ISAF zur Aufstandsbekämpfung ist unmittelbar keine Stabilisierung der Lage eingetreten. Vielmehr ist es, nachdem die ISAF-Einheiten im Distrikt Nuwar ab Januar 2011 verstärkt Operationen gegen Aufständische unternommen haben, in der Provinz zu Unruhen gekommen (UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylbewerber vom 21. März 2011). Insgesamt kommt es hiernach zu fortdauernden bewaffneten Auseinandersetzungen von hoher Intensität. Nach der Auskunftslage ist es nicht möglich, hinsichtlich der Verhältnisse innerhalb der Provinz Ghazni konkrete Daten für einzelne Distrikte zu ermitteln (vgl. UNHCR, Auskunft an das OVG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011), so dass von einem sich über die gesamte Provinz erstreckenden innerstaatlichen bewaffneten Konflikt auszugehen ist.
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b. Von diesem bewaffneten Konflikt in der Provinz Ghazni geht allerdings kein so hoher Grad willkürlicher Gewalt aus, dass jeder in die Region Zurückkehrende allein durch seine Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein.
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Da der Kläger jedoch vor seiner Ausreise aus Afghanistan nach Überzeugung des Senates bereits einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben durch einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt ausgesetzt war, greift zu seinen Gunsten die Vermutung des nach § 60 Abs. 11 AufenthG anwendbaren Art. 4 Abs. 4 Qualifikationsrichtlinie, wonach dies ein ernsthafter Hinweis darauf ist, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Stichhaltige Gründe, mit denen diese Vermutung entkräftet werden könnte, sind nicht ersichtlich.
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aa. Hinsichtlich der Situation in der Provinz Ghazni kann nicht von einer so hohen Gefahrendichte im Hinblick auf den dort bestehenden innerstaatlichen Konflikt ausgegangen werden, dass sich aus der allgemeinen Lage bereits eine individuelle ernsthafte Bedrohung für jede Person ergibt, die sich dort aufhält.
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(1) Was eine sich im Rahmen einer allgemeinen Gefahrenlage bestehende Bedrohung angeht, so ist § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zunächst richtlinienkonform dahin auszulegen, dass diese Vorschrift bei Vorliegen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie, der durch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in nationales Recht umgesetzt wurde, keine Sperrwirkung entfaltet. Der Betroffene muss sich bei einer allgemeinen Gefahr nicht mit der in § 60 a Abs. 1 AufenthG vorgesehenen Aussetzung der Abschiebung zufriedengeben, da ihm nach Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. und juris, Rn. 31).
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Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit dann anzunehmen, wenn der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Mit einer solchen Auslegung wird dem Erwägungsgrund 26 der Qualifikationsrichtlinie Rechnung getragen, wonach Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen. Hiernach verlangt eine dennoch erfolgende Berücksichtigung eine Ausnahmesituation mit einem hohen Gefahrengrad. Hingegen kann der zur Gewährung subsidiären Schutzes erforderliche Grad willkürlicher Gewalt umso geringer sein, je mehr der Betroffene zu belegen vermag, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation innewohnenden Umstände in besonderem Maße hierdurch betroffen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 (Rechtssache C-465/07 Elgafaji, Rn. 35 bis 39).
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Für die Annahme einer entsprechenden Bedrohung ist dabei auch nach nationalem Recht erforderlich, dass sie durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes ausgelöst wird. Das entsprechende Tatbestandsmerkmal von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie ist auch Bestandteil der gesetzlichen Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG geworden. Wie sich der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz entnehmen lässt (BT-Drs. 16/5065, S. 187), war es Absicht des Gesetzgebers, den Tatbestand des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie und damit auch das Erfordernis willkürlicher Gewalt in vollem Umfang in nationales Recht umzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 32). Von willkürlicher Gewalt ist auszugehen, wenn sich die in Frage stehende Gewalt auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009, Rn. 34).
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Hiernach ist dann ein besonders hohes Maß willkürlicher Gewalt erforderlich, wenn keine persönlichen gefahrerhöhenden Umstände vorliegen. Liegen solche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu den gefahrerhöhenden Umständen gehören solche persönlichen Besonderheiten, die den Rückkehrer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, wie etwa eine berufliche Verpflichtung, sich in Gefahrennähe aufzuhalten. Hierzu können aber auch persönliche Umstände gerechnet werden, wie etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Ethnie, aufgrund derer der Betroffene zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33; Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 13/10 −, juris Rn. 18). Bei der Feststellung, ob eine entsprechende individuelle erhebliche Gefahr gegeben ist, ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits erforderlich, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden. Weiterhin bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33). Die entsprechende Gefahr muss dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O. juris Rn. 20). Was die im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigende quantitative Beurteilung angeht, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. November 2011 (- 10 C 13/10 -, juris Rn. 22 f.) das Risiko, bei innerstaatlichen Auseinandersetzungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 800 verletzt oder getötet zu werden, als für die Annahme einer individuellen Gefahr keinesfalls hinreichend angesehen.
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(2) Trotz der insgesamt kritischen Situation in der Provinz Ghazni ist anhand dieser Kriterien nicht von einer solchen Gefahrendichte auszugehen, dass jede Zivilperson, die aus dem Ausland zurückkehrt allein durch ihre Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.
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Die Provinz Ghazni weist eine Einwohnerzahl von etwa 1,1 Mio. Menschen auf. Ihre Bevölkerungsdichte beträgt 49 Einwohner pro km² (vgl. D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich - Schweiz, Sicherheitslage in Ghazni und Nangarhar, März 2011). Die Zahl der Angriffe Aufständischer belief sich im Jahr 2010 auf 1.540, womit Ghazni die Provinz in Afghanistan war, in der sich die meisten Angriffe ereigneten. 2009 ereigneten sich lediglich 461 Angriffe (vgl. D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich - Schweiz, Sicherheitslage in Ghazni und Nangarhar, März 2011). Für 2011 ist von 1679 Vorfällen dieser Art auszugehen (ANSO, Quaterly Data Report, 4/2011, Januar 2012). Was die Zahl der Todesopfer angeht, so liegen keine allein auf Ghazni beschränkten Zahlen vor. Indessen wird die Zahl der zivilen Todesopfer in den vier südöstlichen Provinzen Ghazni, Paktia, Paktika und Khost mit 513 für das Jahr 2010 angegeben (vgl. Auskunft des UNHCR an das OVG Rheinland-Pfalz vom 11. November 2010). Alle vier Provinzen zusammengenommen weisen eine Einwohnerzahl von etwa 2,6 Mio. auf (Paktia: 550.000 - Militärgeschichtliches Forschungsamt, Stellungnahme aus 2009, Paktia und Kundus; Paktika: 438.000 - Wikipedia; Khost: 546.000 - Wikipedia). Die Zahl der Verletzten lässt sich nicht unmittelbar ermitteln. Allerdings zeigt sich, dass in Afghanistan insgesamt bei innerstaatlichen bewaffneten Auseinandersetzungen in den Jahren 2009 bis 2011 der Anteil der Verletzten etwa das 1 ½-fache der Zahl der Todesopfer betrug (UNAMA, Annual Report 2011, Februar 2012). Hiernach dürfte die Gesamtzahl der Opfer in den vier Provinzen auf weniger als 1.500 einzuschätzen sein.
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Für die Lage in Ghazni bedeutet dies, dass zwar eine hohe Zahl von Anschlägen festzustellen ist. Statistisch entfällt etwa ein Anschlag auf 700 Einwohner. Allerdings führt nicht jeder Anschlag zu Opfern in der Zivilbevölkerung. Vielmehr entfällt in den vier südöstlichen Provinzen ein Todesfall in der Zivilbevölkerung auf etwa 5.000 Einwohner. Die Wahrscheinlichkeit, als Toter oder Verletzter Opfer eines bewaffneten Konflikts zu werden, trifft einen von etwa 1.800 Einwohnern. Auch die vergleichsweise dünne Besiedlung Ghaznis trägt dazu bei, dass das Risiko des Einzelnen, von einem Vorfall betroffen zu werden, geringer ausgeprägt ist als im großstädtischen Bereich.
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Angesichts dieser Gesamtsituation wirkt es sich auch nicht zugunsten der Betroffenen aus, dass die medizinische Versorgungslage in Afghanistan – insbesondere in ländlichen Bereichen − weiterhin als unzureichend angesehen werden muss und ein Zugang zu Gesundheitseinrichtungen nicht gewährleistet ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011). Vielmehr lässt sich schon allein anhand der Gefahrendichte feststellen, dass sich nicht für jeden Rückkehrer allein wegen seines Aufenthaltes in der Provinz eine ernsthafte individuelle Bedrohung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ergibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 23).
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bb. Dem Kläger kommt indessen die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie zugute. Denn er war vor seiner Ausreise aus Afghanistan unmittelbar als Zivilperson einer ernsthaften individuellen Bedrohung von Leib und Leben im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt.
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(1) Nach der gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG bei der Feststellung von Abschiebungsverboten zu berücksichtigenden Regelung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie ist die Tatsache, dass ein Betroffener bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist oder dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Betroffene erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.
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Mit dieser Bestimmung bleibt der Wahrscheinlichkeitsmaßstab für die Annahme einer drohenden Beeinträchtigung durch den innerstaatlichen bewaffneten Konflikt unverändert. Zugunsten des Betroffenen ist indessen von einer widerleglichen Vermutung auszugehen, dass er bei einer Rückkehr in sein Heimatland in vergleichbarer Weise mit Verfolgung oder dem Eintritt eines ernsthaften Schadens zu rechnen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, BVerwGE 136, 377 und juris, Rn. 22 f.).
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(2) Nach der im Kern glaubhaften Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 21. März 2012 war er in seinem Heimatdorf im Jahre 1998 unmittelbar davon bedroht, durch einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in seiner körperlichen Unversehrtheit oder seinem Leben ernsthaft beeinträchtigt zu werden. Hierzu führte er an, dass das Dorf, in dem er gelebt habe, im Jahre 1998 von den Taliban angegriffen worden sei. Absicht der Taliban sei es damals gewesen, den Stamm der Hazara zu vernichten. Der Angriff sei so verlaufen, dass zunächst das Artilleriefeuer in benachbarten Dörfern zu hören gewesen sei. Hierauf seien Frauen und Kinder in umliegende Berghöhlen verbracht worden. Auch er habe zu den Personen gehört, die das Dorf verlassen hätten. Die Ortschaft sei von den Taliban mit Raketenwerfern beschossen worden. Durch den Angriff sei etwa die Hälfte des Ortes beschädigt worden. Die Taliban hätten das Dorf eingenommen. Es seien auch zahlreiche Männer aus dem Dorf bei diesem Angriff ums Leben gekommen. Er habe daraufhin unter Mithilfe eines Freundes seines Vaters den Entschluss gefasst, Afghanistan zu verlassen. Hierzu habe er sich nach diesem Vorfall noch etwa fünf bis sechs Monate in Afghanistan aufgehalten.
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Der Kläger schilderte insoweit in plastischer Weise und nachvollziehbar einen Lebenssachverhalt, den er im Kern während seines gesamten Asylverfahrens, seit dem Jahre 2003 entsprechend wiedergegeben hatte. Schon in seiner ersten Anhörung durch die Beklagte war die Rede davon, dass es nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1998 zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Hazara auf der einen und Paschtunen sowie den Taliban auf der anderen Seite gekommen sei und dass er unmittelbar von einem Granatangriff betroffen gewesen sei. Auch in seiner gerichtlichen Anhörung vom 16. Februar 2011 gab er an, dass sein Heimatort von den Taliban mit Granaten und Artillerie beschossen worden sei. Er selbst habe eine Verletzung an der Hüfte durch eine Granate erlitten. Auch das Haus der Familie sei bei dem Granatangriff beschädigt worden. Insgesamt war der Darstellung des Klägers die lebensnahe Schilderung des Ablaufs eines Artillerieangriffs aus Sicht eines Betroffenen zu entnehmen.
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Die Angaben finden im Übrigen ihre Bestätigung durch die vom Gericht zur Frage einer innerstaatlichen bewaffneten Auseinandersetzung eingeholten Auskünfte. So führte das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 1. November 2011 aus, dass die Provinz Ghazni im Januar 1995 von den Taliban erobert worden sei. Nachdem diese seit Mitte 1996 nahezu landesweit die Regierungsgewalt übernommen gehabt hätten, hätten sie 1997 damit begonnen, die westlichen, südlichen und östlichen Zugänge zum Hazara-Gebiet, dem Hazaryat, zu blockieren. Dies habe 1998/1999 zu einer Hungersnot geführt, die auch die von Hazara bewohnten Teile der Provinz Ghazni betroffen habe. Dabei sei es zu teils heftigen Kämpfen zwischen Taliban und bewaffneten Hazara-Gruppierungen gekommen. Auch die Heimatregion des Klägers sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Schauplatz derartiger bewaffneter Auseinandersetzungen gewesen. Genaue Opferzahlen könnten nicht genannt werden, jedoch sei die Bevölkerungsgruppe der Hazara in besonderer Weise von diesen Auseinandersetzungen tangiert gewesen. Eine entsprechende Schilderung der Verhältnisse findet sich auch in der Auskunft des UNHCR vom 11. November 2011. Auch hierin wird darauf hingewiesen, dass es in den Jahren 1998 bis 2000 zu schweren Auseinandersetzungen zwischen den Taliban und der Nordallianz gekommen sei, zu der auch die wesentlich von Hazara getragene Partei Hezb-e Wahdat gehört habe. Folge hiervon seien auch Opfer unter der Zivilbevölkerung gewesen. Bei der Eroberung der Stadt Mazar-i Sharif sei es im August 1998 beispielsweise zu Massentötungen von etwa 4.000 Zivilisten, vorwiegend Angehörige der Volksgruppe der Hazara, gekommen. Die Volksgruppe der Hazara sei in den Jahren 1998 bis Anfang 2001, insbesondere was ihre männlichen Angehörigen angeht, das Ziel systematischer Tötungen gewesen. Zum damaligen Zeitpunkt sei die Kontrolle über die Region zwischen Taliban und Hezb-e Wahdat ständig gewechselt. Hiernach ist aber davon auszugehen, dass die Hazara-Gebiete und insbesondere die Herkunftsregion des Klägers Schauplatz eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gewesen sind. Hierbei spricht bereits die Darstellung in den zitierten Auskünften dafür, dass sich insoweit eine Gefahrendichte ergab, aus der bereits auf eine individuelle ernsthafte Bedrohung der Bewohner des Gebietes geschlossen werden kann. Jedenfalls lässt sich der Darstellung des Klägers zu seinem individuellen Schicksal entnehmen, dass er im Rahmen dieses Konfliktes einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt war, so dass insoweit eine Vorverfolgung angenommen werden kann.
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(3) Hinsichtlich der bei dem Kläger vor seiner Ausreise aus Afghanistan festzustellenden Vorschädigung kann auch ein innerer Zusammenhang zu der befürchteten zukünftigen Beeinträchtigung festgestellt werden (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 31; Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 21; Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris, Rn. 21). Ein derartiger Zusammenhang kann dann nicht mehr angenommen werden, wenn der vor der Ausreise erlittene oder damals drohende Schaden keinerlei Verknüpfung mehr zu der befürchteten künftigen Schädigung aufweist oder wenn die Vorschädigung ohne Einfluss auf den späteren Entschluss zum Verlassen des Heimatlandes gewesen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1997 - 9 C 9.96 -, BVerwGE 104, 97 und juris, Rn. 16).
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Im Falle des Klägers besteht ein derartiger Zusammenhang. Die derzeitigen bewaffneten Auseinandersetzungen gehen maßgeblich von den Taliban aus, so dass die Grundkonstellation des Konflikts aus den Jahren 1998 bis 2000 im Wesentlichen erhalten geblieben ist (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft an das OVG Rheinland-Pfalz vom 1. November 2011). Auch in zeitlicher Hinsicht bestand ein innerer Zusammenhang zwischen der Vorschädigung des Klägers und seiner Ausreise. Nach seiner glaubhaften Darstellung in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger unmittelbar nach dem Raketenangriff sein Heimatdorf mit der Absicht verlassen, aus Afghanistan auszureisen.
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cc. Greift hiernach im Falle des Klägers die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie, so sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die diese Vermutung widerlegen könnten. Weder aus der Schilderung seines Verfolgungsschicksals noch aus den nach der Auskunftslage bestehenden allgemeinen Verhältnissen in seiner Heimatregion lassen sich stichhaltige Gründe dafür entnehmen, dass er bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion keiner ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens oder seiner körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt wäre. Schon allein aufgrund der hohen Anzahl der Vorfälle in der Region Ghazni kann eine derartige Gefährdung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
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c. Schließlich steht dem Kläger bei seiner Rückkehr nach Afghanistan auch keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.
- 62
aa. Nach § 60 Abs. 11 AufenthG findet auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG Art. 8 der Qualifikationsrichtlinie Anwendung. Diese Vorschrift bestimmt in ihrem Absatz 1, dass internationaler Schutz versagt werden kann, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Neben der Notwendigkeit, den entsprechenden Landesteil erreichen zu können unterliegt der Zumutbarkeitserwägung des Art. 8 Abs. 2 Qualifikationsrichtlinie das Erfordernis, dass der Betroffene in dem verfolgungsfreien Landesteil eine ausreichende Lebensgrundlage vorfindet und dort das Existenzminimum gewährleistet ist. Dabei ist bei fehlender Existenzgrundlage nicht darauf abzustellen, ob die Lebensverhältnisse im Herkunftsgebiet insgesamt als schlecht zu beurteilen sind. Maßgeblich sind hierfür die allgemeinen Gegebenheiten im Zufluchtsgebiet sowie die persönlichen Umstände des Betroffenen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 10 C 11.07 - in BVerwGE 131, 186 und juris, Rn. 32).Das wirtschaftliche Existenzminimum ist in der Regel dann gewährleistet, wenn es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und der Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten erlangt werden kann (BVerwG, Urteil vom 01. Februar 2007 - 1 C 24/06 -, NVwZ 2007, 590 und juris Rn. 11). Die Anforderungen an die Sicherung des Existenzminimums gehen damit deutlich über die Vermeidung existenzieller Notlagen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinaus.
- 63
bb. Geht man insoweit davon aus, dass die Hauptstadt Kabul nicht von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen ist (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 3177/11), so kann indessen nicht festgestellt werden, dass für den Kläger dort das Existenzminimum gewährleistet ist.
- 64
Afghanistan ist durch eine problematische wirtschaftliche Situation geprägt, die zu einer schwierigen Versorgungslage führt. Es ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die verbreitete Armut führt landesweit nach wie vor vielfach zu Mangelernährung. Staatliche soziale Sicherungssysteme existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien- und Stammesverbänden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012). Erwerbsmöglichkeiten sind für einen Großteil der Bevölkerung nur eingeschränkt vorhanden. Die Arbeitslosenrate liegt bei etwa 40 %. Selbst nicht arbeitslose Afghanen erzielen durch ihre Arbeit nur in 13,5 % der Fälle regelmäßige Einkünfte. Etwa 80 % der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Unproblematisch ist die Situation lediglich für hochqualifizierte Kräfte wie Ingenieure, Finanz- und Verwaltungsfachleute. Wesentlich für die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sicherzustellen, kommt es auf die Einbindung des Betroffenen in den erweiterten Familien- oder Bekanntenkreis an, der auch das soziale Sicherheitsnetz begründet (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 31. Oktober 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; UNHCR, Auskunft vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Dr. K. L., Stellungnahme vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011).
- 65
Im Bereich Kabul besteht im Wesentlichen die Möglichkeit, als Bauarbeiter tätig zu werden (vgl. Auskunft von Dr. B. G. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 31. August 2008). Während sich die Arbeitsmarktsituation in den Provinzen deutlich ungünstiger darstellt als in Kabul, drängt andererseits eine zunehmende Zahl von Binnenvertriebenen sowie Zuwanderern aus anderen Landesteilen in die Hauptstadt. Zudem ist im Raum Kabul ein starker Anstieg der Lebenshaltungskosten zu verzeichnen. Hinzu kommt, dass erschwinglicher Wohnraum in Kabul vielfach nicht zur Verfügung steht (vgl. Dr. B. G., Stellungnahme an das OVG Rheinland-Pfalz vom 31. August 2008; UNHCR, Auskunft vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Dr. K. L., Stellungnahme vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz).
- 66
Im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Klägers wird man angesichts dieser Ausgangssituation nicht annehmen können, dass sein Existenzminimum bei einer Rückkehr nach Kabul sichergestellt ist. Ihm fehlt die erforderliche Qualifikation, um eine Arbeitsstelle zu finden, die seinen Lebensunterhalt dauerhaft gewährleistet. Hiernach wird er voraussichtlich darauf angewiesen sein, sich als Tagelöhner zu verdingen (vgl. Gutachten von P. R. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 15. Januar 2008). Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit in Kabul ist nicht gewährleistet, dass es ihm gelingt, mit seiner Erwerbstätigkeit das für seinen Lebensunterhalt unbedingt Notwendige jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten dauerhaft zu erwirtschaften. Auch ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt durch Zuwendungen von Verwandten oder die Unterstützung seines Clans bestreiten kann. Staatliche Hilfen oder die Versorgung durch Nichtregierungsorganisationen stehen als verlässliche Grundlage für die Beschaffung des zum Leben Notwendigen ebenfalls nicht in erforderlichem Umfang zur Verfügung. Hiernach kann dahinstehen, inwieweit die gemäß Art. 8 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie zu berücksichtigenden allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftslandes möglicherweise oberhalb der Schwelle des Existenzminimums den Zumutbarkeitsmaßstab prägen (BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008, a.a.O. und juris, Rn. 35 m.w.N.).
- 67
Liegen hiernach die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vor, so erübrigt sich das Eingehen auf ein nationales Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 3 AufenthG, das gegenüber den unionsrechtlichen Abschiebungsverboten subsidiär ist.
- 68
Dringt der Kläger insgesamt mit seinem Begehren im Berufungsverfahren durch, so bedurfte es keiner Entscheidung über seine hilfsweise gestellten Vorlage- und Beweisanträge.
- 69
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
- 70
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten bestimmt sich nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
- 71
Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der hierfür in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der am … in Mazar-i Sharif geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit. Er begehrt die Verpflichtung der Beklagten zu der Feststellung, dass in seinem Fall die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 AufenthG vorliegen.
- 2
Nachdem er nach eigenen Angaben am 31. März 2004 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war, beantragte er unter dem 7. April 2004, als Asylberechtigter anerkannt zu werden.
- 3
Zur Begründung seines Asylbegehrens führte er in seiner Anhörung vom 20. April 2004 an, dass er gemeinsam mit seiner Schwester und seiner Mutter in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Sein Vater sei etwa eine Woche vor der Ausreise verstorben. Der Kläger habe die Koranschule besucht und danach im Geschäft des Vaters mitgearbeitet. Dieser sei Teppichhändler gewesen. Die Familie habe sich in einer guten wirtschaftlichen Lage befunden. Vor der Ausreise habe sein Vater allerdings etwa 60.000 Dollar Schulden gehabt. Die Gläubiger hätten die Familie bedroht. Grund für die Schulden sei gewesen, dass drei Ladungen Teppiche auf dem Weg nach Pakistan gestohlen worden seien. Ein Freund seines Vaters habe die Ausreise organisiert. Hierzu habe der Kläger aus dem Haus der Familie Geld geholt, das dort versteckt gewesen sei. An den Schlepper habe die Familie 20.000 Dollar bezahlt. Die Verwandten des Klägers lebten in Deutschland oder der Türkei.
- 4
Mit Bescheid vom 15. November 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 sowie des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Sie forderte den Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland auf und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an.
- 5
Am 1. Dezember 2005 hat der Kläger Klage erhoben, die er auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschränkt hat.
- 6
Mit Urteil vom 19. Dezember 2006 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen und den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2005 insoweit aufgehoben, als er dieser Feststellung entgegensteht. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland wegen der dortigen unzureichenden Versorgungslage einer extremen Gefahr ausgesetzt wäre.
- 7
Zur Begründung ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung hat die Beklagte angeführt, dass die vom Verwaltungsgericht angenommene extreme Gefahrenlage nicht vorliege. Die Sicherheits- und Versorgungslage insbesondere im Raum Kabul sei nicht derart schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Für einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann wie den Kläger sei davon auszugehen, dass er im Raum Kabul eine vergleichsweise stabile Existenz sichern könne.
- 8
Der Kläger ist der Berufung unter Verweis auf die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils entgegengetreten.
- 9
Mit Urteil vom 6. Mai 2008 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in hinreichender zeitlicher Nähe in einen unausweichlich lebensbedrohlichen Zustand geraten würde. Er könne seinen Lebensunterhalt weder aus eigener Kraft noch durch Zuwendungen Dritter bestreiten. Auch ein Zugang zu medizinischer Versorgung sei nahezu ausgeschlossen. Insoweit gerate er zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen.
- 10
Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Juni 2010 – 10 C 9.09 − die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
- 11
Die Beklagte führt im weiteren Verfahren ergänzend aus, dass im Falle des Klägers auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG anzuerkennen sei. Im Herkunftsgebiet des Klägers, dem Bereich um die Stadt Mazar-i Sharif könne nicht von dem Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgegangen werden. Zudem sei angesichts der Strukturen in der afghanischen Gesellschaft damit zu rechnen, dass der Kläger Unterstützung durch einen Stammes- oder Familienverband finden werde.
- 12
Die Beklagte beantragt,
- 13
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 19. Dezember 2006 die Klage insgesamt abzuweisen.
- 14
Der Kläger beantragt,
- 15
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass vorrangig das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungshindernisses festgestellt wird.
- 16
Er ist der Auffassung, dass die eingeholten Gutachten die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 6. Mai 2008 bestätigten. Er laufe Gefahr, bei einer Rückkehr in sein Heimatland an Mangelernährung zu sterben.
- 17
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten der Sachverständigen P. R., Dr. B. G. sowie Dr. K. L. und durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
- 18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakte sowie die in das Verfahren eigeführten Erkenntnismittel verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
- 19
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
- 20
Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen.
- 21
Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zu, noch sind in seinem Fall die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben.
- 22
1. In die Entscheidung des Senates waren – worauf bereits das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil hingewiesen hat – die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorrangig vor dem Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, zu dessen Feststellung das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, einzubeziehen.
- 23
Die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote, zu denen neben § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gehört und deren Grundlagen sich aus Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie – ergeben, sind mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union - Richtlinienumsetzungsgesetz - (BGBl. I 2007, 1970) im August 2007 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Ablehnungsbescheid der Beklagten – wie hier − sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote erfasst und der Kläger die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote in sein Verfahren einbezogen hat. Die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote bilden einen eigenständigen, vorrangig vor den nationalen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4/09 ─, BVerwGE 136, 360 und juris, Rn. 16; Urteil vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226 und juris, Rn. 6).
- 24
2. Im Falle des Klägers liegen indessen die Voraussetzungen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nicht vor.
- 25
a. Was die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 oder 3 AufenthG angeht, so hat sich der Kläger nicht hierauf berufen. Es ergeben sich auch ansonsten keine Hinweise darauf, dass er bei seiner Rückkehr der Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sowie der Gefahr der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Soweit er die Befürchtung geäußert hat, er könne von den Gläubigern seines Vaters misshandelt werden, kann es – ungeachtet der Frage, wie derartige Übergriffe Privater rechtlich einzuordnen sind – nicht als beachtlich wahrscheinlich angesehen werden, dass der Aufenthaltsort des Klägers bei einer Rückkehr von diesen Personen ermittelt und er von ihnen aufgegriffen werden kann.
- 26
b. Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegen nicht vor.
- 27
aa. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
- 28
Im Falle des Klägers kann dahinstehen, ob in seiner Herkunftsregion, der Provinz Balkh, ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Denn jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass er infolge eines solchen Konfliktes einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Eine mögliche bewaffnete Auseinandersetzung erreicht in der Provinz Balkh keine solche Gefahrendichte, dass sich aus der allgemeinen Lage bereits eine individuelle ernsthafte Bedrohung für jede Person ergibt, die sich dort aufhält.
- 29
bb. Was eine sich im Rahmen einer allgemeinen Gefahrenlage bestehende Bedrohung angeht, so ist § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zunächst richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der bei Vorliegen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie, der durch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in nationales Recht umgesetzt wurde, keine Sperrwirkung entfaltet. Der Betroffene muss sich bei einer allgemeinen Gefahr nicht mit der in § 60 a Abs. 1 AufenthG vorgesehenen Aussetzung der Abschiebung zufriedengeben, da ihm nach Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 191 und juris, Rn. 31).
- 30
cc. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit dann anzunehmen, wenn der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Mit einer solchen Auslegung wird dem Erwägungsgrund 26 der Qualifikationsrichtlinie Rechnung getragen, wonach Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen. Hiernach verlangt eine dennoch erfolgende Berücksichtigung eine Ausnahmesituation mit einem hohen Gefahrengrad. Hingegen kann der zur Gewährung subsidiären Schutzes erforderliche Grad willkürlicher Gewalt umso geringer sein, je mehr der Betroffene zu belegen vermag, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation innewohnenden Umstände in besonderem Maße hierdurch betroffen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rechtssache C-465/07 Elgafaji, Rn. 35 bis 39).
- 31
Für die Annahme einer entsprechenden Bedrohung ist dabei auch nach nationalem Recht erforderlich, dass sie durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes ausgelöst wird. Das entsprechende Tatbestandsmerkmal von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie ist auch Bestandteil der gesetzlichen Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG geworden. Wie sich der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz entnehmen lässt (BT-Drs. 16/5065, S. 187), war es Absicht des Gesetzgebers, den Tatbestand des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie und damit auch das Erfordernis willkürlicher Gewalt in vollem Umfang in nationales Recht umzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 32). Von willkürlicher Gewalt ist auszugehen, wenn sich die in Frage stehende Gewalt auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009, a.a.O., Rn. 34).
- 32
Hiernach ist dann ein besonders hohes Maß willkürlicher Gewalt erforderlich, wenn keine persönlichen gefahrerhöhenden Umstände vorliegen. Liegen solche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu den gefahrerhöhenden Umständen gehören solche persönlichen Besonderheiten, die den Rückkehrer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, wie etwa eine berufliche Verpflichtung sich in Gefahrennähe aufzuhalten. Hierzu können aber auch persönliche Umstände gerechnet werden, wie etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Ethnie, aufgrund derer der Betroffene zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33; Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 13/10 −, juris Rn. 18). Beschränkt sich ein bewaffneter Konflikt auf einzelne Landesteile, so kommt eine individuelle Bedrohung in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Betroffenen erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren muss. Bei der Feststellung, ob eine entsprechende individuelle erhebliche Gefahr gegeben ist, ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, erforderlich, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden. Weiterhin bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33). Die entsprechende Gefahr muss dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 20). Was die im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigende quantitative Beurteilung angeht, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. November 2011 (- 10 C 13/10 -, juris Rn. 22 f.) das Risiko, bei innerstaatlichen Auseinandersetzungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 800 verletzt oder getötet zu werden, als für die Annahme einer individuellen Gefahr keinesfalls hinreichend angesehen.
- 33
dd. Nach diesen Kriterien ist der Kläger aufgrund der allgemeinen Situation in seiner Herkunftsprovinz keiner individuellen Bedrohung ausgesetzt.
- 34
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist insgesamt dadurch gekennzeichnet, dass es landesweit in unterschiedlicher Intensität zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen afghanischen Regierungstruppen und der unter Führung der NATO operierenden internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) auf der einen sowie den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen auf der anderen Seite kommt. Das Land ist durch eine andauernde Instabilität geprägt. Insgesamt ist in den Jahren 2010 und 2011 eine Verschlechterung der Sicherheitslage festzustellen. Die Zahl der Anschläge hat sich im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 65 % erhöht. Während nach wie vor ein Schwerpunkt der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Land in den südlichen und südöstlichen Regionen festzustellen ist, lässt sich gleichzeitig eine stärkere geografische Verteilung entsprechender Vorfälle konstatieren (vgl. UNHCR, Gutachten vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; ders., Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylbewerber vom 21. März 2011; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Die für das Jahr 2010 genannte Zahl getöteter Zivilpersonen schwankt in einzelnen Quellen zwischen 2.428 (amnesty international, Report 2011 Afghanistan vom 18. August 2011) und 2.777 (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Landesweit ist im 1. Halbjahr 2011 ein Anstieg der Zahl der getöteten Zivilsten um 15 % festzustellen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Für das gesamte Jahr 2011 wird eine Zahl von 3021 ziviler Todesopfer genannt (United Nations Assistance Mission in Afghanistan – UNAMA, Annual Report 2011, Februar 2012), so dass erneut von einem beträchtlichen Anstieg auszugehen ist. Die Zahl der im Land insgesamt gemeldeten Angriffe bewaffneter oppositioneller Gruppierungen belief sich im Jahr 2011 auf 13.983 (The Afghanistan NGO Safety Office – ANSO, Quaterly Data Report Q.4 2011, Januar 2012).
- 35
Demgegenüber zeigt sich in der Provinz Balkh durch die Anwesenheit internationaler Organisationen und Militärs ein vergleichsweise sicheres Umfeld. Als problematisch hat sich in den vergangenen Jahren eher die hohe Kriminalitätsrate erwiesen. Die Situation in dieser Region wird als vergleichsweise friedlich eingeschätzt. Sie gehört zu den Provinzen, die in den zurückliegenden Jahren vom Konflikt am wenigsten betroffen waren (D-A-CH Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010). War in den Jahren 2009 und 2010 im Verantwortungsbereich des Regionalkommandos Nord, zu dem auch die Provinz Balkh gehört und das in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif seinen Sitz hat, ein signifikanter Anstieg der Auseinandersetzungen festzustellen, kam es im ersten Halbjahr 2011 wieder zu einem Rückgang der Übergriffe um 50 %. Dabei ist es den afghanischen Sicherheitskräften und den ISAF-Einheiten gelungen, in den Regionen Kundus und Nord-Baghlan die regierungsfeindlichen Kräfte weitgehend aus ihren traditionellen Hochburgen zu verdrängen. Auch in den nordwestlichen Provinzen und damit in Balkh konnten – wenn auch nicht in diesem Ausmaß − militärische Fortschritte erzielt werden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012). Mit diesem Vorgehen dürfte auch der seit 2008 feststellbaren und als problematisch angesehenen Infiltration des Nordens Afghanistans durch regierungsfeindliche Gruppierungen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011) entgegengewirkt worden sein. In der Provinz Balkh ereigneten sich im Jahr 2010 183 Angriffe oppositioneller bewaffneter Gruppierungen. Diese Anzahl ging im Jahr 2011 auf 144 zurück (ANSO, Quarterly Data Report, 4/2011, Januar 2012).
- 36
Bei einer Bevölkerungszahl in der Provinz von 1,2 Mio. Einwohnern, die sich auf 17.000 km² erstreckt (71 Einwohner pro km²; vgl.: D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich − Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010), entfiel bei 144 registrierten Anschlägen oppositioneller Gruppierungen ein solcher Vorfall auf etwa 8300 Einwohner. Demgegenüber ereignet sich in Afghanistan insgesamt bei etwa 31 Mio. Einwohnern und 13.983 Übergriffen landesweit (ANSO, Quarterly Data Report, 4/2011, Januar 2012) ein Angriff je 2.200 Einwohner. Wenngleich auf die Region bezogene Opferzahlen nicht ersichtlich sind, so kann doch aus der allgemeinen Einschätzung der Sicherheitslage und der vergleichsweise niedrigen Zahl der Anschläge geschlossen werden, dass nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, in einen derartigen Vorfall als Zivilperson einbezogen zu werden und damit einer ernsthaften Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.
- 37
Angesichts dieser Gesamtsituation wirkt es sich auch nicht zugunsten des Klägers aus, dass die medizinische Versorgungslage in Afghanistan – insbesondere in ländlichen Bereichen − weiterhin als unzureichend angesehen werden muss und ein Zugang zu Gesundheitseinrichtungen nicht gewährleistet ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011). Vielmehr lässt sich schon allein anhand der Gefahrendichte feststellen, dass sich nicht für jeden Rückkehrer allein wegen seines Aufenthaltes in der Provinz eine ernsthafte individuelle Bedrohung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ergibt, so dass es insoweit nicht mehr entscheidend darauf ankommt, ob die Folgen einer Verletzung durch eine schnelle und wirksame medizinische Behandlung gemindert werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 23).
- 38
ee. Besondere persönliche Umstände, die sich gefahrerhöhend auswirkten, sind im Falle des Klägers ebenfalls nicht ersichtlich. Er gehört in seiner Heimatregion der Bevölkerungsmehrheit der Tadschiken an. Soweit der Kläger in seinem Asylverfahren darauf verwiesen hat, dass die Familie von den Gläubigern seines Vaters bedroht worden sei, steht dieser Vorfall in keinem Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und den Sicherheitskräften sowie den ISAF-Einheiten.
- 39
3. Kann hiernach auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht festgestellt werden, so gilt dies gleichermaßen für das gegenüber den unionsrechtlichen Abschiebungsverboten nachrangig zu prüfende nationale Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 3 AufenthG.
- 40
a. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach Satz 3 dieser Regelung sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Der Kläger beruft sich indessen im Wesentlichen gerade auf die allgemein ungünstigen Verhältnisse in seinem Heimatland. Bei diesen der Bevölkerung allgemein drohenden Gefahren gilt nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG jedoch der Vorrang einer politischen Leitentscheidung im Wege einer generellen Aussetzung der Abschiebung. Soweit der Kläger daneben auf die Gefahr abstellt, Opfer der Gläubiger seines Vaters zu werden, fehlt es bereits an hinreichenden Anhaltspunkten, dass er als dessen Sohn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von diesen Personen ausfindig gemacht werden kann.
- 41
Die nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bestehende Sperrwirkung ist allerdings im Wege der verfassungskonformen Auslegung dann einzuschränken, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr in sein Heimatland eine extreme Gefahrenlage dergestalt zu gewärtigen hätte, dass er gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt sein würde und die obersten Landesbehörden von der nach § 60 a Abs. 1 AufenthG bestehenden Ermächtigung, die Abschiebung auszusetzen, keinen Gebrauch gemacht haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 und juris, Rn. 14; Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 -, BVerwGE 115, 1 und juris, Rn. 16; Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24.10 - juris, Rn. 19). Die Gefahrenlage muss landesweit bestehen (VGH BW, Urteil vom 14. Mai 2009 - A 11 S 610/08 -, juris, Rn. 20).
- 42
Was die für die Abweichung von der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG erforderliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahr angeht, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes von einem gegenüber dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die extremen Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Zudem müssen sich die Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011, a.a.O., juris, Rn. 15).
- 43
b. Im Falle des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anforderungen an das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage bei einer Rückkehr nach Afghanistan erfüllt sind.
- 44
Jedenfalls bei einer Rückkehr nach Kabul ist nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit mit seinem alsbaldigen Tod oder schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass Afghanistan durch eine problematische wirtschaftliche Situation geprägt ist, die zu einer schwierigen Versorgungslage führt. Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die verbreitete Armut führt landesweit nach wie vor vielfach zu Mangelernährung. Im Jahr 2011 war die Getreideernte nach überdurchschnittlichen Ernten in den Jahren 2009 und 2010 wieder signifikant niedriger als in den Vorjahren. Staatliche soziale Sicherungssysteme existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien- und Stammesverbänden. Der IWF rechnet indessen für das laufende afghanische Fiskaljahr mit einem Wachstum von 8 % des Bruttoinlandsproduktes außerhalb des Landwirtschaftssektors. Langfristig rechnen Experten bis zum Jahr 2030 mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von 5 % (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012), so dass sich mittelfristig die Perspektive einer Besserung der Verhältnisse ergibt. Erwerbsmöglichkeiten sind für einen Großteil der Bevölkerung nur eingeschränkt vorhanden. Die Arbeitslosenrate liegt bei etwa 40 %. Etwa 80 % der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Selbst nicht arbeitslose Afghanen erzielen durch ihre Arbeit nur in 13,5 % der Fälle regelmäßige Einkünfte. Unproblematisch ist die Situation lediglich für hochqualifizierte Kräfte wie Ingenieure, Finanz- und Verwaltungsfachleute. Für die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sicherzustellen, kommt es wesentlich auf die Einbindung des Betroffenen in den erweiterten Familien- oder Bekanntenkreis an, der auch das soziale Sicherheitsnetz begründet (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 31. Oktober 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; UNHCR, Auskunft vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Dr. L., Stellungnahme vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011 -).
- 45
Dem Kläger droht indes auch vor dem Hintergrund der geschilderten allgemeinen Lage in der Hauptstadt Kabul keine extreme Gefahrenlage. Die Lage dort ist durch eine positive Wirtschaftsentwicklung geprägt. Dies führt allerdings dazu, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt wegen der steigenden Zahl der Binnenvertriebenen und der wirtschaftlichen Migration aus anderen Landesteilen weiter verschärft. Weitere Folge dieser starken Zuwanderung aus anderen Landesteilen ist, dass die Lebenshaltungskosten und damit die Kosten für eine Unterkunft bedeutend höher liegen als in anderen Landesteilen (vgl. Gutachterliche Stellungnahme von Dr. K. L. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 09. Juni 2011; Gutachten des UNHCR an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011).
- 46
Als unwahrscheinlich ist zudem die Option anzusehen, dass der Kläger nach seiner Rückkehr eine Arbeitsstelle findet, die seinen Lebensunterhalt dauerhaft gewährleistet. Vielmehr wird er voraussichtlich darauf angewiesen sein, sich als Tagelöhner zu verdingen (vgl. Gutachten von P. R. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 15. Januar 2008). Grundlage hierfür ist insbesondere der Bauboom in der Hauptstadt, der die entsprechenden Möglichkeiten erheblich ausgeweitet hat. Bei der Arbeitssuche kommt überdies der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppierung in der Hauptstadt, da diese multiethnisch und kosmopolitisch geprägt ist, keine so große Bedeutung zu, wie es in der Provinz der Fall ist (Gutachten von Dr. B. G. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 31. August 2008). Insoweit wird der Kläger nicht in gleichem Maße auf die Unterstützung durch seinen Stammes- oder Familienclan angewiesen sein, wie dies in anderen Regionen seines Heimatlandes der Fall wäre.
- 47
Was die Möglichkeit angeht, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, so ist in seinem Falle weiterhin zu berücksichtigen, dass er alleinstehend ist und daher nicht in der Verantwortung steht, den Unterhalt von Ehefrau oder Kindern gleichfalls sicherzustellen. Hiernach ist aber bereits nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland ohne Unterstützung durch Familien- oder Stammesangehörige nicht in der Lage wäre, durch eine - wenn auch unregelmäßige - Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zumindest in bescheidenem Umfang durch eine Tagelöhnertätigkeit zu erzielen (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 31. Oktober 2011). Insoweit ergibt sich auch keine ernstliche Verschlechterung der Situation dadurch, dass er sich längere Zeit, nämlich seit dem Jahre 2004, außerhalb seines Heimatlandes aufgehalten hat. Selbst wenn sich hieraus eine Erschwernis bei der Arbeitssuche ergeben sollte (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG RP vom 31. Oktober 2011), so besteht jedoch keine Einschränkung der Eignung für einfache körperliche Tätigkeiten. Insoweit sind es gerade junge, kräftige Männer, die am ehesten die Chance haben, sich auf dem Arbeitsmarkt für Tätigkeiten durchzusetzen, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt ist (vgl. Gutachten von Dr. Mostafa Danesch an den HessVGH vom 07. Oktober 2010 – Logar). Was den Kläger angeht, kommt hinzu, dass er vor seiner Ausreise im Teppichhandel seines Vaters mitgeholfen und dadurch Erfahrungen im Wirtschaftsleben seines Heimatlandes erworben hat.
- 48
Auch die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass der Kläger als alleinstehender junger Mann bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Zwar ist in Afghanistan etwa ein Drittel der Bevölkerung von Mangelernährung betroffen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass den Betroffenen keine ausreichende Nahrung für ein gesundes und aktives Leben zur Verfügung steht (Stellungnahme des UNHCR vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz). Dies bedeutet indessen nicht, dass bei diesem Bevölkerungsanteil bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen in erheblichem Ausmaß eingetreten sind. Vielmehr wird damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass bei etwa einem Drittel der afghanischen Bevölkerung die Gefahr gesundheitlicher Beeinträchtigung durch Mangelernährung besteht. Die von Frau Dr. T. in der mündlichen Verhandlung vom 06. Mai 2008 geschilderten Folgen der Mangelernährung können in einem solchen Fall eintreten; sie sind aber nicht zwingend. Hinzu kommt, dass es auch bei der Gefahr von Armut und Mangelernährung demographische Risikogruppen gibt. Bei der Definition der Begriffe der absoluten Armut (1 Dollar und weniger pro Tag), von der etwa 36 % der Afghanen betroffen sind, und des Lebens knapp über der Armutsgrenze (2 bis 3 Dollar), das 37 % der afghanischen Bevölkerung führen, wird auf die Verhältnisse einer sechs- bis achtköpfigen Großfamilie abgestellt (vgl. Gutachten von Dr. M. D. an den Hessischen VGH vom 07. Oktober 2010 – Logar). Dies bestätigt aber die Annahme, dass gerade nicht junge, alleinstehende Männer, sondern eher Familien mit mehreren Kindern in besonderem Maße in Afghanistan existentiell gefährdet sind.
- 49
Da der Kläger nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ernsthafter gesundheitlicher Beeinträchtigungen ausgesetzt ist, kann bei ihm, der keine Vorerkrankungen dargelegt hat, auch nicht mit einer alsbald nach der Rückkehr drohenden extremen Gefahrenlage allein wegen der – insbesondere in ländlichen Bereichen – unzureichenden medizinischen Versorgungslage in Afghanistan (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011) gerechnet werden.
- 50
Insgesamt kann hiernach zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger in seinem Heimatland in eine ernsthafte Gefahrenlage gerät, für deren alsbald nach der Rückkehr erfolgenden Eintritt spricht aber keine hohe Wahrscheinlichkeit.
- 51
Die Ansicht, dass für junge, männliche afghanische Staatsangehörige, die beruflich nicht besonders qualifiziert sind und nicht auf den Rückhalt von Familie oder Bekannten zurückgreifen können, in Kabul keine extreme Gefahrensituation besteht, wird von der überwiegenden Zahl der Obergerichte geteilt (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 610/08 −; BayVGH, Urteil vom 03. Februar 2011 – 13a B 10.30394 −, juris Rn. 37; OVG NW, Urteil vom 19. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A −, juris Rn. 68 und Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 20 A 964/10.A −, juris Rn. 7; OVG SH, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 23/08 −, juris Rn. 34; a.A. wohl: HessVGH, Urteil vom 25.08.2011 – 8 A 1659/10.A −, Juris Rn. 93 ).
- 52
Was einen möglichen Aufenthalt des Klägers in Kabul angeht, so liegen auch in diesem Bereich die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht vor. Ausweislich des Lageberichtes des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012 kann die Sicherheitslage in Kabul weiterhin als stabil angesehen werden. Zwar hätten sich seit Januar 2011 in der Hauptstadt mehrere spektakuläre Selbstmordanschläge ereignet. Zuvor sei es allerdings über einen Zeitraum von fast 18 Monaten hinweg zu praktisch keinerlei Anschlägen gekommen. Es handelte sich um einzelne spektakuläre Anschläge auf exponierte Ziele (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Insgesamt waren 71 Tote in der Zivilbevölkerung Kabuls zu verzeichnen, wovon 67 Personen Opfer von sechs Selbstmordanschlägen wurden (vgl. UNAMA, Afghanistan, Annual Report 2011, Februar 2012). Diese Umstände sprechen bereits dagegen, in Kabul einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt anzunehmen (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 3177/11 −). Jedenfalls ergibt sich aber keine erhebliche Gefahr für jeden Rückkehrer, Opfer einer bewaffneten Auseinandersetzung zu werden. Bei einer Gesamteinwohnerzahl von etwa 3,5 bis 4,5 Mio. Menschen (D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010) und einer Konzentration der Übergriffe auf wenige Vorfälle fehlt es an der erforderlichen Gefahrendichte.
- 53
Die von der Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG.
- 54
Soweit der Kläger sich mit Schriftsatz vom 01. April 2012 an den Senat gewandt hat, bestand kein Anlass, erneut in eine mündliche Verhandlung einzutreten, da er seinen bisherigen Vortrag lediglich konkretisiert hat.
- 55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
- 56
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. 708 ff. ZPO.
- 57
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19. September 2007 - A 6 K 4738/07 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. September 2011 - A 8 K 744/10 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. Oktober 2011 - A 6 K 1088/11 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des - gerichtskostenfreien - Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2008 - A 11 K 521/06 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Der am … in Mazar-i Sharif geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit. Er begehrt die Verpflichtung der Beklagten zu der Feststellung, dass in seinem Fall die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 AufenthG vorliegen.
- 2
Nachdem er nach eigenen Angaben am 31. März 2004 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland eingereist war, beantragte er unter dem 7. April 2004, als Asylberechtigter anerkannt zu werden.
- 3
Zur Begründung seines Asylbegehrens führte er in seiner Anhörung vom 20. April 2004 an, dass er gemeinsam mit seiner Schwester und seiner Mutter in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Sein Vater sei etwa eine Woche vor der Ausreise verstorben. Der Kläger habe die Koranschule besucht und danach im Geschäft des Vaters mitgearbeitet. Dieser sei Teppichhändler gewesen. Die Familie habe sich in einer guten wirtschaftlichen Lage befunden. Vor der Ausreise habe sein Vater allerdings etwa 60.000 Dollar Schulden gehabt. Die Gläubiger hätten die Familie bedroht. Grund für die Schulden sei gewesen, dass drei Ladungen Teppiche auf dem Weg nach Pakistan gestohlen worden seien. Ein Freund seines Vaters habe die Ausreise organisiert. Hierzu habe der Kläger aus dem Haus der Familie Geld geholt, das dort versteckt gewesen sei. An den Schlepper habe die Familie 20.000 Dollar bezahlt. Die Verwandten des Klägers lebten in Deutschland oder der Türkei.
- 4
Mit Bescheid vom 15. November 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter ab und stellte fest, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 sowie des § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Sie forderte den Kläger zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland auf und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an.
- 5
Am 1. Dezember 2005 hat der Kläger Klage erhoben, die er auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beschränkt hat.
- 6
Mit Urteil vom 19. Dezember 2006 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zu der Feststellung verpflichtet, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistan vorliegen und den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2005 insoweit aufgehoben, als er dieser Feststellung entgegensteht. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland wegen der dortigen unzureichenden Versorgungslage einer extremen Gefahr ausgesetzt wäre.
- 7
Zur Begründung ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Berufung hat die Beklagte angeführt, dass die vom Verwaltungsgericht angenommene extreme Gefahrenlage nicht vorliege. Die Sicherheits- und Versorgungslage insbesondere im Raum Kabul sei nicht derart schlecht, dass der Kläger bei einer Rückkehr dorthin gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde. Für einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann wie den Kläger sei davon auszugehen, dass er im Raum Kabul eine vergleichsweise stabile Existenz sichern könne.
- 8
Der Kläger ist der Berufung unter Verweis auf die Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils entgegengetreten.
- 9
Mit Urteil vom 6. Mai 2008 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan in hinreichender zeitlicher Nähe in einen unausweichlich lebensbedrohlichen Zustand geraten würde. Er könne seinen Lebensunterhalt weder aus eigener Kraft noch durch Zuwendungen Dritter bestreiten. Auch ein Zugang zu medizinischer Versorgung sei nahezu ausgeschlossen. Insoweit gerate er zwangsläufig in einen fortschreitenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebensbedrohlichen Folgen.
- 10
Auf die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 29. Juni 2010 – 10 C 9.09 − die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
- 11
Die Beklagte führt im weiteren Verfahren ergänzend aus, dass im Falle des Klägers auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG anzuerkennen sei. Im Herkunftsgebiet des Klägers, dem Bereich um die Stadt Mazar-i Sharif könne nicht von dem Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgegangen werden. Zudem sei angesichts der Strukturen in der afghanischen Gesellschaft damit zu rechnen, dass der Kläger Unterstützung durch einen Stammes- oder Familienverband finden werde.
- 12
Die Beklagte beantragt,
- 13
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 19. Dezember 2006 die Klage insgesamt abzuweisen.
- 14
Der Kläger beantragt,
- 15
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass vorrangig das Vorliegen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungshindernisses festgestellt wird.
- 16
Er ist der Auffassung, dass die eingeholten Gutachten die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 6. Mai 2008 bestätigten. Er laufe Gefahr, bei einer Rückkehr in sein Heimatland an Mangelernährung zu sterben.
- 17
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Gutachten der Sachverständigen P. R., Dr. B. G. sowie Dr. K. L. und durch Einholung einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
- 18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Verwaltungsakte sowie die in das Verfahren eigeführten Erkenntnismittel verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
- 19
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
- 20
Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen.
- 21
Dem Kläger steht weder ein Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zu, noch sind in seinem Fall die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben.
- 22
1. In die Entscheidung des Senates waren – worauf bereits das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil hingewiesen hat – die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorrangig vor dem Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, zu dessen Feststellung das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, einzubeziehen.
- 23
Die unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbote, zu denen neben § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gehört und deren Grundlagen sich aus Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie – ergeben, sind mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union - Richtlinienumsetzungsgesetz - (BGBl. I 2007, 1970) im August 2007 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Ablehnungsbescheid der Beklagten – wie hier − sämtliche zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverbote erfasst und der Kläger die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote in sein Verfahren einbezogen hat. Die unionsrechtlichen Abschiebungsverbote bilden einen eigenständigen, vorrangig vor den nationalen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 – 10 C 4/09 ─, BVerwGE 136, 360 und juris, Rn. 16; Urteil vom 29. Juni 2010 - 10 C 10.09 -, BVerwGE 137, 226 und juris, Rn. 6).
- 24
2. Im Falle des Klägers liegen indessen die Voraussetzungen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbotes nicht vor.
- 25
a. Was die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 oder 3 AufenthG angeht, so hat sich der Kläger nicht hierauf berufen. Es ergeben sich auch ansonsten keine Hinweise darauf, dass er bei seiner Rückkehr der Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung sowie der Gefahr der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Soweit er die Befürchtung geäußert hat, er könne von den Gläubigern seines Vaters misshandelt werden, kann es – ungeachtet der Frage, wie derartige Übergriffe Privater rechtlich einzuordnen sind – nicht als beachtlich wahrscheinlich angesehen werden, dass der Aufenthaltsort des Klägers bei einer Rückkehr von diesen Personen ermittelt und er von ihnen aufgegriffen werden kann.
- 26
b. Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegen nicht vor.
- 27
aa. Nach dieser Vorschrift ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
- 28
Im Falle des Klägers kann dahinstehen, ob in seiner Herkunftsregion, der Provinz Balkh, ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne dieser Vorschrift vorliegt. Denn jedenfalls kann nicht festgestellt werden, dass er infolge eines solchen Konfliktes einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Eine mögliche bewaffnete Auseinandersetzung erreicht in der Provinz Balkh keine solche Gefahrendichte, dass sich aus der allgemeinen Lage bereits eine individuelle ernsthafte Bedrohung für jede Person ergibt, die sich dort aufhält.
- 29
bb. Was eine sich im Rahmen einer allgemeinen Gefahrenlage bestehende Bedrohung angeht, so ist § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG zunächst richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der bei Vorliegen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie, der durch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in nationales Recht umgesetzt wurde, keine Sperrwirkung entfaltet. Der Betroffene muss sich bei einer allgemeinen Gefahr nicht mit der in § 60 a Abs. 1 AufenthG vorgesehenen Aussetzung der Abschiebung zufriedengeben, da ihm nach Art. 24 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zusteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 191 und juris, Rn. 31).
- 30
cc. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit dann anzunehmen, wenn der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften Bedrohung ausgesetzt zu sein. Mit einer solchen Auslegung wird dem Erwägungsgrund 26 der Qualifikationsrichtlinie Rechnung getragen, wonach Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe allgemein ausgesetzt ist, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen. Hiernach verlangt eine dennoch erfolgende Berücksichtigung eine Ausnahmesituation mit einem hohen Gefahrengrad. Hingegen kann der zur Gewährung subsidiären Schutzes erforderliche Grad willkürlicher Gewalt umso geringer sein, je mehr der Betroffene zu belegen vermag, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation innewohnenden Umstände in besonderem Maße hierdurch betroffen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rechtssache C-465/07 Elgafaji, Rn. 35 bis 39).
- 31
Für die Annahme einer entsprechenden Bedrohung ist dabei auch nach nationalem Recht erforderlich, dass sie durch willkürliche Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konfliktes ausgelöst wird. Das entsprechende Tatbestandsmerkmal von Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie ist auch Bestandteil der gesetzlichen Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG geworden. Wie sich der Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz entnehmen lässt (BT-Drs. 16/5065, S. 187), war es Absicht des Gesetzgebers, den Tatbestand des Art. 15 Buchst. c der Qualifikationsrichtlinie und damit auch das Erfordernis willkürlicher Gewalt in vollem Umfang in nationales Recht umzusetzen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 32). Von willkürlicher Gewalt ist auszugehen, wenn sich die in Frage stehende Gewalt auf Personen ungeachtet ihrer persönlichen Situation erstrecken kann (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009, a.a.O., Rn. 34).
- 32
Hiernach ist dann ein besonders hohes Maß willkürlicher Gewalt erforderlich, wenn keine persönlichen gefahrerhöhenden Umstände vorliegen. Liegen solche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu den gefahrerhöhenden Umständen gehören solche persönlichen Besonderheiten, die den Rückkehrer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, wie etwa eine berufliche Verpflichtung sich in Gefahrennähe aufzuhalten. Hierzu können aber auch persönliche Umstände gerechnet werden, wie etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion oder Ethnie, aufgrund derer der Betroffene zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33; Urteil vom 17. November 2011 – 10 C 13/10 −, juris Rn. 18). Beschränkt sich ein bewaffneter Konflikt auf einzelne Landesteile, so kommt eine individuelle Bedrohung in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Betroffenen erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren muss. Bei der Feststellung, ob eine entsprechende individuelle erhebliche Gefahr gegeben ist, ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, erforderlich, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden. Weiterhin bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 -, a.a.O. und juris, Rn. 33). Die entsprechende Gefahr muss dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 20). Was die im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigende quantitative Beurteilung angeht, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. November 2011 (- 10 C 13/10 -, juris Rn. 22 f.) das Risiko, bei innerstaatlichen Auseinandersetzungen mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 800 verletzt oder getötet zu werden, als für die Annahme einer individuellen Gefahr keinesfalls hinreichend angesehen.
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dd. Nach diesen Kriterien ist der Kläger aufgrund der allgemeinen Situation in seiner Herkunftsprovinz keiner individuellen Bedrohung ausgesetzt.
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Die Sicherheitslage in Afghanistan ist insgesamt dadurch gekennzeichnet, dass es landesweit in unterschiedlicher Intensität zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen afghanischen Regierungstruppen und der unter Führung der NATO operierenden internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF) auf der einen sowie den Taliban und anderen bewaffneten Gruppen auf der anderen Seite kommt. Das Land ist durch eine andauernde Instabilität geprägt. Insgesamt ist in den Jahren 2010 und 2011 eine Verschlechterung der Sicherheitslage festzustellen. Die Zahl der Anschläge hat sich im Jahr 2010 im Vergleich zum Vorjahr um 65 % erhöht. Während nach wie vor ein Schwerpunkt der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle im Land in den südlichen und südöstlichen Regionen festzustellen ist, lässt sich gleichzeitig eine stärkere geografische Verteilung entsprechender Vorfälle konstatieren (vgl. UNHCR, Gutachten vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; ders., Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylbewerber vom 21. März 2011; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Die für das Jahr 2010 genannte Zahl getöteter Zivilpersonen schwankt in einzelnen Quellen zwischen 2.428 (amnesty international, Report 2011 Afghanistan vom 18. August 2011) und 2.777 (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Landesweit ist im 1. Halbjahr 2011 ein Anstieg der Zahl der getöteten Zivilsten um 15 % festzustellen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Für das gesamte Jahr 2011 wird eine Zahl von 3021 ziviler Todesopfer genannt (United Nations Assistance Mission in Afghanistan – UNAMA, Annual Report 2011, Februar 2012), so dass erneut von einem beträchtlichen Anstieg auszugehen ist. Die Zahl der im Land insgesamt gemeldeten Angriffe bewaffneter oppositioneller Gruppierungen belief sich im Jahr 2011 auf 13.983 (The Afghanistan NGO Safety Office – ANSO, Quaterly Data Report Q.4 2011, Januar 2012).
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Demgegenüber zeigt sich in der Provinz Balkh durch die Anwesenheit internationaler Organisationen und Militärs ein vergleichsweise sicheres Umfeld. Als problematisch hat sich in den vergangenen Jahren eher die hohe Kriminalitätsrate erwiesen. Die Situation in dieser Region wird als vergleichsweise friedlich eingeschätzt. Sie gehört zu den Provinzen, die in den zurückliegenden Jahren vom Konflikt am wenigsten betroffen waren (D-A-CH Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010). War in den Jahren 2009 und 2010 im Verantwortungsbereich des Regionalkommandos Nord, zu dem auch die Provinz Balkh gehört und das in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif seinen Sitz hat, ein signifikanter Anstieg der Auseinandersetzungen festzustellen, kam es im ersten Halbjahr 2011 wieder zu einem Rückgang der Übergriffe um 50 %. Dabei ist es den afghanischen Sicherheitskräften und den ISAF-Einheiten gelungen, in den Regionen Kundus und Nord-Baghlan die regierungsfeindlichen Kräfte weitgehend aus ihren traditionellen Hochburgen zu verdrängen. Auch in den nordwestlichen Provinzen und damit in Balkh konnten – wenn auch nicht in diesem Ausmaß − militärische Fortschritte erzielt werden (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012). Mit diesem Vorgehen dürfte auch der seit 2008 feststellbaren und als problematisch angesehenen Infiltration des Nordens Afghanistans durch regierungsfeindliche Gruppierungen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011) entgegengewirkt worden sein. In der Provinz Balkh ereigneten sich im Jahr 2010 183 Angriffe oppositioneller bewaffneter Gruppierungen. Diese Anzahl ging im Jahr 2011 auf 144 zurück (ANSO, Quarterly Data Report, 4/2011, Januar 2012).
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Bei einer Bevölkerungszahl in der Provinz von 1,2 Mio. Einwohnern, die sich auf 17.000 km² erstreckt (71 Einwohner pro km²; vgl.: D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich − Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010), entfiel bei 144 registrierten Anschlägen oppositioneller Gruppierungen ein solcher Vorfall auf etwa 8300 Einwohner. Demgegenüber ereignet sich in Afghanistan insgesamt bei etwa 31 Mio. Einwohnern und 13.983 Übergriffen landesweit (ANSO, Quarterly Data Report, 4/2011, Januar 2012) ein Angriff je 2.200 Einwohner. Wenngleich auf die Region bezogene Opferzahlen nicht ersichtlich sind, so kann doch aus der allgemeinen Einschätzung der Sicherheitslage und der vergleichsweise niedrigen Zahl der Anschläge geschlossen werden, dass nur eine geringe Wahrscheinlichkeit besteht, in einen derartigen Vorfall als Zivilperson einbezogen zu werden und damit einer ernsthaften Gefährdung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit ausgesetzt zu sein.
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Angesichts dieser Gesamtsituation wirkt es sich auch nicht zugunsten des Klägers aus, dass die medizinische Versorgungslage in Afghanistan – insbesondere in ländlichen Bereichen − weiterhin als unzureichend angesehen werden muss und ein Zugang zu Gesundheitseinrichtungen nicht gewährleistet ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011). Vielmehr lässt sich schon allein anhand der Gefahrendichte feststellen, dass sich nicht für jeden Rückkehrer allein wegen seines Aufenthaltes in der Provinz eine ernsthafte individuelle Bedrohung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ergibt, so dass es insoweit nicht mehr entscheidend darauf ankommt, ob die Folgen einer Verletzung durch eine schnelle und wirksame medizinische Behandlung gemindert werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, a.a.O., juris Rn. 23).
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ee. Besondere persönliche Umstände, die sich gefahrerhöhend auswirkten, sind im Falle des Klägers ebenfalls nicht ersichtlich. Er gehört in seiner Heimatregion der Bevölkerungsmehrheit der Tadschiken an. Soweit der Kläger in seinem Asylverfahren darauf verwiesen hat, dass die Familie von den Gläubigern seines Vaters bedroht worden sei, steht dieser Vorfall in keinem Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und den Sicherheitskräften sowie den ISAF-Einheiten.
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3. Kann hiernach auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht festgestellt werden, so gilt dies gleichermaßen für das gegenüber den unionsrechtlichen Abschiebungsverboten nachrangig zu prüfende nationale Abschiebungsverbot in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und Satz 3 AufenthG.
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a. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für ihn eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach Satz 3 dieser Regelung sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Der Kläger beruft sich indessen im Wesentlichen gerade auf die allgemein ungünstigen Verhältnisse in seinem Heimatland. Bei diesen der Bevölkerung allgemein drohenden Gefahren gilt nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG jedoch der Vorrang einer politischen Leitentscheidung im Wege einer generellen Aussetzung der Abschiebung. Soweit der Kläger daneben auf die Gefahr abstellt, Opfer der Gläubiger seines Vaters zu werden, fehlt es bereits an hinreichenden Anhaltspunkten, dass er als dessen Sohn mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von diesen Personen ausfindig gemacht werden kann.
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Die nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bestehende Sperrwirkung ist allerdings im Wege der verfassungskonformen Auslegung dann einzuschränken, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr in sein Heimatland eine extreme Gefahrenlage dergestalt zu gewärtigen hätte, dass er gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt sein würde und die obersten Landesbehörden von der nach § 60 a Abs. 1 AufenthG bestehenden Ermächtigung, die Abschiebung auszusetzen, keinen Gebrauch gemacht haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 9 C 9.95 -, BVerwGE 99, 324 und juris, Rn. 14; Urteil vom 12. Juli 2001 - 1 C 5.01 -, BVerwGE 115, 1 und juris, Rn. 16; Urteil vom 29. September 2011 - 10 C 24.10 - juris, Rn. 19). Die Gefahrenlage muss landesweit bestehen (VGH BW, Urteil vom 14. Mai 2009 - A 11 S 610/08 -, juris, Rn. 20).
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Was die für die Abweichung von der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG erforderliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahr angeht, so ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes von einem gegenüber dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die extremen Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Zudem müssen sich die Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 2011, a.a.O., juris, Rn. 15).
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b. Im Falle des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anforderungen an das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage bei einer Rückkehr nach Afghanistan erfüllt sind.
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Jedenfalls bei einer Rückkehr nach Kabul ist nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit mit seinem alsbaldigen Tod oder schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu rechnen. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass Afghanistan durch eine problematische wirtschaftliche Situation geprägt ist, die zu einer schwierigen Versorgungslage führt. Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die verbreitete Armut führt landesweit nach wie vor vielfach zu Mangelernährung. Im Jahr 2011 war die Getreideernte nach überdurchschnittlichen Ernten in den Jahren 2009 und 2010 wieder signifikant niedriger als in den Vorjahren. Staatliche soziale Sicherungssysteme existieren praktisch nicht. Die soziale Absicherung liegt traditionell bei den Familien- und Stammesverbänden. Der IWF rechnet indessen für das laufende afghanische Fiskaljahr mit einem Wachstum von 8 % des Bruttoinlandsproduktes außerhalb des Landwirtschaftssektors. Langfristig rechnen Experten bis zum Jahr 2030 mit einer durchschnittlichen jährlichen Steigerungsrate von 5 % (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012), so dass sich mittelfristig die Perspektive einer Besserung der Verhältnisse ergibt. Erwerbsmöglichkeiten sind für einen Großteil der Bevölkerung nur eingeschränkt vorhanden. Die Arbeitslosenrate liegt bei etwa 40 %. Etwa 80 % der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig. Selbst nicht arbeitslose Afghanen erzielen durch ihre Arbeit nur in 13,5 % der Fälle regelmäßige Einkünfte. Unproblematisch ist die Situation lediglich für hochqualifizierte Kräfte wie Ingenieure, Finanz- und Verwaltungsfachleute. Für die Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit sicherzustellen, kommt es wesentlich auf die Einbindung des Betroffenen in den erweiterten Familien- oder Bekanntenkreis an, der auch das soziale Sicherheitsnetz begründet (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 31. Oktober 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; UNHCR, Auskunft vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Dr. L., Stellungnahme vom 8. Juni 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011 -).
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Dem Kläger droht indes auch vor dem Hintergrund der geschilderten allgemeinen Lage in der Hauptstadt Kabul keine extreme Gefahrenlage. Die Lage dort ist durch eine positive Wirtschaftsentwicklung geprägt. Dies führt allerdings dazu, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt wegen der steigenden Zahl der Binnenvertriebenen und der wirtschaftlichen Migration aus anderen Landesteilen weiter verschärft. Weitere Folge dieser starken Zuwanderung aus anderen Landesteilen ist, dass die Lebenshaltungskosten und damit die Kosten für eine Unterkunft bedeutend höher liegen als in anderen Landesteilen (vgl. Gutachterliche Stellungnahme von Dr. K. L. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 09. Juni 2011; Gutachten des UNHCR an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 11. November 2011).
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Als unwahrscheinlich ist zudem die Option anzusehen, dass der Kläger nach seiner Rückkehr eine Arbeitsstelle findet, die seinen Lebensunterhalt dauerhaft gewährleistet. Vielmehr wird er voraussichtlich darauf angewiesen sein, sich als Tagelöhner zu verdingen (vgl. Gutachten von P. R. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 15. Januar 2008). Grundlage hierfür ist insbesondere der Bauboom in der Hauptstadt, der die entsprechenden Möglichkeiten erheblich ausgeweitet hat. Bei der Arbeitssuche kommt überdies der Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppierung in der Hauptstadt, da diese multiethnisch und kosmopolitisch geprägt ist, keine so große Bedeutung zu, wie es in der Provinz der Fall ist (Gutachten von Dr. B. G. an das OVG Rheinland-Pfalz vom 31. August 2008). Insoweit wird der Kläger nicht in gleichem Maße auf die Unterstützung durch seinen Stammes- oder Familienclan angewiesen sein, wie dies in anderen Regionen seines Heimatlandes der Fall wäre.
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Was die Möglichkeit angeht, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, so ist in seinem Falle weiterhin zu berücksichtigen, dass er alleinstehend ist und daher nicht in der Verantwortung steht, den Unterhalt von Ehefrau oder Kindern gleichfalls sicherzustellen. Hiernach ist aber bereits nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland ohne Unterstützung durch Familien- oder Stammesangehörige nicht in der Lage wäre, durch eine - wenn auch unregelmäßige - Erwerbstätigkeit seinen Lebensunterhalt zumindest in bescheidenem Umfang durch eine Tagelöhnertätigkeit zu erzielen (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz vom 31. Oktober 2011). Insoweit ergibt sich auch keine ernstliche Verschlechterung der Situation dadurch, dass er sich längere Zeit, nämlich seit dem Jahre 2004, außerhalb seines Heimatlandes aufgehalten hat. Selbst wenn sich hieraus eine Erschwernis bei der Arbeitssuche ergeben sollte (vgl. Amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes an das OVG RP vom 31. Oktober 2011), so besteht jedoch keine Einschränkung der Eignung für einfache körperliche Tätigkeiten. Insoweit sind es gerade junge, kräftige Männer, die am ehesten die Chance haben, sich auf dem Arbeitsmarkt für Tätigkeiten durchzusetzen, bei denen harte körperliche Arbeit gefragt ist (vgl. Gutachten von Dr. Mostafa Danesch an den HessVGH vom 07. Oktober 2010 – Logar). Was den Kläger angeht, kommt hinzu, dass er vor seiner Ausreise im Teppichhandel seines Vaters mitgeholfen und dadurch Erfahrungen im Wirtschaftsleben seines Heimatlandes erworben hat.
- 48
Auch die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass der Kläger als alleinstehender junger Mann bei einer Rückkehr mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Zwar ist in Afghanistan etwa ein Drittel der Bevölkerung von Mangelernährung betroffen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass den Betroffenen keine ausreichende Nahrung für ein gesundes und aktives Leben zur Verfügung steht (Stellungnahme des UNHCR vom 11. November 2011 an das OVG Rheinland-Pfalz). Dies bedeutet indessen nicht, dass bei diesem Bevölkerungsanteil bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen in erheblichem Ausmaß eingetreten sind. Vielmehr wird damit lediglich zum Ausdruck gebracht, dass bei etwa einem Drittel der afghanischen Bevölkerung die Gefahr gesundheitlicher Beeinträchtigung durch Mangelernährung besteht. Die von Frau Dr. T. in der mündlichen Verhandlung vom 06. Mai 2008 geschilderten Folgen der Mangelernährung können in einem solchen Fall eintreten; sie sind aber nicht zwingend. Hinzu kommt, dass es auch bei der Gefahr von Armut und Mangelernährung demographische Risikogruppen gibt. Bei der Definition der Begriffe der absoluten Armut (1 Dollar und weniger pro Tag), von der etwa 36 % der Afghanen betroffen sind, und des Lebens knapp über der Armutsgrenze (2 bis 3 Dollar), das 37 % der afghanischen Bevölkerung führen, wird auf die Verhältnisse einer sechs- bis achtköpfigen Großfamilie abgestellt (vgl. Gutachten von Dr. M. D. an den Hessischen VGH vom 07. Oktober 2010 – Logar). Dies bestätigt aber die Annahme, dass gerade nicht junge, alleinstehende Männer, sondern eher Familien mit mehreren Kindern in besonderem Maße in Afghanistan existentiell gefährdet sind.
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Da der Kläger nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ernsthafter gesundheitlicher Beeinträchtigungen ausgesetzt ist, kann bei ihm, der keine Vorerkrankungen dargelegt hat, auch nicht mit einer alsbald nach der Rückkehr drohenden extremen Gefahrenlage allein wegen der – insbesondere in ländlichen Bereichen – unzureichenden medizinischen Versorgungslage in Afghanistan (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, Januar 2012; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update vom 23. August 2011) gerechnet werden.
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Insgesamt kann hiernach zwar nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger in seinem Heimatland in eine ernsthafte Gefahrenlage gerät, für deren alsbald nach der Rückkehr erfolgenden Eintritt spricht aber keine hohe Wahrscheinlichkeit.
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Die Ansicht, dass für junge, männliche afghanische Staatsangehörige, die beruflich nicht besonders qualifiziert sind und nicht auf den Rückhalt von Familie oder Bekannten zurückgreifen können, in Kabul keine extreme Gefahrensituation besteht, wird von der überwiegenden Zahl der Obergerichte geteilt (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 610/08 −; BayVGH, Urteil vom 03. Februar 2011 – 13a B 10.30394 −, juris Rn. 37; OVG NW, Urteil vom 19. Juni 2008 – 20 A 4676/06.A −, juris Rn. 68 und Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 20 A 964/10.A −, juris Rn. 7; OVG SH, Urteil vom 10. Dezember 2008 – 2 LB 23/08 −, juris Rn. 34; a.A. wohl: HessVGH, Urteil vom 25.08.2011 – 8 A 1659/10.A −, Juris Rn. 93 ).
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Was einen möglichen Aufenthalt des Klägers in Kabul angeht, so liegen auch in diesem Bereich die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht vor. Ausweislich des Lageberichtes des Auswärtigen Amtes vom 10. Januar 2012 kann die Sicherheitslage in Kabul weiterhin als stabil angesehen werden. Zwar hätten sich seit Januar 2011 in der Hauptstadt mehrere spektakuläre Selbstmordanschläge ereignet. Zuvor sei es allerdings über einen Zeitraum von fast 18 Monaten hinweg zu praktisch keinerlei Anschlägen gekommen. Es handelte sich um einzelne spektakuläre Anschläge auf exponierte Ziele (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Afghanistan: Update - Die aktuelle Sicherheitslage vom 23. August 2011). Insgesamt waren 71 Tote in der Zivilbevölkerung Kabuls zu verzeichnen, wovon 67 Personen Opfer von sechs Selbstmordanschlägen wurden (vgl. UNAMA, Afghanistan, Annual Report 2011, Februar 2012). Diese Umstände sprechen bereits dagegen, in Kabul einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt anzunehmen (vgl. VGH BW, Urteil vom 06. März 2012 – A 11 S 3177/11 −). Jedenfalls ergibt sich aber keine erhebliche Gefahr für jeden Rückkehrer, Opfer einer bewaffneten Auseinandersetzung zu werden. Bei einer Gesamteinwohnerzahl von etwa 3,5 bis 4,5 Mio. Menschen (D-A-CH-Kooperation Asylwesen Deutschland – Österreich – Schweiz, Sicherheitslage in Afghanistan, Juni 2010) und einer Konzentration der Übergriffe auf wenige Vorfälle fehlt es an der erforderlichen Gefahrendichte.
- 53
Die von der Beklagten verfügte Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG.
- 54
Soweit der Kläger sich mit Schriftsatz vom 01. April 2012 an den Senat gewandt hat, bestand kein Anlass, erneut in eine mündliche Verhandlung einzutreten, da er seinen bisherigen Vortrag lediglich konkretisiert hat.
- 55
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § § 83 b AsylVfG nicht erhoben.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. 708 ff. ZPO.
- 57
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Januar 2008 - A 11 K 521/06 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gesamten - gerichtskostenfreien - Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.